Neuroophthalmologie – Christina Beisse ________________________________________________________________________________ 1 NEUROOPHTHALMOLOGIE 1.1 Nystagmus .................................................................................. 2 1.2 Pseudotumor cerebri.................................................................. 4 1.3 Nicht arteriitische ischämische Optikusneuropathie (NAION) 5 1.4 Okulomotorische Hirnnervenparesen ....................................... 7 1.5 Literatur ....................................................................................... 9 1 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 1 Neuroophthalmologie – Christina Beisse _______________________________________________________________________________ 1.1 Nystagmus1 Nystagmus oder Augenzittern lässt sich in zwei große Gruppen unterteilen, den frühkindlichen Nystagmus, welcher innerhalb der ersten 4 Lebensmonate auftritt und an die Entwicklung der Fixation und des okulomotorischen Systems gekoppelt ist, und den erworbenen Nystagmus, welcher bei Kindern meist mit einer Läsion der vorderen Sehbahn assoziiert ist, bei Erwachsenen oft mit Veränderungen im Hirnstamm und Kleinhirn einhergeht. Der frühkindliche idiopathische Nystagmus schlägt assoziiert und in der Regel horizontal. In bestimmten Blickrichtungen besteht häufig eine Beruhigung der Intensität (Nystagmusruhezone). Die Patienten nehmen keine Oszillopsie wahr. Die Pathogenese ist bisher nicht geklärt, zugrunde liegend ist wahrscheinlich eine gestörte Reifung des Folgebewegungssystems, bei der eine Verschiebung des Netzhautbildes nicht als Fehlersignal detektiert wird. Eine weitere Form des frühkindlichen Nystagmus ist der sensorische Nystagmus. Ihm liegt ein beidseitiger Defekt der Sehbahn vor dem Corpus geniculatum laterale zugrunde. Häufigste Ursache ist der Albinismus. Man geht davon aus, dass nicht die Sehschärfenminderung direkter Auslöser des Nystagmus ist, sondern es durch die afferente Störung zu einer Fehlentwicklung der okulomotorischen Steuerung ähnlich wie beim idiopathischen Nystagmus kommt. Der erworbene Nystagmus im Kindesalter ist am häufigsten bedingt durch eine Läsion der vorderen Sehbahn (z.B. Optikusgliom). Typischerweise handelt es sich um einen dissoziierten Pendelnystagmus mit vorwiegend horizontaler Schlagrichtung. Bei Erwachsenen überwiegen Läsionen im Hirnstamm und/oder Kleinhirn, die einen Fixationspendel-, See-Saw-, Upbeat-, Downbeat-, Blickrichtungs- oder periodisch alternierenden Nystagmus auslösen können. Im Rahmen der Diagnostik liegt das Hauptaugenmerk zunächst darauf, ob es sich um einen frühkindlichen oder erworbenen Nystagmus handelt. Abbildung 1A enthält die wichtigsten Unterscheidungskriterien. Bei Hinweis auf einen erworbenen Nystagmus, muss dieser rasch mittels bildgebender Verfahren abgeklärt werden. Hingegen braucht bei eindeutigen Hinweisen auf einen frühkindlichen Nystagmus die Abklärung nicht akut eingeleitet zu werden. Elektrophysiologische Untersuchungen, Bildgebung und Genanalyse werden zur weiteren Diagnostik eines sensorischen Defekts herangezogen. Bei frühkindlichen Nystagmusformen dienen therapeutische Maßnahmen vor allem der Minderung einer Kopfzwangshaltung. Hierfür kommen verschiedene operative Vorgehen an den Augenmuskeln zum Einsatz (Abb. 1B). Bei der Behandlung des erworbenen Nystagmus steht neben der ursächlichen Therapie eine Minderung der unangenehmen Oszillopsien im Vordergrund. Unter Einsatz GABA-erger Substanzen (Gabapentin, Memantin) oder Kaliumkanal-Blockern (4-Aminopyridin) kann sich das Ausmaß des Nystagmus und des Bildwackelns verringern. Entsprechend kommt es auch zur Reduktion des Beschwerdebildes der Oszillopsie. Leider ist gerade die Einnahme GABAerger Substanzen oft mit unangenehmen Nebenwirkungen assoziiert. Seite 2 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Neuroophthalmologie – Christina Beisse ________________________________________________________________________________ Abb. 1A. Abb. 1B 1.1.1 Nystagmus - Update 2016/2017 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 3 Neuroophthalmologie – Christina Beisse _______________________________________________________________________________ 1.2 Pseudotumor cerebri2 Der Pseudotumor cerebri (PTC) oder die idiopathische intrakranielle Hypertension (IIH) bezeichnet eine Liquordrucksteigerung ohne verursachende intrakranielle Raumforderung und ohne Hydrozephalus. In der Normalbevölkerung wird eine Prävalenz von 8,6 Fällen pro 100.000 beschrieben. Betroffen sind typischerweise übergewichtige Frauen in gebärfähigem Alter. Die Pathophysiologie ist noch unklar, eher handelt es sich um eine Abflussstörung als eine Liquorüberproduktion. Ein ätiologischer Faktor bei Adipositas ist die Behinderung des venösen Abflusses aufgrund des erhöhten intraabdominellen und intrathorakalen Drucks. Als weiterer möglicher ätiologischer Faktor kommt eine Behinderung des venösen Abflusses, zum Beispiel durch eine Sinusstenose (auch ohne Thrombose) infrage. Aufgrund des überwiegenden Anteils von Frauen in gebärfähigem Alter wird zudem ein Einfluss von Sexualhormonen auf die Entstehung postuliert. Die Patienten leiden unter Kopfschmerzen, welche unter körperlicher Anstrengung zunehmen, visuellen Obskurationen, und oft Tinnitus. Zunächst besteht kein persistierender Funktionsausfall. Im Laufe der Zeit kommt es zur chronischer Stauungspapille mit zunehmendem Gesichtsfeldausfall. Am Fundus zeigt sich eine beidseitige Papillenschwellung, mit Randblutungen, Gefäßdilatation und verstärkter Schlängelung der Gefäße (Abb. 2A) In späteren Phasen kann ein Rückgang der Papillenschwellung durch eine beginnende Atrophie vorgetäuscht werden. Die atrophische Papille weist typischerweise eine Randunschärfe auf (Abb. 2B). Das dazugehörige Gesichtsfeld ist stark konzentrisch eingeengt (Abb. 2C). Der erhöhte Hirndruck führt nicht selten zur ein- oder beidseitigen Abduzensparese mit binokularen Doppelbildern. Die Liquordruckmessung in Seitenlage zeigt sich auf >25cmH2O erhöht. Ein normaler Eröffnungsdruck muss nicht zwangsläufig einen PTC ausschließen, Schwankungen mit zeitweilig erhöhtem und zeitweilig normalem Druck sind nicht ungewöhnlich. Im MRT finden sich ein Empty-SellaPhänomen und erweiterte Sehnervenscheiden. Einen wesentlichen Einfluss auf den Therapieerfolg hat bei übergewichtigen Patienten die Gewichtsreduktion. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt in ihrer Leitlinie zum PTC eine Diät von 425kcal/Tag. Der Hirndruck wird primär medikamentös behandelt. Die Anfangsdosis des Carboanhydrasehemmers Acetazolamid, welcher die Liquorproduktion reduziert, ist 2-mal 250mg/Tag. Wenn die Gewichtsreduktion und medikamentöse Therapie nicht ausreichen, müssen invasive Maßnahmen erwogen werden. Hierzu zählen wiederholte Lumbalpunktionen, Sinusvenenstents bei Vorliegen von Sinusstenosen, der Einsatz von liquordrainierenden Shunts und die Optikusscheidenfensterung bei chronischer Papillenschwellung. Abb. 2A. 1.2.1 Seite 4 Abb. 2B Pseudotumor cerebri – Update 2016/2017 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Abb. 2C Neuroophthalmologie – Christina Beisse ________________________________________________________________________________ 1.3 Nicht arteriitische ischämische Optikusneuropathie (NAION)3 Die NAION entsteht durch eine lokale Ischämie an der Papille. Der Bereich, in welchem die Sehnervenfasern durch die Lamina cribrosa treten, wird lediglich durch die posterioren Ziliararterien versorgt. Hier könnte entweder ein winziger embolischen Infarkt oder eine enge Lamina cribrosa und individuell eingeschränkte Kollateralisierung ursächlich für die Ischämie sein. NAIONPatienten weisen eine Häufung von transitorischen ischämischen Attacken und ein erhöhtes Schlaganfallrisiko auf. Der Anteil von Patienten mit Diabetes, Hypertonie und Hyperlipidämie ist deutlich erhöht im Vergleich zur Normalbevölkerung. Ausserdem besteht ein stark gehäuftes Auftreten von Schlafapnoe. Auch anatomische Besonderheiten der Papille scheinen ein Risiko darzustellen. Man spricht von einer „disc at risk“, wenn diese klein und kaum bis gar nicht exkaviert ist. Die Symptomatik der NAION ist akut. Oft kommt es über Nacht zu einer Visusminderung und zu einem Gesichtsfeldausfall, typischerweise einem Nervenfaserverlaufsausfall nach unten (Abb. 3B). Im Vergleich zur Optikusneuritis besteht kein Augenbewegungsschmerz, gelegentlich wird ein Drückgefühl am betroffenen Auge angegeben. Der Verlauf der NAION beinhaltet meist eine initial zunehmende Sehverschlechterung, welche sich im Laufe der Zeit leider nur selten wieder normalisiert. Die Papille ist sektorförmig oder zirkulär geschwollen, Randblutungen können auftreten (Abb. 3A). Typischerweise bildet sich die Papillenschwellung innerhalb von 4-8 Wochen zurück. Bis vor einigen Jahren bestanden keine eindeutigen Studienempfehlungen bezüglich einer sinnvollen Akuttherapie. In einer 2008 erschienen Arbeit von Hayreh et al. wurde in einem prospektiven Design der Verlauf einer NAION unter Steroidtherapie mit dem Verlauf ohne Therapie verglich. Bei 70% der Betroffenen mit einem Visus von 20/70 und schlechter kam es zu einer funktionellen Verbesserung unter Steroiden. Im Vergleich besserten sich nur 40% der Patienten ohne Therapie. Trotz der ernstzunehmenden Schwächen der Arbeit, besteht die Empfehlung der Sektion Neuroophthalmologie der DOG zur Durchführung einer Steroidtherapie unter besonderen Gegebenheiten (siehe unten). Die positive Wirkung der Steroide auf den Verlauf einer NAION könnte sich einerseits durch eine steroidvermittelte Abschwellung im Bereich der engen Lamina cribrosa erklären, andererseits könnten auch im Rahmen der NAION postulierte entzündliche Reaktionen positiv beeinflusst werden. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 5 Neuroophthalmologie – Christina Beisse _______________________________________________________________________________ Aufgrund der erhöhten Rezidivhäufigkeit am Partnerauge (16%) sollte eine Prophylaxe angestrebt werden. Studien zur Verabreichung von AcetylSalicylsäure (ASS) nach NAION weisen widersprüchliche Ergebnisse auf. Trotzdem erscheint die ASS-Therapie aufgrund des zusätzlich erhöhten Schlaganfallrisikos sinnvoll, wenn keine Kontraindikationen bestehen. Abb. 3A. Papillenschwellung mit Blutungen bei NAION. Abb. 3B. Typischer Nervenfaserverlaufsausfall bei NAION. Abb. 3C. Auszug aus der Handreichung zum Vorgehen bei NAION entwickelt von der Sektion Neuroophthalmologie der DOG (Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft) 1.3.1 Seite 6 Nicht arteriitische ischämische Opticusneuropathie (NAION) Update 2016/2017 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Neuroophthalmologie – Christina Beisse ________________________________________________________________________________ 1.4 Okulomotorische Hirnnervenparesen4 Die relativen Häufigkeiten der drei okulomotorischen Hirnnervenparesen nehmen in der Reihenfolge VI–III–IV ab (51%–32%–17%). Eine Parese (relative Schwäche der dem Nerv zugeordneten Muskeln) kommt wesentlich häufiger vor als eine Paralyse (= absoluter Ausfall der dem Nerv zugeordneten Muskeln). Wenn eine Parese gering ausgeprägt ist, kann die Abweichung oft noch motorisch-fusional überwunden werden, so dass selbst bei gerader Kopfhaltung keine manifeste Schielstellung und folglich keine Doppelbilder vorliegen (latente Parese). Dies trifft besonders für Abduzensparesen zu, da horizontale Abweichungen am besten fusional kompensiert werden können. Paretisches Schielen ist seltener als nicht-paretisches Schielen. Da nichtparetisches Schielen, selbst mit Doppelbildern, vergleichsweise häufig und dazu idiopathisch ist, wird immer erst der paretische Charakter eines Schielens – sei es manifest oder latent – gesichert, bevor nach Grunderkrankungen gefahndet wird. Einen ersten Hinweis auf eine Bewegungseinschränkung liefert eine Kopfzwangshaltung. Eine Kopfzwangshaltung trifft man v.a. bei N. IV- und bei N. VI-Paresen an, weniger – wegen der vielseitigen Bewegungseinschränkung – bei N. III-Paresen. Eine Bewegungseinschränkung lässt sich einerseits durch Prüfung der Exkursionsfähigkeit eines Auges erkennen. Vorteilhafter ist, bei der Prüfung der Exkursionsfähigkeit die Stellung beider Augen zueinander zu beobachten und dabei auf ein relatives Zurückbleiben eines Auges in einer oder mehreren Blickrichtungen zu achten. Das relative Zurückbleiben lässt sich gut prüfen, indem man den Patienten ein am Auge des Untersuchers gehaltenes Lämpchen fixieren lässt, den Kopf des Patienten in verschiedene Richtungen dreht und beobachtet, das sich das Hornhautreflexbild eines Auges verschiebt. Eine Bewegungsschwäche lässt sich auch durch verlangsamte, hypometrische Sakkaden des betroffenen Auges in die betreffende Richtung nachweisen. Nicht-paretische Schielformen zeigen im Gegensatz dazu normale Sakkaden. Ein weiteres Kennzeichen einäugiger Bewegungseinschränkungen ist die Tatsache, dass der Schielwinkel bei Fixation mit dem motorisch eingeschränkten Auge größer ist (sog. sekundärer Schielwinkel) als bei Fixation mit dem Partnerauge (primärer Schielwinkel). Dieses Phänomen rührt daher, dass für das Führen des motorisch eingeschränkten Auges in die Primärposition eine stärkere Innervation notwendig ist als für das Führen des Partnerauges in die Primärposition. Diese stärkere Innervation wird in gleichem Ausmaß auch auf den Synergisten des Partnerauges angewendet, was zu einer stärkeren Abweichung des Partnerauges führt. Spontane Fixation mit dem motorisch eingeschränkten Auge findet man vor allem dann, wenn das motorisch eingeschränkte Auge das bessere Sehvermögen hat. Die häufigsten Ursachen von Paresen okulomotorischer Hirnnerven sind Ischämie, Trauma und Tumor . Im weiteren Sinn können Aneurysmen (N. IIIParesen) zu den Tumoren gezählt werden, Migräne und Arteriitis temporalis zu den Ischämien. Weitere Ursachen von okulomotorischen Paresen sind erhöhter Hirndruck, Entzündungen, sowie malnutritive oder toxische Läsionen. Ein Herpes zoster ophthalmicus kann die in Sinus cavernosus und Orbitaspitze benachbarten Hirnnerven in das Krankheitsgeschehen miteinbeziehen und so ebenfalls zu okulomotorischen Paresen führen. Auch andere mikrobielle Entzündungen wie die Lyme-Borreliose, oder die basale tuberkulöse Meningitis verursachen Hirnnervenparesen. Malnutritiv / toxisch bedingte Paresen kommen zum einen bei der Alkoholismus-assoziierten WernickeEnzephalopathie vor (N. VI beidseitig) – in Verbindung mit internukleärer Ophthalmolplegie, Nystagmus, Ataxie und Bewusstseinsstörungen, zum anderen als häufige, aber meist reversible Nebenwirkung des Malignomtherapeutikums Vincristin. Bei einer N. III-Parese ist es zur Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 7 Neuroophthalmologie – Christina Beisse _______________________________________________________________________________ Ursachenfindung von großer Bedeutung zu prüfen, ob die Pupille beteiligt ist. Die Pupillenfasern liegen zirkulär an der Oberfläche des Nerven und sind somit gegen Kompression empfindlich. Hingegen bleiben sie von ischämischen Schädigungen meist verschont, da die "letzte Wiese" der Blutversorgung nicht an der Oberfläche, sondern in der Mitte des Nervenquerschnitts liegt. Zum notfallmäßigen Vorgehen bei okulomotorischen Paresen siehe Abb. 4. Die Ursache zu beseitigen ist ein vordringliches Anliegen. Bei ischämischen Paresen kommt eine Behandlung etwaiger kardiovaskulärer Risikofaktoren zwar der aktuellen Parese nicht zugute, jedoch wird weiteren, vielleicht schwereren, zerebralen Ereignissen vorgebeugt. Den Nerv wiederherstellen kann man in der Regel nicht; man muss sich damit begnügen, die spontane Regeneration abzuwarten. Bei ischämischen Läsionen stellt die spontane Regeneration den Regelfall dar; sie erfolgt innerhalb von 5 bis 10 Wochen. Bei tumorbedingten oder traumatischen Läsionen ist die regelrechte Regeneration problematischer. Die Regeneration dauert bis zu einem Jahr, sie ist oft unvollständig, und im Fall des N. III ist mit Fehlregeneration zu rechnen. Optische Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbilder umfassen die Verwendung von Prismen oder die Okklusion eines Auges. Eine Korrektur der Augenstellung durch eine Augenmuskeloperation sollte möglichst erst vorgenommen werden, wenn keine Änderung des Schielwinkels mehr zu erwarten ist. Eine Beschränkung der Augenmuskeloperationen bei okulomotorischen Paresen ist die Tatsache, dass sich durch die Operation nur die Augenstellung ändert; die Inkomitanz bessert sich nicht. Demnach wird die doppelbildfreie Zone nicht größer, sie verschiebt sich lediglich nach geradeaus. Abb. 4. 1.4.1 Seite 8 Okulomotorische Hirnnervenparesen – Update 2016/2017 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Neuroophthalmologie – Christina Beisse ________________________________________________________________________________ 1.5 Literatur 1. Pieh C, Gottlob I. Nystagmus im Kindesalter. Monatsschrift Kinderheilkunde 2010;158:653–660. 2. Rüther K. Pseudotumor cerebri. Ophthalmologe2014;111:383-394. 3. Wilhelm H et al. Die nicht arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie. Klin Monatsbl Augenheilkd 2015;232:1260-1269. 4. Staubach F, Lagrèze WA. Paresen okulomotorischer Hirnnerven. Der Ophthalmologe 2007;104:733-746. Korrespondenzadresse der Autorin: PD Dr. med. Christina Beisse Universitäts-Augenklinik Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg E-Mail: [email protected] Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 9 Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ 2 DIABETISCHE RETINOPATHIE 2.1 Epidemiologische Daten und Risikofaktoren ........................... 2 2.2 Nationale Versorgungsleitlinie zur Prävention und Versorgung von Netzhautkomplikationen bei Diabetes........... 3 2.3 Intravitreale Therapie – VEGF-Inhibitoren ................................ 4 2.3.1 5-Jahresdaten der DRCR.net-Studie: IVOM mit Ranibizumab sollten früh gegeben werden, ein zusätzlicher fokaler Laser hilft Injektionen einzusparen. ............................................................... 4 2.3.2 Protocol-T: 2-Jahresdaten beim direkten Vergleich von Bevacizumab, Ranibizumab und Aflibercept: Aflibercept und Ranibizumab gleichwertig. ............................................................ 5 2.3.3 Ergebnisse der READ-Studie: nach 2 Jahren ist 2,0mg nicht besser als 0,5mg .......................................................................... 6 2.3.4 VEGF-Inhibitoren vermindern die Progression der DR, können sie aber nicht komplett aufhalten ........................................................ 6 2.3.5 Paradigmenwechsel: Intravitreale IVOM mit Ranibizumab können neovaskuläre Komplikationen besser verhindern als die panretinale Laserkoagulation (Protocol S). ................................... 7 2.4 Patientenwunsch ........................................................................ 7 2.5 Intravitreale Therapie – Steroide ............................................... 8 2.5.1 Fluocinolon ist als ‚second-line’ Behandlung zugelassen und für 3 Jahre wirksam ...................................................................... 8 2.5.2 Dexamethason: Auch Ozurdex hat die Zulassung zur Behandlung des DMÖ .................................................................. 8 2.6 Bildgebung.................................................................................. 8 2.6.1 Weitwinkelangiografie ................................................................... 9 2.6.2 OCT-Angiografie........................................................................... 9 2.7 Literatur ......................................................................................10 2 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 1 Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ 2.1 Epidemiologische Daten und Risikofaktoren Der Diabetes mellitus (DM) ist eine tatsächliche Volkskrankheit, wie aktuelle Daten des Deutschen Instituts für Dokumentation und Information (DIMDI) belegen: bei mindestens 5,8 Millionen Menschen und fast 10% der Versicherten in Deutschland wurde die Diagnose DM gestellt (1). Dabei entfällt der geringste Anteil (0,3%) auf Typ I Diabetiker, bei 2,5% war der Diabetestyp unklar, 7,3% aller Versicherten hatten einen Typ II Diabetes. Der höchste Prozentsatz der DM-Patienten liegt um das 85. Lebensjahr, hier ist jeder 4 Deutsche an DM erkrankt. Die Inzidenz hat im Vergleich zu den Vorjahren in allen Altersgruppen zugenommen und wird bis ins Jahr 2030 um eine weitere Million Erkrankter zunehmen (2). Ein wesentlicher Faktor für die Entstehung einer diabetischen Retinopathie ist die Erkrankungsdauer. Nach 30-40 Jahren haben nahezu alle Patienten Fundusveränderungen wie in Abbildung 1 dargestellt (3–6). Abb. 1: Entwicklung einer diabetischen Erkrankungsdauer nach Hammes et al. (6). Retinopathie in Abhängigkeit von der Dabei entwickeln die Hälfte proliferative Veränderungen, ca. ein Drittel hat ein Makulaödem. Das erklärt auch das empfohlene Screeningprogramm für DMPatienten, an dem aber nur ca. 60% aller Diabetiker teilnehmen (7). Patienten mit einer diabetischen Stoffwechsellage, aber noch keinem behandlungsbedürftigen DM weisen dagegen deutlich seltener eine visusbedrohende Sehverschlechterung auf. In der deutschen GutenbergGesundheitsstudie wurden 922 (22,8%) Patienten mit Prädiabetes identifiziert (8). Davon hatten 8,1% lediglich geringe diabetische Veränderungen (z.B. Punktblutungen), 0,3% hatten ein Makulaödem. Die Konsequenz aus den Daten, die denen anderer epidemiologischen Studien entsprechen lauten, dass ein zusätzliches augenärztliches Screening bei diabetischer Stoffwechsellage nicht erforderlich ist. Risikofaktoren für die Entwicklung einer diabetischen Retinopathie Neben der bereits erwähnten Krankheitsdauer ist auch ein schlecht eingestellter Bluthochdruck und Blutzucker, gemessen am HbA1c, Übergewicht und Nikotin für die Entstehung einer diabetischen Retinopathie verantwortlich. Seite 2 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ In einer deutsch / österreichischen Datenbankanalyse an fast 65.000 Typ 2 Diabetikern wurden folgende Risikofaktoren für die Entwicklung einer diabetischen Retinopathie ermittelt (6): • • • • • HBa1c > 8% Mikroalbuminurie Arterielle Hypertonie Adipositas (Body Mass Index > 35kg/m“) Männer In eine COCHRANE Analyse aus dem Jahr 2013 wurde darauf hingewiesen, dass zwar die Entstehung einer Retinopathie durch eine adäquate HbA1cEinstellung reduziert werden kann, dass aber die Güte der Blutzuckereinstellung keine wesentliche Rolle mehr spielt, wenn bereits eine Retinopathie vorhanden ist (9). Aus den Daten kann gefolgert werden, dass die Prophylaxe ebenso wichtig ist wie die Therapie. 2.2 Nationale Versorgungsleitlinie zur Prävention und Versorgung von Netzhautkomplikationen bei Diabetes Im vergangenen Jahr wurde eine nationale Versorgungsleitlinie publiziert, die in Zusammenarbeit mit der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) erarbeitet wurde (10). Sie ist als verbindliche und umfassende Behandlungsempfehlung zu verstehen und befassen sich auch mit den extraokularen Risiken eines Patienten mit DM. Die Behandlungsempfehlungen der DOG, der Makulakommission und des BVA bleiben ein weiteres wichtiges Instrument zur adäquaten Versorgung von Patienten mit diabetischer Retinopathie. Ein wichtiger Aspekt in der Leitlinie ist weiterhin, dass intravitreale operative Medikamenteneingaben (IVOM) nur erfolgen sollen, wenn ein Makulaödem besteht. Eine proliferative Retinopathie sollte gelasert werden (siehe Abbildung 2). Abb. 2: Empfehlung der neuen Nationalen Versorgungsleitlinie aus dem Jahr 2015 (10) Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 3 Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ 2.3 Intravitreale Therapie – VEGF-Inhibitoren 2.3.1 5-Jahresdaten der DRCR.net-Studie: IVOM mit Ranibizumab sollten früh gegeben werden, ein zusätzlicher fokaler Laser hilft Injektionen einzusparen. Im vergangenen Jahr wurden die 5-Jahresdaten der DRCR.net-Studie publiziert (11,12). In dieser bedeutenden Studie wurden 854 Patienten in 4 Behandlungsarme randomisiert: • • • • Gruppe 1: Ranibizumab 0,5mg und sofortiger fokalen Laser Gruppe 2: Ranibizumab 0,5mg und verzögerter fokalen Laser (≥ 24 Wochen) Gruppe 3: Triamcinolon 4mg mit sofortigem fokalen Laser Gruppe 4: Fokaler Laser mit Scheininjektionen Die Visusergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt. Visus initial (Buchstaben) Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Gruppe 4 66 66 66 65 Visusgewinn nach 1 Jahr (Buchstaben) +9 +9 +4 +3 Visusgewinn nach 3 Jahren (Buchstaben) +8 +11 Visusgewinn nach 5 Jahren (Buchstaben) +13,8 +10 +7 +5 Tab. 1: Ergebnisse der DRCR.net-Studien In der Arbeit von Bressler et al. wurde bestätigt, dass die initial mit Ranibizumab behandelten Gruppen den beiden anderen Gruppen in Bezug auf die Visusergebnisse weiterhin überlegen sind (11). In einer Analyse der beiden Ranibizumabgruppen (Gruppe 1 und 2) wurde nach 5 Jahren aber kein signifikanter Gruppenunterschied mehr gefunden, wie das noch nach 3 Jahren der Fall war (12). Der nach 3 Jahren gefundene Vorteil einer verzögerten Laserbehandlung bei initialer Ranibizumabtherapie lässt sich demnach nicht halten (p=0,09) (Abbildung 3). Es wurden sogar weniger IVOMs in der Gruppe benötigt, die sofort gelasert wurde (13 in sofortiger Lasergruppe; 17 in verzögerter Lasergruppe). Das Fazit dieser Studie ist, dass die anti-VEGF-Therapie mit Ranibizumab dem Triamcinolon oder der verspäteten Ranibizumabbehandlung überlegen ist. Der Zeitpunkt einer zusätzlichen Laserbehandlung hat keine Auswirkung auf das funktionelle Endergebnis, eine frühe Laserbehandlung kann dazu beitragen, die Zahl der IVOMs zu reduzieren. Seite 4 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ Abb. 3: Visusentwicklung in den beiden Ranibizumabgruppen der DRCR.net-Studie über 5 Jahre (12). 2.3.2 Protocol-T: 2-Jahresdaten beim direkten Vergleich von Bevacizumab, Ranibizumab und Aflibercept: Aflibercept und Ranibizumab gleichwertig. Viel Aufsehen hat eine weitere Studie der DRCR.net Gruppe erregt, die sog. Protocol-T-Studie. In dieser Untersuchung wurde die Wirksamkeit von 1,25mg Bevacizumab, 0,3mg Ranibizumab und 2mg Aflibercept verglichen (13–15). Ähnlich der CATT-Studie bei der altersabhängigen Makuladegeneration wurde in der Protocol-T-Studie ein sog. ‚head-to-head’-Vergleich zwischen den 3 genannten Substanzen durchgeführt. Es wurden 660 Patienten eingeschlossen und 1:1:1 der jeweiligen Gruppe zugelost. Die Behandlung erfolgte nach dem Pro-Re-Nata (PRN) Regime anhand von Visus und OCT. In allen Gruppen wurde ein signifikanter Visusanstieg beobachtet (Tabelle 2). Der Gruppenunterschied war insgesamt nicht-signifikant. Teilt man die Gesamtgruppe aber in eine Gruppe mit Ausgangsvisus zwischen 0,06 und 0,4 einerseits, und einem Ausgangsvisus zwischen 0,5 und 1,0 andererseits, dann gibt es signifikante Unterschiede in der Gruppe mit dem schlechteren Visus zugunsten von Aflibercept. Ob daraus die Forderung abgeleitet werden kann, ab sofort Aflibercept als ‚first-line’-Behandlung einzusetzen, falls ein diabetisches Makulaödem (DMÖ) mit einem Visus ≤0,4 behandelt werden soll ist fraglich. Zwar war die Subgruppenanalyse im statistischen Auswertungsplan bereits vorgesehen, aber sowohl die Wiederbehandlungskriterien, als auch die Dosierung des Ranibizumab entsprechen nicht den Zulassungsstudien in Europa (dort v.a. 0,5mg Ranibizumab). Das Bevacizumab hingegen war den beiden anderen Substanzen unterlegen. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 5 Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ Visus Jahr 1 Visus Jahr 2 Visus Jahr 2 (Initial ≤ 0,4) Visus Jahr 2 (Initial ≥ 0,5) Anzahl IVOM in 2 Jahren 13,3 12,8 18,1 7,8 15 9,7 10 13,3 6,8 16 11,2 12,3 16,1 8,6 15 Aflibercept 2mg Bevacizumab 1,25mg Ranibizumab 0,3mg Tab. 2: Daten der Protocol-T-Studie des DRCR.net (14,15) 2.3.3 Ergebnisse der READ-Studie: nach 2 Jahren ist 2,0mg nicht besser als 0,5mg In der READ-Studie wurde untersucht, ob 0,5mg oder 2,0mg Ranibizumab zu besseren Ergebnissen führt, da die diabetische Retinopathie eine Flächenerkrankung darstellt. Interessanterweise schnitt nach 2 Jahren die Gruppe mit 2,0mg sogar etwas schlechter ab (+6,78 Buchstaben), als die Gruppe mit 0,5mg (+11,06 Buchstaben, p=0,02), so dass kein Zusatznutzen einer höheren Dosierung gefunden werden konnte (16). 2.3.4 VEGF-Inhibitoren vermindern die Progression der DR, können sie aber nicht komplett aufhalten Die Frage, ob eine intravitreale Substanz nicht nur das Makulaödem, sondern auch die Erkrankung insgesamt beeinflussen kann, beschäftigt die Augenheilkunde schon seit der Einführung der intravitrealen Medikamente. Nun gibt es bei der DR zwei Arbeiten, die sich dem Thema widmen (17,18). Beide Studien belegen eine reduzierte Progression der DR im Vergleich zur Scheinbehandlung. Die Daten der Zulassungsstudien RISE und RIDE wurden hierzu nochmals herangezogen und die Fundusfotos beurteilt. Die Aussage, dass eine Verschlechterung unter Ranibizumab seltener war als ohne Therapie ist zwar richtig, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch mit Ranibizumab ein Teil der Patienten schlechter wurde, vor allem die Anzahl der proliferativen Verläufe ist erstaunlich. Die wurden in der Scheinbehandlungsgruppe nach 3 Jahren mit fast 40% angegeben, aber auch in der Ranibizumabgruppe entwickelte jeder 6. Patient eine proliferative Verlaufsform innerhalb von 3 Jahren. Das bedeutet, dass auch bei Patienten in der IVOM-Behandlung regelmäßig nach Proliferationen gesucht werden muss. Seite 6 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ Abb. 4: Patienten mit neovaskulärer Proliferation: Ergebnisse der RISE/RIDE Studien (18). 2.3.5 Paradigmenwechsel: Intravitreale IVOM mit Ranibizumab können neovaskuläre Komplikationen besser verhindern als die panretinale Laserkoagulation (Protocol S). Eine weitere prospektive und randomisierte Studie des DRCR.net an 305 Patienten kommt zu dem Schluss, dass die Ranibizumab Behandlung einer panretinalen Laserkoagulation in Bezug auf die Entwicklung einer proliferativen diabetischen Retinopathie nicht unterlegen ist (19). Im Gegenteil sprechen der Visus (+2,8 Buchstaben in der Ranibizumabgruppe versus +0,2 Buchstaben in der Lasergruppe), die Rate der erforderlichen Vitrektomien (4% in der Ranibizumabgruppe versus 15% in der Lasergruppe) und der Anteil der Patienten mit einem DMÖ (9% in der Ranibizumabgruppe versus 28% in der Lasergruppe) nach 2 Jahren für die Injektionsbehandlung. In der Ranibizumabgruppe waren innerhalb der 2 Jahre je nach Makulaödem unterschiedlich viele Injektionen erforderlich: ohne DMÖ wurden innerhalb von 2 Jahren 10 IVOMs appliziert, mit DMÖ waren es 14. Ein Patient entwickelte eine Endophthalmitis. Zuletzt wurden die Ergebnisse nochmals komprimiert zusammengefasst und ein Paradigmenwechsel propagiert. Die kritische Frage aus dem Auditorium, wie die Ergebnisse außerhalb von Studienbedingungen zu bewerten wären wurde nicht beantwortet. Die Ranibizumabbehandlung scheint einen positiven Effekt auf die Vermeidung proliferativer Verläufe bei der DR zu haben. Aber auch eine konsequente IVOM-Therapie kann Neovaskularisationen nicht verhindern. Deshalb ist es aufgrund der verfügbaren Daten nicht ratsam, die panretinale Laserkoagulation aufzugeben. 2.4 Patientenwunsch Eine neue Studie aus der Tübinger Augenklinik hat sich die Frage gestellt, was die Patienten eigentlich vom Arzt erwarten (20). 810 Diabetiker wurden gebeten eine Zeitspanne von fiktiven 10 Minuten Arztkontakt in Beratung, Diagnostik und Behandlung einzuteilen. Im Mittel wünschten sich Patienten am meisten Zeit für die Untersuchung (4,1 min), gefolgt von Beratung (3,4 min) und Behandlung (2,4 min). Diabetiker mit längerer Krankheitsdauer wünschten Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 7 Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ sich zunehmend Zeit für Diagnostik. Mit zunehmendem Patientenalter wurde die Behandlung weniger attraktiv. Es gab zudem einen leichten Geschlechterunterschied, denn Frauen wünschten sich geringfügig mehr Zeit für das Gespräch, während Männer eher zur Therapie tendierten. Diese wichtigen Daten entsprechen einer Professionalisierung der Patienten, die sich mit zunehmender Krankheitsdauer auch besser auskennen und weniger Informationsbedarf haben. Das kann man in der Behandlung berücksichtigen und nutzen, denn gerade im Rahmen einer langwierigen Injektionsbehandlung bei diabetischem Makulaödem kann das Gespräch nach einer Behandlungsserie auch kürzer gehalten werden, wenn ersichtlich wird, dass sich seitens der Patienten keine Änderungen ergeben haben. Anders herum können diese Daten aber auch als Motivation gesehen werden gerade zu Beginn einer behandlungsbedürftigen Erkrankung ein eingehendes Beratungsgespräch zu führen. 2.5 2.5.1 Intravitreale Therapie – Steroide Fluocinolon ist als ‚second-line’ Behandlung zugelassen und für 3 Jahre wirksam Fluocinolonacetonid (Iluvien) ist als ‚second-line’ Medikament für die intravitreale Therapie des DMÖ zugelassen. Die Zulassungsstudie (FAME) zeigte die besten Ergebnisse bei den Patienten, die eine DMÖ Dauer von mindestens 3 Jahren hatten (21). Erwartungsgemäß ist die intravitreale Steroidgabe mit einem hohen Grad an Kataraktentwicklung (80% operierte Patienten nach 3 Jahren in der Gruppe mit 190µg) und einem Druckanstieg in 37% verknüpft. Die meisten Patienten mit Druckanstieg konnten allerdings mit Hilfe von Augentropfen ausreichend behandelt werden, bei 4,8% musste eine Glaukomoperation erfolgen. Gerade bei Patienten mit mehreren Erkrankungen und vielen Arztkontakten sind die Steroide aber eine sehr gute Option, um die Behandlungsfrequenz zu senken. 2.5.2 Dexamethason: Auch Ozurdex hat die Zulassung zur Behandlung des DMÖ Auch das Dexamethasonparäparat Ozurdex hat in der Zulassungsstudie (MEAD) einen signifikanten Visusgewinn gegenüber einer Kontrollgruppe über 3 Jahre gezeigt (22). Das Problem der Dexamethasonstudien ist das Reinjektionsintervall nach 6 Monaten. Bei verschiedenen medizinischen Indikationen wurde gezeigt, dass die Wirksamkeit im Mittel nach 3-4 Monaten derart nachlässt, dass eine erneute IVOM erforderlich wird. Damit steigt sehr wahrscheinlich auch die Rate der Nebenwirkungen. Auch beim Dexamethason kann man von 1/3 Druckanstieg und einer hohen Rate an Kataraktoperationen ausgehen, wenn die Substanz häufiger als halbjährlich injiziert wird. Die Behandlung des DMÖ mit Steroiden stellt eine wirklich Alternative zu den VEGF-Inhibitoren dar, besonders bei pseudophaken Patienten. Trotzdem ist der Druckanstieg in einem Drittel aller Patienten ein wesentliches Problem, weshalb die Steroide nach den bisherigen Daten weiterhin Reservepräparate darstellen. 2.6 Bildgebung Während die Entwicklung der intravitrealen Medikamente im vergangenen Jahr auf der Stelle getreten sind, hat sich bei Bildgebung viel getan. Hierzu gehört die Weitwinkel- und die OCT-Angiografie. Seite 8 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ 2.6.1 Weitwinkelangiografie Die Weitwinkelangiografie hat den wesentlichen Vorteil der flächigen Darstellung der Netzhaut. Damit eröffnet sich ein neues Krankheitsverständnis, das gerade bei der DR als Flächenerkrankung eine bedeutende Rolle spielt. 2 Geräte mit Ultra-Weitwinkeltechnologie dominieren den Markt: Optomap der Firma Optos (200° Optik) und Spectralis der Firma Heidelberg Eng. (102° Optik). Die neue Technologie ermöglicht tatsächlich wesentlich mehr diagnostische Informationen. In einer Metaanalyse von 128 Arbeiten konnten Nagiel et al. im Vergleich zur konventionellen Angiografie 3,9-mal mehr Ischämien und 1,9-mal mehr Proliferationen nachweisen (23). Interessanterweise reichte die gezielte Lasertherapie aber nicht komplett aus, um Proliferationen zu vermeiden, was aber auch an der geringen Zahl untersuchter Patienten gelegen haben könnte (24–26). Sicherlich ist es im Augenblick noch nicht möglich, den Stellenwert der therapeutischen Überlegungen, die sich aus der Flächendarstellung ergeben sicher einzuschätzen. Neben der reinen Bildgebung, spielt bei der Flächenbewertung der retinalen Ischämie auch die physiologische Durchblutung eine Rolle, die zentral der Vortexvenen bedeutsamer ist als in der Netzhautperipherie. 2.6.2 OCT-Angiografie Die interessanteste Weiterentwicklung ist die OCT-Angiografie. Mit Hilfe dieser neuen Technologie kann gerade bei der diabetischen Retinopathie eine kontrastmittelfreie Darstellung der zentralen Gefäßarkade ermöglicht werden, auch wenn erste Studien die Übereinstimmung mit einer Fluoreszeinangiografie als ‚moderat’ beschreiben (27). Die Technologie erfährt im Moment großes Interesse, was auch in der Literatur sichtbar wird (28–30). Für eine abschließende Beurteilung ist es aber noch zu früh. Die spannendsten Entwicklungen der vergangenen Monate waren im Bereich der Bildgebung zu beobachten, auch wenn große vergleichende Studien fehlen. Die Interpretation der gewonnenen Aufnahmen erfordert eine profunde Kenntnis der pathopysiologischen Abläufe und anatomischen Gegebenheiten. Insofern kann man sich von der Bildgebung neue Impulse für das Krankheitsverständnis der DR erhoffen. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 9 Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ 2.7 Literatur Seite 10 1. Tamayo T, Brinks R, Hoyer A, Kuß OS, Rathmann W. The Prevalence and Incidence of Diabetes in Germany. Dtsch Ärztebl Int. 2016 Mar 18;113(11):177–82. 2. Brinks R, Tamayo T, Kowall B, Rathmann W. Prevalence of type 2 diabetes in Germany in 2040: estimates from an epidemiological model. Eur J Epidemiol. 2012 Oct;27(10):791–7. 3. Klein BEK. Overview of epidemiologic studies of diabetic retinopathy. Ophthalmic Epidemiol. 2007 Aug;14(4):179–83. 4. Klein R, Klein BE, Moss SE, Cruickshanks KJ. 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Campochiaro PA, Brown DM, Pearson A, Chen S, Boyer D, Ruiz-Moreno J, et al. Sustained delivery fluocinolone acetonide vitreous inserts provide benefit for at least 3 years in patients with diabetic macular edema. Ophthalmology. 2012 Oct;119(10):2125–32. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ 22. Boyer DS, Yoon YH, Belfort R, Bandello F, Maturi RK, Augustin AJ, et al. Three-year, randomized, sham-controlled trial of dexamethasone intravitreal implant in patients with diabetic macular edema. Ophthalmology. 2014 Oct;121(10):1904–14. 23. Nagiel A, Lalane RA, Sadda SR, Schwartz SD. ULTRA-WIDEFIELD FUNDUS IMAGING: A Review of Clinical Applications and Future Trends. Retina Phila Pa. 2016 Apr;36(4):660–78. 24. Muqit MMK, Marcellino GR, Henson DB, Young LB, Patton N, Charles SJ, et al. Optos-guided pattern scan laser (Pascal)-targeted retinal photocoagulation in proliferative diabetic retinopathy. Acta Ophthalmol (Copenh). 2013 May;91(3):251–8. 25. Muqit MMK, Young LB, McKenzie R, John B, Marcellino GR, Henson DB, et al. Pilot randomised clinical trial of Pascal TargETEd Retinal versus variable fluence PANretinal 20 ms laser in diabetic retinopathy: PETER PAN study. Br J Ophthalmol. 2013 Feb;97(2):220–7. 26. Reddy S, Hu A, Schwartz SD. Ultra Wide Field Fluorescein Angiography Guided Targeted Retinal Photocoagulation (TRP). Semin Ophthalmol. 2009 Feb;24(1):9–14. 27. Bradley PD, Sim DA, Keane PA, Cardoso J, Agrawal R, Tufail A, et al. The Evaluation of Diabetic Macular Ischemia Using Optical Coherence Tomography Angiography. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2016 Feb 1;57(2):626–31. 28. Lang GE, Enders C, Werner JU. [New Possibilities in Retinal Diagnostics Using OCT Angiography]. Klin Monatsblätter Für Augenheilkd. 2016 May;233(5):613–21. 29. Fang PP, Lindner M, Steinberg JS, Müller PL, Gliem M, Charbel Issa P, et al. [Clinical applications of OCT angiography]. Ophthalmol Z Dtsch Ophthalmol Ges. 2016 Jan;113(1):14– 22. 30. Pauleikhoff D, Heimes B, Spital G, Gutfleisch M, Ziegler M, Book B, et al. [OCT Angiography Is this the Future for Macular Diagnosis?]. Klin Monatsblätter Für Augenheilkd. 2015 Sep;232(9):1069–76. Korrespondenzadresse des Autors: Prof Dr. med. Nicolas Feltgen Augenklinik Universitätsmedizin Göttingen Robert-Koch-Str. 40 37075 Göttingen Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 11 Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann ________________________________________________________________________________ 3 BINDEHAUT UND HORNHAUTERKRANKUNGEN 3.1 Bindehauterkrankungen............................................................. 2 3.1.1 Kurze anatomische Einführung ..................................................... 2 3.1.2 Bindehautdegenerationen ............................................................. 2 3.1.3 Entzündliche Bindehauterkrankungen .......................................... 3 3.1.4 Bindehauttumoren ...................................................................... 10 3.2 Hornhauterkrankungen .............................................................12 3.2.1 Kurze Einführung in die Anatomie............................................... 12 3.2.2 Hornhautdegenerationen ............................................................ 13 3.2.3 Metabolische Keratopathien ....................................................... 13 3.2.4 Limbusstammzellinsuffizienz ...................................................... 13 3.2.5 Keratitis ...................................................................................... 14 3.2.6 Keratektasien ............................................................................. 17 3.2.7 Hornhautdystrophien .................................................................. 18 3.3 Literatur ......................................................................................21 3 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 1 Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann _______________________________________________________________________________ 3.1 3.1.1 Bindehauterkrankungen Kurze anatomische Einführung Die Bindehaut unterteilt sich in die verschiebliche Conjunctiva bulbi, die zirkulär vom Limbus der Hornhaut ausgehend in die Peripherie dem Bulbus als Verschiebeschicht aufliegt. Hier bestehen lose Verbindungen mit der Tenon Kapsel. Der Übergang zur Conjunctiva tarsi (palpebrae), die fest mit der Tarsalplatte verbunden ist, wird durch den oberen und unteren Fornix gebildet, wobei dem unteren Fornix als wesentliche Funktion die Reservoirbildung von Tränenflüssigkeit zukommt, aus dem mit jedem Lidschlag Flüssigkeit für die Benetzung der Augenoberfläche bereitgestellt wird. Hier befinden sich akzessorische Tränendrüsen (Krause). Im Alter findet eine Verkürzung des Fornix inferior statt, die durch langfristige AT-Applikation, (v.a. Antiglaukomatosa und Konservierungsmittel) verstärkt werden kann (okuläres Pseudo-Pemphigoid). Histologisch ist die Bindehaut ein mehrschichtiges, unverhorntes Schleimhautepithel (je nach Lokalisation Platten- oder kubisches Epithel) mit einer Substantia propria, vaskularisiertem Stroma, welches analog zum Mukosaassoziierten lymphatischen Gewebe (MALT) ein Konjunktivaassoziiertes lymphatisches Gewebe (CALT) mit überwiegend Bund T-Lymphozyten beherbergt. Zwischen den Bindehautepithelzellen liegen Becherzellen gehäuft im unteren Fornix und im Bereich der medialen Bindehaut, die u.a. durch die Produktion löslicher Mucine zur Stabilität des Tränenfilms beitragen. Neben Becherzellen, finden sich auch Melanozyten in der Bindehaut. Die Oberfläche des Bindehautepithels ist weiterhin durch die Ausbildung von Plicae und von Mikrovilli gekennzeichnet. Weitere Strukturen der Bindehaut sind die im medialen Lidwinkel gelegene Plica semilunaris und die Karunkel. Die Plica semilunaris Ist eine medial gelegene Bindehautfalte die histologisch reich an Becherzellen ist. Analog zu dieser Struktur gibt es bei einigen Tieren die sog. sog. „Nickhaut“, die auch als 3. Augenlid bezeichnet wird. Die Karunkel liegt medial der Plica und zeichnet sich histologisch durch ein mehrschichtiges verhorntes Plattenepithel sowie PE mit Vellushaaren und großen Talgdrüsen sowie akzessorischen Tränendrüsen aus. 3.1.2 Bindehautdegenerationen Pingueculum und Pterygium Beim Pingueculum und beim Pterygium handelt es sich histologisch um eine elastoide Degeneration des Bindehautstromas (Fragmentierung des Kollagens) mit teilweise normalem Bindehautepithel, teilweise aber auch akanthotischem oder dysplastischem Epithel. Beim Pterygium finden sich, da es die Limbusgrenze überschreitet, auf histologischen Präparaten häufig noch Anteile destruierter Bowman Lamelle. Klinisch imponiert das Pingueculum als meist medial gelegener, limbusnaher gelblicher Knoten. Das Pterygium ähnelt histologisch zwar dem Pingueculum, setzt sich aber auf die Hornhaut fort und sollte bei Progredienz, subjektiver Beeinträchtigung trotz konservativer Therapie oder Bedrohung der optischen Achse exzidiert werden. Am Ende des Pterygiumkopfes findet sich häufig eine Eisenlinie im Hornhautepithel (Stocker Linie). Seite 2 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann ________________________________________________________________________________ Operative Optionen gibt es vielfältige. Gut belegt ist, dass die sogenannte „Bare sclera“ Exzision Techniken, die eine autologe Transplantation von Bindehaut oder Limbus beinhalten, deutlich unterlegen ist. Die alternative Anwendung von 0.02 % Mitomycin C (MMC) scheint der Transplantation in das Defektgebiet ebenbürtig zu sein. Inwieweit die zur Transplantation von Bindehaut zusätzliche Anwendung von MMC einen weiteren positiven Effekt auf die Rezidivrate hat, ist noch ungeklärt. Jedoch ist die Anwendung von MMC auch mit einer deutlich erhöhten Rate an Nebenwirkungen wie Skleromalazien verbunden, die teilweise auch erst Jahre nach Anwendung auftreten können. 3.1.3 3.1.3.1 Entzündliche Bindehauterkrankungen Allgemeine entzündliche Reaktionen der Konjunktiva Als gut durchblutetes Schleimhautgewebe reagiert die Bindehaut im akut entzündeten Zustand mit unspezifischen Entzündungszeichen wie Hyperämie und Chemosis sowie der Ausbildung eines (teils zellulären) Exsudats. Darüber hinaus kann es bei schweren Entzündungen zur Ausbildung von Membranen kommen. Hierbei handelt es sich um fibrinreiche Exsudate mit teilweise nekrotischem Gewebe, die eine membranartige Struktur annehmen. Man kann Pseudomembranen, die intaktem Epithel aufgelagert sind, von echten Membranen, die sich intra- und subepithelial ausbreiten, unterscheiden. Im Gegensatz zu echten Membranen können Pseudomembranen ohne Blutung und Ulkusbildung von der Bindehaut abgezogen werden. Echte Membranen kommen vermehrt bei Konjunktivitiden durch Corynebacterium diphtheriae, Neisseriae gonorrhoeae, β-hämolisierenden Streptokokken und beim Stevens-Johnson-Syndrom vor. Follikuläre – papilläre Konjunktivitis Follikuläre Konjunktivitis: Follikel kommen bevorzugt in der Conjunctiva tarsi vor und sind insbesondere bei Kindern häufig auch physiologisch erkennbar. Klinisch erscheinen sie als gräuliche runde bis ovale Erhebungen der Bindehaut mit zum Teil sekundärer Vaskularisation vom Rand der Follikel bis in das Zentrum reichend. Histologisches Äquivalent ist eine lymphoide Hyperplasie. Wesentliche Differentialdiagnosen der follikulären Konjunktivitis sind: Infektiös Akut: • Viren (Adenoviren, Herpes simplex Viren,…) • Chlamydia oculogenitalis (Einschlußkörperchenkonjunktivitis) Infektiös Chronisch: • Chlamydia trachomatis und psittacosis • Verschiedene Bakterien • Spirochäten (z.B. Borrelia burgdorferi) • Viren (z.B. EBV) Nicht infektiös: • Medikamenteninduziert (z.B. Atropin, Kosmetika) • Immunologisch (z.B. Molluscum contagiosum) Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 3 Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann _______________________________________________________________________________ Papilläre Konjunktivitis: Hierbei handelt es sich um eine Hypertrophie als unspezifische Folge einer Epithelzellvermehrung und Stromahyperplasie bei chronischer Konjunktivitis. Histologisch erscheint ein stromales Infiltrat verschiedener Entzündungszellen, Gefäßbüschel im Papillenzentrum und subepitheliale Fibrillen bzw. Fibrosen, welche den pflastersteinartigen Aspekt begründen. Der Austritt der Gefäße im Papillenzentrum hilft zur Unterscheidung der Papillen von Follikeln. Granulomatöse Konjunktivitis Granulomatöse Entzündungen können auch im Bereich der Konjunktiva vorkommen. Ursachen können neben Reaktionen auf Fremdkörper auch entzündliche Mitbeteiligungen bei systemischen Erkrankungen wie der Sarkoidose oder eine Entzündung beim Parinaud-Syndrom sein. Hierbei handelt es sich um eine noduläre oder auch ulzerative Konjunktivitis mit einer regionalen Lymphadenitis (Präaurikuläre oder submandibuläre Lymphknotenschwellung), z.B. infektiös verursacht durch Bartonella henselae oder Francisella tularensis. Weiterhin können granulomatöse Entzündungen der Bindehaut im Rahmen einer Tuberkulose oder einer Syphilis auftreten. (Kerato-)konjunktivitis phlyctaenulosa Meist bei Kindern oder jüngeren Erwachsenen vorkommendes, im Bereich des Limbus gelegenes grau-weiß bis gelbliches, knötchenförmiges Infiltrat, umgeben von hyperämischen Gefäßen. Im Verlauf kommt es zu zentralen Nekrosen und Ulzerationen sowie auch spontan zur Involution innerhalb von 2-3 Wochen. Ursache ist eine zellvermittelte, verzögerte Hypersensitivitätsreaktion auf Bakterienbestandteile, die in der Regel von der Besiedelung der Lidränder im Rahmen einer meist Staphylokokkenassoziierten Blepharitis stammen. 3.1.3.2 Spezifische Konjunktivitiden Bakterielle Konjunktivitis Bei der bakteriellen Konjunktivitis handelt es sich meist um eine produktive Bindehautentzündung mit entsprechender Produktion eitrigen Sekrets. Jedoch erlaubt die Sekretion eine bakterielle Zuordnung nicht immer eindeutig und auch bei adenovirenbedingten Konjunktivitiden, die meist durch ein wässriges Sekret gekennzeichnet sind, kann ein fast eitriges Sekret erkennbar sein. Die Diagnose lässt sich trotzdem in den meisten Fällen anhand des klinischen Erscheinungsbildes stellen. Die meisten bakteriellen Konjunktivitiden haben einen günstigen Spontanverlauf, weswegen Bindehautabstriche in aller Regel nur bei sehr schweren Formen notwendig sind. Für die Therapie gibt es keine einheitlichen Empfehlungen. Bei leichteren Verläufen kann auf eine antibiotische Gabe in Abhängigkeit vom Verlauf evtl. verzichtet werden. Das Erregerspektrum ist u.a. abhängig von Alter und Herkunft des Patienten. Typische Erreger des Erwachsenen sind Staphylokokken-Spezies, Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae. Bei Kindern finden sich gehäuft Haemophilus influenzae, Streptococcus pneumoniae und Moraxella catarrhalis. Seite 4 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann ________________________________________________________________________________ Zu unterscheiden sind die hyperakute, die akute und die chronische Konjunktivitis. Die hyperakute Konjunktivitis kommt typischerweise beim Neugeborenen vor. Hier ist ein Bindehautabstrich zur Erregerbestimmung obligat. Die Therapie ist bei Neugeborenen immer auch eine systemische, da die Ansteckung unter der Geburt bei entzündetem Geburtskanal erfolgt und davon ausgegangen werden muss, dass mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch eine Ansteckung der Atemwege mit schweren Pneumonien erfolgen kann. Diphtherieinfektionen sind dank der guten Durchimpfungsrate in Deutschland sehr selten geworden. Entsprechend selten sind auch okuläre Komplikationen, die sich im Fall einer Konjunktivitis durch eine purulente Bindehautentzündung mit Ausbildung typischerweise echter Membranen äußert. Auch eine Mitbeteiligung der Hornhaut bis zur Hornhautperforation ist möglich. Bei gutem Verlauf einer Konjunktivitis kann eine Therapie mit Tränenersatzmitteln zur Symptomlinderung und mit Entfernen eitrigen Sekrets durch Auswaschen erfolgen. Die Anwendung von Breitspektrum-Antibiotika kann den Krankheitsverlauf verkürzen. Bei langanhaltender, chronischer ggf. rezidivierender Konjunktivitis muss immer auch an eine chlamydienbedingte Konjunktivitis gedacht werden, insbesondere, wenn eine follikuläre Konjunktivitis vorliegt. Auch bei dieser Verlaufsform, besonders wenn keine Besserung unter antibiotischer Therapie erfolgt, sollte ein Bindehautausstrich ggf. 2-3 Tage nach Absetzen von antibiotischen Augentropfen erfolgen. Ferner ist ein Bindehautabstrich bei Personen mit erhöhtem Risiko für methicilinresistente Staph. Aureus (MRSA) anzuraten (Krankenhausaufenthalt in den letzten 6 Monaten, Patienten aus Seniorenheimen, Patienten mit bekannter MRSA-Anamnese, Patienten mit offenen oder chronischen Hautwunden; s. auch Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von MRSA durch die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO)). Bei der Wahl der Antibiotika sollte beachtet werden, dass für Neugeborene eine Zulassung für Moxifloxacin und Kinder ab 2 Jahren zusätzlich eine Zulassung für Azythromycin besteht. Bei bekanntem Keim und ausbleibender Besserung auf die bisherige Therapie muss eine Umstellung entsprechend des Antibiogramms erfolgen. Ansonsten kann jedes verfügbare Breitspektrumantibiotikum zur topischen initialen Anwendung nach den Kriterien Verfügbarkeit, Kosten und bekanntem regionalem Resistenzspektrum ausgewählt werden. Neonatale Konjunktivitis Eine neonatale Konjunktivitis ist eine Bindehautentzündung, die während des Geburtsvorgangs durch Übertragung vom Geburtskanal erfolgt. Das zeitliche Auftreten der Entzündung gibt geringgradig Anhalt über den verursachenden Keim. So treten Entzündungen durch Gonokken häufiger zwischen dem 2. und 4. Tag, die durch Chlamydia trachomatis hervorgerufenen Bindehautentzündungen häufiger zwischen dem 2. und 14. Tag auf. Die Therapie ist immer eine systemische, da eine ggf. auch verzögerte Mitbeteiligung der Atemwege inkl. Pneumonie angenommen werden muss. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 5 Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann _______________________________________________________________________________ Virale Konjunktivitis Viren verursachen bis zu 80 % aller Konjunktivitiden. Hiervon werden zwischen 65 und 90 % durch Adenoviren verursacht. Bestimmte Adenoviren (Serotypen 8, 19 und 37) sind Auslöser einer Keratokonjunktivitis epidemica,(KCE) die neben ihrer hohen Infektiosität klinisch gekennzeichnet ist durch eine Chemosis mit Karunkelschwellung, wässrigen Ausfluss und eine ipsilaterale Lymphadenopathie bei ca. 50 % der Patienten. Die Konjunktivitis kann sehr ausgeprägt bis zur hämorrhagischen Konjunktivitis vorkommen und mit der Bildung von Membranen einhergehen. Im Verlauf der Erkrankung, die zwischen 2 und 3 Wochen anhalten kann, kommt es zur Ausbildung von Bindehautfollikeln. Bei Mitbeteiligung der Hornhaut kommt es zum typischen Bild der Nummuli in unterschiedlicher Ausprägung, die sich klinisch als multifokale, fleckförmige, subepitheliale Infiltrate ab ca. 1-2 Wochen nach Einsetzen der Symptome darstellen. Sie sind das klinische Korrelat einer Immunreaktion gegen Virusbestandteile bei einer epithelialen Keratitis. Nummuli bilden sich in aller Regel in sehr variablem Zeitraum spontan zurück, können bei Persistenz mittlerweile mit Ciclosporin Augentropfen, die langsam ausgeschlichen werden müssen, therapiert werden. Lokale Steroide können zwar auch zur Rückbildung der Nummuli beitragen, haben aber nach Absetzen häufige Rezidive zur Folge. Ebenfalls durch Adenoviren (Serotypen 3 und 7) wird das Pharyngokonjunktivale Fieber, ein Krankheitsbild bestehend aus Pharyngitis, Fieber und Kopfschmerz in Kombination mit einer follikulären Konjunktivitis und einer Lymphadenopathie hervorgerufen. Die Knötchen, die durch das Molluscum contagiosum-Virus (ein Pockenvirus) entstehen, können u.a. auch im Bereich der Lidkante sitzen. Von hier aus werden Virusbestandteile abgegeben, die zu einer chronischen follikulären Konjunktivitis führen können. Herpes simplex- und Herpes-Zoster-Konjunktivitiden sind in aller Regel anhand der typischen Exantheme im Bereich der Lidhaut des betroffenen Auges identifizierbar. Sie erreichen das Auge und die Periokularregion über die sensiblen Nerven des N. trigeminus. Bei Beteiligung der Nasenspitze (N. nasociliaris) im Rahmen eines Zoster ophthalmicus (Hutchinson Zeichen) besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Mitbeteiligung des Auges. Eine Vielzahl weiterer Viren können Ursache einer Konjunktivitis sein (EBVVirus, Masern-Virus, Rubella-Virus,…). Enterovirus 70 und Coxsackie Virus A24 sind Auslöser einer akuten hämorrhagischen Konjunktivitis. Konjunktivitis lignosa Bei der Konjunktivitis lignosa handelt es sich um eine chronische, beidseitige und pseudomembranöse oder auch membranöse Konjunktivitis. Ursächlich ist ein Plasminogendefizit, das meist durch eine homozygote Mutation im Plasminogen-Gen verursacht ist. Die Erkrankung wird dann autosomal rezessiv vererbt. Durch den Plasminogenmangel kommt es zur Ablagerung von Fibrin, welches letztlich die Membranbildung fördert. Verletzungen und entzündliche Reize können als Trigger für den Beginn der Erkrankung wirken. Klinisch sind die Membranen holzartig fest und liegen der tarsalen Konjunktiva auf. Die Erkrankung tritt typischerweise bei Kindern erstmalig in Erscheinung und kann unbehandelt zu ausgeprägten Einschränkungen des Sehens durch Mitbeteiligung der Hornhaut führen. Es gibt keine allgemein akzeptierte Therapie. Die Entfernung der Membranen ist von einer hohen Rezidivrate begleitet und sollte vermieden werden. Die topische Anwendung von Heparin senkt die Rezidivrate. Seite 6 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann ________________________________________________________________________________ Humanes Plasminogen als Augentropfen hat mittlerweile in der EU den Status als Orphan-Medikament. Käuflich sind diese Augentropfen aber nicht erhältlich. Als alternative Behandlungsverfahren sind noch die topische Anwendung von „fresh frozen plasma“ (FFP) und die Anwendung von nichtsteroidalen Immunsuppressiva (z.B. Cyclosporin A) beschrieben. Keratokonjunktivitis des oberen Limbus (Theodore) Eine beidseitige sektorförmige konjunktivale Reizung im Bereich des oberen Limbus lässt bei Patienten mittleren Alters an eine Konjunktivitis des oberen Limbus denken. Die Ätiologie ist weiterhin unklar. Postuliert wird momentan eine mechanische Reizung vermittelt durch veränderte tarsale Konjunktiva während des Blinzelns, sodass Mikrotraumata entstehen. Teilweise ist der spaltlampenmikroskopische Befund nur dezent ausgeprägt, es zeigt sich jedoch ein typisches Färbemuster der Bindehaut nach Anfärben mit BengalRot in den betroffenen Arealen. Häufig kann eine Verbandskontaktlinse zusätzlich zu konservierungsmittelfreier Tränenersatztherapie recht schnell eine subjektive und auch objektive Besserung bringen. Sollten konservative Ansätze nicht ausreichen, kann die betroffene Bindehaut kryokoaguliert oder aber auch exzidiert werden. Da eine Assoziation mit einer Hyperthyreose besteht sollten Schilddrüsenwerte bei Erstdiagnose bestimmt werden. Allergische Konjunktivitis Die allergische Konjunktivitis wird durch eine eine beidseitige, Typ I vermittelte Immunreaktion hervorgerufen. Hierbei führt eine IgE-vermittelte Stimulation zu einer Reaktion von Mastzellen, die wiederum verschiedene Entzündungsmediatoren wie Histamine, Leukotriene und Prostaglandine ausschütten. In Abhängigkeit von dem verursachenden Antigen, tritt sie meist saisonal auf, am häufigsten als pollenbedingter „Heuschnupfen“. Aber auch ganzjährige Verläufe zeigen saisonabhängig unterschiedliche Ausprägungen der Erkrankung. Wesentliche Symptome der allergischen Konjunktivitis sind Pruritus und gerötete sowie chemotische Konjunktiven. Die Therapie richtet sich nach der Ausprägung der Erkrankung. Bei milden Verläufen reicht evtl. schon die Vermeidung der Allergene. Zusätzliche Maßnahmen, die eine Verringerung der Antigenlast erwirken, wie häufigeres Waschen von Gesicht und Körper, sind ebenfalls hilfreich. Zusätzlich sollte der Patient angehalten werden, zusätzliche mechanische Reizungen durch intensives Augenreiben möglichst zu vermeiden. Hier helfen beispielsweise kalte Umschläge, die den Juckreiz reduzieren. Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, ist die Anwendung topischer Antihistaminika und/oder Mastzellstabilisatoren angezeigt. In akuten, exacerbierten Phasen kann vorübergehend die lokale oder ggf. auch die systemisch Gabe von Steroiden erforderlich sein. Bei langanhaltenden Beschwerden helfen alternative immunmodulatorische Agenzien wie Cyclosporin A oder Tacrolimus, die Steroidgabe zu reduzieren oder abzusetzen. Keratokonjunktivitis vernalis Hauptunterscheidungsmerkmal der palpebralen Keratokojunktivitis vernalis von der allergischen Konjunktivitis ist das Vorhandensein von sehr großen, tarsalen Papillen. Die Erkrankung tritt meist bilateral auf und betrifft Menschen in den ersten beiden Lebensdekaden. Typischerweise tritt die Erkrankung saisonabhängig mit akuten Phasen im Frühjahr und im Sommer auf. Auch ganzjährige, chronische Verlausformen können auftreten. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 7 Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann _______________________________________________________________________________ Bei der Keratokonjunktivitis vernalis wird typischerweise eine palpebrale, eine limbale und eine gemischte Form unterschieden. Das Auftreten der unterschiedlichen Formen zeigt eine Abhängigkeit von der klimatischen Zone, wobei in nördlichen Regionen die palpebrale Form dominiert. Die limbale Form der Keratokonjunktivitis vernalis ist durch eine subkonjunktivale Infiltration mit entzündlichem Gewebe im Limbusbereich gekennzeichnet, die sich zu Knoten verdichten kann. Es kann auch zur Pannusbildung auf der peripheren Hornhaut kommen, die von grau-weißen Knötchen, sogenannten Horner-Trantas dots belegt sein können. Die Hornhaut kann zusätzlich eine zentrale bis parazentrale Ulkusbildung, das sogenannte Schild-Ulkus, aufweisen. Ursächlich scheint zusätzlich zu einer mechanischen Reizung durch die großen Papillen auch eine inflammatorische Komponente zu sein. Es können sich auch Plaques aus Mukus und Zellen im Ulkusbereich bilden. Die topische Therapie ist vergleichbar der Therapie bei allergischer Konjunktivitis. Zusätzlich sollte frühzeitig die topische Anwendung von nichtsteroidalen immunmodulatorischen Medikamenten wie z.B. Cycosporin A oder Tacrolimus in Betracht gezogen werden. Wichtig ist bei bekanntem saisonalen Auftreten die rechtzeitige Anwendung der Medikamente vor Beginn der aktiven Phase. Chirurgische Ansätze zur Entfernung großer Papillen führen häufig nicht zu einer dauerhaften Besserung und sollten bei intensiver medikamentöser Therapie meist nicht notwendig sein. Insgesamt ist der Verlauf der Erkrankung gutartig und selbstlimitierend. Ein Abklingen der Symptome nach der Pubertät ist die Regel. Atopische Keratokonjunktivitis Bei der Atopischen Keratokonjunktivitis handelt es sich um eine chronische, nichtinfektiöse Entzündung der Bindehaut in Assoziation mit einer atopischen Dermatitis. Der Schweregrad der Augenerkrankung korreliert nicht mit dem Schweregrad der Hauterkrankung. Viele unterschiedliche Immunzellen sind an der Ausbildung der Entzündung phasenabhängig beteiligt, unter ihnen Mastzellen, Eosinophile und Basophile Granulozyten sowie T-Zellen. Die typischen Beschwerden, Pruritus, Brennen und Tränen, treten chronisch und eher saisonunabhängig auf. Die Lider sind typischerweise mit Ekzemen unterschiedlichen Schweregrades inkl. Lidverdickung und Furchenbildung versehen. Sowohl die vordere, dann meist staphylokokkenassoziiert, als auch die hintere Lidkante können in den Entzündungsprozess eingebunden sein. Die Bindehaut ist chronisch bilateral mit einer papillären Reaktion entzündet. Symblepharabildung und Fornixverkürzung können auftreten. Selten können auch Horner-Trantas dots im Limbusbereicht gesehen werden. Durch Entzündung, Störung des Tränenfilms und durch die mechanische Reizung der verdickten Lidränder und Konjunktiva kann es zu Erosiones und Ulzerationen der Hornhaut mit der Ausbildung von Mukus Plaques und Filamenten kommen. Therapeutisch können in Abhängigkeit von der Ausprägung der Erkrankung topische Mastzellstabilisatoren sowie topische oder systemische Antihistaminika, Steroide und Calcineurininhibitoren (z.B. Cyclosporin A 0,05% topisch 6x/Tag) helfen, Exazerbationen der Erkrankung zu vermeiden. Seite 8 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann ________________________________________________________________________________ Kontaktlinsenassoziierte Konjunktivitis Als Reaktion auf zumeist weiche Kontaktlinsen kann es zu einer papillären entzündlichen Mitbeteiligung der Bindehaut kommen. Die hierbei insbesondere am oberen Tarsus zu sehenden Papillen können eine erstaunliche Größe erreichen, die der Erkrankung zu dem Namen Gigantopapilläre Konjunktivitis verholfen hat. Neben der Anwendung von Antihistaminika, Mastzellstabilisatoren und Steroiden steht die Kontaktlinsenkarenz im Vordergrund. Stevens-Johnson-Syndrom Beim Stevens-Johnson-Syndrom handelt es sich um eine T-Zell-vermittelte Hypersensitivitätsreaktion mit starker Entzündung von Haut und Schleimhhäute. Häufig sind der Erkrankung eine Medikamenteneinnahme (u.a. Sulfonamide, nichtsteroidale Antiphlogistika, …) oder andere Erkrankungen vorausgegangen. 60 % der Patienten zeigen eine okuläre Mitbeteiligung in der akuten Phase mit einer akuten Konjunktivitis, die im Verlauf in eine vernarbende chronische Phase übergehen kann. 50 % der Betroffenen leiden unter okulären Spätfolgen mit schwerem trockenen Auge, Trichiasis und Ausbildung von Symblephara. Die Ausbildung eines trockenen Auges wird befördert durch Keratinisierung der Lidkante, Verkürzung des Fornix, Verschluss der Ausführungsgänge von Tränen- und Meibomdrüsen sowie einem Verlust von Meibomdrüsen. Okuläres vernarbendes Pemphigoid Beim okulären vernarbenden Pemphigoid führen Antikörer gegen die Basalmembran von Schleimhäuten bzw. Konjunktiva zu einer fortschreitenden subkonjunktivalen Vernarbung mit Symblepharabildung bis zum Ankyloblepharon. Als Frühzeichen sind manchmal verstrichene Karunkel erkennbar. Die Augen zeigen eine ausgeprägte Keratokojunktivitis sicca. Als weiteres Merkmal zeigt sich ein Lagophthalmus bei fortgeschrittenen Fällen. Therapeutisch gilt die Devise, dass operative Eingriffe möglichst vermieden werden sollten. Bei der Verwendung von Augentropfen (Tränenersatz oder steroidhaltige Augentropfen) müssen konservierungsmittelfreie Präparate angewendet werden. Systemisch kommen in Abhängigkeit vom Aktivitätsgrad Steroide, Dapson oder Zytostatika (MTX, Cyclophosphamid) zum Einsatz. Bei weit fortgeschrittenen Stadien (ausgebranntes Pemphigoids) sollte eine Therapie vermieden werden. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 9 Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann _______________________________________________________________________________ 3.1.4 3.1.4.1 Bindehauttumoren Gutartige Bindehauttumoren Choristome der Bindehaut Choristome sind angeborene Tumore bestehend aus versprengtem embyronalem Gewebe. Hierzu gehören Dermoid- und Epidermoidzysten, die häufig im Bereich der Sutura frontcygomatica vorkommen. Epibulbäre Dermoide kommen im Bereich von Sklera, Limbus und Hornhaut vor und zeichnen sich durch eine variable Tiefenausdehnung aus, die äußerlich nicht absehbarist. Die operative Entfernung sollte bei Beeinträchtigung unter dem Bewusstsein erfolgen, dass durch die Exzision ein Astigmatismus induziert werden kann und evtl. eine lamelläre Keratoplastik zur Defektdeckung nach Exzision notwendig sein kann. Bindehautpapillom Das Bindehautpapillom kann gestielt oder breitbasig vorkommen. Das gestielte Bindehautpapillom ist häufig durch Subtypen des humanen Papillomavirus verursacht. Bei fehlender Symptomatik können Bindehautpapillome belassen werden. Eine spontane Rückbildung ist möglich. Nävus cysticus Fuchs Der Nävus cysticus Fuchs ist eine variabel pigmentierte Veränderung der Bindehaut, die bei jüngeren Menschen häufig gering prominent ist und häufig nicht bemerkt wird. Der Tumor erfährt häufig während der Adoleszenz eine Größenzunahme durch Becherzellen, die in der Tiefe des Tumors sitzen und hier durch Sekretion Pseudozysten ausbilden. Die Zystenbildung führt letztlich zu einem Pseudogrößenwachstum, das den Betroffenen auffällt. Dokumenatation und Verlaufskontrollen bei ansonsten Beschwerdefreiheit sind adäquate Maßnahmen. Das Entartungsrisiko ist sehr gering. Bei einer eindeutigen Größenzunahme und stärkeren Änderung der Pigmentierung sollte eine exzisionale Biopsie erfolgen. Weiterhin sollte die Entscheidung zur Exzision bei Nävi im Bereich der tarsalen Bindehaut schneller getroffen werden, da diese eine untypische Lokalisation für Bindehautnävi darstellt. Kongenitale epitheliale Melanose und kongenitale Melanosis oculi Die kongenitale epitheliale Melanose kommt gehäuft bei dunkelhäutigen Menschen vor und beschreibt eine im Epithel gelegene und somit verschiebliche melanotische Veränderung häufig in Limbusnähe. Bei der kongenitalen Melanosis oculi finden sich fokale, nicht verschiebliche Melanozytenansammlungen im Bereich der Episklera. Eine faciale okulodermale Melanozytose im Bereich des Innervationsgebietes des N. ophthalmicus und N. mandibularis wird als Nävus Ota bezeichnet. Auf der betroffenen Seite können zudem eine Irishyperchromie und eine Fundushyperpigmentierung auftreten. Uveamelanome sind selten, müssen aber entsprechend ausgeschlossen werden. Primär erworbene Melanose Die Primär erworbene Melanose (PEM) ist eine erworbene (nicht angeborene) intraepitheliale konjunktivale Melanozytenansammlung, die histologisch ohne und mit Atypien auftreten kann. Die Unterscheidung ist klinisch nicht eindeutig zu stellen, sodass bei sich verändernden PEMs je nach Umfang und Intensität der pigmentierten Areale eine Exzision angestrebt werden sollte. Sollten Atypien vorliegen, liegt das Risiko zur Entartung in ein malignes Melanom bei fast 50 %. Seite 10 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann ________________________________________________________________________________ 3.1.4.2 Bösartige Bindehauttumoren Maligne nicht pigmentierte Bindehauttumore Im Bereich der Bindehaut können als Carcinoma in situ konjunktivale intraepitheliale Neoplasien (CIN) auftreten. Klinisch variiert ihr Erscheinungsbild von Leukoplakien über gelatinös bis zu prominenten papilliformen Tumoren. Als bekannte Risikofaktoren für das Plattenepithelkarzinom gelten UV-LichtExposition und Infektionen mit dem humanem Papillomavirus. Der Tumor neigt zur oberflächlichen Ausbreitung, eine Tiefeninvasion mit entsprechendem Risiko einer lymphogenen Metastasierung kommt jedoch auch vor. Der Tumor muss nach Möglichkeit in toto exzidiert werden (nach Möglichkeit 4 mm Abstand zu den klinisch erkennbaren Außengrenzen und angrenzende lamelläre Sklerektomie) und der Randbereich der angrenzenden Bindehaut mit einer Kryokoagulation versorgt werden. Zusätzlich sollte Alkohol auf das Exzisionsareal gegeben werden. Bei entsprechender Tiefenausdehnung können eine Enukleation oder gar eine Exenteratio bulbi notwendig sein. Eine adjuvante Bestrahlung ist bei manchen Patienten zu erwägen. Noch einmal deutlich seltener als das Plattenepithelkarzinom kommen das Mukoepidermoid-Karzinom mit erhöhtem Risiko einer Orbitabeteiligung und das Spindelzellkarzinom vor. Malignes Melanom der Bindehaut Das maligne Melanom der Bindehaut ist ein sehr seltener Tumor, der sich meist aus einer vorbestehenden pigmentierten Läsion, wie der PEM mit Atypien oder einem Bindehautnävus entwickelt. Zusätzlich zu einer unscharfen Begrenzung, knotenartigem Wachstum und einer dunklen Pigmentierung weist eine verstärkte Vaskularisation auf ein malignes Geschehen. Die Tumoren kommen auch amelanotisch vor. Die Lokalisation ist meist im Bereich der Konjunktiva bulbi limbusnah, seltener in der Konjunktiva tarsi. Therapeutisch sollte die Exzision mit 4 mm Abstand erfolgen und die angrenzende Sklera sollte ebenfalls lamellär exzidiert werden. Adjuvant können Kryokoagulationen der betroffenen Bindehautareale nach Exzision erfolgen. Die Anwendung von MMC Augentropfen in der postoperativen Therapie ist beschrieben. Je nach Ausprägung kann eine Enukleation oder gar eine Exentario orbitae notwendig sein. Neben der lokalen Behandlung muss ein Staging durchgeführt werden. Lymphome Bindehautlymphome kommen bei älteren Menschen vor. Sie zeigen sich typischerweise als lachsrosafarbener, verschieblicher Tumor, der meist im unteren Fornix aber auch epibulbär lokalisiert ist. Bindehautlymphome kommen in ca. 20 % bilateral vor. Histologisch sind die Lymphozyten in der Substantia propria der Konjunktiva erkennbar. Therapeutisch wird in Abhängigkeit von der Dignität des Tumors eine Bestrahlung durchgeführt. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 11 Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann _______________________________________________________________________________ 3.2 3.2.1 Hornhauterkrankungen Kurze Einführung in die Anatomie Klassischerweise lässt sich die Hornhaut in drei Hauptschichten unterteilen, Epithel, Stroma und Endothel. Das Epithel wird durch einen mehrschichtigen unverhornten Verband an Plattenepithelzellen (ca. 50 µm Dicke) gebildet, deren Stammzellen im peripheren Übergang der Hornhaut zur Konjunktiva, dem Limbus in den Tiefen der Vogt’schen Pallisaden sitzen. Das Hornhautstroma besteht zum größten Teil aus Kollagen (neben Kollagen Typ I auch Typ V und Typ VI), deren einzelne Kollagenfibrillen sich in Lamellen parallel zueinander mit gleichbleibendem Abstand anordnen. Das Stroma ist aus einer Vielzahl solcher Lamellen aufgebaut, wobei sie so angeordnet sind, dass sich die Verlaufsrichtung der in ihnen verlaufenden Kollagenfibrillen von Lamelle zu Lamelle fast orthogonal dreht. Die Kollagenfibrillen sind eingebettet in Dermatansulfat- und Keratansulfat-Proteoglykanen. Im anterioren Stroma bildet eine azelluläre Schicht aus ungeordneten Kollagenfibrillen die BowmanLamelle. Im restlichen Stroma liegen Keratozyten entlang der Lamellen und bilden ein Synzytium. Das Hornhautendothel bildet eine einlagige Zellschicht aus hexagonal geformten Endothelzellen, die der dicksten im menschlichen Körper vorkommenden Basalmembran, der Descemet Membran aufliegen. Die Endothelzelldichte bei Geburt kann bei 4000 Zellen/mm2 und darüber liegen und nimmt im Laufe des Lebens auf teilweise unter 2000 Zellen/mm2 im hohen Alter ab. Ein Endothelzellverlust kann nur durch Zellmigration und Größenzunahme der verbliebenen Zellen und nicht durch Proliferation ausgeglichen werden. Bei ausgeprägten Defekten verlieren die Zellen ihre gleichmäßige Form (Polymorphismus/Pleomorphismus) und sie erreichen unterschiedliche Zellgrößen (Polymegatismus). Funktionell kommt den Hornhautendothelzellen die Aufgabe zu, dem passiven Flüssigkeitsstrom aus dem Kammerwasser in das Hornhautstroma durch aktives Pumpen einen Flüssigkeitsstrom aus dem Hornhautstroma in die Vorderkammer entgegen zu setzen. Hierdurch gelangen Nährstoffe aus dem Kammerwasser in die Hornhaut, gleichzeitig kann der Flüssigkeitsgehalt des Hornhautstromas in gewissen Grenzen konstant gehalten werden. Die Innervation der Hornhaut, genauer des Hornhautepithels ist die dichteste sensible Innervation im menschlichen Körper. Größere Hauptäste entstammen dem N. ophthalmicus und erreichen die Hornhaut in tieferen Stromaregionen über den Limbus. Die Nerven reichen radiär in Richtung Hornhautzentrum und geben auf dem Weg dorthin feinere Äste in Richtung Hornhautoberfläche ab, die unter dem Hornhautepithel den subbasalen Nervenplexus bilden. Von diesem wiederum reichen Nervenfasern zwischen die Epithelzellen. Neben der sensiblen Innervation besitzen die Nerven auch eine wichtige regulatorische Funktion auf die Proliferation, Migration und Adhäsion von Hornhautepithelzellen über Neuropetide und Wachstumsfaktoren. Weiterhin tragen diese Substanzen zu dem immunologisch privilegierten Status der Hornhaut bei. Beim Ausfall oder Einschränkungen der Innervation kommt es zur neurotrophen Keratopathie, bei der Epithelialisierungsstörungen bis zum durchgreifenden Hornhautulkus ohne Infiltrat tendenziell im exponierten zentralen Bereich der Hornhaut auftreten. Seite 12 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann ________________________________________________________________________________ 3.2.2 Hornhautdegenerationen Die Sphäroidale Degeneration ist eine häufigere, meist bilaterale temporal und nasal in der Lidspalte gelegene Ablagerungen. Die Ablagerungen sind gelblichgolden im anterioren Hornhautstroma, teilweise auch in der angrenzenden Bindehaut lokalisiert. Beim Arcus senilis kommt es altersabhängig zur ringförmigen Lipidablagerung im Hornhautstroma. Bei jüngeren Patienten sollte eine Hyperlipoproteinämie Typ II ausgeschlossen werden. Eine Lipidkeratopathie kann selten spontan als primäre Form oder häufiger sekundär nach Verletzung/Entzündung mit Vaskularisation entstehen. Über die Vaskularisation kommt es zur Ablagerung von Lipiden und Glykoproteinen. Bei der Hornhautbanddegeneration kommt es zur Ablagerung von Hydroxylapatit, einem Kalziumsalz, in der Bowmanlamelle bei Phthisis bulbi, rezidivierender Uveitis, Si.-Öl-gefülltem aphaken Auge, chron. Keratitis, und metabolisch bei erhöhtem Kalziumspiegel. Entsprechend sollten metabolische Störungen des Kalziumstoffwechsels ausgeschlossen werden. Operativ werden die Ablagerungen bei Beeinträchtigung manuell durch eine EDTAAbrasio entfernt. Die Noduläre Salzmann-Degeneration beschreibt noduläre Ablagerungen auf Ebene der Bowman-Lamelle und zeigt sich klinisch durch erhabene gräuliche Noduli. Die Ablagerungen sind histologisch hyalin, teils auch fibrillär. Eine Verdünnung der peripheren Hornhaut bei älteren Menschen als senile Randfurche ist zwischen einem Arcus senilis und dem Limbus lokalisiert. Selten verursacht dies durch die Ausbildung eines irregulären Astigmatismus eine Beeinträchtigung des Sehens. Die Marginale Terrien-Degeneration ist eine idiopathische periphere Hornhaut-Verdünnung (manchmal vaskularisiert) die zumeist in der oberen Hornhautperipherie beginnt und bei Progredienz auch die gesamte Zirkumferenz einbeziehen kann, die 6 Uhr-Position aber häufig ausspart. Operationen haben funktionell eine schlechte Prognose. Ggf. kann eine Visusbesserung durch Anwendung von Kontaktlinsen erreicht werden. 3.2.3 Metabolische Keratopathien Verschiedene Stoffwechselerkrankungen führen zur Ablagerung von Stoffwechselprodukten in der Hornhaut. Bei Mukoppolysacharidosen (MPS) führt beispielsweise ein Glykosidasemangel zur Akkumulation von Mukopolysacchariden in intrazellulären Vakuolen, die zu einer milchglasartigen Trübung der Hornhaut führen. Beim M. Fabry führt ein Alphagalaktosidasemangel zu wirbelförmigen Ablagerungen von Sphingolipiden im Hornhautepithel, die durch Migrationsstraßen betroffener Hornhautepithelzellen entstehen. 3.2.4 Limbusstammzellinsuffizienz Bei der Limbusstammzellinsuffizienz kommt es durch Schädigung der Limbusstammzellen je nach Ausprägung zu einer Konjunktivalisierung der Hornhaut. Ursächlich sind neben angeborenen Störungen im Rahmen der Aniridie Schädigungen nach Verätzung, chronischer oder auch sehr starker akuter Inflammation der Augenoberfläche und wiederholte augenchirurgische Eingriffe insbesondere im Rahmen rezidivierender Pterygien. Der konjunktivale Ersatz des fehlenden Hornhautepithels ist gekennzeichnet durch Vaskularisation, rezidivierende Erosiones und Vernarbung des Hornhautstromas in den betroffenen Hornhautarealen. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 13 Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann _______________________________________________________________________________ Therapeutisch sind verschiedene Formen der Transplantation epithelialer Stammzellen möglich. Bei einseitigem Befund besteht die Möglichkeit der Transplantation autologer Limbusstammzellen. Bei beidseitigem Befund können allogene Limbusstammzellen oder autologe Stammzellen der oralen Mukosa verwendet werden. Bei sehr ausgeprägtem trockenen Auge besteht auch die Möglichkeit zur Implantation einer Keratoprothese. 3.2.5 Keratitis Infektiöse Keratitis Risikofaktoren für die die Entstehung einer infektiösen Keratitis sind Umstände, die entweder eine inokulation von Pathogenen oder verbesserte Wachstumsbedingungen in der Hornhaut schaffen. Entsprechend sind Kontaktlinsentragen, lokale oder systemische Immunsupression, Augenchirurgische Eingriffe, chronische Entzündungen an der Augenoberfläche, Diabetes mellitus und Traumata der Augenoberfläche Risikofaktoren für die Entstehung einer infektiösen Keratitis. Sind die hierbei entstehenden Infiltrate im Hornhautstroma ohne Substanzverlust lokalisiert, so handelt es sich um eine Keratitis. Bei nekrotischen Entzündungen mit Verlust von Hornhautstroma liegt ein Hornhautulkus vor. Ist nur das Stroma bei intaktem Epithel betroffen, liegt eine interstitielle Keratitis vor. Bei Infiltraten, die bis zur Hornhautoberfläche reichen, sollte ein Abstrich bzw. eine Probe durch Scraping entnommen werden. Hierzu wird mit einem scharfen Spatel sowohl zentral als auch im Randbereich des Ulkus Material abgekratzt und in ein mit Flüssigkeit (z.B. NaCl) gefülltes kleines Gefäß gegeben. Nach Vorliegen eines Kulturergebnisses mit Resistenztestung muss die lokale antibiotische Therapie dem Ergebnis angepasst werden. Bis zum mikrobiologischen Ergebnis werden, wenn vorhanden, antibiotische Augentropfen in erhöhter Konzentration, sog. fortified Augentropfen, in Abhängigkeit vom Befund bis zu ¼-stündlich gegeben. Bakterielle Keratitiden zeigen klinisch weiße bis gelbe Infiltrate. Hervorzuheben ist eine Infektion mit Pseudomonas aeruginosa, ein Keim, der bei Kontaktlinsenträgern gehäuft Ursache einer Keratitis ist und in kürzester Zeit eine fulminante nekrotisierende Keratitis mit Hornhautperforation hervorrufen kann. Eine weitere Sonderform einer bakteriellen Keratitis besteht bei der interstitiellen Lues-Keratitis. Sie entsteht nach kongenitaler Syphillis und kann verzögert im Alter zwischen dem 5. Und 25. Lebensjahr auftreten. Sie ist meist bilateral und führt zu starken Schmerzen. Die interstitielle Keratitis geht gehäuft mit einer cornealen Neovaskularisation einher. Die Gefäße bilden sich nach Abklingen der Entzündung zu nicht durchbluteten „Ghost Vessels“ zurück. Es verbleiben Hornhautnarben. Weitere Ursachen für eine interstitielle Keratitis sind die Tuberkulose oder nicht-infektiös im Rahmen eines CoganSyndroms. Bei der infektiösen kristallinen Keratopathie besteht eine infektiöse Keratitis mit einem niedrig virulenten Keim nach z.B. länger dauernder lokaler Immunsuppression. Solche Infiltrate mit kristallenem Aussehen können beispielsweise durch Staphylococcus epidermidis oder Streptococcus viridans hervorgerufen werden. Therapiert wird mit topischen Antibiotika über einen längeren Zeitraum bei Besserung ausschleichend. Die mykotische Keratitis kommt gehäuft in tropischen Regionen vor (teilweise über 50% aller Keratitiden), wobei in diesen Gegenden Hyphen im Keimspektrum überwiegen. In gemäßigten und kälteren Klimazonen sind überwiegend Hefen für mykotische Keratitiden verantwortlich. Als Risikofaktor Seite 14 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann ________________________________________________________________________________ für eine Pilzinfektion gelten Traumata mit pflanzlichen oder stark verschmutzten Gegenständen. Kontaktlinsentragen und die Anwendung von topischen Steroiden sind weitere Risikofaktoren. Klinisch imponieren die mykotischen Hornhautinfiltrate als grau-weiße Infiltrate mit peripheren unregelmäßigen Ausziehungen oder aber auch als ringförmiges Infiltrat mit Satelliten. Relativ häufig ist das Epithel zumindest initial über dem Infiltrat geschlossen. Bei intraokulärer Mitbteiligung kann ein pyramidenförmiges Hypogyon erkennbar sein, das durch Eiterstraßen entlang von in die Vorderkammer hineinragende Pilzanteilen gebildet wird. Eine Unterscheidung von einer bakteriellen Keratitis ist klinisch jedoch nicht immer sicher möglich. Entscheidend ist der Keimnachweis. Hierfür müssen manchmal wiederholt Scrapings oder Biopsien im Infiltratbereich, Zentrum und Rand, durchgeführt werden. Topische Antimykotika müssen in Deutschland meist in Apotheken aus Präparaten für die i.V.-Anwendung hergestellt werden. Gängige Medikament, die hierbei zur Anwendung kommen sind Amphotericin B, Voriconazol und Fluconazol. Voriconazol sollte aktuell als first-line Therapie bei Pilverdacht mit unbekannter Resistenzlage angewendet werden. Bei gesichertem Nachweis von Hyphen ist Fluconazol für die Therapie ungeeignet. Bei sehr tief liegenden Infiltraten sollte ggf. eine Abrasio corneae durchgeführt werden, um die Penetration der Antimykotika zu verbessern. Zusätzlich sollte eine systemische Gabe von Antimykotika bei tiefliegenden Infiltraten bzw. bei Mitbeteiligung der Vorderkammer erfolgen. Auch Protozoen können eine Keratitis verursachen. Akanthamöben sind ein Beispiel für eine Entzündungsform der Hornhaut, die erst seit Verwendung von Kontaktlinsen mengenmäßig in nennenswerter Form in Erscheinung getreten ist. Die Akanthamöben durchlaufen unterschiedliche Entwicklungsstadien und können in der Hornhaut in einer Zystenform verweilen, die gegen äußere Einflüsse und Therapiemaßnahmen sehr resistent ist. Dies ist auch der Grund, warum Patienten mit einer Akanthamöbenkeratitis eine langwierige Therapie mit Antiseptika (Diamidine und Biguanide) und Aminoglykosiden (z.B. Neomycin) über viele Monate durchlaufen müssen und auch lange Zeit nach abgeheilter Akanthamöbenkeratitis Rezidive in der Literatur beschrieben wurden. Akanthamöben können eine Limbitis und typischerweise auch eine Perineuritis hervorrufen, wodurch die Patienten entzündungsbedingt starke Schmerzen bei manchmal geringem klinischen Befund angeben. Das bei der Akanthamöbenkeratitis klassischerweise beschriebene Ringinfiltrat liegt nicht immer vor und auch bei Vorhandensein eines solchen Infiltrats ist es nicht pathognomisch für eine Akanthamöbenkeratitis. Das Epithel kann lange Zeit noch intakt sein. Für die Kultivierung von Scrapingmaterial muss dem Labor der V.a. Akanthamöben mitgeteilt werden, da hier spezielle Kulturmedien wie z.B. mit E. coli beimpfter Agar verwendet werden müssen. Die Herpes simplex Keratitis (HSV-Keratitis; meist HSV I) kann in unterschiedlichen Strukturen der Hornhaut sehr unterschiedliche Immunreaktionen hervorrufen. Unterschieden wird die epitheliale von der stromalen von der endothelialen HSV-Keratitis. Die Infektion ist meist ein Rezidiv einer vorangegangen Herpes-Infektion des Körpers, die auch subklinisch oder wie ein leichter grippaler Infekt ablaufen kann. Die Herpesviren können im Ggl. Trigeminale verbleiben und dann über die sensiblen Nervenfasern eine Infektion der innervierten Organe hervorrufen. Es gibt auch (seltener) eine primäre konjunktivale Infektion, die als follikuläre Konjunktivitis klinisch in Erscheinung tritt. Wegweisend für die Diagnose der primären Infektion sind die typischen Effloreszenzen. Die epitheliale Herpeskeratitis kann als Keratitis punctata superficialis auftreten. Sollten größere Areale betroffen sein, kann es zur Ausbildung von Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 15 Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann _______________________________________________________________________________ für eine epitheliale HSV-Keratitis typischen verästelten Ulzerationen kommen. Das begrenzende, virusbeladene Epithel solcher Dendriten färbt sich gut auf Bengal-Rosa. Die Dendriten können sich auch zu größeren Arealen vereinigen und so zu einem geographischen Ulkus führen. In Deutschland sind als antivirale topische Medikament Aciclovir und Gancyclovir käuflich als Augensalbe/-gel erhältlich. Zusätzlich kann eine Abrasio des betroffenen Areals durchgeführt werden. Die stromale Herpeskeratitis kann als interstitielle Keratitis mit intaktem Epithel auftreten. Hier zeigen sich uni- oder multifokale hazeartige oder weiße Infiltrate, die zu Rezidiven mit konsekutiver Vernarbung und Vaskularisation der Hornhaut neigen. Bei dieser Entzündungsform besteht eine entzündliche Reaktion auf verbliebene Virusbestandteile ohne Replikationsaktivität im Hornhautstroma. Entsprechend muss zusätzlich zur antiviralen Therapie auch mit Steroiden therapiert werden. Bei ausgeprägten Befunden oder stärkerer Iridozyklitis sollte die Therapie auch systemisch erfolgen. Eine stromale Herpeskeratitis kann auch nekrotisierend auftreten und ist so schwer von nekrotisierenden Entzündungen anderer Ursache zu unterscheiden. Die nekrotisierende Herpeskeratitis ist Ausdruck einer direkten Infektion mit dem Herpesvirus. Hier muss sowohl lokal als auch systemisch mit Virostatika therapiert werden (lokal Aciclovir AS 5x/Tag, systemisch Aciclovir 400mg 5x/Tag. Die disciforme Herpeskeratitis beschreibt ein rundes oder ovales Stroma- und Epithelödem, dass durch eine Endotheliitis hervorgerufen wird. Im betroffenen Areal sind typischerweise entzündliche Präzipitate auf der faltigen Descemet Membran erkennbar. Die Erkrankung kann mit einer Iridozyklitis und mit einem Anstieg des Augeninnendruckes einhergehen. Die Veränderungen sind Ausdruck sowohl einer direkten viralen Aktivität als auch einer Reaktion des Immunsystems auf die virusbefallenen Endothelzellen. Entsprechend muss auch hier kombiniert mit antiviralen Medikamenten und Steroiden therapiert werden. Die entstehende neurotrophe Keratopathie nach Herpes-Keratitiden wird als metaherpetische Keratitis bezeichnet. Die Keratitis bei Zoster ophthalmicus kann klinisch als epitheliale Keratitis bei direkter Virusinvasion, als nummuläre Keratitis nach vorangegangenem Exanthem oder als disciforme Keratitis in Erscheinung treten. Letztere ist von einer disciformen HSV-Keratitis klinisch nicht zu unterscheiden. Der Zoster ophthalmicus betrifft eher ältere Menschen (6. Lebensdekade). Ulzerationen der peripheren Hornhaut Ulzerationen der peripheren Hornhaut werden häufig nicht durch direkte Infektionen sondern durch immunologische Reaktionen im Übergangsbereich zwischen dem vaskularisierten und dem nichtvaskularisierten Anteil des Limbus hervorgerufen. Die marginale Keratitis beschreibt eine periphere Hypersensitivitätsreaktion auf Exotoxine von z.B. Staphylokokken bei Staphylokokkenblepharitis. Die Veränderungen ähneln denen einer peripheren ulzerativen Keratitis, eine Erkrankung, bei der es zur Ablagerung von Immunkomplexen in den Gefäßarkaden im Llimbus kommt. Die periphere ulzerative Keratitis ist häufig assoziiert mit rheumatischen Erkrankungen. Entsprechend muss bei unbekannter rheumatischer Grunderkrankung eine rheumatische Abklärung durchgeführt werden. Seite 16 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann ________________________________________________________________________________ Therapeutisch kommen konservierungsmittelfreie Tränenersatzmittel zum Einsatz. Bei marginaler Keratitis stehen die Therapie des Lidrandes mit Lidrandpflege und die Anwendung von lokalen Steroiden zur Reduktion der Hypersensitivitätsreaktion im Vordergrund. Gleichzeitig sollten lokale möglichst wenig epitheltoxische Antibiotika verabreicht werden. Orale Tetrazykline vermindern die Protease-Aktivität und vermindern dadurch einen weiteren Stromaverlust. Die periphere ulzerative Keratitis wird ebenfalls mit lokalen konservierungsmittelfreien Tränenersatzmitteln therapiert. Im Gegensatz zur marginalen Keratitis werden in der Akutphase die Steroide nicht lokal sondern systemisch gegeben. In Kooperation mit dem Rheumatologen muss gleichzeitig eine Basistherapie eingeleitet werden. Hier sollte der Ophthalmologe in engem Kontakt mit dem Rheumatologen stehen, um Einfluss auf die Art der immunomodulatorischen Therapie nehmen zu können. Bei fortschreitenden Ulzerationen kann eine periphere Kertaoplastik (nach Möglichkeit lamellär) notwendig sein. 3.2.6 Keratektasien Keratektasien sind Auswölbungen der Hornhaut mit einhergehender Hornhautverdünnung. Sie können sekundär als Folge chirugischer Hornhauteingriffe z.B. nach Keratektomie entstehen. Häufiger jedoch kommen Keratektasien beim Keratokonus vor, einer idiopathischen Erkrankung der Hornhaut, die einen progressiven Verlauf hat. Sie mündet und durchläuft unterschiedlich stark ausgeprägte Stadien, die bei dieser bilateral asymmetrischen Erkrankung einen variabel ausgebildeten irregulären Astigmatismus induziert. Die Diagnose wird anhand der klinischen Zeichen wie Fleischer-Ring (kreisförmige Eisenlinie um den Konus), Vogt-Striae (vertikale Streifen im tiefen Hornhautstroma), Apicale Narben und die sichtbare Vorwölbung der Hornhaut und Verdünnung unterhalb des Apex beim fortgeschrittenen Keratokonus gestellt. Bei frühen Formen stehen mittlerweile verschiedene diagnostische Parameter zur Verfügung, die den Verlauf der Dickenänderung des Hornhautstromas vom Zentrum in die Peripherie und die Asymmetrie in der Hornhauttopographie berücksichtigen und so auch die Diagnose eines Forme fruste Keratokonus, eines nicht progredienten Keratokonus in subklinischem Stadium, erleichtern. Eine Progredienz der Erkrankung kann durch eine quervernetzende Therapie mit UV-Licht und Riboflavin reduziert bzw. verhindert werden. Für die Entscheidung für oder gegen ein Crosslinking werden neben der Progredienz auch die Hornhautdicke, die Höhe des steilsten Keratometerwertes, Alter des Patienten und die Sehschärfe des Patienten berücksichtigt. Eine gute bis sehr gute Sehschärfe kann häufig über einen langen Zeitraum durch die Anwendung von Kontaktlinsen erhalten werden. Sollten Kontaktlinsen nicht (mehr) getragen werden können, kann durch eine Hornhauttransplantation, nach Möglichkeit eine tiefe anteriore lamelläre Keratoplastik (DALK), eine gute bis sehr gute Sehschärfe erreicht werden. Bei manchen Patienten besteht eine Assoziation mit dem Marfan- oder Ehlers-Danlos-Syndrom, mit Atopie und mit der Osteogenesis imperfecta. Zu unterscheiden vom Keratokonus sind keratektatische Erkrankungen mit peripherer Hornhautverdünnung wie die Pellucide marginale Hornhautdegeneration und der sehr seltene Keratoglobus (zirkulär peripher verdünnte Hornhaut). Eine Keratoplastik ist aufgrund der peripheren Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 17 Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann _______________________________________________________________________________ Hornhautverdünnung technisch deutlich anspruchsvoller und mit schlechterer Prognose vergesellschaftet. 3.2.7 Hornhautdystrophien Im Jahr 2008 wurde eine neue Einteilung der Hornhautdystrophie durch das internationale Komitee für die Klassifikation von Hornhautdystrophien veröffentlicht (IC3D). Die Dytsrophien werden hierbei entsprechend ihrer anatomischen Lokalisation und des bekannten Gendefekts eingruppiert. Für die klinische Untersuchung von Hornhautdystrophien ist zu beachten, dass der Betrachtung der Dystrophie bei weiter Pupille im regredienten Licht eine besondere Bedeutung zukommt. Die hierdurch veränderte Kontrastierung der Strukturen lässt bestimmte Veränderungen häufig erst sichtbar werden. Im Folgenden werden ausgewählte Dystrophien dargestellt. Epitheliale und subepitheliale Hornhautdystrophien Zu den epithelialen und subepithelialen Dystrophien wird die epitheliale Basalmembrandystrophie (Cogan-Dystrophie)gezählt, bei der die Epithelzellen im Stoffwechsel derart gestört sind, dass es zu einem veränderten Wachstum, veränderten Adhäsionseigenschaften und zur Bildung von veränderten Proteinen der Basalmembran kommt. Entsprechend sieht man spaltlampenmikroskopisch landkartenartige, zystische oder teilweise parallel verlaufende strichförmige Veränderungen, die entsprechend zu der Alternativbezeichnung der Erkrankung, Map-Dot-Fingerprint-Dystrophie geführt haben. Die Vererbung ist meist als Einzelfall auftretend, seltener autosomaldominant vererbt. Die Folgen die Epithelalterationen können rezidivierende Erosiones, häufig nach einem initialen kleineren Trauma als Auslöser, mit starken Schmerzen sein. Therapeutisch kommen Augensalbenapplikationen vor dem Schlafen und bei nächtlichem Aufstehen eine besondere Bedeutung zu, da typischerweise durch Anhaftung des veränderten Epithels während der Schlafensperiode gefolgt von der morgendlichen Lidöffnung die Erosio corneae entsteht. Weiterhin helfen konservierungsmittelfreie Tränenersatzmittel, Verbandskontaktlinsen und ggf. die Applikation von autologem Serum als Augentropfen. Sollten konservative Therapiemaßnahmen nicht greifen, bieten chirurgische Ansätze wie die Abrasio corneae ggf. in Kombination mit einer Phototherapeutischen Keratektomie (PTK) oder eine oberflächliche Stichelung des Hornhautstromas die Möglichkeit, die Adhäsivität zwischen Stroma und Epithel zu verbessern. Eine weitere epitheliale Dystrophie ist die Meesmann-Dystrophie. Sie wird autosomal-dominant vererbt und beginnt typischerweise in den ersten Lebensjahren. Klinisch zeigen sich im regredienten Licht multiple solitäre zystenartige intraepitheliale Veränderungen, die sich histologsich als PAS positive intraepithelial vakuolisierte Zellen darstellen. Die Veränderungen erreichen den Limbus meist nicht. Eine Therapie im Sinne einer Abrasio führt zu sehr raschen Rezidiven. Die Lisch-Dystrophie ähnelt der MeesmannDystrophie, jedoch wird sie X-chromosomal-dominant vererbt und die Zysten sind eher zusammengeballt. Bei der gelatinösen tropfenartige Dystrophie (Vererbung autosomal-rezessiv) besteht eine subepitheliale Amyloidose die nach Keratektomie und Keratoplastik zu schnellen Rezidiven neigt. Sie wird nach ihrer morphologischen Erscheinung in 3 unterschiedliche Typen unterteilt. Seite 18 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann ________________________________________________________________________________ Dystrophien der Bowman Lamelle Diese Dystrophien führen zu Veränderungen hauptsächlich im anterioren Hornhautstroma und sind auf Mutationen im „transforming growth factor betainduced“ (TGFBI)-Gen zurückzuführen. Die Reis-Bücklers-Dystrophie ist eine autosomal-dominant vererbte Dystrophie, die zu landkartenartigen, polygonalen Trübungen durch irreguläre Kollagenablagerungen in der Bowman-Lamelle führt. Diese können rezidivierende Erosiones zur Folge haben. Die Thiel-Behnke-Dystrophie unterscheidet sich morphologisch von der Reis-Bücklers-Dystrophie durch ein eher wabenähnliches Muster. Therapeutisch können die Excimer-PTK in leichten Stadien und die tiefe anteriore Keratoplastik (DALK) oder perforierende Keratoplastik bei fortgeschrittenen Fällen durchgeführt werden. TGFBI-Hornhautdystrophien Hierbei handelt es sich um Dystrophien, die wie die Dystrophien der BowmanLamelle auf einen Gendefekt im TGFBI-Gen zurückzuführen sind, jedoch auch tiefere Anteile des Hornhautstromas mit einbeziehen. Auch wenn morphologisch die Veränderungen hauptsächlich im Stroma erkennbar sind, sind auch die Hornhautepithelzellen von diesem Gendefekt betroffen. Zu Ihnen zählt die gittrige Hornhautdystrophie Typ I, die autosomal-dominant vererbt wird und bereits am Ende der ersten Lebensdekade morphologisch in Erscheinung treten kann. Hier kommt es zu gittrigen Ablagerungen von Amyloid im Hornhautstroma, die einen klaren peripheren Rand der Hornhaut aussparen. Klinisch können noch zwei weitere Typen der gittrigen Hornhautdystrophie unterschieden werden. Beim Typ 2 besteht auch eine systemische Amyloidose, der Typ 3 tritt erst später bei älteren Menschen auf und die Gitterlinien erscheinen dicker. Die granuläre Hornhautdystrophie wird ebenfalls autosomal-dominant vererbt. Hier werden zwei Typen unterschieden. Beim Typ I sieht man scharf abgegrenzte fleckförmige Trübungen im anterioren Hornhautstroma, zwischen denen klare Hornhautanteile liegen. Die Ablagerungen bestehen aus Hyalin. Auch hier ist die periphere Hornhaut unbeteiligt. Beim Typ II (früher AvellinoDystrophie) bestehen die Ablagerungen aus Hyalin und Amyloid. An der Spaltlampe erscheinen diese als Ringe, Sterne oder Schneeflocken. Therapeutisch kann häufig eine Sehverbesserung durch PTK erreicht werden. In fortgeschrittenen Stadien ist eine Keratoplastik zur Visusverbesserung notwendig. Stromadystrophien Die makuläre Dystrophie zeichnet sich morphologisch durch eine diffuse Ablagerung von Mukopolysacchariden in der gesamten Hornhaut aus. Diese seltenere Form der stromalen Dystrophien wird autosomal rezessiv vererbt und beginnt häufig bis zum Ende der ersten Lebensdekade. Histologisch zeigt sich neben der Ablagerung von Mukopolysacchariden auch ein abnorm dichtes Kollagen. Es besteht ein Defizit an Keratansulfat. Therapeutisch kann bei entsprechender visueller Beeinträchtigung eine Keratoplastik durchgeführt werden. Die Zentral-wolkenförmige Hornhautdystrophie-François ähnelt klinisch der degenerativen Krokodilchagrin. Sie wird autosomal-dominant vererbt oder tritt spontan auf. Es zeigen sich krokodilartige Trübungen im posterioren Hornhautstroma, die sich histologisch teilweise als Glykosaminoglykane darstellen lassen. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 19 Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann _______________________________________________________________________________ Die Schnyder-Hornhautdystrophie kommt als zentrale scheiben- oder ringförmige Stromatrübung mit (Typ I) und ohne (Typ II) subepitheliale Kristalle vor. Die Erkrankung ist mit einem Arcus lipoides assoziiert. Histologisch handelt es sich bei den Ablagerungen um Cholesterin. Descemet-Membran und endotheliale Dystrophie Die Fuchs‘sche Endotheldystrophie tritt meist spontan auf, sie wird aber auch autosomal-dominant vererbt. Sie wird meistens nach dem 50. Lebensjahr symptomatisch und betrifft etwas bevorzugt Frauen. Durch eine eingeschränkte Funktion des Hornhautendothels kommt es zum Stroma- und Epithelödem der erkrankten Hornhaut bis zur schmerzhaften bullösen Keratopathie. Bei chronischem Ödem mit Hornhautverdickung kann es auch zur subepithelialen Fibrosierung kommen. Spaltlampenmikroskopisch finden sich zentral gehäuft Guttae sowie eine endotheliale Pigmentierung. Endothelzelldarstellungen zeigen neben einer reduzierten Endothelzellzahl einen Polymorphismus und einen Polymegatismus. Therapeutisch können hypertone NaCl-Augentropfen (5%) die Symptome lindern. Operativ sollte eine posteriore lamelläre Keratoplastik als Descemet's Stripping Automated Endothelial Keratoplasty (DSAEK) oder besser als Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty (DMEK) angestrebt werden. Die hintere polymorphe Dystrophie nach Schlichting ist eine Hornhautendotheldystrophie, die früh im Leben auftritt bzw. bei Geburt schon vorhanden ist und eine variable Ausprägung hat. Häufig wird sie klinisch zufällig entdeckt bzw. führt nur zu geringgradiger Einschränkung. Der Vererbungsmodus kann autosomal-dominant oder –rezessiv sein. Spaltlampenmikroskopisch sind fokale geographische oder bandförmige Areale alterierten Endothels erkennbar. Es besteht eine Assoziation mit Irismembranen, Korektopie und der Entstehung eines Glaukoms. Sollten die Veränderungen zu einem Hornhautödem führen, das die optische Achse mit einschließt, kann eine Keratoplastik notwendig sein. Seite 20 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann ________________________________________________________________________________ 3.3 Literatur (Schuster and Ser egard 2003, Li, H ayashi da et al. 2007, Weiss, Moll er et al. 2008, D art, Saw et al. 2009, Bac hmann, J ac obi et al . 2011, Lisc h and Seitz 2011, D e Smedt, N kuriki ye et al. 2012, Yagci 2012, Az ari and Barney 2013, De Smedt, Wil dner et al. 2013, O'Brien 2013, Chen, Applebaum et al. 2014) 1. Azari, A. A. and N. P. Barney (2013). 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Björn Bachmann Zentrum für Augenheilkunde der Universität zu Köln Kerpenerstr. 62 50937 Köln Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 21 Glaukome – Christian Mardin ________________________________________________________________________________ 4 GLAUKOME 4.1 Einführung .................................................................................. 2 4.1.1 Einführung .................................................................................... 2 4.1.2 Definition ...................................................................................... 2 4.1.3 Epidemiologie ............................................................................... 2 4.2 Genetik ........................................................................................ 3 4.3 Risikofaktor Augeninnendruck .................................................. 4 4.4 Diagnostik ................................................................................... 5 4.5 Therapie ...................................................................................... 8 4.6 Allgemeine Schlussbemerkung ................................................11 4.7 Literatur ......................................................................................12 4 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 1 Glaukome – Christian Mardin _______________________________________________________________________________ 4.1 4.1.1 Einführung Einführung In den letzten Jahren führte eine große Zahl an Ideen und Techniken dazu, Glaukome bezüglich Genetik, Risikofaktoren, Diagnostik und Therapie besser zu bergreifen. Im klinischen Alltag der Behandlung von Glaukompatienten spielen vor allem die modernen diagnostischen Aspekte bereits eine bedeutende Rolle. 4.1.2 Definition Glaukome sind eine Gruppe von Erkrankungen verschiedener Ursache, die in der gemeinsamen Endstrecke zu einer spezifischen Atrophie der Papille, einem Verlust von Axonen und Gliazellen und retinalen Ganglienzellen. Die Folge ist eine Gesichtsfeldeinschränkung, die zur Erblindung führen kann. Als Hauptrisikofaktor und Ziel der antiglaukomatösen Therapie gilt der intraokulare Druck. Wie vor 150 Jahren ist nach wie vor das Hauptziel, den intraokularen Druck zu senken um die Erkrankungsprogression zu verlangsamen oder aufzuhalten. Der Beginn eines Glaukoms ist schwer zu definieren, weshalb es nach wie vor keine exakte Definition der frühen Erkrankung gibt. Einigkeit scheint darüber zu herrschen, das Aussehen der Papille als frühes Zeichen zu werten (1). 4.1.3 Epidemiologie Glaukome sind die zweithäufigste Erblindungsursache auf der Welt. Die WHO schätzt die Zahl der weltweit erkrankten auf 105 Millionen Menschen mit ca. fünf Millionen Blinden in Folge. Ist das primäre Offenwinkelglaukom die häufigste Glaukomform bei Kaukasiern, so findet sich in Asien häufiger das primäre Winkelblockglaukom (2; Abb.1). Beide Glaukome zeigen überall auf der Welt eine steigende Prävalenz mit dem Alter, was bei einer zunehmenden Lebenserwartung in Zukunft eine bedeutendere Rolle spielen wird. Farbige zeigen in den USA ein bis zu fünffach erhöhtes Risiko für eine Glaukomentwicklung als Kaukasier. Die Glaukomhäufigkeit ist in der chinesischen Bevölkerung genauso groß wie in Europa, in Südindien jedoch höher (3). Die Tendenz ist bis zum Jahr 2020 steigend. Die Dunkelziffer ist immer noch hoch. Die Gesundheitskosten steigen mit fortschreitendem Schaden und verzögerter Detektion durch den Arzt (4). Seite 2 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Glaukome – Christian Mardin ________________________________________________________________________________ Abb. 1: Häufigkeit von Glaukomen weltweit (oben). Kosten pro Patient in Abhängigkeit vom Glaukomstadium (unten). Aus Varma et al. An assessment of the health and economic burdens of glaucoma. Am J Ophthalmol. 2011;152(4):515-22 4.2 Genetik Die Erblichkeit von primären Offenwinkelglaukomen führt zu einem 5-10fach erhöhten Glaukomrisiko bei Blutsverwandten in einer Familie (5). Monogene Erbgänge mit Mutation im Genotyp und Glaukom im Phänotyp sind für weniger als 5% der Glaukome verantwortlich. Die Mehrzahl der Glaukome ist multifaktoriell. Ein gutes Beispiel ist LOXL1 (Elastinstoffwechsel) als verantwortliches Gen für das Pseudoexfoliationsglaukom. Seine Genvariationen und Polymorphismen sind weit verbreitet und nicht immer mit einer Glaukomerkrankung verbunden. Viele bekannte Risikogene sind ein Produkt einer genweiten Suche mit ihren unterschiedlichen Einflüssen auf glaukomrelevante klinische Risikofaktoren wie zentrale Hornhautdicke, Papillenparameter wie Papillengröße, Glaukom mit hohem und niedrigem intraokularen Druck. Viele Kandidatengene warten noch auf Prüfung auf ihre klinische Relevanz. Je häufiger Allele vorkommen umso geringer ist die Auswirkung auf die Schwere der Erkrankung wie in Abb. 2 gezeigt. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 3 Glaukome – Christian Mardin _______________________________________________________________________________ Abb. 2: Die Graphik zeigt eindrucksvoll wie häufige Varianten eines Gens wie LOXL1 für relativ geringe Effekte auf den Glaukomphänotyp verantwortlich sind und Gene wie MYOC, die sehr selten auftreten einen relativ großen Effekt aufweisen. Aus Manolio TA et al. Finding the missing heredibility of complex diseases. Nature 2009; 461: 747-753. In einer genomweiten Assoziationsstudie mit PEX-Patienten und Kontrollen in 24 Ländern und einer Bestätigungsstudie in 18 Ländern weltweit konnten 2017 neue Erkenntnisse zur Häufigsten Variante des Sekundärglaukoms-dem PEXGlaukom gefunden werden. Sieben signifikante Loci konnten weltweit ermittelt werden (P < 5 x 10-8). Ein therapeutisch interessantes protektives Allel auf LOXL1 (p.407Phe, OR = 25, P =2,9 x 10-14) konnte identifiziert werden. Diese Variante führt zu einer erhöhten zellulären Adhäsion im Vergleich zum Wildtypallel (p.407Tyr). Diese Erkenntnisse stellen einen weiteren Schritt zum biologischen Verständnis der PEX-Erkrankung und weisen auf die Bedeutung seltener LOXL1 Varianten hin (6). Somit ist nach wie vor eine genetische Beratung von an Glaukom erkrankten vor allem bei familiärem Auftreten sinnvoll, wohingegen sporadische Fälle derzeit eher weniger für eine humangenetische Untersuchung geeignet sind. 4.3 Risikofaktor Augeninnendruck Der relativ erhöhte Augeninnendruck gilt als Hauptrisikofaktor der Glaukomentstehung und –progression. OHTS, AGIS, CNTGS und CIGTS als große, kontrollierte und prospektive Studien haben die Bedeutung der Augeninnendrucksenkung zur Verminderung des Glaukomentstehungs- oder progressionsrisikos eindrücklich gezeigt. Dies hat zu dem derzeit von der EGS empfohlenen individualiserten Zieldruckkonzept geführt. R Hernandez et al stellten sich in einer Modellberechnung die Frage wie effektiv man unter Berücksichtigung der Relation Kosten zu Nutzen Patienten mit OHT im Verlauf untersuchen kann um im Fall einer Konversion zum manifesten Glaukom zu intervenieren (7). Für das englische Gesundheitssystem kamen sie zur Schlußfolgerung, dass 1. Das Risiko der Konversion nach 20 Jahren 21-23% betrug, 2. das intensive NICE Schema der Seite 4 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Glaukome – Christian Mardin ________________________________________________________________________________ Kontrolle zwar sehr effektiv war, aber 3. in der Relation QUALY zu Kosten eine Untersuchung alle zwei Jahre durch nicht-ärztliches, geschultes Personal am effektivsten war. Die Augeninnendruckfluktuation spielt bei der Progression eine Rolle und kann bisher nur mit 24h Augeninnendruckprofilen suffizient erfasst werden. Der höchste intraokulare Druck konnte von Barkana et al bei 62% der untersuchten Augen nur während eines Augeninnendruckprofils, zu Zeiten außerhalb der Praxisöffnungszeiten detektiert werden, und hatte bei 36% der Augen die Folge einer Therapieumstellung (8). Quaranta et al und Grippo et al (9,10) wiesen auf die Bedeutung der Liegenddruckmessung gemeinsam mit der Blutdruckmessung während eines 24h Augeninnendruckprofils hin. Nächtliche Spitzen im Liegen waren signifikant häufiger bei Konvertern zum Glaukom als bei Gesunden. Y Moon et al untersuchten Liegendruckmesswerte bei einer Glaukomgruppe, die diagnostisch als auch therapeutisch herausfordernd ist-den Normaldruckglaukomen (NDG)(11). Es wurden eine Gruppe von 70 jungen NDG-Patienten mit einem IOD unter 15mmHg, mit einer von 79 NDGPatienten, mit einem IOD über 15mmHg verglichen. 11 Messungen erfolgten über 24h, auch im Liegen. Sie fanden heraus, dass die Gruppe mit dem niedrigeren IOD im Liegen, signifikant höhere IOD Werte zeigte. Sie konnten jedoch keine Aussage über den Unterschied zwischen beiden Gruppen in der Progressionsrate treffen. Die praktische Konsequenz ist Techniken zu finden, die es erlauben außer der Selbsttonometrie kontinuierliche intraokulare Druckmessungen zu erhalten. In den letzten fünf Jahren wurden technische Lösungen entwickelt, die von der intraokularen Messung bis zur Messkontaktlinse reichen (8). Mansouri und Weinreb (12) postulieren für die Selbsttonometrie eine gute Tolerierbarkeit und eine hohe Messfrequenz von über 40MHz bei gleichzeitig günstigem Preis. Die Interpretation der Messdaten wird die zukünftige Herausforderung für den Augenarzt sein. Starke Augeninnendruckschwankungen werden für den Umbau der Lamina cribrosa verantwortlich gemacht mit einer Vertiefung und Versteifung des Stützgewebes durch Bindegewebsumbau (13). 4.4 Diagnostik Im Verständnis der Progression der Glaukomerkrankung sollten funktionelle Einschränkungen dem morphologischen Verlust von Axonen, Ganglienzellen und neuroretinalem Randsaum vorangehen. Bisher konnten kommerziell erhältliche Testverfahren dies nicht bestätigen. Objektive sensorische Tests stehen in der Hoffnung subjektive Einflüsse des Probanden auszuschliessen. Hierzu gehören das Musterwechsel-ERG, photopisch negative Antwort eines Ganzfeld-ERG und multifokales ERG. Diese Verfahren haben das Potential frühe Glaukomschäden anzuzeigen, jedoch scheitert die Praktikabilität im Alltag entweder an uneinheitlichen Testverfahren oder an systemimmanenten technischen Problemen (14). Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 5 Glaukome – Christian Mardin _______________________________________________________________________________ Eine Verbesserung der psychophysischen Glaukomfrühdiagnose mit der weißauf-weiß Computerperimetrie scheint das Verfahren der Flicker-defined Form des Heidelberg-Edge-Perimeters (HEP) zu sein (17,18). Horn et al (18) verglichen HEP mit dem bekannten FDT (Zeiss-Humphrey und dem OCT bei zur Detektion verschiedener Glaukomstadien (Abb.4). FDF und FDT waren bei präperimetrischen Glaukomen ähnlich sensitiv. Jedoch zeigte FDF eine etwas geringere dynamische Breite als das FDT und die konventionelle weiß-weiß (w-w) Perimetrie. Bei einem mittleren Defekt von 5dB in der w-w-Perimetrie war für das FDF und FDT die Grenze der Sensitivität erreicht. Glaukomverdächtige wurden mit HEP häufiger detektiert als mit der konventionellen Perimetrie.(15). Abb. 4: Mittlere Defekttiefe mit der FDF in drei diagnostischen Gruppen (praeperimetrische, grenzwertig perimetrische und frühe perimetrische Glaukome) im Vergleich zu Kontrollen. Boxbplot-Darstellung, Sternchen kennzeichnen signifikante Unterschiede zu Kontrollen und Kreuze signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Aus Horn et al Flicker defined form perimetry in glaucomas. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol 2015. 253:447-455. Die Technik des hochaufösenden OCT ist in der Glaukomdiagnostik einer der grossen Meilensteine geworden. Die Technik des Spectral-domain und Sweptsource OCT ermöglichen hochauflösende und schnelle Bildaufnahmen mit bis zu 70.000 Schnitten pro Sekunde. Damit sind empfindliche Strukturen wie die Ganglienzellschicht der Macula, die retinale Nervenfaserschicht und der Sehnervenkopf bis zur Lamina cribrosa mit einer axialen Auflösung von bis zu 4µm ähnlich einem in vivo histologischen Schnitt darstellbar. Die Variabilität der Messungen beträgt nur 1,4µm (16). Die hohe Präzision der Messungen mit immer höherer Auflösung erlaubt es den natürlichen Altersverlust von NRR und RNF zu messen. Diesen von frühen glaukomatösen Veränderungen zu trennen ist eine Herausforderung für jede Messmethode. Da jeder Patient eine individuelle Progressionsrate zeigt, sind wiederholte, präzise Messungen essentiell (17). Die hochauflösende OCT-Technik hat schnell Verbreitung in der alltäglichen Versorgung gefunden. Die Glaukomfrüherkennung konnte mit der Messung der retinalen Nervenfaserschicht und der Ganglienzellschicht weiter vorangebracht werden, mit hoher Sensitivität im praeperimetrischen Glaukomstadium. Wie gut geringe Änderungen der Schichtdicken-messungen mit der Funktion korrelieren, Seite 6 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Glaukome – Christian Mardin ________________________________________________________________________________ werden zukünftige Studien zeigen müssen. Fortune et al (18) konnten beim experimentellen Affenglaukom darstellen, daß die Polarisationsänderung in der retinalen Nervenfaserschicht mit -22%, der Dickenabnahme im OCT mit -5% vorausgeht. Dies könnte ein Marker sein für frühe funktionelle Änderungen in den Axontubuli. Polarisationsempfindliche OCT könnten in Zukunft dieses Phänomen zur früheren Diagnose nutzen. Die neueste Anwendung ist die Bestimmung der minimalen neuroretinalen Randsaumweite in der Papille unter zu Hilfenahme der Detektion des Endes der Bruchmembran und der Membrana limitans interna als präzise darstellbare Papillengrenze (19). Dieser Wert zeigte in ersten klinischen Studien eine gleich hohe Diskriminierung von Glaukomen wie die retinale Nervenfaserschichtdicke mit dem OCT (20,21). Die Messung der makulären Ganglienzellschichtdicke mit dem SD-OCT zeigt ebenfalls eine gute Diskriminierung zwischen Normalen und frühen Glaukomen. F Oddone et al (22) fanden in einer Literaturübersicht zu drei unterschiedlichen OCT-Geräten einen Vorteil der RNF-Schichtdickenmessung gegenüber der makulären Ganglienzellschichtdickenmessung. JC Mwanza et al konnten zeigen, dass ab einer mittleren Defekttiefe von 2225dB die retinale Nervenfaserschichtdicke mit drei verschiedenen OCTGeräten gemessen keine Progression mehr anzeigen kann. Die korrespondierende Rest-RNF-Dicke betrug 47-64μm (23). Das Spectralis (Heidelberg Engineering) zeigte gegenüber Cirrus (Zeiss) und RtVue (Optovue) die grösste dynamische Breite mit den meisten Progressionsstufen (Abb.5). Abb. 5: Dynamische Breite und Endpunkte bei der Messung von RNF-Scichtdicke mit dem OCT im Vergleich zur Perimetrie mit drei OCT-Platformen.. Aus JC Mwanza et al. Residual Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 7 Glaukome – Christian Mardin _______________________________________________________________________________ and dynamic range of retinal thickness in glaucoma: comparison of three OCT platforms. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2015; 56(11):6344-51. Hochgeschwindigkeits- Spectral domain OCT‘s sind inzwischen in der Lage im Bereich der Retina und Aderhaut Gefäße darzustellen ohne Farbkontrastmittel zu verwenden. Die enface Darstellung der Papille mit HochgeschwindigkeitsOCT erlaubt eine Gefäßdarstellung in einer beliebigen Schicht. Es konnte von mehreren Autoren gezeigt werden, dass es nicht nur papillär (24), sondern auch retinal es zu einer Abnahme des oberflächlichen Gefäßnetzes kommt. Ob diese Veränderungen nur die Folge eines Substanzverlustes der RNF und NRR darstellen bleibt abzuwarten. Man kann für die Verlaufsbeobachtung bei Glaukomverdacht und mittlerer Glaukomprogression schlussfolgern, dass HEP, FDT und RNF-Schichtdicke mit dem OCT in frühen bis mittleren Phasen sinnvoll sind und weiterhin im fortgeschrittenen Stadium die w-w-Perimetrie bedeutsam ist. Somit ergibt sich die Möglichkeit Glaukomdiagnostik Stadien gerecht einzusetzen und so zu ökonomisieren. 4.5 Therapie Die konservative, medikamentöse Drucksenkung als Lokaltherapie ist immer noch die häufigste Therapieform der Glaukome. Es steht eine breite Palette an Substanzen zur Verfügung, die auch in Kombination den Augeninnendruck effektiv senken. Unkonservierte Aufbereitungen stehen für immer mehr Substanzen im Handel zur Verfügung, zur Verbesserung der Patientenadhärenz und Verringerung der Inflammation des Tenon-Gewebes und der Bindehaut vor filtrierenden OP-Verfahren. Ein niedriger Augeninnendruck stellt keinen vollkommenen Schutz vor Progression dar, vermindert jedoch deutlich das Risiko. Chirurgische Therapie ist das Verfahren der Wahl, wenn ein ausreichender Zieldruck medikamentös nicht erreicht wird oder die Medikation nicht toleriert wird. Weniger invasive Verfahren ohne die Komplikationen der Trabekelchirurgie und Versagen durch Vernarbung sind das Ziel. Transtrabekuläre Implantate wie Ex-press Minishunt, und Glaukos-i-stent (25)(Abb.6) verbessern die Fazilität ohne Gefahr der postoperativen Hypotonie. Diese Verfahren senken jedoch den intraokularen Druck meist nicht tiefer als 15mmHg und für sehr tiefe Zieldrucke ist die Trabekulektomie immer noch das Verfahren der Wahl (Jünemann A. Welches kleine Implantat für welchen Glaukompatienten?. DOC 2014). Eine Zwischenstellung scheint der transsklerale Xen-Stent (26)(Abb.7) darzustellen. Die eigene Erfahrung zeigt, dass bei diesem Verfahren sowohl Hypotonien vorkommen, als auch Wert auf die postoperative Nachsorge gelegt werden muss. Mindestens ein Needling zur Reertüchtigung der Filtration ist häufig. Dennoch sind die Komplikationen und die OP-Zeit deutlich geringer als bei der TE. Seite 8 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Glaukome – Christian Mardin ________________________________________________________________________________ Abb. 6: Glaukos-i-stent. Spitzes Ende weist zum Trabekelwerk. Aus Voscanyan L. Prospective, unmasked evaluation of i-stent inject system for open-angle glaucoma: synergy trial. Adv Ther 2014; 31: 189-201 Abb. 7: UBM-Darstellung eines Xen-Gelstents (Polytech/Allergan) in situ mit transtrabekulärem, intraskleralem und subkonjunktivalem Verlauf. Aus R.A. Lewis. Ab interno approach to the subconjunctival space using a collagen glaucoma stentJ Cataract Refract Surg 2014; 40:1301–1306. Die Kanaloplastik erweitert den Schlemm-Kanal ohne die Vorderkammer zu eröffnen und senkt sicher den Augeninnendruck. Körber und Konen berichteten auf der DOC 2014 über eine Vergleichsstudie Trabekuloplastik vs Trabekulektomie. Sie zeigten, daß ein intraokularer Druck <15mmHg mit der Trabekulektomie in 80% und mit der Kanaloplastik in 35% der Augen erreicht wurde. Mit zusätzlicher konservativer Therapie konnten jedoch beide Gruppen vom Zieldruck her angeglichen werden, wobei die Kanaloplastik weniger Nebenwirkungen zeigte. Trabektom, ein elektrokauterisationsverfahren des Trabekelmaschenwerks lässt sich gut mit einer Phakoemulsifikation kombinieren und kann bis zu 40% den Druck senken. Auch Shunts in den suprachoroidalen Raum wie Cy-pass Mikroshunt können mit ihrem 6mm Schlauch in den suprachoroidalen Raum von der Vorderkammer her vorgeschoben werden und werden in Kombination mit einer Kataraktoperation eingesetzt. Bei dieser Methode wird der erhöhte uveosklerale Abfluss als drucksenkende Möglichkeit genutzt. Abbildung 8 zeigt mit den verschiedenen Stent-Verfahren Ergebnisse der IOD-Senkung (27). Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 9 Glaukome – Christian Mardin _______________________________________________________________________________ Abb.8: Prä-und postoperative IOD-Werte mit verschiedenen Glaukomimplantaten. Ergebnisse aus verschiedenen Studien für Phako und i-stent, Phako und Hydrus, CyPass, Xen-Stent und Inn-Focus. Aus DT Manasses, L Au. The new era of glaucoma micro-stent surgery. Ophthalmol Ther 2016; 5: 135-146. Neuroprotektion ist ein faszinierendes Thema und spricht die Therapie des Glaukoms als neurodegenerative Systemerkrankung an. Ein bereits im Einsatz befindliches, Druck-senkendes Medikament Brimonidin scheint in der Low Tension Glaucoma Study erfolgreich zu sein. Im Vergleich zu Timolol fanden sich trotz gleicher Augeninnendrucksenkung in der Brimonidin-Gruppe nur in 9,1% ein Fortschreiten des Gesichtsfelds und in der Timolol-Gruppe 39,2% nach vier Jahren. Dies könnte auf den schon im Tierexperiment beobachteten Effekt der Neuroprotektion durch Brimonidin hinweisen (28,29). Eine intrakamerale Plazierung eines Medikamententrägers kann dem Patienten Augentropfen möglicherweise ersparen oder die Adhärenz verbessern (Abb.9). Das Implantat kann zwischen 4-6 Monaten wirken und ist ähnlich wirksam wie ein Tropfen Bimatoprost 0,03% täglich in der Phase 2 der Zulassungsstudie. Erste 6 Monatsergebnisse von RA Lewis et al zeigen eine sichere Anwendung und eine gleich gute IOD-Reduktion wie die topische Gabe nach sechs Monaten Beobachtung (30). In dieser Studie wurden Implantate verschiedener Dosierung gegen Bimatoprost am Partnerauge 1xtgl. 0,03% an 75 Offenwinkelglaukomprobanden getestet. Endothelzellzahl und Hornhautdicke unterschieden sich nicht zwischen den beiden Prüfgruppen. Seite 10 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Glaukome – Christian Mardin ________________________________________________________________________________ Abb. 9: Der Applikator für das sustained release implant. erinnert stark an den AllerganApplikator für Ozurdex (oben). Intrakamerales Bimatoprost sustained release-Implant (unten). Gonioskopische Bilder 2w, 9m und 12m nach Injektion. Aus RA Lewis et al. Bimatoprost sustained-release implants for glaucoma therapy: 6 months results from a Phase I/II clinical trial. Am J Ophthalmol 2017; 175: 137-147. 4.6 Allgemeine Schlussbemerkung In den letzten Jahren ist vor allem das Verständnis um die Genetik und frühe anatomische Veränderungen der Glaukome deutlich verbessert worden. Neue therapeutische, drucksenkende Verfahren könnten im Alltag die Stabilisierung des Glaukompatienten erleichtern. Hier scheinen Lösungen in greifbarer Nähe. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 11 Glaukome – Christian Mardin _______________________________________________________________________________ Seite 12 4.7 Literatur 1. Foster P, Buhrmann R, Quigley HA, Johnson GJ. The definition and classification of glaucoma in prevalence studies. Br J Ophthalmol 2002; 86: 238-242 2. Quigley HA, Bromann AT. The number of people with glaucoma worldwide in 2010 and 2020. Br J Ophthalmo 2006l; 90: 262-267 3. Friedman et al. Prevalence of open-angle glaucoma among adults in the US..Arch Ophthalmol 2004; 122: 532-538 4. Varma et al. An assessment of the health and economic burdens of glaucoma. Am J Ophthalmol. 2011;152(4):515-22 5. Bailey C et al. Advances in the genetics of common eye diseases. Human Molecular Genetics 2013; 22:59-65 6. A Tin et al. Genetic association study of exfoliation syndrome identifies a protective rare variant at LOXL1 and five new susceptibility loci. Nature Genetics 2017 (accepted) 7. R Hernandez et al. Monitoring ocular hypertension, how much and how often? A costeffectiveness perspective. Br J Ophthalmol. 2015 Dec 11. pii: bjophthalmol-2015-306757. doi: 10.1136/bjophthalmol-2015-306757. [Epub ahead of print] 8. Barkana Y et al. Clinical utility of IOP monitoring outside normal office hours in patients with glaucoma. Arch Ophthalmol 2006; 124:793-797 9. Quaranta et al. 24-h intraocular pressure and ocular perfusion pressure in glaucoma. Surv Ophthalmol 2013; 58:26-41 10. Grippo TM et al. 24h pattern of IOP untreated patients with OHT. Invest Ophthalmol Vis Sci 2013; 54:512-517 11. Y Moon et al. Relationship Between Nocturnal Intraocular Pressure Elevation and Diurnal Intraocular Pressure Level in Normal-Tension Glaucoma Patients. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2015; 56(9):5271-9. doi10.1167/iovs.15-17062 12. Mansouri K und Weireb R. Ambulatory 24-h intraocular pressure monitoring in the management of glaucoma. 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Optical Coherence Tomography angiography of the optic disc perfusion in glaucoma. Ophthalmology 2014; 121(7): 1322-32 25. Voskanyan L et al. Prospective, unmasked evaluation of i-stent inject system for open-angel Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Glaukome – Christian Mardin ________________________________________________________________________________ glaucoma: synergy trial. Adv Ther 2014; 31: 189-201 26. R.A. Lewis. Ab interno approach to the subconjunctival space using a collagen glaucoma stentJ Cataract Refract Surg 2014; 40:1301–1306 27. DT Manasses, L Au. The new era of glaucoma micro-stent surgery. Ophthalmol Ther 2016; 5: 135-146 28. Cordeiro MF et al. Clinical evidence for neuroprotection in glaucoma. Am J Ophthalmol 2011; 152; 715-716 29. Levin LA. Retinal ganglion cells and neuroprotection for glaucoma. Surv Ophthamol 2003; 48: S1-S24 30. RA Lewis et al. Bimatoprost sustained-release implants for glaucoma therapy: 6 months results from a Phase I/II clinical trial. Am J Ophthalmol 2017; 175: 137-147 Korrespondenzadresse des Autors: Prof. Dr. Christian Mardin Universitätsaugenklinik Erlangen Schwabachanlage 6 91054 Erlangen [email protected] Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 13 Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ 5 RETINALE GEFÄßVERSCHLÜSSE 5.1 Retinale Venenverschlüsse ..........................................................................2 5.1.1 Einleitung:........................................................................................................2 5.1.2 Pathophysiologische Aspekte ..........................................................................3 5.1.3 Internistisch-neurologische Abklärung auch bei venösen retinalen Gefässverschlüssen ........................................................................................5 5.1.4 Epidemiologie – aktuelle Daten aus Deutschland ............................................ 5 5.1.5 Aktuelle Daten zur intravitrealen Medikamentenapplikation: ............................ 6 5.1.6 Stellenwert der Hämodilution ......................................................................... 10 5.1.7 Aktuelle Daten – die COMRADE-Studien Direktvergleich Ranibizumab versus Dexamethason ............................................................. 11 5.1.8 Behandlungs-Schemata: Treat & Extend oder PRN?..................................... 12 5.1.11 Aktuelles zur Bildgebung (SD-OCT, Weitwinkel FAG, Multicolor, Angio-OCT) ...................................................................................................13 5.1.12 Zusammenhang zwischen Tortuositas und VEGF-Konzentration, Netzhautdicke und Visus bei Patienten mit ZVV ............................................ 14 5.1.13 Komplikationen bei retinalen Venenverschlüssen .......................................... 15 5.1.14 Chirurgische Therapie bei retinalen Venenverschlüssen ............................... 17 5.2 Arterielle Verschlüsse .................................................................................17 5.2.1 Einleitung und aktueller Stand der Therapie .................................................. 17 5.2.2 Weiterführende Diagnostik: Die internistische und neurologische Untersuchung ist unerlässlich ........................................................................ 20 5.2.3 Bildgebung beim RAV....................................................................................21 5.2.4 Aktuelle Leitlinie beim RAV ............................................................................ 22 5.3 Literatur ........................................................................................................23 5 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 1 Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ 5.1 Retinale Venenverschlüsse 5.1.1 Einleitung: In den vergangenen Jahren sind eine erhebliche Anzahl zum retinalen Venenverschluss in peer-review Zeitschriften veröffentlicht worden. Die meisten Arbeiten befassen sich mit der Diagnostik (v.a. OCT) und der Therapie (insbesondere mit der intravitrealen Medikamenteninjektion). Folgende Arbeiten sind als klinisch besonders relevant zu werten: • Pathophysiologie: o Fehlender Einfluss der Kollateralgefäße auf den Visus (1). o Histopathologische Befunde können nun mit der OCT bestätigt werden (2). Damit erhärtet sich die pathophysiologische Vorstellung, dass es sich beim retinalen Venenverschluss um eine primäre Störung der retinalen Arterien handelt (Arteriosklerose). • Diagnostik: o Morphologie vor Funktion: OCT Veränderungen sind sensitiver als Visusveränderungen (3-5). o OCT-Veränderungen als Prognose-Parameter bei Therapie des ZVV mit Ranibizumab. o Erste Angio-OCT Daten. • Therapie: o Daten einer Studie zum Einfluss der Laserkoagulation ischämischer Areale bei ZVV (CORALA). o Daten einer Studie zum Einfluss der isovolämischen Hämodilution (RAVO). o 4-Jahres Daten der Therapie bei RVV mit Ranibizumab (RETAIN). o 1,5 und 2-Jahres Daten der Therapie des ZVV mit Aflibercept (GALILEO, COPERNICUS). o Posthoc Analyse zum Dexamethason-Implantat. o 6-Monats Daten der Therapie des VAV mit Aflibercept (VIBRANT). o Eine Reihe von Metaanalysen zur Therapie der RVV wurde publiziert. • Stellungnahme der Fachgesellschaften: o Aktualisierte Stellungnahme der Retinologischen Gesellschaft, der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes (www.dog.org.de). Seite 2 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ 5.1.2 Pathophysiologische Aspekte Die Daten entstammen der SCORE Studie (Standard of Care versus Corticosteroid for retinal vein occlusion), die den Effekt von intravitreal appliziertem Triamcinolonacetonid mit dem Spontanverlauf (beim Zentralvenenverschluss/ZVV: n=262) oder einer GRID-Laserkoagulation (beim Venenastverschluss/ VAV: n=403) verglichen hat. Insgesamt wurden bisher 13 Arbeiten aus den Daten der Studie publiziert. Eine dieser Arbeiten hat den Einfluss von Kollateralgefäßen auf die Visusentwicklung untersucht (1). Die Ergebnisse waren eindeutig: die Ausbildung von Kollateralen hatte keinen Einfluss auf die Visusentwicklung. Das betraf sowohl die retinalen, als auch die auf der Papille gelegenen Kollateralen. Beim VAV bildeten sich typischerweise retinale Umgehungskreisläufe aus (48,5 % beim VAV versus 27,9 % beim ZVV), beim ZVV oder Hemi-ZVV mehr sind es mehr Papillenkollaterale (46,2 % beim ZVV oder Hemi-ZVV versus 13,5 % beim VAV). Ein wesentlicher Anreiz für die Erweiterung der Gefäße scheint die Ischämie zu sein: Je ausgeprägter die retinale Ischämie in der initialen Fluoreszeinangiographie war, desto eher bildeten sich Kollaterale aus. Da die Untersuchung der Kollateralgefäße nicht das primäre Ziel der Studie war, gibt es aber auch Faktoren, die die Aussage etwas einschränken: Es wurden im Verlauf keine weiteren Angiographien durchgeführt, mit deren Hilfe die Gefäße besser zu identifizieren gewesen wären, als auf den ausgewerteten Fundusfotos. Zudem war die mittlere Verschlussanamnese in die Studie mit 4,3 Monaten relativ lang, so dass es durchaus denkbar ist, dass einige der Augen bereits bei Einschluss einen Gleichgewichtszustand erreicht hatten. Singh et al untersuchten in einer retrospektiven Arbeit den Einfluß einer AntiVEGF-Therapie auf die Entwicklung von Kollateralgefäßen in Hinblick auf Visus und Ödem. Weder wurde durch die Therapie die Entstehung von Kollateralkreisläufen beeinflusst, noch hatten diese wiederum einen Einfluß auf Visus und Netzhautdicke (35). Trotzdem kann mit Hilfe dieser Ergebnisse die Bedeutung der Kollateralen auf den Visus in Frage gestellt werden. Das ist deshalb bedeutsam, weil es Therapien gibt, deren theoretische Überlegungen gerade auf der Ausbildung von Kollateralen beruhen. Dabei handelt es sich in erster Linie um die chorioidale Laseranastomose nach McAllister, der einen künstlichen laserinduzierten Kurzschluss zwischen retinalem und chorioidalen Gefäßsystem propagiert hat, um die venöse Stauung über die Aderhautgefäße abzuleiten. Mittlerweile wurde in einer prospektiven Studie dieser Effekt als geringfügig eingestuft (8). Zudem übersteigen die laserinduzierten Komplikationen den Nutzen, sodass diese Therapie nicht weiter angewendet werden sollte. Aber auch die radiäre Optikusneurotomie hat einen möglichen visusverbessernden Effekt mit der chirurgischen Induktion von chorioretinalen Anastomosen erklärt. Auch diese traumatisch verursachten Anastomosen hatten den erhofften klinischen Effekt nicht gezeigt (9,10). In der Literatur wird den Kollateralen durchaus ein Einfluss auf den Visus nachgesagt. Dabei wurde sowohl ein positiver (11-13), als auch ein negativer Zusammenhang beschrieben (14). Da diese Arbeiten aber nicht die Qualität der SCORE Studie erreichen, kann davon ausgegangen werden, dass die Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 3 Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ Kollateralen tatsächlich keinen Einfluss auf die Visusentwicklung haben. Kommentar: Die vielfach diskutierte Frage der Wirkung von Kollateralen auf die Visusentwicklung kann mit Hilfe der SCORE Studie hinlänglich beantwortet werden: Kollaterale verbessern die Sehschärfe nicht. Die Entwicklung von Kollateralkreisläufen wird durch eine Anti-VEGF-Therapie nicht beeinflusst. Ebenso ist davon auszugehen, dass chirurgische Behandlungen, deren Ziel die Bildung von Kollateralen ist, keinen Effekt auf die Sehschärfe haben. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss aber die Frage, wie es dann überhaupt zu einem neuen Gleichgewicht nach retinalem Venenverschluss kommen kann. Auf diese Frage gibt es im Augenblick keine zufriedenstellende Antwort. Die plausibelste Erklärung lautet bisher, dass der reduzierte Abfluss zu einem ebenfalls reduzierten arteriellen Blutangebot führt. Im Extremfall führt das zum ischämischen Verschluss, der nicht durch einen primären Verschluss der Arterie, sondern durch einen erhöhten Widerstand im venösen Stromgebiet erklärt wird. Diese These ist aber bisher nicht ausreichend geklärt. Abb. 1: Gleichgewichtszustand nach älterem retinalen Venenverschluss (9 Monate nach Verschluss). Links: Frühaufnahme nach 23 sec: Der obere und untere Venenast ist noch nicht komplett gefüllt, es ist aber deutlich zu sehen, dass der temporal obere Venenast im Vergleich zu den anderen großen retinalen Venenästen noch weniger gefüllt ist. Der weiße Pfeil zeigt auf die Verschlussstelle an einer arteriovenösen Kreuzung. Rechts: Spätaufnahme nach 9 min 37 sec: Es ist kaum ein Ödem sichtbar, was für ein Gleichgewicht zwischen Blutzu- und abfuhr spricht. In einer weiteren OCT-Arbeit wurden bisherige pathophysiologische Vorstellungen zum retinalen Venenverschluss bestätigt. In der Arbeit von Muraoka et al. (2) wird beschrieben, dass das Lumen der retinalen Venen beim VAV nur dann verengt ist, wenn die Vene über der Arterie verläuft, was selten der Fall ist. Verläuft die Vene unterhalb der Arterie und kommt es an dieser Stelle zu einem Verschluss, ist zwar ein Thrombus nachweisbar, der Außendurchmesser der Vene ist aber nicht verringert. Diese in vivo-Befunde entsprechen den histopathologischen Befunden von Seitz aus dem Jahr 1968, der eine arteriosklerotische Veränderung der begleitenden Arterie mit entsprechender Wandverhärtung als Ursache des retinalen Venenverschlusses sieht. Es handelt sich demnach nicht um ein primär venöses, sondern um ein primär arterielles Problem. Diese Theorie deckt sich mit den internistischen Risikofaktoren von Patienten mit retinalem Venenverschluss (15). Seite 4 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ Kommentar: Die genaue Entstehung retinaler Venenverschlüsse ist weiterhin unklar. Alle Befunde sprechen aber dafür, dass eine primäre Arteriosklerose für einen sekundär gestörten Venenfluss verantwortlich ist. 5.1.3 Internistisch-neurologische Abklärung auch bei venösen retinalen Gefässverschlüssen Die o.g. pathophysiologischen Überlegungen werden untermauert durch eine sehr wichtige Arbeit von Werther et al (15), in der gezeigt werden konnte, dass auch Patienten mit retinalen Venenverschlüssen ein erhöhtes vaskuläres Risikoprofil aufweisen. So wurde ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Apoplex gefunden, nicht aber für Myokardinfarkt. Insofern sollte auch bei diesen Patienten eine neurologische Diagnostik incl. dopplersonographischer Untersuchung der Halsgefässe und eine kardiovaskuläre Abklärung zum Ausschluss möglicher Ursachen und der Einschätzung des Nutzens einer Antikoagulation erfolgen. Dies wird auch durch andere rezente Arbeiten bestätigt (1–4). Aus der EAGLE Studie ist bekannt, dass durch einen sorgfältig geplanten vaskulären Diagnostik-Pfad in einer erheblichen Anzahl von Patienten weitere bislang unbekannte Risikofaktoren identifiziert werden (23). Ein stationärer Aufenthalt erscheint daher sinnvoll, da ambulant viele der erforderlichen Untersuchungen unterbleiben. Der RVV alleine rechtfertigt die Antikoagulation nicht und sollte nicht vom Ophthalmologen allein gestellt werden. Sie kann sogar retinale Hämorrhagien verstärken und die Behandlung erschweren. Nur bei jungen Patienten ist eine Thrombophilie-Diagnostik sinnvoll, wie eine Studie von Hattenbach et al (5–7) zeigen konnte. Kommentar: Bei Patienten mit retinalem Venenverschluss müssen genauso wie bei Patienten mit arteriellen Netzhautgefässverschlüssen besonders die arteriosklerotischen Risikofaktoren abgeklärt werden. 5.1.4 Epidemiologie – aktuelle Daten aus Deutschland Die Gutenberg-Gesundheitsstudie ist eine groß angelegte prospektive Bevölkerungsstudie, die monozentrisch an der Universität Mainz durchgeführt wird. Zwischen 2007 und 2012 wurden über 15.000 Personen einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe in die Studie eingeschlossen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung der Herz-Kreislauf-Gesundheit, Erfassen von Krebserkrankungen, Augenerkrankungen, sowie Erkrankungen des Immunsystems, des Stoffwechsels und der Psyche (http://www.gutenberggesundheitsstudie.de). Von den eingeschlossenen 15.010 Patienten zwischen 35 und 75 Jahren sind die ophthalmologischen Daten von 14.700 Patienten (97,9 %) erhoben worden (55). Die Studie ist so aufgebaut, dass nach der Grunduntersuchung 2 Telefoninterviews (nach 2,5 und 7,5 Jahren) sowie 2 weitere körperliche Untersuchungen (nach 5 und 10 Jahren) durchgeführt werden. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 5 Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ Die Daten der Gutenberg-Gesundheitsstudie sind deshalb wichtig, weil sie die aktuellste epidemiologische Studie für Deutschland darstellt. Nach den Daten der Studie liegt die Prävalenz eines retinalen Venenverschlusses (RVV) in Deutschland bei 0,4 und steigt mit dem Alter. Diese Daten passen sehr gut zu bisher bekannten Angaben in der Literatur (9). Auch das 3-4 mal häufigere Vorkommen von Astvenenverschlüssen (AVV) im Vergleich zum Zentralvenenverschluss (ZVV) deckt sich mit den Daten der Literatur (9). Männer waren 1,7-mal häufiger betroffen als Frauen, 92 % der RVV-Patienten hatten kardiovaskuläre Risikofaktoren, während nicht betroffene Probanden diese Risikofaktoren in 76 % aufwiesen (10). Die einzelnen Daten sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Prävalenz (%) RVV 0,4 AVV 0,36 ZVV 0,1 Alter ≥ 65 Jahre (odds ratio) 1,91 1,37 7,02 Arterielle Hypertonie (odds ratio) 2,73 2,69 2,66 Vorhofflimmern (odds ratio) 3,72 3,37 2,78 Positive Familienanamnese Apoplex (odds ratio) 1,05 0,48 4,64 Tab. 1: Die wichtigsten Ergebnisse der Gutenberg-Gesundheitsstudie – vaskuläre Systemerkrankungen bei Patienten mit retinalem Venenverschluss. Die signifikanten Ergebnisse sind rot markiert. Nach Ponto et al. J Thromb Haemost. 2015;13:1254–63 (55). 5.1.5 Aktuelle Daten zur intravitrealen Medikamentenapplikation: Bereits 2011 wurden die Ergebnisse der Zulassungsstudien von Dexamethason (16) und Ranibizumab (17,18) für VAV und ZVV publiziert. Im Jahr 2014 wurden die 18 und 24-Monatsergebnisse der Zulassungsstudien von Aflibercept (Eylea®) (6) und in 2012 eine randomisierte Studie mit Bevacizumab (7,19) veröffentlicht. Beide Studien wurden nur beim ZVV durchgeführt. Eine Besonderheit und daher mit Vorsicht zu betrachten ist, dass sowohl die Fachinformationen für Lucentis® als auch Eylea® vom Schema der jeweiligen Zulassungsstudien abweichen. Zur Wirkdauer von Ozurdex® bei RVV gab es 2014 eine interessante Publikation (45). Ferner wurden in 2013 und 2014 eine Reihe von Metaanalysen zur Therapie von RVV veröffentlicht, deren Konsens lautet, dass eine effektive Behandlung zur Verfügung steht, dass die VEGF-Inhibitoren untereinander vergleichbar sind und dass Head-tohead Analysen gefordert werden (46, 47, 48 49, 50). Ganz neu sind die Daten einer Vergleichsstudie zwischen Bevacizumab und Aflibercept aus England (11). a. Real-Life-Daten Bevor man sich die Studiendaten der verschiedenen Medikamente ansieht, kann man sich auch fragen, wie denn die Behandlung in der realen Welt aussieht. Hierzu kann man eine neue amerikanische Studie aus 2017 zitieren, die die Injektionsdaten von 2006-2015 retrospektiven ausgewertet hat. Bei den ca. 75.000 Injektionen bei RVV-Patienten wurden die Hälfte mit Bevacizumab und jeweils ca. 25% mit Aflibercept oder Ranibizumab behandelt (12). Die off-label Situation scheint demnach weiterhin weder Patienten noch Behandler abzuschrecken. b. Aflibercept – Langzeit Daten bei ZVV und Zulassungsstudie des VAV Die Zulassungsstudien COPERNICUS und GALILEO bei Patienten mit einem Seite 6 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ ZVV zeigten zwar einen beeindruckenden Visusgewinn von 17-18 Buchstaben nach 24 Wochen, jedoch zeigte die Kontrollgruppe der Studie im USamerikanischen Raum einen Abfall von 4 Buchstaben, während die im europäischen Raum einen besseren Spontanverlauf aufwies mit einem Buchstabengewinn ohne Therapie von 3 Buchstaben. Dies zeigt, wie unterschiedlich Patienten-Kollektive von Studien sein können und wie schwer vergleichbar Studien untereinander sind. Trotz früheren Beginns (nach 6 Monaten) mit Aflibercept in der Kontrollgruppe mit Visusverlust in der COPERNICUS Studie erholte sich der Visus nicht mehr so gut, wie in der Kontrollgruppe der GALILEO-Studie mit besserem Spontanverlauf, in der die Therapie erst nach einem Jahr gestartet wurde. Sieht man sich die AusgangsCharakteristika der Patienten in beiden Studien an, scheint die Erklärung dafür nur zum Teil in der Ischämie begründet. Konversion mag eine Rolle spielen. Auf jeden Fall aber zeigte sich, dass auch ischämische ZVV von einer Behandlung profitieren. Die erreichten Ergebnisse sind vergleichbar mit den perfundierten ZVV, während besonders die ischämischen ZVV ohne Therapie eine sehr schlechte Prognose aufwiesen. Die 18 Monats Daten der GALILEO Studie und die 2-Jahres Daten der COPERNICUS Studie zeigten, dass Patienten von einem frühen Behandlungsbeginn profitieren und dass die funktionellen und morphologischen Verbesserungen mit monatlichen Aflibercept-Behandlungen über die ersten 24 Wochen auch mit Erweiterung des Behandlungsintervalls bis Woche 76 gehalten werden konnten (42, 43). Eine Erweiterung des Monitoring Intervalls führt jedoch zu einer Verschlechterung beider Parameter Während in der COPERNICUS-Studie in der Behandlungsgruppe keine neovaskulären Komplikationen auftraten, wurden diese in der GALILEO beobachtet. Wie auch andere Anti-VEGF Studien bei RVV zeigen wird unter Therapie das Risiko für die Entwicklung einer Rubeosis iridis und retinalen Neovaskularisationen verringert, aber nicht ausgeschlossen. Eine weitere regelmäßige Kontrolle des vorderen und hinteren Augenabschnittes ist daher unbedingt erforderlich. In der VIBRANT Studie konnte der Wirknachweis für Aflibercept auch beim VAV erbracht werden (51). Gegenüber einer Kontrollgruppe, die eine Grid-LK erhielt wurde ein signifikanter Visusanstieg nach 6 Moanten nachgewiesen werden. 52,7% gegenüber 26,7% der Patienten hatten einen Visusgewinn um > 15 Zeilen. Kommentar: Die Zulassungsstudien haben einen klaren Wirkungsnachweis gegen eine Kontrollgruppe nun auch beim VAV erbracht. Mit Aflibercept ist ein weiteres sehr wirkungsvolles Medikament für die Behandlung der RVV verfügbar. Die Zulassungen erlauben heute auch eine Behandlung bei trockenem Makulabefund, also die Umsetzung eines Treat and ExtendSchemas, was von den Fachgesellschaften kritisch gesehen wird. Einerseits wird so eine Untertherapie vermieden, aber es besteht auch das Risiko einer Übertherapie mit potentiellen Nebenwirkungen unabhängig von höheren Therapiekosten. Von den Fachgesellschaften wird daher ein monatliches Monitoring empfohlen, das aufgrund der Notwendigkeit des Ausschlusses von neovaskulären Komplikationen ohnehin erfolgen sollte. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 7 Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ c. Ranibizumab (Lucentis®): Erste Ergebnisse der Vergleichsstudie mit Dexamethason; Einfluss der Ischämie und Kombination mit Laser bei VAV und ZVV Die Zulassungsstudien sind hinlänglich bekannt, in den Stellungnahmen der Fachgesellschaften im Detail nachzulesen und sollen hier keine Erwähnung finden. Eine sicherlich interessante prospektiv randomisierte Studie zum Wirkvergleich zwischen Ranibizumab und anderen VEGF-Inhibitoren existiert nicht. Allerdings wurden Real Life Daten mit einer Nachbeobachtung von 18 Monaten und einem Vergleich zwischen Ranibizumab und Aflibercept bei ZVV publiziert (13), die einen gute Wirksamkeit, aber keinen signifikanten Unterschied im Visus, im Drei-Zeilen-Gewinn und keinen morphologischen Unterschied zwischen beiden Substanzen aufzeigten. Eine aktuelle Studie zeigte, dass mit Ranibizumab sowohl bei VAV als auch bei ZVV die monatliche Behandlung einer Therapie nach PRN-Schema nicht unterlegen ist (38). Die RETAIN-Studie ergab, dass auch nach vier Jahren gute Visusergebnisse erhalten werden, wobei allerdings gerade bei ZVV-Patienten die Injektionsfrequenz noch hoch ist (39). Dass eine zusätzliche GRID-Laserkoagulation bei VAV leider weder einen positiven Effekt auf die Ergebnisse noch die Anzahl an notwendigen Reinjektionen zeigt, wurde in der RABAMES-Studie (37) und anderen Arbeiten mittlerweile erwiesen. Abb. 3: ischämischer VAV mit a) Cotton wool Herden und b) nach kombinierter Grid und sektorieller LK. Erst vor kurzem wurde gezeigt, dass die Ausdehnung ischämischer Areale mit dem Makulaödem und dem Ansprechen auf die Therapie korreliert (14). Während erste Ergebnisse bei der Laserkoagulation peripherer avaskulärer Areale beim ZVV keinen Einfluss auf das Makulaödem hatten (15,16), konnte in der CORALA Studie (17) nach der gezielten Laserkoagulation vorab mittels Weitwinkel-Angiographie ermittelter ischämischer Areale eine Reduktion des Makulaödems und der Anzahl an notwendigen Reinjektionen gefunden werden (CORALA). Kommentar: 1. Erste Ergebnisse einer vergleichenden Studie zum VAV zeigen Vorteile für Anti-VEGF im Vergleich zu Dexamethason. Die VEGF-Inhibitoren scheinen gleichwertig zu sein. 2. Zusätzlich GRID-LK beim VAV nicht so effektiv wie alleinige intravitreale Therapie 3. Gezielte Laserkoagulation peripherer ischämischer Areale beim ZVV scheint positiv im Hinblick auf Besserung des Makulaödems und Injektionsfrequenz. Seite 8 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ d. Bevacizumab (Avastin®): Wirkungsnachweis bei 6-wöchentlichen Injektionen und erste Treat & Extend Ergebnisse In einer ersten randomisierten Studie wurde der Effekt von Bevacizumab gegen eine Beobachtungsgruppe beim ZVV untersucht [7, 19]. In die Studie wurden Patienten mit einem ZVV ≤ 6 Monate, einem Visus zwischen 0,04 und 0,4 und einer zentralen Netzhautdicke ≥ 300 μm eingeschlossen. Die Patienten erhielten während der ersten 6 Monate alle 6 Wochen eine Injektion mit 1,25 mg Bevacizumab oder eine Scheininjektion (Gruppengröße jeweils 30). Nach 6 Monaten erhielten alle Patienten 1,25 mg Bevacizumab. Nach 6 Monaten war die Sehschärfe in der Behandlungsgruppe um 14,1 Buchstaben angestiegen, während sie in der Beobachtungsgruppe um 2 Buchstaben abgefallen war. Nach 12 Monaten betrug der mittlere Visusgewinn in der initial behandelten Gruppe 16,1 Buchstaben, in der verzögert behandelten Gruppe 4,6 Buchstaben (Abbildung 4a). Auch in dieser Studie schnitten die früher behandelten Patienten besser ab. Kommentar: Diese Studie ist besonders erwähnenswert, weil sie 2 wichtige Dinge kombiniert: 1. Es handelt sich um eine prospektive und randomisierte Studie zu Bevacizumab und entspricht damit dem hohen Evidenzniveau der Zulassungsstudien anderer Substanzen. 2. Es wurde ein den anderen Substanzen gleichwertiger Effekt erzielt, obwohl nur alle 6 Wochen injiziert wurde. Damit ist Bevacizumab weiterhin eine hocheffektive Substanz zur Behandlung des Zentralvenenverschlusses. In einer retrospektiven Studie konnte bei Patienten mit VAV gezeigt werden, dass eine Behandlung mit Bevacizumab nach Treat & Extend Schema zu ähnlichen Ergebnissen führte, wie publizierte PRN-Ergebnisse. Kritikpunkte sind die kleine Gruppengrösse (n=52), die fehlende direkte Kontrollgruppe und die retrospektive Asuwertung (44). e. Neuste Vergleichsstudie Aflibercept versus Bevacizumab Die neuste prospektive und randomisierte Vergleichsstudie aus der Feder der SCORE-Gruppe (SCORE 2) hat den Effekt von Bevacizumab und Aflibercept über 6 Monate bei Patienten mit Hemi-ZVV oder ZVV verglichen (11). Die 362 Patienten wurden 1:1 randomisiert und erhielten entweder 1,25mg Bevacizumab oder 2mg Aflibercept. In beiden Gruppen hatten die Patienten eine nahezu identischen Visusanstieg von +18,6 (Bevacizumab) und +18,9 Buchstaben. Bisher sprechen alle Befunde dafür, dass VEGF-Inhibitoren bei RVV-Patienten als gleichwertig einzustufen sind. f. Dexamethason (Ozurdex®): Die Daten der Zulassungsstudie für Dexamethason sind hinlänglich bekannt und ebenfalls in den Stellungnahmen der Fachgesellschaften im Detail nachzulesen. In einer rezenten posthoc Analyse wurde an 427 Augen Einsetzen und Dauer der Wirkung es Dexamethason-Implantates im Vergleich zu 426 Kontroll-Patienten untersucht. Eine Visusverbesserung wurde ab dem 7.Tag beobachtet, die Dauer des >3–Zeilen-Gewinns lag bei 2-3 Monaten (45). Die Medikamentenauswahl wird aber immer eine auf den individuellen Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 9 Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ Patienten ausgerichtete und optimierte Therapie sein. Gegen die Wahl von Steroiden spricht das Vorliegen eines fortgeschrittenen Glaukoms, denn ein zusätzlich cortisoninduzierter Druckanstieg ist bislang vorab mit keinem Test sicher auszuschließen und zu vermeiden. Wichtig ist allerdings, dass in der Mehrzahl der Fälle die Tensio-Anstiege mittels topischer Antiglaukomatosa kontrollierbar sind. Ein weiteres Argument stellt eine klare natürliche Linse dar, denn typischerweise tritt nach der zweiten bis dritten Ozurdex®-Implantation eine sekundäre Katarakt auf. Ein Argument für die Verwendung von Ozurdex® ist die erkennbare fehlende Compliance zur höher frequenten Anti-VEGFTherapie. Dieses Argument gilt aber nur, wenn die Patienten zusätzlich zu den Monitoring-Besuchen die Fahrt bzw. den Besuch eines OP-Zentrums in Anspruch nehmen, denn auch unter Steroiden sind monatliche Kontrollen gerade wegen späterer Druckanstiege und der Kontrolle hinsichtlich neovaskulärer Komplikationen notwendig. Weitere Gründe für die Wahl von Ozurdex® sind das fehlende oder nicht ausreichende Ansprechen auf VEGFInhibitoren, womit das interessante Thema des Therapie-Switchens zur Diskussion kommt. Kommentar: Die Dauer des >3-Zeilen Gewinns von Ozurdex® bei RVV liegt nach den Daten einer posthoc-Analyse bei etwa 3 Monaten. g. Therapie-Switch: Dabei kennt jeder von uns Einzelfälle, die nicht oder nur unzureichend auf VEGF-Inhibitoren, dafür aber auf Steroide ansprechen und vice versa. Auch ein unterschiedliches Ansprechen auf die verschiedenen VEGF-Inhibitoren ist bekannt. Das mag an den verschiedenen pathophysiologischen Ansatzpunkten der Medikamente liegen, aber auch daran, dass im Therapieverlauf eine Konversion hin von einem nicht ischämischen RVV zu einem ischämischen RVV stattgefunden hat. Bislang stehen nur Einzelfallberichte, aber keine validen Daten zur Verfügung, aus denen Empfehlungen abgeleitet werden können. 5.1.6 Stellenwert der Hämodilution In den letzten Jahren äußerten sich einige Autoren unter dem Eindruck der guten Ergebnisse der intravitrealen Therapie kritisch gegenüber der Hämodilution im Rahmen der RVV-Therapie (Mohammed, Macinthosh jweils Ophthalmology). Unterstützt wurde dies durch einen Rote-Hand Brief, der auf einer erhöhten Mortalitätsrate bei schwer kranken Intensiv-Patienten beruhte (Brunkhosrt NEJM, Pemer NEJM. Myburgh NEJM, Gottas Int Care Med). Dabei handelte es sich um die hypervolämische Hämodilution und nicht die isovolämische Hämodilution bzw kontrollierte Hypovolämie (IHD). Die IHD ist als eine der wenigen Therapien (ausser den intravitrealen Therapien) mit einem hohen Evidenzgrad sehr gut untersucht. In einigen randomisierten Studien (Hanssen, Chen, Wolf) wurde der Nutzen belegt (Visusgewinn bei ZVV 38 vs 12 %, bei VAV 50 vs 20%), wenngleich die IHD nicht mit den Ergebnissen der intravitrealen Medikamentenapplikation mithalten kann. In einer rezenten Studie haben Glacet-Bernard et al. gezeigt, dass bei ZVVPatienten die Hämodilution mit Erythrozytophorese eine Besserung des Visus, eine Verringerung des Makulaödems und eine Verringerung der Konversion in eine Ischämie ergab im Vergleich zur Kontrollgruppe (Graefe 2010) . Der Effekt war besonders bei den nicht-ischämischen Verschlüssen mit noch relativ gutem Ausgangsvisus sichtbar und auch hier signifikant. Eine Studie der Münchner Arbeitsgruppe hat vor kurzem gezeigt, dass die Konversion eines nicht ischämischen in eine ischämischen RVV reduziert werden kann. Ob dieses Verfahren in der Augenheilkunde weiter angewendet werden kann, ist vor dem Hintergrund eines Rote Hand Briefes fraglich. In jedem Fall ist vorab bei den Patienten eine Leber- oder Nierenerkrankung auszuschließen und Seite 10 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ empfehlenswert statt 10% HAES 6% zu verwenden bzw die Behandlung bei Verdacht auf eine Nierenfunktionsstörung sofort abzusetzen. Organfunktionsbeeinträchtigungen zeigen ist oftmals erst nach einigen Wochen. Im Einzelnen ist eine HAES-Therapie kontraindiziert bei Sepsis, Verbrennungen, Leber - oder Nierenfunktionsstörungen, Nierenersatztherapie, Gerinnungsstörungen, kritisch kranken Patienten, Hyperhydratation, Dehydratation, intrakranieller oder zentraler Blutung. Entscheidet man sich nach Ausschluss dieser Erkrankungen die IHD anzuwenden, ist eine ausführliche schriftliche Aufklärung des Patienten über die IHD als off-label Therapie zwingend erforderlich und vorab die Therapie mit ihren möglichen Risiken und Nutzen mit den Patienten zu besprechen. Auch auf mögliche Nebenwirkungen wie anaphlyaktische Reaktionen und langbestehenden Pruritus ist hinzuweisen. 5.1.7 Aktuelle Daten – die COMRADE-Studien Direktvergleich Ranibizumab versus Dexamethason Aus der Vielzahl der verfügbaren Therapien wurden immer wieder Behandlungsempfehlungen abgeleitet, ohne dass Daten aus direkt vergleichenden Studien vorgelegen hatten. Die COMRADE-Studien haben die Wirksamkeit von Ranibizumab und Dexamethason direkt verglichen (18,19). Beide prospektive und randomisierte Studien waren so aufgebaut, dass Patienten mit AVV oder ZVV entweder der Ranibizumaboder der Dexamethasonbehandlung zugelost wurden. In der Ranibizumabgruppe wurde mit 0,5 mg Ranibizumab monatlich behandelt, bis der Visus bei 3 aufeinanderfolgenden Visiten stabil war, danach wurde monatlich kontrolliert und bei Bedarf injiziert. In der Dexamethasongruppe erhielten die Patienten einmalig ein Implantat mit 0,7 mg Dexamethason und wurden im Anschluss ebenfalls monatlich kontrolliert. In der AVV-Studie (COMRADE-B) wurden 244 Patienten eingeschlossen, in der ZVV-Studie (COMRADE-C) waren es 243 Patienten. Der primäre Endpunkt war der Visusunterschied nach 6 Monaten. Aufgrund des Studienaufbaus ist es wenig verwunderlich, dass der Unterschied nach 6 Monaten in beiden Ranibizumab-Gruppen hochsignifikant über dem der Dexamethasongruppe lag. Die Besonderheiten der Studie sind aber darin zu sehen, dass beide Substanzen innerhalb der ersten 8 Wochen einen nahezu identischen Effekt auf die Funktion und Morphologie haben (Visus und zentrale Netzhautdicke), der Effekt der Dexamethasongruppe nach 8 Wochen aber bereits wieder deutlich abfällt. Somit kann man bei RVV-Patienten den maximalen Effekt des Dexamethasons auf unter 3 Monate schätzen, was bei der Behandlungsfrequenz berücksichtigt werden muss. Der Augeninnendruck war nach Dexamethasongabe zwischen 15 und 31 % um mehr als 10 mmHg erhöht, während das in der Ranibizumabgruppe in 2-6 % zu beobachten war. Diese Ergebnisse unterstützen die in der Folge zu besprechende Einschätzung der Fachgesellschaften aus Kanada und aus den USA, die Steroide in der Behandlungsfolge nach den VEGF-Inhibitoren zu sehen. Die COMRADE-C und die COMRADE-B Daten sind mittlerweile publiziert (18,20), die COMRADE-Extension Daten in Kürze. In den publizierten Empfehlungen sind die COMRADE-Daten noch nicht eingeflossen. Kommentar: Die Ergebnisse der COMRADE-Studien sind die ersten randomisierten und prospektiven Studien, die einen Head-to-head-Vergleich von Ranibizumab und Dexamethason bei RVV durchgeführt haben. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 11 Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ 5.1.8 Behandlungs-Schemata: Treat & Extend oder PRN? Obwohl laut Fachinformationen verschiedene Behandlungsstrategien möglich sind (Pro-Re-Nata (PRN), Treat-and-Extend (T&E), Einzel-Injektion), wird in der Regel mit einer 3er Serie begonnen. Gegen das sofortige Weiterbehandeln mit T&E spricht, dass ein Teil der Patienten (zwischen 10 und 25 %) nach 6 Monaten keine weitere Behandlung mehr braucht. In der Empfehlung der kanadischen Kollegen wird eine blockweise Behandlung empfohlen: nach initialer Therapie des RVV mit Makulaödem mittels einer 3er Serie von VEGF-Inhibitoren wird eine Kontrolle empfohlen. Sollte danach noch weiterhin ein Ödem sichtbar sein oder das Ödem zurückkehren, ist eine weitere 3er Serie indiziert. Bei fehlendem Ansprechen kann ein Wechsel auf einen anderen VEGF-Inhibitor erwogen werden oder auf Steroide umgestellt werden (59). Dieses blockweise Injizieren verringert auch die Gefahr einer Chronifizierung des Makulaödems. Auch die Publikation der amerikanischen ophthalmologischen Akademie kommt zu dem Schluss, dass eine Monotherapie mit VEGF-Inhibitoren die empfehlenswerte Therapie ist. Steroide sind aufgrund der Nebenwirkungen nachrangig anzuwenden (60). In der prospektiven Multi-Center Studie CRYSTAL wurde bei ZVV ein individuelles visusbasiertes Behandlungsschema mit Ranibizumab untersucht (23). Dabei erfolgte wie gewohnt ein Up-Load mit drei IVOMs, dann wurde solange monatlich die Behandlung fortgesetzt, bis der Visus bei drei aufeinanderfolgenden Visiten gleichblieb. Damit wurde ein Visusgewinn mit ca 8 IVOM im ersten Jahr von etwa 12 Buchstaben erreicht, es wurde dabei kein Einfluss der Ischämie festgestellt und der Visusgewinn war höher, je schlechter der Ausgangsvisus lag. Rezente Real-Life Daten aus der Freiburger Klinik sind allerdings sehr ernüchternd. Noch viel deutlicher als die OCEAN-Studie zeigen sie, dass im klinischen Alltag immer noch eine deutliche Unterbehandlung erfolgt. So werden im ersten Jahr nach erfolgter initialer IVOM bei RVV 3 Buchstaben gegenüber dem Ausgangsvisus eingebüßt und nach fünf Jahren acht Buchstaben (24). Diese Unterdosierung spricht für eine Unterdosierung durch das herkömmliche PRN-Schema. Die Lösung könnte eine Kombination des T&E-Schemas mit 3er Behandlungsblöcken darstellen. Es ist aber zu erwarten, dass die schlechten Ergebnisse der Real-Life-Daten Einfluss auf die nächsten Empfehlungen der Fachgesellschaften nehmen, die derzeit in Bearbeitung sind. Kommentar: Neue Real-Life Daten in der Behandlung der RVV im klinischen Alltag sind ernüchternd und spiegeln eine Unterdosierung wieder. Die Empfehlungen der kanadischen und amerikanischen Fachgesellschaften lassen bei der Strategiewahl viel Spielraum. Es fällt keine Entscheidung in Richtung Treat & Extend oder PRN. Bei der Medikamentenwahl werden die VEGF-Inhibitoren aber bevorzugt empfohlen. Ähnlich sollten auch bei uns Therapieschemata Anwendung finden, die eine Unterdosierung vermeiden. Seite 12 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ 5.1.11 Aktuelles zur Bildgebung (SD-OCT, Weitwinkel FAG, Multicolor, Angio-OCT) Mit modernen Weitwinkel-Fluoreszenzangiographie-Techniken lassen sich periphere avaskuläre Areale sehr schön darstellen (Abb.7, 9b). Eine Korrelation der Fläche dieser Bereiche zu Makulaödem und Visus nach RVV wurde in der nachgewiesen (34). Während man bislang befürchtete, dass diese Ischämie unter einer Anti-VEGF-Therapie zunehmen könnte, zeigte sich, dass diese unter intravitrealer VEGF-Blockade aufgehalten bzw sogar verringert wurde. Im Umkehrschluss fördern hohe intraokulare VEGF-Level die Progression der Ischämie (36). Die Angio-OCT hält gerade Einzug in die Retinologie und hat zweifelllos das Potential die konventionelle Fluoreszenzangiographie zu ersetzen. Besondere Bedeutung bei den venösen Verschlüssen kommt hierbei der Erkennung von Kapillardestruktionen in den verschiedenen Gefäßplexus der Netzhaut zu (40). Mit dieser Technik lassen sich auch bislang nicht identifizierbare Veränderungen an Partneraugen von Patienten mit RVVs entdecken (41). Abb. 7: periphere Fluoreszenzangiographie mit ischämischen Arealen und Leckage im Bereich der Gefäßabbruchzone in der temporalen Peripherie. Abb. 8: Multicoloraufnahme bei ZVV mit grünlicher Darstellung ödematöser Bereiche. Die Fältelung der Membrana militans interna kommt sehr gut zur Darstellung. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 13 Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ Abb. 9: Multicoloraufnahme bei altem VAV mit deutlicher Darstellung der okkludierten Gefäße. Weitwinkel-FAG sowie Fundusautofluoreszenz. In der SD-OCT zeigt sich eine Atrophie der zentralen Netzhaut. Kommentar: Die retinale Bildgebung befindet sich weiterhin in rasanter Weiterentwicklung. Gerade nach venösen Verschlüssen kommt der Darstellung der peripheren Netzhaut mit bislang schwer identifizierbaren ischämischen Arealen besondere Bedeutung zu. Die Multicolordarstellung ist ein weiteres nicht invasives Tool, das insbesondere die Identifizierung assoziierter Gliosen erleichtert, aber auch die Darstellung von verschlossener Venolen und eventueller zentraler Neovaskularisationen. Ein besonderes Potential hat aber die Angio-OCT, die den Patienten für die Darstellung zentraler Ischämieareale zukünftig invasive Diagnostik mittels intravenöser Kontrastmittelgabe ersparen könnte. 5.1.12 Zusammenhang zwischen Tortuositas und VEGF-Konzentration, Netzhautdicke und Visus bei Patienten mit ZVV Die Einschätzung des Ischämiegrades eines Zentralvenenverschlusses ist nicht immer einfach. Zu den bisher bekannten Hinweisen auf einen ischämischen Verschluss gehören ein Visus unter 0,1, ein relativer afferenter Pupillendefekt, dunkle und flächige retinale Blutungen, mehr als 10 Cottonwool-Spots am Augenhintergrund und eine Ischämiefläche von mehr als 10 Papillendurchmessern in der Fluoreszeinangiographie. In einer neuen Arbeit einer japanischen Arbeitsgruppe wurde nun bei 32 ZVVPatienten der Grad der Tortuositas mit einfachen Bildbearbeitungsprogrammen gemessen und mit der VEGF-Konzentration der Vorderkammer, der zentralen Netzhautdicke und der zentralen Sehschärfe korreliert (57). Seite 14 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ Als Ergebnis fanden die Autoren eine signifikante Korrelation der Tortuositas mit allen 3 Parametern, so dass vorgeschlagen wurde, den Grad der Tortuositas mit in die Beurteilung des Ischämiegrades aufzunehmen. Abb. 9: Tortuositas bei Patienten mit Zentralvenenverschluss. Die Strecke der gestauten Vene wird mit dem Kreisradius verglichen. Der Radius ist die Strecke vom Papillenrand bis zur Fovea centralis. Yasuda et al. PLoS ONE. 2015;10:e0134267 (57). Kommentar: Obwohl es sich um eine kleine und retrospektive Analyse handelt könnte die Tortuositas neben dem Visus, der Fundusbeurteilung und dem relativen afferenten Pupillendefekt ein weiterer Parameter sein, um die retinale Ischämie nach RVV abzuschätzen. 5.1.13 Komplikationen bei retinalen Venenverschlüssen Die wichtigsten Spätfolgen eines retinalen Venenverschlusses ist die Ischämieund VEGF-getriggerte Entwicklung von Neovaskularisationen an Netzhaut und Iris. Die Rubeosis iridis kann dabei das gefürchtete neovaskuläre Sekundärglaukom verursachen. Letzteres tritt häufiger nach einem ZVV als nach einem VAV auf. Beim VAV treten wiederum häufiger periphere retinale Neovaskularisationen auf, beim ZVV häufiger an der Papille. Daher ist eine langfristige Kontrolle auch während einer laufenden IVOM-Therapie unerlässlich, zumal auch nicht ischämische RVV jederzeit eine Konversion zu einem ischämischen Verschluss durchmachen können. Die Behandlung besteht in der sektoriellen (VAV, Hemi ZVV) oder panretinalen (ZVV) Laserkoagulationder ischämischen Areale und sollte eher großzügig gestellt werden. Der Score Study Report #11 (26) und ein Review von McIntosh (27) wiesen ein 3 Jahres Risiko bei RVV in Augen mit >5PD Ischämieflächen nach für Rubeosis iridis von 8,7%, für retinale Proliferationen von 8,8% und für Glaskörperblutung von 7,6%. Auch unter Anti-VEGF IVOM muss weiterhin die Netzhaut in Mydriasis untersucht werden, da die großen Zulassungstudien zeigten, dass auch unter laufender Therapie noch Neovaskularisationen auftreten können. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 15 Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ Abb.10: Neovaskularisationen am oberen Gefässbogen und an der Papille bei Venenastverschluss mit ausgeprägten Kapillarausfällen vor Behandlung und nach sektorieller Laserkoagulation mit Regression der Neovaskularisationen. Kommentar: Auch unter laufender IVOM Therapie muss eine regelmäßige Funduskopie in Mydriasis erfolgen, um die Entwicklung von retianlen Neovaskularisationen frühzeitig zu erfassen. Eine sektorielle oder panretinale Laserkoagulation ist nach wie vor die Therapie der Wahl und sollte auch bereits bei Vorliegen größerer Ischämieflächen erwogen werden. Seite 16 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ 5.1.14 Chirurgische Therapie bei retinalen Venenverschlüssen Seit Einführung der intravitrealen Medikamenten Therapie in der Behandlung des Makulaödems bei RVV beschränkt sich die chirurgische Therapie im Rahmen einen Pars plana Vitrektomie auf die Behandlung von neovaskulären Komplikationen, z.B. einer Glaskörperblutung oder einer Traktionsamotio. Die radiäre Optikusneurotomie und das venöse Sheating wurde wieder vollständig verlassen. Nichtsdestotrotz hatten wir aus dieser Zeit gelernt, dass die Glaskörperabhebung im Rahmen einer Vitrektomie und insbesondere die Delamination der Mambrana limitans interna einenm positiven Einfluss auf das Makulaödem nehmen können. Insofern kommt der chirurgischen Therapie ggf. auch beim RVV assoziierten Makulaödem noch ein gewisser Stellenwert als individueller Heilversuch bei Non-Respondern auf intravitreale Anti-VEGF oder Steroide zu. Erst vor kurzem erschien eine Publikation zum Langzeitverlauf über 5 Jahre nach Vitrektomie mit Reduktion der IVOM_Notwendigkeit bei Venenastverschluss, wobei es sich aber nur um eine kleine Fallserie von 25 Augen handelt (28). 5.2 Arterielle Verschlüsse 5.2.1 Einleitung und aktueller Stand der Therapie Im Vergleich zu den venösen Gefäßverschlüssen gibt es zu den arteriellen Verschlüssen deutlich weniger Literatur. Oft handelt es sich um Fallberichte. Folgende Arbeiten sind als klinisch besonders relevant zu werten: • Diagnostik: o Das relative Risiko einen Apoplex zu erleiden, ist bei Patienten mit abgelaufenem arteriellem Verschluss 2-3-fach erhöht (20) o Das Risiko weiterer zerebrovaskulärer Komplikationen ist nach früher Karotis-Endarteriektomie vermindert. Die evidenzbasierte Datenlage zum Thema retinaler Arterienverschluss (RAV) ist sehr eingeschränkt. Vor allem bei der Therapie gab es keine Fortschritte (54). Die intraarterielle Fibrinolyse mittels Katheter konnte in einer prospektiven und randomisierten Studie keine Überlegenheit gegenüber einer konservativen Therapie zeigen und sollte nicht mehr angewendet werden (21). Die intravenöse Fibrinolyse wurde in einer prospektiven und randomisierten Studie getestet, diese wurde aber aufgrund geringer Rekrutierung abgebrochen (22). Die hyperbare Sauerstofftherapie wird immer wieder erwähnt, hierzu gibt es aber keine Daten aus prospektiven und randomisierten Studien, die den heutigen Anforderungen gerecht werden. Der RAV gilt weiterhin als Erkrankung ohne Therapie In Analogie zur EAGLE-Studie kann man bei Patienten mit frischen Verschlüssen das konservative Schema einsetzen. Ob die 6-Stundengrenze der tierexperimentellen Studien von Hayreh wirklich auf den Menschen übertragbar ist, kann nicht zweifelsfrei bestätigt werden (Hayreh). Mangels therapeutischer Alternativen scheint eine Therapie bis zu 24 Stunden nach dem Verschluss vertretbar. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 17 Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ Konservatives Schema in Analogie zur EAGLE-Studie (21,23) - Acetazolamid 500 mg intravenös einmalig - Topische Drucksenkung einmalig - ASS 100 mg (mindestens über 6 Monate nach Rücksprache mit Internist) - Bulbusmassage (10 min) - Isovolämische Hämodilution, wenn Hämatokrit über 40 % einmalig Folgende Untersuchungen sollten erfolgen: - Visus - Gesichtsfeld (Goldmann) - Funduskopie Kommentar: Es ist enttäuschend, dass es weiterhin keine neuen randomisierten und prospektiven Studien zur Therapie retinaler Arterienverschlüsse gibt. Da diese sehr selten sind müssen Studien multizentrisch und mit hohem Aufwand durchgeführt werden. Ein weiteres Problem stellt die Vermutung dar, dass nach einer Verschlusszeit von ca. 6 Stunden der größte Schaden irreversibel ist. Im Gegensatz zum Apoplex oder Herzinfarkt, reagieren die meisten Patienten aber nicht so schnell und die Diagnose wird später gestellt. Behandlung des retinalen Arterienverschlusses: Daten einer Metaanalyse Im Jahr 2015 gab es zwar keine neuen Originaldaten zur Therapie des retinalen Arterienverschlusses, allerdings eine neue Metaanalyse, die Ergebnisse zum Spontanverlauf, der konservativen Therapie und der intravenösen Fibrinolyse verglichen hat (56). In den Studien der konservativen Therapie wurden die Patienten mit folgenden Therapien behandelt: Azetazolamid, Bulbusmassage, Pentoxifyllin, topische Augeninnendrucksenkung, Parazentese, systemische Steroide und Aspirin. Die Patienten der intravenösen Fibrinolyse erhielten entweder Streptokinase (zwischen 250.000 und 1.000.000 IU), Urokinase (zwischen 120.000 und 240.000 IU) oder rekombinates tissuePlasminogen (rtPA; 0,9 mg/kg KG oder 50 mg). Beim Vergleich der Behandlungsgruppen schnitten Patienten, die mit intravenöser Fibrinolyse (32 % Visusverbesserung) behandelt wurden besser ab als die konservativ behandelte Gruppe (+17,7 %) oder der Spontanverlauf (+7,4 %) (Abbildung 1a). Als Entscheidungsgrundlage wurde eine Visuserholung auf Werte von mindestens 0,2 zugrunde gelegt. Dieses Kriterium ist deshalb nicht optimal, weil der abschließende Visus sehr stark vom Ausgangsvisus abhängt, der aber nicht angegeben wurde. Wichtiger als ein möglicher Behandlungsunterschied ist aber die Zeit vom Verschlussereignis bis zur Behandlung. Die auch in der Apoplexbehandlung oft benannte Grenze von 4,5 Stunden scheint auch bei der intravenösen Fibrinolyse entscheidend zu sein. Innerhalb der ersten 4,5 Stunden nach intravenöser Fibrinolyse verbesserte sich der Visus in 50 % aller Patienten, während der Anteil danach mit 24-27 % angegeben wird (Abbildung 1b). Obwohl die Daten der Metaanalyse mit großer Vorsicht interpretiert werden müssen, können 2 wichtige Informationen daraus abgeleitet werden: 1. Die einzige Behandlungsoption, die diskutiert werden kann, ist die sehr schnell eingeleitete intravenöse Fibrinolyse. Seite 18 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ 2. Eine Behandlung nach 4,5 Stunden ist nicht sinnvoll und sollte unterlassen werden. Dabei ist die genaue Anamnese wichtig: Patienten, die ihre Sehverschlechterung morgens nach dem Aufwachen bemerken, haben mit hoher Wahrscheinlichkeit eine längere Verschlusszeit. Als Daumenregel kann man hier die halbe Schlafzeit zugrunde legen. Damit kommen sie für eine Lysebehandlung nicht mehr in Frage. Abschließend bleibt die intravenöse Fibrinolyse der einzige Hoffnungsträger bei der Behandlung des retinalen Arterienverschlusses. Es bedarf aber dringend einer prospektiven und randomisierten Studie, um den tatsächlichen Wert der Behandlung einschätzen zu können. Abb. 1 a (oben) und b (unten): Ergebnisse der Metaanalyse zur Behandlung von Patienten mit Zentralarterienverschluss. Oben (Abbildung 1a) sind die Mittelwerte der Behandlungen dargestellt. In der oberen Reihe finden sich die Daten zum Spontanverlauf, in der mittleren Reihe zur intravenösen Lysetherapie und unten zur konservativen Therapie. Darunter (Abbildung 1b) sind die Visusergebnisse der Lysepatienten in Abhängigkeit von der Verschlusszeit aufgezeichnet. Hier wird ersichtlich, dass innerhalb des sehr frühen Zeitfensters von 4,5 Stunden die größte Wahrscheinlichkeit einer Sehverbesserung besteht. Schrag et al. JAMA Neurol. 2015;72:1148–54 (56). Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 19 Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ 5.2.2 Weiterführende Diagnostik: Die internistische und neurologische Untersuchung ist unerlässlich Eine der wichtigsten Arbeiten war die 3-Jahresanalyse einer taiwanesischen Arbeitsgruppe (24). In dieser Studie haben die Autoren die Daten von 464 RAV Patienten mit 2.784 gematchten Menschen verglichen. Beim Matchen wurden auch die kardiovaskulären Risikofaktoren berücksichtigt. Als Ergebnis hatten 19,6 % der RAV Patienten und 10 % der Kontrollgruppe einen Apoplex innerhalb der 3-Jahres-Nachbeobachtungszeit. Je länger der Verschluss zurück lag, desto seltener war ein Schlaganfall. Das Hauptrisiko bestand innerhalb der ersten 6 Monate. Das relative Risiko für RAV Patienten betrug in dieser Studie 2,07 (Risiko verdoppelt). Wenn nur die Patienten unter 60 Jahren betrachtet wurden, lag das Risiko sogar bei 3,34. Die Kaplan-Meier Kurve der Publikation ist in Abbildung 10 dargestellt. Abb. 10: Kaplan-Meier Überlebenskurve (Überleben bedeutet hier schlaganfallfreies Intervall). Die untere Kurve ist die Gruppe mit RAV, die obere Kurve stellt die Kontrolle dar. Chang YS et al., Am J Ophthalmol. 2012;154:645-652 (20) Vergleichbare Daten können aus einer neurologischen Studie abgelesen werden, die den schützenden Effekt einer Karotis-Endarteriektomie bei vorausgegangenen ischämischen Ereignissen im zerebralen Stromgebiet nachweist (25). Die Frage der optimalen Versorgung bei Plaques und Stenosen im Karotisstromgebiet ist noch nicht abschließend geklärt, und es ist nicht die Absicht dieses Beitrags, diese Komplexe interdisziplinäre Frage zu beantworten. Therapeutisch kommen eine rein medikamentöse Behandlung, eine chirurgische Endarteriektomie, die Lyse und die Bypassoperation in Frage. Seite 20 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ In der erwähnten schwedischen Studie wurden 230 Patienten mit ischämischen zerebrovaskulären Ereignissen (Amaurosis fugax, RAV, transitorische ischämische Attacke (TIA) oder milder ischämischer Insult) mit einer Karotisendarteriektomie behandelt. Auch bei dieser Studie kam es unmittelbar nach dem ischämischen Ereignis signifikant häufiger zu erneuten ischämischen Komplikationen im zerebrovaskulären Stromgebiet. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass die Endarteriektomie die Therapie der Wahl darstellt, aber eine gesonderte Überwachung der Patienten berücksichtigt werden muss. Deshalb muss weiter davon ausgegangen werden, dass RAV Patienten dringend internistisch und neurologisch abgeklärt werden sollten. Eine stationäre Behandlung ist weiterhin empfehlenswert. Kommentar: Obwohl die beiden Studien retrospektiv Daten erheben, wird das internistische und neurologische Risiko der Patienten mit Verschluss einer retinalen Arterie klar. Die enge Zusammenarbeit mit Internisten und Neurologen ist unerlässlich. Hierbei wird der Augenarzt zum interdisziplinären Vermittler. 5.2.3 Bildgebung beim RAV SD-OCT Untersuchungen beim RAV haben in der akuten ischämischen Phase eine Verdickung der inneren neurosensorischen Schichten gezeigt. Die Rückbildung des Ödems ist dabei gefolgt von einer retinalen Atrophie, die ab dem zweiten Monat erkennbar ist (52). Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 21 Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen _______________________________________________________________________________ In den Abb. 11 ist dieser Verlauf in der SD-OCT gezeigt. Die MulticolorAufnahme (Abb.12) zeigt den frischen ZAV. Ferner erschein eine interessante Arbeit, die ein sog. „prominent Middle Limiting Membrane Sign (=pMLM)“ bei RAV beschrieb (53). Dieses entsteht dadurch, dass die Bipolarzell-Synapsen in der äussren plexiformen Schicht gerade noch durch retinale Gefässe versorgt wird, durch den RAV als akut geschwollen ist und deutlich von normal strukturierter Netzhaut mit ja erhaltener chorioidaler Perfusion unterschieden werden kann. 5.2.4 Aktuelle Leitlinie beim RAV Vor kurzem ist eine S2e Leitlinie der Fachgesellschaften zu retinalen arteriellen Verschlüssen erschienen, die hier angehängt ist. Seite 22 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen ________________________________________________________________________________ 5.3 Literatur 1. Weinberg DV, Wahle AE, Ip MS, Scott IU, Vanveldhuisen PC, Blodi BA. Score Study Report 12: Development of Venous Collaterals in the Score Study. Retina 2013; 33: 287-295 2. Muraoka Y, Tsujikawa A, Murakami T, Ogino K, Kumagai K, Miyamoto K, Uji A, Yoshimura N. 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Nicolas Feltgen Augenklinik Universitätsmedizin Göttingen Robert-Koch-Str. 40 37075 Göttingen Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 25 Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer ________________________________________________________________________________ 6 REFRAKTIVE CHIRURGIE 6.1 Einführung .................................................................................. 2 6.2 Historischer Abriss..................................................................... 3 6.2.1 Hornhautchirurgie ......................................................................... 3 6.2.2 Linsenchirurgie ............................................................................. 4 6.3 Prinzipien der Refraktiven Chirurgie ......................................... 5 6.4 Indikationsstellung und Einordnung refraktivchirurgischer Eingriffe ................................................. 7 6 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 1 Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer _______________________________________________________________________________ 6.1 Einführung Unter dem Begriff der Refraktiven Chirurgie werden diejenigen Bereiche der Ophthalmochirurgie zusammengefasst, die zum hauptsächlichen Ziel haben, die unkorrigierte Sehschärfe eines Patienten zu optimieren. In der Konsequenz einer solchen Behandlung soll typischerweise eine selektive, weitgehende oder vollständige Unabhängigkeit von korrigierenden Sehhilfen erreicht werden. Dies wird vom Patienten idealerweise als eine Steigerung der Lebensqualität empfunden. Und zwar nicht nur in Bezug auf das visuell gesteuerte Verhalten, sondern ebenso hinsichtlich einer erlebten Freiheit vom Zwang, für elementare Lebensvorgänge auf externe Hilfsmittel angewiesen zu sein. Es geht hierbei typischerweise nicht um die Behandlung einer Krankheit, sondern um die Beeinflussung der optisch-funktionellen Auswirkung einer biologischen Normvariante (Myopie, Hyperopie, Astigmatismus) bzw. einer regelhaft altersbezogen eintretenden Funktionsminderung (Presbyopie) des Auges. Neben primär refraktivchirurgisch konzipierten und indizierten Eingriffen zählen auch solche zum erweiterten Themengebiet der Refraktiven Chirurgie, welche quasi nur sekundär eine Beeinflussung der Refraktion des Patienten beinhalten, deren hauptsächliches kuratives Ziel jedoch in der Behandlung einer Erkrankung liegt: Kataraktchirurgie, Linsenchirurgie bei vitreoretinalen Eingriffen oder posttraumatische rekonstruktive Ophthalmochirurgie. Diese Kategorie refraktiver Chirurgie gewinnt tendenziell zunehmend an Bedeutung, nicht zuletzt, da minimalinvasive Operationsverfahren in der Hinterabschnittschirurgie ein immer weniger traumatisches Vorgehen mit verkürzter Rehabilitation und verbessertem Visuspotenzial bieten. Die Wahl des optimalen Linsenimplantats kann die Nutzbarkeit dieses Potenzials wesentlich beeinflussen. Seite 2 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer ________________________________________________________________________________ 6.2 6.2.1 Historischer Abriss Hornhautchirurgie Wesentliche historische Entwicklungsschritte des Fachgebiets wurden seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts vollzogen: Barraquer erforschte das Potenzial stromaler Reduktionsplastik der Hornhaut zur Minderung der Brechkraft bei hoher Kurzsichtigkeit ebenso wie die Transplantation refraktiv gestalteter Lentikel bei Hyperopie und Aphakie und schuf damit die Grundlagen der Keratomileusis. Fyodorov und Sato erkannten das Potenzial nichtpenetrierender Inzisionen der Hornhaut zur Beeinflussung der Krümmungsradien und Fyodorov stieß damit in den 1970er Jahrendden ersten Boom refraktivchirurgischer Eingriffe in der Sowjetunion an, in der westlichen Hemisphäre war Waring ab den frühen1980er Jahren der prominenteste Vertreter der Verfahrensweisen, die heute im wesentlichen nur noch unter medizinhistorischem Aspekt von Bedeutung sind. Mit der Entdeckung der Möglichkeit der in-situ Gewebsablation des cornealen Stromas mittels ExcimerLaser durch Srinivasan et al. und der Anwendung der Methoden durch Trokel, Brint, Seiler u.a. ab Mitte der 1980er Jahre fand die chirurgische Modulation der Hornhautkrümmungsradien eine neue Dimension als „Laser Vision Correction“ Photorefraktive Keratektomie (PRK). Die Perfektionierung des Mikrokeratoms eröffnete dann in den frühen 1990er Jahren die Möglichkeit der intrastromalen Ablation als Laser-in-situ-Keratomileusis (LASIK), die mit der Einführung des Femtosekunden-Infrarotlasers ab den frühen 2000er Jahren einen wesentlichen Schritt zur Perfektionierung erfuhr (FemtoLASIK). Auch hier ging die ingenieurtechnische Entwicklung der Behandlungsgeräte mit einer auf Grundlagen der physiologischen Optik fußenden Entwicklung der Ablationsalgorithmen parallel. Heutiger Standard sind asphärische Ablationsprofile, die bei Bedarf auf das Wellenfrontprofil des Auges miteinbeziehen. Eine Weiterentwicklung der FemtoLASIK stellen Verfahren wie SMILE dar, bei dem ohne Schaffung einer oberflächlichen Lamelle. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 3 Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer _______________________________________________________________________________ 6.2.2 Linsenchirurgie Den wesentlichen Schritt zur intraokularen Implantologie vollzog Sir Harold Ridley mit der Implantation der ersten Intraokularlinse (IOL) zur Aphakiekorrektur, eine Entwicklung, die durch Fyodorov, Binkhorst und Worst durch die Hinzufügung von Haptiken zur Optikverankerung wiederum zur praktischen Nutzbarkeit weitergeführt wurde. Parallel hierzu wurden u.a. von Saunders/Retzlaff/Kraff (SRK/T), van der Heijde, Hoffer (HofferQ), Haigis (Haigis), Holladay (Holladay) Formeln entwickelt, die die Berechnung der erforderlichen Intraokularlinsenstärke zur Erreichung eines definierten Refraktionsziels ermöglichten. In den späten 1990er Jahren kamen die ersten multifokalen Intraokularlinsen auf den Markt, deren Optikdesign darauf ausgelegt ist, die fehlende Akkommodation bei Pseudophakie funktionell zu ersetzen. Die Entwicklung von akkommodierenden IOL, die die natürlichen Strukturen zur Akkommodation nutzen könnten, hat bislang keine funktionell nachhaltig befriedigenden Resultate ergeben. Der heutige Standard zur bestmöglichen Simulation des Seheindrucks eines emmetropen akkommodationsfähigen Auges wird definiert durch diffraktive trifokale (bei Bedarf trifokal-torische) Linsen, mit denen ein weitestgehendes Maß an Brillenunabhängigkeit für viele Sehanforderungen erreicht werden kann. Als rein refraktivchirurgische IOL sind schließlich neben den oben beschriebenen Pseudophakie-IOL die phaken IOL zu nennen, die bereits seit Mitte der 1980er Jahre (Worst-Fechner Irisklauenlinse) zur Korrektur hoher Fehlsichtigkeiten zur Verfügung stehen und deren Design und Modelle im Verlauf weitere Differenzierung erfahren haben. Seite 4 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer ________________________________________________________________________________ 6.3 Prinzipien der Refraktiven Chirurgie Refraktive Chirurgie ist wie kaum ein anderes Gebiet chirurgischer Disziplinen durch die Anforderung an Perfektion hinsichtlich Vorhersagbarkeit des Ergebnisses, Sicherheit des Verfahrens und Dauerhaftigkeit des Erfolgs gekennzeichnet. Daher stellen dies auch typische Kriterien dar, die sich in der wissenschaftlichen Analyse und Evaluation refraktivchirurgischer Verfahren finden. Die Vorhersagbarkeit bezieht sich dabei auf mehrere Bedeutungsebenen: Erstens auf das chirurgische Ergebnis der Veränderung von Gewebestrukturen, z.B. der Abtrag von Hornhautgewebe oder die Entfernung der kristallinen Linse mit Ersatz durch eine künstliche Linse. Zweitens auf die dadurch erzeugte Änderung der Brechkraft der betroffenen anatomischen Einheit (Hornhaut, Linse) und damit des Auges insgesamt, was der eigentliche inhaltliche Kern einer Behandlung ist. Schließlich auf die durch die Ergebnisse dieser eben genannten Ebenen hervorgerufene Änderung des Seheindrucks des Patienten. Bei der Indikationsstellung muss der Refraktivchirurg diese Kategorien in jeweils gleicher Weise berücksichtigen und sich den hohen Erwartungen des Patienten in Bezug auf das angestrebte Ergebnis stellen. Während im Bereich der kurativen Medizin, wo es um die Behandlung krankhafter Zustände des Patienten geht, auch graduelle Verbesserungen als vorteilhaft erlebt werden ist für Patienten der refraktiven Chirurgie typischerweise die Erreichung der vollständigen „Brillenfreiheit“ das vollständig dominierende Ziel. Vom Refraktivchirurgen wird nicht selten eine Garantie in dieser Hinsicht gefordert, welche jedoch seriöserweise nicht gegeben werden kann. In dieser Hinsicht ist Wert auf die Feststellung zu legen, dass auch refraktivchirurgische Eingriffe wie digital assistierte Gewebsablation (PRK, LASIK) den grundsätzlichen Unwägbarkeiten der Behandlung lebendiger biologischer Strukturen unterliegen. Gleichwohl erfolgen die Anstrengungen der Optimierung und Innovation refraktivchirurgischer Operationen stets ganz wesentlich unter dem Aspekt der Maximierung der Vorhersagbarkeit des vom Patienten wahrgenommenen Ergebnisses ausgerichtet. Ähnliches gilt für die Kategorie der Sicherheit des Verfahrens refraktivchirurgischer Operationen. Da refraktivchirurgische Operationen typischerweise nur mit der Ausgangssituation eines vollständig gesunden Auges erfolgen, ist die Abwägung von bekannten bzw. zu erwartenden Risiken und Chancen besonders kritisch vorzunehmen. Patienten erwarten berechtigterweise bei diesen Operationen eine äußerste Minimierung von Risiken bei gleichzeitiger äußerster Maximierung der Chancen. Es ist wichtig, Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 5 Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer _______________________________________________________________________________ dass im präoperativen Aufklärungsgespräch das Verständnis einer realistischen Einschätzung dieser Möglichkeiten beim Patienten herbeigeführt wird und dies in einer detaillierten Dokumentation festgehalten wird. Dies umsomehr, als Patienten andernfalls versucht sein können, das Eintreten einer Komplikation unmittelbar mit einem schuldhaft fehlerhaften Handeln des Refraktivchirurgen gleichzusetzen, um hieraus die Forderung finanzieller Ansprüche gegen den behandelnden Arzt abzuleiten. Schließlich ist die langfristig gleichbleibende Wirkung der refraktivchirurgischen Operation von ebenso großer Bedeutung wie die vorgenannten beiden Kategorien (Ergebnisstabilität). Auch dieser Aspekt erfährt bei der Refraktivchirurgie eine besondere Zuspitzung, insofern sich die Dauerhaftigkeit auf Zeiträume mehrerer Jahrzehnte erstreckt. Zwei wesentliche Ausgangsbedingungen spielen – insbesondere bei der Hornhautchirurgie - für die Erreichung des Ziels eine Rolle: die prä- und die postoperative Gewebsstabilität. Nur wenn das Bulbuswachstum sicher vollständig abgeschlossen ist, kann es gelingen, durch corneale Gewebsablation eine dauerhafte Änderung der Refraktion zu erzeugen. Die vom Patienten berichtete Historie der Änderung der Brillenstärke (sollte seit ca. 2 Jahren stabil sein) spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Beachtung des Patientenalters (Refraktionsänderungen bis ca. zum 30. Lebensjahr erwartbar) und die Höhe des bestehenden Refraktionsfehlers sowie der Lebensumstände des Patienten: Bei einer geringen oder moderaten Myopie mit mehrjähriger Stabilität ist beispielsweise tendenziell ein geringeres Progressionsrisiko in der späten dritten Lebensdekade anzunehmen, als z.B. bei einer hohen Myopie mit veränderlichen Werten in der unmittelbaren Vorgeschichte. Bezüglich der Lebensumstände zeigt die Erfahrung, dass z.B. bei jungen Patienten Phasen intensiver Naharbeit (Prüfungsphase eines Studiums) mit dem Potenzial der Progression einer moderaten bis hohen Myopie einhergehen können. Solche Überlegungen gilt es für den Refraktivchirurgen bei der Indikationsstellung für einen Eingriff und seine zeitliche Einordnung zu berücksichtigen, um der Erfordernis einer langfristigen Ergebnisstabilität genügen zu können. Ebenso ist, insbesondere bei ablativer Hornhautchirurgie zu berücksichtigen, dass nach erfolgter Operation ausreichend residuales Stroma vorhanden ist, um nach Maßgabe der bekannten Wahrscheinlichkeiten einen postoperativen Stabilitätsverlust zu vermeiden. Seite 6 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer ________________________________________________________________________________ Hierfür gilt eine Reststromadicke von 250 µm als absolutes Minimum, allerdings sind in der Praxis 300µm als geforderter Minimalwert etabliert. Eine zu dünnes Reststroma nach myoper Ablation kann mittel- bis langfristig die mechanische Stabilität der Hornhaut beeinträchtigen, was sich funktionell in einer Regression der Refraktion und anatomisch in einer Keratektasie äußern kann. Bei hyperoper Ablation spielt die Regeneration des Epithels mit reaktiver Hypertrophie eine Rolle bei der mittelfristigen Regression in Richtung der ursprünglichen Refraktion. Dies stellt zwar im Gegensatz zur Keratektasie keine schwerwiegende Komplikation dar (berührt also nicht den Sicherheitsaspekt), beinhaltet aber aus Patientenperspektive das Abklingen des Effekts der Behandlung im Zeitverlauf. Die Zunahme der Hyperopie im Rahmen des Altersfortschritts durch nachlassende Akkommodationsfähigkeit der Linse mit daran gekoppelter Reduktion des Effekts einer hyperopen Photoablation der Hornhaut wird ebenso vom Patienten als Nachlassen des Operationsergebnisses empfunden. 6.4 Indikationsstellung und Einordnung refraktivchirurgischer Eingriffe Hinsichtlich der Indikationsstellung lassen sich refraktivchirurgische Behandlungen im wesentlichen in zwei Hauptkategorien unterscheiden: Wenn ein Patient a priori den Wunsch entwickelt, von der Notwendigkeit der Zuhilfenahme externer Sehhilfen für seine Lebensführung befreit zu werden und sich aus diesem Grund einem operativen Eingriff unterziehen möchte, handelt es sich dabei um eine rein optionale bzw. fakultative Indikationsstellung. Das bedeutet, dass kein primär medizinischer Anlass vorliegt, aus dem heraus überhaupt eine Operation oder Behandlung zu dem jeweiligen Zeitpunkt erforderlich ist (=nicht medizinisch erforderlich). Gleichzeitig jedoch erfolgt die Indikationsstellung unter dem Gesichtspunkt medizinischer Sinnhaftigkeit (=medizinisch sinnvoll), insofern bei klar definierter Diagnosesituation unter für Patient und Chirurg annehmbarem Risiko-Chancenprofil der Eingriff mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das gewünschte Ergebnis herbeiführen kann. Eine solche Indikationsstellung ist vergleichbar mit derjenigen für die Verwendung oraler Kontrazeptiva oder für die rein ästhetische plastisch-chirurgische Mamma-Augmentation. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 7 Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer _______________________________________________________________________________ Es ist im Unterschied zu diesen Situationen gleichwohl wichtig, dass ein refraktivchirurgischer Eingriff stets eine Maßnahme zur nachhaltigen funktionellen Optimierung des Organsystems darstellt und nicht, wie in den genannten Beispielen passager eine eigentlich pathologische Situation herbeigeführt wird (sekundäre Anovulation) oder eine äußerlich erkennbare, vom Patienten als ästhetisch vorteilhaft bewertete, jedoch funktionslose oder sogar funktionseinschränkende Veränderung (Brustvergrößerung) erzielt werden soll. Eine Unterart dieser Indikationsklasse kann erkannt werden, wenn der Wunsch des Patienten aus einer subjektiv empfundenen Unverträglichkeit bzw. NichtAnnehmbarkeit der bisher präferentiell verwendeten Sehhilfe entspringt. Dies kann beispielsweise der Fall sein bei sog. Kontaktlinsenunverträglichkeit, z.B. durch eine Imbalance der Oberflächenbenetzung oder motorische oder hygienische Defizite bei der Handhabung der Linsen. Wenn in einer solchen Situation die Fehlsichtigkeit in einem Maße ausgeprägt ist, dass beispielsweise bei Verwendung einer Brille das visuelle Potenzial der Augen nur unzureichend genutzt werden kann, kann die Komponente einer medizinischen Erfordernis für die Indikationsstellung hinzukommen. Um eine Verwischung der Grenzen zwischen den Kategorien „medizinisch erforderlich und sinnvoll“ und „medizinisch nicht erforderlich, jedoch ad libitum medizinisch sinnvoll“ zu vermeiden, ist es in der dargestellten Situation unumgänglich, die Ausprägung der die Unverträglichkeit begründenden Einschränkungen sicher zu objektivieren. Darüber hinaus muss eine Gewichtung der Einzelkomponenten erfolgen (Wunsch vs. Erfordernis), um zu einer überwiegenden Indikationsmomentums zu gelangen. Seite 8 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Einschätzung des Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer ________________________________________________________________________________ Die Abgrenzung zur zweiten Indikationsklasse ist damit bereits angedeutet: Eine intrinsische medizinische Notwendigkeit für die Durchführung einer refraktivchirurgischen Behandlung kann bestehen, wenn es schlechthin unter Anwendung konservativer Maßnahmen nicht möglich ist, das visuelle Potenzial eines Patienten für ihn nutzbar zu machen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein extremer sphärischer oder cylindrischer Refraktionsfehler, insbesondere mit deutlichen Unterschieden zwischen beiden Augen besteht, der sich mittels einer Brille oder Kontaktlinsen nicht oder nur unzureichend korrigieren lässt. Solche Ausgangsbefundsituationen finden sich nicht selten nach okulären Traumata, vorausgegangenen (größeren) ophthalmo- chirurgischen Eingriffen oder primären Pathologien des Auges: Hoher Astigmatismus bei Z.n. penetrierender Keratoplastik, extreme Sicca- Symptomatik bei genuin pathologischer Benetzungsstörung, bei Aphakie und Hornhautnarben, komplizierte Katarakt nach Vitrektomie bei jungen Patienten können beispielsweise solche Situationen sein, in denen eine refraktivchirurgische Behandlung unter medizinischem Aspekt erforderlich erscheinen kann. Nicht selten kann sich eine solche Indikationssituation ergeben, wenn es um die Abfolge mehrerer Eingriffe oder um kombinierte Behandlungen beider Augen geht. Die inhaltlich klare Einordnung in die genannten Indikationsklassen und die Analyse zugrundeliegender Befunde sowie Überlegungen ist u.a. unter juristischem Aspekt von großer Bedeutung. Hiermit verknüpft sind nicht selten Fragen der Zuständigkeit für die Übernahme der Behandlungskosten. Die Indikationsstellung wird jedoch auch im Falle des Eintretens von Komplikationen bezüglich Schadensersatzforderungen kritisch hinterfragt. Im SGB V ist der Umfang der zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch zu nehmenden medizinischen Leistungen auf medizinische wirksame Leistungen im für den Versicherten notwendigen Ausmaß unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes beschränkt. Im Rahmen der privaten Krankenversicherung können fakultativ zwischen Versichertem und Krankenversicherung darüberhinausgehende Leistungsbereiche vereinbart werden. Es ist refraktivchirurgische üblich, dass Behandlungen private explizit von Krankenversicherungen der Leistungspflicht ausnehmen. Dies ist aus dem oben dargelegten verständlich, insofern solche Behandlungen nicht dem primären Kriterium medizinischer Erfordernis zur Behandlung einer bestehenden Erkrankung oder der Abwendung des Risikos einer absehbaren krankhaften Situation entsprechen. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 9 Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer _______________________________________________________________________________ Die höchstrichterliche Beurteilung des Begriffs der medizinischen Notwendigkeit in Bezug auf Leistungspflicht privater Krankenversicherungen folgt einer mehr als drei Jahrzehnte alten Feststellung des Bundesgerichtshofs: „Medizinisch notwendig ist eine Heilbehandlung, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen“. Dies stellt zwar logisch einen Zirkelschluss dar, insofern zunächst die Notwendigkeit mit der Notwendigkeit begründet wird. Jedoch liegt in dieser Definition auch der explizite Bezug auf die zeitliche Zuordnung einer medizinischen Behandlung auf den vorherrschenden Wissensstand. Bei sphärischen und cylindrischen Refraktionsfehlern des Auges handelt es sich, ebenso wie bei Presbyopie in erster Näherung nicht um krankhafte Zustände. Vielmehr stellen diese Situationen zunächst lediglich Abweichungen von einem als optimal bewerteten biologischen Wert dar. Presbyopie ist sogar eine nahezu regelhafte altersassoziierte Veränderung mit ca. 100% Manifestationswahrscheinlichkeit bis zum 55. Lebensjahr. Die Tatsache, dass die Diagnosen mit eigenen Codes im Rahmen der International Classification of Diseases (ICD-10) bezeichnet sind, darf nicht als Zuerkennung eines eigentlichen Krankheitswertes missverstanden werden. Die chirurgische Korrektur von Myopie, Hyperopie, Astigmatismus und Presbyopie stellt mithin per definitionem keine Leistung dar, die den Kriterien von medizinischer Erfordernis entsprechen kann. Wenn z.B. darüber hinaus bei einem Patienten eine suboptimale Benetzungssituation der Augenoberfläche i.S. eines SiccaSnydroms mit resultierender Kontatklinsenunverträglichkeit besteht, ergibt sich aus dieser „Pathologie“ auch nicht unmittelbar eine Behandlungsindikation für die, das Tragen von Kontaktlinsen erforderlich machender Myopie. Seite 10 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer ________________________________________________________________________________ Die darstellten Gesichtspunkte bezüglich der Zuerkennung medizinischer Erfordernis spielen eine wesentliche Rolle bei gutachterlichen Fragestellungen. Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Patienten der Refraktivchirurgie und ihren Krankenversicherungen drehen sich nicht selten um die Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Operation auf der die seitens des Patienten interpretierte Leistungspflicht der Versicherung begründet wird. Nicht selten wünschen Patienten vor einer Operation vom Refraktivchirugen eine schriftliche Bestätigung, dass der angestrebte und empfohlene Eingriff aufgrund medizinischer Erfordernis erfolge. Da hiervon bisweilen die Entscheidung zur „Buchung“ der Operation durch den Patienten abhängt, wäre eine solche Feststellung zwar für Patient und Refraktivchirurg von Nutzen, jedoch zu Lasten des Versicherungsträgers. Eine leichtfertige Ausfertigung von diesbezüglichen ärztlichen Bescheinigungen stellt daher eine Verletzung der Objektivitätspflicht dar. Einer kritischen Analyse seitens eines kompetenten Fachgutachters halten Angaben wie eine behauptete Kontaktlinsen- unverträglichkeit, empfundene Einschränkung des Gesichtsfelds durch Brille oder plötzliche Druckulzera durch Brillenbügel nicht stand, sofern nicht objektive, nachvollziehbare und glaubhafte Befunde zum Beleg dienen können. Im äußersten Fall kann sich aufgrund unkorrekter oder irreführender Angaben bei einem ärztlichen Befundbericht die Situation von einer zivilrechtlichen Leistungsklage strafrechtliche des Versicherten Anklage wegen gegen seine versuchten Versicherung in eine Versicherungsbetrugs des Versicherten und des Refraktivchirurgen verkehren. Der Refraktivchirurg hat daher strikt auf Objektivität bei der Berichtslegung und bei der Beurteilung von Befunden zu achten und ist gut beraten, sich nicht zum Handlanger finanzieller Interessen des Patienten, auch wenn diese den eigenen entsprechen mögen, machen zu lassen. Korrespondenzadresse des Autors: PD Dr. Urs Voßmerbäumer, MSc, FEBO, DIU Leiter Refraktive Chirurgie & ambulantes OP Zentrum Oberarzt, Vitreoretinale Chirurgie Universitäts-Augenklinik Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz [email protected] Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 11 Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier ________________________________________________________________________________ 7 VITREOMAKULÄRE ERKRANKUNGEN 7.1 Glaskörper und vitreoretinaler Übergang ................................. 2 7.1.1 Molekulare Zusammensetzung des Glaskörpers .......................... 2 7.1.2 Die vitreoretinale Grenzfläche an der Makula ............................... 2 7.1.3 Die hintere Glaskörperabhebung (HGA) ....................................... 2 7.1.4 Anormale hintere Glaskörperabhebung (AHGA) ........................... 3 7.2 Idiopatische traktive Makulopathien ......................................... 4 7.2.1 Makulaforamen (durchgreifendes Makulaforamen) (MH, FTMH) .. 4 7.2.2 Makulaschichtforamen und Pseudoforamen ................................. 8 7.2.3 Epiretinale Gliose ....................................................................... 10 7.2.4 Vitreomakuläres Traktionsyndrom (VMTS) ................................. 12 7.2.5 Myope, traktive Makulopathie ..................................................... 14 7.2.6 Traktionsbedingtes Makulaödem bei Diabetes, RVV .................. 15 7.3 Pharmakologische Vitreolyse ...................................................16 7.3.1 Hintergrund................................................................................. 16 7.3.2 Zulassungsstudien ...................................................................... 16 7.3.3 Indikation zur therapeutischen intravitrealen Anwendung von Ocriplasmin (Jetrea®) .................................................................. 17 7.3.4 Therapieoptionen bei VMT mit und ohne Makulaforamen ........... 19 7.4 Literatur ......................................................................................23 7 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 1 Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier _______________________________________________________________________________ 7.1 7.1.1 Glaskörper und vitreoretinaler Übergang Molekulare Zusammensetzung des Glaskörpers [3,48,52,55,59] Wasser: 98% Kollagen: Verhältnis 75 % Typ II (Umhüllung) Verhältnis 10 % Typ V/XI (fibrillärer Kern) Verhältnis 15 % Typ IX (äußerste Oberfläche) Glycosaminoglykane (GAG): Hyaluronsäure >90%, Chondroitinsulfat <10% 7.1.2 Die vitreoretinale Grenzfläche an der Makula = Adhäsionsfläche zwischen hinterer Glaskörperrinde und der Membrana Limitans interna (ILM) der Retina. Die vitreoretinale Grenzfläche ist wichtig in Bezug auf die physiologische und pathologische vitreomakuläre Adhäsion (VMA) [48,55,59]. Der vitreomakuläre Übergang ILM (Kollagen Typ IV) Glaskörperrinde (Kollagen Typ II, IX, Hybrid von Typ V/XI) ILM assoziierte Moleküle Laminin, Fibronectin und Chondroitin wirken als “Matrixklebstoff” und weisen eine hohe Affinität zu Kollagen auf [46,48,55,59]. 7.1.3 Die hintere Glaskörperabhebung (HGA) Glaskörperverflüssigung (Synchisis) sowie die Schwächung der vitreoretinalen Adhäsion und Glaskörperkollaps (Syneresis) müssen simultan ablaufen [48,55,59]. Stadien der “altersabhängigen” hinteren Glaskörperabhebung (HGA) Die HGA verläuft schrittweise und läßt sich in nach Uchino (2001) in 5 Stadien einteilen [67]: Stadium 0: keine HGA. In diesem Stadium ist weder in der horizontalen noch in der vertikalen Schnittebene ein diskretes lineares Signal der Glaskörpergrenze auf den OCT Aufnahmen zu sehen. Stadium 1: fokale perifoveale HGA. Dieses Stadium zeigt eine inkomplette HGA in 1-3 Quadranten perifoveal mit persistierender Adhäsion an der Fovea, am N. Opticus und in der mittleren Peripherie. Stadium 2: HGA perifoveal in allen Quadranten mit peristierender Adhäsion an der Fovea, am N. Opticus und in der mittleren Peripherie. Seite 2 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier ________________________________________________________________________________ Stadium 3: HGA der hinteren Glaskörpergrenze von der Fovea persistierender Adhäsion am N. opticus und mittelperipher. mit Stadium 4: komplette HGA mit biomikroskopischem Nachweis einer Abhebung der hinteren Glaskörpergrenze und sichtbarem Weiss Ring. In diesem Stadium ist meist kein diskretes, lineares Signal der Glaskörpergrenze nachweisbar, da dieses Signal ausserhalb der Detektionsgrenze des OCT liegt. 7.1.4 Anormale hintere Glaskörperabhebung (AHGA) Die Glaskörperverflüssigung muss mit einer ausreichenden Schwächung der vitreoretinalen Grenzfläche erfolgen. Ist dies nicht der Fall, so kann es zu einer anormalen HGA kommen [48,53,55,59]. Vitreomakuläre Adhäsion (VMA): Adhäsionsbereiche zwischen Glaskörperrinde und Fovea aufgrund anormaler HGA Mögliche Konsequenzen: Makulaforamen, epiretinale [26,55,59]. Membran (ERM), VMT, DME?, Andere Formen der vitreoretinalen Separation: Separation der ILM zusammen mit einer Abhebung Glaskörperrinde „Vitreoschisis“: Separation innerhalb der Glaskörperrinde der N-AMD? hinteren Abb. 1: Schema: Folgen einer AHGA (modifiziert nach J. Sebag 2010) [33,34,59]. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 3 Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier _______________________________________________________________________________ 7.2 Idiopatische traktive Makulopathien Sowohl antero- posteriore als auch tangential gerichtete vitreoretinale Traktionen sind von entscheidender Bedeutung. Mechanische Zugkräfte entwickeln sich sowohl aus: persistierenden Adhärenzen des Glaskörpers im Rahmen einer partiellen HGA bei epiretinalen Zellproliferationen Eine inkomplette HGA eine sogenannte Vitreoschisis mit Verbleib von Glaskörperkollagen der Glaskörperrinde an der vitreoretinalen Grenzfläche spielt dabei eine wichtige Rolle [26,49,55,57,59] (siehe Abb. 1): Sekundäre traktive Makulopathien: Trauma, intraokulare Entzündung, Netzhautablösung, Laser- oder Kryobehandlung, intraokulare Voroperation. Müller- Zellen werden durch mechanische Traktion aktiviert und könnten durch Aktivierung, Migration und Proliferation von retinalen Gliazellen die Ausbildung epiretinaler Zellproliferationen hervorrufen [16,26,49]: • • • • • • Makulaforamen Makulaschichtforamen und Pseudoforamen Epiretinale Gliose (Epiretinale Membran = ERM) (bestehend aus Fibroblasten, Myofibroblasten, Gliazellen) VMTS VMT bei hoher Myopie Traktionsbedingtes Makulaödem bei Diabetes mellitus, anderen retinalen Gefäßerkrankungen oder inflammatorischen Prozessen Klinisches Bild: Visusminderung und Metamorphopsien kennzeichnen in variabler Ausprägung die subjektiven Beschwerden der Patienten mit traktiven Makulaveränderungen [49,65]: 7.2.1 Makulaforamen (durchgreifendes Makulaforamen) (MH, FTMH) = vollständiges Netzhautforamen im Foveabereich durch vitreale Traktion mit oder ohne HGA manchmal assoziiert mit epiretinaler Membran (ERM) [26,68]: meist idiopathisch (auch sekundär z.B. posttraumatisch) meist Frauen ( ca. 70%) 6. bis 7. Lebensdekade Bilateral ca. 10-15% Inzidenz 3,3 : 1000 Symptomatik: - Visusminderung - Metamorphopsien - Skotom Seite 4 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier ________________________________________________________________________________ Diagnostik: - Biomikroskopie - Watzke - Allen Test, Amsler Test - Laserzielstrahl Test (50µm) - SD-OCT (Abb. 2) - Fundusautofluoreszenz (FAF) - (FLA) Abb. 2: SD-OCT: Patient mit Makulaforamen Grad III Klassifikation des Makulaforamens nach Gass: Stadium Klinisches Bild I punkt oder ringförmiger gelber Foveolar-Reflex II III IV exzentrischer fovealer Einriss Pathologische Korrelation Foveale Abhebung aufgrund einer tangentialen Traktion Tangentiale Traktion an der Fovea Zentraler retinaler runder oder ovaler Defekt mit retinaler Defekt abgehobenen > 400 µm Rändern: „Operculum“ Runder oder ovaler retinaler Defekt Zentraler retinaler Defekt mit abgehobenen Rändern „Operculum“ Status des GK anliegend anliegend Prämakuläre Abhebung ohne „Weiss“- Ring Hintere GlaskörperAbhebung mit „Weiss“- Ring Tab. 1: Klassifikation des Makulaforamens nach Gass 1988 [19,20]: (Gass: Tangentiale Traktion primäre Ursache) Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 5 Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier _______________________________________________________________________________ Die Entstehung des idiopathischen Makulaforamens wurde in den vergangenen Jahren kontrovers diskutiert. Gass postulierte 1988, dass eine tangentiale Traktion entlang der vitreoretinalen Grenzfläche für die Entwicklung idiopathischer Makulaforamina verantwortlich sei. Heute wird vorrangig der anterioposterioren dynamischen Glaskörpertraktion die primäre Rolle bei der Pathogenese der Rissentstehung innerhalb der Fovea zugeschrieben. Histologische Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass bei praktisch allen Makulaforamina epiretinale Zellen an der inneren Grenzmembran vorhanden sind. Die epiretinalen Zellproliferationen sind allerdings durch klinische Untersuchungsmethoden und bildgebende Verfahren in vivo häufig nicht darstellbar und können erst durch histopathologische Untersuchungen von chirurgisch exzidierten Präparaten der ILM sichbar gemacht werden [26,49]: Die Foramengröße kann zwischen 100 µm und > 800 µm schwanken. Der Visus beträgt je nach Grad des Makulaforamens meist 0,1 bis 0,2, kann aber auch 0,5 und besser betragen. Die Klassifikation nach Gass war lange Zeit die Grundlage der klinischen biomikroskopischen Einteilung der Makulaforamina. Aufgrund der detaillierteren Darstellbarkeit des vitreoretinalen Überganges im SD-OCT wurde eine neue Klassifikation vorgenommen, die die Pathologien des vitreoretinalen Überganges noch genauer erfasst und eine weitere therapierelevante Differenzierung erlaubt (Tab. 2). Klassifikation Vitreomakuläre Adhäsion (VMA) Vitreomakuläre Traktion (VMT) Beschreibung • • • • • • Durchgreifendes Makulaforamen (FTMH) • • • • • Fokal (≤ 1500 μm) oder breit (> 1500 μm) Isoliert oder begleitend (mit anderen okulären Erkrankungen) Keine strukturellen Veränderungen in der Netzhaut Fokal (≤ 1500 μm) oder breit (> 1500 μm) Isoliert oder begleitend (mit anderen okulären Erkrankungen) Strukturelle Veränderungen in der Netzhaut Klein (≤ 250 μm) mittel (> 250 μm and ≤ 400 μm) groß (> 400 μm) Mit oder ohne VMT Primär oder sekundär (durch andere okuläre Erkrankungen) Tab. 2: Klassifikation der vitreomakulären Adhäsion (VMA), der vitreomakulären Traktion (VMT) und des durchgreifenden Makulaforamens (Full thickness macular hole = FTMH) nach Duker JS et al. Ophthalmology 2013 [12] Seite 6 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier ________________________________________________________________________________ 7.2.1.1 Makulaforamen - Therapie 1991 erster Bericht über eine chirurgische Therapie des Makulaforamens: Kelly NE, Wendel RT: Vitreous surgery for idiopathic macular holes. Results of a pilot study. Arch Ophthalmol 1991: 654-9, [27]. Therapieprinzipien • Vitrektomie • Entfernung der GK-Rinde (Induktion hintere GK- Abhebung) • ILM- Entfernung, meist unter Benutzung von Farbstoffen • Gastamponade • Positionierung zum Foramenverschluß durch Gas Der derzeitige Standard in der chirurgischen Behandlung des Makulaforamens ist die transkonjunktivale nahtlose Pars plana Vitrektomie (23G/25G) mit Induktion der hinteren Glaskörperabhebung, Entfernung von epiretinalen Membranen sowie der Membrana Limitans interna (ILM), Gastamponade und postoperativer Positionierung zum Verschluß des Foramens [26,49], (Abb. 3 a,b). Für eine vollständige Entfernung der traktiven Kräfte an der Netzhautoberfläche ist eine Entfernung der beiden Komponenten der vitreoretinalen Grenzschicht notwendig • • Glaskörper und fibrozelluläre Proliferation ILM Eine komplette mechanische Entfernung des gesamten epiretinalen Gewebes ist ohne Entfernung der ILM nicht möglich. Entfernung der ILM: [11,26,49]: • • • möglichst komplette Entlastung von Traktionen Verhinderung von Rezidiven Optimierung der Sehschärfe Anwendung intravitrealer Farbstoffe Die Anwendung intravitrealer Farbstoffe während der Vitrektomie ermöglicht die innere Grenzmembran zu visualisieren. Dadurch ist das Entfernen der ILM für den Operateur erheblich leichter und für den Patienten sicherer geworden [11,26,49]. Indozyaningrün (ICG) ICG färbt die ILM selektiv an. Es ergaben sich jedoch zahlreiche Hinweise, dass ICG-retinotoxisch sein könnte. Nach ICG-assistiertem Peeling der inneren Grenzmembran wurden u. a. Gesichtsfelddefekte, Visusminderungen und Optikusatrophien beobachtet [23,49]. Daher wurde die ILM-Kontrastierung mit ICG weitgehend verlassen. Brilliantblau Seit einiger Zeit steht mit dem intravitrealen Farbstoff Brilliantblau eine Alternative zu ICG zur Verfügung. Bei der Makulaforamenchirurgie und der Vitrektomie der epiretinalen Gliose wird Brilliantblau in der Konzentration 0,25 mg/ml verwendet und weist dabei bisher keine toxischen Eigenschaften auf [49]. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 7 Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier _______________________________________________________________________________ Brilliantblau färbt die ILM ausreichend selektiv an, wenn auch weniger stark verglichen mit ICG. Ziel sollte es immer sein so wenig intravitrealen Farbstoff wie möglich zu verwenden, denn jeder Farbstoff könnte theoretisch dosisabhängig derzeit noch unbekannte retinale Schädigungen verursachen [23,49]. Die Verschlußrate bei großen Makulaforamina (>400µm) ist deutlich geringer (ca. 80%). Durch eine Modifikation der operativen Technik läßt sich auch bei großen Foramina die Verschlußrate erhöhen. Hierbei wird die ILM nicht vollständig entfernt, sondern über eine Gewebebrücke am Foramenrand mit der vitrealen Seite in das Foramen positioniert (Invertierte ILM-Flap Technik). Dadurch erreicht man Verschlußraten von >95% auch bei großen prognostisch ungünstigen Foramina [39]. Abb. 3 a, b: Patient mit Makulaforamen Grad IV: Präoperativ (a, oben) Visus = 0,3. Postoperativ (b, unten) Visus = 1,0 Mit der Zulassung von Ocriplasmin (Jetrea®) ist auch eine pharmakologische Therapie des Makulaforamens möglich: Die Indikation zur pharmakologischen Vitreolyse besteht für Makulaforamina < 400 µm mit vitreomakulärer Traktion (VMT). Das Ziel ist eine simultane GK-Verflüssigung und GK-Abhebung mit Lösung der VMA. In den Phase 3 Studien zeigte sich bei 40,6% ein Verschluss des MF nach Ocriplasmin (Jetrea®) [61]. (Siehe Kapitel Pharmakologische Vitreolyse.) 7.2.2 Makulaschichtforamen und Pseudoforamen Das Makulaschichtforamen (engl. Lamellar Hole, LH) ist charakterisiert durch eine dünne irreguläre Fovea, eine Unterbrechung der inneren Foveakontur ohne dass ein durchgreifender fovealer Defekt vorliegt, sowie eine Zunahme der zentralen Makuladicke [44], (Abb. 4a). Seite 8 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier ________________________________________________________________________________ Die Pathogenese des Makulaschichtforamens ist unklar, meist wenn nicht immer ist eine ERM vorhanden. Der Mechanismus der Entstehung eines Makulaschichtforamens ist vermutlich ähnlich wie bei einem Pseudoforamen [44]. Allerdings besteht beim Pseudoforamen eine normale zentrale Makuladicke und es sind keine zystischen Räume oder Dehiszenzen zwischen inneren und äußeren Netzhautschichten sichtbar [44], (Abb. 5). Beim Makulaschichtforamen zeigen sich in der Regel intakte foveale Photorezeptoren. Klinisch bleibt meist eine relativ gute Sehschärfe erhalten, eine Operation ist jedoch indiziert, wenn der Visus und die Metamorphopsien sich im Verlauf verschlechtern. Das epiretinale Gewebe beim Makulaschichtforamen (MSF) unterscheidet sich von einer ERM wie etwa beim Pseudoforamen [7]. Man findet beim Makulaschichtforamen oft ein Gewebe, das als Lamellar Hole associated Epiretinal Proliferation (LHEP) bezeichnet wird. Dieses Gewebe scheint kaum kontraktilen Eigenschaften zu haben und es findet sich anders als im Bereich einer konventionellen ERM keine retinalen Falten [7]. Da die postoperative Visusprognose beim MSF weniger aussichtsreich ist als beim Pseudoforamen, sollte man insbesondere bei noch intakten Außenschichten im OCT zuwarten. Abb. 4a: MultiColor-SD-OCT, Patient mit Makulaschichtforamen: epiretinale Membran, fovealer nicht durchgreifender Defekt, intraretinale Zysten, intakte Photorezeptorenschicht Abb. 4b: SD-OCT bei Makulaschichtforamen mit Lamellar Hole associated Epiretinal Proliferation (LHEP), nicht durchgreifender fovealer Defekt, veränderte Reflektivität der fovealen Netzhautaußenschichten (Visus 0,3) Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 9 Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier _______________________________________________________________________________ Abb. 5: MultiColor-SD-OCT, Patient mit Pseudoforamen: epiretinale Membran, fovealer nicht durchgreifender Defekt, steile foveale Kontur, keine intraretinalen Zysten 7.2.3 Epiretinale Gliose [69] Fibrozelluläre epiretinale Membranen im Bereich idiopathisch, sekundär Trauma, NH- Defekte usw.) der Makula (meist Histologie: Fibroblasten, Myofibroblasten, RPE- Zellen, Astrozyten, Makrophagen, Kollagen • • • 7.2.3.1 • • • Frauen häufiger betroffen 20% bilateral über 50- jährige: ca. 6 % betroffen Einteilung der Epiretinalen Membranen (ERM) nach Gass [21]: Grad 0: Zellophan-Makulopathie Grad 1: faltige Zellophan-Makulopathie („surface wrinkling“) Grad 2: Macular Pucker Kontraktile Filamente epiretinaler fibrozellulärer Proliferationen sind für die Ausbildung von Netzhautfalten verantwortlich [21,49]. 7.2.3.2 Symptome und Morphologie Die epiretinale Gliose zeigt eine hohe klinische Variabilität. Subjektive Beschwerden und klinischer Befund werden durch Unterschiede in Ausmaß und Konstellation der epiretinalen Membranen bestimmt. Die „Zellophan-Makulopathie“ ist oft ein asymptomatischer Zufallsbefund, da die epiretinale Zellproliferation noch dünn und transparent ist und Netzhautfalten fehlen. Biomikroskopisch zeigt sich ein glitzernder Reflex an der vitreoretinalen Grenzfläche. Durch Zunahme der fibrozellulären Proliferationen, die Zellen mit kontraktilen Eigenschaften aufweisen entstehen Falten in der inneren Grenzmembran und den darunterliegenden Netzhautschichten [21,49,69], (Abb. 6). Je ausgeprägter die Netzhautfalten sind, desto mehr fühlen sich die Patienten durch Verzerrtsehen beeinträchtigt. Biomikroskopisch zeigt sich ein grau – weiß imponierendes, epiretinales Gewebe, das oft exzentrisch gelegen ist und tangentiale Traktion auf die Makula ausübt. Verstärkt sich die Traktion, kann der sog. „Makular Pucker“ Seite 10 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier ________________________________________________________________________________ entstehen, bei dem die Netzhautschichten zum Epizentrum der Membran hin verzogen sind. Außerdem können Tortuositas vasorum, Makulaödem, umschriebene Blutungen sowie CottonWoolSpot ähnliche Netzhautverdichtungen auftreten [49]. Zusätzlich kann sich klinisch ein runder, dunkelroter Reflex der Fovea zeigen, der einem durchgreifenden Makulaforamen ähnelt und als „Pseudoforamen“ bezeichnet wird. (hier Watzke- Allen- Test regelrecht) 7.2.3.3 Diagnostik • biomikroskopische Untersuchung vorrangig SD- OCT • evtl. FLA zum Abschluss weiterer retinaler Pathologien wie CNV oder Makulaischämie infolge eines retinalen Gefäßverschlusses Abb. 6: Multicolor-SD-OCT: Patient mit epiretinaler Gliose (faltige Zellophan-Makulopathie): Visus 0,6, Metamorphopsien 7.2.3.4 Therapie Die Indikation zur Vitrektomie ist dann zu stellen, wenn sich der Patient durch Visusminderung oder Metamorphopsien deutlich beeinträchtigt fühlt. Liegt eine epiretinale Membran ohne subjektive Beeinträchtigung vor, kann der Verlauf abgewartet werden, denn die Progression der epiretinalen Gliose ist wie ihre Ausprägung und Lokalisation sehr variabel [21,49,69]. Die Therapie besteht in einer Pars plana Vitrektomie mit Entfernung aller ERM’S. Dies ist meist nur in Verbindung mit der Entfernung der ILM möglich. In einer aktuellen Studie zeigten alle Patienten nach Entfernung epiretinaler Membranen und erneuter Anfärbung mit Brilliant blue noch Reste der ILM [5]. Das ILM-Peeling garantiert die Entfernung aller epiretinalen Gewebeschichten und beugt darüber hinaus auch der zellulären Reproliferation vor [23,49]. Die Visusrehabilitation kann gerade bei länger bestehender epiretinaler Gliose einige Monate bis zu über einem Jahr dauern. Ein durch die Traktion vorbestehendes Makulaödem benötigt ebenfalls Zeit um sich zu resorbieren. Bei wiederkehrender epiretinaler fibrozellulärer Proliferation ist eine erneute Operation mit Peeling sinnvoll [49]. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 11 Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier _______________________________________________________________________________ 7.2.4 Vitreomakuläres Traktionsyndrom (VMTS) Das vitreomakuläre Traktionssyndrom (VMTS) wurde erstmals 1970 von Reese et al. als seltene vitreomakuläre Erkrankung beschrieben und histologisch bestätigt [47]. Das vitreomakuläre Traktionssyndrom ist gekennzeichnet durch eine anormale partielle hintere Glaskörperabhebung (AHGA) mit persistierender Glaskörperadhäsion an der Makula. Daraus resultieren anterioposteriore und tangentiale Zugkräfte des Glaskörpers auf die foveale und parafoveale Netzhaut [59]. Die Glaskörperadhäsion bedingt eine Verdickung der Makula, ein Makulaödem und damit eine verminderte Sehschärfe. Das VMTS unterscheidet sich vom Macular Pucker (MP) dadurch, daß es keine so wellige Netzhautoberfläche zeigt, da eine axiale und keine tangentiale Traktion vorliegt [59]. Die axiale Traktion kann so stark sein, dass sie zur Abhebung der zentralen Netzhaut führt. Es zeigt sich ein zugbedingtes Makulaödem mit z.T. sehr ausgeprägter Zuahme der zentralen Netzhautdicke. Beim Vitreomakulären Traktionssyndrom (VMTS) ist der Gaskörper ohne Spaltung adhärent, während beim MP meist eine Vitreoschisis die hintere Glaskörperrinde abspaltet und die äußerste Schicht der Glaskörperrinde weiterhin auf der Makula verbleibt [55,59]. Nach dem Ausmaß der Anheftung werden eine fokale und eine breitbasige VMT unterschieden [59]. Moderne bildgebende Verfahren wie das hochauflösende Spectral Domain OCT (SD-OCT) ermöglichen einen immer detaillierteren Einblick in die retinale Mikrostruktur und den vitreoretinalen Übergang. Vitreomakuläre Adhärenzen und Traktionen und deren Auswirkung auf die Netzhaut lassen sich damit genau darstellen. Es muss allerdings eine vorsichtige und exakte Unterscheidung zwischen pathologischer (oder „symptomatischer“) vitreomakulärer Traktion (VMT) und nicht pathologischer (oder „asymptomatischer“) VMA gemacht werden. Die nicht pathologische „asymptomatische“ VMA, bei der eine persistierende Anheftung des hinteren Glaskörpers an der Makula besteht, die dabei aber keine funktionelle oder anatomische Beeinträchtigung bedingt, muß streng von der symptomatischen VMT unterschieden werden [33,48,65]. Während eine asymtomatische VMA beobachtet werden sollte, und kein Therapiebedarf besteht, bedarf eine symptomatische VMT mit Visusminderung, Auftreten von Metamorphopsien und Nachweis von strukturellen Netzhautveränderungen einer therapeutischen Intervention. Nur wenn im SD-OCT sowohl die VMT als auch eine strukturelle Veränderung der Netzhaut selbst sichtbar und mit visuellen Symptomen korrelierbar sind, ist eine Indikationsstellung für eine Intervention gegeben. Diese pathologische VMT wurde zeitweise auch als symptomatische vitreomakuläre Adhäsion (s-VMA) bezeichnet [65], (Tab. 2). Allerdings finden sich zahlreiche Variationen der vitreoretinalen Morphologie. Die VMT kommt ohne und mit klinisch relevater epiretinaler Membran vor [10]. Eine auf hochauflösenden OCT-Volumenscans basierende dreidimensionale Evaluation des vitreoretinalen Interface beim VMTS zeigte in etwa 50% der Fälle zusätzlich epiretinale Membranen [29], Abb.7. Abb. 7: SD-OCT: Patient VMTS und epiretinaler Gliose, Visus 0,2, Metamorphopsien Seite 12 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier ________________________________________________________________________________ 7.2.4.1 Epidemiologie Es gibt kaum epidemiologische Daten zum Thema. Das VMTS betrifft häufiger Frauen als Männer. Die Patienten sind zumeist älter als 60 Jahre. Es kann eine Spontanheilung eintreten, wenn es zu einer kompletten hinteren Glaskörperabhebung kommt [59]. Das hochauflösende OCT ermöglicht eine genauere Darstellung des vitreoretinalen Übergangs und struktureller Netzhautveränderungen, dadurch kann eine VMT exakter und häufiger nachgewiesen werden. 7.2.4.2 Symptome Die Symptome des VMTS sind hauptsächlich eine Reduktion der zentralen Sehschärfe mit weniger Metamorphopsien als bei Patienten mit Macular Pucker (MP) [59]. Manchmal werden Mikropsie und Photopsien berichtet [60]. 7.2.4.3 Diagnostik Funduskopie: Die binokulare stereoskopische biomikroskopische Diagnostik stellt meist eine Herausforderung dar, besonders in Fällen bei denen die vitreoretinale Anheftung breitbasig ist. Die Diagnose kann funduskopisch oft nur vermutet werden. Das SD-OCT beschreibt die vitreoretinale Morphologie in Augen mit VMTS am besten und kann zusätzliche epiretinale Membranen und das Ausmaß des Makulaödems dokumentieren. Optische Kohärenztomographie: In den letzten Jahren hat sich durch den Einsatz der hochauflösenden optischen Kohärenz- Tomographie (Spectral-domain-OCT, SD-OCT) die Rolle der persistierenden vitreoretinalen Adhäsion (VMA) bei der Entstehung zahlreicher Makulaerkrankungen wie z.B. bei dem idiopathischen Makulaforamen, vitreomakulären Traktionsyndrom, Makulaödem, feuchte Makuladegeneration (FAMD) mehr und mehr etabliert [30,33,35,59]. Die OCT-Untersuchung insbesondere mit einem hochauflösenden SpectralDomänen OCT (SD-OCT) hat sich als hilfreiches diagnostisches Instrument bei klinischem Verdacht auf ein vitreomakuläres Traktionssyndrom erwiesen [4,33]. Mit dem hochauflösenden SD-OCT lassen sich Glaskörperstrukturen, der vitreoretinale Übergang, das Ausmaß der Traktion und die Mikrostruktur aller Netzhautschichten sowie das retinale Pigmentepithel (RPE) und die Choriokapillaris sehr anschaulich darstellen (Abb. 8). Das SD-OCT erlaubt daneben eine präzise Verlaufskontrolle spezifischer Netzhautstellen. Abb. 8: Patient VMTS mit breitbasiger vitreoretinaler Adhäsion Visus 0,4, Metamorphopsien, links: SD-OCT, rechts: 3-D-Rekonstruktion der makulären Oberfläche. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 13 Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier _______________________________________________________________________________ 7.2.4.4 Verlauf Auch wenn manchmal eine spontane Lösung der vitreomakulären Traktion vorkommen kann, so zeigen die Symptome und die Zeichen der Erkrankung meist eine Progression [16,24,33,48,59]. 7.2.4.5 Therapie Eine symptomatische vitreomakuläre Traktion (VMT) wurde bis vor kurzem chirurgisch mittles transkonjunktivaler mikroinzisionaler Glaskörperchirurgie mit Induktion einer hinteren Glaskörperabhebung, Entfernung aller epiretinalen Membranen und der ILM behandelt. Mit mikroinzisionaler Vitrektomie und unter Zuhilfenahme von Vitalfarbstoffen zur Anfärbung von präretinalem Gewebe während der Vitrektomie, (d.h. mittels „Chromovitrektomie“) lassen sich die dünnen transparenten Gewebeschichten am vitreoretinalen Interface (ILM, ERM und hintere Glaskörpergrenzmembran) gut darstellen und operativ entfernen [33,38,49,64]. Die symptomatische vitreomakuläre Adhäsion mit Traktion ist ein Krankheitsbild, das durch die hochauflösende bildgebende Diagnostik darstellbarer (Abb. 9), durch neue Vitrektomietechniken mit selektiven Vitalfarbstoffen gut behandelbar ist und bei entsprechender Indikation pharmakologisch noch weniger invasiv zu therapieren ist. Abb. 9: Patient mit VMT, Visus 0,6, Metamorphopsien, vitreoretinale Traktion an der Foveola und am Papillenrand, intraretinale Zysten, Unterbrechung der äußeren Netzhautschichten 7.2.5 Myope, traktive Makulopathie Dickenzunahme der Netzhaut des hinteren Pols bei hochmyopen Augen mit hinteren Staphylom. (Häufigkeit > 16 dpt, > 29mm bis zu 34%) [42]. • • • • Seite 14 Epiretinale Membranen Retinoschisis (Foveaschisis, Makuloschisis), (Abb. 10) Makulaschichtforamen, Makulaforamen posteriore Netzhautablösung Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier ________________________________________________________________________________ Abb. 10: Myope traktive Makulopathie mit Retinoschisis SD-OCT: Pathologische Myopie mit posteriorer Ausbuchtung (Bulbuslänge 28,85 mm), ERM sowie Foveoschisis (Visus cc = 0,9) 7.2.6 • • 7.2.6.1 Traktionsbedingtes Makulaödem bei Diabetes, RVV vaskulären Retinopathien (Diabetes, RVV, Uveitis) exsudative (neovaskuläre) AMD (N-AMD) Diabetisches Makulaödem (DMÖ) Die posteriore GK- Adhäsion spielt eine Rolle bei der Entwicklung eines DMÖ bei Retinopathia diabetica (RD) [43] (Abb. 11). So zeigte sich eine strukturelle Verbesserung des DMÖ nach spontaner HGA oder nach Vitrektomie [25,43]. Die HGA bei DMÖ war mit reduzierter zentraler Netzhautdicke verbunden [13,45]. Es zeigte sich eine Verbesserung des DMÖ nach Vitrektomie bei Patienten mit und ohne vitreoretinale Traktion [25]. In einer Studie bei Patienten mit RD bestand mit DMÖ häufiger nämlich in 55% eine inkomplette HGA vs. 22,4% ohne DMÖ [45]. Abb. 11: Multicolor-SD-OCT: Patient mit diabetischem Makulaödem und vitreomakulärer Adhäsion, sowie verflüssigter prämakulärer Bursa Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 15 Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier _______________________________________________________________________________ 7.2.6.2 Neovaskuläre altersabhängige Makuladegeneration (N-AMD) und VMA Eine VMA fand sich in zahlreichen Studien bei neovaskulärer AMD häufiger als in Kontrollgruppen (Abb. 12). Eine VMA kann eine Anti- VEGF Therapie negativ beeinflussen und eine Vitrektomie kann sich bei neovaskulärer AMD postiv auswirken. Allerdings könnte theoretisch eine VMA auch Folge einer NAMD sein [30,31,35,40]. Abb. 12: Patient mit klassischer CNV und vitreomakulärer Adhäsion, links Spätphase der Fluorescein-Angiographie, rechts SD-OCT 7.3 7.3.1 Pharmakologische Vitreolyse Hintergrund Die pharmakologische Vitreolyse als intravitreale operative Medikamenteneinbringung stellt eine Möglichkeit zur Behandlung persistierender vitreomakulärer Traktionen und damit assoziierter Pathologien dar [17,48,52,58]. Die pharmakologische Behandlung muss sowohl in einer Glaskörperverflüssigung als auch in einer Lösung der vitreoretinalen Anheftungen bestehen, und dies muß synchron erfolgen. Es ist naheliegend, dass der beste Weg diese Adhäsionen zu lösen ein molekularer Mechanismus zu sein scheint und zwar pharmakologisch und nicht chirurgisch, da die Adhäsion molekularer Natur ist [55,59]. Der Begriff „Pharmakologische Vitreolyse“ bezeichnet den Einsatz von Wirkstoffen die eine Änderung des biochemischen und biophysikalischen Status der Makromoleküle herbeiführen, die für die Glaskörperstruktur und die vitreoretinale Adhäsion verantwortlich sind [17,54,56,59]. Ocriplasmin (Jetrea®) ist eine verkürzte Form der humanen Serin-Protease Plasmin und hat proteolytische Aktivität gegen Fibronectin und Laminin, die zwei Hauptkomponenten des vitreomakulären Überganges. Präklinische und klinische Studien haben gezeigt, dass Ocriplasmin eine Glaskörperverflüssigung und Glaskörperabhebung induzieren kann [9]. 7.3.2 Zulassungsstudien In den Phase 3 -Studien (MIVI- Trust Studien 006, 007) wurden 652 Augen eingeschlossen. 464 wurden mit Ocriplasmin und 166 mit Placebo behandelt. Es konnte durch die intravitreale Applikation von Ocriplasmin (125µg) zur pharmakologischen Vitreolyse bei 26,5% der Patienten mit vitreomakulärer Adhäsion eine Lösung der VMT im SD-OCT erzielt werden. Seite 16 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier ________________________________________________________________________________ Betrachtet man die kombinierten Daten der Phase 3-Studien (006 und 007) so war die pharmakologische Vitreolyse mit Ocriplasmin bei symptomatischer vitreomakulärer Adhäsion ohne epiretinale Membran (ERM) sehr viel erfolgreicher (37,4% Lösung der VMA) als bei gleichzeitig bestehender ERM (8,7% Lösung der VMA) [48]. Bei einer Ausdehnung der s-VMA von < 1500 µm zeigte sich eine Lösung der s-VMA bei 34,7% der Patienten, bei breiter VMA > 1500 µm war dies nur bei 5,9% der Fall [61]. Die Studien zeigten daneben daß es bei Patienten mit durchgreifendem Makulaforamen nach 28 Tagen in 40,6% zum Verschluß des Makulaforamens kam. Allerdings zeigten auch 10,6% der Patienten in der Kontrollgruppe einen Verschluß des Makulaforamens [61]. In der Subgruppe der kleinen Makulaforamina (<250µm) wurde in 58,3 % der Patienten nach pharmakologischer Vitreolyse ein Foramenverschluß erreicht. Die Pharmakologische Vitreolyse ist bei einigen Patienten mit symptomatischer vitreomakulärer Traktion und kleinen Makulaforamina erfolgreich und könnte künftig bei einem breiten Spektrum von Makulopathien dem diabetischem Makulaödem, neovaskulärer AMD usw. mit denen eine vitreomakuläre Traktion assoziiert ist zum Einsatz kommen. Die pharmakologische Vitreolyse könnte theoretisch künftig auch als prophylaktische Intervention bei Erkrankungen eingesetzt werden, die Veränderungen an der vitreoretinalen Grenzfläche zeigen und bei denen eine HGA wie z.B. beim DME mit einer besseren Prognose einhergeht [33,34,48,58,59]. Basierend auf den Daten der Phase 3 Studien erlangte Ocriplasmin im Oktober 2012 die Zulassung der US Food and Drug Administration (FDA) für die Behandlung der symptomatischen vitreomakulären Adhäsion (VMA). Daraufhin erfolgte in den USA die Markteinführung von Ocriplasmin (Jetrea®, ThromboGenics) im Januar 2013. In Europa wurde die Zulassungsempfehlung der European Medicines Agency (EMA) für Ocriplasmin (Jetrea®) am 17. Januar 2013 ausgesprochen, die Zulassung zur Behandlung einer vitreomakulären Traktion und kleiner Makulaforamina (< 400µm) erfolgte im März 2013. Die europäische Markteinführung von Ocriplasmin (Jetrea®) erfolgte im Mai diesen Jahres [65]. Die empfohlene Dosis beträgt 125µg in 0,1 ml zur einmaligen intravitrealen Applikation am betroffenen Auge [65]. Die Vorteile der pharmakologischen Vitreolyse bestehen in der geringeren Invasivität, d.h. weniger mit der Vitrektomie und der Anästhesie verbundenen Komplikationen der Operation, der kürzeren Operationszeit und einer evtl. geringeren Inzidenz einer Krankheitsprogression die einer chirurgischen Intervention bedarf. Die pharmakologische Vitreolyse wird allerdings in den meisten Fällen die vitreoretinale Chirurgie nicht ersetzen, sondern sie als minimal invasives pharmakologisches Zusatzinstrument bei der Therapie ergänzen. 7.3.3 Indikation zur therapeutischen intravitrealen Anwendung von Ocriplasmin (Jetrea®) [65] Die Zulassung der EMA für Ocriplasmin (Jetrea®) in Europa besteht zur Behandlung • • einer symptomatischen vitreomakulären Traktion (Abb. 13) und kleiner Makulaforamina (< 400µm) mit VMT (Abb. 14) Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 17 Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier _______________________________________________________________________________ Abb. 13: Patient mit symptomatischer vitreomakulärer Traktion (VMT), links SD-OCT, rechts 3-D Rekonstruktion Abb. 14: SD-OCT: Patient mit Makulaforamen Grad 2 und vitreomakulärer Traktion (VMT) Die Pharmakologische Vitreolyse mit Ocriplasmin (Jetrea®) stellt eine vielversprechende Neuentwicklung dar (Abb. 15 a, b). Seite 18 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier ________________________________________________________________________________ Abb. 15 a, b: SD-OCT: Pat. mit VMT am rechten Auge, Visus 0,4 (Cataracta incipiens), Metamorphopsien (oben), b) 1 Monat nach intravitrealer Behandlung mit Ocriplasmin ® (Jetrea ), VMT gelöst, Visus 0,6 (unten) Die Pharmakologische Vitreolyse kann die Vitrektomie bei einigen Patienten mit VMT mit und ohne Makulaforamen ersetzen und als minimal invasive Behandlung die funktionelle Rehabilitation der Patienten beschleunigen. 7.3.4 Therapieoptionen bei VMT mit und ohne Makulaforamen Patienten mit VMA sollten beobachtet werden. Bei VMT muss man die Symptomatik der Patienten in die Entscheidung mit einbeziehen. Ist der Patient asymptomatisch, so ist in der Regel eine Kontrolle mit SD-OCT nach 3 Monaten zu empfehlen. Während dieser Zeit sollte der Patient Selbstkontrollen mit dem Amslernetz durchführen und sich bei Verschlechterung früher vorstellen. Es gibt kein einheitliches Visuskriterium bezüglich der Indikation zur Intervention. In den klinischen Studien (MIVI 006 und 007) konnten Patienten mit Visus 0,8 und geringer eingeschlossen werden [61]. Abwarten stellt in vielen Fällen eine Option dar, da eine hohe Spontanlösungsrate (11-53%) beschrieben wurde [10,32,36,37,62]. In einigen Fällen mit fokaler VMT ohne ERM mit und ohne Makulaforamen (≤ 250µm) ist die pharmakologische Vitreolyse eine Behandlungsoption. Bei entsprechend strenger Indikationsstellung zeigen eigene Untersuchungen in einer kleineren Fallserie, dass bei fokaler VMT mit und ohne Makulaforamen die Traktion bei bis zu 71% der Patienten im SD-OCT gelöst war. Bei den Makulaforamina war trotz Lösung der VMT das Makulaforamen nur in 2 von 5 Fällen verschlossen. Die beiden verschlossenen Makulaforamina zeigten vor der Behandlung eine Foramengrösse von < 250µm [36]. Alle offengebliebenen MF waren nach transkonjunktivaler ppV, ILM-Peeling und Gastamponade verschlossen. Die ppV bleibt bei erfolgloser IVOM natürlich als Behandlungsoption mit sehr guter Prognose insbesondere bei kleinen Makulaforamina [37,50]. Die Ursache für die im Vergleich zu den Phase 3 Studien (MIVI 6/7) deutlich höhere Quote der VMT-Lösung ist nach unserer Auffassung in der strengen Indikationsstellung zu finden. Bei den MIVIStudien waren größere Traktionsflächen und eine begleitende epiretinale Membran (ERM) nicht ausgeschlossen [36,37,61]. Die Verschlussrate der Makulaforamina entspricht trotz der niedrigen Fallzahl der Rate in den Zulassungsstudien. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 19 Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier _______________________________________________________________________________ In den Phase-3-Studien wurde nach 6 Monaten eine Verbesserung der Sehschärfe von mindestens 3 Zeilen bei 12,3% nach Ocriplasmin und 6,4% nach Placebobehandlung beobachtet, dieser Unterschied war signifikant (p<002) [61]. Eine funktionelle Verbesserung konnten wir bei unseren Patienten bis 4 Monate nach der Behandlung mit Ocriplasmin nicht beobachten. Trotz der hohen Rate gelöster VMT, zweier verschlossener Makulaforamina und einer signifikanten Abnahme der zentralen Netzhautdicke blieb der Visus im Vergleich zum Ausgangsvisus weitgehend unverändert. Eine ausbleibende oder verzögerte funktionelle Verbesserung wurde auch von anderen Autoren berichtet [22,32,36]. Retinale Veränderungen und die lange persistierende subretinale Flüssigkeit (SRF) nach erfolgreicher Behandlung der VMT mit Jetrea® könnten eine Ursache darstellen und müssen weiter untersucht werden [32,36]. Ein zystoides Makulaödem (CMÖ) fand sich in den Phase-3-Studien bei 3,8%. Ocriplasmin könnte eine enzymatische Modifikation der Interphotorezeptormatrix und damit eine Lockerung des Photorezeptorkomplexes verursachen [1,14,15,22,32,36,37,70]. Möglicherweise zeigt Ocriplasmin eine enzymatische Wirkung auf weitere Strukturen in denen Laminin vorkommt (z.B. Interphotorezeptormatrix, Bruch Membran, externe limitierende Membran, aüßere plexiforme Schicht usw.) [1,14,15,22,32,36,37,70]. Günstige prognostische Faktoren für eine erfolgreiche Vitreolyse sind junge Patienten mit fokaler VMT, die phak sind, eine kurze Anamnese mit Symptomatik aufweisen und bei denen keine ERM nachzuweisen ist [28,37]. Die Vorhersagbarkeit des Behandlungseffektes von Ocriplasmin wird von retinologischen Experten auf der Basis von SD-OCT Bildgebung nicht immer übereinstimmend beurteilt [2,63]. Kurz vor der IVOM mit Jetrea® muss wegen des Spontanverlaufs eine SD-OCT Untersuchung erfolgen. Präoperativ muss die periphere Netzhaut genau untersucht werden, und es müssen periphere Degenerationen ausgeschlossen werden. Auch bei pharmakologisch induzierter hinterer Glaskörperabhebung mit Glaskörperverflüssigung besteht die Gefahr der Ausbildung von Netzhautforamina mit konsekutiver Netzhautablösung. Sicherlich müssen Patienten nach pharmakologischer Vitreolyse engmaschig und bei entsprechender Symptomatik sofort kontrolliert werden [32,36,37]. Die Nachkontrolle muss eine Untersuchung der Netzhautperipherie in medikamentöser Mydriasis beinhalten [65]. Eine Indikation für die pharmakologische Vitreolyse besteht bei fokaler vitreomakulärer Traktion (VMT) (≤ 1500µm, ohne epiretinale Membran, ohne Begleiterkrankung) und bei kleinem Makulaforamen (≤ 250µm) mit VMT und ohne ERM [18, 37]. Es muss dringend darauf hingewiesen werden, daß im Einklang mit der Stellungnahme der Fachgesellschaften (DOG, BVA und RG) und aufgrund klinischer Ergebnisse, sowie möglicher Nebenwirkungen neben der fokalen VMT (≤ 1500µm) ohne ERM nur kleine Makulaforamina (≤ 250µm) mit fokaler VMT behandelt werden [28,36,37,65]. Auch bei dieser weniger invasiven Therapie ist eine Indikation sehr streng und nur nach ausführlicher Aufklärung aller Risiken zu stellen, da zahlreiche Fallbeschreibungen Hinweise auf eine Ocriplasmin assoziierte nicht immer nur passagere Retinopathie geben [1,14,15,22,32,36,37,65,70]. Seite 20 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier ________________________________________________________________________________ Eine und 4 Wochen nach pharmakologischer Vitreolyse sollten die Patienten in Mydriasis untersucht werden. In den meisten Fällen löst sich die VMT oder verschließt sich das MF nach 1 Woche. Sollte nach 4 Wochen kein Behandlungserfolg eingetreten sein, so ist ein Erfolg sehr unwahrscheinlich. In diesen Fällen sollte eine Vitrektomie erfolgen. Die Therapieentscheidung für eine enzymatische Vitreolyse oder eine Vitrektomie muss mit dem Patienten besprochen und erörtert werden und es müssen Erfolgsaussichten und potentielle Nebenwirkungen der jeweiligen Therapie genau dargelegt werden. Eine mögliche Alternative zu Jetrea® könnte expandierendes Gas (SF6 oder C3F8) als IVOM mit anschließender Kopftieflagerung darstellen. Es wurden in mehreren Fallserien erste Ergebnisse berichtet, die einen erfolgreichen Einsatz der „pneumatischen Vitreolyse“ bei Patienten mit VMT beschreiben [6,8,37,64]. Der Einsatz von C3F8 zeigte dabei bessere Ergebnisse als SF6 oder C2F6. Die Behandlungsstrategie mit „pneumatische Vitreolyse“ würde eine kostengünstige Alternative zu Jetrea® darstellen. Die Sicherheit und die Effektivität dieser Methode muss allerdings noch in weiteren kontrollierten Studien untersucht werden. Eine IVOM von Gas in den geformten Glaskörper trägt natürlich auch das Risiko der Induktion von Netzhautforamina mit konsekutiver Netzhautablösung. Prospektive Studien sowie eine vergleichende Studie mit Jetrea® stehen noch aus. 7.3.4.1 Vitreoretinale Chirurgie Traktive Retinopathien so auch eine VMT ohne und mit Makulaforamen sind, falls sie mit visuellen Symptomen (Visusminderung, Verschwommensehen, Metamorphopsien usw.) assoziiert sind in der Regel behandlungsbedürftig. Die Indikation zur Vitrektomie ist dann zu stellen, wenn sich der Patient durch Visusminderung oder Metamorphopsien deutlich beeinträchtigt fühlt. 7.3.4.2 Chirurgische Technik Die transkonjunktivale Pars plana Vitrektomie mit peeling der Internal limiting membrane (ILM) ist eine sehr sichere Methode mit einem guten anatomischen und funktionellen Ergebnis und seltenen operativen Komplikationen. Zahlreiche klinische Studien konnten zeigen, dass die Entfernung der ILM die Verschlussrate der Makulaforamina signifikant erhöht [37]. Daher ist dieses Vorgehen die empfohlene chirurgische Strategie zur Behandlung durchgreifender Makulaforamina. Eine großflächige Entfernung bis an die Gefäßbögen ist zu empfehlen, da dadurch die tangentialen Zugkräfte am Rand des MF entlastet werden. Dies führt zur besseren Annäherung der Foramenränder und erleichtert den Foramenverschluss [18, 37]. Bei sehr großen Foramina wurde eine alternative Technik beschrieben, bei der der ILM-Flap invertiert auf dem Makulaforamen zu liegen kommt, anstatt komplett entfernt zu werden (Invertierte ILM-Flap Technik). Dieser Flap bedeckt das Makulaforamen. Mit dieser Technik wurden Verschlussraten bis zu 98% erzielt [39,41]. 7.3.4.3 Postoperative Ergebnisse Seit der standardmäßigen Entfernung der ILM werden postoperative Verschlussraten zwischen 90 und 100% berichtet [37]. Trotz hoher (>90%) Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 21 Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier _______________________________________________________________________________ Verschlussraten korreliert der Foramenverschluss manchmal nicht mit der Visusverbesserung. In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass die Reintegration der Netzhautaussenschichten (insbesondere ELM, ellipsoide Zone und Photorezeptoraußensegment) ein entscheidendes Kriterium für die Visusentwicklung sind [37] (Abb. 3 a,b). Im Rahmen einer Vitrektomie kann eine effektive Entfernung der Traktionen mechanisch erreicht werden [23,26,37,49]. Allerdings wird eine Vitrektomie aufgrund eines gewissen Risikoprofils (Kataraktinduktion bei phaken Patienten, ggf. Netzhautrisse) meist erst bei deutlicher Visusreduktion durchgeführt. Mit Hilfe einer einmaligen, intravitrealen operativen Medikamenteneingabe (IVOM) von Jetrea® besteht bei strenger Indikationsstellung die Möglichkeit, risikoarm bereits zu einem früheren Zeitpunkt einzugreifen. Für alle anderen Patienten mit operationsbedürftiger idiopathischer traktiver Retinopathie sollte eine minimal invasive transkonjunktivale trokargeführte ppV durchgeführt werden. Diese Therapieindikation besteht auch bei den Patienten, bei denen eine pharmakologische Vitreolyse nicht zur Lösung der VMT, bzw. zum Verschluss des Makulaforamens geführt hat [26,32,37,65]. Seite 22 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier ________________________________________________________________________________ 7.4 Literatur 1. Abraham S, Wand K, Stumpfe S et al. Unclear retinopathy after intravitreal injection of ocriplasmin. Ophthalmologe. 2015 Jul 24. [Epub ahead of print] German. 2. Bertelmann T, Wachtlin J, Mennel S, Koss MJ, Maier MM, Schumann RG, Kazerounian S, Daniel H, Schmitz-Valckenberg S; EXPORT study group. The predictability of ocriplasmin treatment effects: is there consensus among retinal experts? Results from the EXPORT study. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol. 2017 Apr 7. doi: 10.1007/s00417-017-3657-2. [Epub ahead of print] 3. Bishop PN. 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Arch Korrespondenzadresse des Autors: Prof. Dr. Mathias Maier Leitender Oberarzt und Stellvertretender Direktor Augenklinik, Klinikum rechts der Isar Technische Universität München Ismaningerstraße 22 81675 München Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 25 Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg ________________________________________________________________________________ 8 Altersabhängige Makuladegeneration (AMD) 8.1 Grundlagen ................................................................................. 2 8.1.1 Einführung .................................................................................... 2 8.1.2 Klassifikation der AMD.................................................................. 2 8.2 Diagnostik und spezielle Ausprägungsformen der AMD ......... 3 8.2.1 Bildgebende Verfahren ................................................................. 3 8.2.2 OCT-Angiographie ........................................................................ 4 8.2.3 Korrelation SD-OCT mit histologischen Befunden ........................ 6 8.2.4 „Foveal Sparing“ bei trockener AMD ............................................. 7 8.2.5 Aderhaut und AMD ....................................................................... 9 8.2.6 Psychophysik und Struktur-Funktions-Korrelation....................... 10 8.3 Prophylaxe .................................................................................12 8.3.1 Nahrungsergänzungsmittel und AMD ......................................... 12 8.3.2 Ein Update zu AREDS2-Supplementen und diesbezüglichen genetischen Untersuchungen der AMD-Risikofaktoren ............... 14 8.4 Therapie bei neovaskulärer AMD .............................................16 8.4.1 Behandlungsregime „Treat and Extend“ ..................................... 16 8.4.2 „Switch“ zwischen Anti-VEGF-Präparaten .................................. 18 8.4.3 Langzeitverläufe unter Anti-VEGF-Therapie ............................... 19 8.5 Therapieansätze bei geographischer Atrophie .......................20 8.5.1 Übersicht .................................................................................... 20 8.5.2 Visual cycle modulators .............................................................. 20 8.5.3 Komplementinhibition ................................................................. 21 8.6 Literatur ......................................................................................22 8 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 1 Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg _______________________________________________________________________________ 8.1 8.1.1 Grundlagen Einführung Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist eine chronisch progrediente, degenerative Netzhauterkrankung mit Beteiligung vor allem der Makula, also dem Netzhautareal, das für die zentrale Sehschärfe und das Farbensehen verantwortlich ist (Lim et al. 2012). Die Prävalenz der AMD nimmt mit zunehmendem Lebensalter zu. Nach rezenten Hochrechnungen sind in Deutschland etwa 4,5 Mio. Einwohner über 55 Jahren von AMD betroffen (Weber et al. 2014). Die AMD ist die häufigste Ursache für Blindheit im Sinne des Gesetzes jenseits des 55. Lebensjahrs in Industrieländern (Klein et al. 2011). Zu den Risikofaktoren für die AMD zählen erhöhtes Lebensalter, Rauchen und Ernährungsgewohnheiten (zusammengefasst bei Schmitz-Valckenberg et al. 2014). So konnte ein direkter Zusammenhang zwischen Nikotinabusus und der Entwicklung der Erkrankung mit einem beispielsweise 3,5fach erhöhten Risiko aufgezeigt werden (Khan et al. 2006). Zu den zugrundeliegenden Mechanismen, die zu einem erhöhten Risiko für die AMD aufgrund Rauchen führen, zählen eine verminderte Bildung von Antioxidantien, die HypoxieInduktion, die Bildung von Sauerstoffradikalen und ein gestörter chorioidaler Blutfluss. Hinweise auf eine Assoziation zwischen einem erhöhten AMD-Risiko und Ernährungsgewohnheiten, insbesondere fettreiches Essen und Übergewicht, liefern u. a. einige Studien, die einen protektiven Effekt von Antioxidantien, Nüssen, Fisch und Omega-3-Fettsäuren nachweisen konnten (AREDS1 und AREDS2). Mittlerweile sind mehrere genetische Polymorphismen identifiziert worden, die mit einem erhöhten AMD-Risiko einhergehen (Weber et al. 2014). Betroffene Gene deuten u.a. auf einen Einfluss des Komplementsystems (vor allem Komplementfaktor H), des Lipidmetabolismus (LIPC), Umgestaltung der extrazellulären Matrix (ARMS2/HtrA1) sowie der Angiogenese hin. 8.1.2 Klassifikation der AMD Unter der Schirmherrschaft der ‚Beckman Initiative for Macular Research‘ hat das ‚Classification Committe‘ im Jahr 2013 eine aktualisierte AMDKlassifikation erarbeitet, die auf funduskopischen Merkmalsausprägungen beruht (Ferris et al. 2013). Dabei wurde auch der Terminus „druplet“ für Drusen <63 µm Durchmesser eingeführt, die ohne weitere AMD-typischen Veränderungen auftreten. Diese werden als eine Alterserscheinung ohne Krankheitswert interpretiert, da sie praktisch kein Risiko für eine Progression besitzen. Der Begriff „trockene AMD“ wird nur für trockene Spätstadien, d.h. geographische Atrophie, genutzt. Klinische AMD Klassifikation (Ferris et al. 2013) Keine Altersveränderungen Normale Altersveränderungen Frühe AMD Intermediäre AMD Späte AMD Seite 2 Keine Drusen, keine Pigmentirregularitäten Nur Druplets (kleine Drusen ≤ 63 µm) und keine Pigmentirregularitäten Mittlere Drusen > 63 µm und ≤ 125 µm und keine Pigmentirregularitäten Große Drusen > 125 µm und/oder Pigmentirregularitäten Neovaskuläre AMD und/oder geographische Atrophie Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg ________________________________________________________________________________ 8.2 8.2.1 Diagnostik und spezielle Ausprägungsformen der AMD Bildgebende Verfahren In den letzten Jahren konnten mit der Weiterentwicklung retinaler bildgebender Verfahren wesentliche Fortschritte bei der Diagnostik von MakulaErkrankungen erzielt werden. Nicht-invasive Verfahren, wie die Fundusautofluoreszenz (FAF) und die hochauflösende Spectral-domain optische Kohärenztomographie (SD-OCT) nehmen dabei einen hohen Stellenwert ein. Die FAF eignet sich insbesondere zur Diagnostik und Verlaufsbeobachtung der trockenen Spätform der AMD, der ‚geographischen Atrophie’ (GA). Die SD-OCT hat mit dem Durchbruch der Anti-VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor)-Therapie zur Behandlung der choroidalen Neovaskularisation (CNV) bei neovaskulärer AMD erheblich an Bedeutung gewonnen. So ist diese - neben der Angiographie als ‚Goldstandard‘ - ein wesentlicher Pfeiler der Indikationsstellung zur Primärtherapie. Zur frühzeitigen Erfassung einer Restaktivität oder erneuten Aktivität der CNV nach initialer Therapie stellt die SD-OCT mittlerweile das Verfahren der ersten Wahl dar. Sie ermöglicht dabei eine sichere Lokalisation und Vergleichbarkeit der morphologischen Merkmale im Verlauf. Abb. 1: Charakteristischer SD-OCT Befund bei intermediärer AMD Abb. 2: Geographische Atrophie in der SD-OCT und Fundusautofluoreszenz Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 3 Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg _______________________________________________________________________________ Abb. 3: Charakteristische Befunde in der SD-OCT und Fluoreszein-Angiographie bei neovaskulärer AMD Zur Verlaufskontrolle und zur Beurteilung der Aktivität der CNV nimmt die SDOCT nach einer funktionellen und klinisch-ophthalmoskopischen Untersuchung die zentrale Rolle ein. Neben einer neuen sub- oder intraretinalen Blutung und einem Visusabfall dienen besonders folgende SD-OCT-Befunde als wichtige Wiederbehandlungskriterien (Stellungnahme von DOG, Retinologischer Gesellschaft und BVA November 2014. Die Anti-VEGF-Therapie bei der neovaskulären AMD: Therapeutische Strategien): 8.2.2 • subretinale Flüssigkeit • persistierende oder erneute diffuse Netzhautverdickung • Zunahme intraretinaler zystoider Flüssigkeitsräume • Zunahme einer Pigmentepithelabhebung OCT-Angiographie Die neue Technik der OCT-Angiographie (OCT-A) ermöglicht eine hochauflösende, dreidimensionale Visualisierung der gesamten vaskulären Strukturen von Netzhaut und Aderhaut. Vorteile der neuen Methode sind eine wesentlich kürzere Untersuchungszeit im Vergleich zu Fluoreszein- und IndocyaningrünAngiographie. Die Untersuchung kann ohne Mydriasis erfolgen und aufgrund ihrer Nicht-Invasivität bedenkenlos wiederholt werden. Die OCT-A basiert auf der Detektion und Analyse des Reflexionsverhaltens von Bewegung in einem statischen Umfeld. Durch den Vergleich zweier oder mehrerer hintereinander aufgenommener B-Scans der gleichen Position kann über einen softwarebasierten Bildverarbeitungsschritt ein Bewegungskontrast zwischen dem sich bewegenden endoluminalen Blutfluss und dem statischen Umgebungsgewebe dargestellt werden. D. h. die retinale und choroidale Blutzirkulation dient als intrinsisches Kontrastmittel und ermöglicht eine nichtinvasive Angiographie. Anders als bei der Fluoreszenzangiographie sind jedoch kein Einstromverhalten, kein Pooling, kein Staining und keine Leckage zu detektieren. Da parallel noch SD-OCT-Scans zur Verfügung stehen, sind sowohl Perfusionsanalysen als auch morphologische Analysen in einem Aufnahmevorgang möglich. Seite 4 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg ________________________________________________________________________________ Abb. 4: A Mehrere B-Scans der gleichen Position werden über einen softwarebasierten Bildverarbeitungsschritt miteinander verglichen, um Bewegungskontrast darzustellen. B Durch Alignierung und Segmentierung der resultierenden Scans entsteht eine En-faceDarstellung mit Visualisierung der retinalen Mikrozirkulation. C Vergrößerung des zentralen Bereiches (rot in B). Choi et al. PloS One 2013;8:e81499. Aufgrund der sehr guten vertikalen Auflösung der OCT-Bilder können die Gefäße der unterschiedlichen anatomischen Schichten genau rekonstruiert werden, z. B. können der oberflächlichere und der tiefere Kapillarplexus der Retina getrennt dargestellt werden – derzeit vier Schichten. Auch differentielle Effekte der Gefäße wie bei der diabetischen Retinopathie oder retinalen Venenverschlüssen können erstmals erkannt werden. Bei makulären Teleangiektasien (Typ 2) ist es bspw. möglich, Gefäßveränderungen im tiefen retinalen Kapillarnetz sehr genau und stadienabhängig progredient zu visualisieren (Pauleikhoff et al. 2015; Spaide et al. 2015; Choi et al. 2013). Limitationen der neuen Methode sind Bewegungsartefakte, Überlagerungen sowie Segmentierungsschwierigkeiten. Zur Zeit kann die Retina nur in einem begrenzten Aussschnit dargestellt werden. Erste OCT-A-Befunde zeigen, dass eine Differenzierung verschiedener CNVTypen (spezifisch von Typ 1 (okkult), Typ 2 (klassisch) CNV, Typ 3 (RAP)) – ähnlich der z.Zt. bei der Fluoreszein-Angiographie genutzten – ebenfalls möglich ist. Zudem werden durch die dreidimensionalen OCT-A-Bilder neue Kenntnisse über die Gefäßpathologien erlangt (Pauleikhoff et al. 2015). Gleichzeitig lassen sich auch neovaskuläre Netzwerke in Augen von Patienten mit AMD mittels OCT-A darstellen, bei denen herkömmliche Untersuchungsverfahren die diagnostischen Kriterien für NVs nicht erfüllen. Man spricht auch von sog. „stillen“ („quiescent“) NVs konnten, welche nicht mit exsudativen Zeichen einhergehen. Aktuell ist noch unbekannt, welche therapeutischen Konsequenzen sich aus einer nur mittels OCT-A darstellbaren NV ergeben sollten. Die Möglichkeit einer „präventiven“ Behandlung mit VEGF-Hemmern wird für den Fall diskutiert, dass diese „stillen“ Läsionen über die Zeit an Größe zunehmen. Ein weiteres Einsatzfeld der OCT-A besteht in der Differenzialdiagnostik von subretinalem hypereflektivem Material (SHM), hinter dem sich Typ-II-NVs, disziforme Narben, Blutungen, aber auch vitelliforme Läsionen und subretinale hyperreflektive Exsudationen verbergen können. Zur Befundung des OCT-Angiogramms sollten Aufnahme- oder Bildprozessierungs-bedingte Artefakte richtig erkannt werden. In Bezug auf die AMD ist hierbei bspw. das artifizielle Flusssignal, das sich am Rande von Drusen ergeben kann, von Bedeutung. In der klinischen Routine wird die OCT-A voraussichtlich einen bedeutenden Stellenwert in der Diagnose sowie im Therapiemonitoring neovaskulärer/vaskulärer Veränderungen finden. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 5 Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg _______________________________________________________________________________ 8.2.3 Korrelation SD-OCT mit histologischen Befunden Das sog. „onion-sign“ (Zwiebel-Zeichen) wurde von Mukkamala und Mitarbeitern (Mukkamala et al. 2012) als ein SD-OCT-Befund im Rahmen der AMD beschrieben. Dabei handelt es sich um aufgeschichtete hyperreflektive Linien unterhalb des retinalen Pigmentepithels, die meist in Zusammenhang mit chronischer Exsudation bei einem Teil der Patienten mit AMD detektiert werden können. Typischerweise gehen diese Läsionen mit einem intensiven Signal in der NahInfrarot Reflexions-Aufnahme einher. Bislang war nicht bekannt, wie häufig dieses Zeichen in Augen mit exsudativer AMD anzutreffen ist und was das histologische Korrelat dieser SD-OCT-Veränderung darstellt. Diskutiert wurden u.a. präzipitierte Lipide, Kollagen, Fibrin, fibrovaskuläres Narbengewebe, Kalzifizierungen oder Cholesterin-Kristalle. Nun konnte die Arbeitsgruppe um Curcio nachweisen, dass es sich bei dem histologischen Korrelat um Cholesterin-Kristalle handelt (Pang et al. 2015). Der Nachweis gelang, indem zwei Spenderaugen, in denen mittels multimodaler Bildgebung ex vivo das „onion-sign“ nachgewiesen werden konnte, histologisch aufgearbeitet wurden. In dieser Arbeit wurde zudem untersucht, wie häufig dieses Zeichen bei Patienten mit AMD auftritt. Hier zeigte sich, dass in nur 16 von 230 Augen (7 %) von Patienten und in nur 2 von 40 (5 %) untersuchten Spenderaugen das „onion-sign“ detektiert werden konnte. Im zeitlichen Verlauf zeigten sich Fluktuationen in der Menge der geschichteten Linien in der SD-OCT; zudem zeigte sich eine Assoziation mit intraretinalem hyperreflektiven Material, das histologisch mit RPE- und Lipid-haltigen Zellen monozytären Ursprungs korrelierte. Abb. 5: Ex vivo SD-OCT-Abbildung und Photomikrograph mit histologischem Befund „onion-sign“ einer 98-jährigen Frau mit neovaskulärer AMD (Färbung: Toluidinblau). Pang et al., Ophthalmology. 2015 Aug 19. Seite 6 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg ________________________________________________________________________________ 8.2.4 „Foveal Sparing“ bei trockener AMD Als „foveal sparing“ bezeichnet man die vorübergehende Aussparung der Fovea von degenerativen Prozessen im Bereich der äußeren Netzhaut. Offensichtlich existieren lokale Faktoren, die die Fovea vor krankheitsassoziierten Veränderungen schützen, bzw. eine Verzögerung der Degeneration und Dysunktion der zentralen Netzhaut bewirken. Bei Patienten mit geographischer Atrophie (GA) infolge AMD wurde dieses Phänomen bereits vor längerer Zeit beschrieben. Welche differentielle Kinetik in der GA Progression der Entstehung und „Aufrechterhaltung“ der fovealen Aussparung zugrunde liegt, war bislang allerdings nicht bekannt. Abb. 6: „Foveal sparing“ bei geographischer Atrophie. A Fundusautofluoreszenz, B NahInfrarot Reflexion, C SD-OCT. Lindner et al., Ophthalmology. 2015;122:1356-65. Lindner und Mitarbeiter konnten nun zeigen, dass sich Atrophie-Areale bei Patienten mit „foveal sparing“ in Richtung Peripherie mit dem Faktor 2,8 schneller ausdehnen als in Richtung Zentrum (Lindner et al. 2015). In dieser Studie wurden 47 Augen von 36 Patienten mit „foveal sparing“ bei GA über einen durchschnittlichen Zeitraum von 25,2 ± 16,9 Monate mittels kombinierter Analyse von Nah-Infrarot Reflexions- und Fundusautofluoreszenz-Aufnahmen analysiert. Die Ergebnisse dieser Studie haben insofern hohe Relevanz, als sie grundlegende Daten für die Planung zukünftiger Interventionsstudie, die auf den Schutz der Fovea zielen, liefert. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 7 Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg _______________________________________________________________________________ Abb. 7: Vermessung der geographischen Atrophie und der „foveal sparing“-Größe mittels kombinierter Nah-Infrarot Reflexions und Fundusautofluoreszenz-Bildgebung (RegionFinder Software, Heidelberg Engineering, Heidelberg). Lindner et al., Ophthalmology. 2015;122:1356-65. In einer kürzlich veröffentlichten Studie von Steinberg und Mitarbeitern konnte nun gezeigt werden, dass auch retikuläre Pseudodrusen die Fovea zunächst „aussparen“ (Steinberg et al. 2015). Retikuläre Pseudodrusen werden als Risikomerkmal für die Entstehung von AMD Spätstadien – so auch der geographischen Atrophie – angesehen. Mit dieser Studie konnte an 52 Augen von 46 Patienten demonstriert werden, dass retikuläre Pseudodrusen typischerweise in Form eines inkompletten oder geschlossenen Rings – unter Aussparung der Fovea – angeordnet sind. Im zeitlichen Verlauf entstanden retikuläre Pseudodrusen nur in wenigen Augen direkt im Bereich der Fovea. Seite 8 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg ________________________________________________________________________________ Abb. 8: „Foveal sparing“ bei retikulären Pseusodrusen. Steinberg et al., Invest Ophthal Vis Sci. 2015;56:4267-74. 8.2.5 Aderhaut und AMD Die Rolle der Choroidea bei der AMD wird kontrovers diskutiert. Ob die Degeneration der Choriokapillaris primär an der Pathogenese beteiligt ist oder ob sie sekundär durch die Degeneration von Photorezeptoren des retinalen Pigmentepithels und der Bruchschen Membran bedingt wird, ist noch unklar. Auch ist der Einfluss von Anti-VEGF-Präparaten auf die Choroidea bei der Behandlung der neovaskulären AMD unklar. Mit der Weiterentwicklung der OCT ist es mittlerweile möglich, die Choroidea zu visualisieren und deren Dicke zu quantifizieren. Lindner und Mitarbeiter konnten kürzlich zeigen, dass Augen mit geographischer Atrophie eine signifikant dünnere Choroidea aufweisen als Augen von Personen des gleichen Alters ohne pathologische Netzhautveränderungen (subfoveale choroidale Dicke: 173,03 ± 90,22 vs. 253,95 ± 69,19 μm, P < 0,001) (Lindner et al. 2015). Hier wurden 72 Augen von 72 Patienten mit geographischer Atrophie (GA) bei AMD und 37 Augen von 37 gesunden Kontrollpersonen mittels „enhanced depths imaging“ (EDI) SD-OCT-analysiert. Interessanterweise zeigte sich in einer GA-Subgruppe, dem sog. „Trickling“Phänotyp auch im Vergleich zu den übrigen GA-Gruppen eine signifikant dünnere Choroidea (114,67 ± 43,32 vs. 188,39 ± 93,26 μm, P = 0,002). Dieser Phänotyp zeichnet sich zudem durch eine lobuläre Atrophie-Konfiguration und Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 9 Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg _______________________________________________________________________________ eine Assoziation mit kardiovaskulären Erkrankungen aus (Fleckenstein et al. 2014). Es wird spekuliert, dass die Pathogenese dieses GA-Subtyps von der anderer Atrophien abweicht und dass hier tatsächlich eine primär vaskuläre Komponente an der Entstehung des „Trickling“-Phänotyps beteiligt ist. Abb. 9: Subfoveale choroidale Dicke bei Kontrollpersonen und Patienten mit geographischer Atrophie (mit und ohne „Trickling“-Phänotyp). Lindner et al. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2015;56:875-82. In einer unlängst veröffentlichten Studie analysierte Razavi und Mitarbeiter (Razavi et al. 2015) den Effekt der Anti-VEGF-Behandlung auf die Choroidea mittels Swept-Source OCT. Insgesamt wurden die Augen von 41 Patienten mit unilateraler naiver neovaskulärer AMD vor Beginn und im Verlauf der Behandlung analysiert. Interessanterweise zeigte sich vor Beginn der Behandlung eine signifikant dickere Choroidea in den Augen mit neovaskulärer AMD im Vergleich zu den Partneraugen (P < 0,05). Unter der Behandlung kam es zu einer signifikanten Reduktion der choroidalen Dicke in den Augen mit neovaskulärer AMD, sowohl in den Bereichen unterhalb der CNV-Läsion als auch unterhalb der Netzhaut ohne CNV. Im Vergleich zu den Partneraugen zeigte sich in den behandelten Augen eine signifikant größere Variation der choroidalen Dicke im zeitlichen Verlauf. Zudem wurde von den Autoren berichtet, dass Augen mit einer größeren Reduktion der choroidalen Dicke (≥ 29 μm, n = 11) einen signifikant höheren Visusanstieg zeigten im Vergleich zu Augen mit geringerer Abnahme der choroidalen Dicke (n = 30; P = 0,02) Die Ergebnisse dieser Studie lassen die Vermutung zu, dass die Anti-VEGFTherapie eine Reduktion der choroidalen Hyperpermeabilität bewirkt und somit die Exsudation aus choroidalen Neovaskularisationen beeinflusst. 8.2.6 Psychophysik und Struktur-Funktions-Korrelation Patienten mit AMD Frühstadien berichten häufig über Seheinschränkungen bei schlechten Lichtverhältnissen. Unter optimaler Beleuchtung und kontrastreichen Bedingungen sind die Sehstörungen im Alltag häufig weniger relevant. Das Ausmaß der Sehstörung kann u.a. anhand standardisierter Fragebögen, die eine Beurteilung der Befindlichkeit des Patienten selbst erlaubt, gemessen werden. Ein solcher Fragebogen ist der sog. „10-item Night Vision Questionnaire“ (NVQ-10). Es konnte in der Vergangenheit gezeigt werden, dass das Ausmaß der Sehstörungen bei geringer Beleuchtung mit einem erhöhten Risiko, eine AMDSpätform zu entwickeln, korrelierte (Ying et al. 2008; Ying et al. 2011). Allerdings wurde bislang nicht untersucht, inwiefern die von Patienten Seite 10 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg ________________________________________________________________________________ berichteten Sehstörungen unter schlechten Lichtverhältnissen mit klinisch messbaren Werten korrelieren. In einer kürzlich veröffentlichten Studie von Wu und Mitarbeitern (Wu et al. 2015) wurde dieser Zusammenhang nun prospektiv an 100 Patienten mit bilateraler intermediärer AMD untersucht. Bei den Patienten wurden die bestkorrigierte Sehschärfe (BCVA) und die Sehschärfe unter geringer Leuchtdichte (sog. Low luminance visual acuity, LLVA) erhoben sowie mikroperimetrische Untersuchungen durchgeführt. Das Befinden der Patienten wurde mittels NVQ10 erfasst. Interessanterweise zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen den Ergebnissen des NVQ-10 und der BCVA, der LLVA und mikroperimetrischen Daten. Allerdings konnte eine signifikante Assoziation mit dem sog. „low luminance deficit“ (LLD) nachgewiesen werden. Bei dem LLD handelt es sich um die Differenz zwischen BCVA und LLVA und ist somit Ausdruck für die Diskrepanz der Sehschärfe unter optimaler Beleuchtung und unter geringer Leuchtdichte. In einer weiteren Studie wurde von Flamendorf und Mitarbeitern (Flamendorf et al. 2015) analysiert, ob ein Zusammenhang zwischen Dunkeladaptation und okulären bzw. personenbezogenen Merkmalen besteht. Insgesamt wurde an 116 Patienten mit unterschiedlichen AMD-Ausprägungsformen die sog. „Rod Intercept Time“ (RIT) erhoben. Mit diesem Testverfahren wird die Zeit gemessen, die ein Patient benötig, um einen Stimulus einer bestimmten Lichtintensität (5 x 10-3 cd/m2) zu erkennen, nachdem ein starker Lichtreiz (ein Lichtblitz, der bei 5° im unteren visuelle Meridian zentriert wird und ein fokales Bleaching von 82 % bewirkt) an der gleichen Stelle der Netzhaut gesetzt wurde (AdaptDx dark adaptomoeter, MacuLogix, Hummelstown, PA). Eine verlängerte RIT war signifikant assoziiert mit dem Schweregrad der AMD, mit zunehmendem Alter, abnehmender BCVA, Pseudophakie und einer Verringerung der subfovealen choroidalen Dicke. Patienten mit retikulären Pseudodrusen wiesen eine signifikant längere RIT auf als Patienten ohne retikuläre Pseudodrusen. Somit wird deutlich, dass dieses anatomische Merkmal mit einer verzögerten Dunkeladaptation assoziiert ist. Steinberg und Mitarbeiter konnten darüber hinaus zeigen, dass die StäbchenFunktion in Bereichen mit retikulären Pseudodrusen deutlich stärker beeinträchtigt ist, als die Zapfenfunktion (Steinberg et al. 2015). In ihrer Arbeit wurden 22 Augen von 18 Patienten mittels photopischer und skotopischer Mikroperimetrie untersucht (MP-1S; Nidek Technologies). Innerhalb der einzelnen Augen wurden Bereiche mit retikulären Pseudodrusen und Bereiche ohne pathologische Befunde mittels simultaner konfokaler Scanning-LaserOphthalmoskopie und SD-OCT Bildgebung identifiziert. In allen Augen zeigte sich eine relative und scharf begrenzte Reduktion der skotopischen Sensitivität in Bereichen mit retikulären Pseudodrusen im Vergleich zu Bereichen ohne retikuläre Pseudodrusen. Bzgl. der photopischen Sensitivität waren die Unterschiede weniger ausgeprägt. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 11 Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg _______________________________________________________________________________ 8.3 8.3.1 Prophylaxe Nahrungsergänzungsmittel und AMD Seit langer Zeit wird die Nahrungssupplementierung mit Spurenelementen, Antioxidantien und Vitaminen als Therapie von Frühformen der AMD diskutiert, da für das Auge wichtige protektive Antioxidantien – makuläres Pigment (eine Anreicherung von Lutein und Zeaxanthin), die Vitamine C, E, und Beta-Karotin – nicht vom Menschen synthetisiert werden können, sondern mit der Nahrung aufgenommen werden müssen (AREDS Reopt No. 8; Hogg and Chakravathy 2004; Rehak et al. 2008; Richer et al. 2004; AREDS2 2013; Chew et al. 2013; Chew et al. 2014). Auch Mineralien wie Zink und Selen sowie die mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäure werden diskutiert. Die randomisierte, placebokontrollierte (Age-Related Eye Disease Study) ARED-I-Studie untersuchte über mehr als 6 Jahre bei 3.640 Patienten mit allen Stadien der frühen AMD die Wirkung und Wirksamkeit eines Supplementationscocktails aus 500 mg Vitamin C, 400 IE Vitamin E, 15 mg Beta-Karotin, 80 mg Zinkoxid und 2 mg Kupferoxid. AREDS 1 Kleine Drusen (< 63 μm) „Keine AMD“ Drusengesamtfläche < 125 μm Keine Pigmentveränderungen Zweites Auge: wie erstes Auge AREDS 2 Anwesenheit mindestens einer der folgenden Veränderungen: „Frühe AMD“ • Kleine Drusen (< 63 μm) oder intermediäre Drusen (63-125 μm) • Drusengesamtfläche ≥ 125 μm • Pigmentepithelveränderungen, die mit AMD einhergehen, definiert als mind. eine der folgenden Veränderungen im zentralen Feld und/oder in den inneren Feldern: - Depigmentierung - Hyperpigmentierung ≥ 125 μm - Hyperpigmentierung vorhanden und Depigmentierung zumindest vermutet Zweites Auge: wie erstes Auge oder AREDS 1 AREDS 3 Anwesenheit von mind. einer der folgenden Veränderungen: „Intermediäre AMD“ • große Drusen (> 125 μm) • Weiche, unscharf begrenzte Drusen, Drusengröße ≥ 63 μm und gesamtes Drusenareal ≥ 360 μm • Weiche, scharf begrenzte Drusen, Drusengröße ≥ 63 μm und gesamtes Drusenareal ≥ 656 μm • Nicht-zentrale geographische Atrophie (außerhalb 500 μm Radius um foveales Zentrum) Zweites Auge: wie erstes Auge oder AREDS 1 oder 2 Seite 12 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg ________________________________________________________________________________ AREDS 4 „Fortgeschrittene AMD“ Fortgeschrittene AMD mit Anwesenheit von einer oder mehrerer der folgenden Veränderungen: • Zentrale geographische Atrophie mit zumindest fraglicher Beteiligung des Zentrums der Makula (500 μm Radius um foveales Zentrum) • Nachweis einer neovaskulären AMD - Fibrovaskuläre/seröse Pigmentepithelabhebung - Seröse (oder hämorrhagische) Ablösung der neurosensorischen Netzhaut - Subretinale Blutung - Subretinales fibröses Gewebe (oder Fibrin) - Photokoagulation im Rahmen der AMD oder: Sehschärfe < 20/32 aufgrund AMD Tab. 1: Eingruppierung der Patienten in der ARED-Studie (anhand des Fundusbefunds und der Sehschärfe). Die Klassifikation bezieht sich auf beide Augen. Nach Age-Related Eye Disease Study Research Group. The Age-Related Eye Disease Study system for classifying age-related macular degeneration from stereoscopic color fundus photographs: the AgeRelated Eye Disease Study Report Number 6. Am J Ophthalmol 2001;132:668-681. Ziel der darauffolgenden ARED-II-Studie (2006-2012) war die Evaluation von Risiken und Vorteilen auf die Entwicklung einer fortgeschrittenen AMD durch Addition von Lutein (10 mg) + Zeaxanthin (2 mg) und/oder Docosahexaensäure (DHA) (350 mg) + Eicosapentaensäure (EPA) (650 mg) zur bereits bestehenden AREDS-Rezeptur. Geklärt werden sollte weiterhin die Fragestellung, ob eine Reduktion der Zinkdosis auf 25 mg sowie der Verzicht auf Beta-Karotin vorteilhaft seien. In Ihrer aktuellen Stellungnahme zu „Nahrungsergänzungsmittel bei altersabhängiger Makuladegeneration“ empfiehlt die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft: „Es existiert aktuell kein Nachweis, dass die „prophylaktische“ Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln in der allgemeinen Bevölkerung das Risiko der Entstehung von AMD reduzieren könnte (Evans et al. 2014). Die wesentliche und uneingeschränkt gültige Empfehlung für AMD-Patienten und auch an die allgemeine Bevölkerung bezüglich einer Prophylaxe ist, das Rauchen zu unterlassen, das in vielen Studien als Hochrisikofaktor für eine AMD identifiziert werden konnte. Es bestehen Hinweise, dass eine hohe Zufuhr an Antioxidantien und Zink über die Ernährung das Risiko der Entwicklung einer AMD reduzieren kann. In einer Studie in Holland („Rotterdam-Studie“ (Vingerling et al. 1995)) wurden 5836 >55-jährige Probanden ohne AMD bei Baseline über einen mittleren Zeitraum von 8 Jahren untersucht und anhand von Fragebögen ihre Ernährungsgewohnheiten dokumentiert. Bei einer überdurchschnittlichen Zufuhr von Vitamin C und E, β-Karotin und Zink zeigte sich eine Risikoreduktion von 35% für die Entwicklung einer AMD (Van Leeuwen et al. 2005). Als allgemeine Empfehlung kann daher auch eine ausgewogene Ernährung entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (www.dge.de) ausgesprochen werden. Auf Grundlage der großen, randomisierten und kontrollierten ARED-Studien zu Nahrungsergänzungsmitteln bei AMD können AMD-Patienten mit morphologischen Veränderungen der AREDS-Kategorien 3 und 4 von der Einnahme einer Kombination von Nahrungsergänzungsmitteln (Vitamin C 500 mg, Vitamin E 400 IE, Zink 80 mg, Kupfer 2 mg, β-Karotin 15 mg) bezüglich einer Verzögerung der Krankheitsprogression (Übergang in eine AMD-Spätform) Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 13 Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg _______________________________________________________________________________ profitieren. Dabei sprechen die ARED2-Daten dafür, dass β-Karotin durch Lutein 10 mg/Zeaxanthin 2 mg ersetzt und die Zinkdosis auf 25 mg reduziert werden können. Für andere Dosierungen wurde eine Wirksamkeit bisher nicht nachgewiesen (Evans et al. 2014; Grossklaus et al. 2009), weshalb deren Einnahme nicht sinnvoll erscheint. Insbesondere Rauchern und ehemaligen Rauchern sollte Lutein und Zeaxanthin anstelle von β-Karotin empfohlen werden Präparate, die sowohl die ARED1- als auch die ARED2Studienergebnisse berücksichtigen, sind bereits im Handel. Tipp: AREDS3und -4-Patienten können von der Einnahme einer Kombination von Nahrungsergänzungsmitteln profitieren. Bei Vorliegen einer beidseitigen späten AMD kann die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln nicht empfohlen werden, da es für dieses Patientenkollektiv bislang keine aussagekräftigen Untersuchungen gibt. Obwohl frühere, kleinere Studien gezeigt haben, dass der Verzehr von Fisch bzw. Nahrung reich an ungesättigten Omega-3-Fettsäuren das Risiko für die AMD-Progression möglicherweise verlangsamt, liefern die ARED2-Daten mit prospektivem Studiendesign keine Evidenz dafür, dass mit zusätzlicher Einnahme der ungesättigten Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) eine Reduktion der Krankheitsprogression erreicht werden kann, gleichwohl hier methodische Einschränkungen bestehen. Cave: Einnahme der ungesättigten Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) reduzieren nicht die Krankheitsprogression.“ 8.3.2 Ein Update zu AREDS2-Supplementen und diesbezüglichen genetischen Untersuchungen der AMD-Risikofaktoren E. Chew publizierte kürzlich (Chew et al. 2015) eine Erläuterung zu den Ergebnissen der ARED2-Studie und zu der mit diesen Ergebnissen im Zusammenhang stehenden Forderung nach genetischen Untersuchungen bei Risikopatienten. Die AREDS Research Group veröffentlichte 2001 die Resultate der gleichnamigen Studie, in welcher festgestellt wurde, dass ein Supplementencocktail bestehend aus Vitamin C (500 mg) und E (400 IE), Betakarotin (15 mg), Zinkoxid (80 mg) und Kupferoxid (2 mg) das Risiko einer AMD-Progression zu einem fortgeschrittenen Erkrankungsstadium in fünf Jahren um 25 % reduziert (s.o.). Unbeantwortet blieb die Frage, ob auch durch die Einnahme von Lutein und Zeaxanthin ein günstiger Einfluss auf den Krankheitsverlauf erzielt werden kann. Die schützende Wirkung der beiden Karotinoide kann auf zweifache Weise erfolgen: Zum einen binden beide Substanzen freie Radikale und reduzieren auf diese Weise den oxidativen Stress, zum anderen absorbieren sie energiereiche Wellenlängen im blauen Spektralbereich und verhindern so photochemische Schäden (Krinsky et al. 2005). Jedoch waren Lutein und Zeaxanthin 1992 – also zum Beginn der ARED1-Studie – kommerziell noch nicht erhältlich. Beobachtungsdaten der ARED1-Studie sowie zahlreicher anderer Studien weisen jedoch darauf hin, dass Menschen, die viel grünes Blattgemüse wie diverse Kohlarten – insbesondere Grünkohl – oder Spinat aßen, in Fall-Kontroll-Studien ein signifikant geringeres Risiko hatten, Spätstadien einer AMD zu entwickeln (SanGiovanni et al. 2007; Seddon et al. 1994; Moeller et al. 2006; Tan et al. 2008). In der ARED2-Studie (Chew et al. 2012) wurden diese Beobachtungsdaten zu Lutein und Zeaxanthin sowie Beobachtungsdaten zu ungesättigten Omega-3Fettsäuren (Seddon et al. 2001; Augood et al. 2008; Swenor et al. 2010; San Giovanni et al. 2008) überprüft. Die Ergebnisse dieser Studie lagen 2013 vor (AREDS2) und es wird von der AREDS-Studiengruppe nun empfohlen, das Betakarotin der ursprünglichen AREDS1-Rezeptur durch Lutein und Zeaxanthin zu ersetzen. Seite 14 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg ________________________________________________________________________________ In der rezenten Veröffentlichung diskutiert Chew nun die zur Zeit gültigen Supplement-Empfehlungen der AREDS-Gruppe, insbesondere im Hinblick auf die von Awh et al. (Awh et al. 2013; Awh et al. 2015) gestellte Forderung, Patienten vor Verschreibung der ARED-Supplemente einem Gentest auf AMDRisikofaktoren zu unterziehen. Im Gegensatz zu Beobachtungsstudien konnten die Ergebnisse der ARED2Studie für ungesättigte Omega-3-Fettsäuren weder eine nützliche noch einen schädliche Auswirkung belegen. Die Beobachtungsstudien (inklusive AREDS1) fanden, dass die Probanden mit dem höchsten Fischverzehr im Vergleich zu den Probanden mit dem niedrigsten Fischverzehr ein 40-50 % geringeres AMD-Erkrankungsrisiko hatten. Könnte es also sein, dass die Dosierung von Omega-3-Fettsäuren (DHA = 350 mg und EPA = 650 mg) in der ARED2-Studie zu niedrig waren? Chew meint, dies wäre potentiell möglich, allerdings war die Dosis von DHA und EPA vergleichbar zu der Dosierung, in der DHA/EPA in kardiovaskulären Studien oder Demenz-Studien eingesetzt werden. Zu der Frage, ob DHA und EPA denn bioverfügbar waren, führt Chew aus, dass im Serum der AREDS2-Probanden, die Omega-3-Fettsäuren als Supplement erhielten, die doppelte Menge von Omega-3-Fettsäurebestandteilen nachgewiesen werden konnte im Vergleich zu Probanden ohne DHA/EPA-Gabe. Daher geht Chew auch davon aus, dass ausreichende Mengen der Omega-3-Fettsäuren die Gewebe des Auges erreichten. Omega-3-Fettsäuren wurden in vielen Studien zu einer großen Anzahl von verschiedenen Erkrankungen evaluiert. So fand die erste GISSI Präventionsstudie zu kardiovaskulären Erkrankungen (Marchioli et al. 2002) zum Beispiel einen Zusammenhang zwischen der Reduktion plötzlicher kardiovaskulärer Todesfälle und der Einnahme ungesättigter Omega-3-Fettsäuren. Allerdings konnten diese Ergebnisse in neueren klinischen Studien zu kardiovaskulären Erkrankungen nicht bestätigt werden (Bosch et al.2012; Blacher et al. 2013; Roncaglioni et al 2013). Eine Meta-Analyse (Rizos et al. 2012) zu Ernährung/Supplementen und kardiovaskulären Erkrankungen konnte keinen positiven Effekt der Omega-3-Fettsäuren bei kardiovaskulären Erkrankungen entdecken. Übersichtsarbeiten zu anderen Erkrankungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Ein direkter Vergleich der AREDS2-Probandengruppen mit Lutein/Zeaxanthin vs. Beta-Karotin zeigte, dass Lutein/Zeaxanthin-Gabe das AMD-Risiko und insbesondere das Risiko eine neovaskuläre AMD zu entwickeln, um 10-30 % senkte. Allerdings ist noch wichtiger, dass vorherige Studien gezeigt hatten, dass Beta-Karotin bei Rauchern das Lungenkrebs-Risiko erhöhte. In der ARED2-Studie wurden Raucher nicht in den Beta-Karotin-Arm randomisiert und trotzdem fand sich bei den Probanden des Beta-Karotin-Arms ein doppelt so hohes Risiko Lungenkrebs zu entwickeln als im Lutein/Zeaxanthin-Arm. Mehr als 90 % der betroffenen Probanden waren Ex-Raucher. Bekannt ist, dass eine große Prozentzahl aller AMD-Patienten Raucher oder Ex-Raucher sind. Die Schwere dieser Evidenz rechtfertigt die Substitution von Beta-Karotin durch Lutein und Zeaxanthin in der neuen AREDS2-Rezeptur. Basierend auf den Ergebnissen der ARED2-Studie, empfiehlt die Arbeitsgruppe, dass Patienten mit intermediärer AMD (bilaterale große Drusen) oder mit einer fortgeschrittenen AMD in einem Auge die AREDS2-Rezeptur verschrieben wird. Chew weist aber auch noch einmal darauf hin, dass Beobachtungsstudien klar indizieren, dass ein möglichster hoher Bestandteil von Fisch in der Nahrung ebenfalls einen positiven Effekt zu haben scheint. Obwohl dieser Effekt in neueren klinischen Studien nicht nachgewiesen werden konnte, wird Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen weiterhin empfohlen, mindestens zweimal pro Woche Fisch zu essen. Chew möchte für alle AMD-Risikopatienten die gleiche Empfehlung aussprechen und fügt noch hinzu, dass zudem viel grünes Blattgemüse gegessen werden sollte. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 15 Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg _______________________________________________________________________________ Sind Gentests notwendig bevor die AREDS-Supplemente verschrieben werden? Awh et al. führten eine retrospektive Datenanalyse einer AREDS-Subgruppe durch, i.e. Patienten mit CFH- und ARMS2-Polymorphismen (Awh et al. 2013; Chew et al. 2014). Sie folgerten aus ihrer Datenanalyse, dass das Zink und Zink in Verbindung mit antioxidativen Vitaminen bei Menschen mit zwei CFHRisikoallelen zu einer schnelleren Entwicklung einer fortgeschrittenen AMD führen könne. Im Gegensatz zu Awh et al. hatten die Mitarbeiter der AREDS-Gruppe keinen signifikanten Einfluss der AREDS-Supplemente auf einen bestimmten Genotyp gefunden (Chew et al. 2014). Zudem untersuchten die AREDS-Mitarbeiter eine weitere Gruppe von AREDS-Probanden, die nicht der von Awh et al. untersuchten Gruppe angehörten und konnten die Resultate von Awh et al. nicht replizieren (Chew et al. 2015). Ein positiver Effekt der AREDSSupplemente wurde von der Arbeitsgruppe für alle genetischen Subgruppen festgestellt. Der Feststellung, dass Menschen mit intermediärer bzw. fortgeschrittener AMD in einem Auge – unabhängig von ihrem Genotyp – die AREDS2-Supplemente einnehmen sollten, schlossen sich auch Wittes und Musch in einem Editorial in Ophthalmology an (Wittes et al. 2015). Genetische Tests vor Verschreibung der AREDS-Supplemente sind laut AREDS-Mitarbeitern sowie Wittes und Much unnötig, da der Genotyp keinen Einfluss auf die Therapie mit den AREDS-Supplementen habe. Bestimmungen der genetischen Prädisposition sollten zur Zeit nur der Forschung und klinischen Studien vorbehalten sein. 8.4 8.4.1 Therapie bei neovaskulärer AMD Behandlungsregime „Treat and Extend“ Das „Treat-and-Extend“ Behandlungsregime wird auch international immer häufiger durchgeführt, mit dem Ziel, Besuchs- und Behandlungs-Intervalle zu verlängern, sofern sich die AMD-Krankheitsaktivität infolge initialer monatlicher Injektionen stabilisiert hat. Retrospektive Analysen und nicht-randomisierte prospektive Studien zeigten in der Vergangenheit vielversprechende Ergebnisse (Toalster et al. 2013; Brown et al. 2009). Allerdings fehlte die wissenschaftliche Evidenz randomisierter prospektiver klinischer Studien für dieses Behandlungsregime. Im September 2015 konnten die Ergebnisse einer Studie publiziert werden, die die Evidenz von „Treat-and-Extend“ zur Behandlung der neovaskulären AMD untermauern. Bei der sog. TREX-AMD-Studie (Wykoff et al. 2015) handelt es sich um eine randomisierte prospektive multizenter Phase IIIb Studie, die das „Treat-and-Extend“-Regime direkt mit einem monatlichen BehandlungsRegime vergleicht. Insgesamt wurden 60 Patienten 1:2 randomisiert (monatlich Ranibizumab 0,5 mg: Treat-and Extend Ranibizumab 0,5 mg). Das „Treat-andExtend“-Protokoll beinhaltete eine initiale Phase von 3 intravitrealen Injektionen im Abstand von je einem Monat. Ab diesem Zeitpunkt erfolgte die Verlängerung/Verkürzung der Behandlungs-/Kontrollintervalle zunächst um 2 Wochen (min. 4 Wochen, max. 12 Wochen). Die Intervalle wurden verlängert sofern keine Aktivitäts-Zeichen – basierend auf der OCT und dem funduskopischen Befund – vorlagen. Bei Zeichen einer Aktivität erfolgte eine Verkürzung der Intervalle. Wurde dann wieder ein inaktiver Zustand erzielt, so erfolgten Verlängerung der Intervalle um nur eine Woche. Bei erneuter Aktivität wurde das Intervall um eine Woche verkürzt. Nach 12 Monaten hatte sich die Sehschärfe („best-corrected visual acuity“) um 9,1 bzw. 10,5 Buchstaben (ETDRS) im monatlichen bzw. „Treat-and-Extend“Arm verbessert (p = 0,60). Zugleich wurden im „Treat-and-Extend“-Arm im Durchschnitt nur 10,1 (min. 7, max. 13) Injektionen verabreicht (vs. 13 Seite 16 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg ________________________________________________________________________________ Injektionen im monatlichen Arm, p < 0,0001). Insgesamt konnten 18 % der Patienten unter „Treat-and-Extend“ maximal extendiert werden wohingegen 10 % der Patienten bei jeder Visite Aktivitäts-Zeichen zeigten. Die durchschnittliche maximale Extension zwischen Injektionen nach den ersten drei monatlichen Behandlungen lag bei 8,4 Wochen (min. 4, max. 12 Wochen). Die TREX-AMD-Studie zeigt damit, dass im Vergleich zum monatlichen Regime, das „Treat-and-Extend“-Regime nach 12 Monaten entsprechende Visusergebnisse bei zugleich signifikant reduzierter Injektions- und VisitenFrequenz liefert. Diese Ergebnisse untermauern die Evidenz dieses Behandlungsschemas bei der neovaskulären AMD. Vor der Veröffentlichung der TREX-AMD-Studiendaten lagen bereits die Ergebnisse der sog. LUCAS (The Lucentis Compared to Avastin)-Studie vor (Berg et al. 2015). Bei dieser Studie handelt es sich um die bislang größte prospektive Studie mit „Treat-and-Extend“-Protokoll. In dieser Studie wurden allerdings nicht zwei unterschiedliche Behandlungsregime, sondern die Wirksamkeit und Sicherheit von Ranibizumab und Bevacizumab – beide Medikamente verabreicht nach einem „Treat-and Extend“-Schema – zur Behandlung der neovaskulären AMD verglichen. Insgesamt konnten 441 Patienten in 10 Zentren in Norwegen zwischen März 2009 und Juli 2012 eingeschlossen werden; von diesen erreichten 371 Patienten die 1-Jahres-Visite. Monatliche Injektionen wurden durchgeführt, bis eine „Inaktivität“ der Läsion erzielt wurde. Die Beurteilung der „Inaktivität“ erfolgte dabei basierend auf der OCT und der biomikroskopischen Fundus-Untersuchung. Lagen keine Zeichen einer aktiven neovaskulären AMD vor, so wurde erneut injiziert und das Intervall für die nächste Untersuchung und Behandlung wurde um zwei Wochen verlängert bis zu einem maximalen Intervall von 12 Wochen. Lagen Aktivitäts-Kriterien bei einer Untersuchung vor, so wurde das Intervall zur nächsten Untersuchung und Behandlung um 2 Wochen verkürzt, bis wieder eine inaktive Läsion vorlag. Die Verlängerung der Intervalle erfolgte dann erneut um jeweils zwei Wochen. Um multiplen Rezidiven vorzubeugen, wurden die Intervalle allerdings maximal bis zwei Wochen unterhalb der Periode, bei der ein vorheriges Rezidiv aufgetreten war, verlängert. Auch wenn in der LUCAS-Studie kein direkter Vergleich unterschiedlicher Behandlungsregime erfolgte, so zeigen die Visusdaten in dieser prospektiven Studie nach einem Jahr unter „Treat-and-Extend“ vergleichbar gute Ergebnisse wie prospektive Studien mit monatlichem bzw. „pro-re-nata“ BehandlungsRegime. Diese Ergebnisse ließen sich unter dem „Treat-and-Extend“-Schema allerdings mit deutlich weniger Patienten-Visiten erzielen. In beiden Behandlungs-Armen konnten mit dem „Treat-and-Extend“-Regime ein Visusanstieg und eine Abnahme der Netzhautdicke erzielt werden. Der Visusgewinn lag im Durchschnitt bei 7,9 (Bevacizumab) und 8,2 (Ranibizumab) ETDRS-Buchstaben und war nicht-signifikant unterschiedlich zwischen den beiden Behandlungs-Armen (95 %-Konfidenzintervall [CI] der durchschnittlichen Differenz, -2,4 bis 2,9; p = 0,845). Auch zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Änderung der Netzhautdicke (-112 μm für Bevacizumab und -120 μm für Ranibizumab (95 % CI der durchschnittlichen Differenz, -13 bis 28; p = 0,460). Die Anzahl der Injektionen war dabei im Ranibizumab-Arm (8,0) signifikant geringer als im Bevacizumab-Arm (8,9) (P = 0,001). Weitere, im Jahr 2015 veröffentlichte Studien unterstreichen die Wirksamkeit von Anti-VEGF-Präparaten unter „Treat-and-Extend“-Regimen auch über einen längeren Zeitraum (Arnold et al. 2015). So konnten Arnold und Mitarbeiter – basierend auf den Daten des „Fight Retinal Blindness“-Registers – zeigen, dass nach zwei Jahren mit „Treat-andExtend“-Regimen gute Visusergebnisse zu erzielen sind bei zugleich reduzierter Untersuchungs- und Behandlungsfrequenz. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 17 Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg _______________________________________________________________________________ In dieser Register-Studie wurden Daten von insgesamt 1.198 Augen von 1.011 Patienten (von Januar 2007 bis Dezember 2012) mit zu Beginn behandlungsnaiver neovaskulärer AMD ausgewertet, die 24 Monate mit Anti-VEGFPräparaten gemäß „Treat-and-Extend“-Regimen in der klinischen Routine behandelt wurden. Der Visusanstieg lag im Durchschnitt bei 5,3 Buchstaben und die durchschnittliche Injektions-Häufigkeit bei 13,0 nach 24 Monaten (7,5 Injektionen im ersten Jahr und 5,5 Injektionen im zweiten Jahr). Interessanterweise zeigten sich im Laufe der Studie bessere Visusergebnisse und eine zunehmende Injektions-Frequenz mit den Jahren: So lag bei Patienten mit Beginn der Behandlung im Jahre 2007 der durchschnittliche Visusanstieg bei 2,7 Buchstaben mit durchschnittlich 9,7 Injektionen in zwei Jahren; bei Patienten, die hingegen erst am Ende der Registerstudie zwei Jahre Behandlung durchlaufen hatten, lag der durchschnittliche Visusgewinn bei 7,8 Buchstaben mit durchschnittlich 14,2 Injektionen in zwei Jahren. Diese Beobachtung scheint dabei Änderungen in der klinischen Routine widerzuspiegeln, die möglicherweise durch die „Erhärtung“ von Aktivitäts-Kriterien zu erklären ist. Zudem könnte der Fortschritt der OCT-Technologie – von der Time-Domain-OCT hin zur Spectral-Domain-OCT mit höherer Auflösung und somit erhöhter Sensitivität bzgl. Detektion OCT-basierter Aktivitäts-Kriterien – zu dieser Änderung der Injektions-Häufigkeit geführt haben. Eine weitere im Jahre 2015 veröffentlichte retrospektive Studie von Rayess und Mitarbeitern liefert Ergebnisse bei neovaskulärer AMD bis zu drei Jahren unter „Treat-and-Extend“-Regimen (Rayess et al. 2015). Der durchschnittliche Beobachtungszeitraum in dieser Studie lag bei 1,88 Jahren. Der Visus lag zu Beginn der Studie im Durchschnitt bei 20/139 (n = 212 Augen) und verbesserte sich nach einem Jahr auf durchschnittlich 20/79 (n = 212), lag nach dem zweiten Jahr bei durchschnittlich 20/69 (n = 121) und nach drei Jahren bei 20/64 (n = 59). Patienten erhielten durchschnittlich 7,6 Injektionen im ersten Jahr, 5,7 im zweiten und 5,8 Injektionen im dritten Jahr. Der größte Intervall zwischen Injektionen lag im Median bei 11 Wochen (min. 6, max. 16 Wochen) im ersten Jahr und bei jeweils 13 Wochen (min. 7, max. 18 Wochen) im zweiten Jahr und dritten Jahr. Insgesamt zeigen rezente Daten, dass Patienten unter realen klinischen Bedingen von einer intravitrealen Injektionstherapie profitieren, allerdings können die guten Visusergebnisse der MARINA- und ANCHOR-Studien nicht erreicht bzw. über längere Zeit erhalten werden. Dies gilt insbesondere für das PRN-Schema mit einer niedrigeren Injektionsfrequenz. nAMD-Patienten mit einem guten Ausgangsvisus profiieren – auch im Langzeitverlauf – am meisten von der IVOM 8.4.2 „Switch“ zwischen Anti-VEGF-Präparaten Unter der Behandlung mit Anti-VEGF-Präparaten kann es bei einigen Patienten von Beginn an bzw. im Laufe der Therapie zu einem nur geringen Ansprechen kommen. Als Ursache werden „Resistenzen“ bzw. Tachyphylaxie gegenüber einem Präparat angenommen. Studien der vergangenen Jahre haben sich daher mit dem sog. „Switching“ befasst: hier wird die Therapie von einem Anti-VEGF-Präparat auf ein anderes umgestellt, unter der Annahme, dass der Wechsel auf ein anderes Anti-VEGFPräparat zu einem besseren Ansprechen führt. Lazzeri und Mitarbeiter haben nun in einem Review-Artikel die Ergebnisse dieser Studien zusammengefasst (Lazzeri et al. 2015). Die Ergebnisse von insgesamt 21 Studien (1.066 Augen) wurden erfasst, die den Wechsel auf Aflibercept bei Patienten mit neovaskulärer AMD und schlechtem Ansprechen auf Bevacizumab oder Ranibizumab thematisierten. Dabei handelte es sich um 5 prospektive und 16 retrospektive Studien. Dem Bericht von Lazzeri und Mitarbeitern zufolge kamen alle diese Studien zu dem Ergebnis, dass bei Seite 18 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg ________________________________________________________________________________ Augen mit schlechtem Ansprechen auf Bevacizumab bzw. Ranibizumab der Wechsel auf Aflibercept zu einer Verbesserung des „Outcomes“ führte. Als „Outcome“ wurden in diesem Übersichtsartikel sowohl anatomische als auch funktionelle Aspekte erfasst. Interessanterweise zeigte sich, dass die meisten dieser Studien eine signifikante Reduktion der zentralen Netzhautdicke berichteten, während nur in wenigen Studien ein signifikanter Visusanstieg nach dem Wechsel auf Aflibercept berichtet werden konnte. Dies könnte damit erklärt werden, dass in Augen bereits vor dem Wechsel Vernarbungen vorlagen und der anatomische Effekt nicht mehr mit einer Verbesserung der Sehschärfe einhergehen kann. Die Mechanismen der „Resistenz“ und Tachyphylaxie gegenüber Anti-VEGFPräparaten sind bislang nicht vollständig verstanden. Unterschiedliches Ansprechen auf Anti-VEGF scheint mit unterschiedlichen VEGF-A-Spiegeln im Glaskörper zusammenzuhängen. Zudem könnte eine Hochregulation proangiogenetischer Faktoren, wie z. B. VEGF-B, PIGF, TNFalpha oder eine Hinunterregulation anti-angiogenetischer Faktoren, wie VEGFR-2 oder Thrombospondin ein schlechtes Ansprechen hervorrufen (Funk et al. 2009; Lai et al. 2009; Lazeri et al. 2013). 8.4.3 Langzeitverläufe unter Anti-VEGF-Therapie Die Einführung der Anti-VEGF-Therapie hat zu einem Durchbruch bei der Therapie der neovaskulären AMD geführt. Allerdings verdichten sich in letzter Zeit die Hinweise darauf, dass im Langzeitverlauf die initial erreichten Visusbesserungen bzw. -stabilisierungen im Durchschnitt nicht gehalten werden können. Dies legt auch eine kürzlich publizierte Studie aus Australien von Gillies und Mitarbeitern nahe (Gillies et al. 2015). Hier wurden 1.212 behandlungsnaive Patienten über einen durchschnittlichen Zeitraum von 53,5 Monaten untersucht. Dabei stieg die mittlere Sehschärfe von 55,1 auf 61,4 Buchstaben nach 6 Monaten und blieb oberhalb der mittleren initialen Sehschärfe für ca. 6 Jahre. Nach 7 Jahren war die mittlere Sehschärfe 2,6 Buchstaben geringer als der Visuswert zu Therapiebeginn bei 131 Augen, die weiter untersucht wurden. 40 % hatten einen Visus von > 0,5 und 18 % einen Visus von < 0,1. Von den Patienten mit 0,5 Visus vor Behandlung zeigte sich bei 40 % nach 7 Jahren eine Visusreduktion unter diese Visusschwelle, d. h. bei ihnen konnte ein –„Lesevisus“ nicht erhalten werden. Bei 37 % der Augen wurde ein Sehverlust von > 10 Buchstaben – entsprechend 2 Zeilen auf der ETDRS-Sehtafel – nach 6,5 Jahren hervorgerufen durch die Entwicklung einer geographischen Atrophie mit Einbeziehung der Fovea. Dies unterstreicht die Bedeutung atrophischer Krankheitsprozesse für die Visusprognose bei Patienten mit initial neovaskulärer AMD. Während der ersten 12 Monate wurden im Median 6 Injektionen durchgeführt und es erfolgten 9 Ambulanzbesuche. Anschließend waren es im Mittel 5 Behandlungen und 7-9 Visiten pro Jahr über 7 Jahre. Die Behandlung wurde bei 663 Augen (53 %) innerhalb der ersten 5 Jahre beendet. Trotz initialer Visussteigerung in dieser Gruppe kam es zu einem Visusverlust auf Ausgangswerte oder darunter zu dem Zeitpunkt, als die Therapie beendet wurde. Im Vergleich zu anderen Langzeitstudien waren die Visusergebnisse in dieser Studie insgesamt relativ gut, was mit den im Durchschnitt häufigen Injektionen zusammenhängen könnte. Dies könnte auch mit einem höheren Incentive (Injektionshonorar)in Australien für den behandelnden Augenarzt in Zusammenhang stehen. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 19 Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg _______________________________________________________________________________ 8.5 8.5.1 Therapieansätze bei geographischer Atrophie Übersicht Das primäre Ziel in der Behandlung der AMD ist die Identifikation der zugrundliegenden Ursache sowie die Progression der Erkrankung und den Sehverlust zu verhindern bzw. wenigstens zu verlangsamen. Eine große Herausforderung ist auch hierbei das Fehlen von geeigneten in-vitro Systemen und/oder Tiermodells zur Überprüfung der Effektivität von neuen therapeutischen Ansätzen (Übersicht in Schmitz-Valckenberg et al. 2014). Mittlerweile stehen mehrere pharmakologische Therapieansätze mit unterschiedlichen Angriffspunkten in pathophysiologische Mechanismen zur Verfügung und werden bereits in groß angelegten klinischen Prüfungen zur Wirksamkeit und Sicherheit untersucht (Holz et al. 2014, Holz et al. 2014). Dazu zählen u.a. die Verminderung retinaler Toxine (z.B. durch sog. ‚Visual cycle modulators‘), anti-inflammatorische Substanzen, Lipid-Modulatoren, Komplement-Inhibition, Verhinderung der Amyloid-Akkumulation, Neuroprotektion, Modulatoren der chorioidalen Perfusion und Verminderung von oxidativer Schädigung. Bemerkenswert sind auch die unterschiedlichen Applikationsarten der Substanzen, die von systemisch (oral und intravenös) über lokal (topisch, subkonjunktival, transskleral und intravitreal) reichen. Im Folgenden werden exemplarisch zwei Therapie-Ansätze herausgegriffen: 8.5.2 Visual cycle modulators Die Identifizierung von Hochrisikomerkmalen mittels FAF-Imaging bietet auch einen Ansatzpunkt für therapeutische Interventionen. Durch eine pharmakologische Hemmung des Sehzyklus könnte eine Verminderung der schädlichen Anhäufung toxischer Fluorophoren und damit eine Verlangsamung der Atrophieprogression bewirkt werden. Eine solche Substanz ist Fenretinide (N-(4-Hydroxyphenyl)retinamide). Dieses Vitamin-A-Derivat, das oral eingenommen werden kann, vermindert den Retinolspiegel im Serum durch kompetitive Bindung an retinolbindendes Protein (RBP). Dadurch wird die Bioverfügbarkeit von Retinol in den RPE-Zellen und Photorezeptoraußensegmenten reduziert. Die Fenretinide-Studie (Sirion Therapeutics, Inc.), eine Phase-II-randomisierte, placebokontrollierte Studie mit über 200 Patienten erbrachte allerdings keinen eindeutigen Effekt. Andere ‚visual cycle modulators‘, die nicht indirekt über den Serumretinolspiegel wirken, sondern direkt mit Proteinen interagieren, die am Vitamin-A-Sehzyklus beteiligt sind, kommen ebenfalls zum Einsatz. Das Ziel hierbei ist ebenfalls die Verminderung der Akkumulation von toxischen Abfallprodukten und damit eine Verlangsamung des weiteren Atrophiewachstums. Mit dem oral applizierten Emixustat wurden in einer jetzt abgeschlossenen klinischen Phase IIb/III-Studie Patienten mit geographischer Atrophie behandelt im Vergleich zu einer Placebo behandelten Kontrollgruppe. Der Hauptauswertungsparameter war die Veränderung der Gesamtfläche der geographischen Atrophie. Dabei kamen unterschiedliche Dosierungen von Emixustat zum Einsatz. Allerdings zeigte sich, dass gegenüber der Placebogruppe die Ausdehnungsgeschwindigkeit nicht reduziert werden konnte: diese betrug jeweils für die 10 mg, 5 mg, 2,5 mg und die Placebogruppe 1,84 mm²/Jahr, 1,83 mm²/Jahr, 1,69 mm²/Jahr, 1,69 mm²/Jahr (95). Es gab auch keine Unterschiede im Visusverlauf. Damit kommt dieses Präparat nicht für eine Behandlung der fortgeschrittenen AMD in Frage. Seite 20 Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg ________________________________________________________________________________ 8.5.3 Komplementinhibition Vielfältige Befunde sowohl aus klinischen als auch aus grundlagenwissenschaftlichen und molekulargenetischen Arbeiten weisen auf eine essentielle Rolle der Komplementkaskade in der Pathogenese der AMD hin. Darauf aufbauend wurden spezifische Komplementinhibitoren als Therapieansatz entwickelt, u.a. POT-4 (Potentia Pharmaceuticals Inc.), ARC1905 (Ophtotech Corp.) (www.ophthotech.com/product-candidates/arc1905/ Accessed April 20, 2016), Eculizumab (Alexion Pharmaceuticals) und Lampalizumab (Genentech). Lampalizumab, ein Faktor-D-Inhibitor, zeigte in einer randomisierten, placebokontrollierten Phase-II-Studie (MAHALO-Studie) erstmals einen positiven Effekt mit Verlangsamung der Ausdehnungsgeschwindigkeit von Atrophieflächen (Holz FG. The MAHALO Phase II Study: Safety, Tolerability and Evidence of Activity of Lampalizumab (Anti-factor D) in Patients with Geographic Atrophy (GA) Secondary to Age-Related Macular Degeneration (AMD). EURETINA Abstract 2014). Das Präparat wurde dabei intravitreal entweder monatlich oder 2-monatlich intravitreal appliziert. Dabei war der Therapieeffekt abhängig von einem genetischen Biomarker (CFI). Eine große Phase-III-Studie (CHROMA und SPECTRI) ist nun angelaufen, im Rahmen derer über 1900 Patienten mit geographischer Atrophie behandelt werden – auch in mehreren deutschen Zentren. Sollte sich die Rolle von CFI und der Therapieeffekt bestätigen, wäre dies in der Ophthalmologie auch ein Modellbeispiel für personalisierte Medizin, da eine Genotypisierung vor Therapieinitiierung prädiktive Bedeutung hätte. Das Entwicklungsfeld für Therapien der trockenen AMD weist erfreulicherweise eine erhebliche Dynamik in den letzten Jahren auf. Es gibt viele Therapieansätze, die sich allerdings hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit erst noch in Phase III-Studien beweisen müssen. Die meisten der untersuchten Ansätze sind ähnlich wie bei der Anti-VEGF-Therapie mit repetitiven intravitrealen Injektionen verbunden, so dass im Falle eines Wirksamkeitsnachweises und einer Zulassung mit einem erheblichen zusätzlichen Versorgungsbedarf in der Zukunft zu rechnen wäre. Dies würde letztlich auch die Entwicklung von Verabreichungssystemen sinnvoll erscheinen lassen, mit denen regelmäßige 4- oder 6-wöchige Injektionen nicht mehr erforderlich wären. Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 21 Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg _______________________________________________________________________________ 8.6 Seite 22 Literatur 1. Abedi F, Wickremasinghe S, Islam AFM, et al. Anti-VEGF treatment in neovascular age-related macular degeneration: a treat-and-extend protocol over 2 years. Retina 2014;34:1531–8. 2. Age-Related Eye Disease Study 2 (AREDS2) Research Group. Lutein + zeaxanthin and omega-3 fatty acids for age-related macular degeneration: the Age-Related Eye Disease Study 2 (AREDS2) randomized clinical trial. JAMA. 2013; 309:2005-2015 3. Age-Related Eye Disease Study 2 Research Group. Lutein + zeaxanthin and omega-3 fatty acids for age-related macular degeneration: the Age-Related Eye Disease Study 2 (AREDS2) randomized clinical trial. JAMA 2013; 309:2005-15 4. Age-Related Eye Disease Study Research Group. A randomized, placebo-controlled, clinical trial of high-dose supplementation with vitamins C and E, beta carotene, and zinc for age-related macular degeneration and vision loss. AREDS Report no. 8. Arch Ophthalmol 2001; 119:14171436 5. 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Holz, FEBO Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde Universität Bonn Ernst-Abbe-Str. 2 53127 Bonn Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017 Print Media Academy Heidelberg Seite 25