1 neuroophthalmologie 1 - Heidelberg Engineering

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Neuroophthalmologie – Christina Beisse
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1
NEUROOPHTHALMOLOGIE
1.1
Nystagmus .................................................................................. 2
1.2
Pseudotumor cerebri.................................................................. 4
1.3
Nicht arteriitische ischämische Optikusneuropathie (NAION) 5
1.4
Okulomotorische Hirnnervenparesen ....................................... 7
1.5
Literatur ....................................................................................... 9
1
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Neuroophthalmologie – Christina Beisse
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1.1
Nystagmus1
Nystagmus oder Augenzittern lässt sich in zwei große Gruppen unterteilen,
den frühkindlichen Nystagmus, welcher innerhalb der ersten 4 Lebensmonate
auftritt und an die Entwicklung der Fixation und des okulomotorischen Systems
gekoppelt ist, und den erworbenen Nystagmus, welcher bei Kindern meist mit
einer Läsion der vorderen Sehbahn assoziiert ist, bei Erwachsenen oft mit
Veränderungen im Hirnstamm und Kleinhirn einhergeht. Der frühkindliche
idiopathische Nystagmus schlägt assoziiert und in der Regel horizontal. In
bestimmten Blickrichtungen besteht häufig eine Beruhigung der Intensität
(Nystagmusruhezone). Die Patienten nehmen keine Oszillopsie wahr. Die
Pathogenese ist bisher nicht geklärt, zugrunde liegend ist wahrscheinlich eine
gestörte Reifung des Folgebewegungssystems, bei der eine Verschiebung des
Netzhautbildes nicht als Fehlersignal detektiert wird. Eine weitere Form des
frühkindlichen Nystagmus ist der sensorische Nystagmus. Ihm liegt ein
beidseitiger Defekt der Sehbahn vor dem Corpus geniculatum laterale
zugrunde. Häufigste Ursache ist der Albinismus. Man geht davon aus, dass
nicht die Sehschärfenminderung direkter Auslöser des Nystagmus ist, sondern
es durch die afferente Störung zu einer Fehlentwicklung der okulomotorischen
Steuerung ähnlich wie beim idiopathischen Nystagmus kommt. Der erworbene
Nystagmus im Kindesalter ist am häufigsten bedingt durch eine Läsion der
vorderen Sehbahn (z.B. Optikusgliom). Typischerweise handelt es sich um
einen dissoziierten Pendelnystagmus mit vorwiegend horizontaler
Schlagrichtung. Bei Erwachsenen überwiegen Läsionen im Hirnstamm
und/oder Kleinhirn, die einen Fixationspendel-, See-Saw-, Upbeat-, Downbeat-,
Blickrichtungs- oder periodisch alternierenden Nystagmus auslösen können.
Im Rahmen der Diagnostik liegt das Hauptaugenmerk zunächst darauf, ob es
sich um einen frühkindlichen oder erworbenen Nystagmus handelt. Abbildung
1A enthält die wichtigsten Unterscheidungskriterien. Bei Hinweis auf einen
erworbenen Nystagmus, muss dieser rasch mittels bildgebender Verfahren
abgeklärt werden. Hingegen braucht bei eindeutigen Hinweisen auf einen
frühkindlichen Nystagmus die Abklärung nicht akut eingeleitet zu werden.
Elektrophysiologische Untersuchungen, Bildgebung und Genanalyse werden
zur weiteren Diagnostik eines sensorischen Defekts herangezogen.
Bei frühkindlichen Nystagmusformen dienen therapeutische Maßnahmen vor
allem der Minderung einer Kopfzwangshaltung. Hierfür kommen verschiedene
operative Vorgehen an den Augenmuskeln zum Einsatz (Abb. 1B). Bei der
Behandlung des erworbenen Nystagmus steht neben der ursächlichen
Therapie eine Minderung der unangenehmen Oszillopsien im Vordergrund.
Unter Einsatz GABA-erger Substanzen (Gabapentin, Memantin) oder
Kaliumkanal-Blockern (4-Aminopyridin) kann sich das Ausmaß des Nystagmus
und des Bildwackelns verringern. Entsprechend kommt es auch zur Reduktion
des Beschwerdebildes der Oszillopsie. Leider ist gerade die Einnahme GABAerger Substanzen oft mit unangenehmen Nebenwirkungen assoziiert.
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Abb. 1A.
Abb. 1B
1.1.1
Nystagmus - Update 2016/2017
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Neuroophthalmologie – Christina Beisse
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1.2
Pseudotumor cerebri2
Der Pseudotumor cerebri (PTC) oder die idiopathische intrakranielle
Hypertension (IIH) bezeichnet eine Liquordrucksteigerung ohne verursachende
intrakranielle
Raumforderung
und
ohne
Hydrozephalus.
In
der
Normalbevölkerung wird eine Prävalenz von 8,6 Fällen pro 100.000
beschrieben. Betroffen sind typischerweise übergewichtige Frauen in
gebärfähigem Alter. Die Pathophysiologie ist noch unklar, eher handelt es sich
um eine Abflussstörung als eine Liquorüberproduktion. Ein ätiologischer Faktor
bei Adipositas ist die Behinderung des venösen Abflusses aufgrund des
erhöhten intraabdominellen und intrathorakalen Drucks. Als weiterer möglicher
ätiologischer Faktor kommt eine Behinderung des venösen Abflusses, zum
Beispiel durch eine Sinusstenose (auch ohne Thrombose) infrage. Aufgrund
des überwiegenden Anteils von Frauen in gebärfähigem Alter wird zudem ein
Einfluss von Sexualhormonen auf die Entstehung postuliert.
Die Patienten leiden unter Kopfschmerzen, welche unter körperlicher
Anstrengung zunehmen, visuellen Obskurationen, und oft Tinnitus. Zunächst
besteht kein persistierender Funktionsausfall. Im Laufe der Zeit kommt es zur
chronischer Stauungspapille mit zunehmendem Gesichtsfeldausfall. Am
Fundus zeigt sich eine beidseitige Papillenschwellung, mit Randblutungen,
Gefäßdilatation und verstärkter Schlängelung der Gefäße (Abb. 2A) In
späteren Phasen kann ein Rückgang der Papillenschwellung durch eine
beginnende Atrophie vorgetäuscht werden. Die atrophische Papille weist
typischerweise eine Randunschärfe auf (Abb. 2B). Das dazugehörige
Gesichtsfeld ist stark konzentrisch eingeengt (Abb. 2C). Der erhöhte Hirndruck
führt nicht selten zur ein- oder beidseitigen Abduzensparese mit binokularen
Doppelbildern. Die Liquordruckmessung in Seitenlage zeigt sich auf
>25cmH2O erhöht. Ein normaler Eröffnungsdruck muss nicht zwangsläufig
einen PTC ausschließen, Schwankungen mit zeitweilig erhöhtem und zeitweilig
normalem Druck sind nicht ungewöhnlich. Im MRT finden sich ein Empty-SellaPhänomen und erweiterte Sehnervenscheiden.
Einen wesentlichen Einfluss auf den Therapieerfolg hat bei übergewichtigen
Patienten die Gewichtsreduktion. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie
empfiehlt in ihrer Leitlinie zum PTC eine Diät von 425kcal/Tag. Der Hirndruck
wird
primär
medikamentös
behandelt.
Die
Anfangsdosis
des
Carboanhydrasehemmers Acetazolamid, welcher die Liquorproduktion
reduziert, ist 2-mal 250mg/Tag. Wenn die Gewichtsreduktion und
medikamentöse Therapie nicht ausreichen, müssen invasive Maßnahmen
erwogen
werden.
Hierzu
zählen
wiederholte
Lumbalpunktionen,
Sinusvenenstents bei Vorliegen von Sinusstenosen, der Einsatz von
liquordrainierenden Shunts und die Optikusscheidenfensterung bei chronischer
Papillenschwellung.
Abb. 2A.
1.2.1
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Abb. 2B
Pseudotumor cerebri – Update 2016/2017
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Abb. 2C
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1.3
Nicht arteriitische ischämische Optikusneuropathie
(NAION)3
Die NAION entsteht durch eine lokale Ischämie an der Papille. Der Bereich, in
welchem die Sehnervenfasern durch die Lamina cribrosa treten, wird lediglich
durch die posterioren Ziliararterien versorgt. Hier könnte entweder ein winziger
embolischen Infarkt oder eine enge Lamina cribrosa und individuell
eingeschränkte Kollateralisierung ursächlich für die Ischämie sein. NAIONPatienten weisen eine Häufung von transitorischen ischämischen Attacken und
ein erhöhtes Schlaganfallrisiko auf. Der Anteil von Patienten mit Diabetes,
Hypertonie und Hyperlipidämie ist deutlich erhöht im Vergleich zur
Normalbevölkerung. Ausserdem besteht ein stark gehäuftes Auftreten von
Schlafapnoe. Auch anatomische Besonderheiten der Papille scheinen ein
Risiko darzustellen. Man spricht von einer „disc at risk“, wenn diese klein und
kaum bis gar nicht exkaviert ist.
Die Symptomatik der NAION ist akut. Oft kommt es über Nacht zu einer
Visusminderung und zu einem Gesichtsfeldausfall, typischerweise einem
Nervenfaserverlaufsausfall nach unten (Abb. 3B). Im Vergleich zur
Optikusneuritis besteht kein Augenbewegungsschmerz, gelegentlich wird ein
Drückgefühl am betroffenen Auge angegeben. Der Verlauf der NAION
beinhaltet meist eine initial zunehmende Sehverschlechterung, welche sich im
Laufe der Zeit leider nur selten wieder normalisiert. Die Papille ist sektorförmig
oder zirkulär geschwollen, Randblutungen können auftreten (Abb. 3A).
Typischerweise bildet sich die Papillenschwellung innerhalb von 4-8 Wochen
zurück.
Bis vor einigen Jahren bestanden keine eindeutigen Studienempfehlungen
bezüglich einer sinnvollen Akuttherapie. In einer 2008 erschienen Arbeit von
Hayreh et al. wurde in einem prospektiven Design der Verlauf einer NAION
unter Steroidtherapie mit dem Verlauf ohne Therapie verglich. Bei 70% der
Betroffenen mit einem Visus von 20/70 und schlechter kam es zu einer
funktionellen Verbesserung unter Steroiden. Im Vergleich besserten sich nur
40% der Patienten ohne Therapie. Trotz der ernstzunehmenden Schwächen
der Arbeit, besteht die Empfehlung der Sektion Neuroophthalmologie der DOG
zur Durchführung einer Steroidtherapie unter besonderen Gegebenheiten
(siehe unten). Die positive Wirkung der Steroide auf den Verlauf einer NAION
könnte sich einerseits durch eine steroidvermittelte Abschwellung im Bereich
der engen Lamina cribrosa erklären, andererseits könnten auch im Rahmen
der NAION postulierte entzündliche Reaktionen positiv beeinflusst werden.
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Aufgrund der erhöhten Rezidivhäufigkeit am Partnerauge (16%) sollte eine
Prophylaxe angestrebt werden. Studien zur Verabreichung von AcetylSalicylsäure (ASS) nach NAION weisen widersprüchliche Ergebnisse auf.
Trotzdem erscheint die ASS-Therapie aufgrund des zusätzlich erhöhten
Schlaganfallrisikos sinnvoll, wenn keine Kontraindikationen bestehen.
Abb. 3A. Papillenschwellung mit Blutungen
bei NAION.
Abb. 3B. Typischer
Nervenfaserverlaufsausfall bei NAION.
Abb. 3C. Auszug aus der Handreichung zum Vorgehen bei NAION entwickelt von der
Sektion Neuroophthalmologie der DOG (Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft)
1.3.1
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Nicht arteriitische ischämische Opticusneuropathie (NAION) Update 2016/2017
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1.4
Okulomotorische Hirnnervenparesen4
Die relativen Häufigkeiten der drei okulomotorischen Hirnnervenparesen
nehmen in der Reihenfolge VI–III–IV ab (51%–32%–17%). Eine Parese
(relative Schwäche der dem Nerv zugeordneten Muskeln) kommt wesentlich
häufiger vor als eine Paralyse (= absoluter Ausfall der dem Nerv zugeordneten
Muskeln). Wenn eine Parese gering ausgeprägt ist, kann die Abweichung oft
noch motorisch-fusional überwunden werden, so dass selbst bei gerader
Kopfhaltung keine manifeste Schielstellung und folglich keine Doppelbilder
vorliegen (latente Parese). Dies trifft besonders für Abduzensparesen zu, da
horizontale Abweichungen am besten fusional kompensiert werden können.
Paretisches Schielen ist seltener als nicht-paretisches Schielen. Da nichtparetisches Schielen, selbst mit Doppelbildern, vergleichsweise häufig und
dazu idiopathisch ist, wird immer erst der paretische Charakter eines Schielens
– sei es manifest oder latent – gesichert, bevor nach Grunderkrankungen
gefahndet wird. Einen ersten Hinweis auf eine Bewegungseinschränkung liefert
eine Kopfzwangshaltung. Eine Kopfzwangshaltung trifft man v.a. bei N. IV- und
bei
N.
VI-Paresen
an,
weniger
–
wegen
der
vielseitigen
Bewegungseinschränkung – bei N. III-Paresen.
Eine Bewegungseinschränkung lässt sich einerseits durch Prüfung der
Exkursionsfähigkeit eines Auges erkennen. Vorteilhafter ist, bei der Prüfung
der Exkursionsfähigkeit die Stellung beider Augen zueinander zu beobachten
und dabei auf ein relatives Zurückbleiben eines Auges in einer oder mehreren
Blickrichtungen zu achten. Das relative Zurückbleiben lässt sich gut prüfen,
indem man den Patienten ein am Auge des Untersuchers gehaltenes
Lämpchen fixieren lässt, den Kopf des Patienten in verschiedene Richtungen
dreht und beobachtet, das sich das Hornhautreflexbild eines Auges verschiebt.
Eine Bewegungsschwäche lässt sich auch durch verlangsamte, hypometrische
Sakkaden des betroffenen Auges in die betreffende Richtung nachweisen.
Nicht-paretische Schielformen zeigen im Gegensatz dazu normale Sakkaden.
Ein weiteres Kennzeichen einäugiger Bewegungseinschränkungen ist die
Tatsache, dass der Schielwinkel bei Fixation mit dem motorisch
eingeschränkten Auge größer ist (sog. sekundärer Schielwinkel) als bei
Fixation mit dem Partnerauge (primärer Schielwinkel). Dieses Phänomen rührt
daher, dass für das Führen des motorisch eingeschränkten Auges in die
Primärposition eine stärkere Innervation notwendig ist als für das Führen des
Partnerauges in die Primärposition. Diese stärkere Innervation wird in gleichem
Ausmaß auch auf den Synergisten des Partnerauges angewendet, was zu
einer stärkeren Abweichung des Partnerauges führt. Spontane Fixation mit
dem motorisch eingeschränkten Auge findet man vor allem dann, wenn das
motorisch eingeschränkte Auge das bessere Sehvermögen hat.
Die häufigsten Ursachen von Paresen okulomotorischer Hirnnerven sind
Ischämie, Trauma und Tumor . Im weiteren Sinn können Aneurysmen (N. IIIParesen) zu den Tumoren gezählt werden, Migräne und Arteriitis temporalis zu
den Ischämien. Weitere Ursachen von okulomotorischen Paresen sind
erhöhter Hirndruck, Entzündungen, sowie malnutritive oder toxische Läsionen.
Ein Herpes zoster ophthalmicus kann die in Sinus cavernosus und Orbitaspitze
benachbarten Hirnnerven in das Krankheitsgeschehen miteinbeziehen und so
ebenfalls zu okulomotorischen Paresen führen. Auch andere mikrobielle
Entzündungen wie die Lyme-Borreliose, oder die basale tuberkulöse Meningitis
verursachen Hirnnervenparesen. Malnutritiv / toxisch bedingte Paresen
kommen zum einen bei der Alkoholismus-assoziierten WernickeEnzephalopathie vor (N. VI beidseitig) – in Verbindung mit internukleärer
Ophthalmolplegie, Nystagmus, Ataxie und Bewusstseinsstörungen, zum
anderen als häufige, aber meist reversible Nebenwirkung des
Malignomtherapeutikums Vincristin. Bei einer N. III-Parese ist es zur
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Ursachenfindung von großer Bedeutung zu prüfen, ob die Pupille beteiligt ist.
Die Pupillenfasern liegen zirkulär an der Oberfläche des Nerven und sind somit
gegen Kompression empfindlich. Hingegen bleiben sie von ischämischen
Schädigungen meist verschont, da die "letzte Wiese" der Blutversorgung nicht
an der Oberfläche, sondern in der Mitte des Nervenquerschnitts liegt. Zum
notfallmäßigen Vorgehen bei okulomotorischen Paresen siehe Abb. 4.
Die Ursache zu beseitigen ist ein vordringliches Anliegen. Bei ischämischen
Paresen kommt eine Behandlung etwaiger kardiovaskulärer Risikofaktoren
zwar der aktuellen Parese nicht zugute, jedoch wird weiteren, vielleicht
schwereren, zerebralen Ereignissen vorgebeugt. Den Nerv wiederherstellen
kann man in der Regel nicht; man muss sich damit begnügen, die spontane
Regeneration abzuwarten. Bei ischämischen Läsionen stellt die spontane
Regeneration den Regelfall dar; sie erfolgt innerhalb von 5 bis 10 Wochen. Bei
tumorbedingten oder traumatischen Läsionen ist die regelrechte Regeneration
problematischer. Die Regeneration dauert bis zu einem Jahr, sie ist oft
unvollständig, und im Fall des N. III ist mit Fehlregeneration zu rechnen.
Optische Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbilder umfassen die
Verwendung von Prismen oder die Okklusion eines Auges. Eine Korrektur der
Augenstellung durch eine Augenmuskeloperation sollte möglichst erst
vorgenommen werden, wenn keine Änderung des Schielwinkels mehr zu
erwarten ist. Eine Beschränkung der Augenmuskeloperationen bei
okulomotorischen Paresen ist die Tatsache, dass sich durch die Operation nur
die Augenstellung ändert; die Inkomitanz bessert sich nicht. Demnach wird die
doppelbildfreie Zone nicht größer, sie verschiebt sich lediglich nach geradeaus.
Abb. 4.
1.4.1
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Okulomotorische Hirnnervenparesen – Update 2016/2017
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1.5
Literatur
1.
Pieh C, Gottlob I. Nystagmus im Kindesalter. Monatsschrift Kinderheilkunde
2010;158:653–660.
2.
Rüther K. Pseudotumor cerebri. Ophthalmologe2014;111:383-394.
3.
Wilhelm H et al. Die nicht arteriitische anteriore ischämische
Optikusneuropathie. Klin Monatsbl Augenheilkd 2015;232:1260-1269.
4.
Staubach F, Lagrèze WA. Paresen okulomotorischer Hirnnerven. Der
Ophthalmologe 2007;104:733-746.
Korrespondenzadresse der Autorin:
PD Dr. med. Christina Beisse
Universitäts-Augenklinik Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400
69120 Heidelberg
E-Mail: [email protected]
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Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen
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2
DIABETISCHE RETINOPATHIE
2.1
Epidemiologische Daten und Risikofaktoren ........................... 2
2.2
Nationale Versorgungsleitlinie zur Prävention und
Versorgung von Netzhautkomplikationen bei Diabetes........... 3
2.3
Intravitreale Therapie – VEGF-Inhibitoren ................................ 4
2.3.1
5-Jahresdaten der DRCR.net-Studie: IVOM mit Ranibizumab
sollten früh gegeben werden, ein zusätzlicher fokaler Laser hilft
Injektionen einzusparen. ............................................................... 4
2.3.2
Protocol-T: 2-Jahresdaten beim direkten Vergleich von
Bevacizumab, Ranibizumab und Aflibercept: Aflibercept und
Ranibizumab gleichwertig. ............................................................ 5
2.3.3
Ergebnisse der READ-Studie: nach 2 Jahren ist 2,0mg nicht
besser als 0,5mg .......................................................................... 6
2.3.4
VEGF-Inhibitoren vermindern die Progression der DR, können sie
aber nicht komplett aufhalten ........................................................ 6
2.3.5
Paradigmenwechsel: Intravitreale IVOM mit Ranibizumab können
neovaskuläre Komplikationen besser verhindern als die
panretinale Laserkoagulation (Protocol S). ................................... 7
2.4
Patientenwunsch ........................................................................ 7
2.5
Intravitreale Therapie – Steroide ............................................... 8
2.5.1
Fluocinolon ist als ‚second-line’ Behandlung zugelassen und
für 3 Jahre wirksam ...................................................................... 8
2.5.2
Dexamethason: Auch Ozurdex hat die Zulassung zur
Behandlung des DMÖ .................................................................. 8
2.6
Bildgebung.................................................................................. 8
2.6.1
Weitwinkelangiografie ................................................................... 9
2.6.2
OCT-Angiografie........................................................................... 9
2.7
Literatur ......................................................................................10
2
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Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen
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2.1
Epidemiologische Daten und Risikofaktoren
Der Diabetes mellitus (DM) ist eine tatsächliche Volkskrankheit, wie aktuelle
Daten des Deutschen Instituts für Dokumentation und Information (DIMDI)
belegen: bei mindestens 5,8 Millionen Menschen und fast 10% der
Versicherten in Deutschland wurde die Diagnose DM gestellt (1). Dabei entfällt
der geringste Anteil (0,3%) auf Typ I Diabetiker, bei 2,5% war der Diabetestyp
unklar, 7,3% aller Versicherten hatten einen Typ II Diabetes. Der höchste
Prozentsatz der DM-Patienten liegt um das 85. Lebensjahr, hier ist jeder 4
Deutsche an DM erkrankt. Die Inzidenz hat im Vergleich zu den Vorjahren in
allen Altersgruppen zugenommen und wird bis ins Jahr 2030 um eine weitere
Million Erkrankter zunehmen (2). Ein wesentlicher Faktor für die Entstehung
einer diabetischen Retinopathie ist die Erkrankungsdauer. Nach 30-40 Jahren
haben nahezu alle Patienten Fundusveränderungen wie in Abbildung 1
dargestellt (3–6).
Abb. 1: Entwicklung einer diabetischen
Erkrankungsdauer nach Hammes et al. (6).
Retinopathie
in
Abhängigkeit
von
der
Dabei entwickeln die Hälfte proliferative Veränderungen, ca. ein Drittel hat ein
Makulaödem. Das erklärt auch das empfohlene Screeningprogramm für DMPatienten, an dem aber nur ca. 60% aller Diabetiker teilnehmen (7).
Patienten mit einer diabetischen Stoffwechsellage, aber noch keinem
behandlungsbedürftigen DM weisen dagegen deutlich seltener eine
visusbedrohende Sehverschlechterung auf. In der deutschen GutenbergGesundheitsstudie wurden 922 (22,8%) Patienten mit Prädiabetes identifiziert
(8). Davon hatten 8,1% lediglich geringe diabetische Veränderungen (z.B.
Punktblutungen), 0,3% hatten ein Makulaödem. Die Konsequenz aus den
Daten, die denen anderer epidemiologischen Studien entsprechen lauten, dass
ein zusätzliches augenärztliches Screening bei diabetischer Stoffwechsellage
nicht erforderlich ist.
Risikofaktoren für die Entwicklung einer diabetischen Retinopathie
Neben der bereits erwähnten Krankheitsdauer ist auch ein schlecht
eingestellter Bluthochdruck und Blutzucker, gemessen am HbA1c,
Übergewicht und Nikotin für die Entstehung einer diabetischen Retinopathie
verantwortlich.
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Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen
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In einer deutsch / österreichischen Datenbankanalyse an fast 65.000 Typ 2
Diabetikern wurden folgende Risikofaktoren für die Entwicklung einer
diabetischen Retinopathie ermittelt (6):
•
•
•
•
•
HBa1c > 8%
Mikroalbuminurie
Arterielle Hypertonie
Adipositas (Body Mass Index > 35kg/m“)
Männer
In eine COCHRANE Analyse aus dem Jahr 2013 wurde darauf hingewiesen,
dass zwar die Entstehung einer Retinopathie durch eine adäquate HbA1cEinstellung reduziert werden kann, dass aber die Güte der
Blutzuckereinstellung keine wesentliche Rolle mehr spielt, wenn bereits eine
Retinopathie vorhanden ist (9). Aus den Daten kann gefolgert werden, dass die
Prophylaxe ebenso wichtig ist wie die Therapie.
2.2
Nationale Versorgungsleitlinie zur Prävention und
Versorgung von Netzhautkomplikationen bei Diabetes
Im vergangenen Jahr wurde eine nationale Versorgungsleitlinie publiziert, die
in Zusammenarbeit mit der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft
(DOG) erarbeitet wurde (10). Sie ist als verbindliche und umfassende
Behandlungsempfehlung zu verstehen und befassen sich auch mit den
extraokularen Risiken eines Patienten mit DM. Die Behandlungsempfehlungen
der DOG, der Makulakommission und des BVA bleiben ein weiteres wichtiges
Instrument zur adäquaten Versorgung von Patienten mit diabetischer
Retinopathie.
Ein wichtiger Aspekt in der Leitlinie ist weiterhin, dass intravitreale operative
Medikamenteneingaben (IVOM) nur erfolgen sollen, wenn ein Makulaödem
besteht. Eine proliferative Retinopathie sollte gelasert werden (siehe Abbildung
2).
Abb. 2: Empfehlung der neuen Nationalen Versorgungsleitlinie aus dem Jahr 2015 (10)
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Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen
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2.3
Intravitreale Therapie – VEGF-Inhibitoren
2.3.1
5-Jahresdaten der DRCR.net-Studie: IVOM mit Ranibizumab
sollten früh gegeben werden, ein zusätzlicher fokaler Laser hilft
Injektionen einzusparen.
Im vergangenen Jahr wurden die 5-Jahresdaten der DRCR.net-Studie
publiziert (11,12). In dieser bedeutenden Studie wurden 854 Patienten in 4
Behandlungsarme randomisiert:
•
•
•
•
Gruppe 1: Ranibizumab 0,5mg und sofortiger fokalen Laser
Gruppe 2: Ranibizumab 0,5mg und verzögerter fokalen Laser (≥ 24
Wochen)
Gruppe 3: Triamcinolon 4mg mit sofortigem fokalen Laser
Gruppe 4: Fokaler Laser mit Scheininjektionen
Die Visusergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt.
Visus initial
(Buchstaben)
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Gruppe 4
66
66
66
65
Visusgewinn
nach 1 Jahr
(Buchstaben)
+9
+9
+4
+3
Visusgewinn
nach 3 Jahren
(Buchstaben)
+8
+11
Visusgewinn
nach 5 Jahren
(Buchstaben)
+13,8
+10
+7
+5
Tab. 1: Ergebnisse der DRCR.net-Studien
In der Arbeit von Bressler et al. wurde bestätigt, dass die initial mit
Ranibizumab behandelten Gruppen den beiden anderen Gruppen in Bezug auf
die Visusergebnisse weiterhin überlegen sind (11). In einer Analyse der beiden
Ranibizumabgruppen (Gruppe 1 und 2) wurde nach 5 Jahren aber kein
signifikanter Gruppenunterschied mehr gefunden, wie das noch nach 3 Jahren
der Fall war (12). Der nach 3 Jahren gefundene Vorteil einer verzögerten
Laserbehandlung bei initialer Ranibizumabtherapie lässt sich demnach nicht
halten (p=0,09) (Abbildung 3). Es wurden sogar weniger IVOMs in der
Gruppe benötigt, die sofort gelasert wurde (13 in sofortiger Lasergruppe;
17 in verzögerter Lasergruppe).
Das Fazit dieser Studie ist, dass die anti-VEGF-Therapie mit Ranibizumab dem
Triamcinolon oder der verspäteten Ranibizumabbehandlung überlegen ist. Der
Zeitpunkt einer zusätzlichen Laserbehandlung hat keine Auswirkung auf das
funktionelle Endergebnis, eine frühe Laserbehandlung kann dazu beitragen,
die Zahl der IVOMs zu reduzieren.
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Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen
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Abb. 3: Visusentwicklung in den beiden Ranibizumabgruppen der DRCR.net-Studie über 5
Jahre (12).
2.3.2
Protocol-T: 2-Jahresdaten beim direkten Vergleich von
Bevacizumab, Ranibizumab und Aflibercept: Aflibercept und
Ranibizumab gleichwertig.
Viel Aufsehen hat eine weitere Studie der DRCR.net Gruppe erregt, die sog.
Protocol-T-Studie. In dieser Untersuchung wurde die Wirksamkeit von 1,25mg
Bevacizumab, 0,3mg Ranibizumab und 2mg Aflibercept verglichen (13–15).
Ähnlich der CATT-Studie bei der altersabhängigen Makuladegeneration wurde
in der Protocol-T-Studie ein sog. ‚head-to-head’-Vergleich zwischen den 3
genannten Substanzen durchgeführt. Es wurden 660 Patienten eingeschlossen
und 1:1:1 der jeweiligen Gruppe zugelost. Die Behandlung erfolgte nach dem
Pro-Re-Nata (PRN) Regime anhand von Visus und OCT.
In allen Gruppen wurde ein signifikanter Visusanstieg beobachtet (Tabelle 2).
Der Gruppenunterschied war insgesamt nicht-signifikant. Teilt man die
Gesamtgruppe aber in eine Gruppe mit Ausgangsvisus zwischen 0,06 und 0,4
einerseits, und einem Ausgangsvisus zwischen 0,5 und 1,0 andererseits, dann
gibt es signifikante Unterschiede in der Gruppe mit dem schlechteren Visus
zugunsten von Aflibercept. Ob daraus die Forderung abgeleitet werden kann,
ab sofort Aflibercept als ‚first-line’-Behandlung einzusetzen, falls ein
diabetisches Makulaödem (DMÖ) mit einem Visus ≤0,4 behandelt werden soll
ist fraglich. Zwar war die Subgruppenanalyse im statistischen Auswertungsplan
bereits vorgesehen, aber sowohl die Wiederbehandlungskriterien, als auch die
Dosierung des Ranibizumab entsprechen nicht den Zulassungsstudien in
Europa (dort v.a. 0,5mg Ranibizumab). Das Bevacizumab hingegen war den
beiden anderen Substanzen unterlegen.
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Diabetische Retinopathie – Nicolas Feltgen
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Visus
Jahr 1
Visus
Jahr 2
Visus
Jahr 2
(Initial ≤
0,4)
Visus
Jahr 2
(Initial ≥
0,5)
Anzahl
IVOM in 2
Jahren
13,3
12,8
18,1
7,8
15
9,7
10
13,3
6,8
16
11,2
12,3
16,1
8,6
15
Aflibercept
2mg
Bevacizumab
1,25mg
Ranibizumab
0,3mg
Tab. 2: Daten der Protocol-T-Studie des DRCR.net (14,15)
2.3.3
Ergebnisse der READ-Studie: nach 2 Jahren ist 2,0mg nicht
besser als 0,5mg
In der READ-Studie wurde untersucht, ob 0,5mg oder 2,0mg Ranibizumab zu
besseren Ergebnissen führt, da die diabetische Retinopathie eine
Flächenerkrankung darstellt. Interessanterweise schnitt nach 2 Jahren die
Gruppe mit 2,0mg sogar etwas schlechter ab (+6,78 Buchstaben), als die
Gruppe mit 0,5mg (+11,06 Buchstaben, p=0,02), so dass kein Zusatznutzen
einer höheren Dosierung gefunden werden konnte (16).
2.3.4
VEGF-Inhibitoren vermindern die Progression der DR, können sie
aber nicht komplett aufhalten
Die Frage, ob eine intravitreale Substanz nicht nur das Makulaödem, sondern
auch die Erkrankung insgesamt beeinflussen kann, beschäftigt die
Augenheilkunde schon seit der Einführung der intravitrealen Medikamente.
Nun gibt es bei der DR zwei Arbeiten, die sich dem Thema widmen (17,18).
Beide Studien belegen eine reduzierte Progression der DR im Vergleich zur
Scheinbehandlung. Die Daten der Zulassungsstudien RISE und RIDE wurden
hierzu nochmals herangezogen und die Fundusfotos beurteilt. Die Aussage,
dass eine Verschlechterung unter Ranibizumab seltener war als ohne Therapie
ist zwar richtig, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch mit
Ranibizumab ein Teil der Patienten schlechter wurde, vor allem die Anzahl der
proliferativen
Verläufe
ist
erstaunlich.
Die
wurden
in
der
Scheinbehandlungsgruppe nach 3 Jahren mit fast 40% angegeben, aber auch
in der Ranibizumabgruppe entwickelte jeder 6. Patient eine proliferative
Verlaufsform innerhalb von 3 Jahren.
Das bedeutet, dass auch bei Patienten in der IVOM-Behandlung regelmäßig
nach Proliferationen gesucht werden muss.
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Abb. 4: Patienten mit neovaskulärer Proliferation: Ergebnisse der RISE/RIDE Studien (18).
2.3.5
Paradigmenwechsel: Intravitreale IVOM mit Ranibizumab können
neovaskuläre Komplikationen besser verhindern als die
panretinale Laserkoagulation (Protocol S).
Eine weitere prospektive und randomisierte Studie des DRCR.net an 305
Patienten kommt zu dem Schluss, dass die Ranibizumab Behandlung einer
panretinalen Laserkoagulation in Bezug auf die Entwicklung einer proliferativen
diabetischen Retinopathie nicht unterlegen ist (19). Im Gegenteil sprechen der
Visus (+2,8 Buchstaben in der Ranibizumabgruppe versus +0,2 Buchstaben in
der Lasergruppe), die Rate der erforderlichen Vitrektomien (4% in der
Ranibizumabgruppe versus 15% in der Lasergruppe) und der Anteil der
Patienten mit einem DMÖ (9% in der Ranibizumabgruppe versus 28% in der
Lasergruppe) nach 2 Jahren für die Injektionsbehandlung. In der
Ranibizumabgruppe waren innerhalb der 2 Jahre je nach Makulaödem
unterschiedlich viele Injektionen erforderlich: ohne DMÖ wurden innerhalb von
2 Jahren 10 IVOMs appliziert, mit DMÖ waren es 14. Ein Patient entwickelte
eine Endophthalmitis. Zuletzt wurden die Ergebnisse nochmals komprimiert
zusammengefasst und ein Paradigmenwechsel propagiert. Die kritische Frage
aus dem Auditorium, wie die Ergebnisse außerhalb von Studienbedingungen
zu bewerten wären wurde nicht beantwortet.
Die Ranibizumabbehandlung scheint einen positiven Effekt auf die Vermeidung
proliferativer Verläufe bei der DR zu haben. Aber auch eine konsequente
IVOM-Therapie kann Neovaskularisationen nicht verhindern. Deshalb ist es
aufgrund der verfügbaren Daten nicht ratsam, die panretinale Laserkoagulation
aufzugeben.
2.4
Patientenwunsch
Eine neue Studie aus der Tübinger Augenklinik hat sich die Frage gestellt, was
die Patienten eigentlich vom Arzt erwarten (20). 810 Diabetiker wurden
gebeten eine Zeitspanne von fiktiven 10 Minuten Arztkontakt in Beratung,
Diagnostik und Behandlung einzuteilen. Im Mittel wünschten sich Patienten am
meisten Zeit für die Untersuchung (4,1 min), gefolgt von Beratung (3,4 min)
und Behandlung (2,4 min). Diabetiker mit längerer Krankheitsdauer wünschten
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sich zunehmend Zeit für Diagnostik. Mit zunehmendem Patientenalter wurde
die Behandlung weniger attraktiv. Es gab zudem einen leichten
Geschlechterunterschied, denn Frauen wünschten sich geringfügig mehr Zeit
für das Gespräch, während Männer eher zur Therapie tendierten.
Diese wichtigen Daten entsprechen einer Professionalisierung der Patienten,
die sich mit zunehmender Krankheitsdauer auch besser auskennen und
weniger Informationsbedarf haben. Das kann man in der Behandlung
berücksichtigen und nutzen, denn gerade im Rahmen einer langwierigen
Injektionsbehandlung bei diabetischem Makulaödem kann das Gespräch nach
einer Behandlungsserie auch kürzer gehalten werden, wenn ersichtlich wird,
dass sich seitens der Patienten keine Änderungen ergeben haben. Anders
herum können diese Daten aber auch als Motivation gesehen werden gerade
zu Beginn einer behandlungsbedürftigen Erkrankung ein eingehendes
Beratungsgespräch zu führen.
2.5
2.5.1
Intravitreale Therapie – Steroide
Fluocinolon ist als ‚second-line’ Behandlung zugelassen und für 3
Jahre wirksam
Fluocinolonacetonid (Iluvien) ist als ‚second-line’ Medikament für die
intravitreale Therapie des DMÖ zugelassen. Die Zulassungsstudie (FAME)
zeigte die besten Ergebnisse bei den Patienten, die eine DMÖ Dauer von
mindestens 3 Jahren hatten (21). Erwartungsgemäß ist die intravitreale
Steroidgabe mit einem hohen Grad an Kataraktentwicklung (80% operierte
Patienten nach 3 Jahren in der Gruppe mit 190µg) und einem Druckanstieg in
37% verknüpft. Die meisten Patienten mit Druckanstieg konnten allerdings mit
Hilfe von Augentropfen ausreichend behandelt werden, bei 4,8% musste eine
Glaukomoperation erfolgen. Gerade bei Patienten mit mehreren Erkrankungen
und vielen Arztkontakten sind die Steroide aber eine sehr gute Option, um die
Behandlungsfrequenz zu senken.
2.5.2
Dexamethason: Auch Ozurdex hat die Zulassung zur Behandlung
des DMÖ
Auch das Dexamethasonparäparat Ozurdex hat in der Zulassungsstudie
(MEAD) einen signifikanten Visusgewinn gegenüber einer Kontrollgruppe über
3 Jahre gezeigt (22). Das Problem der Dexamethasonstudien ist das
Reinjektionsintervall nach 6 Monaten. Bei verschiedenen medizinischen
Indikationen wurde gezeigt, dass die Wirksamkeit im Mittel nach 3-4 Monaten
derart nachlässt, dass eine erneute IVOM erforderlich wird. Damit steigt sehr
wahrscheinlich auch die Rate der Nebenwirkungen. Auch beim Dexamethason
kann man von 1/3 Druckanstieg und einer hohen Rate an Kataraktoperationen
ausgehen, wenn die Substanz häufiger als halbjährlich injiziert wird.
Die Behandlung des DMÖ mit Steroiden stellt eine wirklich Alternative zu den
VEGF-Inhibitoren dar, besonders bei pseudophaken Patienten. Trotzdem ist
der Druckanstieg in einem Drittel aller Patienten ein wesentliches Problem,
weshalb die Steroide nach den bisherigen Daten weiterhin Reservepräparate
darstellen.
2.6
Bildgebung
Während die Entwicklung der intravitrealen Medikamente im vergangenen Jahr
auf der Stelle getreten sind, hat sich bei Bildgebung viel getan. Hierzu gehört
die Weitwinkel- und die OCT-Angiografie.
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2.6.1
Weitwinkelangiografie
Die Weitwinkelangiografie hat den wesentlichen Vorteil der flächigen
Darstellung der Netzhaut. Damit eröffnet sich ein neues Krankheitsverständnis,
das gerade bei der DR als Flächenerkrankung eine bedeutende Rolle spielt. 2
Geräte mit Ultra-Weitwinkeltechnologie dominieren den Markt: Optomap der
Firma Optos (200° Optik) und Spectralis der Firma Heidelberg Eng. (102°
Optik). Die neue Technologie ermöglicht tatsächlich wesentlich mehr
diagnostische Informationen. In einer Metaanalyse von 128 Arbeiten konnten
Nagiel et al. im Vergleich zur konventionellen Angiografie 3,9-mal mehr
Ischämien
und
1,9-mal
mehr
Proliferationen
nachweisen
(23).
Interessanterweise reichte die gezielte Lasertherapie aber nicht komplett aus,
um Proliferationen zu vermeiden, was aber auch an der geringen Zahl
untersuchter Patienten gelegen haben könnte (24–26). Sicherlich ist es im
Augenblick noch nicht möglich, den Stellenwert der therapeutischen
Überlegungen, die sich aus der Flächendarstellung ergeben sicher
einzuschätzen. Neben der reinen Bildgebung, spielt bei der Flächenbewertung
der retinalen Ischämie auch die physiologische Durchblutung eine Rolle, die
zentral der Vortexvenen bedeutsamer ist als in der Netzhautperipherie.
2.6.2
OCT-Angiografie
Die interessanteste Weiterentwicklung ist die OCT-Angiografie. Mit Hilfe dieser
neuen Technologie kann gerade bei der diabetischen Retinopathie eine
kontrastmittelfreie Darstellung der zentralen Gefäßarkade ermöglicht werden,
auch
wenn
erste
Studien
die
Übereinstimmung
mit
einer
Fluoreszeinangiografie als ‚moderat’ beschreiben (27). Die Technologie erfährt
im Moment großes Interesse, was auch in der Literatur sichtbar wird (28–30).
Für eine abschließende Beurteilung ist es aber noch zu früh.
Die spannendsten Entwicklungen der vergangenen Monate waren im Bereich
der Bildgebung zu beobachten, auch wenn große vergleichende Studien
fehlen. Die Interpretation der gewonnenen Aufnahmen erfordert eine profunde
Kenntnis der pathopysiologischen Abläufe und anatomischen Gegebenheiten.
Insofern kann man sich von der Bildgebung neue Impulse für das
Krankheitsverständnis der DR erhoffen.
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Korrespondenzadresse des Autors:
Prof Dr. med. Nicolas Feltgen
Augenklinik
Universitätsmedizin Göttingen
Robert-Koch-Str. 40
37075 Göttingen
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Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann
________________________________________________________________________________
3
BINDEHAUT UND HORNHAUTERKRANKUNGEN
3.1
Bindehauterkrankungen............................................................. 2
3.1.1
Kurze anatomische Einführung ..................................................... 2
3.1.2
Bindehautdegenerationen ............................................................. 2
3.1.3
Entzündliche Bindehauterkrankungen .......................................... 3
3.1.4
Bindehauttumoren ...................................................................... 10
3.2
Hornhauterkrankungen .............................................................12
3.2.1
Kurze Einführung in die Anatomie............................................... 12
3.2.2
Hornhautdegenerationen ............................................................ 13
3.2.3
Metabolische Keratopathien ....................................................... 13
3.2.4
Limbusstammzellinsuffizienz ...................................................... 13
3.2.5
Keratitis ...................................................................................... 14
3.2.6
Keratektasien ............................................................................. 17
3.2.7
Hornhautdystrophien .................................................................. 18
3.3
Literatur ......................................................................................21
3
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Seite 1
Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann
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3.1
3.1.1
Bindehauterkrankungen
Kurze anatomische Einführung
Die Bindehaut unterteilt sich in die verschiebliche Conjunctiva bulbi, die zirkulär
vom Limbus der Hornhaut ausgehend in die Peripherie dem Bulbus als
Verschiebeschicht aufliegt. Hier bestehen lose Verbindungen mit der Tenon
Kapsel. Der Übergang zur Conjunctiva tarsi (palpebrae), die fest mit der
Tarsalplatte verbunden ist, wird durch den oberen und unteren Fornix gebildet,
wobei dem unteren Fornix als wesentliche Funktion die Reservoirbildung von
Tränenflüssigkeit zukommt, aus dem mit jedem Lidschlag Flüssigkeit für die
Benetzung der Augenoberfläche bereitgestellt wird. Hier befinden sich
akzessorische Tränendrüsen (Krause). Im Alter findet eine Verkürzung des
Fornix inferior statt, die durch langfristige AT-Applikation, (v.a.
Antiglaukomatosa und Konservierungsmittel) verstärkt werden kann (okuläres
Pseudo-Pemphigoid).
Histologisch ist die Bindehaut ein mehrschichtiges, unverhorntes
Schleimhautepithel (je nach Lokalisation Platten- oder kubisches Epithel) mit
einer Substantia propria, vaskularisiertem Stroma, welches analog zum
Mukosaassoziierten
lymphatischen
Gewebe
(MALT)
ein
Konjunktivaassoziiertes lymphatisches Gewebe (CALT) mit überwiegend Bund T-Lymphozyten beherbergt. Zwischen den Bindehautepithelzellen liegen
Becherzellen gehäuft im unteren Fornix und im Bereich der medialen
Bindehaut, die u.a. durch die Produktion löslicher Mucine zur Stabilität des
Tränenfilms beitragen. Neben Becherzellen, finden sich auch Melanozyten in
der Bindehaut. Die Oberfläche des Bindehautepithels ist weiterhin durch die
Ausbildung von Plicae und von Mikrovilli gekennzeichnet. Weitere Strukturen
der Bindehaut sind die im medialen Lidwinkel gelegene Plica semilunaris und
die Karunkel. Die Plica semilunaris Ist eine medial gelegene Bindehautfalte die
histologisch reich an Becherzellen ist. Analog zu dieser Struktur gibt es bei
einigen Tieren die sog. sog. „Nickhaut“, die auch als 3. Augenlid bezeichnet
wird. Die Karunkel liegt medial der Plica und zeichnet sich histologisch durch
ein mehrschichtiges verhorntes Plattenepithel sowie PE mit Vellushaaren und
großen Talgdrüsen sowie akzessorischen Tränendrüsen aus.
3.1.2
Bindehautdegenerationen
Pingueculum und Pterygium
Beim Pingueculum und beim Pterygium handelt es sich histologisch um eine
elastoide Degeneration des Bindehautstromas (Fragmentierung des Kollagens)
mit teilweise normalem Bindehautepithel, teilweise aber auch akanthotischem
oder dysplastischem Epithel. Beim Pterygium finden sich, da es die
Limbusgrenze überschreitet, auf histologischen Präparaten häufig noch Anteile
destruierter Bowman Lamelle. Klinisch imponiert das Pingueculum als meist
medial gelegener, limbusnaher gelblicher Knoten. Das Pterygium ähnelt
histologisch zwar dem Pingueculum, setzt sich aber auf die Hornhaut fort und
sollte bei Progredienz, subjektiver Beeinträchtigung trotz konservativer
Therapie oder Bedrohung der optischen Achse exzidiert werden. Am Ende des
Pterygiumkopfes findet sich häufig eine Eisenlinie im Hornhautepithel (Stocker
Linie).
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Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann
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Operative Optionen gibt es vielfältige. Gut belegt ist, dass die sogenannte
„Bare sclera“ Exzision Techniken, die eine autologe Transplantation von
Bindehaut oder Limbus beinhalten, deutlich unterlegen ist. Die alternative
Anwendung von 0.02 % Mitomycin C (MMC) scheint der Transplantation in das
Defektgebiet ebenbürtig zu sein. Inwieweit die zur Transplantation von
Bindehaut zusätzliche Anwendung von MMC einen weiteren positiven Effekt
auf die Rezidivrate hat, ist noch ungeklärt. Jedoch ist die Anwendung von
MMC auch mit einer deutlich erhöhten Rate an Nebenwirkungen wie
Skleromalazien verbunden, die teilweise auch erst Jahre nach Anwendung
auftreten können.
3.1.3
3.1.3.1
Entzündliche Bindehauterkrankungen
Allgemeine entzündliche Reaktionen der Konjunktiva
Als gut durchblutetes Schleimhautgewebe reagiert die Bindehaut im akut
entzündeten Zustand mit unspezifischen Entzündungszeichen wie Hyperämie
und Chemosis sowie der Ausbildung eines (teils zellulären) Exsudats.
Darüber hinaus kann es bei schweren Entzündungen zur Ausbildung von
Membranen kommen. Hierbei handelt es sich um fibrinreiche Exsudate mit
teilweise nekrotischem Gewebe, die eine membranartige Struktur annehmen.
Man kann Pseudomembranen, die intaktem Epithel aufgelagert sind, von
echten Membranen, die sich intra- und subepithelial ausbreiten, unterscheiden.
Im Gegensatz zu echten Membranen können Pseudomembranen ohne
Blutung und Ulkusbildung von der Bindehaut abgezogen werden.
Echte Membranen kommen vermehrt bei Konjunktivitiden durch
Corynebacterium diphtheriae, Neisseriae gonorrhoeae, β-hämolisierenden
Streptokokken und beim Stevens-Johnson-Syndrom vor.
Follikuläre – papilläre Konjunktivitis
Follikuläre Konjunktivitis:
Follikel kommen bevorzugt in der Conjunctiva tarsi vor und sind insbesondere
bei Kindern häufig auch physiologisch erkennbar. Klinisch erscheinen sie als
gräuliche runde bis ovale Erhebungen der Bindehaut mit zum Teil sekundärer
Vaskularisation vom Rand der Follikel bis in das Zentrum reichend.
Histologisches Äquivalent ist eine lymphoide Hyperplasie.
Wesentliche Differentialdiagnosen der follikulären Konjunktivitis sind:
Infektiös Akut:
• Viren (Adenoviren, Herpes simplex Viren,…)
• Chlamydia oculogenitalis (Einschlußkörperchenkonjunktivitis)
Infektiös Chronisch:
• Chlamydia trachomatis und psittacosis
• Verschiedene Bakterien
• Spirochäten (z.B. Borrelia burgdorferi)
• Viren (z.B. EBV)
Nicht infektiös:
• Medikamenteninduziert (z.B. Atropin, Kosmetika)
• Immunologisch (z.B. Molluscum contagiosum)
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Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann
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Papilläre Konjunktivitis:
Hierbei handelt es sich um eine Hypertrophie als unspezifische Folge einer
Epithelzellvermehrung und Stromahyperplasie bei chronischer Konjunktivitis.
Histologisch erscheint ein stromales Infiltrat verschiedener Entzündungszellen,
Gefäßbüschel im Papillenzentrum und subepitheliale Fibrillen bzw. Fibrosen,
welche den pflastersteinartigen Aspekt begründen. Der Austritt der Gefäße im
Papillenzentrum hilft zur Unterscheidung der Papillen von Follikeln.
Granulomatöse Konjunktivitis
Granulomatöse Entzündungen können auch im Bereich der Konjunktiva
vorkommen. Ursachen können neben Reaktionen auf Fremdkörper auch
entzündliche Mitbeteiligungen bei systemischen Erkrankungen wie der
Sarkoidose oder eine Entzündung beim Parinaud-Syndrom sein. Hierbei
handelt es sich um eine noduläre oder auch ulzerative Konjunktivitis mit einer
regionalen
Lymphadenitis
(Präaurikuläre
oder
submandibuläre
Lymphknotenschwellung), z.B. infektiös verursacht durch Bartonella henselae
oder Francisella tularensis. Weiterhin können granulomatöse Entzündungen
der Bindehaut im Rahmen einer Tuberkulose oder einer Syphilis auftreten.
(Kerato-)konjunktivitis phlyctaenulosa
Meist bei Kindern oder jüngeren Erwachsenen vorkommendes, im Bereich des
Limbus gelegenes grau-weiß bis gelbliches, knötchenförmiges Infiltrat,
umgeben von hyperämischen Gefäßen. Im Verlauf kommt es zu zentralen
Nekrosen und Ulzerationen sowie auch spontan zur Involution innerhalb
von 2-3 Wochen. Ursache ist eine zellvermittelte, verzögerte
Hypersensitivitätsreaktion auf Bakterienbestandteile, die in der Regel von der
Besiedelung der Lidränder im Rahmen einer meist Staphylokokkenassoziierten Blepharitis stammen.
3.1.3.2
Spezifische Konjunktivitiden
Bakterielle Konjunktivitis
Bei der bakteriellen Konjunktivitis handelt es sich meist um eine produktive
Bindehautentzündung mit entsprechender Produktion eitrigen Sekrets. Jedoch
erlaubt die Sekretion eine bakterielle Zuordnung nicht immer eindeutig und
auch bei adenovirenbedingten Konjunktivitiden, die meist durch ein wässriges
Sekret gekennzeichnet sind, kann ein fast eitriges Sekret erkennbar sein. Die
Diagnose lässt sich trotzdem in den meisten Fällen anhand des klinischen
Erscheinungsbildes stellen. Die meisten bakteriellen Konjunktivitiden haben
einen günstigen Spontanverlauf, weswegen Bindehautabstriche in aller Regel
nur bei sehr schweren Formen notwendig sind. Für die Therapie gibt es keine
einheitlichen Empfehlungen. Bei leichteren Verläufen kann auf eine
antibiotische Gabe in Abhängigkeit vom Verlauf evtl. verzichtet werden.
Das Erregerspektrum ist u.a. abhängig von Alter und Herkunft des Patienten.
Typische Erreger des Erwachsenen sind Staphylokokken-Spezies,
Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae. Bei Kindern finden
sich gehäuft Haemophilus influenzae, Streptococcus pneumoniae und
Moraxella catarrhalis.
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Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann
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Zu unterscheiden sind die hyperakute, die akute und die chronische
Konjunktivitis. Die hyperakute Konjunktivitis kommt typischerweise beim
Neugeborenen vor. Hier ist ein Bindehautabstrich zur Erregerbestimmung
obligat. Die Therapie ist bei Neugeborenen immer auch eine systemische, da
die Ansteckung unter der Geburt bei entzündetem Geburtskanal erfolgt und
davon ausgegangen werden muss, dass mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch
eine Ansteckung der Atemwege mit schweren Pneumonien erfolgen kann.
Diphtherieinfektionen sind dank der guten Durchimpfungsrate in Deutschland
sehr selten geworden. Entsprechend selten sind auch okuläre Komplikationen,
die sich im Fall einer Konjunktivitis durch eine purulente Bindehautentzündung
mit Ausbildung typischerweise echter Membranen äußert. Auch eine
Mitbeteiligung der Hornhaut bis zur Hornhautperforation ist möglich.
Bei gutem Verlauf einer Konjunktivitis kann eine Therapie mit
Tränenersatzmitteln zur Symptomlinderung und mit Entfernen eitrigen Sekrets
durch Auswaschen erfolgen. Die Anwendung von Breitspektrum-Antibiotika
kann den Krankheitsverlauf verkürzen.
Bei langanhaltender, chronischer ggf. rezidivierender Konjunktivitis muss
immer auch an eine chlamydienbedingte Konjunktivitis gedacht werden,
insbesondere, wenn eine follikuläre Konjunktivitis vorliegt. Auch bei dieser
Verlaufsform, besonders wenn keine Besserung unter antibiotischer Therapie
erfolgt, sollte ein Bindehautausstrich ggf. 2-3 Tage nach Absetzen von
antibiotischen Augentropfen erfolgen.
Ferner ist ein Bindehautabstrich bei Personen mit erhöhtem Risiko für
methicilinresistente Staph. Aureus (MRSA) anzuraten (Krankenhausaufenthalt
in den letzten 6 Monaten, Patienten aus Seniorenheimen, Patienten mit
bekannter MRSA-Anamnese, Patienten mit offenen oder chronischen
Hautwunden; s. auch Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von MRSA
durch die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention
(KRINKO)).
Bei der Wahl der Antibiotika sollte beachtet werden, dass für Neugeborene
eine Zulassung für Moxifloxacin und Kinder ab 2 Jahren zusätzlich eine
Zulassung für Azythromycin besteht. Bei bekanntem Keim und ausbleibender
Besserung auf die bisherige Therapie muss eine Umstellung entsprechend des
Antibiogramms
erfolgen.
Ansonsten
kann
jedes
verfügbare
Breitspektrumantibiotikum zur topischen initialen Anwendung nach den
Kriterien Verfügbarkeit, Kosten und bekanntem regionalem Resistenzspektrum
ausgewählt werden.
Neonatale Konjunktivitis
Eine neonatale Konjunktivitis ist eine Bindehautentzündung, die während des
Geburtsvorgangs durch Übertragung vom Geburtskanal erfolgt. Das zeitliche
Auftreten der Entzündung gibt geringgradig Anhalt über den verursachenden
Keim. So treten Entzündungen durch Gonokken häufiger zwischen dem 2. und
4.
Tag,
die
durch
Chlamydia
trachomatis
hervorgerufenen
Bindehautentzündungen häufiger zwischen dem 2. und 14. Tag auf. Die
Therapie ist immer eine systemische, da eine ggf. auch verzögerte
Mitbeteiligung der Atemwege inkl. Pneumonie angenommen werden muss.
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Virale Konjunktivitis
Viren verursachen bis zu 80 % aller Konjunktivitiden. Hiervon werden zwischen
65 und 90 % durch Adenoviren verursacht. Bestimmte Adenoviren (Serotypen
8, 19 und 37) sind Auslöser einer Keratokonjunktivitis epidemica,(KCE) die
neben ihrer hohen Infektiosität klinisch gekennzeichnet ist durch eine
Chemosis mit Karunkelschwellung, wässrigen Ausfluss und eine ipsilaterale
Lymphadenopathie bei ca. 50 % der Patienten. Die Konjunktivitis kann sehr
ausgeprägt bis zur hämorrhagischen Konjunktivitis vorkommen und mit der
Bildung von Membranen einhergehen. Im Verlauf der Erkrankung, die
zwischen 2 und 3 Wochen anhalten kann, kommt es zur Ausbildung von
Bindehautfollikeln. Bei Mitbeteiligung der Hornhaut kommt es zum typischen
Bild der Nummuli in unterschiedlicher Ausprägung, die sich klinisch als
multifokale, fleckförmige, subepitheliale Infiltrate ab ca. 1-2 Wochen nach
Einsetzen der Symptome darstellen. Sie sind das klinische Korrelat einer
Immunreaktion gegen Virusbestandteile bei einer epithelialen Keratitis.
Nummuli bilden sich in aller Regel in sehr variablem Zeitraum spontan zurück,
können bei Persistenz mittlerweile mit Ciclosporin Augentropfen, die langsam
ausgeschlichen werden müssen, therapiert werden. Lokale Steroide können
zwar auch zur Rückbildung der Nummuli beitragen, haben aber nach Absetzen
häufige Rezidive zur Folge.
Ebenfalls durch Adenoviren (Serotypen 3 und 7) wird das
Pharyngokonjunktivale Fieber, ein Krankheitsbild bestehend aus Pharyngitis,
Fieber und Kopfschmerz in Kombination mit einer follikulären Konjunktivitis und
einer Lymphadenopathie hervorgerufen.
Die Knötchen, die durch das Molluscum contagiosum-Virus (ein Pockenvirus)
entstehen, können u.a. auch im Bereich der Lidkante sitzen. Von hier aus
werden Virusbestandteile abgegeben, die zu einer chronischen follikulären
Konjunktivitis führen können.
Herpes simplex- und Herpes-Zoster-Konjunktivitiden sind in aller Regel anhand
der typischen Exantheme im Bereich der Lidhaut des betroffenen Auges
identifizierbar. Sie erreichen das Auge und die Periokularregion über die
sensiblen Nerven des N. trigeminus. Bei Beteiligung der Nasenspitze (N.
nasociliaris) im Rahmen eines Zoster ophthalmicus (Hutchinson Zeichen)
besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Mitbeteiligung des Auges.
Eine Vielzahl weiterer Viren können Ursache einer Konjunktivitis sein (EBVVirus, Masern-Virus, Rubella-Virus,…). Enterovirus 70 und Coxsackie Virus
A24 sind Auslöser einer akuten hämorrhagischen Konjunktivitis.
Konjunktivitis lignosa
Bei der Konjunktivitis lignosa handelt es sich um eine chronische, beidseitige
und pseudomembranöse oder auch membranöse Konjunktivitis. Ursächlich ist
ein Plasminogendefizit, das meist durch eine homozygote Mutation im
Plasminogen-Gen verursacht ist. Die Erkrankung wird dann autosomal
rezessiv vererbt. Durch den Plasminogenmangel kommt es zur Ablagerung
von Fibrin, welches letztlich die Membranbildung fördert. Verletzungen und
entzündliche Reize können als Trigger für den Beginn der Erkrankung wirken.
Klinisch sind die Membranen holzartig fest und liegen der tarsalen Konjunktiva
auf. Die Erkrankung tritt typischerweise bei Kindern erstmalig in Erscheinung
und kann unbehandelt zu ausgeprägten Einschränkungen des Sehens durch
Mitbeteiligung der Hornhaut führen. Es gibt keine allgemein akzeptierte
Therapie. Die Entfernung der Membranen ist von einer hohen Rezidivrate
begleitet und sollte vermieden werden. Die topische Anwendung von Heparin
senkt die Rezidivrate.
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Humanes Plasminogen als Augentropfen hat mittlerweile in der EU den Status
als Orphan-Medikament. Käuflich sind diese Augentropfen aber nicht erhältlich.
Als alternative Behandlungsverfahren sind noch die topische Anwendung von
„fresh frozen plasma“ (FFP) und die Anwendung von nichtsteroidalen
Immunsuppressiva (z.B. Cyclosporin A) beschrieben.
Keratokonjunktivitis des oberen Limbus (Theodore)
Eine beidseitige sektorförmige konjunktivale Reizung im Bereich des oberen
Limbus lässt bei Patienten mittleren Alters an eine Konjunktivitis des oberen
Limbus denken. Die Ätiologie ist weiterhin unklar. Postuliert wird momentan
eine mechanische Reizung vermittelt durch veränderte tarsale Konjunktiva
während des Blinzelns, sodass Mikrotraumata entstehen. Teilweise ist der
spaltlampenmikroskopische Befund nur dezent ausgeprägt, es zeigt sich
jedoch ein typisches Färbemuster der Bindehaut nach Anfärben mit BengalRot in den betroffenen Arealen.
Häufig kann eine Verbandskontaktlinse zusätzlich zu konservierungsmittelfreier
Tränenersatztherapie recht schnell eine subjektive und auch objektive
Besserung bringen. Sollten konservative Ansätze nicht ausreichen, kann die
betroffene Bindehaut kryokoaguliert oder aber auch exzidiert werden. Da eine
Assoziation mit einer Hyperthyreose besteht sollten Schilddrüsenwerte bei
Erstdiagnose bestimmt werden.
Allergische Konjunktivitis
Die allergische Konjunktivitis wird durch eine eine beidseitige, Typ I vermittelte
Immunreaktion hervorgerufen. Hierbei führt eine IgE-vermittelte Stimulation zu
einer
Reaktion
von
Mastzellen,
die
wiederum
verschiedene
Entzündungsmediatoren wie Histamine, Leukotriene und Prostaglandine
ausschütten. In Abhängigkeit von dem verursachenden Antigen, tritt sie meist
saisonal auf, am häufigsten als pollenbedingter „Heuschnupfen“. Aber auch
ganzjährige Verläufe zeigen saisonabhängig unterschiedliche Ausprägungen
der Erkrankung. Wesentliche Symptome der allergischen Konjunktivitis sind
Pruritus und gerötete sowie chemotische Konjunktiven.
Die Therapie richtet sich nach der Ausprägung der Erkrankung. Bei milden
Verläufen reicht evtl. schon die Vermeidung der Allergene. Zusätzliche
Maßnahmen, die eine Verringerung der Antigenlast erwirken, wie häufigeres
Waschen von Gesicht und Körper, sind ebenfalls hilfreich. Zusätzlich sollte der
Patient angehalten werden, zusätzliche mechanische Reizungen durch
intensives Augenreiben möglichst zu vermeiden. Hier helfen beispielsweise
kalte Umschläge, die den Juckreiz reduzieren. Sollten diese Maßnahmen nicht
ausreichen, ist die Anwendung topischer Antihistaminika und/oder
Mastzellstabilisatoren angezeigt. In akuten, exacerbierten Phasen kann
vorübergehend die lokale oder ggf. auch die systemisch Gabe von Steroiden
erforderlich sein. Bei langanhaltenden Beschwerden helfen alternative
immunmodulatorische Agenzien wie Cyclosporin A oder Tacrolimus, die
Steroidgabe zu reduzieren oder abzusetzen.
Keratokonjunktivitis vernalis
Hauptunterscheidungsmerkmal der palpebralen Keratokojunktivitis vernalis von
der allergischen Konjunktivitis ist das Vorhandensein von sehr großen, tarsalen
Papillen. Die Erkrankung tritt meist bilateral auf und betrifft Menschen in den
ersten beiden Lebensdekaden. Typischerweise tritt die Erkrankung
saisonabhängig mit akuten Phasen im Frühjahr und im Sommer auf. Auch
ganzjährige, chronische Verlausformen können auftreten.
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Bei der Keratokonjunktivitis vernalis wird typischerweise eine palpebrale, eine
limbale und eine gemischte Form unterschieden. Das Auftreten der
unterschiedlichen Formen zeigt eine Abhängigkeit von der klimatischen Zone,
wobei in nördlichen Regionen die palpebrale Form dominiert. Die limbale Form
der Keratokonjunktivitis vernalis ist durch eine subkonjunktivale Infiltration mit
entzündlichem Gewebe im Limbusbereich gekennzeichnet, die sich zu Knoten
verdichten kann. Es kann auch zur Pannusbildung auf der peripheren Hornhaut
kommen, die von grau-weißen Knötchen, sogenannten Horner-Trantas dots
belegt sein können.
Die Hornhaut kann zusätzlich eine zentrale bis parazentrale Ulkusbildung, das
sogenannte Schild-Ulkus, aufweisen. Ursächlich scheint zusätzlich zu einer
mechanischen Reizung durch die großen Papillen auch eine inflammatorische
Komponente zu sein. Es können sich auch Plaques aus Mukus und Zellen im
Ulkusbereich bilden.
Die topische Therapie ist vergleichbar der Therapie bei allergischer
Konjunktivitis. Zusätzlich sollte frühzeitig die topische Anwendung von nichtsteroidalen immunmodulatorischen Medikamenten wie z.B. Cycosporin A oder
Tacrolimus in Betracht gezogen werden. Wichtig ist bei bekanntem saisonalen
Auftreten die rechtzeitige Anwendung der Medikamente vor Beginn der aktiven
Phase. Chirurgische Ansätze zur Entfernung großer Papillen führen häufig
nicht zu einer dauerhaften Besserung und sollten bei intensiver
medikamentöser Therapie meist nicht notwendig sein. Insgesamt ist der
Verlauf der Erkrankung gutartig und selbstlimitierend. Ein Abklingen der
Symptome nach der Pubertät ist die Regel.
Atopische Keratokonjunktivitis
Bei der Atopischen Keratokonjunktivitis handelt es sich um eine chronische,
nichtinfektiöse Entzündung der Bindehaut in Assoziation mit einer atopischen
Dermatitis. Der Schweregrad der Augenerkrankung korreliert nicht mit dem
Schweregrad der Hauterkrankung. Viele unterschiedliche Immunzellen sind an
der Ausbildung der Entzündung phasenabhängig beteiligt, unter ihnen
Mastzellen, Eosinophile und Basophile Granulozyten sowie T-Zellen.
Die typischen Beschwerden, Pruritus, Brennen und Tränen, treten chronisch
und eher saisonunabhängig auf. Die Lider sind typischerweise mit Ekzemen
unterschiedlichen Schweregrades inkl. Lidverdickung und Furchenbildung
versehen. Sowohl die vordere, dann meist staphylokokkenassoziiert, als auch
die hintere Lidkante können in den Entzündungsprozess eingebunden sein.
Die Bindehaut ist chronisch bilateral mit einer papillären Reaktion entzündet.
Symblepharabildung und Fornixverkürzung können auftreten. Selten können
auch Horner-Trantas dots im Limbusbereicht gesehen werden. Durch
Entzündung, Störung des Tränenfilms und durch die mechanische Reizung der
verdickten Lidränder und Konjunktiva kann es zu Erosiones und Ulzerationen
der Hornhaut mit der Ausbildung von Mukus Plaques und Filamenten kommen.
Therapeutisch können in Abhängigkeit von der Ausprägung der Erkrankung
topische
Mastzellstabilisatoren
sowie
topische
oder
systemische
Antihistaminika, Steroide und Calcineurininhibitoren (z.B. Cyclosporin A 0,05%
topisch 6x/Tag) helfen, Exazerbationen der Erkrankung zu vermeiden.
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Kontaktlinsenassoziierte Konjunktivitis
Als Reaktion auf zumeist weiche Kontaktlinsen kann es zu einer papillären
entzündlichen Mitbeteiligung der Bindehaut kommen. Die hierbei insbesondere
am oberen Tarsus zu sehenden Papillen können eine erstaunliche Größe
erreichen, die der Erkrankung zu dem Namen Gigantopapilläre Konjunktivitis
verholfen
hat.
Neben
der
Anwendung
von
Antihistaminika,
Mastzellstabilisatoren und Steroiden steht die Kontaktlinsenkarenz im
Vordergrund.
Stevens-Johnson-Syndrom
Beim Stevens-Johnson-Syndrom handelt es sich um eine T-Zell-vermittelte
Hypersensitivitätsreaktion mit starker Entzündung von Haut und
Schleimhhäute. Häufig sind der Erkrankung eine Medikamenteneinnahme (u.a.
Sulfonamide, nichtsteroidale Antiphlogistika, …) oder andere Erkrankungen
vorausgegangen. 60 % der Patienten zeigen eine okuläre Mitbeteiligung in der
akuten Phase mit einer akuten Konjunktivitis, die im Verlauf in eine
vernarbende chronische Phase übergehen kann. 50 % der Betroffenen leiden
unter okulären Spätfolgen mit schwerem trockenen Auge, Trichiasis und
Ausbildung von Symblephara. Die Ausbildung eines trockenen Auges wird
befördert durch Keratinisierung der Lidkante, Verkürzung des Fornix,
Verschluss der Ausführungsgänge von Tränen- und Meibomdrüsen sowie
einem Verlust von Meibomdrüsen.
Okuläres vernarbendes Pemphigoid
Beim okulären vernarbenden Pemphigoid führen Antikörer gegen die
Basalmembran von Schleimhäuten bzw. Konjunktiva zu einer fortschreitenden
subkonjunktivalen
Vernarbung
mit
Symblepharabildung
bis
zum
Ankyloblepharon. Als Frühzeichen sind manchmal verstrichene Karunkel
erkennbar. Die Augen zeigen eine ausgeprägte Keratokojunktivitis sicca. Als
weiteres Merkmal zeigt sich ein Lagophthalmus bei fortgeschrittenen Fällen.
Therapeutisch gilt die Devise, dass operative Eingriffe möglichst vermieden
werden sollten. Bei der Verwendung von Augentropfen (Tränenersatz oder
steroidhaltige Augentropfen) müssen konservierungsmittelfreie Präparate
angewendet werden. Systemisch kommen in Abhängigkeit vom Aktivitätsgrad
Steroide, Dapson oder Zytostatika (MTX, Cyclophosphamid) zum Einsatz. Bei
weit fortgeschrittenen Stadien (ausgebranntes Pemphigoids) sollte eine
Therapie vermieden werden.
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3.1.4
3.1.4.1
Bindehauttumoren
Gutartige Bindehauttumoren
Choristome der Bindehaut
Choristome sind angeborene Tumore bestehend aus versprengtem
embyronalem Gewebe. Hierzu gehören Dermoid- und Epidermoidzysten, die
häufig im Bereich der Sutura frontcygomatica vorkommen. Epibulbäre
Dermoide kommen im Bereich von Sklera, Limbus und Hornhaut vor und
zeichnen sich durch eine variable Tiefenausdehnung aus, die äußerlich nicht
absehbarist. Die operative Entfernung sollte bei Beeinträchtigung unter dem
Bewusstsein erfolgen, dass durch die Exzision ein Astigmatismus induziert
werden kann und evtl. eine lamelläre Keratoplastik zur Defektdeckung nach
Exzision notwendig sein kann.
Bindehautpapillom
Das Bindehautpapillom kann gestielt oder breitbasig vorkommen. Das gestielte
Bindehautpapillom ist häufig durch Subtypen des humanen Papillomavirus
verursacht. Bei fehlender Symptomatik können Bindehautpapillome belassen
werden. Eine spontane Rückbildung ist möglich.
Nävus cysticus Fuchs
Der Nävus cysticus Fuchs ist eine variabel pigmentierte Veränderung der
Bindehaut, die bei jüngeren Menschen häufig gering prominent ist und häufig
nicht bemerkt wird. Der Tumor erfährt häufig während der Adoleszenz eine
Größenzunahme durch Becherzellen, die in der Tiefe des Tumors sitzen und
hier durch Sekretion Pseudozysten ausbilden. Die Zystenbildung führt letztlich
zu einem Pseudogrößenwachstum, das den Betroffenen auffällt.
Dokumenatation und Verlaufskontrollen bei ansonsten Beschwerdefreiheit sind
adäquate Maßnahmen. Das Entartungsrisiko ist sehr gering. Bei einer
eindeutigen Größenzunahme und stärkeren Änderung der Pigmentierung sollte
eine exzisionale Biopsie erfolgen. Weiterhin sollte die Entscheidung zur
Exzision bei Nävi im Bereich der tarsalen Bindehaut schneller getroffen
werden, da diese eine untypische Lokalisation für Bindehautnävi darstellt.
Kongenitale epitheliale Melanose und kongenitale Melanosis oculi
Die kongenitale epitheliale Melanose kommt gehäuft bei dunkelhäutigen
Menschen vor und beschreibt eine im Epithel gelegene und somit
verschiebliche melanotische Veränderung häufig in Limbusnähe. Bei der
kongenitalen Melanosis oculi finden sich fokale, nicht verschiebliche
Melanozytenansammlungen im Bereich der Episklera. Eine faciale
okulodermale Melanozytose im Bereich des Innervationsgebietes des N.
ophthalmicus und N. mandibularis wird als Nävus Ota bezeichnet. Auf der
betroffenen Seite können zudem eine Irishyperchromie und eine
Fundushyperpigmentierung auftreten. Uveamelanome sind selten, müssen
aber entsprechend ausgeschlossen werden.
Primär erworbene Melanose
Die Primär erworbene Melanose (PEM) ist eine erworbene (nicht angeborene)
intraepitheliale konjunktivale Melanozytenansammlung, die histologisch ohne
und mit Atypien auftreten kann. Die Unterscheidung ist klinisch nicht eindeutig
zu stellen, sodass bei sich verändernden PEMs je nach Umfang und Intensität
der pigmentierten Areale eine Exzision angestrebt werden sollte. Sollten
Atypien vorliegen, liegt das Risiko zur Entartung in ein malignes Melanom bei
fast 50 %.
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3.1.4.2
Bösartige Bindehauttumoren
Maligne nicht pigmentierte Bindehauttumore
Im Bereich der Bindehaut können als Carcinoma in situ konjunktivale
intraepitheliale
Neoplasien
(CIN)
auftreten.
Klinisch
variiert
ihr
Erscheinungsbild von Leukoplakien über gelatinös bis zu prominenten
papilliformen Tumoren.
Als bekannte Risikofaktoren für das Plattenepithelkarzinom gelten UV-LichtExposition und Infektionen mit dem humanem Papillomavirus. Der Tumor neigt
zur oberflächlichen Ausbreitung, eine Tiefeninvasion mit entsprechendem
Risiko einer lymphogenen Metastasierung kommt jedoch auch vor. Der Tumor
muss nach Möglichkeit in toto exzidiert werden (nach Möglichkeit 4 mm
Abstand zu den klinisch erkennbaren Außengrenzen und angrenzende
lamelläre Sklerektomie) und der Randbereich der angrenzenden Bindehaut mit
einer Kryokoagulation versorgt werden. Zusätzlich sollte Alkohol auf das
Exzisionsareal gegeben werden. Bei entsprechender Tiefenausdehnung
können eine Enukleation oder gar eine Exenteratio bulbi notwendig sein. Eine
adjuvante Bestrahlung ist bei manchen Patienten zu erwägen. Noch einmal
deutlich
seltener
als
das
Plattenepithelkarzinom
kommen
das
Mukoepidermoid-Karzinom mit erhöhtem Risiko einer Orbitabeteiligung und
das Spindelzellkarzinom vor.
Malignes Melanom der Bindehaut
Das maligne Melanom der Bindehaut ist ein sehr seltener Tumor, der sich
meist aus einer vorbestehenden pigmentierten Läsion, wie der PEM mit
Atypien oder einem Bindehautnävus entwickelt. Zusätzlich zu einer unscharfen
Begrenzung, knotenartigem Wachstum und einer dunklen Pigmentierung weist
eine verstärkte Vaskularisation auf ein malignes Geschehen. Die Tumoren
kommen auch amelanotisch vor. Die Lokalisation ist meist im Bereich der
Konjunktiva bulbi limbusnah, seltener in der Konjunktiva tarsi. Therapeutisch
sollte die Exzision mit 4 mm Abstand erfolgen und die angrenzende Sklera
sollte ebenfalls lamellär exzidiert werden. Adjuvant können Kryokoagulationen
der betroffenen Bindehautareale nach Exzision erfolgen. Die Anwendung von
MMC Augentropfen in der postoperativen Therapie ist beschrieben. Je nach
Ausprägung kann eine Enukleation oder gar eine Exentario orbitae notwendig
sein. Neben der lokalen Behandlung muss ein Staging durchgeführt werden.
Lymphome
Bindehautlymphome kommen bei älteren Menschen vor. Sie zeigen sich
typischerweise als lachsrosafarbener, verschieblicher Tumor, der meist im
unteren Fornix aber auch epibulbär lokalisiert ist. Bindehautlymphome kommen
in ca. 20 % bilateral vor. Histologisch sind die Lymphozyten in der Substantia
propria der Konjunktiva erkennbar. Therapeutisch wird in Abhängigkeit von der
Dignität des Tumors eine Bestrahlung durchgeführt.
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3.2
3.2.1
Hornhauterkrankungen
Kurze Einführung in die Anatomie
Klassischerweise lässt sich die Hornhaut in drei Hauptschichten unterteilen,
Epithel, Stroma und Endothel. Das Epithel wird durch einen mehrschichtigen
unverhornten Verband an Plattenepithelzellen (ca. 50 µm Dicke) gebildet,
deren Stammzellen im peripheren Übergang der Hornhaut zur Konjunktiva,
dem Limbus in den Tiefen der Vogt’schen Pallisaden sitzen.
Das Hornhautstroma besteht zum größten Teil aus Kollagen (neben Kollagen
Typ I auch Typ V und Typ VI), deren einzelne Kollagenfibrillen sich in Lamellen
parallel zueinander mit gleichbleibendem Abstand anordnen. Das Stroma ist
aus einer Vielzahl solcher Lamellen aufgebaut, wobei sie so angeordnet sind,
dass sich die Verlaufsrichtung der in ihnen verlaufenden Kollagenfibrillen von
Lamelle zu Lamelle fast orthogonal dreht. Die Kollagenfibrillen sind eingebettet
in Dermatansulfat- und Keratansulfat-Proteoglykanen. Im anterioren Stroma
bildet eine azelluläre Schicht aus ungeordneten Kollagenfibrillen die BowmanLamelle. Im restlichen Stroma liegen Keratozyten entlang der Lamellen und
bilden ein Synzytium.
Das Hornhautendothel bildet eine einlagige Zellschicht aus hexagonal
geformten Endothelzellen, die der dicksten im menschlichen Körper
vorkommenden Basalmembran, der Descemet Membran aufliegen. Die
Endothelzelldichte bei Geburt kann bei 4000 Zellen/mm2 und darüber liegen
und nimmt im Laufe des Lebens auf teilweise unter 2000 Zellen/mm2 im hohen
Alter ab. Ein Endothelzellverlust kann nur durch Zellmigration und
Größenzunahme der verbliebenen Zellen und nicht durch Proliferation
ausgeglichen werden. Bei ausgeprägten Defekten verlieren die Zellen ihre
gleichmäßige Form (Polymorphismus/Pleomorphismus) und sie erreichen
unterschiedliche Zellgrößen (Polymegatismus). Funktionell kommt den
Hornhautendothelzellen die Aufgabe zu, dem passiven Flüssigkeitsstrom aus
dem Kammerwasser in das Hornhautstroma durch aktives Pumpen einen
Flüssigkeitsstrom aus dem Hornhautstroma in die Vorderkammer entgegen zu
setzen. Hierdurch gelangen Nährstoffe aus dem Kammerwasser in die
Hornhaut, gleichzeitig kann der Flüssigkeitsgehalt des Hornhautstromas in
gewissen Grenzen konstant gehalten werden.
Die Innervation der Hornhaut, genauer des Hornhautepithels ist die dichteste
sensible Innervation im menschlichen Körper. Größere Hauptäste entstammen
dem N. ophthalmicus und erreichen die Hornhaut in tieferen Stromaregionen
über den Limbus. Die Nerven reichen radiär in Richtung Hornhautzentrum und
geben auf dem Weg dorthin feinere Äste in Richtung Hornhautoberfläche ab,
die unter dem Hornhautepithel den subbasalen Nervenplexus bilden. Von
diesem wiederum reichen Nervenfasern zwischen die Epithelzellen. Neben der
sensiblen Innervation besitzen die Nerven auch eine wichtige regulatorische
Funktion
auf
die
Proliferation,
Migration
und
Adhäsion
von
Hornhautepithelzellen über Neuropetide und Wachstumsfaktoren. Weiterhin
tragen diese Substanzen zu dem immunologisch privilegierten Status der
Hornhaut bei. Beim Ausfall oder Einschränkungen der Innervation kommt es
zur neurotrophen Keratopathie, bei der Epithelialisierungsstörungen bis zum
durchgreifenden Hornhautulkus ohne Infiltrat tendenziell im exponierten
zentralen Bereich der Hornhaut auftreten.
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3.2.2
Hornhautdegenerationen
Die Sphäroidale Degeneration ist eine häufigere, meist bilaterale temporal und
nasal in der Lidspalte gelegene Ablagerungen. Die Ablagerungen sind gelblichgolden im anterioren Hornhautstroma, teilweise auch in der angrenzenden
Bindehaut lokalisiert.
Beim Arcus senilis kommt es altersabhängig zur ringförmigen Lipidablagerung
im Hornhautstroma. Bei jüngeren Patienten sollte eine Hyperlipoproteinämie
Typ II ausgeschlossen werden. Eine Lipidkeratopathie kann selten spontan als
primäre Form oder häufiger sekundär nach Verletzung/Entzündung mit
Vaskularisation entstehen. Über die Vaskularisation kommt es zur Ablagerung
von Lipiden und Glykoproteinen.
Bei der Hornhautbanddegeneration kommt es zur Ablagerung von
Hydroxylapatit, einem Kalziumsalz, in der Bowmanlamelle bei Phthisis bulbi,
rezidivierender Uveitis, Si.-Öl-gefülltem aphaken Auge, chron. Keratitis, und
metabolisch bei erhöhtem Kalziumspiegel. Entsprechend sollten metabolische
Störungen des Kalziumstoffwechsels ausgeschlossen werden. Operativ
werden die Ablagerungen bei Beeinträchtigung manuell durch eine EDTAAbrasio entfernt.
Die Noduläre Salzmann-Degeneration beschreibt noduläre Ablagerungen auf
Ebene der Bowman-Lamelle und zeigt sich klinisch durch erhabene gräuliche
Noduli. Die Ablagerungen sind histologisch hyalin, teils auch fibrillär. Eine
Verdünnung der peripheren Hornhaut bei älteren Menschen als senile
Randfurche ist zwischen einem Arcus senilis und dem Limbus lokalisiert.
Selten verursacht dies durch die Ausbildung eines irregulären Astigmatismus
eine Beeinträchtigung des Sehens. Die Marginale Terrien-Degeneration ist
eine idiopathische periphere Hornhaut-Verdünnung (manchmal vaskularisiert)
die zumeist in der oberen Hornhautperipherie beginnt und bei Progredienz
auch die gesamte Zirkumferenz einbeziehen kann, die 6 Uhr-Position aber
häufig ausspart. Operationen haben funktionell eine schlechte Prognose. Ggf.
kann eine Visusbesserung durch Anwendung von Kontaktlinsen erreicht
werden.
3.2.3
Metabolische Keratopathien
Verschiedene Stoffwechselerkrankungen führen zur Ablagerung von
Stoffwechselprodukten in der Hornhaut. Bei Mukoppolysacharidosen (MPS)
führt beispielsweise ein Glykosidasemangel zur Akkumulation von
Mukopolysacchariden in intrazellulären Vakuolen, die zu einer milchglasartigen
Trübung
der
Hornhaut
führen.
Beim
M.
Fabry
führt
ein
Alphagalaktosidasemangel
zu
wirbelförmigen
Ablagerungen
von
Sphingolipiden im Hornhautepithel, die durch Migrationsstraßen betroffener
Hornhautepithelzellen entstehen.
3.2.4
Limbusstammzellinsuffizienz
Bei der Limbusstammzellinsuffizienz kommt es durch Schädigung der
Limbusstammzellen je nach Ausprägung zu einer Konjunktivalisierung der
Hornhaut. Ursächlich sind neben angeborenen Störungen im Rahmen der
Aniridie Schädigungen nach Verätzung, chronischer oder auch sehr starker
akuter Inflammation der Augenoberfläche und wiederholte augenchirurgische
Eingriffe insbesondere im Rahmen rezidivierender Pterygien. Der konjunktivale
Ersatz des fehlenden Hornhautepithels ist gekennzeichnet durch
Vaskularisation,
rezidivierende
Erosiones
und
Vernarbung
des
Hornhautstromas in den betroffenen Hornhautarealen.
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Therapeutisch sind verschiedene Formen der Transplantation epithelialer
Stammzellen möglich. Bei einseitigem Befund besteht die Möglichkeit der
Transplantation autologer Limbusstammzellen. Bei beidseitigem Befund
können allogene Limbusstammzellen oder autologe Stammzellen der oralen
Mukosa verwendet werden. Bei sehr ausgeprägtem trockenen Auge besteht
auch die Möglichkeit zur Implantation einer Keratoprothese.
3.2.5
Keratitis
Infektiöse Keratitis
Risikofaktoren für die die Entstehung einer infektiösen Keratitis sind Umstände,
die entweder eine inokulation von Pathogenen oder verbesserte
Wachstumsbedingungen in der Hornhaut schaffen. Entsprechend sind
Kontaktlinsentragen,
lokale
oder
systemische
Immunsupression,
Augenchirurgische
Eingriffe,
chronische
Entzündungen
an
der
Augenoberfläche, Diabetes mellitus und Traumata der Augenoberfläche
Risikofaktoren für die Entstehung einer infektiösen Keratitis.
Sind die hierbei entstehenden Infiltrate im Hornhautstroma ohne
Substanzverlust lokalisiert, so handelt es sich um eine Keratitis. Bei
nekrotischen Entzündungen mit Verlust von Hornhautstroma liegt ein
Hornhautulkus vor. Ist nur das Stroma bei intaktem Epithel betroffen, liegt eine
interstitielle Keratitis vor. Bei Infiltraten, die bis zur Hornhautoberfläche reichen,
sollte ein Abstrich bzw. eine Probe durch Scraping entnommen werden. Hierzu
wird mit einem scharfen Spatel sowohl zentral als auch im Randbereich des
Ulkus Material abgekratzt und in ein mit Flüssigkeit (z.B. NaCl) gefülltes kleines
Gefäß gegeben. Nach Vorliegen eines Kulturergebnisses mit Resistenztestung
muss die lokale antibiotische Therapie dem Ergebnis angepasst werden.
Bis zum mikrobiologischen Ergebnis werden, wenn vorhanden, antibiotische
Augentropfen in erhöhter Konzentration, sog. fortified Augentropfen, in
Abhängigkeit vom Befund bis zu ¼-stündlich gegeben. Bakterielle Keratitiden
zeigen klinisch weiße bis gelbe Infiltrate. Hervorzuheben ist eine Infektion mit
Pseudomonas aeruginosa, ein Keim, der bei Kontaktlinsenträgern gehäuft
Ursache einer Keratitis ist und in kürzester Zeit eine fulminante nekrotisierende
Keratitis mit Hornhautperforation hervorrufen kann. Eine weitere Sonderform
einer bakteriellen Keratitis besteht bei der interstitiellen Lues-Keratitis. Sie
entsteht nach kongenitaler Syphillis und kann verzögert im Alter zwischen dem
5. Und 25. Lebensjahr auftreten.
Sie ist meist bilateral und führt zu starken Schmerzen. Die interstitielle Keratitis
geht gehäuft mit einer cornealen Neovaskularisation einher. Die Gefäße bilden
sich nach Abklingen der Entzündung zu nicht durchbluteten „Ghost Vessels“
zurück. Es verbleiben Hornhautnarben. Weitere Ursachen für eine interstitielle
Keratitis sind die Tuberkulose oder nicht-infektiös im Rahmen eines CoganSyndroms.
Bei der infektiösen kristallinen Keratopathie besteht eine infektiöse Keratitis mit
einem niedrig virulenten Keim nach z.B. länger dauernder lokaler
Immunsuppression. Solche Infiltrate mit kristallenem Aussehen können
beispielsweise durch Staphylococcus epidermidis oder Streptococcus viridans
hervorgerufen werden. Therapiert wird mit topischen Antibiotika über einen
längeren Zeitraum bei Besserung ausschleichend.
Die mykotische Keratitis kommt gehäuft in tropischen Regionen vor (teilweise
über 50% aller Keratitiden), wobei in diesen Gegenden Hyphen im
Keimspektrum überwiegen. In gemäßigten und kälteren Klimazonen sind
überwiegend Hefen für mykotische Keratitiden verantwortlich. Als Risikofaktor
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für eine Pilzinfektion gelten Traumata mit pflanzlichen oder stark
verschmutzten Gegenständen. Kontaktlinsentragen und die Anwendung von
topischen Steroiden sind weitere Risikofaktoren. Klinisch imponieren die
mykotischen Hornhautinfiltrate als grau-weiße Infiltrate mit peripheren
unregelmäßigen Ausziehungen oder aber auch als ringförmiges Infiltrat mit
Satelliten. Relativ häufig ist das Epithel zumindest initial über dem Infiltrat
geschlossen. Bei intraokulärer Mitbteiligung kann ein pyramidenförmiges
Hypogyon erkennbar sein, das durch Eiterstraßen entlang von in die
Vorderkammer hineinragende Pilzanteilen gebildet wird. Eine Unterscheidung
von einer bakteriellen Keratitis ist klinisch jedoch nicht immer sicher möglich.
Entscheidend ist der Keimnachweis. Hierfür müssen manchmal wiederholt
Scrapings oder Biopsien im Infiltratbereich, Zentrum und Rand, durchgeführt
werden. Topische Antimykotika müssen in Deutschland meist in Apotheken
aus Präparaten für die i.V.-Anwendung hergestellt werden. Gängige
Medikament, die hierbei zur Anwendung kommen sind Amphotericin B,
Voriconazol und Fluconazol. Voriconazol sollte aktuell als first-line Therapie bei
Pilverdacht mit unbekannter Resistenzlage angewendet werden. Bei
gesichertem Nachweis von Hyphen ist Fluconazol für die Therapie ungeeignet.
Bei sehr tief liegenden Infiltraten sollte ggf. eine Abrasio corneae durchgeführt
werden, um die Penetration der Antimykotika zu verbessern. Zusätzlich sollte
eine systemische Gabe von Antimykotika bei tiefliegenden Infiltraten bzw. bei
Mitbeteiligung der Vorderkammer erfolgen.
Auch Protozoen können eine Keratitis verursachen. Akanthamöben sind ein
Beispiel für eine Entzündungsform der Hornhaut, die erst seit Verwendung von
Kontaktlinsen mengenmäßig in nennenswerter Form in Erscheinung getreten
ist. Die Akanthamöben durchlaufen unterschiedliche Entwicklungsstadien und
können in der Hornhaut in einer Zystenform verweilen, die gegen äußere
Einflüsse und Therapiemaßnahmen sehr resistent ist. Dies ist auch der Grund,
warum Patienten mit einer Akanthamöbenkeratitis eine langwierige Therapie
mit Antiseptika (Diamidine und Biguanide) und Aminoglykosiden (z.B.
Neomycin) über viele Monate durchlaufen müssen und auch lange Zeit nach
abgeheilter Akanthamöbenkeratitis Rezidive in der Literatur beschrieben
wurden. Akanthamöben können eine Limbitis und typischerweise auch eine
Perineuritis hervorrufen, wodurch die Patienten entzündungsbedingt starke
Schmerzen bei manchmal geringem klinischen Befund angeben. Das bei der
Akanthamöbenkeratitis klassischerweise beschriebene Ringinfiltrat liegt nicht
immer vor und auch bei Vorhandensein eines solchen Infiltrats ist es nicht
pathognomisch für eine Akanthamöbenkeratitis. Das Epithel kann lange Zeit
noch intakt sein. Für die Kultivierung von Scrapingmaterial muss dem Labor
der V.a. Akanthamöben mitgeteilt werden, da hier spezielle Kulturmedien wie
z.B. mit E. coli beimpfter Agar verwendet werden müssen.
Die Herpes simplex Keratitis (HSV-Keratitis; meist HSV I) kann in
unterschiedlichen
Strukturen
der
Hornhaut
sehr
unterschiedliche
Immunreaktionen hervorrufen. Unterschieden wird die epitheliale von der
stromalen von der endothelialen HSV-Keratitis. Die Infektion ist meist ein
Rezidiv einer vorangegangen Herpes-Infektion des Körpers, die auch
subklinisch oder wie ein leichter grippaler Infekt ablaufen kann. Die
Herpesviren können im Ggl. Trigeminale verbleiben und dann über die
sensiblen Nervenfasern eine Infektion der innervierten Organe hervorrufen. Es
gibt auch (seltener) eine primäre konjunktivale Infektion, die als follikuläre
Konjunktivitis klinisch in Erscheinung tritt. Wegweisend für die Diagnose der
primären Infektion sind die typischen Effloreszenzen.
Die epitheliale Herpeskeratitis kann als Keratitis punctata superficialis
auftreten. Sollten größere Areale betroffen sein, kann es zur Ausbildung von
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für eine epitheliale HSV-Keratitis typischen verästelten Ulzerationen kommen.
Das begrenzende, virusbeladene Epithel solcher Dendriten färbt sich gut auf
Bengal-Rosa. Die Dendriten können sich auch zu größeren Arealen vereinigen
und so zu einem geographischen Ulkus führen. In Deutschland sind als
antivirale topische Medikament Aciclovir und Gancyclovir käuflich als
Augensalbe/-gel erhältlich. Zusätzlich kann eine Abrasio des betroffenen
Areals durchgeführt werden.
Die stromale Herpeskeratitis kann als interstitielle Keratitis mit intaktem Epithel
auftreten. Hier zeigen sich uni- oder multifokale hazeartige oder weiße
Infiltrate, die zu Rezidiven mit konsekutiver Vernarbung und Vaskularisation
der Hornhaut neigen. Bei dieser Entzündungsform besteht eine entzündliche
Reaktion auf verbliebene Virusbestandteile ohne Replikationsaktivität im
Hornhautstroma. Entsprechend muss zusätzlich zur antiviralen Therapie auch
mit Steroiden therapiert werden. Bei ausgeprägten Befunden oder stärkerer
Iridozyklitis sollte die Therapie auch systemisch erfolgen.
Eine stromale Herpeskeratitis kann auch nekrotisierend auftreten und ist so
schwer von nekrotisierenden Entzündungen anderer Ursache zu
unterscheiden. Die nekrotisierende Herpeskeratitis ist Ausdruck einer direkten
Infektion mit dem Herpesvirus. Hier muss sowohl lokal als auch systemisch mit
Virostatika therapiert werden (lokal Aciclovir AS 5x/Tag, systemisch Aciclovir
400mg 5x/Tag.
Die disciforme Herpeskeratitis beschreibt ein rundes oder ovales Stroma- und
Epithelödem, dass durch eine Endotheliitis hervorgerufen wird. Im betroffenen
Areal sind typischerweise entzündliche Präzipitate auf der faltigen Descemet
Membran erkennbar. Die Erkrankung kann mit einer Iridozyklitis und mit einem
Anstieg des Augeninnendruckes einhergehen. Die Veränderungen sind
Ausdruck sowohl einer direkten viralen Aktivität als auch einer Reaktion des
Immunsystems auf die virusbefallenen Endothelzellen. Entsprechend muss
auch hier kombiniert mit antiviralen Medikamenten und Steroiden therapiert
werden. Die entstehende neurotrophe Keratopathie nach Herpes-Keratitiden
wird als metaherpetische Keratitis bezeichnet.
Die Keratitis bei Zoster ophthalmicus kann klinisch als epitheliale Keratitis bei
direkter Virusinvasion, als nummuläre Keratitis nach vorangegangenem
Exanthem oder als disciforme Keratitis in Erscheinung treten. Letztere ist von
einer disciformen HSV-Keratitis klinisch nicht zu unterscheiden. Der Zoster
ophthalmicus betrifft eher ältere Menschen (6. Lebensdekade).
Ulzerationen der peripheren Hornhaut
Ulzerationen der peripheren Hornhaut werden häufig nicht durch direkte
Infektionen sondern durch immunologische Reaktionen im Übergangsbereich
zwischen dem vaskularisierten und dem nichtvaskularisierten Anteil des
Limbus hervorgerufen.
Die marginale Keratitis beschreibt eine periphere Hypersensitivitätsreaktion auf
Exotoxine von z.B. Staphylokokken bei Staphylokokkenblepharitis. Die
Veränderungen ähneln denen einer peripheren ulzerativen Keratitis, eine
Erkrankung, bei der es zur Ablagerung von Immunkomplexen in den
Gefäßarkaden im Llimbus kommt. Die periphere ulzerative Keratitis ist häufig
assoziiert mit rheumatischen Erkrankungen. Entsprechend muss bei
unbekannter rheumatischer Grunderkrankung eine rheumatische Abklärung
durchgeführt werden.
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Therapeutisch kommen konservierungsmittelfreie Tränenersatzmittel zum
Einsatz. Bei marginaler Keratitis stehen die Therapie des Lidrandes mit
Lidrandpflege und die Anwendung von lokalen Steroiden zur Reduktion der
Hypersensitivitätsreaktion im Vordergrund. Gleichzeitig sollten lokale möglichst
wenig epitheltoxische Antibiotika verabreicht werden. Orale Tetrazykline
vermindern die Protease-Aktivität und vermindern dadurch einen weiteren
Stromaverlust.
Die
periphere
ulzerative
Keratitis
wird
ebenfalls
mit
lokalen
konservierungsmittelfreien Tränenersatzmitteln therapiert. Im Gegensatz zur
marginalen Keratitis werden in der Akutphase die Steroide nicht lokal sondern
systemisch gegeben. In Kooperation mit dem Rheumatologen muss
gleichzeitig eine Basistherapie eingeleitet werden. Hier sollte der
Ophthalmologe in engem Kontakt mit dem Rheumatologen stehen, um Einfluss
auf die Art der immunomodulatorischen Therapie nehmen zu können.
Bei fortschreitenden Ulzerationen kann eine periphere Kertaoplastik (nach
Möglichkeit lamellär) notwendig sein.
3.2.6
Keratektasien
Keratektasien sind Auswölbungen der Hornhaut mit einhergehender
Hornhautverdünnung. Sie können sekundär als Folge chirugischer
Hornhauteingriffe z.B. nach Keratektomie entstehen. Häufiger jedoch kommen
Keratektasien beim Keratokonus vor, einer idiopathischen Erkrankung der
Hornhaut, die einen progressiven Verlauf hat. Sie mündet und durchläuft
unterschiedlich stark ausgeprägte Stadien, die bei dieser bilateral
asymmetrischen Erkrankung einen variabel ausgebildeten irregulären
Astigmatismus induziert. Die Diagnose wird anhand der klinischen Zeichen wie
Fleischer-Ring (kreisförmige Eisenlinie um den Konus), Vogt-Striae (vertikale
Streifen im tiefen Hornhautstroma), Apicale Narben und die sichtbare
Vorwölbung der Hornhaut und Verdünnung unterhalb des Apex beim
fortgeschrittenen Keratokonus gestellt. Bei frühen Formen stehen mittlerweile
verschiedene diagnostische Parameter zur Verfügung, die den Verlauf der
Dickenänderung des Hornhautstromas vom Zentrum in die Peripherie und die
Asymmetrie in der Hornhauttopographie berücksichtigen und so auch die
Diagnose eines Forme fruste Keratokonus, eines nicht progredienten
Keratokonus in subklinischem Stadium, erleichtern.
Eine Progredienz der Erkrankung kann durch eine quervernetzende Therapie
mit UV-Licht und Riboflavin reduziert bzw. verhindert werden. Für die
Entscheidung für oder gegen ein Crosslinking werden neben der Progredienz
auch die Hornhautdicke, die Höhe des steilsten Keratometerwertes, Alter des
Patienten und die Sehschärfe des Patienten berücksichtigt. Eine gute bis sehr
gute Sehschärfe kann häufig über einen langen Zeitraum durch die
Anwendung von Kontaktlinsen erhalten werden. Sollten Kontaktlinsen nicht
(mehr) getragen werden können, kann durch eine Hornhauttransplantation,
nach Möglichkeit eine tiefe anteriore lamelläre Keratoplastik (DALK), eine gute
bis sehr gute Sehschärfe erreicht werden. Bei manchen Patienten besteht eine
Assoziation mit dem Marfan- oder Ehlers-Danlos-Syndrom, mit Atopie und mit
der Osteogenesis imperfecta.
Zu unterscheiden vom Keratokonus sind keratektatische Erkrankungen mit
peripherer
Hornhautverdünnung
wie
die
Pellucide
marginale
Hornhautdegeneration und der sehr seltene Keratoglobus (zirkulär peripher
verdünnte Hornhaut). Eine Keratoplastik ist aufgrund der peripheren
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Hornhautverdünnung technisch deutlich anspruchsvoller und mit schlechterer
Prognose vergesellschaftet.
3.2.7
Hornhautdystrophien
Im Jahr 2008 wurde eine neue Einteilung der Hornhautdystrophie durch das
internationale Komitee für die Klassifikation von Hornhautdystrophien
veröffentlicht (IC3D). Die Dytsrophien werden hierbei entsprechend ihrer
anatomischen Lokalisation und des bekannten Gendefekts eingruppiert.
Für die klinische Untersuchung von Hornhautdystrophien ist zu beachten, dass
der Betrachtung der Dystrophie bei weiter Pupille im regredienten Licht eine
besondere Bedeutung zukommt. Die hierdurch veränderte Kontrastierung der
Strukturen lässt bestimmte Veränderungen häufig erst sichtbar werden. Im
Folgenden werden ausgewählte Dystrophien dargestellt.
Epitheliale und subepitheliale Hornhautdystrophien
Zu den epithelialen und subepithelialen Dystrophien wird die epitheliale
Basalmembrandystrophie (Cogan-Dystrophie)gezählt, bei der die Epithelzellen
im Stoffwechsel derart gestört sind, dass es zu einem veränderten Wachstum,
veränderten Adhäsionseigenschaften und zur Bildung von veränderten
Proteinen
der
Basalmembran
kommt.
Entsprechend
sieht
man
spaltlampenmikroskopisch landkartenartige, zystische oder teilweise parallel
verlaufende strichförmige Veränderungen, die entsprechend zu der
Alternativbezeichnung der Erkrankung, Map-Dot-Fingerprint-Dystrophie geführt
haben. Die Vererbung ist meist als Einzelfall auftretend, seltener autosomaldominant vererbt.
Die Folgen die Epithelalterationen können rezidivierende Erosiones, häufig
nach einem initialen kleineren Trauma als Auslöser, mit starken Schmerzen
sein. Therapeutisch kommen Augensalbenapplikationen vor dem Schlafen und
bei nächtlichem Aufstehen eine besondere Bedeutung zu, da typischerweise
durch Anhaftung des veränderten Epithels während der Schlafensperiode
gefolgt von der morgendlichen Lidöffnung die Erosio corneae entsteht.
Weiterhin
helfen
konservierungsmittelfreie
Tränenersatzmittel,
Verbandskontaktlinsen und ggf. die Applikation von autologem Serum als
Augentropfen. Sollten konservative Therapiemaßnahmen nicht greifen, bieten
chirurgische Ansätze wie die Abrasio corneae ggf. in Kombination mit einer
Phototherapeutischen Keratektomie (PTK) oder eine oberflächliche Stichelung
des Hornhautstromas die Möglichkeit, die Adhäsivität zwischen Stroma und
Epithel zu verbessern.
Eine weitere epitheliale Dystrophie ist die Meesmann-Dystrophie. Sie wird
autosomal-dominant vererbt und beginnt typischerweise in den ersten
Lebensjahren. Klinisch zeigen sich im regredienten Licht multiple solitäre
zystenartige intraepitheliale Veränderungen, die sich histologsich als PAS
positive intraepithelial vakuolisierte Zellen darstellen. Die Veränderungen
erreichen den Limbus meist nicht. Eine Therapie im Sinne einer Abrasio führt
zu sehr raschen Rezidiven. Die Lisch-Dystrophie ähnelt der MeesmannDystrophie, jedoch wird sie X-chromosomal-dominant vererbt und die Zysten
sind eher zusammengeballt.
Bei der gelatinösen tropfenartige Dystrophie (Vererbung autosomal-rezessiv)
besteht eine subepitheliale Amyloidose die nach Keratektomie und
Keratoplastik zu schnellen Rezidiven neigt. Sie wird nach ihrer
morphologischen Erscheinung in 3 unterschiedliche Typen unterteilt.
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Dystrophien der Bowman Lamelle
Diese Dystrophien führen zu Veränderungen hauptsächlich im anterioren
Hornhautstroma und sind auf Mutationen im „transforming growth factor betainduced“ (TGFBI)-Gen zurückzuführen. Die Reis-Bücklers-Dystrophie ist eine
autosomal-dominant vererbte Dystrophie, die zu landkartenartigen,
polygonalen Trübungen durch irreguläre Kollagenablagerungen in der
Bowman-Lamelle führt. Diese können rezidivierende Erosiones zur Folge
haben. Die Thiel-Behnke-Dystrophie unterscheidet sich morphologisch von der
Reis-Bücklers-Dystrophie durch ein eher wabenähnliches Muster.
Therapeutisch können die Excimer-PTK in leichten Stadien und die tiefe
anteriore Keratoplastik (DALK) oder perforierende Keratoplastik bei
fortgeschrittenen Fällen durchgeführt werden.
TGFBI-Hornhautdystrophien
Hierbei handelt es sich um Dystrophien, die wie die Dystrophien der BowmanLamelle auf einen Gendefekt im TGFBI-Gen zurückzuführen sind, jedoch auch
tiefere Anteile des Hornhautstromas mit einbeziehen. Auch wenn
morphologisch die Veränderungen hauptsächlich im Stroma erkennbar sind,
sind auch die Hornhautepithelzellen von diesem Gendefekt betroffen.
Zu Ihnen zählt die gittrige Hornhautdystrophie Typ I, die autosomal-dominant
vererbt wird und bereits am Ende der ersten Lebensdekade morphologisch in
Erscheinung treten kann. Hier kommt es zu gittrigen Ablagerungen von
Amyloid im Hornhautstroma, die einen klaren peripheren Rand der Hornhaut
aussparen. Klinisch können noch zwei weitere Typen der gittrigen
Hornhautdystrophie unterschieden werden. Beim Typ 2 besteht auch eine
systemische Amyloidose, der Typ 3 tritt erst später bei älteren Menschen auf
und die Gitterlinien erscheinen dicker.
Die granuläre Hornhautdystrophie wird ebenfalls autosomal-dominant vererbt.
Hier werden zwei Typen unterschieden. Beim Typ I sieht man scharf
abgegrenzte fleckförmige Trübungen im anterioren Hornhautstroma, zwischen
denen klare Hornhautanteile liegen. Die Ablagerungen bestehen aus Hyalin.
Auch hier ist die periphere Hornhaut unbeteiligt. Beim Typ II (früher AvellinoDystrophie) bestehen die Ablagerungen aus Hyalin und Amyloid. An der
Spaltlampe erscheinen diese als Ringe, Sterne oder Schneeflocken.
Therapeutisch kann häufig eine Sehverbesserung durch PTK erreicht werden.
In fortgeschrittenen Stadien ist eine Keratoplastik zur Visusverbesserung
notwendig.
Stromadystrophien
Die makuläre Dystrophie zeichnet sich morphologisch durch eine diffuse
Ablagerung von Mukopolysacchariden in der gesamten Hornhaut aus. Diese
seltenere Form der stromalen Dystrophien wird autosomal rezessiv vererbt und
beginnt häufig bis zum Ende der ersten Lebensdekade. Histologisch zeigt sich
neben der Ablagerung von Mukopolysacchariden auch ein abnorm dichtes
Kollagen. Es besteht ein Defizit an Keratansulfat. Therapeutisch kann bei
entsprechender visueller Beeinträchtigung eine Keratoplastik durchgeführt
werden.
Die Zentral-wolkenförmige Hornhautdystrophie-François ähnelt klinisch der
degenerativen Krokodilchagrin. Sie wird autosomal-dominant vererbt oder tritt
spontan auf. Es zeigen sich krokodilartige Trübungen im posterioren
Hornhautstroma, die sich histologisch teilweise als Glykosaminoglykane
darstellen lassen.
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Die Schnyder-Hornhautdystrophie kommt als zentrale scheiben- oder
ringförmige Stromatrübung mit (Typ I) und ohne (Typ II) subepitheliale Kristalle
vor. Die Erkrankung ist mit einem Arcus lipoides assoziiert. Histologisch
handelt es sich bei den Ablagerungen um Cholesterin.
Descemet-Membran und endotheliale Dystrophie
Die Fuchs‘sche Endotheldystrophie tritt meist spontan auf, sie wird aber auch
autosomal-dominant vererbt. Sie wird meistens nach dem 50. Lebensjahr
symptomatisch und betrifft etwas bevorzugt Frauen. Durch eine
eingeschränkte Funktion des Hornhautendothels kommt es zum Stroma- und
Epithelödem der erkrankten Hornhaut bis zur schmerzhaften bullösen
Keratopathie. Bei chronischem Ödem mit Hornhautverdickung kann es auch
zur subepithelialen Fibrosierung kommen. Spaltlampenmikroskopisch finden
sich zentral gehäuft Guttae sowie eine endotheliale Pigmentierung.
Endothelzelldarstellungen zeigen neben einer reduzierten Endothelzellzahl
einen Polymorphismus und einen Polymegatismus. Therapeutisch können
hypertone NaCl-Augentropfen (5%) die Symptome lindern. Operativ sollte eine
posteriore lamelläre Keratoplastik als Descemet's Stripping Automated
Endothelial Keratoplasty (DSAEK) oder besser als Descemet Membrane
Endothelial Keratoplasty (DMEK) angestrebt werden.
Die
hintere
polymorphe
Dystrophie
nach
Schlichting ist
eine
Hornhautendotheldystrophie, die früh im Leben auftritt bzw. bei Geburt schon
vorhanden ist und eine variable Ausprägung hat. Häufig wird sie klinisch
zufällig entdeckt bzw. führt nur zu geringgradiger Einschränkung. Der
Vererbungsmodus kann autosomal-dominant oder –rezessiv sein.
Spaltlampenmikroskopisch sind fokale geographische oder bandförmige Areale
alterierten Endothels erkennbar. Es besteht eine Assoziation mit
Irismembranen, Korektopie und der Entstehung eines Glaukoms. Sollten die
Veränderungen zu einem Hornhautödem führen, das die optische Achse mit
einschließt, kann eine Keratoplastik notwendig sein.
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Bindehaut und Hornhauterkrankungen – Björn Bachmann
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3.3 Literatur
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Korrespondenzadresse des Autors:
Prof. Dr. med. Björn Bachmann
Zentrum für Augenheilkunde der Universität zu Köln
Kerpenerstr. 62
50937 Köln
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Seite 21
Glaukome – Christian Mardin
________________________________________________________________________________
4
GLAUKOME
4.1
Einführung .................................................................................. 2
4.1.1
Einführung .................................................................................... 2
4.1.2
Definition ...................................................................................... 2
4.1.3
Epidemiologie ............................................................................... 2
4.2
Genetik ........................................................................................ 3
4.3
Risikofaktor Augeninnendruck .................................................. 4
4.4
Diagnostik ................................................................................... 5
4.5
Therapie ...................................................................................... 8
4.6
Allgemeine Schlussbemerkung ................................................11
4.7
Literatur ......................................................................................12
4
Kompendium Heidelberger Kompetenztage Auge, 30.06.-01.07.2017
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Glaukome – Christian Mardin
_______________________________________________________________________________
4.1
4.1.1
Einführung
Einführung
In den letzten Jahren führte eine große Zahl an Ideen und Techniken dazu,
Glaukome bezüglich Genetik, Risikofaktoren, Diagnostik und Therapie besser
zu bergreifen. Im klinischen Alltag der Behandlung von Glaukompatienten
spielen vor allem die modernen diagnostischen Aspekte bereits eine
bedeutende Rolle.
4.1.2
Definition
Glaukome sind eine Gruppe von Erkrankungen verschiedener Ursache, die in
der gemeinsamen Endstrecke zu einer spezifischen Atrophie der Papille,
einem Verlust von Axonen und Gliazellen und retinalen Ganglienzellen. Die
Folge ist eine Gesichtsfeldeinschränkung, die zur Erblindung führen kann. Als
Hauptrisikofaktor und Ziel der antiglaukomatösen Therapie gilt der intraokulare
Druck. Wie vor 150 Jahren ist nach wie vor das Hauptziel, den intraokularen
Druck zu senken um die Erkrankungsprogression zu verlangsamen oder
aufzuhalten. Der Beginn eines Glaukoms ist schwer zu definieren, weshalb es
nach wie vor keine exakte Definition der frühen Erkrankung gibt. Einigkeit
scheint darüber zu herrschen, das Aussehen der Papille als frühes Zeichen zu
werten (1).
4.1.3
Epidemiologie
Glaukome sind die zweithäufigste Erblindungsursache auf der Welt. Die WHO
schätzt die Zahl der weltweit erkrankten auf 105 Millionen Menschen mit ca.
fünf Millionen Blinden in Folge. Ist das primäre Offenwinkelglaukom die
häufigste Glaukomform bei Kaukasiern, so findet sich in Asien häufiger das
primäre Winkelblockglaukom (2; Abb.1). Beide Glaukome zeigen überall auf
der Welt eine steigende Prävalenz mit dem Alter, was bei einer zunehmenden
Lebenserwartung in Zukunft eine bedeutendere Rolle spielen wird. Farbige
zeigen in den USA ein bis zu fünffach erhöhtes Risiko für eine
Glaukomentwicklung als Kaukasier. Die Glaukomhäufigkeit ist in der
chinesischen Bevölkerung genauso groß wie in Europa, in Südindien jedoch
höher (3). Die Tendenz ist bis zum Jahr 2020 steigend. Die Dunkelziffer ist
immer noch hoch. Die Gesundheitskosten steigen mit fortschreitendem
Schaden und verzögerter Detektion durch den Arzt (4).
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Abb. 1: Häufigkeit von Glaukomen weltweit (oben). Kosten pro Patient in Abhängigkeit vom
Glaukomstadium (unten). Aus Varma et al. An assessment of the health and economic
burdens of glaucoma. Am J Ophthalmol. 2011;152(4):515-22
4.2
Genetik
Die Erblichkeit von primären Offenwinkelglaukomen führt zu einem 5-10fach
erhöhten Glaukomrisiko bei Blutsverwandten in einer Familie (5). Monogene
Erbgänge mit Mutation im Genotyp und Glaukom im Phänotyp sind für weniger
als 5% der Glaukome verantwortlich. Die Mehrzahl der Glaukome ist
multifaktoriell. Ein gutes Beispiel ist LOXL1 (Elastinstoffwechsel) als
verantwortliches
Gen
für
das
Pseudoexfoliationsglaukom.
Seine
Genvariationen und Polymorphismen sind weit verbreitet und nicht immer mit
einer Glaukomerkrankung verbunden. Viele bekannte Risikogene sind ein
Produkt einer genweiten Suche mit ihren unterschiedlichen Einflüssen auf
glaukomrelevante klinische Risikofaktoren wie zentrale Hornhautdicke,
Papillenparameter wie Papillengröße, Glaukom mit hohem und niedrigem
intraokularen Druck. Viele Kandidatengene warten noch auf Prüfung auf ihre
klinische Relevanz.
Je häufiger Allele vorkommen umso geringer ist die Auswirkung auf die
Schwere der Erkrankung wie in Abb. 2 gezeigt.
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Abb. 2: Die Graphik zeigt eindrucksvoll wie häufige Varianten eines Gens wie LOXL1 für
relativ geringe Effekte auf den Glaukomphänotyp verantwortlich sind und Gene wie MYOC,
die sehr selten auftreten einen relativ großen Effekt aufweisen. Aus Manolio TA et al.
Finding the missing heredibility of complex diseases. Nature 2009; 461: 747-753.
In einer genomweiten Assoziationsstudie mit PEX-Patienten und Kontrollen in
24 Ländern und einer Bestätigungsstudie in 18 Ländern weltweit konnten 2017
neue Erkenntnisse zur Häufigsten Variante des Sekundärglaukoms-dem PEXGlaukom gefunden werden. Sieben signifikante Loci konnten weltweit ermittelt
werden (P < 5 x 10-8). Ein therapeutisch interessantes protektives Allel auf
LOXL1 (p.407Phe, OR = 25, P =2,9 x 10-14) konnte identifiziert werden. Diese
Variante führt zu einer erhöhten zellulären Adhäsion im Vergleich zum
Wildtypallel (p.407Tyr). Diese Erkenntnisse stellen einen weiteren Schritt zum
biologischen Verständnis der PEX-Erkrankung und weisen auf die Bedeutung
seltener LOXL1 Varianten hin (6).
Somit ist nach wie vor eine genetische Beratung von an Glaukom erkrankten
vor allem bei familiärem Auftreten sinnvoll, wohingegen sporadische Fälle
derzeit eher weniger für eine humangenetische Untersuchung geeignet sind.
4.3
Risikofaktor Augeninnendruck
Der relativ erhöhte Augeninnendruck gilt als Hauptrisikofaktor der
Glaukomentstehung und –progression. OHTS, AGIS, CNTGS und CIGTS als
große, kontrollierte und prospektive Studien haben die Bedeutung der
Augeninnendrucksenkung zur Verminderung des Glaukomentstehungs- oder
progressionsrisikos eindrücklich gezeigt. Dies hat zu dem derzeit von der EGS
empfohlenen individualiserten Zieldruckkonzept geführt.
R Hernandez et al stellten sich in einer Modellberechnung die Frage wie
effektiv man unter Berücksichtigung der Relation Kosten zu Nutzen Patienten
mit OHT im Verlauf untersuchen kann um im Fall einer Konversion zum
manifesten Glaukom zu intervenieren (7).
Für das englische
Gesundheitssystem kamen sie zur Schlußfolgerung, dass 1. Das Risiko der
Konversion nach 20 Jahren 21-23% betrug, 2. das intensive NICE Schema der
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Kontrolle zwar sehr effektiv war, aber 3. in der Relation QUALY zu Kosten eine
Untersuchung alle zwei Jahre durch nicht-ärztliches, geschultes Personal am
effektivsten war.
Die Augeninnendruckfluktuation spielt bei der Progression eine Rolle und kann
bisher nur mit 24h Augeninnendruckprofilen suffizient erfasst werden. Der
höchste intraokulare Druck konnte von Barkana et al bei 62% der untersuchten
Augen nur während eines Augeninnendruckprofils, zu Zeiten außerhalb der
Praxisöffnungszeiten detektiert werden, und hatte bei 36% der Augen die
Folge einer Therapieumstellung (8). Quaranta et al und Grippo et al (9,10)
wiesen auf die Bedeutung der Liegenddruckmessung gemeinsam mit der
Blutdruckmessung während eines 24h Augeninnendruckprofils hin.
Nächtliche Spitzen im Liegen waren signifikant häufiger bei Konvertern zum
Glaukom als bei Gesunden.
Y Moon et al untersuchten Liegendruckmesswerte bei einer Glaukomgruppe,
die diagnostisch als auch therapeutisch herausfordernd ist-den
Normaldruckglaukomen (NDG)(11). Es wurden eine Gruppe von 70 jungen
NDG-Patienten mit einem IOD unter 15mmHg, mit einer von 79 NDGPatienten, mit einem IOD über 15mmHg verglichen. 11 Messungen erfolgten
über 24h, auch im Liegen. Sie fanden heraus, dass die Gruppe mit dem
niedrigeren IOD im Liegen, signifikant höhere IOD Werte zeigte. Sie konnten
jedoch keine Aussage über den Unterschied zwischen beiden Gruppen in der
Progressionsrate treffen.
Die praktische Konsequenz ist Techniken zu finden, die es erlauben außer der
Selbsttonometrie kontinuierliche intraokulare Druckmessungen zu erhalten. In
den letzten fünf Jahren wurden technische Lösungen entwickelt, die von der
intraokularen Messung bis zur Messkontaktlinse reichen (8). Mansouri und
Weinreb (12) postulieren für die Selbsttonometrie eine gute Tolerierbarkeit und
eine hohe Messfrequenz von über 40MHz bei gleichzeitig günstigem Preis. Die
Interpretation der Messdaten wird die zukünftige Herausforderung für den
Augenarzt sein.
Starke Augeninnendruckschwankungen werden für den Umbau der Lamina
cribrosa verantwortlich gemacht mit einer Vertiefung und Versteifung des
Stützgewebes durch Bindegewebsumbau (13).
4.4
Diagnostik
Im Verständnis der Progression der Glaukomerkrankung sollten funktionelle
Einschränkungen dem morphologischen Verlust von Axonen, Ganglienzellen
und neuroretinalem Randsaum vorangehen. Bisher konnten kommerziell
erhältliche Testverfahren dies nicht bestätigen.
Objektive sensorische Tests stehen in der Hoffnung subjektive Einflüsse des
Probanden auszuschliessen. Hierzu gehören das Musterwechsel-ERG,
photopisch negative Antwort eines Ganzfeld-ERG und multifokales ERG. Diese
Verfahren haben das Potential frühe Glaukomschäden anzuzeigen, jedoch
scheitert die Praktikabilität im Alltag entweder an uneinheitlichen Testverfahren
oder an systemimmanenten technischen Problemen (14).
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Eine Verbesserung der psychophysischen Glaukomfrühdiagnose mit der weißauf-weiß Computerperimetrie scheint das Verfahren der Flicker-defined Form
des Heidelberg-Edge-Perimeters (HEP) zu sein (17,18). Horn et al (18)
verglichen HEP mit dem bekannten FDT (Zeiss-Humphrey und dem OCT bei
zur Detektion verschiedener Glaukomstadien (Abb.4). FDF und FDT waren bei
präperimetrischen Glaukomen ähnlich sensitiv. Jedoch zeigte FDF eine etwas
geringere dynamische Breite als das FDT und die konventionelle weiß-weiß
(w-w) Perimetrie. Bei einem mittleren Defekt von 5dB in der w-w-Perimetrie
war für das FDF und FDT die Grenze der Sensitivität erreicht.
Glaukomverdächtige wurden mit HEP häufiger detektiert als mit der
konventionellen Perimetrie.(15).
Abb. 4: Mittlere Defekttiefe mit der FDF in drei diagnostischen Gruppen (praeperimetrische,
grenzwertig perimetrische und frühe perimetrische Glaukome) im Vergleich zu Kontrollen.
Boxbplot-Darstellung, Sternchen kennzeichnen signifikante Unterschiede zu Kontrollen und
Kreuze signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Aus Horn et al Flicker defined
form perimetry in glaucomas. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol 2015. 253:447-455.
Die Technik des hochaufösenden OCT ist in der Glaukomdiagnostik einer der
grossen Meilensteine geworden. Die Technik des Spectral-domain und
Sweptsource OCT ermöglichen hochauflösende und schnelle Bildaufnahmen
mit bis zu 70.000 Schnitten pro Sekunde. Damit sind empfindliche Strukturen
wie die Ganglienzellschicht der Macula, die retinale Nervenfaserschicht und
der Sehnervenkopf bis zur Lamina cribrosa mit einer axialen Auflösung von bis
zu 4µm ähnlich einem in vivo histologischen Schnitt darstellbar. Die Variabilität
der Messungen beträgt nur 1,4µm (16). Die hohe Präzision der Messungen
mit immer höherer Auflösung erlaubt es den natürlichen Altersverlust von
NRR und RNF zu messen. Diesen von frühen glaukomatösen
Veränderungen zu trennen ist eine Herausforderung für jede Messmethode.
Da jeder Patient eine individuelle Progressionsrate zeigt, sind wiederholte, präzise
Messungen essentiell (17).
Die hochauflösende OCT-Technik hat schnell Verbreitung in der alltäglichen
Versorgung gefunden. Die Glaukomfrüherkennung konnte mit der Messung der
retinalen Nervenfaserschicht und der Ganglienzellschicht weiter vorangebracht
werden, mit hoher Sensitivität im praeperimetrischen Glaukomstadium. Wie gut
geringe Änderungen der Schichtdicken-messungen mit der Funktion korrelieren,
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werden zukünftige Studien zeigen müssen. Fortune et al (18) konnten beim
experimentellen Affenglaukom darstellen, daß die Polarisationsänderung in der
retinalen Nervenfaserschicht mit -22%, der Dickenabnahme im OCT mit -5%
vorausgeht. Dies könnte ein Marker sein für frühe funktionelle Änderungen in den
Axontubuli. Polarisationsempfindliche OCT könnten in Zukunft dieses Phänomen
zur früheren Diagnose nutzen.
Die neueste Anwendung ist die Bestimmung der minimalen neuroretinalen
Randsaumweite in der Papille unter zu Hilfenahme der Detektion des Endes
der Bruchmembran und der Membrana limitans interna als präzise darstellbare
Papillengrenze (19). Dieser Wert zeigte in ersten klinischen Studien eine gleich
hohe Diskriminierung von Glaukomen wie die retinale Nervenfaserschichtdicke
mit dem OCT (20,21).
Die Messung der makulären Ganglienzellschichtdicke mit dem SD-OCT zeigt
ebenfalls eine gute Diskriminierung zwischen Normalen und frühen
Glaukomen. F Oddone et al (22) fanden in einer Literaturübersicht zu drei
unterschiedlichen OCT-Geräten einen Vorteil der RNF-Schichtdickenmessung
gegenüber der makulären Ganglienzellschichtdickenmessung.
JC Mwanza et al konnten zeigen, dass ab einer mittleren Defekttiefe von 2225dB die retinale Nervenfaserschichtdicke mit drei verschiedenen OCTGeräten gemessen keine Progression mehr anzeigen kann. Die
korrespondierende Rest-RNF-Dicke betrug 47-64μm (23). Das Spectralis
(Heidelberg Engineering) zeigte gegenüber Cirrus (Zeiss) und RtVue
(Optovue) die grösste dynamische Breite mit den meisten Progressionsstufen
(Abb.5).
Abb. 5: Dynamische Breite und Endpunkte bei der Messung von RNF-Scichtdicke mit dem
OCT im Vergleich zur Perimetrie mit drei OCT-Platformen.. Aus JC Mwanza et al. Residual
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and dynamic range of retinal thickness in glaucoma: comparison of three OCT platforms.
Invest Ophthalmol Vis Sci. 2015; 56(11):6344-51.
Hochgeschwindigkeits- Spectral domain OCT‘s sind inzwischen in der Lage im
Bereich der Retina und Aderhaut Gefäße darzustellen ohne Farbkontrastmittel
zu verwenden. Die enface Darstellung der Papille mit HochgeschwindigkeitsOCT erlaubt eine Gefäßdarstellung in einer beliebigen Schicht. Es konnte von
mehreren Autoren gezeigt werden, dass es nicht nur papillär (24), sondern
auch retinal es zu einer Abnahme des oberflächlichen Gefäßnetzes kommt. Ob
diese Veränderungen nur die Folge eines Substanzverlustes der RNF und
NRR darstellen bleibt abzuwarten.
Man kann für die Verlaufsbeobachtung bei Glaukomverdacht und mittlerer
Glaukomprogression schlussfolgern, dass HEP, FDT und RNF-Schichtdicke
mit dem OCT in frühen bis mittleren Phasen sinnvoll sind und weiterhin im
fortgeschrittenen Stadium die w-w-Perimetrie bedeutsam ist. Somit ergibt sich
die Möglichkeit Glaukomdiagnostik Stadien gerecht einzusetzen und so zu
ökonomisieren.
4.5
Therapie
Die konservative, medikamentöse Drucksenkung als Lokaltherapie ist immer
noch die häufigste Therapieform der Glaukome. Es steht eine breite Palette an
Substanzen zur Verfügung, die auch in Kombination den Augeninnendruck
effektiv senken. Unkonservierte Aufbereitungen stehen für immer mehr
Substanzen im Handel zur Verfügung, zur Verbesserung der
Patientenadhärenz und Verringerung der Inflammation des Tenon-Gewebes
und der Bindehaut vor filtrierenden OP-Verfahren. Ein niedriger
Augeninnendruck stellt keinen vollkommenen Schutz vor Progression dar,
vermindert jedoch deutlich das Risiko.
Chirurgische Therapie ist das Verfahren der Wahl, wenn ein ausreichender
Zieldruck medikamentös nicht erreicht wird oder die Medikation nicht toleriert
wird. Weniger invasive Verfahren ohne die Komplikationen der
Trabekelchirurgie und Versagen durch Vernarbung sind das Ziel.
Transtrabekuläre Implantate wie Ex-press Minishunt, und Glaukos-i-stent
(25)(Abb.6) verbessern die Fazilität ohne Gefahr der postoperativen Hypotonie.
Diese Verfahren senken jedoch den intraokularen Druck meist nicht tiefer als
15mmHg und für sehr tiefe Zieldrucke ist die Trabekulektomie immer noch das
Verfahren der Wahl (Jünemann A. Welches kleine Implantat für welchen
Glaukompatienten?. DOC 2014). Eine Zwischenstellung scheint der
transsklerale Xen-Stent (26)(Abb.7) darzustellen. Die eigene Erfahrung zeigt,
dass bei diesem Verfahren sowohl Hypotonien vorkommen, als auch Wert auf
die postoperative Nachsorge gelegt werden muss. Mindestens ein Needling
zur Reertüchtigung der Filtration ist häufig. Dennoch sind die Komplikationen
und die OP-Zeit deutlich geringer als bei der TE.
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Abb. 6: Glaukos-i-stent. Spitzes Ende weist zum Trabekelwerk. Aus Voscanyan L.
Prospective, unmasked evaluation of i-stent inject system for open-angle glaucoma: synergy
trial. Adv Ther 2014; 31: 189-201
Abb. 7: UBM-Darstellung eines Xen-Gelstents (Polytech/Allergan) in situ mit
transtrabekulärem, intraskleralem und subkonjunktivalem Verlauf. Aus R.A. Lewis. Ab
interno approach to the subconjunctival space using a collagen glaucoma stentJ Cataract
Refract Surg 2014; 40:1301–1306.
Die Kanaloplastik erweitert den Schlemm-Kanal ohne die Vorderkammer zu
eröffnen und senkt sicher den Augeninnendruck. Körber und Konen
berichteten auf der DOC 2014 über eine Vergleichsstudie Trabekuloplastik vs
Trabekulektomie. Sie zeigten, daß ein intraokularer Druck <15mmHg mit der
Trabekulektomie in 80% und mit der Kanaloplastik in 35% der Augen erreicht
wurde. Mit zusätzlicher konservativer Therapie konnten jedoch beide Gruppen
vom Zieldruck her angeglichen werden, wobei die Kanaloplastik weniger
Nebenwirkungen zeigte. Trabektom, ein elektrokauterisationsverfahren des
Trabekelmaschenwerks lässt sich gut mit einer Phakoemulsifikation
kombinieren und kann bis zu 40% den Druck senken. Auch Shunts in den
suprachoroidalen Raum wie Cy-pass Mikroshunt können mit ihrem 6mm
Schlauch in den suprachoroidalen Raum von der Vorderkammer her
vorgeschoben werden und werden in Kombination mit einer Kataraktoperation
eingesetzt. Bei dieser Methode wird der erhöhte uveosklerale Abfluss als
drucksenkende Möglichkeit genutzt. Abbildung 8 zeigt mit den verschiedenen
Stent-Verfahren Ergebnisse der IOD-Senkung (27).
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Abb.8: Prä-und postoperative IOD-Werte mit verschiedenen Glaukomimplantaten.
Ergebnisse aus verschiedenen Studien für Phako und i-stent, Phako und Hydrus, CyPass,
Xen-Stent und Inn-Focus. Aus DT Manasses, L Au. The new era of glaucoma micro-stent
surgery. Ophthalmol Ther 2016; 5: 135-146.
Neuroprotektion ist ein faszinierendes Thema und spricht die Therapie des
Glaukoms als neurodegenerative Systemerkrankung an. Ein bereits im Einsatz
befindliches, Druck-senkendes Medikament Brimonidin scheint in der Low
Tension Glaucoma Study erfolgreich zu sein. Im Vergleich zu Timolol fanden
sich trotz gleicher Augeninnendrucksenkung in der Brimonidin-Gruppe nur in
9,1% ein Fortschreiten des Gesichtsfelds und in der Timolol-Gruppe 39,2%
nach vier Jahren. Dies könnte auf den schon im Tierexperiment beobachteten
Effekt der Neuroprotektion durch Brimonidin hinweisen (28,29).
Eine intrakamerale Plazierung eines Medikamententrägers kann dem
Patienten Augentropfen möglicherweise ersparen oder die Adhärenz
verbessern (Abb.9). Das Implantat kann zwischen 4-6 Monaten wirken und ist
ähnlich wirksam wie ein Tropfen Bimatoprost 0,03% täglich in der Phase 2 der
Zulassungsstudie. Erste 6 Monatsergebnisse von RA Lewis et al zeigen eine
sichere Anwendung und eine gleich gute IOD-Reduktion wie die topische Gabe
nach sechs Monaten Beobachtung (30). In dieser Studie wurden Implantate
verschiedener Dosierung gegen Bimatoprost am Partnerauge 1xtgl. 0,03% an
75
Offenwinkelglaukomprobanden
getestet.
Endothelzellzahl
und
Hornhautdicke unterschieden sich nicht zwischen den beiden Prüfgruppen.
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Abb. 9: Der Applikator für das sustained release implant. erinnert stark an den AllerganApplikator für Ozurdex (oben). Intrakamerales Bimatoprost sustained release-Implant
(unten). Gonioskopische Bilder 2w, 9m und 12m nach Injektion. Aus RA Lewis et al.
Bimatoprost sustained-release implants for glaucoma therapy: 6 months results from a
Phase I/II clinical trial. Am J Ophthalmol 2017; 175: 137-147.
4.6
Allgemeine Schlussbemerkung
In den letzten Jahren ist vor allem das Verständnis um die Genetik und frühe
anatomische Veränderungen der Glaukome deutlich verbessert worden. Neue
therapeutische, drucksenkende Verfahren könnten im Alltag die Stabilisierung
des Glaukompatienten erleichtern. Hier scheinen Lösungen in greifbarer Nähe.
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Seite 12
4.7
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Korrespondenzadresse des Autors:
Prof. Dr. Christian Mardin
Universitätsaugenklinik Erlangen
Schwabachanlage 6
91054 Erlangen
[email protected]
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Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen
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5
RETINALE GEFÄßVERSCHLÜSSE
5.1
Retinale Venenverschlüsse ..........................................................................2
5.1.1
Einleitung:........................................................................................................2
5.1.2
Pathophysiologische Aspekte ..........................................................................3
5.1.3
Internistisch-neurologische Abklärung auch bei venösen retinalen
Gefässverschlüssen ........................................................................................5
5.1.4
Epidemiologie – aktuelle Daten aus Deutschland ............................................ 5
5.1.5
Aktuelle Daten zur intravitrealen Medikamentenapplikation: ............................ 6
5.1.6
Stellenwert der Hämodilution ......................................................................... 10
5.1.7
Aktuelle Daten – die COMRADE-Studien Direktvergleich
Ranibizumab versus Dexamethason ............................................................. 11
5.1.8
Behandlungs-Schemata: Treat & Extend oder PRN?..................................... 12
5.1.11
Aktuelles zur Bildgebung (SD-OCT, Weitwinkel FAG, Multicolor,
Angio-OCT) ...................................................................................................13
5.1.12
Zusammenhang zwischen Tortuositas und VEGF-Konzentration,
Netzhautdicke und Visus bei Patienten mit ZVV ............................................ 14
5.1.13
Komplikationen bei retinalen Venenverschlüssen .......................................... 15
5.1.14
Chirurgische Therapie bei retinalen Venenverschlüssen ............................... 17
5.2
Arterielle Verschlüsse .................................................................................17
5.2.1
Einleitung und aktueller Stand der Therapie .................................................. 17
5.2.2
Weiterführende Diagnostik: Die internistische und neurologische
Untersuchung ist unerlässlich ........................................................................ 20
5.2.3
Bildgebung beim RAV....................................................................................21
5.2.4
Aktuelle Leitlinie beim RAV ............................................................................ 22
5.3
Literatur ........................................................................................................23
5
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Retinale Gefäßverschlüsse - Hans Hoerauf und Nicolas Feltgen
_______________________________________________________________________________
5.1
Retinale Venenverschlüsse
5.1.1
Einleitung:
In den vergangenen Jahren sind eine erhebliche Anzahl zum retinalen
Venenverschluss in peer-review Zeitschriften veröffentlicht worden. Die
meisten Arbeiten befassen sich mit der Diagnostik (v.a. OCT) und der Therapie
(insbesondere mit der intravitrealen Medikamenteninjektion).
Folgende Arbeiten sind als klinisch besonders relevant zu werten:
•
Pathophysiologie:
o Fehlender Einfluss der Kollateralgefäße auf den Visus (1).
o Histopathologische Befunde können nun mit der OCT bestätigt
werden (2). Damit erhärtet sich die pathophysiologische Vorstellung,
dass es sich beim retinalen Venenverschluss um eine primäre
Störung der retinalen Arterien handelt (Arteriosklerose).
•
Diagnostik:
o Morphologie vor Funktion: OCT Veränderungen sind sensitiver als
Visusveränderungen (3-5).
o OCT-Veränderungen als Prognose-Parameter bei Therapie des ZVV
mit Ranibizumab.
o Erste Angio-OCT Daten.
•
Therapie:
o Daten einer Studie zum Einfluss der Laserkoagulation ischämischer
Areale bei ZVV (CORALA).
o Daten einer Studie zum Einfluss der isovolämischen Hämodilution
(RAVO).
o 4-Jahres Daten der Therapie bei RVV mit Ranibizumab (RETAIN).
o 1,5 und 2-Jahres Daten der Therapie des ZVV mit Aflibercept
(GALILEO, COPERNICUS).
o Posthoc Analyse zum Dexamethason-Implantat.
o 6-Monats Daten der Therapie des VAV mit Aflibercept (VIBRANT).
o Eine Reihe von Metaanalysen zur Therapie der RVV wurde publiziert.
•
Stellungnahme der Fachgesellschaften:
o Aktualisierte Stellungnahme der Retinologischen Gesellschaft, der
Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes (www.dog.org.de).
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5.1.2
Pathophysiologische Aspekte
Die Daten entstammen der SCORE Studie (Standard of Care versus
Corticosteroid for retinal vein occlusion), die den Effekt von intravitreal
appliziertem Triamcinolonacetonid mit dem Spontanverlauf (beim Zentralvenenverschluss/ZVV: n=262) oder einer GRID-Laserkoagulation (beim
Venenastverschluss/ VAV: n=403) verglichen hat. Insgesamt wurden bisher 13
Arbeiten aus den Daten der Studie publiziert. Eine dieser Arbeiten hat den
Einfluss von Kollateralgefäßen auf die Visusentwicklung untersucht (1).
Die Ergebnisse waren eindeutig: die Ausbildung von Kollateralen hatte keinen
Einfluss auf die Visusentwicklung. Das betraf sowohl die retinalen, als auch die
auf der Papille gelegenen Kollateralen.
Beim VAV bildeten sich typischerweise retinale Umgehungskreisläufe aus
(48,5 % beim VAV versus 27,9 % beim ZVV), beim ZVV oder Hemi-ZVV mehr
sind es mehr Papillenkollaterale (46,2 % beim ZVV oder Hemi-ZVV versus
13,5 % beim VAV).
Ein wesentlicher Anreiz für die Erweiterung der Gefäße scheint die Ischämie zu
sein: Je ausgeprägter die retinale Ischämie in der initialen Fluoreszeinangiographie war, desto eher bildeten sich Kollaterale aus.
Da die Untersuchung der Kollateralgefäße nicht das primäre Ziel der Studie
war, gibt es aber auch Faktoren, die die Aussage etwas einschränken: Es
wurden im Verlauf keine weiteren Angiographien durchgeführt, mit deren Hilfe
die Gefäße besser zu identifizieren gewesen wären, als auf den ausgewerteten
Fundusfotos. Zudem war die mittlere Verschlussanamnese in die Studie mit
4,3 Monaten relativ lang, so dass es durchaus denkbar ist, dass einige der
Augen bereits bei Einschluss einen Gleichgewichtszustand erreicht hatten.
Singh et al untersuchten in einer retrospektiven Arbeit den Einfluß einer AntiVEGF-Therapie auf die Entwicklung von Kollateralgefäßen in Hinblick auf
Visus und Ödem. Weder wurde durch die Therapie die Entstehung von
Kollateralkreisläufen beeinflusst, noch hatten diese wiederum einen Einfluß auf
Visus und Netzhautdicke (35).
Trotzdem kann mit Hilfe dieser Ergebnisse die Bedeutung der Kollateralen auf
den Visus in Frage gestellt werden. Das ist deshalb bedeutsam, weil es
Therapien gibt, deren theoretische Überlegungen gerade auf der Ausbildung
von Kollateralen beruhen. Dabei handelt es sich in erster Linie um die
chorioidale Laseranastomose nach McAllister, der einen künstlichen laserinduzierten Kurzschluss zwischen retinalem und chorioidalen Gefäßsystem
propagiert hat, um die venöse Stauung über die Aderhautgefäße abzuleiten.
Mittlerweile wurde in einer prospektiven Studie dieser Effekt als geringfügig
eingestuft (8). Zudem übersteigen die laserinduzierten Komplikationen den
Nutzen, sodass diese Therapie nicht weiter angewendet werden sollte.
Aber auch die radiäre Optikusneurotomie hat einen möglichen visusverbessernden Effekt mit der chirurgischen Induktion von chorioretinalen
Anastomosen erklärt. Auch diese traumatisch verursachten Anastomosen
hatten den erhofften klinischen Effekt nicht gezeigt (9,10).
In der Literatur wird den Kollateralen durchaus ein Einfluss auf den Visus
nachgesagt. Dabei wurde sowohl ein positiver (11-13), als auch ein negativer
Zusammenhang beschrieben (14). Da diese Arbeiten aber nicht die Qualität
der SCORE Studie erreichen, kann davon ausgegangen werden, dass die
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Kollateralen tatsächlich keinen Einfluss auf die Visusentwicklung haben.
Kommentar: Die vielfach diskutierte Frage der Wirkung von Kollateralen auf
die Visusentwicklung kann mit Hilfe der SCORE Studie hinlänglich beantwortet
werden: Kollaterale verbessern die Sehschärfe nicht. Die Entwicklung von
Kollateralkreisläufen wird durch eine Anti-VEGF-Therapie nicht beeinflusst.
Ebenso ist davon auszugehen, dass chirurgische Behandlungen, deren Ziel die
Bildung von Kollateralen ist, keinen Effekt auf die Sehschärfe haben.
Daraus ergibt sich im Umkehrschluss aber die Frage, wie es dann überhaupt
zu einem neuen Gleichgewicht nach retinalem Venenverschluss kommen
kann. Auf diese Frage gibt es im Augenblick keine zufriedenstellende Antwort.
Die plausibelste Erklärung lautet bisher, dass der reduzierte Abfluss zu einem
ebenfalls reduzierten arteriellen Blutangebot führt.
Im Extremfall führt das zum ischämischen Verschluss, der nicht durch einen
primären Verschluss der Arterie, sondern durch einen erhöhten Widerstand im
venösen Stromgebiet erklärt wird. Diese These ist aber bisher nicht
ausreichend geklärt.
Abb. 1: Gleichgewichtszustand nach älterem retinalen Venenverschluss (9 Monate nach
Verschluss). Links: Frühaufnahme nach 23 sec: Der obere und untere Venenast ist noch
nicht komplett gefüllt, es ist aber deutlich zu sehen, dass der temporal obere Venenast im
Vergleich zu den anderen großen retinalen Venenästen noch weniger gefüllt ist. Der weiße
Pfeil zeigt auf die Verschlussstelle an einer arteriovenösen Kreuzung. Rechts:
Spätaufnahme nach 9 min 37 sec: Es ist kaum ein Ödem sichtbar, was für ein
Gleichgewicht zwischen Blutzu- und abfuhr spricht.
In einer weiteren OCT-Arbeit wurden bisherige pathophysiologische Vorstellungen zum retinalen Venenverschluss bestätigt.
In der Arbeit von Muraoka et al. (2) wird beschrieben, dass das Lumen der
retinalen Venen beim VAV nur dann verengt ist, wenn die Vene über der
Arterie verläuft, was selten der Fall ist. Verläuft die Vene unterhalb der Arterie
und kommt es an dieser Stelle zu einem Verschluss, ist zwar ein Thrombus
nachweisbar, der Außendurchmesser der Vene ist aber nicht verringert. Diese
in vivo-Befunde entsprechen den histopathologischen Befunden von Seitz aus
dem Jahr 1968, der eine arteriosklerotische Veränderung der begleitenden
Arterie mit entsprechender Wandverhärtung als Ursache des retinalen
Venenverschlusses sieht. Es handelt sich demnach nicht um ein primär
venöses, sondern um ein primär arterielles Problem. Diese Theorie deckt sich
mit den internistischen Risikofaktoren von Patienten mit retinalem Venenverschluss (15).
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Kommentar: Die genaue Entstehung retinaler Venenverschlüsse ist weiterhin
unklar. Alle Befunde sprechen aber dafür, dass eine primäre Arteriosklerose für
einen sekundär gestörten Venenfluss verantwortlich ist.
5.1.3
Internistisch-neurologische Abklärung auch bei venösen retinalen
Gefässverschlüssen
Die o.g. pathophysiologischen Überlegungen werden untermauert durch eine
sehr wichtige Arbeit von Werther et al (15), in der gezeigt werden konnte, dass
auch Patienten mit retinalen Venenverschlüssen ein erhöhtes vaskuläres
Risikoprofil aufweisen. So wurde ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines
Apoplex gefunden, nicht aber für Myokardinfarkt. Insofern sollte auch bei
diesen Patienten eine neurologische Diagnostik incl. dopplersonographischer
Untersuchung der Halsgefässe und eine kardiovaskuläre Abklärung zum
Ausschluss möglicher Ursachen und der Einschätzung des Nutzens einer
Antikoagulation erfolgen. Dies wird auch durch andere rezente Arbeiten
bestätigt (1–4). Aus der EAGLE Studie ist bekannt, dass durch einen sorgfältig
geplanten vaskulären Diagnostik-Pfad in einer erheblichen Anzahl von
Patienten weitere bislang unbekannte Risikofaktoren identifiziert werden (23).
Ein stationärer Aufenthalt erscheint daher sinnvoll, da ambulant viele der
erforderlichen Untersuchungen unterbleiben.
Der RVV alleine rechtfertigt die Antikoagulation nicht und sollte nicht vom
Ophthalmologen allein gestellt werden. Sie kann sogar retinale Hämorrhagien
verstärken und die Behandlung erschweren.
Nur bei jungen Patienten ist eine Thrombophilie-Diagnostik sinnvoll, wie eine
Studie von Hattenbach et al (5–7) zeigen konnte.
Kommentar: Bei Patienten mit retinalem Venenverschluss müssen genauso
wie bei Patienten mit arteriellen Netzhautgefässverschlüssen besonders die
arteriosklerotischen Risikofaktoren abgeklärt werden.
5.1.4
Epidemiologie – aktuelle Daten aus Deutschland
Die Gutenberg-Gesundheitsstudie ist eine groß angelegte prospektive
Bevölkerungsstudie, die monozentrisch an der Universität Mainz durchgeführt
wird. Zwischen 2007 und 2012 wurden über 15.000 Personen einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe in die Studie eingeschlossen. Ein Schwerpunkt
liegt auf der Untersuchung der Herz-Kreislauf-Gesundheit, Erfassen von
Krebserkrankungen, Augenerkrankungen, sowie Erkrankungen des Immunsystems, des Stoffwechsels und der Psyche (http://www.gutenberggesundheitsstudie.de).
Von den eingeschlossenen 15.010 Patienten zwischen 35 und 75 Jahren sind
die ophthalmologischen Daten von 14.700 Patienten (97,9 %) erhoben worden
(55). Die Studie ist so aufgebaut, dass nach der Grunduntersuchung 2 Telefoninterviews (nach 2,5 und 7,5 Jahren) sowie 2 weitere körperliche Untersuchungen (nach 5 und 10 Jahren) durchgeführt werden.
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Die Daten der Gutenberg-Gesundheitsstudie sind deshalb wichtig, weil sie die
aktuellste epidemiologische Studie für Deutschland darstellt. Nach den Daten
der Studie liegt die Prävalenz eines retinalen Venenverschlusses (RVV) in
Deutschland bei 0,4 und steigt mit dem Alter. Diese Daten passen sehr gut zu
bisher bekannten Angaben in der Literatur (9). Auch das 3-4 mal häufigere
Vorkommen von Astvenenverschlüssen (AVV) im Vergleich zum Zentralvenenverschluss (ZVV) deckt sich mit den Daten der Literatur (9).
Männer waren 1,7-mal häufiger betroffen als Frauen, 92 % der RVV-Patienten
hatten kardiovaskuläre Risikofaktoren, während nicht betroffene Probanden
diese Risikofaktoren in 76 % aufwiesen (10). Die einzelnen Daten sind in
Tabelle 1 zusammengefasst.
Prävalenz (%)
RVV
0,4
AVV
0,36
ZVV
0,1
Alter ≥ 65 Jahre (odds ratio)
1,91
1,37
7,02
Arterielle Hypertonie (odds ratio)
2,73
2,69
2,66
Vorhofflimmern (odds ratio)
3,72
3,37
2,78
Positive Familienanamnese Apoplex (odds ratio)
1,05
0,48
4,64
Tab. 1: Die wichtigsten Ergebnisse der Gutenberg-Gesundheitsstudie – vaskuläre Systemerkrankungen bei Patienten mit retinalem Venenverschluss. Die signifikanten Ergebnisse
sind rot markiert. Nach Ponto et al. J Thromb Haemost. 2015;13:1254–63 (55).
5.1.5
Aktuelle Daten zur intravitrealen Medikamentenapplikation:
Bereits 2011 wurden die Ergebnisse der Zulassungsstudien von Dexamethason (16) und Ranibizumab (17,18) für VAV und ZVV publiziert. Im Jahr
2014 wurden die 18 und 24-Monatsergebnisse der Zulassungsstudien von
Aflibercept (Eylea®) (6) und in 2012 eine randomisierte Studie mit
Bevacizumab (7,19) veröffentlicht. Beide Studien wurden nur beim ZVV
durchgeführt. Eine Besonderheit und daher mit Vorsicht zu betrachten ist, dass
sowohl die Fachinformationen für Lucentis® als auch Eylea® vom Schema der
jeweiligen Zulassungsstudien abweichen. Zur Wirkdauer von Ozurdex® bei
RVV gab es 2014 eine interessante Publikation (45). Ferner wurden in 2013
und 2014 eine Reihe von Metaanalysen zur Therapie von RVV veröffentlicht,
deren Konsens lautet, dass eine effektive Behandlung zur Verfügung steht,
dass die VEGF-Inhibitoren untereinander vergleichbar sind und dass Head-tohead Analysen gefordert werden (46, 47, 48 49, 50). Ganz neu sind die Daten
einer Vergleichsstudie zwischen Bevacizumab und Aflibercept aus England
(11).
a. Real-Life-Daten
Bevor man sich die Studiendaten der verschiedenen Medikamente ansieht,
kann man sich auch fragen, wie denn die Behandlung in der realen Welt
aussieht. Hierzu kann man eine neue amerikanische Studie aus 2017
zitieren, die die Injektionsdaten von 2006-2015 retrospektiven ausgewertet
hat. Bei den ca. 75.000 Injektionen bei RVV-Patienten wurden die Hälfte mit
Bevacizumab und jeweils ca. 25% mit Aflibercept oder Ranibizumab
behandelt (12). Die off-label Situation scheint demnach weiterhin weder
Patienten noch Behandler abzuschrecken.
b. Aflibercept – Langzeit Daten bei ZVV und Zulassungsstudie des VAV
Die Zulassungsstudien COPERNICUS und GALILEO bei Patienten mit einem
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ZVV zeigten zwar einen beeindruckenden Visusgewinn von 17-18 Buchstaben
nach 24 Wochen, jedoch zeigte die Kontrollgruppe der Studie im USamerikanischen Raum einen Abfall von 4 Buchstaben, während die im
europäischen Raum einen besseren Spontanverlauf aufwies mit einem
Buchstabengewinn ohne Therapie von 3 Buchstaben. Dies zeigt, wie
unterschiedlich Patienten-Kollektive von Studien sein können und wie schwer
vergleichbar Studien untereinander sind. Trotz früheren Beginns (nach 6
Monaten) mit Aflibercept in der Kontrollgruppe mit Visusverlust in der
COPERNICUS Studie erholte sich der Visus nicht mehr so gut, wie in der
Kontrollgruppe der GALILEO-Studie mit besserem Spontanverlauf, in der die
Therapie erst nach einem Jahr gestartet wurde. Sieht man sich die AusgangsCharakteristika der Patienten in beiden Studien an, scheint die Erklärung dafür
nur zum Teil in der Ischämie begründet. Konversion mag eine Rolle spielen.
Auf jeden Fall aber zeigte sich, dass auch ischämische ZVV von einer
Behandlung profitieren. Die erreichten Ergebnisse sind vergleichbar mit den
perfundierten ZVV, während besonders die ischämischen ZVV ohne Therapie
eine sehr schlechte Prognose aufwiesen.
Die 18 Monats Daten der GALILEO Studie und die 2-Jahres Daten der
COPERNICUS Studie zeigten, dass Patienten von einem frühen
Behandlungsbeginn
profitieren
und
dass
die
funktionellen
und
morphologischen Verbesserungen mit monatlichen Aflibercept-Behandlungen
über die ersten 24 Wochen auch mit Erweiterung des Behandlungsintervalls
bis Woche 76 gehalten werden konnten (42, 43). Eine Erweiterung des
Monitoring Intervalls führt jedoch zu einer Verschlechterung beider Parameter
Während in der COPERNICUS-Studie in der Behandlungsgruppe keine
neovaskulären Komplikationen auftraten, wurden diese in der GALILEO
beobachtet. Wie auch andere Anti-VEGF Studien bei RVV zeigen wird unter
Therapie das Risiko für die Entwicklung einer Rubeosis iridis und retinalen
Neovaskularisationen verringert, aber nicht ausgeschlossen. Eine weitere
regelmäßige Kontrolle des vorderen und hinteren Augenabschnittes ist daher
unbedingt erforderlich.
In der VIBRANT Studie konnte der Wirknachweis für Aflibercept auch beim
VAV erbracht werden (51). Gegenüber einer Kontrollgruppe, die eine Grid-LK
erhielt wurde ein signifikanter Visusanstieg nach 6 Moanten nachgewiesen
werden. 52,7% gegenüber 26,7% der Patienten hatten einen Visusgewinn um
> 15 Zeilen.
Kommentar: Die Zulassungsstudien haben einen klaren Wirkungsnachweis
gegen eine Kontrollgruppe nun auch beim VAV erbracht. Mit Aflibercept ist ein
weiteres sehr wirkungsvolles Medikament für die Behandlung der RVV
verfügbar. Die Zulassungen erlauben heute auch eine Behandlung bei
trockenem Makulabefund, also die Umsetzung eines Treat and ExtendSchemas, was von den Fachgesellschaften kritisch gesehen wird. Einerseits
wird so eine Untertherapie vermieden, aber es besteht auch das Risiko einer
Übertherapie mit potentiellen Nebenwirkungen unabhängig von höheren
Therapiekosten. Von den Fachgesellschaften wird daher ein monatliches
Monitoring empfohlen, das aufgrund der Notwendigkeit des Ausschlusses von
neovaskulären Komplikationen ohnehin erfolgen sollte.
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c. Ranibizumab (Lucentis®): Erste Ergebnisse der Vergleichsstudie mit
Dexamethason; Einfluss der Ischämie und Kombination mit Laser bei
VAV und ZVV
Die Zulassungsstudien sind hinlänglich bekannt, in den Stellungnahmen der
Fachgesellschaften im Detail nachzulesen und sollen hier keine Erwähnung
finden. Eine sicherlich interessante prospektiv randomisierte Studie zum
Wirkvergleich zwischen Ranibizumab und anderen VEGF-Inhibitoren existiert
nicht. Allerdings wurden Real Life Daten mit einer Nachbeobachtung von 18
Monaten und einem Vergleich zwischen Ranibizumab und Aflibercept bei ZVV
publiziert (13), die einen gute Wirksamkeit, aber keinen signifikanten
Unterschied im Visus, im Drei-Zeilen-Gewinn und keinen morphologischen
Unterschied zwischen beiden Substanzen aufzeigten.
Eine aktuelle Studie zeigte, dass mit Ranibizumab sowohl bei VAV als auch bei
ZVV die monatliche Behandlung einer Therapie nach PRN-Schema nicht
unterlegen ist (38). Die RETAIN-Studie ergab, dass auch nach vier Jahren gute
Visusergebnisse erhalten werden, wobei allerdings gerade bei ZVV-Patienten
die Injektionsfrequenz noch hoch ist (39).
Dass eine zusätzliche GRID-Laserkoagulation bei VAV leider weder einen
positiven Effekt auf die Ergebnisse noch die Anzahl an notwendigen
Reinjektionen zeigt, wurde in der RABAMES-Studie (37) und anderen Arbeiten
mittlerweile erwiesen.
Abb. 3: ischämischer VAV mit a) Cotton wool Herden und b) nach kombinierter Grid und
sektorieller LK.
Erst vor kurzem wurde gezeigt, dass die Ausdehnung ischämischer Areale mit
dem Makulaödem und dem Ansprechen auf die Therapie korreliert (14).
Während erste Ergebnisse bei der Laserkoagulation peripherer avaskulärer
Areale beim ZVV keinen Einfluss auf das Makulaödem hatten (15,16), konnte
in der CORALA Studie (17) nach der gezielten Laserkoagulation vorab mittels
Weitwinkel-Angiographie ermittelter ischämischer Areale eine Reduktion des
Makulaödems und der Anzahl an notwendigen Reinjektionen gefunden werden
(CORALA).
Kommentar:
1. Erste Ergebnisse einer vergleichenden Studie zum VAV zeigen Vorteile für
Anti-VEGF im Vergleich zu Dexamethason. Die VEGF-Inhibitoren scheinen
gleichwertig zu sein.
2. Zusätzlich GRID-LK beim VAV nicht so effektiv wie alleinige intravitreale
Therapie
3. Gezielte Laserkoagulation peripherer ischämischer Areale beim ZVV scheint
positiv im Hinblick auf Besserung des Makulaödems und Injektionsfrequenz.
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d. Bevacizumab (Avastin®): Wirkungsnachweis bei 6-wöchentlichen
Injektionen und erste Treat & Extend Ergebnisse
In einer ersten randomisierten Studie wurde der Effekt von Bevacizumab
gegen eine Beobachtungsgruppe beim ZVV untersucht [7, 19]. In die Studie
wurden Patienten mit einem ZVV ≤ 6 Monate, einem Visus zwischen 0,04 und
0,4 und einer zentralen Netzhautdicke ≥ 300 μm eingeschlossen. Die Patienten
erhielten während der ersten 6 Monate alle 6 Wochen eine Injektion mit
1,25 mg Bevacizumab oder eine Scheininjektion (Gruppengröße jeweils 30).
Nach 6 Monaten erhielten alle Patienten 1,25 mg Bevacizumab. Nach 6
Monaten war die Sehschärfe in der Behandlungsgruppe um 14,1 Buchstaben
angestiegen, während sie in der Beobachtungsgruppe um 2 Buchstaben
abgefallen war. Nach 12 Monaten betrug der mittlere Visusgewinn in der initial
behandelten Gruppe 16,1 Buchstaben, in der verzögert behandelten Gruppe
4,6 Buchstaben (Abbildung 4a). Auch in dieser Studie schnitten die früher
behandelten Patienten besser ab.
Kommentar:
Diese Studie ist besonders erwähnenswert, weil sie 2 wichtige Dinge
kombiniert:
1.
Es handelt sich um eine prospektive und randomisierte Studie zu
Bevacizumab und entspricht damit dem hohen Evidenzniveau der
Zulassungsstudien anderer Substanzen.
2.
Es wurde ein den anderen Substanzen gleichwertiger Effekt erzielt,
obwohl nur alle 6 Wochen injiziert wurde. Damit ist Bevacizumab weiterhin
eine
hocheffektive
Substanz
zur
Behandlung
des
Zentralvenenverschlusses.
In einer retrospektiven Studie konnte bei Patienten mit VAV gezeigt werden,
dass eine Behandlung mit Bevacizumab nach Treat & Extend Schema zu
ähnlichen Ergebnissen führte, wie publizierte PRN-Ergebnisse. Kritikpunkte
sind die kleine Gruppengrösse (n=52), die fehlende direkte Kontrollgruppe und
die retrospektive Asuwertung (44).
e. Neuste Vergleichsstudie Aflibercept versus Bevacizumab
Die neuste prospektive und randomisierte Vergleichsstudie aus der Feder der
SCORE-Gruppe (SCORE 2) hat den Effekt von Bevacizumab und Aflibercept
über 6 Monate bei Patienten mit Hemi-ZVV oder ZVV verglichen (11). Die 362
Patienten wurden 1:1 randomisiert und erhielten entweder 1,25mg
Bevacizumab oder 2mg Aflibercept. In beiden Gruppen hatten die Patienten
eine nahezu identischen Visusanstieg von +18,6 (Bevacizumab) und +18,9
Buchstaben. Bisher sprechen alle Befunde dafür, dass VEGF-Inhibitoren
bei RVV-Patienten als gleichwertig einzustufen sind.
f. Dexamethason (Ozurdex®):
Die Daten der Zulassungsstudie für Dexamethason sind hinlänglich bekannt
und ebenfalls in den Stellungnahmen der Fachgesellschaften im Detail
nachzulesen. In einer rezenten posthoc Analyse wurde an 427 Augen
Einsetzen und Dauer der Wirkung es Dexamethason-Implantates im Vergleich
zu 426 Kontroll-Patienten untersucht. Eine Visusverbesserung wurde ab dem
7.Tag beobachtet, die Dauer des >3–Zeilen-Gewinns lag bei 2-3 Monaten (45).
Die Medikamentenauswahl wird aber immer eine auf den individuellen
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Patienten ausgerichtete und optimierte Therapie sein. Gegen die Wahl von
Steroiden spricht das Vorliegen eines fortgeschrittenen Glaukoms, denn ein
zusätzlich cortisoninduzierter Druckanstieg ist bislang vorab mit keinem Test
sicher auszuschließen und zu vermeiden. Wichtig ist allerdings, dass in der
Mehrzahl der Fälle die Tensio-Anstiege mittels topischer Antiglaukomatosa
kontrollierbar sind. Ein weiteres Argument stellt eine klare natürliche Linse dar,
denn typischerweise tritt nach der zweiten bis dritten Ozurdex®-Implantation
eine sekundäre Katarakt auf. Ein Argument für die Verwendung von Ozurdex®
ist die erkennbare fehlende Compliance zur höher frequenten Anti-VEGFTherapie. Dieses Argument gilt aber nur, wenn die Patienten zusätzlich zu den
Monitoring-Besuchen die Fahrt bzw. den Besuch eines OP-Zentrums in
Anspruch nehmen, denn auch unter Steroiden sind monatliche Kontrollen
gerade wegen späterer Druckanstiege und der Kontrolle hinsichtlich
neovaskulärer Komplikationen notwendig. Weitere Gründe für die Wahl von
Ozurdex® sind das fehlende oder nicht ausreichende Ansprechen auf VEGFInhibitoren, womit das interessante Thema des Therapie-Switchens zur
Diskussion kommt.
Kommentar: Die Dauer des >3-Zeilen Gewinns von Ozurdex® bei RVV liegt
nach den Daten einer posthoc-Analyse bei etwa 3 Monaten.
g. Therapie-Switch:
Dabei kennt jeder von uns Einzelfälle, die nicht oder nur unzureichend auf
VEGF-Inhibitoren, dafür aber auf Steroide ansprechen und vice versa. Auch
ein unterschiedliches Ansprechen auf die verschiedenen VEGF-Inhibitoren ist
bekannt. Das mag an den verschiedenen pathophysiologischen Ansatzpunkten
der Medikamente liegen, aber auch daran, dass im Therapieverlauf eine
Konversion hin von einem nicht ischämischen RVV zu einem ischämischen
RVV stattgefunden hat. Bislang stehen nur Einzelfallberichte, aber keine
validen Daten zur Verfügung, aus denen Empfehlungen abgeleitet werden
können.
5.1.6
Stellenwert der Hämodilution
In den letzten Jahren äußerten sich einige Autoren unter dem Eindruck der
guten Ergebnisse der intravitrealen Therapie kritisch gegenüber der
Hämodilution im Rahmen der RVV-Therapie (Mohammed, Macinthosh jweils
Ophthalmology). Unterstützt wurde dies durch einen Rote-Hand Brief, der auf
einer erhöhten Mortalitätsrate bei schwer kranken Intensiv-Patienten beruhte
(Brunkhosrt NEJM, Pemer NEJM. Myburgh NEJM, Gottas Int Care Med).
Dabei handelte es sich um die hypervolämische Hämodilution und nicht die
isovolämische Hämodilution bzw kontrollierte Hypovolämie (IHD). Die IHD ist
als eine der wenigen Therapien (ausser den intravitrealen Therapien) mit
einem hohen Evidenzgrad sehr gut untersucht. In einigen randomisierten
Studien (Hanssen, Chen, Wolf) wurde der Nutzen belegt (Visusgewinn bei ZVV
38 vs 12 %, bei VAV 50 vs 20%), wenngleich die IHD nicht mit den
Ergebnissen der intravitrealen Medikamentenapplikation mithalten kann. In
einer rezenten Studie haben Glacet-Bernard et al. gezeigt, dass bei ZVVPatienten die Hämodilution mit Erythrozytophorese eine Besserung des Visus,
eine Verringerung des Makulaödems und eine Verringerung der Konversion in
eine Ischämie ergab im Vergleich zur Kontrollgruppe (Graefe 2010) . Der Effekt
war besonders bei den nicht-ischämischen Verschlüssen mit noch relativ
gutem Ausgangsvisus sichtbar und auch hier signifikant. Eine Studie der
Münchner Arbeitsgruppe hat vor kurzem gezeigt, dass die Konversion eines
nicht ischämischen in eine ischämischen RVV reduziert werden kann. Ob
dieses Verfahren in der Augenheilkunde weiter angewendet werden kann, ist
vor dem Hintergrund eines Rote Hand Briefes fraglich. In jedem Fall ist vorab
bei den Patienten eine Leber- oder Nierenerkrankung auszuschließen und
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empfehlenswert statt 10% HAES 6% zu verwenden bzw die Behandlung bei
Verdacht
auf
eine
Nierenfunktionsstörung
sofort
abzusetzen.
Organfunktionsbeeinträchtigungen zeigen ist oftmals erst nach einigen
Wochen. Im Einzelnen ist eine HAES-Therapie kontraindiziert bei Sepsis,
Verbrennungen, Leber - oder Nierenfunktionsstörungen, Nierenersatztherapie,
Gerinnungsstörungen,
kritisch
kranken
Patienten,
Hyperhydratation,
Dehydratation, intrakranieller oder zentraler Blutung. Entscheidet man sich
nach Ausschluss dieser Erkrankungen die IHD anzuwenden, ist eine
ausführliche schriftliche Aufklärung des Patienten über die IHD als off-label
Therapie zwingend erforderlich und vorab die Therapie mit ihren möglichen
Risiken und Nutzen mit den Patienten zu besprechen. Auch auf mögliche
Nebenwirkungen wie anaphlyaktische Reaktionen und langbestehenden
Pruritus ist hinzuweisen.
5.1.7
Aktuelle Daten – die COMRADE-Studien
Direktvergleich Ranibizumab versus Dexamethason
Aus der Vielzahl der verfügbaren Therapien wurden immer wieder Behandlungsempfehlungen abgeleitet, ohne dass Daten aus direkt vergleichenden
Studien vorgelegen hatten. Die COMRADE-Studien haben die Wirksamkeit
von Ranibizumab und Dexamethason direkt verglichen (18,19). Beide
prospektive und randomisierte Studien waren so aufgebaut, dass Patienten mit
AVV
oder
ZVV
entweder
der
Ranibizumaboder
der
Dexamethasonbehandlung zugelost wurden. In der Ranibizumabgruppe wurde
mit 0,5 mg Ranibizumab monatlich behandelt, bis der Visus bei 3
aufeinanderfolgenden Visiten stabil war, danach wurde monatlich kontrolliert
und bei Bedarf injiziert. In der Dexamethasongruppe erhielten die Patienten
einmalig ein Implantat mit 0,7 mg Dexamethason und wurden im Anschluss
ebenfalls monatlich kontrolliert. In der AVV-Studie (COMRADE-B) wurden 244
Patienten eingeschlossen, in der ZVV-Studie (COMRADE-C) waren es 243
Patienten. Der primäre Endpunkt war der Visusunterschied nach 6 Monaten.
Aufgrund des Studienaufbaus ist es wenig verwunderlich, dass der Unterschied nach 6 Monaten in beiden Ranibizumab-Gruppen hochsignifikant über
dem der Dexamethasongruppe lag. Die Besonderheiten der Studie sind aber
darin zu sehen, dass beide Substanzen innerhalb der ersten 8 Wochen einen
nahezu identischen Effekt auf die Funktion und Morphologie haben (Visus und
zentrale Netzhautdicke), der Effekt der Dexamethasongruppe nach 8 Wochen
aber bereits wieder deutlich abfällt. Somit kann man bei RVV-Patienten den
maximalen Effekt des Dexamethasons auf unter 3 Monate schätzen, was bei
der Behandlungsfrequenz berücksichtigt werden muss. Der Augeninnendruck
war nach Dexamethasongabe zwischen 15 und 31 % um mehr als 10 mmHg
erhöht, während das in der Ranibizumabgruppe in 2-6 % zu beobachten war.
Diese Ergebnisse unterstützen die in der Folge zu besprechende Einschätzung
der Fachgesellschaften aus Kanada und aus den USA, die Steroide in der
Behandlungsfolge nach den VEGF-Inhibitoren zu sehen. Die COMRADE-C
und die COMRADE-B Daten sind mittlerweile publiziert (18,20), die
COMRADE-Extension Daten in Kürze. In den publizierten Empfehlungen sind
die COMRADE-Daten noch nicht eingeflossen.
Kommentar: Die Ergebnisse der COMRADE-Studien sind die ersten randomisierten und prospektiven Studien, die einen Head-to-head-Vergleich von
Ranibizumab und Dexamethason bei RVV durchgeführt haben.
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5.1.8
Behandlungs-Schemata: Treat & Extend oder PRN?
Obwohl laut Fachinformationen verschiedene Behandlungsstrategien möglich
sind (Pro-Re-Nata (PRN), Treat-and-Extend (T&E), Einzel-Injektion), wird in
der Regel mit einer 3er Serie begonnen. Gegen das sofortige Weiterbehandeln
mit T&E spricht, dass ein Teil der Patienten (zwischen 10 und 25 %) nach 6
Monaten keine weitere Behandlung mehr braucht.
In der Empfehlung der kanadischen Kollegen wird eine blockweise Behandlung
empfohlen: nach initialer Therapie des RVV mit Makulaödem mittels einer 3er
Serie von VEGF-Inhibitoren wird eine Kontrolle empfohlen. Sollte danach noch
weiterhin ein Ödem sichtbar sein oder das Ödem zurückkehren, ist eine
weitere 3er Serie indiziert. Bei fehlendem Ansprechen kann ein Wechsel auf
einen anderen VEGF-Inhibitor erwogen werden oder auf Steroide umgestellt
werden (59). Dieses blockweise Injizieren verringert auch die Gefahr einer
Chronifizierung des Makulaödems.
Auch die Publikation der amerikanischen ophthalmologischen Akademie
kommt zu dem Schluss, dass eine Monotherapie mit VEGF-Inhibitoren die
empfehlenswerte Therapie ist. Steroide sind aufgrund der Nebenwirkungen
nachrangig anzuwenden (60).
In der prospektiven Multi-Center Studie CRYSTAL wurde bei ZVV ein
individuelles visusbasiertes Behandlungsschema mit Ranibizumab untersucht
(23). Dabei erfolgte wie gewohnt ein Up-Load mit drei IVOMs, dann wurde
solange monatlich die Behandlung fortgesetzt, bis der Visus bei drei
aufeinanderfolgenden Visiten gleichblieb. Damit wurde ein Visusgewinn mit ca
8 IVOM im ersten Jahr von etwa 12 Buchstaben erreicht, es wurde dabei kein
Einfluss der Ischämie festgestellt und der Visusgewinn war höher, je schlechter
der Ausgangsvisus lag. Rezente Real-Life Daten aus der Freiburger Klinik sind
allerdings sehr ernüchternd. Noch viel deutlicher als die OCEAN-Studie zeigen
sie, dass im klinischen Alltag immer noch eine deutliche Unterbehandlung
erfolgt. So werden im ersten Jahr nach erfolgter initialer IVOM bei RVV 3
Buchstaben gegenüber dem Ausgangsvisus eingebüßt und nach fünf Jahren
acht Buchstaben (24). Diese Unterdosierung spricht für eine Unterdosierung
durch das herkömmliche PRN-Schema. Die Lösung könnte eine Kombination
des T&E-Schemas mit 3er Behandlungsblöcken darstellen. Es ist aber zu
erwarten, dass die schlechten Ergebnisse der Real-Life-Daten Einfluss auf die
nächsten Empfehlungen der Fachgesellschaften nehmen, die derzeit in
Bearbeitung sind.
Kommentar: Neue Real-Life Daten in der Behandlung der RVV im klinischen
Alltag sind ernüchternd und spiegeln eine Unterdosierung wieder. Die
Empfehlungen der kanadischen und amerikanischen Fachgesellschaften
lassen bei der Strategiewahl viel Spielraum. Es fällt keine Entscheidung in
Richtung Treat & Extend oder PRN. Bei der Medikamentenwahl werden die
VEGF-Inhibitoren aber bevorzugt empfohlen. Ähnlich sollten auch bei uns
Therapieschemata Anwendung finden, die eine Unterdosierung vermeiden.
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5.1.11 Aktuelles zur Bildgebung
(SD-OCT, Weitwinkel FAG, Multicolor, Angio-OCT)
Mit modernen Weitwinkel-Fluoreszenzangiographie-Techniken lassen sich
periphere avaskuläre Areale sehr schön darstellen (Abb.7, 9b). Eine
Korrelation der Fläche dieser Bereiche zu Makulaödem und Visus nach RVV
wurde in der nachgewiesen (34). Während man bislang befürchtete, dass
diese Ischämie unter einer Anti-VEGF-Therapie zunehmen könnte, zeigte sich,
dass diese unter intravitrealer VEGF-Blockade aufgehalten bzw sogar
verringert wurde. Im Umkehrschluss fördern hohe intraokulare VEGF-Level die
Progression der Ischämie (36). Die Angio-OCT hält gerade Einzug in die
Retinologie und hat zweifelllos das Potential die konventionelle
Fluoreszenzangiographie zu ersetzen. Besondere Bedeutung bei den venösen
Verschlüssen kommt hierbei der Erkennung von Kapillardestruktionen in den
verschiedenen Gefäßplexus der Netzhaut zu (40). Mit dieser Technik lassen
sich auch bislang nicht identifizierbare Veränderungen an Partneraugen von
Patienten mit RVVs entdecken (41).
Abb. 7: periphere Fluoreszenzangiographie mit ischämischen Arealen und Leckage im
Bereich der Gefäßabbruchzone in der temporalen Peripherie.
Abb. 8: Multicoloraufnahme bei ZVV mit grünlicher Darstellung ödematöser Bereiche. Die
Fältelung der Membrana militans interna kommt sehr gut zur Darstellung.
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Abb. 9: Multicoloraufnahme bei altem VAV mit deutlicher Darstellung der okkludierten
Gefäße. Weitwinkel-FAG sowie Fundusautofluoreszenz. In der SD-OCT zeigt sich eine
Atrophie der zentralen Netzhaut.
Kommentar: Die retinale Bildgebung befindet sich weiterhin in rasanter
Weiterentwicklung. Gerade nach venösen Verschlüssen kommt der
Darstellung der peripheren Netzhaut mit bislang schwer identifizierbaren
ischämischen Arealen besondere Bedeutung zu. Die Multicolordarstellung ist
ein weiteres nicht invasives Tool, das insbesondere die Identifizierung
assoziierter Gliosen erleichtert, aber auch die Darstellung von verschlossener
Venolen und eventueller zentraler Neovaskularisationen. Ein besonderes
Potential hat aber die Angio-OCT, die den Patienten für die Darstellung
zentraler Ischämieareale zukünftig invasive Diagnostik mittels intravenöser
Kontrastmittelgabe ersparen könnte.
5.1.12 Zusammenhang zwischen Tortuositas und VEGF-Konzentration,
Netzhautdicke und Visus bei Patienten mit ZVV
Die Einschätzung des Ischämiegrades eines Zentralvenenverschlusses ist
nicht immer einfach. Zu den bisher bekannten Hinweisen auf einen ischämischen Verschluss gehören ein Visus unter 0,1, ein relativer afferenter
Pupillendefekt, dunkle und flächige retinale Blutungen, mehr als 10 Cottonwool-Spots am Augenhintergrund und eine Ischämiefläche von mehr als 10
Papillendurchmessern in der Fluoreszeinangiographie.
In einer neuen Arbeit einer japanischen Arbeitsgruppe wurde nun bei 32 ZVVPatienten der Grad der Tortuositas mit einfachen Bildbearbeitungsprogrammen
gemessen und mit der VEGF-Konzentration der Vorderkammer, der zentralen
Netzhautdicke und der zentralen Sehschärfe korreliert (57).
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Als Ergebnis fanden die Autoren eine signifikante Korrelation der Tortuositas
mit allen 3 Parametern, so dass vorgeschlagen wurde, den Grad der
Tortuositas mit in die Beurteilung des Ischämiegrades aufzunehmen.
Abb. 9: Tortuositas bei Patienten mit Zentralvenenverschluss. Die Strecke der gestauten
Vene wird mit dem Kreisradius verglichen. Der Radius ist die Strecke vom Papillenrand bis
zur Fovea centralis. Yasuda et al. PLoS ONE. 2015;10:e0134267 (57).
Kommentar: Obwohl es sich um eine kleine und retrospektive Analyse handelt
könnte die Tortuositas neben dem Visus, der Fundusbeurteilung und dem
relativen afferenten Pupillendefekt ein weiterer Parameter sein, um die retinale
Ischämie nach RVV abzuschätzen.
5.1.13 Komplikationen bei retinalen Venenverschlüssen
Die wichtigsten Spätfolgen eines retinalen Venenverschlusses ist die Ischämieund VEGF-getriggerte Entwicklung von Neovaskularisationen an Netzhaut und
Iris. Die Rubeosis iridis kann dabei das gefürchtete neovaskuläre
Sekundärglaukom verursachen. Letzteres tritt häufiger nach einem ZVV als
nach einem VAV auf. Beim VAV treten wiederum häufiger periphere retinale
Neovaskularisationen auf, beim ZVV häufiger an der Papille. Daher ist eine
langfristige Kontrolle auch während einer laufenden IVOM-Therapie
unerlässlich, zumal auch nicht ischämische RVV jederzeit eine Konversion zu
einem ischämischen Verschluss durchmachen können. Die Behandlung
besteht in der sektoriellen (VAV, Hemi ZVV) oder panretinalen (ZVV)
Laserkoagulationder ischämischen Areale und sollte eher großzügig gestellt
werden. Der Score Study Report #11 (26) und ein Review von McIntosh (27)
wiesen ein 3 Jahres Risiko bei RVV in Augen mit >5PD Ischämieflächen nach
für Rubeosis iridis von 8,7%, für retinale Proliferationen von 8,8% und für
Glaskörperblutung von 7,6%. Auch unter Anti-VEGF IVOM muss weiterhin die
Netzhaut in Mydriasis untersucht werden, da die großen Zulassungstudien
zeigten, dass auch unter laufender Therapie noch Neovaskularisationen
auftreten können.
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Abb.10: Neovaskularisationen am oberen Gefässbogen und an der Papille bei
Venenastverschluss mit ausgeprägten Kapillarausfällen vor Behandlung und nach
sektorieller Laserkoagulation mit Regression der Neovaskularisationen.
Kommentar: Auch unter laufender IVOM Therapie muss eine regelmäßige
Funduskopie in Mydriasis erfolgen, um die Entwicklung von retianlen
Neovaskularisationen frühzeitig zu erfassen. Eine sektorielle oder panretinale
Laserkoagulation ist nach wie vor die Therapie der Wahl und sollte auch
bereits bei Vorliegen größerer Ischämieflächen erwogen werden.
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5.1.14 Chirurgische Therapie bei retinalen Venenverschlüssen
Seit Einführung der intravitrealen Medikamenten Therapie in der Behandlung
des Makulaödems bei RVV beschränkt sich die chirurgische Therapie im
Rahmen einen Pars plana Vitrektomie auf die Behandlung von neovaskulären
Komplikationen, z.B. einer Glaskörperblutung oder einer Traktionsamotio. Die
radiäre Optikusneurotomie und das venöse Sheating wurde wieder vollständig
verlassen. Nichtsdestotrotz hatten wir aus dieser Zeit gelernt, dass die
Glaskörperabhebung im Rahmen einer Vitrektomie und insbesondere die
Delamination der Mambrana limitans interna einenm positiven Einfluss auf das
Makulaödem nehmen können. Insofern kommt der chirurgischen Therapie ggf.
auch beim RVV assoziierten Makulaödem noch ein gewisser Stellenwert als
individueller Heilversuch bei Non-Respondern auf intravitreale Anti-VEGF oder
Steroide zu. Erst vor kurzem erschien eine Publikation zum Langzeitverlauf
über 5 Jahre nach Vitrektomie mit Reduktion der IVOM_Notwendigkeit bei
Venenastverschluss, wobei es sich aber nur um eine kleine Fallserie von 25
Augen handelt (28).
5.2 Arterielle Verschlüsse
5.2.1 Einleitung und aktueller Stand der Therapie
Im Vergleich zu den venösen Gefäßverschlüssen gibt es zu den arteriellen
Verschlüssen deutlich weniger Literatur. Oft handelt es sich um Fallberichte.
Folgende Arbeiten sind als klinisch besonders relevant zu werten:
•
Diagnostik:
o Das relative Risiko einen Apoplex zu erleiden, ist bei Patienten mit
abgelaufenem arteriellem Verschluss 2-3-fach erhöht (20)
o Das Risiko weiterer zerebrovaskulärer Komplikationen ist nach früher
Karotis-Endarteriektomie vermindert.
Die evidenzbasierte Datenlage zum Thema retinaler Arterienverschluss (RAV)
ist sehr eingeschränkt. Vor allem bei der Therapie gab es keine Fortschritte
(54). Die intraarterielle Fibrinolyse mittels Katheter konnte in einer prospektiven
und randomisierten Studie keine Überlegenheit gegenüber einer konservativen
Therapie zeigen und sollte nicht mehr angewendet werden (21). Die
intravenöse Fibrinolyse wurde in einer prospektiven und randomisierten Studie
getestet, diese wurde aber aufgrund geringer Rekrutierung abgebrochen (22).
Die hyperbare Sauerstofftherapie wird immer wieder erwähnt, hierzu gibt es
aber keine Daten aus prospektiven und randomisierten Studien, die den
heutigen Anforderungen gerecht werden.
Der RAV gilt weiterhin als Erkrankung ohne Therapie
In Analogie zur EAGLE-Studie kann man bei Patienten mit frischen
Verschlüssen das konservative Schema einsetzen. Ob die 6-Stundengrenze
der tierexperimentellen Studien von Hayreh wirklich auf den Menschen
übertragbar ist, kann nicht zweifelsfrei bestätigt werden (Hayreh). Mangels
therapeutischer Alternativen scheint eine Therapie bis zu 24 Stunden nach
dem Verschluss vertretbar.
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Konservatives Schema in Analogie zur EAGLE-Studie (21,23)
- Acetazolamid 500 mg intravenös einmalig
- Topische Drucksenkung einmalig
- ASS 100 mg (mindestens über 6 Monate nach Rücksprache mit
Internist)
- Bulbusmassage (10 min)
- Isovolämische Hämodilution, wenn Hämatokrit über 40 % einmalig
Folgende Untersuchungen sollten erfolgen:
- Visus
- Gesichtsfeld (Goldmann)
- Funduskopie
Kommentar: Es ist enttäuschend, dass es weiterhin keine neuen
randomisierten und prospektiven Studien zur Therapie retinaler
Arterienverschlüsse gibt. Da diese sehr selten sind müssen Studien
multizentrisch und mit hohem Aufwand durchgeführt werden. Ein weiteres
Problem stellt die Vermutung dar, dass nach einer Verschlusszeit von ca. 6
Stunden der größte Schaden irreversibel ist. Im Gegensatz zum Apoplex oder
Herzinfarkt, reagieren die meisten Patienten aber nicht so schnell und die
Diagnose wird später gestellt.
Behandlung des retinalen Arterienverschlusses: Daten einer Metaanalyse
Im Jahr 2015 gab es zwar keine neuen Originaldaten zur Therapie des
retinalen Arterienverschlusses, allerdings eine neue Metaanalyse, die Ergebnisse zum Spontanverlauf, der konservativen Therapie und der intravenösen
Fibrinolyse verglichen hat (56). In den Studien der konservativen Therapie
wurden die Patienten mit folgenden Therapien behandelt: Azetazolamid,
Bulbusmassage, Pentoxifyllin, topische Augeninnendrucksenkung, Parazentese, systemische Steroide und Aspirin. Die Patienten der intravenösen Fibrinolyse erhielten entweder Streptokinase (zwischen 250.000 und 1.000.000 IU),
Urokinase (zwischen 120.000 und 240.000 IU) oder rekombinates tissuePlasminogen (rtPA; 0,9 mg/kg KG oder 50 mg).
Beim Vergleich der Behandlungsgruppen schnitten Patienten, die mit intravenöser Fibrinolyse (32 % Visusverbesserung) behandelt wurden besser ab
als die konservativ behandelte Gruppe (+17,7 %) oder der Spontanverlauf
(+7,4 %) (Abbildung 1a). Als Entscheidungsgrundlage wurde eine Visuserholung auf Werte von mindestens 0,2 zugrunde gelegt. Dieses Kriterium ist
deshalb nicht optimal, weil der abschließende Visus sehr stark vom Ausgangsvisus abhängt, der aber nicht angegeben wurde. Wichtiger als ein möglicher
Behandlungsunterschied ist aber die Zeit vom Verschlussereignis bis zur
Behandlung. Die auch in der Apoplexbehandlung oft benannte Grenze von 4,5
Stunden scheint auch bei der intravenösen Fibrinolyse entscheidend zu sein.
Innerhalb der ersten 4,5 Stunden nach intravenöser Fibrinolyse verbesserte
sich der Visus in 50 % aller Patienten, während der Anteil danach mit 24-27 %
angegeben wird (Abbildung 1b).
Obwohl die Daten der Metaanalyse mit großer Vorsicht interpretiert werden
müssen, können 2 wichtige Informationen daraus abgeleitet werden:
1. Die einzige Behandlungsoption, die diskutiert werden kann, ist die sehr
schnell eingeleitete intravenöse Fibrinolyse.
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2. Eine Behandlung nach 4,5 Stunden ist nicht sinnvoll und sollte unterlassen
werden. Dabei ist die genaue Anamnese wichtig: Patienten, die ihre
Sehverschlechterung morgens nach dem Aufwachen bemerken, haben mit
hoher Wahrscheinlichkeit eine längere Verschlusszeit. Als Daumenregel
kann man hier die halbe Schlafzeit zugrunde legen. Damit kommen sie für
eine Lysebehandlung nicht mehr in Frage.
Abschließend bleibt die intravenöse Fibrinolyse der einzige Hoffnungsträger
bei der Behandlung des retinalen Arterienverschlusses. Es bedarf aber
dringend einer prospektiven und randomisierten Studie, um den tatsächlichen
Wert der Behandlung einschätzen zu können.
Abb. 1 a (oben) und b (unten): Ergebnisse der Metaanalyse zur Behandlung von Patienten
mit Zentralarterienverschluss. Oben (Abbildung 1a) sind die Mittelwerte der Behandlungen
dargestellt. In der oberen Reihe finden sich die Daten zum Spontanverlauf, in der mittleren
Reihe zur intravenösen Lysetherapie und unten zur konservativen Therapie. Darunter
(Abbildung 1b) sind die Visusergebnisse der Lysepatienten in Abhängigkeit von der Verschlusszeit aufgezeichnet. Hier wird ersichtlich, dass innerhalb des sehr frühen Zeitfensters
von 4,5 Stunden die größte Wahrscheinlichkeit einer Sehverbesserung besteht. Schrag et
al. JAMA Neurol. 2015;72:1148–54 (56).
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5.2.2
Weiterführende Diagnostik: Die internistische und neurologische
Untersuchung ist unerlässlich
Eine der wichtigsten Arbeiten war die 3-Jahresanalyse einer taiwanesischen
Arbeitsgruppe (24). In dieser Studie haben die Autoren die Daten von 464 RAV
Patienten mit 2.784 gematchten Menschen verglichen. Beim Matchen wurden
auch die kardiovaskulären Risikofaktoren berücksichtigt. Als Ergebnis hatten
19,6 % der RAV Patienten und 10 % der Kontrollgruppe einen Apoplex
innerhalb der 3-Jahres-Nachbeobachtungszeit. Je länger der Verschluss
zurück lag, desto seltener war ein Schlaganfall. Das Hauptrisiko bestand
innerhalb der ersten 6 Monate.
Das relative Risiko für RAV Patienten betrug in dieser Studie 2,07 (Risiko
verdoppelt). Wenn nur die Patienten unter 60 Jahren betrachtet wurden, lag
das Risiko sogar bei 3,34.
Die Kaplan-Meier Kurve der Publikation ist in Abbildung 10 dargestellt.
Abb. 10: Kaplan-Meier Überlebenskurve (Überleben bedeutet hier schlaganfallfreies
Intervall). Die untere Kurve ist die Gruppe mit RAV, die obere Kurve stellt die Kontrolle dar.
Chang YS et al., Am J Ophthalmol. 2012;154:645-652 (20)
Vergleichbare Daten können aus einer neurologischen Studie abgelesen
werden, die den schützenden Effekt einer Karotis-Endarteriektomie bei
vorausgegangenen ischämischen Ereignissen im zerebralen Stromgebiet
nachweist (25). Die Frage der optimalen Versorgung bei Plaques und
Stenosen im Karotisstromgebiet ist noch nicht abschließend geklärt, und es ist
nicht die Absicht dieses Beitrags, diese Komplexe interdisziplinäre Frage zu
beantworten. Therapeutisch kommen eine rein medikamentöse Behandlung,
eine chirurgische Endarteriektomie, die Lyse und die Bypassoperation in
Frage.
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In der erwähnten schwedischen Studie wurden 230 Patienten mit
ischämischen zerebrovaskulären Ereignissen (Amaurosis fugax, RAV,
transitorische ischämische Attacke (TIA) oder milder ischämischer Insult) mit
einer Karotisendarteriektomie behandelt. Auch bei dieser Studie kam es
unmittelbar nach dem ischämischen Ereignis signifikant häufiger zu erneuten
ischämischen Komplikationen im zerebrovaskulären Stromgebiet.
Daraus kann nicht geschlossen werden, dass die Endarteriektomie die
Therapie der Wahl darstellt, aber eine gesonderte Überwachung der Patienten
berücksichtigt werden muss.
Deshalb muss weiter davon ausgegangen werden, dass RAV Patienten
dringend internistisch und neurologisch abgeklärt werden sollten. Eine
stationäre Behandlung ist weiterhin empfehlenswert.
Kommentar: Obwohl die beiden Studien retrospektiv Daten erheben, wird das
internistische und neurologische Risiko der Patienten mit Verschluss einer
retinalen Arterie klar. Die enge Zusammenarbeit mit Internisten und
Neurologen ist unerlässlich. Hierbei wird der Augenarzt zum interdisziplinären
Vermittler.
5.2.3
Bildgebung beim RAV
SD-OCT Untersuchungen beim RAV haben in der akuten ischämischen Phase
eine Verdickung der inneren neurosensorischen Schichten gezeigt. Die
Rückbildung des Ödems ist dabei gefolgt von einer retinalen Atrophie, die ab
dem zweiten Monat erkennbar ist (52).
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In den Abb. 11 ist dieser Verlauf in der SD-OCT gezeigt. Die MulticolorAufnahme (Abb.12) zeigt den frischen ZAV. Ferner erschein eine interessante
Arbeit, die ein sog. „prominent Middle Limiting Membrane Sign (=pMLM)“ bei
RAV beschrieb (53). Dieses entsteht dadurch, dass die Bipolarzell-Synapsen in
der äussren plexiformen Schicht gerade noch durch retinale Gefässe versorgt
wird, durch den RAV als akut geschwollen ist und deutlich von normal
strukturierter Netzhaut mit ja erhaltener chorioidaler Perfusion unterschieden
werden kann.
5.2.4
Aktuelle Leitlinie beim RAV
Vor kurzem ist eine S2e Leitlinie der Fachgesellschaften zu retinalen arteriellen
Verschlüssen erschienen, die hier angehängt ist.
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Prof. Dr. med. Hans Hoerauf / Prof Dr. med. Nicolas Feltgen
Augenklinik
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Robert-Koch-Str. 40
37075 Göttingen
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Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer
________________________________________________________________________________
6
REFRAKTIVE CHIRURGIE
6.1
Einführung .................................................................................. 2
6.2
Historischer Abriss..................................................................... 3
6.2.1
Hornhautchirurgie ......................................................................... 3
6.2.2
Linsenchirurgie ............................................................................. 4
6.3
Prinzipien der Refraktiven Chirurgie ......................................... 5
6.4
Indikationsstellung und Einordnung
refraktivchirurgischer Eingriffe ................................................. 7
6
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Seite 1
Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer
_______________________________________________________________________________
6.1
Einführung
Unter dem Begriff der Refraktiven Chirurgie werden diejenigen Bereiche der
Ophthalmochirurgie zusammengefasst, die zum hauptsächlichen Ziel haben,
die unkorrigierte Sehschärfe eines Patienten zu optimieren. In der Konsequenz
einer solchen Behandlung soll typischerweise eine selektive, weitgehende oder
vollständige Unabhängigkeit von korrigierenden Sehhilfen erreicht werden.
Dies wird vom Patienten idealerweise als eine Steigerung der Lebensqualität
empfunden. Und zwar nicht nur in Bezug auf das visuell gesteuerte Verhalten,
sondern ebenso hinsichtlich einer erlebten Freiheit vom Zwang, für elementare
Lebensvorgänge auf externe Hilfsmittel angewiesen zu sein. Es geht hierbei
typischerweise nicht um die Behandlung einer Krankheit, sondern um die
Beeinflussung
der
optisch-funktionellen
Auswirkung
einer
biologischen
Normvariante (Myopie, Hyperopie, Astigmatismus) bzw. einer regelhaft
altersbezogen eintretenden Funktionsminderung (Presbyopie) des Auges.
Neben primär refraktivchirurgisch konzipierten und indizierten Eingriffen zählen
auch solche zum erweiterten Themengebiet der Refraktiven Chirurgie, welche
quasi nur sekundär eine Beeinflussung der Refraktion des Patienten
beinhalten, deren hauptsächliches kuratives Ziel jedoch in der Behandlung
einer Erkrankung liegt: Kataraktchirurgie, Linsenchirurgie bei vitreoretinalen
Eingriffen oder posttraumatische rekonstruktive Ophthalmochirurgie. Diese
Kategorie refraktiver Chirurgie gewinnt tendenziell zunehmend an Bedeutung,
nicht zuletzt, da minimalinvasive Operationsverfahren in der Hinterabschnittschirurgie
ein
immer
weniger
traumatisches
Vorgehen
mit
verkürzter
Rehabilitation und verbessertem Visuspotenzial bieten. Die Wahl des
optimalen Linsenimplantats kann die Nutzbarkeit dieses Potenzials wesentlich
beeinflussen.
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Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer
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6.2
6.2.1
Historischer Abriss
Hornhautchirurgie
Wesentliche historische Entwicklungsschritte des Fachgebiets wurden seit
Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts vollzogen: Barraquer erforschte das
Potenzial stromaler Reduktionsplastik der Hornhaut zur Minderung der
Brechkraft bei hoher Kurzsichtigkeit ebenso wie die Transplantation refraktiv
gestalteter Lentikel bei Hyperopie und Aphakie und schuf damit die
Grundlagen der Keratomileusis. Fyodorov und Sato erkannten das Potenzial
nichtpenetrierender
Inzisionen
der
Hornhaut
zur
Beeinflussung
der
Krümmungsradien und Fyodorov stieß damit in den 1970er Jahrendden ersten
Boom refraktivchirurgischer Eingriffe in der Sowjetunion an, in der westlichen
Hemisphäre war Waring ab den frühen1980er Jahren der prominenteste
Vertreter der Verfahrensweisen, die heute im wesentlichen nur noch unter
medizinhistorischem Aspekt von Bedeutung sind. Mit der Entdeckung der
Möglichkeit der in-situ Gewebsablation des cornealen Stromas mittels ExcimerLaser durch Srinivasan et al. und der Anwendung der Methoden durch Trokel,
Brint, Seiler u.a. ab Mitte der 1980er Jahre fand die chirurgische Modulation
der Hornhautkrümmungsradien eine neue Dimension als „Laser Vision
Correction“ Photorefraktive Keratektomie (PRK). Die Perfektionierung des
Mikrokeratoms eröffnete dann in den frühen 1990er Jahren die Möglichkeit der
intrastromalen Ablation als Laser-in-situ-Keratomileusis (LASIK), die mit der
Einführung des Femtosekunden-Infrarotlasers ab den frühen 2000er Jahren
einen wesentlichen Schritt zur Perfektionierung erfuhr (FemtoLASIK). Auch
hier ging die ingenieurtechnische Entwicklung der Behandlungsgeräte mit einer
auf Grundlagen der physiologischen Optik fußenden Entwicklung der
Ablationsalgorithmen
parallel.
Heutiger
Standard
sind
asphärische
Ablationsprofile, die bei Bedarf auf das Wellenfrontprofil des Auges
miteinbeziehen. Eine Weiterentwicklung der FemtoLASIK stellen Verfahren wie
SMILE dar, bei dem ohne Schaffung einer oberflächlichen Lamelle.
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Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer
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6.2.2
Linsenchirurgie
Den wesentlichen Schritt zur intraokularen Implantologie vollzog Sir Harold
Ridley
mit
der
Implantation
der
ersten
Intraokularlinse
(IOL)
zur
Aphakiekorrektur, eine Entwicklung, die durch Fyodorov, Binkhorst und Worst
durch die Hinzufügung von Haptiken zur Optikverankerung wiederum zur
praktischen Nutzbarkeit weitergeführt wurde. Parallel hierzu wurden u.a. von
Saunders/Retzlaff/Kraff (SRK/T), van der Heijde, Hoffer (HofferQ), Haigis
(Haigis), Holladay (Holladay) Formeln entwickelt, die die Berechnung der
erforderlichen
Intraokularlinsenstärke
zur
Erreichung
eines
definierten
Refraktionsziels ermöglichten. In den späten 1990er Jahren kamen die ersten
multifokalen Intraokularlinsen auf den Markt, deren Optikdesign darauf
ausgelegt ist, die fehlende Akkommodation bei Pseudophakie funktionell zu
ersetzen. Die Entwicklung von akkommodierenden IOL, die die natürlichen
Strukturen zur Akkommodation nutzen könnten, hat bislang keine funktionell
nachhaltig befriedigenden Resultate ergeben. Der heutige Standard zur
bestmöglichen
Simulation
des
Seheindrucks
eines
emmetropen
akkommodationsfähigen Auges wird definiert durch diffraktive trifokale (bei
Bedarf trifokal-torische) Linsen, mit denen ein weitestgehendes Maß an
Brillenunabhängigkeit für viele Sehanforderungen erreicht werden kann.
Als
rein
refraktivchirurgische
IOL
sind
schließlich
neben
den
oben
beschriebenen Pseudophakie-IOL die phaken IOL zu nennen, die bereits seit
Mitte der 1980er Jahre (Worst-Fechner Irisklauenlinse) zur Korrektur hoher
Fehlsichtigkeiten zur Verfügung stehen und deren Design und Modelle im
Verlauf weitere Differenzierung erfahren haben.
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6.3
Prinzipien der Refraktiven Chirurgie
Refraktive Chirurgie ist wie kaum ein anderes Gebiet chirurgischer Disziplinen
durch die Anforderung an Perfektion hinsichtlich Vorhersagbarkeit des
Ergebnisses, Sicherheit des Verfahrens und Dauerhaftigkeit des Erfolgs
gekennzeichnet. Daher stellen dies auch typische Kriterien dar, die sich in der
wissenschaftlichen Analyse und Evaluation refraktivchirurgischer Verfahren
finden.
Die
Vorhersagbarkeit
bezieht
sich
dabei
auf
mehrere
Bedeutungsebenen: Erstens auf das chirurgische Ergebnis der Veränderung
von Gewebestrukturen, z.B. der Abtrag von Hornhautgewebe oder die
Entfernung der kristallinen Linse mit Ersatz durch eine künstliche Linse.
Zweitens auf die dadurch erzeugte Änderung der Brechkraft der betroffenen
anatomischen Einheit (Hornhaut, Linse) und damit des Auges insgesamt, was
der eigentliche inhaltliche Kern einer Behandlung ist. Schließlich auf die durch
die Ergebnisse dieser eben genannten Ebenen hervorgerufene Änderung des
Seheindrucks
des
Patienten.
Bei
der
Indikationsstellung
muss
der
Refraktivchirurg diese Kategorien in jeweils gleicher Weise berücksichtigen
und sich den hohen Erwartungen des Patienten in Bezug auf das angestrebte
Ergebnis stellen. Während im Bereich der kurativen Medizin, wo es um die
Behandlung krankhafter Zustände des Patienten geht, auch graduelle
Verbesserungen als vorteilhaft erlebt werden ist für Patienten der refraktiven
Chirurgie typischerweise die Erreichung der vollständigen „Brillenfreiheit“ das
vollständig dominierende Ziel. Vom Refraktivchirurgen wird nicht selten eine
Garantie in dieser Hinsicht gefordert, welche jedoch seriöserweise nicht
gegeben werden kann. In dieser Hinsicht ist Wert auf die Feststellung zu legen,
dass auch refraktivchirurgische Eingriffe wie digital assistierte Gewebsablation
(PRK,
LASIK)
den
grundsätzlichen
Unwägbarkeiten
der
Behandlung
lebendiger biologischer Strukturen unterliegen. Gleichwohl erfolgen die
Anstrengungen
der
Optimierung
und
Innovation
refraktivchirurgischer
Operationen stets ganz wesentlich unter dem Aspekt der Maximierung der
Vorhersagbarkeit
des
vom
Patienten
wahrgenommenen
Ergebnisses
ausgerichtet.
Ähnliches gilt für die Kategorie der Sicherheit des Verfahrens refraktivchirurgischer
Operationen.
Da
refraktivchirurgische
Operationen
typischerweise nur mit der Ausgangssituation eines vollständig gesunden
Auges erfolgen, ist die Abwägung von bekannten bzw. zu erwartenden Risiken
und
Chancen
besonders
kritisch
vorzunehmen.
Patienten
erwarten
berechtigterweise bei diesen Operationen eine äußerste Minimierung von
Risiken bei gleichzeitiger äußerster Maximierung der Chancen. Es ist wichtig,
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Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer
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dass
im
präoperativen
Aufklärungsgespräch
das
Verständnis
einer
realistischen Einschätzung dieser Möglichkeiten beim Patienten herbeigeführt
wird und dies in einer detaillierten Dokumentation festgehalten wird. Dies
umsomehr, als Patienten andernfalls versucht sein können, das Eintreten einer
Komplikation unmittelbar mit einem schuldhaft fehlerhaften Handeln des
Refraktivchirurgen gleichzusetzen, um hieraus die Forderung finanzieller
Ansprüche gegen den behandelnden Arzt abzuleiten.
Schließlich ist die langfristig gleichbleibende Wirkung der refraktivchirurgischen
Operation von ebenso großer Bedeutung wie die vorgenannten beiden
Kategorien
(Ergebnisstabilität).
Auch
dieser
Aspekt
erfährt
bei
der
Refraktivchirurgie eine besondere Zuspitzung, insofern sich die Dauerhaftigkeit
auf
Zeiträume
mehrerer
Jahrzehnte
erstreckt.
Zwei
wesentliche
Ausgangsbedingungen spielen – insbesondere bei der Hornhautchirurgie - für
die Erreichung des Ziels eine Rolle: die prä- und die postoperative
Gewebsstabilität.
Nur
wenn
das
Bulbuswachstum
sicher
vollständig
abgeschlossen ist, kann es gelingen, durch corneale Gewebsablation eine
dauerhafte Änderung der Refraktion zu erzeugen. Die vom Patienten
berichtete Historie der Änderung der Brillenstärke (sollte seit ca. 2 Jahren stabil
sein) spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Beachtung des Patientenalters
(Refraktionsänderungen bis ca. zum 30. Lebensjahr erwartbar) und die Höhe
des
bestehenden
Refraktionsfehlers
sowie
der
Lebensumstände
des
Patienten: Bei einer geringen oder moderaten Myopie mit mehrjähriger
Stabilität ist beispielsweise tendenziell ein geringeres Progressionsrisiko in der
späten dritten Lebensdekade anzunehmen, als z.B. bei einer hohen Myopie mit
veränderlichen Werten in der unmittelbaren Vorgeschichte. Bezüglich der
Lebensumstände zeigt die Erfahrung, dass z.B. bei jungen Patienten Phasen
intensiver Naharbeit (Prüfungsphase eines Studiums) mit dem Potenzial der
Progression einer moderaten bis hohen Myopie einhergehen können. Solche
Überlegungen gilt es für den Refraktivchirurgen bei der Indikationsstellung für
einen Eingriff und seine zeitliche Einordnung zu berücksichtigen, um der
Erfordernis einer langfristigen Ergebnisstabilität genügen zu können. Ebenso
ist, insbesondere bei ablativer Hornhautchirurgie zu berücksichtigen, dass
nach erfolgter Operation ausreichend residuales Stroma vorhanden ist, um
nach Maßgabe der bekannten Wahrscheinlichkeiten einen postoperativen
Stabilitätsverlust zu vermeiden.
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Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer
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Hierfür gilt eine Reststromadicke von 250 µm als absolutes Minimum,
allerdings sind in der Praxis 300µm als geforderter Minimalwert etabliert. Eine
zu dünnes Reststroma nach myoper Ablation kann mittel- bis langfristig die
mechanische Stabilität der Hornhaut beeinträchtigen, was sich funktionell in
einer Regression der Refraktion und anatomisch in einer Keratektasie äußern
kann. Bei hyperoper Ablation spielt die Regeneration des Epithels mit reaktiver
Hypertrophie eine Rolle bei der mittelfristigen Regression in Richtung der
ursprünglichen Refraktion. Dies stellt zwar im Gegensatz zur Keratektasie
keine
schwerwiegende
Komplikation
dar
(berührt
also
nicht
den
Sicherheitsaspekt), beinhaltet aber aus Patientenperspektive das Abklingen
des Effekts der Behandlung im Zeitverlauf. Die Zunahme der Hyperopie im
Rahmen des Altersfortschritts durch nachlassende Akkommodationsfähigkeit
der Linse mit daran gekoppelter Reduktion des Effekts einer hyperopen
Photoablation der Hornhaut wird ebenso vom Patienten als Nachlassen des
Operationsergebnisses empfunden.
6.4
Indikationsstellung und Einordnung refraktivchirurgischer
Eingriffe
Hinsichtlich
der
Indikationsstellung
lassen
sich
refraktivchirurgische
Behandlungen im wesentlichen in zwei Hauptkategorien unterscheiden: Wenn
ein Patient a priori den Wunsch entwickelt, von der Notwendigkeit der
Zuhilfenahme externer Sehhilfen für seine Lebensführung befreit zu werden
und sich aus diesem Grund einem operativen Eingriff unterziehen möchte,
handelt
es
sich
dabei
um
eine
rein
optionale
bzw.
fakultative
Indikationsstellung. Das bedeutet, dass kein primär medizinischer Anlass
vorliegt, aus dem heraus überhaupt eine Operation oder Behandlung zu dem
jeweiligen
Zeitpunkt
erforderlich
ist
(=nicht
medizinisch
erforderlich).
Gleichzeitig jedoch erfolgt die Indikationsstellung unter dem Gesichtspunkt
medizinischer
Sinnhaftigkeit
(=medizinisch
sinnvoll),
insofern
bei
klar
definierter Diagnosesituation unter für Patient und Chirurg annehmbarem
Risiko-Chancenprofil der Eingriff mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das
gewünschte Ergebnis herbeiführen kann. Eine solche Indikationsstellung ist
vergleichbar mit derjenigen für die Verwendung oraler Kontrazeptiva oder für
die rein ästhetische plastisch-chirurgische Mamma-Augmentation.
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Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer
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Es ist im Unterschied zu diesen Situationen gleichwohl wichtig, dass ein
refraktivchirurgischer
Eingriff
stets
eine
Maßnahme
zur
nachhaltigen
funktionellen Optimierung des Organsystems darstellt und nicht, wie in den
genannten Beispielen passager eine eigentlich pathologische Situation
herbeigeführt wird (sekundäre Anovulation) oder eine äußerlich erkennbare,
vom Patienten als ästhetisch vorteilhaft bewertete, jedoch funktionslose oder
sogar funktionseinschränkende
Veränderung
(Brustvergrößerung) erzielt
werden soll.
Eine Unterart dieser Indikationsklasse kann erkannt werden, wenn der Wunsch
des Patienten aus einer subjektiv empfundenen Unverträglichkeit bzw. NichtAnnehmbarkeit der bisher präferentiell verwendeten Sehhilfe entspringt. Dies
kann beispielsweise der Fall sein bei sog. Kontaktlinsenunverträglichkeit, z.B.
durch eine Imbalance der Oberflächenbenetzung oder motorische oder
hygienische Defizite bei der Handhabung der Linsen. Wenn in einer solchen
Situation die Fehlsichtigkeit in einem Maße ausgeprägt ist, dass beispielsweise
bei Verwendung einer Brille das visuelle Potenzial der Augen nur unzureichend
genutzt werden kann, kann die Komponente einer medizinischen Erfordernis
für die Indikationsstellung hinzukommen. Um eine Verwischung der Grenzen
zwischen den Kategorien „medizinisch erforderlich und sinnvoll“ und
„medizinisch nicht erforderlich, jedoch ad libitum medizinisch sinnvoll“ zu
vermeiden, ist es in der dargestellten Situation unumgänglich, die Ausprägung
der
die
Unverträglichkeit
begründenden
Einschränkungen
sicher
zu
objektivieren. Darüber hinaus muss eine Gewichtung der Einzelkomponenten
erfolgen
(Wunsch
vs.
Erfordernis),
um
zu
einer
überwiegenden Indikationsmomentums zu gelangen.
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Einschätzung
des
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Die Abgrenzung zur zweiten Indikationsklasse ist damit bereits angedeutet:
Eine intrinsische medizinische Notwendigkeit für die Durchführung einer
refraktivchirurgischen Behandlung kann bestehen, wenn es schlechthin unter
Anwendung konservativer Maßnahmen nicht möglich ist, das visuelle Potenzial
eines Patienten für ihn nutzbar zu machen. Dies kann beispielsweise der Fall
sein, wenn ein extremer sphärischer oder cylindrischer Refraktionsfehler,
insbesondere mit deutlichen Unterschieden zwischen beiden Augen besteht,
der sich mittels einer Brille oder Kontaktlinsen nicht oder nur unzureichend
korrigieren lässt. Solche Ausgangsbefundsituationen finden sich nicht selten
nach
okulären
Traumata,
vorausgegangenen
(größeren)
ophthalmo-
chirurgischen Eingriffen oder primären Pathologien des Auges: Hoher
Astigmatismus
bei
Z.n.
penetrierender
Keratoplastik,
extreme
Sicca-
Symptomatik bei genuin pathologischer Benetzungsstörung, bei Aphakie und
Hornhautnarben, komplizierte Katarakt nach Vitrektomie bei jungen Patienten
können
beispielsweise
solche
Situationen
sein,
in
denen
eine
refraktivchirurgische Behandlung unter medizinischem Aspekt erforderlich
erscheinen kann. Nicht selten kann sich eine solche Indikationssituation
ergeben, wenn es um die Abfolge mehrerer Eingriffe oder um kombinierte
Behandlungen beider Augen geht.
Die inhaltlich klare Einordnung in die genannten Indikationsklassen und die
Analyse zugrundeliegender Befunde sowie Überlegungen ist u.a. unter
juristischem Aspekt von großer Bedeutung. Hiermit verknüpft sind nicht selten
Fragen der Zuständigkeit für die Übernahme der Behandlungskosten. Die
Indikationsstellung
wird
jedoch
auch
im
Falle
des
Eintretens
von
Komplikationen bezüglich Schadensersatzforderungen kritisch hinterfragt.
Im SGB V ist der Umfang der zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
in Anspruch zu nehmenden medizinischen Leistungen auf medizinische
wirksame Leistungen im für den Versicherten notwendigen Ausmaß unter
Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes beschränkt. Im Rahmen der
privaten Krankenversicherung können fakultativ zwischen Versichertem und
Krankenversicherung darüberhinausgehende Leistungsbereiche vereinbart
werden.
Es
ist
refraktivchirurgische
üblich,
dass
Behandlungen
private
explizit
von
Krankenversicherungen
der
Leistungspflicht
ausnehmen. Dies ist aus dem oben dargelegten verständlich, insofern solche
Behandlungen nicht dem primären Kriterium medizinischer Erfordernis zur
Behandlung einer bestehenden Erkrankung oder der Abwendung des Risikos
einer absehbaren krankhaften Situation entsprechen.
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Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer
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Die
höchstrichterliche
Beurteilung
des
Begriffs
der
medizinischen
Notwendigkeit in Bezug auf Leistungspflicht privater Krankenversicherungen
folgt einer mehr als drei Jahrzehnte alten Feststellung des Bundesgerichtshofs:
„Medizinisch notwendig ist eine Heilbehandlung, wenn es nach den objektiven
medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der
ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen“. Dies stellt
zwar logisch einen Zirkelschluss dar, insofern zunächst die Notwendigkeit mit
der Notwendigkeit begründet wird. Jedoch liegt in dieser Definition auch der
explizite Bezug auf die zeitliche Zuordnung einer medizinischen Behandlung
auf den vorherrschenden Wissensstand.
Bei sphärischen und cylindrischen Refraktionsfehlern des Auges handelt es
sich, ebenso wie bei Presbyopie in erster Näherung nicht um krankhafte
Zustände. Vielmehr stellen diese Situationen zunächst lediglich Abweichungen
von einem als optimal bewerteten biologischen Wert dar. Presbyopie ist sogar
eine
nahezu
regelhafte
altersassoziierte
Veränderung
mit
ca.
100%
Manifestationswahrscheinlichkeit bis zum 55. Lebensjahr. Die Tatsache, dass
die Diagnosen mit eigenen Codes im Rahmen der International Classification
of Diseases (ICD-10) bezeichnet sind, darf nicht als Zuerkennung eines
eigentlichen Krankheitswertes missverstanden werden. Die chirurgische
Korrektur von Myopie, Hyperopie, Astigmatismus und Presbyopie stellt mithin
per definitionem keine Leistung dar, die den Kriterien von medizinischer
Erfordernis entsprechen kann. Wenn z.B. darüber hinaus bei einem Patienten
eine suboptimale Benetzungssituation der Augenoberfläche i.S. eines SiccaSnydroms mit resultierender Kontatklinsenunverträglichkeit besteht, ergibt sich
aus dieser „Pathologie“ auch nicht unmittelbar eine Behandlungsindikation für
die, das Tragen von Kontaktlinsen erforderlich machender Myopie.
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Refraktive Chirurgie – Urs Voßmerbäumer
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Die darstellten Gesichtspunkte bezüglich der Zuerkennung medizinischer
Erfordernis spielen eine wesentliche Rolle bei gutachterlichen Fragestellungen.
Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Patienten der Refraktivchirurgie
und ihren Krankenversicherungen drehen sich nicht selten um die Frage der
medizinischen Notwendigkeit einer Operation auf der die seitens des Patienten
interpretierte Leistungspflicht der Versicherung begründet wird. Nicht selten
wünschen Patienten vor einer Operation vom Refraktivchirugen eine
schriftliche Bestätigung, dass der angestrebte und empfohlene Eingriff
aufgrund medizinischer Erfordernis erfolge. Da hiervon bisweilen die
Entscheidung zur „Buchung“ der Operation durch den Patienten abhängt, wäre
eine solche Feststellung zwar für Patient und Refraktivchirurg von Nutzen,
jedoch zu Lasten des Versicherungsträgers. Eine leichtfertige Ausfertigung von
diesbezüglichen ärztlichen Bescheinigungen stellt daher eine Verletzung der
Objektivitätspflicht dar. Einer kritischen Analyse seitens eines kompetenten
Fachgutachters
halten
Angaben
wie
eine
behauptete
Kontaktlinsen-
unverträglichkeit, empfundene Einschränkung des Gesichtsfelds durch Brille
oder plötzliche Druckulzera durch Brillenbügel nicht stand, sofern nicht
objektive, nachvollziehbare und glaubhafte Befunde zum Beleg dienen können.
Im äußersten Fall kann sich aufgrund unkorrekter oder irreführender Angaben
bei einem ärztlichen Befundbericht die Situation von einer zivilrechtlichen
Leistungsklage
strafrechtliche
des
Versicherten
Anklage
wegen
gegen
seine
versuchten
Versicherung
in
eine
Versicherungsbetrugs
des
Versicherten und des Refraktivchirurgen verkehren. Der Refraktivchirurg hat
daher strikt auf Objektivität bei der Berichtslegung und bei der Beurteilung von
Befunden zu achten und ist gut beraten, sich nicht zum Handlanger finanzieller
Interessen des Patienten, auch wenn diese den eigenen entsprechen mögen,
machen zu lassen.
Korrespondenzadresse des Autors:
PD Dr. Urs Voßmerbäumer, MSc, FEBO, DIU
Leiter Refraktive Chirurgie & ambulantes OP Zentrum
Oberarzt, Vitreoretinale Chirurgie
Universitäts-Augenklinik Mainz
Langenbeckstr. 1
55131 Mainz
[email protected]
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Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier
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7
VITREOMAKULÄRE ERKRANKUNGEN
7.1
Glaskörper und vitreoretinaler Übergang ................................. 2
7.1.1
Molekulare Zusammensetzung des Glaskörpers .......................... 2
7.1.2
Die vitreoretinale Grenzfläche an der Makula ............................... 2
7.1.3
Die hintere Glaskörperabhebung (HGA) ....................................... 2
7.1.4
Anormale hintere Glaskörperabhebung (AHGA) ........................... 3
7.2
Idiopatische traktive Makulopathien ......................................... 4
7.2.1
Makulaforamen (durchgreifendes Makulaforamen) (MH, FTMH) .. 4
7.2.2
Makulaschichtforamen und Pseudoforamen ................................. 8
7.2.3
Epiretinale Gliose ....................................................................... 10
7.2.4
Vitreomakuläres Traktionsyndrom (VMTS) ................................. 12
7.2.5
Myope, traktive Makulopathie ..................................................... 14
7.2.6
Traktionsbedingtes Makulaödem bei Diabetes, RVV .................. 15
7.3
Pharmakologische Vitreolyse ...................................................16
7.3.1
Hintergrund................................................................................. 16
7.3.2
Zulassungsstudien ...................................................................... 16
7.3.3
Indikation zur therapeutischen intravitrealen Anwendung von
Ocriplasmin (Jetrea®) .................................................................. 17
7.3.4
Therapieoptionen bei VMT mit und ohne Makulaforamen ........... 19
7.4
Literatur ......................................................................................23
7
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Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier
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7.1
7.1.1
Glaskörper und vitreoretinaler Übergang
Molekulare Zusammensetzung des Glaskörpers [3,48,52,55,59]
Wasser: 98%
Kollagen:
Verhältnis 75 %
Typ II (Umhüllung)
Verhältnis 10 %
Typ V/XI
(fibrillärer Kern)
Verhältnis 15 %
Typ IX
(äußerste Oberfläche)
Glycosaminoglykane (GAG): Hyaluronsäure >90%, Chondroitinsulfat <10%
7.1.2
Die vitreoretinale Grenzfläche an der Makula
= Adhäsionsfläche zwischen hinterer Glaskörperrinde und der Membrana
Limitans interna (ILM) der Retina.
Die vitreoretinale Grenzfläche ist wichtig in Bezug auf die physiologische und
pathologische vitreomakuläre Adhäsion (VMA) [48,55,59].
Der vitreomakuläre Übergang
ILM (Kollagen Typ IV)
Glaskörperrinde (Kollagen Typ II, IX, Hybrid von Typ V/XI)
ILM assoziierte Moleküle Laminin, Fibronectin und Chondroitin wirken als
“Matrixklebstoff” und weisen eine hohe Affinität zu Kollagen auf [46,48,55,59].
7.1.3
Die hintere Glaskörperabhebung (HGA)
Glaskörperverflüssigung (Synchisis) sowie die Schwächung der vitreoretinalen
Adhäsion und Glaskörperkollaps (Syneresis) müssen simultan ablaufen
[48,55,59].
Stadien der “altersabhängigen” hinteren Glaskörperabhebung (HGA)
Die HGA verläuft schrittweise und läßt sich in nach Uchino (2001) in 5 Stadien
einteilen [67]:
Stadium 0: keine HGA. In diesem Stadium ist weder in der horizontalen noch
in der vertikalen Schnittebene ein diskretes lineares Signal der
Glaskörpergrenze auf den OCT Aufnahmen zu sehen.
Stadium 1: fokale perifoveale HGA. Dieses Stadium zeigt eine inkomplette
HGA in 1-3 Quadranten perifoveal mit persistierender Adhäsion an
der Fovea, am N. Opticus und in der mittleren Peripherie.
Stadium 2: HGA perifoveal in allen Quadranten mit peristierender Adhäsion an
der Fovea, am N. Opticus und in der mittleren Peripherie.
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Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier
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Stadium 3: HGA der hinteren Glaskörpergrenze von der Fovea
persistierender Adhäsion am N. opticus und mittelperipher.
mit
Stadium 4: komplette HGA mit biomikroskopischem Nachweis einer Abhebung
der hinteren Glaskörpergrenze und sichtbarem Weiss Ring. In
diesem Stadium ist meist kein diskretes, lineares Signal der
Glaskörpergrenze nachweisbar, da dieses Signal ausserhalb der
Detektionsgrenze des OCT liegt.
7.1.4
Anormale hintere Glaskörperabhebung (AHGA)
Die Glaskörperverflüssigung muss mit einer ausreichenden Schwächung der
vitreoretinalen Grenzfläche erfolgen. Ist dies nicht der Fall, so kann es zu einer
anormalen HGA kommen [48,53,55,59].
Vitreomakuläre Adhäsion (VMA):
Adhäsionsbereiche zwischen Glaskörperrinde und Fovea aufgrund anormaler
HGA
Mögliche Konsequenzen:
Makulaforamen, epiretinale
[26,55,59].
Membran
(ERM),
VMT,
DME?,
Andere Formen der vitreoretinalen Separation:
Separation der ILM zusammen mit einer Abhebung
Glaskörperrinde
„Vitreoschisis“: Separation innerhalb der Glaskörperrinde
der
N-AMD?
hinteren
Abb. 1: Schema: Folgen einer AHGA (modifiziert nach J. Sebag 2010) [33,34,59].
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Vitreomakuläre Erkrankungen - Mathias Maier
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7.2
Idiopatische traktive Makulopathien
Sowohl antero- posteriore als auch tangential gerichtete vitreoretinale
Traktionen sind von entscheidender Bedeutung. Mechanische Zugkräfte
entwickeln sich sowohl aus:
persistierenden Adhärenzen des Glaskörpers im Rahmen einer partiellen HGA
bei epiretinalen Zellproliferationen
Eine inkomplette HGA eine sogenannte Vitreoschisis mit Verbleib von
Glaskörperkollagen der Glaskörperrinde an der vitreoretinalen Grenzfläche
spielt dabei eine wichtige Rolle [26,49,55,57,59] (siehe Abb. 1):
Sekundäre traktive Makulopathien: Trauma, intraokulare Entzündung,
Netzhautablösung, Laser- oder Kryobehandlung, intraokulare Voroperation.
Müller- Zellen werden durch mechanische Traktion aktiviert und könnten durch
Aktivierung, Migration und Proliferation von retinalen Gliazellen die Ausbildung
epiretinaler Zellproliferationen hervorrufen [16,26,49]:
•
•
•
•
•
•
Makulaforamen
Makulaschichtforamen und Pseudoforamen
Epiretinale Gliose (Epiretinale Membran = ERM)
(bestehend aus Fibroblasten, Myofibroblasten, Gliazellen)
VMTS
VMT bei hoher Myopie
Traktionsbedingtes Makulaödem bei Diabetes mellitus, anderen
retinalen Gefäßerkrankungen oder inflammatorischen Prozessen
Klinisches Bild: Visusminderung und Metamorphopsien kennzeichnen in
variabler Ausprägung die subjektiven Beschwerden der Patienten mit traktiven
Makulaveränderungen [49,65]:
7.2.1
Makulaforamen (durchgreifendes Makulaforamen) (MH, FTMH)
= vollständiges Netzhautforamen im Foveabereich durch vitreale Traktion mit
oder ohne HGA manchmal assoziiert mit epiretinaler Membran (ERM) [26,68]:
meist idiopathisch (auch sekundär z.B. posttraumatisch)
meist Frauen ( ca. 70%)
6. bis 7. Lebensdekade
Bilateral ca. 10-15%
Inzidenz 3,3 : 1000
Symptomatik:
- Visusminderung
- Metamorphopsien
- Skotom
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Diagnostik:
- Biomikroskopie
- Watzke - Allen Test, Amsler Test
- Laserzielstrahl Test (50µm)
- SD-OCT (Abb. 2)
- Fundusautofluoreszenz (FAF)
- (FLA)
Abb. 2: SD-OCT: Patient mit Makulaforamen Grad III
Klassifikation des Makulaforamens nach Gass:
Stadium
Klinisches Bild
I
punkt oder ringförmiger gelber
Foveolar-Reflex
II
III
IV
exzentrischer
fovealer Einriss
Pathologische
Korrelation
Foveale
Abhebung
aufgrund einer
tangentialen
Traktion
Tangentiale
Traktion an der
Fovea
Zentraler retinaler
runder oder ovaler Defekt mit
retinaler Defekt
abgehobenen
> 400 µm
Rändern:
„Operculum“
Runder oder
ovaler retinaler
Defekt
Zentraler retinaler
Defekt mit
abgehobenen
Rändern
„Operculum“
Status des GK
anliegend
anliegend
Prämakuläre
Abhebung ohne
„Weiss“- Ring
Hintere
GlaskörperAbhebung mit
„Weiss“- Ring
Tab. 1: Klassifikation des Makulaforamens nach Gass 1988 [19,20]:
(Gass: Tangentiale Traktion primäre Ursache)
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Die Entstehung des idiopathischen Makulaforamens wurde in den
vergangenen Jahren kontrovers diskutiert. Gass postulierte 1988, dass eine
tangentiale Traktion entlang der vitreoretinalen Grenzfläche für die Entwicklung
idiopathischer Makulaforamina verantwortlich sei. Heute wird vorrangig der
anterioposterioren dynamischen Glaskörpertraktion die primäre Rolle bei der
Pathogenese der Rissentstehung innerhalb der Fovea zugeschrieben.
Histologische Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass bei praktisch
allen Makulaforamina epiretinale Zellen an der inneren Grenzmembran
vorhanden sind. Die epiretinalen Zellproliferationen sind allerdings durch
klinische Untersuchungsmethoden und bildgebende Verfahren in vivo häufig
nicht darstellbar und können erst durch histopathologische Untersuchungen
von chirurgisch exzidierten Präparaten der ILM sichbar gemacht werden
[26,49]:
Die Foramengröße kann zwischen 100 µm und > 800 µm schwanken.
Der Visus beträgt je nach Grad des Makulaforamens meist 0,1 bis 0,2, kann
aber auch 0,5 und besser betragen.
Die Klassifikation nach Gass war lange Zeit die Grundlage der klinischen
biomikroskopischen
Einteilung
der
Makulaforamina. Aufgrund
der
detaillierteren Darstellbarkeit des vitreoretinalen Überganges im SD-OCT
wurde eine neue Klassifikation vorgenommen, die die Pathologien des
vitreoretinalen Überganges noch genauer erfasst und eine weitere
therapierelevante Differenzierung erlaubt (Tab. 2).
Klassifikation
Vitreomakuläre
Adhäsion (VMA)
Vitreomakuläre
Traktion (VMT)
Beschreibung
•
•
•
•
•
•
Durchgreifendes
Makulaforamen
(FTMH)
•
•
•
•
•
Fokal (≤ 1500 μm) oder breit (> 1500 μm)
Isoliert oder begleitend (mit anderen okulären
Erkrankungen)
Keine strukturellen Veränderungen in der
Netzhaut
Fokal (≤ 1500 μm) oder breit (> 1500 μm)
Isoliert oder begleitend (mit anderen okulären
Erkrankungen)
Strukturelle Veränderungen in der Netzhaut
Klein (≤ 250 μm)
mittel (> 250 μm and ≤ 400 μm)
groß (> 400 μm)
Mit oder ohne VMT
Primär oder sekundär (durch andere okuläre
Erkrankungen)
Tab. 2: Klassifikation der vitreomakulären Adhäsion (VMA), der vitreomakulären Traktion
(VMT) und des durchgreifenden Makulaforamens (Full thickness macular hole = FTMH)
nach Duker JS et al. Ophthalmology 2013 [12]
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7.2.1.1 Makulaforamen - Therapie
1991 erster Bericht über eine chirurgische Therapie des Makulaforamens:
Kelly NE, Wendel RT: Vitreous surgery for idiopathic macular holes. Results of
a pilot study. Arch Ophthalmol 1991: 654-9, [27].
Therapieprinzipien
• Vitrektomie
• Entfernung der GK-Rinde (Induktion hintere GK- Abhebung)
• ILM- Entfernung, meist unter Benutzung von Farbstoffen
• Gastamponade
• Positionierung zum Foramenverschluß durch Gas
Der derzeitige Standard in der chirurgischen Behandlung des Makulaforamens
ist die transkonjunktivale nahtlose Pars plana Vitrektomie (23G/25G) mit
Induktion der hinteren Glaskörperabhebung, Entfernung von epiretinalen
Membranen sowie der Membrana Limitans interna (ILM), Gastamponade und
postoperativer Positionierung zum Verschluß des Foramens [26,49], (Abb. 3
a,b).
Für eine vollständige Entfernung der traktiven Kräfte an der
Netzhautoberfläche ist eine Entfernung der beiden Komponenten der
vitreoretinalen Grenzschicht notwendig
•
•
Glaskörper und fibrozelluläre Proliferation
ILM
Eine komplette mechanische Entfernung des gesamten epiretinalen Gewebes
ist ohne Entfernung der ILM nicht möglich.
Entfernung der ILM: [11,26,49]:
•
•
•
möglichst komplette Entlastung von Traktionen
Verhinderung von Rezidiven
Optimierung der Sehschärfe
Anwendung intravitrealer Farbstoffe
Die Anwendung intravitrealer Farbstoffe während der Vitrektomie ermöglicht
die innere Grenzmembran zu visualisieren. Dadurch ist das Entfernen der ILM
für den Operateur erheblich leichter und für den Patienten sicherer geworden
[11,26,49].
Indozyaningrün (ICG)
ICG färbt die ILM selektiv an. Es ergaben sich jedoch zahlreiche Hinweise,
dass ICG-retinotoxisch sein könnte. Nach ICG-assistiertem Peeling der inneren
Grenzmembran wurden u. a. Gesichtsfelddefekte, Visusminderungen und
Optikusatrophien beobachtet [23,49]. Daher wurde die ILM-Kontrastierung mit
ICG weitgehend verlassen.
Brilliantblau
Seit einiger Zeit steht mit dem intravitrealen Farbstoff Brilliantblau eine
Alternative zu ICG zur Verfügung.
Bei der Makulaforamenchirurgie und der Vitrektomie der epiretinalen Gliose
wird Brilliantblau in der Konzentration 0,25 mg/ml verwendet und weist dabei
bisher keine toxischen Eigenschaften auf [49].
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Brilliantblau färbt die ILM ausreichend selektiv an, wenn auch weniger stark
verglichen mit ICG. Ziel sollte es immer sein so wenig intravitrealen Farbstoff
wie möglich zu verwenden, denn jeder Farbstoff könnte theoretisch
dosisabhängig derzeit noch unbekannte retinale Schädigungen verursachen
[23,49]. Die Verschlußrate bei großen Makulaforamina (>400µm) ist deutlich
geringer (ca. 80%). Durch eine Modifikation der operativen Technik läßt sich
auch bei großen Foramina die Verschlußrate erhöhen. Hierbei wird die ILM
nicht vollständig entfernt, sondern über eine Gewebebrücke am Foramenrand
mit der vitrealen Seite in das Foramen positioniert (Invertierte ILM-Flap
Technik). Dadurch erreicht man Verschlußraten von >95% auch bei großen
prognostisch ungünstigen Foramina [39].
Abb. 3 a, b: Patient mit Makulaforamen Grad IV: Präoperativ (a, oben) Visus = 0,3.
Postoperativ (b, unten) Visus = 1,0
Mit der Zulassung von Ocriplasmin (Jetrea®) ist auch eine pharmakologische
Therapie des Makulaforamens möglich: Die Indikation zur pharmakologischen
Vitreolyse besteht für Makulaforamina < 400 µm mit vitreomakulärer Traktion
(VMT). Das Ziel ist eine simultane GK-Verflüssigung und GK-Abhebung mit
Lösung der VMA. In den Phase 3 Studien zeigte sich bei 40,6% ein Verschluss
des MF nach Ocriplasmin (Jetrea®) [61]. (Siehe Kapitel Pharmakologische
Vitreolyse.)
7.2.2
Makulaschichtforamen und Pseudoforamen
Das Makulaschichtforamen (engl. Lamellar Hole, LH) ist charakterisiert durch
eine dünne irreguläre Fovea, eine Unterbrechung der inneren Foveakontur
ohne dass ein durchgreifender fovealer Defekt vorliegt, sowie eine Zunahme
der zentralen Makuladicke [44], (Abb. 4a).
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Die Pathogenese des Makulaschichtforamens ist unklar, meist wenn nicht
immer ist eine ERM vorhanden.
Der Mechanismus der Entstehung eines Makulaschichtforamens ist vermutlich
ähnlich wie bei einem Pseudoforamen [44].
Allerdings besteht beim Pseudoforamen eine normale zentrale Makuladicke
und es sind keine zystischen Räume oder Dehiszenzen zwischen inneren und
äußeren Netzhautschichten sichtbar [44], (Abb. 5).
Beim Makulaschichtforamen zeigen sich in der Regel intakte foveale
Photorezeptoren. Klinisch bleibt meist eine relativ gute Sehschärfe erhalten,
eine Operation ist jedoch indiziert, wenn der Visus und die Metamorphopsien
sich im Verlauf verschlechtern. Das epiretinale Gewebe beim
Makulaschichtforamen (MSF) unterscheidet sich von einer ERM wie etwa beim
Pseudoforamen [7]. Man findet beim Makulaschichtforamen oft ein Gewebe,
das als Lamellar Hole associated Epiretinal Proliferation (LHEP) bezeichnet
wird. Dieses Gewebe scheint kaum kontraktilen Eigenschaften zu haben und
es findet sich anders als im Bereich einer konventionellen ERM keine retinalen
Falten [7].
Da die postoperative Visusprognose beim MSF weniger aussichtsreich ist als
beim Pseudoforamen, sollte man insbesondere bei noch intakten
Außenschichten im OCT zuwarten.
Abb. 4a: MultiColor-SD-OCT, Patient mit Makulaschichtforamen: epiretinale Membran,
fovealer nicht durchgreifender Defekt, intraretinale Zysten, intakte Photorezeptorenschicht
Abb. 4b: SD-OCT bei Makulaschichtforamen mit Lamellar Hole associated Epiretinal
Proliferation (LHEP), nicht durchgreifender fovealer Defekt, veränderte Reflektivität der
fovealen Netzhautaußenschichten (Visus 0,3)
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Abb. 5: MultiColor-SD-OCT, Patient mit Pseudoforamen: epiretinale Membran, fovealer
nicht durchgreifender Defekt, steile foveale Kontur, keine intraretinalen Zysten
7.2.3
Epiretinale Gliose [69]
Fibrozelluläre epiretinale Membranen im Bereich
idiopathisch, sekundär Trauma, NH- Defekte usw.)
der
Makula
(meist
Histologie: Fibroblasten, Myofibroblasten, RPE- Zellen, Astrozyten, Makrophagen, Kollagen
•
•
•
7.2.3.1
•
•
•
Frauen häufiger betroffen
20% bilateral
über 50- jährige: ca. 6 % betroffen
Einteilung der Epiretinalen Membranen (ERM) nach Gass [21]:
Grad 0: Zellophan-Makulopathie
Grad 1: faltige Zellophan-Makulopathie („surface wrinkling“)
Grad 2: Macular Pucker
Kontraktile Filamente epiretinaler fibrozellulärer Proliferationen sind für die
Ausbildung von Netzhautfalten verantwortlich [21,49].
7.2.3.2 Symptome und Morphologie
Die epiretinale Gliose zeigt eine hohe klinische Variabilität. Subjektive
Beschwerden und klinischer Befund werden durch Unterschiede in Ausmaß
und Konstellation der epiretinalen Membranen bestimmt.
Die „Zellophan-Makulopathie“ ist oft ein asymptomatischer Zufallsbefund, da
die epiretinale Zellproliferation noch dünn und transparent ist und
Netzhautfalten fehlen. Biomikroskopisch zeigt sich ein glitzernder Reflex an der
vitreoretinalen Grenzfläche.
Durch Zunahme der fibrozellulären Proliferationen, die Zellen mit kontraktilen
Eigenschaften aufweisen entstehen Falten in der inneren Grenzmembran und
den darunterliegenden Netzhautschichten [21,49,69], (Abb. 6). Je
ausgeprägter die Netzhautfalten sind, desto mehr fühlen sich die Patienten
durch Verzerrtsehen beeinträchtigt.
Biomikroskopisch zeigt sich ein grau – weiß imponierendes, epiretinales
Gewebe, das oft exzentrisch gelegen ist und tangentiale Traktion auf die
Makula ausübt. Verstärkt sich die Traktion, kann der sog. „Makular Pucker“
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entstehen, bei dem die Netzhautschichten zum Epizentrum der Membran hin
verzogen sind. Außerdem können Tortuositas vasorum, Makulaödem,
umschriebene
Blutungen
sowie
CottonWoolSpot
ähnliche
Netzhautverdichtungen auftreten [49].
Zusätzlich kann sich klinisch ein runder, dunkelroter Reflex der Fovea zeigen,
der einem durchgreifenden Makulaforamen ähnelt und als „Pseudoforamen“
bezeichnet wird. (hier Watzke- Allen- Test regelrecht)
7.2.3.3 Diagnostik
• biomikroskopische Untersuchung vorrangig SD- OCT
• evtl. FLA zum Abschluss weiterer retinaler Pathologien wie CNV oder
Makulaischämie infolge eines retinalen Gefäßverschlusses
Abb. 6: Multicolor-SD-OCT: Patient mit epiretinaler Gliose (faltige Zellophan-Makulopathie):
Visus 0,6, Metamorphopsien
7.2.3.4 Therapie
Die Indikation zur Vitrektomie ist dann zu stellen, wenn sich der Patient durch
Visusminderung oder Metamorphopsien deutlich beeinträchtigt fühlt.
Liegt eine epiretinale Membran ohne subjektive Beeinträchtigung vor, kann der
Verlauf abgewartet werden, denn die Progression der epiretinalen Gliose ist
wie ihre Ausprägung und Lokalisation sehr variabel [21,49,69].
Die Therapie besteht in einer Pars plana Vitrektomie mit Entfernung aller
ERM’S. Dies ist meist nur in Verbindung mit der Entfernung der ILM möglich.
In einer aktuellen Studie zeigten alle Patienten nach Entfernung epiretinaler
Membranen und erneuter Anfärbung mit Brilliant blue noch Reste der ILM [5].
Das ILM-Peeling garantiert die Entfernung aller epiretinalen Gewebeschichten
und beugt darüber hinaus auch der zellulären Reproliferation vor [23,49].
Die Visusrehabilitation kann gerade bei länger bestehender epiretinaler Gliose
einige Monate bis zu über einem Jahr dauern.
Ein durch die Traktion vorbestehendes Makulaödem benötigt ebenfalls Zeit um
sich zu resorbieren. Bei wiederkehrender epiretinaler fibrozellulärer
Proliferation ist eine erneute Operation mit Peeling sinnvoll [49].
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7.2.4
Vitreomakuläres Traktionsyndrom (VMTS)
Das vitreomakuläre Traktionssyndrom (VMTS) wurde erstmals 1970 von
Reese et al. als seltene vitreomakuläre Erkrankung beschrieben und
histologisch bestätigt [47]. Das vitreomakuläre Traktionssyndrom ist
gekennzeichnet durch eine anormale partielle hintere Glaskörperabhebung
(AHGA) mit persistierender Glaskörperadhäsion an der Makula. Daraus
resultieren anterioposteriore und tangentiale Zugkräfte des Glaskörpers auf die
foveale und parafoveale Netzhaut [59]. Die Glaskörperadhäsion bedingt eine
Verdickung der Makula, ein Makulaödem und damit eine verminderte
Sehschärfe. Das VMTS unterscheidet sich vom Macular Pucker (MP) dadurch,
daß es keine so wellige Netzhautoberfläche zeigt, da eine axiale und keine
tangentiale Traktion vorliegt [59]. Die axiale Traktion kann so stark sein, dass
sie zur Abhebung der zentralen Netzhaut führt. Es zeigt sich ein zugbedingtes
Makulaödem mit z.T. sehr ausgeprägter Zuahme der zentralen Netzhautdicke.
Beim Vitreomakulären Traktionssyndrom (VMTS) ist der Gaskörper ohne
Spaltung adhärent, während beim MP meist eine Vitreoschisis die hintere
Glaskörperrinde abspaltet und die äußerste Schicht der Glaskörperrinde
weiterhin auf der Makula verbleibt [55,59]. Nach dem Ausmaß der Anheftung
werden eine fokale und eine breitbasige VMT unterschieden [59].
Moderne bildgebende Verfahren wie das hochauflösende Spectral Domain
OCT (SD-OCT) ermöglichen einen immer detaillierteren Einblick in die retinale
Mikrostruktur und den vitreoretinalen Übergang. Vitreomakuläre Adhärenzen
und Traktionen und deren Auswirkung auf die Netzhaut lassen sich damit
genau darstellen.
Es muss allerdings eine vorsichtige und exakte Unterscheidung zwischen
pathologischer (oder „symptomatischer“) vitreomakulärer Traktion (VMT) und
nicht pathologischer (oder „asymptomatischer“) VMA gemacht werden. Die
nicht pathologische „asymptomatische“ VMA, bei der eine persistierende
Anheftung des hinteren Glaskörpers an der Makula besteht, die dabei aber
keine funktionelle oder anatomische Beeinträchtigung bedingt, muß streng von
der symptomatischen VMT unterschieden werden [33,48,65]. Während eine
asymtomatische VMA beobachtet werden sollte, und kein Therapiebedarf
besteht, bedarf eine symptomatische VMT mit Visusminderung, Auftreten von
Metamorphopsien und Nachweis von strukturellen Netzhautveränderungen
einer therapeutischen Intervention. Nur wenn im SD-OCT sowohl die VMT als
auch eine strukturelle Veränderung der Netzhaut selbst sichtbar und mit
visuellen Symptomen korrelierbar sind, ist eine Indikationsstellung für eine
Intervention gegeben. Diese pathologische VMT wurde zeitweise auch als
symptomatische vitreomakuläre Adhäsion (s-VMA) bezeichnet [65], (Tab. 2).
Allerdings finden sich zahlreiche Variationen der vitreoretinalen Morphologie.
Die VMT kommt ohne und mit klinisch relevater epiretinaler Membran vor [10].
Eine auf hochauflösenden OCT-Volumenscans basierende dreidimensionale
Evaluation des vitreoretinalen Interface beim VMTS zeigte in etwa 50% der
Fälle zusätzlich epiretinale Membranen [29], Abb.7.
Abb. 7: SD-OCT: Patient VMTS und epiretinaler Gliose, Visus 0,2, Metamorphopsien
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7.2.4.1 Epidemiologie
Es gibt kaum epidemiologische Daten zum Thema. Das VMTS betrifft häufiger
Frauen als Männer. Die Patienten sind zumeist älter als 60 Jahre. Es kann eine
Spontanheilung eintreten, wenn es zu einer kompletten hinteren
Glaskörperabhebung kommt [59]. Das hochauflösende OCT ermöglicht eine
genauere Darstellung des vitreoretinalen Übergangs und struktureller
Netzhautveränderungen, dadurch kann eine VMT exakter und häufiger
nachgewiesen werden.
7.2.4.2 Symptome
Die Symptome des VMTS sind hauptsächlich eine Reduktion der zentralen
Sehschärfe mit weniger Metamorphopsien als bei Patienten mit Macular
Pucker (MP) [59]. Manchmal werden Mikropsie und Photopsien berichtet [60].
7.2.4.3
Diagnostik
Funduskopie:
Die binokulare stereoskopische biomikroskopische Diagnostik stellt meist eine
Herausforderung dar, besonders in Fällen bei denen die vitreoretinale
Anheftung breitbasig ist. Die Diagnose kann funduskopisch oft nur vermutet
werden. Das SD-OCT beschreibt die vitreoretinale Morphologie in Augen mit
VMTS am besten und kann zusätzliche epiretinale Membranen und das
Ausmaß des Makulaödems dokumentieren.
Optische Kohärenztomographie:
In den letzten Jahren hat sich durch den Einsatz der hochauflösenden
optischen Kohärenz- Tomographie (Spectral-domain-OCT, SD-OCT) die Rolle
der persistierenden vitreoretinalen Adhäsion (VMA) bei der Entstehung
zahlreicher Makulaerkrankungen wie z.B. bei dem idiopathischen
Makulaforamen, vitreomakulären Traktionsyndrom, Makulaödem, feuchte
Makuladegeneration (FAMD) mehr und mehr etabliert [30,33,35,59].
Die OCT-Untersuchung insbesondere mit einem hochauflösenden SpectralDomänen OCT (SD-OCT) hat sich als hilfreiches diagnostisches Instrument bei
klinischem Verdacht auf ein vitreomakuläres Traktionssyndrom erwiesen
[4,33]. Mit dem hochauflösenden SD-OCT lassen sich Glaskörperstrukturen,
der vitreoretinale Übergang, das Ausmaß der Traktion und die Mikrostruktur
aller Netzhautschichten sowie das retinale Pigmentepithel (RPE) und die
Choriokapillaris sehr anschaulich darstellen (Abb. 8). Das SD-OCT erlaubt
daneben eine präzise Verlaufskontrolle spezifischer Netzhautstellen.
Abb. 8: Patient VMTS mit breitbasiger vitreoretinaler Adhäsion Visus 0,4,
Metamorphopsien, links: SD-OCT, rechts: 3-D-Rekonstruktion der makulären Oberfläche.
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7.2.4.4 Verlauf
Auch wenn manchmal eine spontane Lösung der vitreomakulären Traktion
vorkommen kann, so zeigen die Symptome und die Zeichen der Erkrankung
meist eine Progression [16,24,33,48,59].
7.2.4.5 Therapie
Eine symptomatische vitreomakuläre Traktion (VMT) wurde bis vor kurzem
chirurgisch mittles transkonjunktivaler mikroinzisionaler Glaskörperchirurgie mit
Induktion einer hinteren Glaskörperabhebung, Entfernung aller epiretinalen
Membranen und der ILM behandelt. Mit mikroinzisionaler Vitrektomie und unter
Zuhilfenahme von Vitalfarbstoffen zur Anfärbung von präretinalem Gewebe
während der Vitrektomie, (d.h. mittels „Chromovitrektomie“) lassen sich die
dünnen transparenten Gewebeschichten am vitreoretinalen Interface (ILM,
ERM und hintere Glaskörpergrenzmembran) gut darstellen und operativ
entfernen [33,38,49,64].
Die symptomatische vitreomakuläre Adhäsion mit Traktion ist ein
Krankheitsbild, das durch die hochauflösende bildgebende Diagnostik
darstellbarer (Abb. 9), durch neue Vitrektomietechniken mit selektiven
Vitalfarbstoffen gut behandelbar ist und bei entsprechender Indikation
pharmakologisch noch weniger invasiv zu therapieren ist.
Abb. 9: Patient mit VMT, Visus 0,6, Metamorphopsien, vitreoretinale Traktion an der
Foveola und am Papillenrand, intraretinale Zysten, Unterbrechung der äußeren
Netzhautschichten
7.2.5
Myope, traktive Makulopathie
Dickenzunahme der Netzhaut des hinteren Pols bei hochmyopen Augen mit
hinteren Staphylom. (Häufigkeit > 16 dpt, > 29mm bis zu 34%) [42].
•
•
•
•
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Epiretinale Membranen
Retinoschisis (Foveaschisis, Makuloschisis), (Abb. 10)
Makulaschichtforamen, Makulaforamen
posteriore Netzhautablösung
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Abb. 10: Myope traktive Makulopathie mit Retinoschisis SD-OCT: Pathologische Myopie mit
posteriorer Ausbuchtung (Bulbuslänge 28,85 mm), ERM sowie Foveoschisis (Visus cc = 0,9)
7.2.6
•
•
7.2.6.1
Traktionsbedingtes Makulaödem bei Diabetes, RVV
vaskulären Retinopathien (Diabetes, RVV, Uveitis)
exsudative (neovaskuläre) AMD (N-AMD)
Diabetisches Makulaödem (DMÖ)
Die posteriore GK- Adhäsion spielt eine Rolle bei der Entwicklung eines DMÖ
bei Retinopathia diabetica (RD) [43] (Abb. 11). So zeigte sich eine strukturelle
Verbesserung des DMÖ nach spontaner HGA oder nach Vitrektomie [25,43].
Die HGA bei DMÖ war mit reduzierter zentraler Netzhautdicke verbunden
[13,45]. Es zeigte sich eine Verbesserung des DMÖ nach Vitrektomie bei
Patienten mit und ohne vitreoretinale Traktion [25]. In einer Studie bei
Patienten mit RD bestand mit DMÖ häufiger nämlich in 55% eine inkomplette
HGA vs. 22,4% ohne DMÖ [45].
Abb. 11: Multicolor-SD-OCT: Patient mit diabetischem Makulaödem und vitreomakulärer
Adhäsion, sowie verflüssigter prämakulärer Bursa
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7.2.6.2
Neovaskuläre altersabhängige Makuladegeneration (N-AMD) und
VMA
Eine VMA fand sich in zahlreichen Studien bei neovaskulärer AMD häufiger als
in Kontrollgruppen (Abb. 12). Eine VMA kann eine Anti- VEGF Therapie
negativ beeinflussen und eine Vitrektomie kann sich bei neovaskulärer AMD
postiv auswirken. Allerdings könnte theoretisch eine VMA auch Folge einer NAMD sein [30,31,35,40].
Abb. 12: Patient mit klassischer CNV und vitreomakulärer Adhäsion, links Spätphase der
Fluorescein-Angiographie, rechts SD-OCT
7.3
7.3.1
Pharmakologische Vitreolyse
Hintergrund
Die
pharmakologische
Vitreolyse
als
intravitreale
operative
Medikamenteneinbringung
stellt
eine
Möglichkeit
zur
Behandlung
persistierender vitreomakulärer Traktionen und damit assoziierter Pathologien
dar [17,48,52,58].
Die
pharmakologische
Behandlung
muss
sowohl
in
einer
Glaskörperverflüssigung als auch in einer Lösung der vitreoretinalen
Anheftungen bestehen, und dies muß synchron erfolgen. Es ist naheliegend,
dass der beste Weg diese Adhäsionen zu lösen ein molekularer Mechanismus
zu sein scheint und zwar pharmakologisch und nicht chirurgisch, da die
Adhäsion molekularer Natur ist [55,59].
Der Begriff „Pharmakologische Vitreolyse“ bezeichnet den Einsatz von
Wirkstoffen die eine Änderung des biochemischen und biophysikalischen
Status der Makromoleküle herbeiführen, die für die Glaskörperstruktur und die
vitreoretinale Adhäsion verantwortlich sind [17,54,56,59].
Ocriplasmin (Jetrea®) ist eine verkürzte Form der humanen Serin-Protease
Plasmin und hat proteolytische Aktivität gegen Fibronectin und Laminin, die
zwei Hauptkomponenten des vitreomakulären Überganges. Präklinische und
klinische
Studien
haben
gezeigt,
dass
Ocriplasmin
eine
Glaskörperverflüssigung und Glaskörperabhebung induzieren kann [9].
7.3.2
Zulassungsstudien
In den Phase 3 -Studien (MIVI- Trust Studien 006, 007) wurden 652 Augen
eingeschlossen. 464 wurden mit Ocriplasmin und 166 mit Placebo behandelt.
Es konnte durch die intravitreale Applikation von Ocriplasmin (125µg) zur
pharmakologischen Vitreolyse bei 26,5% der Patienten mit vitreomakulärer
Adhäsion eine Lösung der VMT im SD-OCT erzielt werden.
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Betrachtet man die kombinierten Daten der Phase 3-Studien (006 und 007) so
war die pharmakologische Vitreolyse mit Ocriplasmin bei symptomatischer
vitreomakulärer Adhäsion ohne epiretinale Membran (ERM) sehr viel
erfolgreicher (37,4% Lösung der VMA) als bei gleichzeitig bestehender ERM
(8,7% Lösung der VMA) [48]. Bei einer Ausdehnung der s-VMA von < 1500 µm
zeigte sich eine Lösung der s-VMA bei 34,7% der Patienten, bei breiter VMA >
1500 µm war dies nur bei 5,9% der Fall [61].
Die Studien zeigten daneben daß es bei Patienten mit durchgreifendem
Makulaforamen nach 28 Tagen in 40,6% zum Verschluß des Makulaforamens
kam. Allerdings zeigten auch 10,6% der Patienten in der Kontrollgruppe einen
Verschluß des Makulaforamens [61]. In der Subgruppe der kleinen
Makulaforamina (<250µm) wurde in 58,3 % der Patienten nach
pharmakologischer Vitreolyse ein Foramenverschluß erreicht.
Die Pharmakologische Vitreolyse ist bei einigen Patienten mit symptomatischer
vitreomakulärer Traktion und kleinen Makulaforamina erfolgreich und könnte
künftig bei einem breiten Spektrum von Makulopathien dem diabetischem
Makulaödem, neovaskulärer AMD usw. mit denen eine vitreomakuläre Traktion
assoziiert ist zum Einsatz kommen. Die pharmakologische Vitreolyse könnte
theoretisch künftig auch als prophylaktische Intervention bei Erkrankungen
eingesetzt werden, die Veränderungen an der vitreoretinalen Grenzfläche
zeigen und bei denen eine HGA wie z.B. beim DME mit einer besseren
Prognose einhergeht [33,34,48,58,59].
Basierend auf den Daten der Phase 3 Studien erlangte Ocriplasmin im Oktober
2012 die Zulassung der US Food and Drug Administration (FDA) für die
Behandlung der symptomatischen vitreomakulären Adhäsion (VMA). Daraufhin
erfolgte in den USA die Markteinführung von Ocriplasmin (Jetrea®,
ThromboGenics) im Januar 2013. In Europa wurde die Zulassungsempfehlung
der European Medicines Agency (EMA) für Ocriplasmin (Jetrea®) am 17.
Januar 2013 ausgesprochen, die Zulassung zur Behandlung einer
vitreomakulären Traktion und kleiner Makulaforamina (< 400µm) erfolgte im
März 2013. Die europäische Markteinführung von Ocriplasmin (Jetrea®)
erfolgte im Mai diesen Jahres [65]. Die empfohlene Dosis beträgt 125µg in 0,1
ml zur einmaligen intravitrealen Applikation am betroffenen Auge [65].
Die Vorteile der pharmakologischen Vitreolyse bestehen in der geringeren
Invasivität, d.h. weniger mit der Vitrektomie und der Anästhesie verbundenen
Komplikationen der Operation, der kürzeren Operationszeit und einer evtl.
geringeren Inzidenz einer Krankheitsprogression die einer chirurgischen
Intervention bedarf.
Die pharmakologische Vitreolyse wird allerdings in den meisten Fällen die
vitreoretinale Chirurgie nicht ersetzen, sondern sie als minimal invasives
pharmakologisches Zusatzinstrument bei der Therapie ergänzen.
7.3.3
Indikation zur therapeutischen intravitrealen Anwendung von
Ocriplasmin (Jetrea®) [65]
Die Zulassung der EMA für Ocriplasmin (Jetrea®) in Europa besteht zur
Behandlung
•
•
einer symptomatischen vitreomakulären Traktion (Abb. 13) und
kleiner Makulaforamina (< 400µm) mit VMT (Abb. 14)
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Abb. 13: Patient mit symptomatischer vitreomakulärer Traktion (VMT), links SD-OCT, rechts
3-D Rekonstruktion
Abb. 14: SD-OCT: Patient mit Makulaforamen Grad 2 und vitreomakulärer Traktion (VMT)
Die Pharmakologische Vitreolyse mit Ocriplasmin (Jetrea®) stellt eine
vielversprechende Neuentwicklung dar (Abb. 15 a, b).
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Abb. 15 a, b: SD-OCT: Pat. mit VMT am rechten Auge, Visus 0,4 (Cataracta incipiens),
Metamorphopsien (oben), b) 1 Monat nach intravitrealer Behandlung mit Ocriplasmin
®
(Jetrea ), VMT gelöst, Visus 0,6 (unten)
Die Pharmakologische Vitreolyse kann die Vitrektomie bei einigen Patienten
mit VMT mit und ohne Makulaforamen ersetzen und als minimal invasive
Behandlung die funktionelle Rehabilitation der Patienten beschleunigen.
7.3.4
Therapieoptionen bei VMT mit und ohne Makulaforamen
Patienten mit VMA sollten beobachtet werden. Bei VMT muss man die
Symptomatik der Patienten in die Entscheidung mit einbeziehen. Ist der Patient
asymptomatisch, so ist in der Regel eine Kontrolle mit SD-OCT nach 3
Monaten zu empfehlen. Während dieser Zeit sollte der Patient Selbstkontrollen
mit dem Amslernetz durchführen und sich bei Verschlechterung früher
vorstellen.
Es gibt kein einheitliches Visuskriterium bezüglich der Indikation zur
Intervention. In den klinischen Studien (MIVI 006 und 007) konnten Patienten
mit Visus 0,8 und geringer eingeschlossen werden [61]. Abwarten stellt in
vielen Fällen eine Option dar, da eine hohe Spontanlösungsrate (11-53%)
beschrieben wurde [10,32,36,37,62].
In einigen Fällen mit fokaler VMT ohne ERM mit und ohne Makulaforamen
(≤ 250µm) ist die pharmakologische Vitreolyse eine Behandlungsoption. Bei
entsprechend strenger Indikationsstellung zeigen eigene Untersuchungen in
einer kleineren Fallserie, dass bei fokaler VMT mit und ohne Makulaforamen
die Traktion bei bis zu 71% der Patienten im SD-OCT gelöst war. Bei den
Makulaforamina war trotz Lösung der VMT das Makulaforamen nur in 2 von 5
Fällen verschlossen. Die beiden verschlossenen Makulaforamina zeigten vor
der Behandlung eine Foramengrösse von < 250µm [36].
Alle offengebliebenen MF waren nach transkonjunktivaler ppV, ILM-Peeling
und Gastamponade verschlossen. Die ppV bleibt bei erfolgloser IVOM
natürlich als Behandlungsoption mit sehr guter Prognose insbesondere bei
kleinen Makulaforamina [37,50]. Die Ursache für die im Vergleich zu den
Phase 3 Studien (MIVI 6/7) deutlich höhere Quote der VMT-Lösung ist nach
unserer Auffassung in der strengen Indikationsstellung zu finden. Bei den MIVIStudien waren größere Traktionsflächen und eine begleitende epiretinale
Membran (ERM) nicht ausgeschlossen [36,37,61]. Die Verschlussrate der
Makulaforamina entspricht trotz der niedrigen Fallzahl der Rate in den
Zulassungsstudien.
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In den Phase-3-Studien wurde nach 6 Monaten eine Verbesserung der
Sehschärfe von mindestens 3 Zeilen bei 12,3% nach Ocriplasmin und 6,4%
nach Placebobehandlung beobachtet, dieser Unterschied war signifikant
(p<002) [61]. Eine funktionelle Verbesserung konnten wir bei unseren
Patienten bis 4 Monate nach der Behandlung mit Ocriplasmin nicht
beobachten. Trotz der hohen Rate gelöster VMT, zweier verschlossener
Makulaforamina und einer signifikanten Abnahme der zentralen Netzhautdicke
blieb der Visus im Vergleich zum Ausgangsvisus weitgehend unverändert. Eine
ausbleibende oder verzögerte funktionelle Verbesserung wurde auch von
anderen Autoren berichtet [22,32,36].
Retinale Veränderungen und die lange persistierende subretinale Flüssigkeit
(SRF) nach erfolgreicher Behandlung der VMT mit Jetrea® könnten eine
Ursache darstellen und müssen weiter untersucht werden [32,36]. Ein
zystoides Makulaödem (CMÖ) fand sich in den Phase-3-Studien bei 3,8%.
Ocriplasmin
könnte
eine
enzymatische
Modifikation
der
Interphotorezeptormatrix
und
damit
eine
Lockerung
des
Photorezeptorkomplexes verursachen [1,14,15,22,32,36,37,70].
Möglicherweise zeigt Ocriplasmin eine enzymatische Wirkung auf weitere
Strukturen in denen Laminin vorkommt (z.B. Interphotorezeptormatrix, Bruch
Membran, externe limitierende Membran, aüßere plexiforme Schicht usw.)
[1,14,15,22,32,36,37,70].
Günstige prognostische Faktoren für eine erfolgreiche Vitreolyse sind junge
Patienten mit fokaler VMT, die phak sind, eine kurze Anamnese mit
Symptomatik aufweisen und bei denen keine ERM nachzuweisen ist [28,37].
Die Vorhersagbarkeit des Behandlungseffektes von Ocriplasmin wird von
retinologischen Experten auf der Basis von SD-OCT Bildgebung nicht immer
übereinstimmend beurteilt [2,63].
Kurz vor der IVOM mit Jetrea® muss wegen des Spontanverlaufs eine SD-OCT
Untersuchung erfolgen. Präoperativ muss die periphere Netzhaut genau
untersucht werden, und es müssen periphere Degenerationen ausgeschlossen
werden. Auch bei pharmakologisch induzierter hinterer Glaskörperabhebung
mit Glaskörperverflüssigung besteht die Gefahr der Ausbildung von
Netzhautforamina mit konsekutiver Netzhautablösung. Sicherlich müssen
Patienten nach pharmakologischer Vitreolyse engmaschig und bei
entsprechender Symptomatik sofort kontrolliert werden [32,36,37].
Die Nachkontrolle muss eine Untersuchung der Netzhautperipherie in
medikamentöser Mydriasis beinhalten [65].
Eine Indikation für die pharmakologische Vitreolyse besteht bei fokaler
vitreomakulärer Traktion (VMT) (≤ 1500µm, ohne epiretinale Membran, ohne
Begleiterkrankung) und bei kleinem Makulaforamen (≤ 250µm) mit VMT und
ohne ERM [18, 37].
Es muss dringend darauf hingewiesen werden, daß im Einklang mit der
Stellungnahme der Fachgesellschaften (DOG, BVA und RG) und aufgrund
klinischer Ergebnisse, sowie möglicher Nebenwirkungen neben der fokalen
VMT (≤ 1500µm) ohne ERM nur kleine Makulaforamina (≤ 250µm) mit fokaler
VMT behandelt werden [28,36,37,65].
Auch bei dieser weniger invasiven Therapie ist eine Indikation sehr streng und
nur nach ausführlicher Aufklärung aller Risiken zu stellen, da zahlreiche
Fallbeschreibungen Hinweise auf eine Ocriplasmin assoziierte nicht immer nur
passagere Retinopathie geben [1,14,15,22,32,36,37,65,70].
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Eine und 4 Wochen nach pharmakologischer Vitreolyse sollten die Patienten in
Mydriasis untersucht werden. In den meisten Fällen löst sich die VMT oder
verschließt sich das MF nach 1 Woche. Sollte nach 4 Wochen kein
Behandlungserfolg eingetreten sein, so ist ein Erfolg sehr unwahrscheinlich. In
diesen Fällen sollte eine Vitrektomie erfolgen.
Die Therapieentscheidung für eine enzymatische Vitreolyse oder eine
Vitrektomie muss mit dem Patienten besprochen und erörtert werden und es
müssen Erfolgsaussichten und potentielle Nebenwirkungen der jeweiligen
Therapie genau dargelegt werden.
Eine mögliche Alternative zu Jetrea® könnte expandierendes Gas (SF6 oder
C3F8) als IVOM mit anschließender Kopftieflagerung darstellen. Es wurden in
mehreren Fallserien erste Ergebnisse berichtet, die einen erfolgreichen Einsatz
der „pneumatischen Vitreolyse“ bei Patienten mit VMT beschreiben [6,8,37,64].
Der Einsatz von C3F8 zeigte dabei bessere Ergebnisse als SF6 oder C2F6.
Die Behandlungsstrategie mit „pneumatische Vitreolyse“ würde eine
kostengünstige Alternative zu Jetrea® darstellen. Die Sicherheit und die
Effektivität dieser Methode muss allerdings noch in weiteren kontrollierten
Studien untersucht werden. Eine IVOM von Gas in den geformten Glaskörper
trägt natürlich auch das Risiko der Induktion von Netzhautforamina mit
konsekutiver Netzhautablösung.
Prospektive Studien sowie eine vergleichende Studie mit Jetrea® stehen noch
aus.
7.3.4.1 Vitreoretinale Chirurgie
Traktive Retinopathien so auch eine VMT ohne und mit Makulaforamen sind,
falls sie mit visuellen Symptomen (Visusminderung, Verschwommensehen,
Metamorphopsien usw.) assoziiert sind in der Regel behandlungsbedürftig.
Die Indikation zur Vitrektomie ist dann zu stellen, wenn sich der Patient durch
Visusminderung oder Metamorphopsien deutlich beeinträchtigt fühlt.
7.3.4.2 Chirurgische Technik
Die transkonjunktivale Pars plana Vitrektomie mit peeling der Internal limiting
membrane (ILM) ist eine sehr sichere Methode mit einem guten anatomischen
und funktionellen Ergebnis und seltenen operativen Komplikationen. Zahlreiche
klinische Studien konnten zeigen, dass die Entfernung der ILM die
Verschlussrate der Makulaforamina signifikant erhöht [37]. Daher ist dieses
Vorgehen die empfohlene chirurgische Strategie zur Behandlung
durchgreifender Makulaforamina. Eine großflächige Entfernung bis an die
Gefäßbögen ist zu empfehlen, da dadurch die tangentialen Zugkräfte am Rand
des MF entlastet werden. Dies führt zur besseren Annäherung der
Foramenränder und erleichtert den Foramenverschluss [18, 37].
Bei sehr großen Foramina wurde eine alternative Technik beschrieben, bei der
der ILM-Flap invertiert auf dem Makulaforamen zu liegen kommt, anstatt
komplett entfernt zu werden (Invertierte ILM-Flap Technik). Dieser Flap
bedeckt das Makulaforamen. Mit dieser Technik wurden Verschlussraten bis
zu 98% erzielt [39,41].
7.3.4.3 Postoperative Ergebnisse
Seit der standardmäßigen Entfernung der ILM werden postoperative
Verschlussraten zwischen 90 und 100% berichtet [37]. Trotz hoher (>90%)
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Verschlussraten korreliert der Foramenverschluss manchmal nicht mit der
Visusverbesserung. In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass die
Reintegration der Netzhautaussenschichten (insbesondere ELM, ellipsoide
Zone und Photorezeptoraußensegment) ein entscheidendes Kriterium für die
Visusentwicklung sind [37] (Abb. 3 a,b).
Im Rahmen einer Vitrektomie kann eine effektive Entfernung der Traktionen
mechanisch erreicht werden [23,26,37,49]. Allerdings wird eine Vitrektomie
aufgrund eines gewissen Risikoprofils (Kataraktinduktion bei phaken Patienten,
ggf. Netzhautrisse) meist erst bei deutlicher Visusreduktion durchgeführt. Mit
Hilfe einer einmaligen, intravitrealen operativen Medikamenteneingabe (IVOM)
von Jetrea® besteht bei strenger Indikationsstellung die Möglichkeit, risikoarm
bereits zu einem früheren Zeitpunkt einzugreifen.
Für alle anderen Patienten mit operationsbedürftiger idiopathischer traktiver
Retinopathie sollte eine minimal invasive transkonjunktivale trokargeführte ppV
durchgeführt werden. Diese Therapieindikation besteht auch bei den Patienten,
bei denen eine pharmakologische Vitreolyse nicht zur Lösung der VMT, bzw.
zum Verschluss des Makulaforamens geführt hat [26,32,37,65].
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in
the
human
vitreoretinal
interface.
Arch
Korrespondenzadresse des Autors:
Prof. Dr. Mathias Maier
Leitender Oberarzt und Stellvertretender Direktor
Augenklinik, Klinikum rechts der Isar
Technische Universität München
Ismaningerstraße 22
81675 München
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Seite 25
Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg
________________________________________________________________________________
8
Altersabhängige Makuladegeneration (AMD)
8.1
Grundlagen ................................................................................. 2
8.1.1
Einführung .................................................................................... 2
8.1.2
Klassifikation der AMD.................................................................. 2
8.2
Diagnostik und spezielle Ausprägungsformen der AMD ......... 3
8.2.1
Bildgebende Verfahren ................................................................. 3
8.2.2
OCT-Angiographie ........................................................................ 4
8.2.3
Korrelation SD-OCT mit histologischen Befunden ........................ 6
8.2.4
„Foveal Sparing“ bei trockener AMD ............................................. 7
8.2.5
Aderhaut und AMD ....................................................................... 9
8.2.6
Psychophysik und Struktur-Funktions-Korrelation....................... 10
8.3
Prophylaxe .................................................................................12
8.3.1
Nahrungsergänzungsmittel und AMD ......................................... 12
8.3.2
Ein Update zu AREDS2-Supplementen und diesbezüglichen
genetischen Untersuchungen der AMD-Risikofaktoren ............... 14
8.4
Therapie bei neovaskulärer AMD .............................................16
8.4.1
Behandlungsregime „Treat and Extend“ ..................................... 16
8.4.2
„Switch“ zwischen Anti-VEGF-Präparaten .................................. 18
8.4.3
Langzeitverläufe unter Anti-VEGF-Therapie ............................... 19
8.5
Therapieansätze bei geographischer Atrophie .......................20
8.5.1
Übersicht .................................................................................... 20
8.5.2
Visual cycle modulators .............................................................. 20
8.5.3
Komplementinhibition ................................................................. 21
8.6
Literatur ......................................................................................22
8
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Seite 1
Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg
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8.1
8.1.1
Grundlagen
Einführung
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist eine chronisch
progrediente, degenerative Netzhauterkrankung mit Beteiligung vor allem der
Makula, also dem Netzhautareal, das für die zentrale Sehschärfe und das
Farbensehen verantwortlich ist (Lim et al. 2012). Die Prävalenz der AMD
nimmt mit zunehmendem Lebensalter zu. Nach rezenten Hochrechnungen
sind in Deutschland etwa 4,5 Mio. Einwohner über 55 Jahren von AMD
betroffen (Weber et al. 2014). Die AMD ist die häufigste Ursache für Blindheit
im Sinne des Gesetzes jenseits des 55. Lebensjahrs in Industrieländern (Klein
et al. 2011).
Zu den Risikofaktoren für die AMD zählen erhöhtes Lebensalter, Rauchen und
Ernährungsgewohnheiten (zusammengefasst bei Schmitz-Valckenberg et al.
2014). So konnte ein direkter Zusammenhang zwischen Nikotinabusus und der
Entwicklung der Erkrankung mit einem beispielsweise 3,5fach erhöhten Risiko
aufgezeigt werden (Khan et al. 2006). Zu den zugrundeliegenden
Mechanismen, die zu einem erhöhten Risiko für die AMD aufgrund Rauchen
führen, zählen eine verminderte Bildung von Antioxidantien, die HypoxieInduktion, die Bildung von Sauerstoffradikalen und ein gestörter chorioidaler
Blutfluss. Hinweise auf eine Assoziation zwischen einem erhöhten AMD-Risiko
und Ernährungsgewohnheiten, insbesondere fettreiches Essen und
Übergewicht, liefern u. a. einige Studien, die einen protektiven Effekt von
Antioxidantien, Nüssen, Fisch und Omega-3-Fettsäuren nachweisen konnten
(AREDS1
und AREDS2). Mittlerweile
sind
mehrere
genetische
Polymorphismen identifiziert worden, die mit einem erhöhten AMD-Risiko
einhergehen (Weber et al. 2014). Betroffene Gene deuten u.a. auf einen
Einfluss des Komplementsystems (vor allem Komplementfaktor H), des
Lipidmetabolismus (LIPC), Umgestaltung der extrazellulären Matrix
(ARMS2/HtrA1) sowie der Angiogenese hin.
8.1.2
Klassifikation der AMD
Unter der Schirmherrschaft der ‚Beckman Initiative for Macular Research‘ hat
das ‚Classification Committe‘ im Jahr 2013 eine aktualisierte AMDKlassifikation erarbeitet, die auf funduskopischen Merkmalsausprägungen
beruht (Ferris et al. 2013). Dabei wurde auch der Terminus „druplet“ für Drusen
<63 µm Durchmesser eingeführt, die ohne weitere AMD-typischen
Veränderungen auftreten. Diese werden als eine Alterserscheinung ohne
Krankheitswert interpretiert, da sie praktisch kein Risiko für eine Progression
besitzen. Der Begriff „trockene AMD“ wird nur für trockene Spätstadien, d.h.
geographische Atrophie, genutzt.
Klinische AMD Klassifikation (Ferris et al. 2013)
Keine Altersveränderungen
Normale Altersveränderungen
Frühe AMD
Intermediäre AMD
Späte AMD
Seite 2
Keine Drusen, keine Pigmentirregularitäten
Nur Druplets (kleine Drusen ≤ 63 µm) und
keine Pigmentirregularitäten
Mittlere Drusen > 63 µm und ≤ 125 µm und
keine Pigmentirregularitäten
Große Drusen > 125 µm und/oder
Pigmentirregularitäten
Neovaskuläre AMD und/oder
geographische Atrophie
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Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg
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8.2
8.2.1
Diagnostik und spezielle Ausprägungsformen der AMD
Bildgebende Verfahren
In den letzten Jahren konnten mit der Weiterentwicklung retinaler bildgebender
Verfahren wesentliche Fortschritte bei der Diagnostik von MakulaErkrankungen erzielt werden. Nicht-invasive Verfahren, wie die
Fundusautofluoreszenz (FAF) und die hochauflösende Spectral-domain
optische Kohärenztomographie (SD-OCT) nehmen dabei einen hohen
Stellenwert ein. Die FAF eignet sich insbesondere zur Diagnostik und
Verlaufsbeobachtung der trockenen Spätform der AMD, der ‚geographischen
Atrophie’ (GA). Die SD-OCT hat mit dem Durchbruch der Anti-VEGF (Vascular
Endothelial Growth Factor)-Therapie zur Behandlung der choroidalen
Neovaskularisation (CNV) bei neovaskulärer AMD erheblich an Bedeutung
gewonnen. So ist diese - neben der Angiographie als ‚Goldstandard‘ - ein
wesentlicher Pfeiler der Indikationsstellung zur Primärtherapie. Zur frühzeitigen
Erfassung einer Restaktivität oder erneuten Aktivität der CNV nach initialer
Therapie stellt die SD-OCT mittlerweile das Verfahren der ersten Wahl dar. Sie
ermöglicht dabei eine sichere Lokalisation und Vergleichbarkeit der
morphologischen Merkmale im Verlauf.
Abb. 1: Charakteristischer SD-OCT Befund bei intermediärer AMD
Abb. 2: Geographische Atrophie in der SD-OCT und Fundusautofluoreszenz
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Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg
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Abb. 3: Charakteristische Befunde in der SD-OCT und Fluoreszein-Angiographie bei
neovaskulärer AMD
Zur Verlaufskontrolle und zur Beurteilung der Aktivität der CNV nimmt die SDOCT nach einer funktionellen und klinisch-ophthalmoskopischen Untersuchung
die zentrale Rolle ein. Neben einer neuen sub- oder intraretinalen Blutung und
einem Visusabfall dienen besonders folgende SD-OCT-Befunde als wichtige
Wiederbehandlungskriterien (Stellungnahme von DOG, Retinologischer
Gesellschaft und BVA November 2014. Die Anti-VEGF-Therapie bei der
neovaskulären AMD: Therapeutische Strategien):
8.2.2
•
subretinale Flüssigkeit
•
persistierende oder erneute diffuse Netzhautverdickung
•
Zunahme intraretinaler zystoider Flüssigkeitsräume
•
Zunahme einer Pigmentepithelabhebung
OCT-Angiographie
Die neue Technik der OCT-Angiographie (OCT-A) ermöglicht eine hochauflösende, dreidimensionale Visualisierung der gesamten vaskulären Strukturen
von Netzhaut und Aderhaut. Vorteile der neuen Methode sind eine wesentlich
kürzere Untersuchungszeit im Vergleich zu Fluoreszein- und IndocyaningrünAngiographie. Die Untersuchung kann ohne Mydriasis erfolgen und aufgrund
ihrer Nicht-Invasivität bedenkenlos wiederholt werden.
Die OCT-A basiert auf der Detektion und Analyse des Reflexionsverhaltens
von Bewegung in einem statischen Umfeld. Durch den Vergleich zweier oder
mehrerer hintereinander aufgenommener B-Scans der gleichen Position kann
über einen softwarebasierten Bildverarbeitungsschritt ein Bewegungskontrast
zwischen dem sich bewegenden endoluminalen Blutfluss und dem statischen
Umgebungsgewebe dargestellt werden. D. h. die retinale und choroidale Blutzirkulation dient als intrinsisches Kontrastmittel und ermöglicht eine nichtinvasive Angiographie. Anders als bei der Fluoreszenzangiographie sind jedoch kein Einstromverhalten, kein Pooling, kein Staining und keine Leckage zu
detektieren. Da parallel noch SD-OCT-Scans zur Verfügung stehen, sind
sowohl Perfusionsanalysen als auch morphologische Analysen in einem
Aufnahmevorgang möglich.
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Abb. 4: A Mehrere B-Scans der gleichen Position werden über einen softwarebasierten
Bildverarbeitungsschritt miteinander verglichen, um Bewegungskontrast darzustellen. B
Durch Alignierung und Segmentierung der resultierenden Scans entsteht eine En-faceDarstellung mit Visualisierung der retinalen Mikrozirkulation. C Vergrößerung des zentralen
Bereiches (rot in B). Choi et al. PloS One 2013;8:e81499.
Aufgrund der sehr guten vertikalen Auflösung der OCT-Bilder können die
Gefäße der unterschiedlichen anatomischen Schichten genau rekonstruiert
werden, z. B. können der oberflächlichere und der tiefere Kapillarplexus der
Retina getrennt dargestellt werden – derzeit vier Schichten. Auch differentielle
Effekte der Gefäße wie bei der diabetischen Retinopathie oder retinalen
Venenverschlüssen können erstmals erkannt werden. Bei makulären
Teleangiektasien (Typ 2) ist es bspw. möglich, Gefäßveränderungen im tiefen
retinalen Kapillarnetz sehr genau und stadienabhängig progredient zu
visualisieren (Pauleikhoff et al. 2015; Spaide et al. 2015; Choi et al. 2013).
Limitationen der neuen Methode sind Bewegungsartefakte, Überlagerungen
sowie Segmentierungsschwierigkeiten. Zur Zeit kann die Retina nur in einem
begrenzten Aussschnit dargestellt werden.
Erste OCT-A-Befunde zeigen, dass eine Differenzierung verschiedener CNVTypen (spezifisch von Typ 1 (okkult), Typ 2 (klassisch) CNV, Typ 3 (RAP)) –
ähnlich der z.Zt. bei der Fluoreszein-Angiographie genutzten – ebenfalls
möglich ist. Zudem werden durch die dreidimensionalen OCT-A-Bilder neue
Kenntnisse über die Gefäßpathologien erlangt (Pauleikhoff et al. 2015).
Gleichzeitig lassen sich auch neovaskuläre Netzwerke in Augen von Patienten
mit AMD mittels OCT-A darstellen, bei denen herkömmliche Untersuchungsverfahren die diagnostischen Kriterien für NVs nicht erfüllen. Man spricht auch
von sog. „stillen“ („quiescent“) NVs konnten, welche nicht mit exsudativen
Zeichen einhergehen. Aktuell ist noch unbekannt, welche therapeutischen
Konsequenzen sich aus einer nur mittels OCT-A darstellbaren NV ergeben
sollten. Die Möglichkeit einer „präventiven“ Behandlung mit VEGF-Hemmern
wird für den Fall diskutiert, dass diese „stillen“ Läsionen über die Zeit an Größe
zunehmen.
Ein weiteres Einsatzfeld der OCT-A besteht in der Differenzialdiagnostik von
subretinalem hypereflektivem Material (SHM), hinter dem sich Typ-II-NVs,
disziforme Narben, Blutungen, aber auch vitelliforme Läsionen und subretinale
hyperreflektive Exsudationen verbergen können.
Zur Befundung des OCT-Angiogramms sollten Aufnahme- oder Bildprozessierungs-bedingte Artefakte richtig erkannt werden. In Bezug auf die AMD
ist hierbei bspw. das artifizielle Flusssignal, das sich am Rande von Drusen
ergeben kann, von Bedeutung.
In der klinischen Routine wird die OCT-A voraussichtlich einen bedeutenden
Stellenwert in der Diagnose sowie im Therapiemonitoring neovaskulärer/vaskulärer Veränderungen finden.
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Altersabhängige Makuladegeneration Frank G. Holz, Monika Fleckenstein, Steffen Schmitz-Valckenberg
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8.2.3
Korrelation SD-OCT mit histologischen Befunden
Das sog. „onion-sign“ (Zwiebel-Zeichen) wurde von Mukkamala und
Mitarbeitern (Mukkamala et al. 2012) als ein SD-OCT-Befund im Rahmen der
AMD beschrieben. Dabei handelt es sich um aufgeschichtete hyperreflektive
Linien unterhalb des retinalen Pigmentepithels, die meist in Zusammenhang
mit chronischer Exsudation bei einem Teil der Patienten mit AMD detektiert
werden können.
Typischerweise gehen diese Läsionen mit einem intensiven Signal in der NahInfrarot Reflexions-Aufnahme einher. Bislang war nicht bekannt, wie häufig
dieses Zeichen in Augen mit exsudativer AMD anzutreffen ist und was das
histologische Korrelat dieser SD-OCT-Veränderung darstellt. Diskutiert wurden
u.a. präzipitierte Lipide, Kollagen, Fibrin, fibrovaskuläres Narbengewebe, Kalzifizierungen oder Cholesterin-Kristalle.
Nun konnte die Arbeitsgruppe um Curcio nachweisen, dass es sich bei dem
histologischen Korrelat um Cholesterin-Kristalle handelt (Pang et al. 2015). Der
Nachweis gelang, indem zwei Spenderaugen, in denen mittels multimodaler
Bildgebung ex vivo das „onion-sign“ nachgewiesen werden konnte,
histologisch aufgearbeitet wurden.
In dieser Arbeit wurde zudem untersucht, wie häufig dieses Zeichen bei
Patienten mit AMD auftritt. Hier zeigte sich, dass in nur 16 von 230 Augen
(7 %) von Patienten und in nur 2 von 40 (5 %) untersuchten Spenderaugen das
„onion-sign“ detektiert werden konnte. Im zeitlichen Verlauf zeigten sich
Fluktuationen in der Menge der geschichteten Linien in der SD-OCT; zudem
zeigte sich eine Assoziation mit intraretinalem hyperreflektiven Material, das
histologisch mit RPE- und Lipid-haltigen Zellen monozytären Ursprungs
korrelierte.
Abb. 5: Ex vivo SD-OCT-Abbildung und Photomikrograph mit histologischem Befund
„onion-sign“ einer 98-jährigen Frau mit neovaskulärer AMD (Färbung: Toluidinblau). Pang et
al., Ophthalmology. 2015 Aug 19.
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8.2.4
„Foveal Sparing“ bei trockener AMD
Als „foveal sparing“ bezeichnet man die vorübergehende Aussparung der
Fovea von degenerativen Prozessen im Bereich der äußeren Netzhaut.
Offensichtlich
existieren
lokale
Faktoren,
die
die
Fovea
vor
krankheitsassoziierten Veränderungen schützen, bzw. eine Verzögerung der
Degeneration und Dysunktion der zentralen Netzhaut bewirken.
Bei Patienten mit geographischer Atrophie (GA) infolge AMD wurde dieses
Phänomen bereits vor längerer Zeit beschrieben. Welche differentielle Kinetik
in der GA Progression der Entstehung und „Aufrechterhaltung“ der fovealen
Aussparung zugrunde liegt, war bislang allerdings nicht bekannt.
Abb. 6: „Foveal sparing“ bei geographischer Atrophie. A Fundusautofluoreszenz, B NahInfrarot Reflexion, C SD-OCT. Lindner et al., Ophthalmology. 2015;122:1356-65.
Lindner und Mitarbeiter konnten nun zeigen, dass sich Atrophie-Areale bei
Patienten mit „foveal sparing“ in Richtung Peripherie mit dem Faktor 2,8
schneller ausdehnen als in Richtung Zentrum (Lindner et al. 2015). In dieser
Studie wurden 47 Augen von 36 Patienten mit „foveal sparing“ bei GA über
einen durchschnittlichen Zeitraum von 25,2 ± 16,9 Monate mittels kombinierter
Analyse von Nah-Infrarot Reflexions- und Fundusautofluoreszenz-Aufnahmen
analysiert. Die Ergebnisse dieser Studie haben insofern hohe Relevanz, als sie
grundlegende Daten für die Planung zukünftiger Interventionsstudie, die auf
den Schutz der Fovea zielen, liefert.
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Abb. 7: Vermessung der geographischen Atrophie und der „foveal sparing“-Größe mittels
kombinierter Nah-Infrarot Reflexions und Fundusautofluoreszenz-Bildgebung (RegionFinder
Software, Heidelberg Engineering, Heidelberg). Lindner et al., Ophthalmology.
2015;122:1356-65.
In einer kürzlich veröffentlichten Studie von Steinberg und Mitarbeitern konnte
nun gezeigt werden, dass auch retikuläre Pseudodrusen die Fovea zunächst
„aussparen“ (Steinberg et al. 2015). Retikuläre Pseudodrusen werden als
Risikomerkmal für die Entstehung von AMD Spätstadien – so auch der
geographischen Atrophie – angesehen. Mit dieser Studie konnte an 52 Augen
von 46 Patienten demonstriert werden, dass retikuläre Pseudodrusen
typischerweise in Form eines inkompletten oder geschlossenen Rings – unter
Aussparung der Fovea – angeordnet sind. Im zeitlichen Verlauf entstanden
retikuläre Pseudodrusen nur in wenigen Augen direkt im Bereich der Fovea.
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Abb. 8: „Foveal sparing“ bei retikulären Pseusodrusen. Steinberg et al., Invest Ophthal Vis
Sci. 2015;56:4267-74.
8.2.5
Aderhaut und AMD
Die Rolle der Choroidea bei der AMD wird kontrovers diskutiert. Ob die
Degeneration der Choriokapillaris primär an der Pathogenese beteiligt ist oder
ob sie sekundär durch die Degeneration von Photorezeptoren des retinalen
Pigmentepithels und der Bruchschen Membran bedingt wird, ist noch unklar.
Auch ist der Einfluss von Anti-VEGF-Präparaten auf die Choroidea bei der
Behandlung der neovaskulären AMD unklar.
Mit der Weiterentwicklung der OCT ist es mittlerweile möglich, die Choroidea
zu visualisieren und deren Dicke zu quantifizieren.
Lindner und Mitarbeiter konnten kürzlich zeigen, dass Augen mit geographischer Atrophie eine signifikant dünnere Choroidea aufweisen als Augen von
Personen des gleichen Alters ohne pathologische Netzhautveränderungen
(subfoveale choroidale Dicke: 173,03 ± 90,22 vs. 253,95 ± 69,19 μm,
P < 0,001) (Lindner et al. 2015). Hier wurden 72 Augen von 72 Patienten mit
geographischer Atrophie (GA) bei AMD und 37 Augen von 37 gesunden
Kontrollpersonen mittels „enhanced depths imaging“ (EDI) SD-OCT-analysiert.
Interessanterweise zeigte sich in einer GA-Subgruppe, dem sog. „Trickling“Phänotyp auch im Vergleich zu den übrigen GA-Gruppen eine signifikant
dünnere Choroidea (114,67 ± 43,32 vs. 188,39 ± 93,26 μm, P = 0,002). Dieser
Phänotyp zeichnet sich zudem durch eine lobuläre Atrophie-Konfiguration und
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eine Assoziation mit kardiovaskulären Erkrankungen aus (Fleckenstein et al.
2014). Es wird spekuliert, dass die Pathogenese dieses GA-Subtyps von der
anderer Atrophien abweicht und dass hier tatsächlich eine primär vaskuläre
Komponente an der Entstehung des „Trickling“-Phänotyps beteiligt ist.
Abb. 9: Subfoveale choroidale Dicke bei Kontrollpersonen und Patienten mit geographischer Atrophie (mit und ohne „Trickling“-Phänotyp). Lindner et al. Invest Ophthalmol Vis
Sci. 2015;56:875-82.
In einer unlängst veröffentlichten Studie analysierte Razavi und Mitarbeiter
(Razavi et al. 2015) den Effekt der Anti-VEGF-Behandlung auf die Choroidea
mittels Swept-Source OCT. Insgesamt wurden die Augen von 41 Patienten mit
unilateraler naiver neovaskulärer AMD vor Beginn und im Verlauf der
Behandlung analysiert. Interessanterweise zeigte sich vor Beginn der
Behandlung eine signifikant dickere Choroidea in den Augen mit neovaskulärer
AMD im Vergleich zu den Partneraugen (P < 0,05). Unter der Behandlung kam
es zu einer signifikanten Reduktion der choroidalen Dicke in den Augen mit
neovaskulärer AMD, sowohl in den Bereichen unterhalb der CNV-Läsion als
auch unterhalb der Netzhaut ohne CNV. Im Vergleich zu den Partneraugen
zeigte sich in den behandelten Augen eine signifikant größere Variation der
choroidalen Dicke im zeitlichen Verlauf. Zudem wurde von den Autoren
berichtet, dass Augen mit einer größeren Reduktion der choroidalen Dicke
(≥ 29 μm, n = 11) einen signifikant höheren Visusanstieg zeigten im Vergleich
zu Augen mit geringerer Abnahme der choroidalen Dicke (n = 30; P = 0,02)
Die Ergebnisse dieser Studie lassen die Vermutung zu, dass die Anti-VEGFTherapie eine Reduktion der choroidalen Hyperpermeabilität bewirkt und somit
die Exsudation aus choroidalen Neovaskularisationen beeinflusst.
8.2.6
Psychophysik und Struktur-Funktions-Korrelation
Patienten mit AMD Frühstadien berichten häufig über Seheinschränkungen bei
schlechten Lichtverhältnissen. Unter optimaler Beleuchtung und kontrastreichen Bedingungen sind die Sehstörungen im Alltag häufig weniger relevant.
Das Ausmaß der Sehstörung kann u.a. anhand standardisierter Fragebögen,
die eine Beurteilung der Befindlichkeit des Patienten selbst erlaubt, gemessen
werden. Ein solcher Fragebogen ist der sog. „10-item Night Vision Questionnaire“ (NVQ-10).
Es konnte in der Vergangenheit gezeigt werden, dass das Ausmaß der
Sehstörungen bei geringer Beleuchtung mit einem erhöhten Risiko, eine AMDSpätform zu entwickeln, korrelierte (Ying et al. 2008; Ying et al. 2011).
Allerdings wurde bislang nicht untersucht, inwiefern die von Patienten
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berichteten Sehstörungen unter schlechten Lichtverhältnissen mit klinisch
messbaren Werten korrelieren.
In einer kürzlich veröffentlichten Studie von Wu und Mitarbeitern (Wu et al.
2015) wurde dieser Zusammenhang nun prospektiv an 100 Patienten mit
bilateraler intermediärer AMD untersucht. Bei den Patienten wurden die bestkorrigierte Sehschärfe (BCVA) und die Sehschärfe unter geringer Leuchtdichte
(sog. Low luminance visual acuity, LLVA) erhoben sowie mikroperimetrische
Untersuchungen durchgeführt. Das Befinden der Patienten wurde mittels NVQ10 erfasst.
Interessanterweise zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen den
Ergebnissen des NVQ-10 und der BCVA, der LLVA und mikroperimetrischen
Daten. Allerdings konnte eine signifikante Assoziation mit dem sog. „low
luminance deficit“ (LLD) nachgewiesen werden. Bei dem LLD handelt es sich
um die Differenz zwischen BCVA und LLVA und ist somit Ausdruck für die
Diskrepanz der Sehschärfe unter optimaler Beleuchtung und unter geringer
Leuchtdichte.
In einer weiteren Studie wurde von Flamendorf und Mitarbeitern (Flamendorf et
al. 2015) analysiert, ob ein Zusammenhang zwischen Dunkeladaptation und
okulären bzw. personenbezogenen Merkmalen besteht. Insgesamt wurde an
116 Patienten mit unterschiedlichen AMD-Ausprägungsformen die sog. „Rod
Intercept Time“ (RIT) erhoben. Mit diesem Testverfahren wird die Zeit
gemessen, die ein Patient benötig, um einen Stimulus einer bestimmten
Lichtintensität (5 x 10-3 cd/m2) zu erkennen, nachdem ein starker Lichtreiz (ein
Lichtblitz, der bei 5° im unteren visuelle Meridian zentriert wird und ein fokales
Bleaching von 82 % bewirkt) an der gleichen Stelle der Netzhaut gesetzt wurde
(AdaptDx dark adaptomoeter, MacuLogix, Hummelstown, PA).
Eine verlängerte RIT war signifikant assoziiert mit dem Schweregrad der AMD,
mit zunehmendem Alter, abnehmender BCVA, Pseudophakie und einer
Verringerung der subfovealen choroidalen Dicke. Patienten mit retikulären
Pseudodrusen wiesen eine signifikant längere RIT auf als Patienten ohne
retikuläre Pseudodrusen. Somit wird deutlich, dass dieses anatomische
Merkmal mit einer verzögerten Dunkeladaptation assoziiert ist.
Steinberg und Mitarbeiter konnten darüber hinaus zeigen, dass die StäbchenFunktion in Bereichen mit retikulären Pseudodrusen deutlich stärker
beeinträchtigt ist, als die Zapfenfunktion (Steinberg et al. 2015). In ihrer Arbeit
wurden 22 Augen von 18 Patienten mittels photopischer und skotopischer
Mikroperimetrie untersucht (MP-1S; Nidek Technologies). Innerhalb der
einzelnen Augen wurden Bereiche mit retikulären Pseudodrusen und Bereiche
ohne pathologische Befunde mittels simultaner konfokaler Scanning-LaserOphthalmoskopie und SD-OCT Bildgebung identifiziert. In allen Augen zeigte
sich eine relative und scharf begrenzte Reduktion der skotopischen Sensitivität
in Bereichen mit retikulären Pseudodrusen im Vergleich zu Bereichen ohne
retikuläre Pseudodrusen. Bzgl. der photopischen Sensitivität waren die
Unterschiede weniger ausgeprägt.
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8.3
8.3.1
Prophylaxe
Nahrungsergänzungsmittel und AMD
Seit langer Zeit wird die Nahrungssupplementierung mit Spurenelementen,
Antioxidantien und Vitaminen als Therapie von Frühformen der AMD diskutiert,
da für das Auge wichtige protektive Antioxidantien – makuläres Pigment (eine
Anreicherung von Lutein und Zeaxanthin), die Vitamine C, E, und Beta-Karotin
– nicht vom Menschen synthetisiert werden können, sondern mit der Nahrung
aufgenommen werden müssen (AREDS Reopt No. 8; Hogg and Chakravathy
2004; Rehak et al. 2008; Richer et al. 2004; AREDS2 2013; Chew et al. 2013;
Chew et al. 2014). Auch Mineralien wie Zink und Selen sowie die mehrfach
ungesättigte Omega-3-Fettsäure werden diskutiert. Die randomisierte,
placebokontrollierte (Age-Related Eye Disease Study) ARED-I-Studie
untersuchte über mehr als 6 Jahre bei 3.640 Patienten mit allen Stadien der
frühen AMD die Wirkung und Wirksamkeit eines Supplementationscocktails
aus 500 mg Vitamin C, 400 IE Vitamin E, 15 mg Beta-Karotin, 80 mg Zinkoxid
und 2 mg Kupferoxid.
AREDS 1
Kleine Drusen (< 63 μm)
„Keine AMD“
Drusengesamtfläche < 125 μm
Keine Pigmentveränderungen
Zweites Auge: wie erstes Auge
AREDS 2
Anwesenheit mindestens einer der folgenden Veränderungen:
„Frühe AMD“
• Kleine Drusen (< 63 μm) oder intermediäre Drusen (63-125 μm)
• Drusengesamtfläche ≥ 125 μm
• Pigmentepithelveränderungen, die mit AMD einhergehen, definiert
als mind. eine der folgenden Veränderungen im zentralen Feld
und/oder in den inneren Feldern:
- Depigmentierung
- Hyperpigmentierung ≥ 125 μm
- Hyperpigmentierung vorhanden und Depigmentierung zumindest
vermutet
Zweites Auge: wie erstes Auge oder AREDS 1
AREDS 3
Anwesenheit von mind. einer der folgenden Veränderungen:
„Intermediäre
AMD“
• große Drusen (> 125 μm)
• Weiche, unscharf begrenzte Drusen, Drusengröße ≥ 63 μm und
gesamtes Drusenareal ≥ 360 μm
• Weiche, scharf begrenzte Drusen, Drusengröße ≥ 63 μm und
gesamtes Drusenareal ≥ 656 μm
• Nicht-zentrale geographische Atrophie (außerhalb 500 μm Radius
um foveales Zentrum)
Zweites Auge: wie erstes Auge oder AREDS 1 oder 2
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AREDS 4
„Fortgeschrittene
AMD“
Fortgeschrittene AMD mit Anwesenheit von einer oder mehrerer der
folgenden Veränderungen:
• Zentrale geographische Atrophie mit zumindest fraglicher
Beteiligung des Zentrums der Makula (500 μm Radius um foveales
Zentrum)
• Nachweis einer neovaskulären AMD
- Fibrovaskuläre/seröse Pigmentepithelabhebung
- Seröse (oder hämorrhagische) Ablösung der neurosensorischen
Netzhaut
- Subretinale Blutung
- Subretinales fibröses Gewebe (oder Fibrin)
- Photokoagulation im Rahmen der AMD
oder: Sehschärfe < 20/32 aufgrund AMD
Tab. 1: Eingruppierung der Patienten in der ARED-Studie (anhand des Fundusbefunds und
der Sehschärfe). Die Klassifikation bezieht sich auf beide Augen. Nach Age-Related Eye
Disease Study Research Group. The Age-Related Eye Disease Study system for classifying
age-related macular degeneration from stereoscopic color fundus photographs: the AgeRelated Eye Disease Study Report Number 6. Am J Ophthalmol 2001;132:668-681.
Ziel der darauffolgenden ARED-II-Studie (2006-2012) war die Evaluation von
Risiken und Vorteilen auf die Entwicklung einer fortgeschrittenen AMD durch
Addition von Lutein (10 mg) + Zeaxanthin (2 mg) und/oder Docosahexaensäure (DHA) (350 mg) + Eicosapentaensäure (EPA) (650 mg) zur bereits
bestehenden AREDS-Rezeptur. Geklärt werden sollte weiterhin die
Fragestellung, ob eine Reduktion der Zinkdosis auf 25 mg sowie der Verzicht
auf Beta-Karotin vorteilhaft seien.
In Ihrer aktuellen Stellungnahme zu „Nahrungsergänzungsmittel bei altersabhängiger Makuladegeneration“ empfiehlt die Deutsche Ophthalmologische
Gesellschaft:
„Es existiert aktuell kein Nachweis, dass die „prophylaktische“ Einnahme von
Nahrungsergänzungsmitteln in der allgemeinen Bevölkerung das Risiko der
Entstehung von AMD reduzieren könnte (Evans et al. 2014). Die wesentliche
und uneingeschränkt gültige Empfehlung für AMD-Patienten und auch an die
allgemeine Bevölkerung bezüglich einer Prophylaxe ist, das Rauchen zu
unterlassen, das in vielen Studien als Hochrisikofaktor für eine AMD
identifiziert werden konnte.
Es bestehen Hinweise, dass eine hohe Zufuhr an Antioxidantien und Zink über
die Ernährung das Risiko der Entwicklung einer AMD reduzieren kann. In einer
Studie in Holland („Rotterdam-Studie“ (Vingerling et al. 1995)) wurden 5836
>55-jährige Probanden ohne AMD bei Baseline über einen mittleren Zeitraum
von 8 Jahren untersucht und anhand von Fragebögen ihre
Ernährungsgewohnheiten dokumentiert. Bei einer überdurchschnittlichen
Zufuhr von Vitamin C und E, β-Karotin und Zink zeigte sich eine
Risikoreduktion von 35% für die Entwicklung einer AMD (Van Leeuwen et al.
2005). Als allgemeine Empfehlung kann daher auch eine ausgewogene
Ernährung entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für
Ernährung (www.dge.de) ausgesprochen werden.
Auf Grundlage der großen, randomisierten und kontrollierten ARED-Studien zu
Nahrungsergänzungsmitteln bei AMD können AMD-Patienten mit morphologischen Veränderungen der AREDS-Kategorien 3 und 4 von der Einnahme
einer Kombination von Nahrungsergänzungsmitteln (Vitamin C 500 mg,
Vitamin E 400 IE, Zink 80 mg, Kupfer 2 mg, β-Karotin 15 mg) bezüglich einer
Verzögerung der Krankheitsprogression (Übergang in eine AMD-Spätform)
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profitieren. Dabei sprechen die ARED2-Daten dafür, dass β-Karotin durch
Lutein 10 mg/Zeaxanthin 2 mg ersetzt und die Zinkdosis auf 25 mg reduziert
werden können. Für andere Dosierungen wurde eine Wirksamkeit bisher nicht
nachgewiesen (Evans et al. 2014; Grossklaus et al. 2009), weshalb deren
Einnahme nicht sinnvoll erscheint. Insbesondere Rauchern und ehemaligen
Rauchern sollte Lutein und Zeaxanthin anstelle von β-Karotin empfohlen
werden Präparate, die sowohl die ARED1- als auch die ARED2Studienergebnisse berücksichtigen, sind bereits im Handel. Tipp: AREDS3und -4-Patienten können von der Einnahme einer Kombination von
Nahrungsergänzungsmitteln profitieren.
Bei Vorliegen einer beidseitigen späten AMD kann die Einnahme von
Nahrungsergänzungsmitteln nicht empfohlen werden, da es für dieses
Patientenkollektiv bislang keine aussagekräftigen Untersuchungen gibt.
Obwohl frühere, kleinere Studien gezeigt haben, dass der Verzehr von Fisch
bzw. Nahrung reich an ungesättigten Omega-3-Fettsäuren das Risiko für die
AMD-Progression möglicherweise verlangsamt, liefern die ARED2-Daten mit
prospektivem Studiendesign keine Evidenz dafür, dass mit zusätzlicher
Einnahme der ungesättigten Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA)
und Eicosapentaensäure (EPA) eine Reduktion der Krankheitsprogression
erreicht werden kann, gleichwohl hier methodische Einschränkungen
bestehen. Cave: Einnahme der ungesättigten Omega-3-Fettsäuren
Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) reduzieren nicht
die Krankheitsprogression.“
8.3.2
Ein Update zu AREDS2-Supplementen und diesbezüglichen
genetischen Untersuchungen der AMD-Risikofaktoren
E. Chew publizierte kürzlich (Chew et al. 2015) eine Erläuterung zu den
Ergebnissen der ARED2-Studie und zu der mit diesen Ergebnissen im
Zusammenhang stehenden Forderung nach genetischen Untersuchungen bei
Risikopatienten.
Die AREDS Research Group veröffentlichte 2001 die Resultate der gleichnamigen Studie, in welcher festgestellt wurde, dass ein Supplementencocktail
bestehend aus Vitamin C (500 mg) und E (400 IE), Betakarotin (15 mg),
Zinkoxid (80 mg) und Kupferoxid (2 mg) das Risiko einer AMD-Progression zu
einem fortgeschrittenen Erkrankungsstadium in fünf Jahren um 25 % reduziert
(s.o.). Unbeantwortet blieb die Frage, ob auch durch die Einnahme von Lutein
und Zeaxanthin ein günstiger Einfluss auf den Krankheitsverlauf erzielt werden
kann. Die schützende Wirkung der beiden Karotinoide kann auf zweifache
Weise erfolgen: Zum einen binden beide Substanzen freie Radikale und
reduzieren auf diese Weise den oxidativen Stress, zum anderen absorbieren
sie energiereiche Wellenlängen im blauen Spektralbereich und verhindern so
photochemische Schäden (Krinsky et al. 2005). Jedoch waren Lutein und
Zeaxanthin 1992 – also zum Beginn der ARED1-Studie – kommerziell noch
nicht erhältlich. Beobachtungsdaten der ARED1-Studie sowie zahlreicher
anderer Studien weisen jedoch darauf hin, dass Menschen, die viel grünes
Blattgemüse wie diverse Kohlarten – insbesondere Grünkohl – oder Spinat
aßen, in Fall-Kontroll-Studien ein signifikant geringeres Risiko hatten,
Spätstadien einer AMD zu entwickeln (SanGiovanni et al. 2007; Seddon et al.
1994; Moeller et al. 2006; Tan et al. 2008).
In der ARED2-Studie (Chew et al. 2012) wurden diese Beobachtungsdaten zu
Lutein und Zeaxanthin sowie Beobachtungsdaten zu ungesättigten Omega-3Fettsäuren (Seddon et al. 2001; Augood et al. 2008; Swenor et al. 2010; San
Giovanni et al. 2008) überprüft. Die Ergebnisse dieser Studie lagen 2013 vor
(AREDS2) und es wird von der AREDS-Studiengruppe nun empfohlen, das
Betakarotin der ursprünglichen AREDS1-Rezeptur durch Lutein und
Zeaxanthin zu ersetzen.
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In der rezenten Veröffentlichung diskutiert Chew nun die zur Zeit gültigen
Supplement-Empfehlungen der AREDS-Gruppe, insbesondere im Hinblick auf
die von Awh et al. (Awh et al. 2013; Awh et al. 2015) gestellte Forderung,
Patienten vor Verschreibung der ARED-Supplemente einem Gentest auf AMDRisikofaktoren zu unterziehen.
Im Gegensatz zu Beobachtungsstudien konnten die Ergebnisse der ARED2Studie für ungesättigte Omega-3-Fettsäuren weder eine nützliche noch einen
schädliche Auswirkung belegen. Die Beobachtungsstudien (inklusive AREDS1)
fanden, dass die Probanden mit dem höchsten Fischverzehr im Vergleich zu
den Probanden mit dem niedrigsten Fischverzehr ein 40-50 % geringeres
AMD-Erkrankungsrisiko hatten. Könnte es also sein, dass die Dosierung von
Omega-3-Fettsäuren (DHA = 350 mg und EPA = 650 mg) in der ARED2-Studie
zu niedrig waren? Chew meint, dies wäre potentiell möglich, allerdings war die
Dosis von DHA und EPA vergleichbar zu der Dosierung, in der DHA/EPA in
kardiovaskulären Studien oder Demenz-Studien eingesetzt werden.
Zu der Frage, ob DHA und EPA denn bioverfügbar waren, führt Chew aus,
dass im Serum der AREDS2-Probanden, die Omega-3-Fettsäuren als
Supplement erhielten, die doppelte Menge von Omega-3-Fettsäurebestandteilen nachgewiesen werden konnte im Vergleich zu Probanden ohne
DHA/EPA-Gabe. Daher geht Chew auch davon aus, dass ausreichende
Mengen der Omega-3-Fettsäuren die Gewebe des Auges erreichten.
Omega-3-Fettsäuren wurden in vielen Studien zu einer großen Anzahl von
verschiedenen Erkrankungen evaluiert. So fand die erste GISSI Präventionsstudie zu kardiovaskulären Erkrankungen (Marchioli et al. 2002) zum Beispiel
einen Zusammenhang zwischen der Reduktion plötzlicher kardiovaskulärer
Todesfälle und der Einnahme ungesättigter Omega-3-Fettsäuren. Allerdings
konnten diese Ergebnisse in neueren klinischen Studien zu kardiovaskulären
Erkrankungen nicht bestätigt werden (Bosch et al.2012; Blacher et al. 2013;
Roncaglioni et al 2013). Eine Meta-Analyse (Rizos et al. 2012) zu
Ernährung/Supplementen und kardiovaskulären Erkrankungen konnte keinen
positiven Effekt der Omega-3-Fettsäuren bei kardiovaskulären Erkrankungen
entdecken. Übersichtsarbeiten zu anderen Erkrankungen kommen zu
ähnlichen Ergebnissen.
Ein direkter Vergleich der AREDS2-Probandengruppen mit Lutein/Zeaxanthin
vs. Beta-Karotin zeigte, dass Lutein/Zeaxanthin-Gabe das AMD-Risiko und
insbesondere das Risiko eine neovaskuläre AMD zu entwickeln, um 10-30 %
senkte. Allerdings ist noch wichtiger, dass vorherige Studien gezeigt hatten,
dass Beta-Karotin bei Rauchern das Lungenkrebs-Risiko erhöhte. In der
ARED2-Studie wurden Raucher nicht in den Beta-Karotin-Arm randomisiert
und trotzdem fand sich bei den Probanden des Beta-Karotin-Arms ein doppelt
so hohes Risiko Lungenkrebs zu entwickeln als im Lutein/Zeaxanthin-Arm.
Mehr als 90 % der betroffenen Probanden waren Ex-Raucher. Bekannt ist,
dass eine große Prozentzahl aller AMD-Patienten Raucher oder Ex-Raucher
sind. Die Schwere dieser Evidenz rechtfertigt die Substitution von Beta-Karotin
durch Lutein und Zeaxanthin in der neuen AREDS2-Rezeptur.
Basierend auf den Ergebnissen der ARED2-Studie, empfiehlt die Arbeitsgruppe, dass Patienten mit intermediärer AMD (bilaterale große Drusen) oder
mit einer fortgeschrittenen AMD in einem Auge die AREDS2-Rezeptur
verschrieben wird.
Chew weist aber auch noch einmal darauf hin, dass Beobachtungsstudien klar
indizieren, dass ein möglichster hoher Bestandteil von Fisch in der
Nahrung ebenfalls einen positiven Effekt zu haben scheint. Obwohl dieser
Effekt in neueren klinischen Studien nicht nachgewiesen werden konnte, wird
Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen weiterhin empfohlen,
mindestens zweimal pro Woche Fisch zu essen. Chew möchte für alle
AMD-Risikopatienten die gleiche Empfehlung aussprechen und fügt noch
hinzu, dass zudem viel grünes Blattgemüse gegessen werden sollte.
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Sind Gentests notwendig bevor die AREDS-Supplemente verschrieben
werden?
Awh et al. führten eine retrospektive Datenanalyse einer AREDS-Subgruppe
durch, i.e. Patienten mit CFH- und ARMS2-Polymorphismen (Awh et al. 2013;
Chew et al. 2014). Sie folgerten aus ihrer Datenanalyse, dass das Zink und
Zink in Verbindung mit antioxidativen Vitaminen bei Menschen mit zwei CFHRisikoallelen zu einer schnelleren Entwicklung einer fortgeschrittenen AMD
führen könne.
Im Gegensatz zu Awh et al. hatten die Mitarbeiter der AREDS-Gruppe keinen
signifikanten Einfluss der AREDS-Supplemente auf einen bestimmten Genotyp
gefunden (Chew et al. 2014). Zudem untersuchten die AREDS-Mitarbeiter eine
weitere Gruppe von AREDS-Probanden, die nicht der von Awh et al.
untersuchten Gruppe angehörten und konnten die Resultate von Awh et al.
nicht replizieren (Chew et al. 2015). Ein positiver Effekt der AREDSSupplemente wurde von der Arbeitsgruppe für alle genetischen Subgruppen
festgestellt.
Der Feststellung, dass Menschen mit intermediärer bzw. fortgeschrittener AMD
in einem Auge – unabhängig von ihrem Genotyp – die AREDS2-Supplemente
einnehmen sollten, schlossen sich auch Wittes und Musch in einem Editorial in
Ophthalmology an (Wittes et al. 2015). Genetische Tests vor Verschreibung
der AREDS-Supplemente sind laut AREDS-Mitarbeitern sowie Wittes und
Much unnötig, da der Genotyp keinen Einfluss auf die Therapie mit den
AREDS-Supplementen
habe.
Bestimmungen
der
genetischen
Prädisposition sollten zur Zeit nur der Forschung und klinischen Studien
vorbehalten sein.
8.4
8.4.1
Therapie bei neovaskulärer AMD
Behandlungsregime „Treat and Extend“
Das „Treat-and-Extend“ Behandlungsregime wird auch international immer
häufiger durchgeführt, mit dem Ziel, Besuchs- und Behandlungs-Intervalle zu
verlängern, sofern sich die AMD-Krankheitsaktivität infolge initialer monatlicher
Injektionen stabilisiert hat. Retrospektive Analysen und nicht-randomisierte
prospektive Studien zeigten in der Vergangenheit vielversprechende Ergebnisse (Toalster et al. 2013; Brown et al. 2009). Allerdings fehlte die
wissenschaftliche Evidenz randomisierter prospektiver klinischer Studien für
dieses Behandlungsregime.
Im September 2015 konnten die Ergebnisse einer Studie publiziert werden, die
die Evidenz von „Treat-and-Extend“ zur Behandlung der neovaskulären AMD
untermauern. Bei der sog. TREX-AMD-Studie (Wykoff et al. 2015) handelt es
sich um eine randomisierte prospektive multizenter Phase IIIb Studie, die das
„Treat-and-Extend“-Regime direkt mit einem monatlichen BehandlungsRegime vergleicht. Insgesamt wurden 60 Patienten 1:2 randomisiert (monatlich
Ranibizumab 0,5 mg: Treat-and Extend Ranibizumab 0,5 mg). Das „Treat-andExtend“-Protokoll beinhaltete eine initiale Phase von 3 intravitrealen Injektionen
im Abstand von je einem Monat. Ab diesem Zeitpunkt erfolgte die Verlängerung/Verkürzung der Behandlungs-/Kontrollintervalle zunächst um 2 Wochen
(min. 4 Wochen, max. 12 Wochen). Die Intervalle wurden verlängert sofern
keine Aktivitäts-Zeichen – basierend auf der OCT und dem funduskopischen
Befund – vorlagen. Bei Zeichen einer Aktivität erfolgte eine Verkürzung der
Intervalle. Wurde dann wieder ein inaktiver Zustand erzielt, so erfolgten
Verlängerung der Intervalle um nur eine Woche. Bei erneuter Aktivität wurde
das Intervall um eine Woche verkürzt.
Nach 12 Monaten hatte sich die Sehschärfe („best-corrected visual acuity“) um
9,1 bzw. 10,5 Buchstaben (ETDRS) im monatlichen bzw. „Treat-and-Extend“Arm verbessert (p = 0,60). Zugleich wurden im „Treat-and-Extend“-Arm im
Durchschnitt nur 10,1 (min. 7, max. 13) Injektionen verabreicht (vs. 13
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Injektionen im monatlichen Arm, p < 0,0001). Insgesamt konnten 18 % der
Patienten unter „Treat-and-Extend“ maximal extendiert werden wohingegen
10 % der Patienten bei jeder Visite Aktivitäts-Zeichen zeigten. Die durchschnittliche maximale Extension zwischen Injektionen nach den ersten drei
monatlichen Behandlungen lag bei 8,4 Wochen (min. 4, max. 12 Wochen).
Die TREX-AMD-Studie zeigt damit, dass im Vergleich zum monatlichen
Regime, das „Treat-and-Extend“-Regime nach 12 Monaten entsprechende
Visusergebnisse bei zugleich signifikant reduzierter Injektions- und VisitenFrequenz liefert. Diese Ergebnisse untermauern die Evidenz dieses Behandlungsschemas bei der neovaskulären AMD.
Vor der Veröffentlichung der TREX-AMD-Studiendaten lagen bereits die
Ergebnisse der sog. LUCAS (The Lucentis Compared to Avastin)-Studie vor
(Berg et al. 2015). Bei dieser Studie handelt es sich um die bislang größte
prospektive Studie mit „Treat-and-Extend“-Protokoll. In dieser Studie wurden
allerdings nicht zwei unterschiedliche Behandlungsregime, sondern die
Wirksamkeit und Sicherheit von Ranibizumab und Bevacizumab – beide
Medikamente verabreicht nach einem „Treat-and Extend“-Schema – zur
Behandlung der neovaskulären AMD verglichen.
Insgesamt konnten 441 Patienten in 10 Zentren in Norwegen zwischen März
2009 und Juli 2012 eingeschlossen werden; von diesen erreichten 371
Patienten die 1-Jahres-Visite.
Monatliche Injektionen wurden durchgeführt, bis eine „Inaktivität“ der Läsion
erzielt wurde. Die Beurteilung der „Inaktivität“ erfolgte dabei basierend auf der
OCT und der biomikroskopischen Fundus-Untersuchung. Lagen keine Zeichen
einer aktiven neovaskulären AMD vor, so wurde erneut injiziert und das
Intervall für die nächste Untersuchung und Behandlung wurde um zwei
Wochen verlängert bis zu einem maximalen Intervall von 12 Wochen. Lagen
Aktivitäts-Kriterien bei einer Untersuchung vor, so wurde das Intervall zur
nächsten Untersuchung und Behandlung um 2 Wochen verkürzt, bis wieder
eine inaktive Läsion vorlag. Die Verlängerung der Intervalle erfolgte dann
erneut um jeweils zwei Wochen. Um multiplen Rezidiven vorzubeugen, wurden
die Intervalle allerdings maximal bis zwei Wochen unterhalb der Periode, bei
der ein vorheriges Rezidiv aufgetreten war, verlängert.
Auch wenn in der LUCAS-Studie kein direkter Vergleich unterschiedlicher
Behandlungsregime erfolgte, so zeigen die Visusdaten in dieser prospektiven
Studie nach einem Jahr unter „Treat-and-Extend“ vergleichbar gute Ergebnisse
wie prospektive Studien mit monatlichem bzw. „pro-re-nata“ BehandlungsRegime. Diese Ergebnisse ließen sich unter dem „Treat-and-Extend“-Schema
allerdings mit deutlich weniger Patienten-Visiten erzielen.
In beiden Behandlungs-Armen konnten mit dem „Treat-and-Extend“-Regime
ein Visusanstieg und eine Abnahme der Netzhautdicke erzielt werden. Der
Visusgewinn lag im Durchschnitt bei 7,9 (Bevacizumab) und 8,2 (Ranibizumab)
ETDRS-Buchstaben und war nicht-signifikant unterschiedlich zwischen den
beiden Behandlungs-Armen (95 %-Konfidenzintervall [CI] der durchschnittlichen Differenz, -2,4 bis 2,9; p = 0,845). Auch zeigte sich kein signifikanter
Unterschied in der Änderung der Netzhautdicke (-112 μm für Bevacizumab und
-120 μm für Ranibizumab (95 % CI der durchschnittlichen Differenz, -13 bis 28;
p = 0,460). Die Anzahl der Injektionen war dabei im Ranibizumab-Arm (8,0)
signifikant geringer als im Bevacizumab-Arm (8,9) (P = 0,001).
Weitere, im Jahr 2015 veröffentlichte Studien unterstreichen die Wirksamkeit
von Anti-VEGF-Präparaten unter „Treat-and-Extend“-Regimen auch über einen
längeren Zeitraum (Arnold et al. 2015).
So konnten Arnold und Mitarbeiter – basierend auf den Daten des „Fight
Retinal Blindness“-Registers – zeigen, dass nach zwei Jahren mit „Treat-andExtend“-Regimen gute Visusergebnisse zu erzielen sind bei zugleich
reduzierter Untersuchungs- und Behandlungsfrequenz.
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In dieser Register-Studie wurden Daten von insgesamt 1.198 Augen von 1.011
Patienten (von Januar 2007 bis Dezember 2012) mit zu Beginn behandlungsnaiver neovaskulärer AMD ausgewertet, die 24 Monate mit Anti-VEGFPräparaten gemäß „Treat-and-Extend“-Regimen in der klinischen Routine
behandelt wurden. Der Visusanstieg lag im Durchschnitt bei 5,3 Buchstaben
und die durchschnittliche Injektions-Häufigkeit bei 13,0 nach 24 Monaten (7,5
Injektionen im ersten Jahr und 5,5 Injektionen im zweiten Jahr). Interessanterweise zeigten sich im Laufe der Studie bessere Visusergebnisse und eine
zunehmende Injektions-Frequenz mit den Jahren: So lag bei Patienten mit
Beginn der Behandlung im Jahre 2007 der durchschnittliche Visusanstieg bei
2,7 Buchstaben mit durchschnittlich 9,7 Injektionen in zwei Jahren; bei
Patienten, die hingegen erst am Ende der Registerstudie zwei Jahre Behandlung durchlaufen hatten, lag der durchschnittliche Visusgewinn bei 7,8
Buchstaben mit durchschnittlich 14,2 Injektionen in zwei Jahren. Diese
Beobachtung scheint dabei Änderungen in der klinischen Routine widerzuspiegeln, die möglicherweise durch die „Erhärtung“ von Aktivitäts-Kriterien zu
erklären ist. Zudem könnte der Fortschritt der OCT-Technologie – von der
Time-Domain-OCT hin zur Spectral-Domain-OCT mit höherer Auflösung und
somit erhöhter Sensitivität bzgl. Detektion OCT-basierter Aktivitäts-Kriterien –
zu dieser Änderung der Injektions-Häufigkeit geführt haben.
Eine weitere im Jahre 2015 veröffentlichte retrospektive Studie von Rayess
und Mitarbeitern liefert Ergebnisse bei neovaskulärer AMD bis zu drei Jahren
unter „Treat-and-Extend“-Regimen (Rayess et al. 2015).
Der durchschnittliche Beobachtungszeitraum in dieser Studie lag bei 1,88
Jahren. Der Visus lag zu Beginn der Studie im Durchschnitt bei 20/139
(n = 212 Augen) und verbesserte sich nach einem Jahr auf durchschnittlich
20/79 (n = 212), lag nach dem zweiten Jahr bei durchschnittlich 20/69
(n = 121) und nach drei Jahren bei 20/64 (n = 59). Patienten erhielten
durchschnittlich 7,6 Injektionen im ersten Jahr, 5,7 im zweiten und 5,8
Injektionen im dritten Jahr. Der größte Intervall zwischen Injektionen lag im
Median bei 11 Wochen (min. 6, max. 16 Wochen) im ersten Jahr und bei
jeweils 13 Wochen (min. 7, max. 18 Wochen) im zweiten Jahr und dritten Jahr.
Insgesamt zeigen rezente Daten, dass Patienten unter realen klinischen
Bedingen von einer intravitrealen Injektionstherapie profitieren, allerdings
können die guten Visusergebnisse der MARINA- und ANCHOR-Studien nicht
erreicht bzw. über längere Zeit erhalten werden. Dies gilt insbesondere für das
PRN-Schema mit einer niedrigeren Injektionsfrequenz. nAMD-Patienten mit
einem guten Ausgangsvisus profiieren – auch im Langzeitverlauf – am meisten
von der IVOM
8.4.2
„Switch“ zwischen Anti-VEGF-Präparaten
Unter der Behandlung mit Anti-VEGF-Präparaten kann es bei einigen
Patienten von Beginn an bzw. im Laufe der Therapie zu einem nur geringen
Ansprechen kommen. Als Ursache werden „Resistenzen“ bzw. Tachyphylaxie
gegenüber einem Präparat angenommen.
Studien der vergangenen Jahre haben sich daher mit dem sog. „Switching“
befasst: hier wird die Therapie von einem Anti-VEGF-Präparat auf ein anderes
umgestellt, unter der Annahme, dass der Wechsel auf ein anderes Anti-VEGFPräparat zu einem besseren Ansprechen führt.
Lazzeri und Mitarbeiter haben nun in einem Review-Artikel die Ergebnisse
dieser Studien zusammengefasst (Lazzeri et al. 2015). Die Ergebnisse von
insgesamt 21 Studien (1.066 Augen) wurden erfasst, die den Wechsel auf
Aflibercept bei Patienten mit neovaskulärer AMD und schlechtem Ansprechen
auf Bevacizumab oder Ranibizumab thematisierten. Dabei handelte es sich um
5 prospektive und 16 retrospektive Studien. Dem Bericht von Lazzeri und
Mitarbeitern zufolge kamen alle diese Studien zu dem Ergebnis, dass bei
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Augen mit schlechtem Ansprechen auf Bevacizumab bzw. Ranibizumab der
Wechsel auf Aflibercept zu einer Verbesserung des „Outcomes“ führte. Als
„Outcome“ wurden in diesem Übersichtsartikel sowohl anatomische als auch
funktionelle Aspekte erfasst. Interessanterweise zeigte sich, dass die meisten
dieser Studien eine signifikante Reduktion der zentralen Netzhautdicke
berichteten, während nur in wenigen Studien ein signifikanter Visusanstieg
nach dem Wechsel auf Aflibercept berichtet werden konnte. Dies könnte damit
erklärt werden, dass in Augen bereits vor dem Wechsel Vernarbungen
vorlagen und der anatomische Effekt nicht mehr mit einer Verbesserung der
Sehschärfe einhergehen kann.
Die Mechanismen der „Resistenz“ und Tachyphylaxie gegenüber Anti-VEGFPräparaten sind bislang nicht vollständig verstanden. Unterschiedliches
Ansprechen auf Anti-VEGF scheint mit unterschiedlichen VEGF-A-Spiegeln im
Glaskörper zusammenzuhängen. Zudem könnte eine Hochregulation proangiogenetischer Faktoren, wie z. B. VEGF-B, PIGF, TNFalpha oder eine
Hinunterregulation anti-angiogenetischer Faktoren, wie VEGFR-2 oder
Thrombospondin ein schlechtes Ansprechen hervorrufen (Funk et al. 2009; Lai
et al. 2009; Lazeri et al. 2013).
8.4.3
Langzeitverläufe unter Anti-VEGF-Therapie
Die Einführung der Anti-VEGF-Therapie hat zu einem Durchbruch bei der
Therapie der neovaskulären AMD geführt. Allerdings verdichten sich in letzter
Zeit die Hinweise darauf, dass im Langzeitverlauf die initial erreichten
Visusbesserungen bzw. -stabilisierungen im Durchschnitt nicht gehalten
werden können. Dies legt auch eine kürzlich publizierte Studie aus Australien
von Gillies und Mitarbeitern nahe (Gillies et al. 2015). Hier wurden 1.212
behandlungsnaive Patienten über einen durchschnittlichen Zeitraum von 53,5
Monaten untersucht. Dabei stieg die mittlere Sehschärfe von 55,1 auf 61,4
Buchstaben nach 6 Monaten und blieb oberhalb der mittleren initialen
Sehschärfe für ca. 6 Jahre. Nach 7 Jahren war die mittlere Sehschärfe 2,6
Buchstaben geringer als der Visuswert zu Therapiebeginn bei 131 Augen, die
weiter untersucht wurden. 40 % hatten einen Visus von > 0,5 und 18 % einen
Visus von < 0,1. Von den Patienten mit 0,5 Visus vor Behandlung zeigte sich
bei 40 % nach 7 Jahren eine Visusreduktion unter diese Visusschwelle, d. h.
bei ihnen konnte ein –„Lesevisus“ nicht erhalten werden.
Bei 37 % der Augen wurde ein Sehverlust von > 10 Buchstaben – entsprechend 2 Zeilen auf der ETDRS-Sehtafel – nach 6,5 Jahren hervorgerufen
durch die Entwicklung einer geographischen Atrophie mit Einbeziehung der
Fovea. Dies unterstreicht die Bedeutung atrophischer Krankheitsprozesse für
die Visusprognose bei Patienten mit initial neovaskulärer AMD.
Während der ersten 12 Monate wurden im Median 6 Injektionen durchgeführt
und es erfolgten 9 Ambulanzbesuche. Anschließend waren es im Mittel 5
Behandlungen und 7-9 Visiten pro Jahr über 7 Jahre. Die Behandlung wurde
bei 663 Augen (53 %) innerhalb der ersten 5 Jahre beendet. Trotz initialer
Visussteigerung in dieser Gruppe kam es zu einem Visusverlust auf
Ausgangswerte oder darunter zu dem Zeitpunkt, als die Therapie beendet
wurde.
Im Vergleich zu anderen Langzeitstudien waren die Visusergebnisse in dieser
Studie insgesamt relativ gut, was mit den im Durchschnitt häufigen Injektionen
zusammenhängen könnte. Dies könnte auch mit einem höheren Incentive
(Injektionshonorar)in Australien für den behandelnden Augenarzt in
Zusammenhang stehen.
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8.5
8.5.1
Therapieansätze bei geographischer Atrophie
Übersicht
Das primäre Ziel in der Behandlung der AMD ist die Identifikation der
zugrundliegenden Ursache sowie die Progression der Erkrankung und den
Sehverlust zu verhindern bzw. wenigstens zu verlangsamen. Eine große
Herausforderung ist auch hierbei das Fehlen von geeigneten in-vitro Systemen
und/oder Tiermodells zur Überprüfung der Effektivität von neuen
therapeutischen Ansätzen (Übersicht in Schmitz-Valckenberg et al. 2014).
Mittlerweile stehen mehrere pharmakologische Therapieansätze mit
unterschiedlichen Angriffspunkten in pathophysiologische Mechanismen zur
Verfügung und werden bereits in groß angelegten klinischen Prüfungen zur
Wirksamkeit und Sicherheit untersucht (Holz et al. 2014, Holz et al. 2014).
Dazu zählen u.a. die Verminderung retinaler Toxine (z.B. durch sog. ‚Visual
cycle modulators‘), anti-inflammatorische Substanzen, Lipid-Modulatoren,
Komplement-Inhibition,
Verhinderung
der
Amyloid-Akkumulation,
Neuroprotektion, Modulatoren der chorioidalen Perfusion und Verminderung
von oxidativer Schädigung. Bemerkenswert sind auch die unterschiedlichen
Applikationsarten der Substanzen, die von systemisch (oral und intravenös)
über lokal (topisch, subkonjunktival, transskleral und intravitreal) reichen. Im
Folgenden werden exemplarisch zwei Therapie-Ansätze herausgegriffen:
8.5.2
Visual cycle modulators
Die Identifizierung von Hochrisikomerkmalen mittels FAF-Imaging bietet auch
einen Ansatzpunkt für therapeutische Interventionen. Durch eine
pharmakologische Hemmung des Sehzyklus könnte eine Verminderung der
schädlichen Anhäufung toxischer Fluorophoren und damit eine Verlangsamung
der Atrophieprogression bewirkt werden. Eine solche Substanz ist Fenretinide
(N-(4-Hydroxyphenyl)retinamide). Dieses Vitamin-A-Derivat, das oral
eingenommen werden kann, vermindert den Retinolspiegel im Serum durch
kompetitive Bindung an retinolbindendes Protein (RBP). Dadurch wird die
Bioverfügbarkeit von Retinol in den RPE-Zellen und Photorezeptoraußensegmenten reduziert. Die Fenretinide-Studie (Sirion Therapeutics, Inc.),
eine Phase-II-randomisierte, placebokontrollierte Studie mit über 200 Patienten
erbrachte allerdings keinen eindeutigen Effekt.
Andere ‚visual cycle modulators‘, die nicht indirekt über den
Serumretinolspiegel wirken, sondern direkt mit Proteinen interagieren, die am
Vitamin-A-Sehzyklus beteiligt sind, kommen ebenfalls zum Einsatz. Das Ziel
hierbei ist ebenfalls die Verminderung der Akkumulation von toxischen
Abfallprodukten
und
damit
eine
Verlangsamung
des
weiteren
Atrophiewachstums. Mit dem oral applizierten Emixustat wurden in einer jetzt
abgeschlossenen klinischen Phase IIb/III-Studie Patienten mit geographischer
Atrophie behandelt im Vergleich zu einer Placebo behandelten Kontrollgruppe.
Der Hauptauswertungsparameter war die Veränderung der Gesamtfläche der
geographischen Atrophie. Dabei kamen unterschiedliche Dosierungen von
Emixustat zum Einsatz. Allerdings zeigte sich, dass gegenüber der
Placebogruppe die Ausdehnungsgeschwindigkeit nicht reduziert werden
konnte: diese betrug jeweils für die 10 mg, 5 mg, 2,5 mg und die
Placebogruppe 1,84 mm²/Jahr, 1,83 mm²/Jahr, 1,69 mm²/Jahr, 1,69 mm²/Jahr
(95). Es gab auch keine Unterschiede im Visusverlauf. Damit kommt dieses
Präparat nicht für eine Behandlung der fortgeschrittenen AMD in Frage.
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8.5.3
Komplementinhibition
Vielfältige
Befunde
sowohl
aus
klinischen
als
auch
aus
grundlagenwissenschaftlichen und molekulargenetischen Arbeiten weisen auf
eine essentielle Rolle der Komplementkaskade in der Pathogenese der AMD
hin. Darauf aufbauend wurden spezifische Komplementinhibitoren als
Therapieansatz entwickelt, u.a. POT-4 (Potentia Pharmaceuticals Inc.), ARC1905 (Ophtotech Corp.) (www.ophthotech.com/product-candidates/arc1905/
Accessed April 20, 2016), Eculizumab (Alexion Pharmaceuticals) und
Lampalizumab (Genentech).
Lampalizumab, ein Faktor-D-Inhibitor, zeigte in einer randomisierten,
placebokontrollierten Phase-II-Studie (MAHALO-Studie) erstmals einen
positiven Effekt mit Verlangsamung der Ausdehnungsgeschwindigkeit von
Atrophieflächen (Holz FG. The MAHALO Phase II Study: Safety, Tolerability
and Evidence of Activity of Lampalizumab (Anti-factor D) in Patients with
Geographic Atrophy (GA) Secondary to Age-Related Macular Degeneration
(AMD). EURETINA Abstract 2014). Das Präparat wurde dabei intravitreal
entweder monatlich oder 2-monatlich intravitreal appliziert. Dabei war der
Therapieeffekt abhängig von einem genetischen Biomarker (CFI). Eine große
Phase-III-Studie (CHROMA und SPECTRI) ist nun angelaufen, im Rahmen
derer über 1900 Patienten mit geographischer Atrophie behandelt werden –
auch in mehreren deutschen Zentren. Sollte sich die Rolle von CFI und der
Therapieeffekt bestätigen, wäre dies in der Ophthalmologie auch ein
Modellbeispiel für personalisierte Medizin, da eine Genotypisierung vor
Therapieinitiierung prädiktive Bedeutung hätte.
Das Entwicklungsfeld für Therapien der trockenen AMD weist erfreulicherweise
eine erhebliche Dynamik in den letzten Jahren auf. Es gibt viele
Therapieansätze, die sich allerdings hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit
erst noch in Phase III-Studien beweisen müssen. Die meisten der untersuchten
Ansätze sind ähnlich wie bei der Anti-VEGF-Therapie mit repetitiven
intravitrealen
Injektionen
verbunden,
so
dass
im
Falle
eines
Wirksamkeitsnachweises und einer Zulassung mit einem erheblichen zusätzlichen Versorgungsbedarf in der Zukunft zu rechnen wäre. Dies würde letztlich
auch die Entwicklung von Verabreichungssystemen sinnvoll erscheinen lassen,
mit denen regelmäßige 4- oder 6-wöchige Injektionen nicht mehr erforderlich
wären.
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Korrespondenzadresse der Autoren:
Prof. Dr. Frank G. Holz, FEBO
Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde
Universität Bonn
Ernst-Abbe-Str. 2
53127 Bonn
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