Genetisch bedingte Defekte der angeborenen Immunität

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Immundefekte
© 2008
171
Schattauer GmbH
Genetisch bedingte Defekte
der angeborenen Immunität
Erhöhte Anfälligkeit für mykobakterielle Infektionen,
für invasive bakterielle Infektionen
und für Herpes-simplex-Enzephalitis
Janine Reichenbach1, Horst von Bernuth2
1
Universitäts-Kinderspital Zürich, Abteilung Immunologie/Hämatologie/KMT
(Leiter: Prof. Dr. med. R. A. Seger)
2
Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie
(Leiter: Prof. Dr. med. U. Wahn)
Schlüsselwörter
Keywords
Zusammenfassung
Summary
Mykobakterielle Infektionen, invasive bakterielle Infektionen, Herpes-simplex-Enzephalitis, IFN-γ-/Interleukin12-System, Toll-ähnliche/Interleukin-1-Rezeptoren
Bei Patienten mit wenigen Infektionen, mit Infektionen
durch nicht opportunistische Erreger und mit Infektionen
durch nur einen bestimmten Erreger muss auch an einen
Immundefekt gedacht werden. In diesem Beitrag werden
Immundefekte vorgestellt, die durch Störungen in Signalwegen der angeborenen Immunität zu einer spezifischen
Anfälligkeit gegen eine bestimmte Erregergruppe oder nur
einen Erreger führen. Eine besondere Anfälligkeit für Mykobakterien kann ein Hinweis für Defekte in den Signalwegen
von Interferon-γ und Interleukin-12 sein. Defekte der
MyD88- und IRAK-4-abhängigen Signalwege, der Tollähnlichen und Interleukin-1-ähnlichen Rezeptoren prädisponieren zu invasiven bakteriellen Infektionen durch insbesondere Staphylococcus aureus und Streptococcus pneumoniae. Patienten mit sporadischer Enzephalitis durch
Herpes-simplex-Virus-1 sollten auf Defekte der
TLR3/UNC93B abhängigen Signalwege untersucht werden.
Mycobacterial disease, invasive pyogenic bacteria, herpes
simplex encephalitis, IFN-γ/Interleukin-12 system, Tolllike/Interleukin-1 receptors
In patients with few infections, infections caused by nonopportunistic pathogens and infections caused by only a
single pathogen an immunodeficiency must also be considered. We here present immunodeficiencies that are
caused by impaired signalling in pathways of the innate
immune system. These defects predispose to a specific susceptibility to one group of pathogens or only one pathogen.
An increased susceptibility to mycobacterial infections can
indicate a defect in the Interferon-γ and Interleukin-12 dependent pathways. Defects in MyD88 and IRAK-4-dependent pathways of Toll-like and Interleukin-1 receptors predispose to invasive pyogenic infections, in particular by Staphylococcus aureus and Streptococcus pneumoniae. In
patients with herpes simplex encephalitis defects of
TLR3/UNC93B-dependent signalling should be suspected.
Genetic defects of the innate immunity that cause an
increased susceptibility for mycobacterial infections,
invasive pyogenic infections and herpes simplex encephalitis
Kinder- und Jugendmedizin 2008; 8: 171–178
A
ls Warnzeichen für einen angeborenen „klassischen Immundefekt“ gelten wiederkehrende
schwere Infektionen, verursacht durch eine
Vielzahl verschiedener Erreger oder Infektionen durch seltene, nicht obligat pathoge-
ne, opportunistische Erreger. Mit den Antikörpermangelsyndromen, den schweren
kombinierten Immundefekten und der septischen Granulomatose sind in den vorhergehenden Beiträgen Beispiele für Immundefekte besprochen worden, die dieser klas-
sischen Definition eines Immundefektes
entsprechen. In den letzten zehn Jahren ist
jedoch zunehmend deutlich geworden, dass
auch bei Patienten mit wenigen Infektionen,
mit Infektionen durch nicht opportunistische Erreger und selbst mit Infektionen
durch nur einen bestimmten Erreger auch an
einen Immundefekt gedacht werden muss.
Im folgenden Beitrag werden drei Gruppen
neuer Immundefekte vorgestellt, die durch
Störungen in Signalwegen der angeborenen
Immunität verursacht werden. Defekte in
den Signalwegen von Interferon-γ und Interleukin-12 gehen mit einer vornehmlichen
Anfälligkeit für Mykobakterien einher. Defekte der MyD88- und IRAK-4-abhängigen
Signalwege der Toll-ähnlichen und Interleukin-1-Rezeptoren (TLR und IL-1Rs) prädisponieren zu einer Anfälligkeit für invasive Infektionen durch Staphylococcus aureus und Streptococcus pneumoniae und
Defekte der TLR3/UNC93B-abhängigen
Signalwege zu einer erhöhten Anfälligkeit
für Enzephalitis durch Herpes-simplex-Virus-1. Im weiteren Gegensatz zu den meisten klassischen Immundefekten, die mit zumindest an Universitätskliniken verfügbaren diagnostischen Verfahren erkannt
werden können, verlangt die Diagnostik
dieser Immundefekte der angeborenen Immunität Tests, die bisher nur von spezialisierten Labors angeboten werden. Die Diagnostik der Erkrankungen umfasst dabei
funktionelle Tests und eine molekulargenetische Untersuchung, um die Diagnose zu
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Eingegangen: 10. Dezember 2007; angenommen:For18.personal
Dezember
2007
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Kinder- und Jugendmedizin 3/2008
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Reichenbach, von Bernuth
sichern. Die so gewonnene diagnostische
Sicherheit ist unabdingbare Voraussetzung
für die korrekte individuelle prognostische
Einschätzung und darauf aufbauend zielgerichtete und risikoadaptierte Therapie. Klinisches Bild, Pathogenese, Diagnostik und
Therapie sowie Differenzialdiagnosen dieser Defekte der angeborenen Immunität
werden im folgenden Beitrag vorgestellt.
Störungen in den Signalwegen von Interferon-γ
und Interleukin-12
Die Familie der Mykobakterien umfasst
über 85 unterschiedliche Arten, vom hoch
virulenten Mycobacterium tuberculosis,
dem Erreger der Tuberkulose, über zahlreiche weniger virulente Arten, wie nicht tuberkulöse atypische Mykobakterien (z. B.
Mycobacterium avium, M. smegmatis, M.
peregrinum, M. marinum), bis zu den attenuierten M. bovis-Stämmen, die seit 1921
als BCG(Bacille Calmette-Guérin)-Impfstoff über Jahrzehnte zur Prophylaxe der Tuberkulose eingesetzt wurden und in einigen
Staaten auch noch heute eingesetzt werden
(6, 60). Nicht tuberkulöse Mykobakterien
(NTM) leben überwiegend saprophytär im
Erdreich, in Gewässern, im Trinkwasser
und alsAerosole in der Luft; M. tuberculosis
hingegen ist obligat humanpathogen und
wird typischerweise aerogen als Tröpfcheninfektion durch Kontakt mit einem Infizierten übertragen.
Bei immunkompetenten Personen resultiert der Kontakt mit den meisten Mykobakterien selten in einer Infektion und einer klinisch apparenten Erkrankung. Invasive, disseminierte und/oder rezidivierende Infektionen mit niedrig virulenten BCG oder
NTM sind meist Hinweis auf eine gestörte
Immunabwehr (36, 61). Neben einem klassischen primären Immundefekt (PID) muss
an das Vorliegen von MSMD (Mendelian
Susceptibility to Mycobacterial Disease,
MIM 209950) gedacht werden. MSMD ist
ein seltenes angeborenes Syndrom, das definiert wird durch eine schwere disseminierte oder rezidivierend lokalisierte Erkrankung durch schwach virulente MykobakteKinder- und Jugendmedizin 3/2008
rien-Spezies, wie den BCG-Impfstoff oder
NTM, bei ansonsten immunkompetenten
Individuen (13, 34). Patienten mit MSMD
haben im Allgemeinen keinerlei andere assoziierte Infektionen, bis auf Salmonellosen
in etwas weniger als der Hälfte der Fälle. Es
wurden aber bei einigen wenigen Patienten
auch schwere, disseminierte Infektionen
mit dem virulenteren M. tuberculosis beschrieben (34).
Klinisch und genetisch ist dieses Syndrom heterogen. Bei einigen sporadischen
und bei den meisten familiären Fällen liegt
ein autosomal-rezessiver Erbgang vor, in einigen Familien kommen aber auch autosomal-dominante oder X-chromosomal-rezessive Erbgänge vor. Mutationen in fünf
autosomalen Genen sind für MSMD verantwortlich: IFNGR1 und IFNGR2, die für beide Ketten des Interferon(IFN)-γ-Rezeptors
kodieren; STAT1, das ein essenzielles Protein der Signaltransduktion im IFN-γ-Aktivierungsweg kodiert; IL12B, das die
p40-Untereinheit von Interleukin(IL)-12
und IL-23 kodiert; sowie IL12RB1, das die
β1-Kette des IL-12- und IL-23-Rezeptors
kodiert.
Gemeinsam ist diesen Erkrankungen eine gestörte IL-12-/23-IFN-γ-vermittelte
Immunität. Bei Patienten mit Mutation von
IL12B und IL12RB1 ist die IFN-γ-Sekretion
gestört, wogegen bei Patienten mit Mutation
von IFNGR1, IFNGR2 und STAT1 die zelluläre Antwort auf IFN-γ gestört ist. Ein hoher
Grad allelischer Heterogenität an diesen
fünf autosomalen Loci bedingt das Vorkommen mindestens zwölf bekannter unterschiedlicher genetischer Defekte (13, 34).
Bisher wurden über 220 Patienten aus über
43 Ländern weltweit beschrieben. Die häufigste genetische Ursache für MSMD ist mit
40 % der IL-12Rβ1-Defekt, gefolgt vom
IFN-γR1-Defekt mit 39 %; ein IL12p40-Defekt wurde in 9 %, ein STAT1-Defekt in 5 % und ein IFN-γR2-Defekt in 4 %
aller Fälle gefunden (34).
IFN-γR1- und IFN-γR2-Defekte
Der vollständige Mangel der IFN-γ-Rezeptor-Liganden-Bindungs-Kette (IFN-γR1)
und der vollständige Mangel der IFN-γ-Rezeptor-Signaltransduktions-Kette
(IFN-
γR2) durch Nullmutationen der entsprechenden Gene führen zu einem Fehlen der
Zellantwort auf IFN-γ. Loss-of-function
Mutationen verhindern bei normaler Expression von IFN-γR-Molekülen auf der
Zelloberfläche die Bindung des natürlichen
Liganden IFN-γ an seinen Rezeptor (IFNγR1-Defekt) bzw. die IFN-γR-Signaltransduktion (IFN-γR2-Defekt) (2, 39). Bei allen
Formen des kompletten IFN-γR-Defekts
finden sich erhöhte Spiegel von zirkulierendem IFN-γ im peripheren Blut der Patienten
(33).
Die betroffenen Kinder fallen typischerweise innerhalb der ersten Lebensjahre durch eine disseminierte Erkrankung
nach BCG-Impfung oder nach Infektion
mit niedrig virulenten NTM auf (23). Typischerweise können keine reifen mykobakteriellen Granulome gebildet werden; die
histologischen Läsionen sind schlecht abgegrenzt, lepromatös und bakterienreich.
Die Mortalität der Erkrankung ist mit 75 %
an mykobakteriellen Infektionen Verstorbenen hoch (23). Einzelfälle schwerer Infektionen durch weitere Erreger (Zytomegalie-Virus, Humanes Herpes-Virus-8
[Kaposi-Sarkom], Listerien) sind bei Kindern mit komplettem IFN-γ-Rezeptor-Defekt beschrieben worden (8, 13, 23, 65).
Die üblichen (meist viralen) Infektionskrankheiten des Kindesalters werden gut
überstanden.
Der klinische Phänotyp von Patienten
mit partiellen IFN-γ-Rezeptor-Defekten,
die meist autosomal-rezessiv vererbt werden, ist deutlich milder (21, 40) und korreliert zur Zellantwort auf IFN-γ (27). Auch
bei Patienten mit partiellem, autosomal-rezessiv vererbtem IFN-γ-Rezeptor-Defekt
kann oft ein erhöhter Spiegel von zirkulierendem IFN-γ im peripheren Blut festgestellt werden. Die Spiegel liegen jedoch
niedriger als bei den kompletten Defekten
des IFN-γ-Rezeptors. Histologisch finden
sich gut abgegrenzte, bakterienarme, tuberkuloide Granulome. Das Alter bei Manifestation liegt im Mittel bei 13,4 Jahren (Range
1,5–57 Jahre) und die Prognose ist mit nur
zwei Verstorbenen von 38 Patienten im Vergleich zu kompletten IFN-γR-Defekten relativ gut (23, 34). Bei Patienten mit partiell
dominantem IFN-γR1-Defekt wurde außerdem in 5 % der Fälle eine Salmonellose be-
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Genetisch bedingte Immundefekte
schrieben. Typisch scheint bei partiell dominantem IFN-γR1-Defekt besonders das Vorkommen mykobakterieller Osteomyelitiden
(23, 34).
STAT1-Defekte
STAT1 (Signal Transducer and Activator of
Transcription) ist eine wichtige Komponente in der Transduktion IFN-vermittelter Signale. Nach Bindung von IFN-α/β und IFN-γ
an die jeweiligen Rezeptoren kommt es zur
Bildung von mindestens zwei Komplexen
von Transkriptionsfaktoren: STAT1 bildet
mit STAT2 und p48/IRF-9 ein Trimer, das
als ISGF3 (Interferon-stimulated Gamma
Factor 3) bezeichnet wird. STAT1-Homodimere bilden GAF (gamma-activated factor).
ISGF3 wird bevorzugt von IFN-α/β induziert, während GAF eher von IFN-γ induziert wird. Mutationen des STAT1-Gens bedingen eine gestörte Signaltransduktion in
der Zellantwort auf IFN. Bei bisher zehn Patienten mit MSMD wurden STAT1-Mutationen identifiziert (26). Zelllinien der Patienten mit homozygoten autosomal-rezessiven
STAT1-Mutationen (kompletter STAT1-Defekt) können unter experimentellen Bedingungen eine Infektion mit VSV (Vesicular
Stomatitis Virus), EMCV (Enzephalomyocarditis-Virus), und HSV-1 (Herpes-simplex-Virus) nicht kontrollieren. Auch durch
die exogene Zugabe von IFN-α und IFN-β
kann die Replikation der Viren nicht eingedämmt werden. Klinisch ähneln die Betroffenen mit heterozygoter STAT1-Mutation
(partieller STAT1-Defekt) Patienten mit
partiellem IFN-γR-Defekt. Es kommt zu
disseminierten Infektionen mit BCG und
NTM und zu keinerlei viralen Infektionen
(26). Patienten mit komplettem STAT1-Defekt sind zusätzlich zu Infektionen mit Mykobakterien für schwere virale Infektionen
hoch anfällig, was in fünf beschriebenen
Fällen zum frühen Tod der Betroffenen geführt hat (28). Einer der Patienten verstarb
an einer generalisierten Infektion im Rahmen rezidivierender HSV-1-Enzephalitiden, ein weiterer Patient an einer nicht näher
identifizierten Virus-ähnlichen Erkrankung.
IL-12p40-Defekt
IL-12 ist ein heterodimeres Zytokin, das
von Makrophagen und dendritischen Zellen
sezerniert wird und die Bildung und Freisetzung von IFN-γ induziert. Die biologisch
aktive Form IL-12p70 besteht aus zwei Untereinheiten, IL-12p40 und IL-12p35. Fünf
unterschiedliche rezessive Loss-of-function-Mutationen im IL12B-Gen, das die
p40-Untereinheit von IL-12 und IL-23 kodiert, wurden bisher bei 20 Patienten identifiziert (5, 55). Bei Patienten mit klinisch
milder Form des MSMD-Syndroms sollte
an einen IL-12p40-Defekt gedacht werden.
PBMC (mononukleäre Zellen aus dem peripheren Blut) der Patienten produzieren in
vitro nach Aktivierung mit PHA oder BCG
nur ein Zehntel bis ein Hundertstel der normalen IFN-γ-Menge. PBMC- oder EBVtransformierte B-Zellen der Patienten bilden kein IL-12p40 (5, 55). Durch Stimulation mit IL-12 kann die gestörte IFN-γ-Produktion in vitro wiederhergestellt werden.
Alle Patienten mit IL-12p40-Defekt leiden,
falls geimpft, an BCG-Infektionen, bei der
Hälfte der Betroffenen kommt es zusätzlich
zu Salmonella-Infektionen. In wenigen Fällen wurden Infektionen mit NTM und M. tuberculosis beschrieben. Die Prognose der
Erkrankung ist relativ gut.
IL-12Rβ1-Defekt
Das IL12RB1-Gen kodiert die β1-Untereinheit des IL-12-Rezeptors, die auch am
IL-23-Rezeptorkomplex beteiligt ist. Bisher
wurden 89 Patienten mit IL-12Rβ1-Defekt
beschrieben (34). In den meisten Fällen verhindern homozygot-rezessive Mutationen
die Expression von IL-12Rβ1 und führen zu
einer verminderten IFN-γ-Sekretion durch
die ansonsten funktionellen NK- und T-Zellen (1, 3, 4, 12, 13, 32, 45). Nur in zwei Familien wurde eine 12 165 Nukleotide große
Deletion gefunden, die zur Expression nicht
funktioneller IL-12Rβ1 führt (31). Da im
Gegensatz zum IFN-γR-Defekt keine Korrelation von Genotyp und Phänotyp besteht
und die Penetranz der Erkrankung nur ca.
40 % beträgt, sollten auch gesunde Familienmitglieder untersucht werden (32). Patienten mit IL-12Rβ1-Defekt leiden an
schweren, aber gut ausheilenden BCG-Infektionen, Erkrankungen durch NTM kommen nur bei ca. einem Fünftel der Patienten
nach dem dritten Lebensjahr bzw. in einigen
Fällen sogar erst im Erwachsenenalter vor.
In wenigen Fällen wurde eine schwere Tuberkulose beschrieben (4, 9, 32). Die Hälfte
der Patienten leidet außerdem an disseminierten und rezidivierenden Salmonella-Infektionen, wobei einige wenige Patienten
ausschließlich an Salmonella-Infektionen
leiden (34). Andere schwere Infektionen
kommen bei IL-12Rβ1-Defekt nicht vor.
Histologisch finden sich gut begrenzte und
differenzierte BCG-Granulome; NTM-Granulome sind etwas unreifer und bakterienreicher.
Diagnostik
Entscheidend für die Diagnostik sind funktionelle Tests aus heparinisiertem Vollblut
der Patienten: Die IFN-γ- und IL-12-Produktion werden nachAktivierung mit lebendem BCG, BCG plus IFN-γ und BCG plus
Il-12 im ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay) gemessen. Maximale IL12-Spiegel können nach 12–18 StundenAktivierung gemessen werden, maximale IFNγ-Spiegel finden sich nach 48 Stunden Aktivierung (30). Es sollte zum Vergleich immer
eine gesunde Kontrolle mit untersucht werden, v. a. beim Versand der Proben als Reisekontrolle. Bei auffälligen Befunden sollte
dann zur Bestätigung eine Bestimmung von
IFN-γ im Serum sowie in spezialisierten Labors eine weitere Untersuchung des jeweiligen Signaltransduktionsweges mittels sogenannter electrophoretic mobility shift assays (EMSA) erfolgen. Die Diagnostik
kann durch Untersuchung der IFN-γR-Moleküle auf der Zelloberfläche von frischen
peripheren mononukleären Zellen (PBMC)
oder kultivierten EBV-transformierten
B-Zellen mittels monoklonaler Antikörper
in der Durchflusszytometrie ergänzt werden: Fehlen von IFN-γR-/IL-12R-Molekülen bestätigt die Diagnose, während das
Vorhandensein von IFN-γR-/IL-12R-Molekülen sie nicht ausschließt, da einige Mutationen nicht die Expression der Moleküle,
sondern die Bindung von IFN-γ an seinen
Rezeptor und die resultierende Signaltrans-
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Reichenbach, von Bernuth
duktion verhindern. Die endgültige Diagnose muss über genetische Untersuchungen
gestellt werden.
Therapie
Das für die Erkrankung verantwortliche
Mykobakterium sollte bei allen Fällen von
MSMD unbedingt identifiziert und entsprechend Antibiogramm aggressiv mit mindestens vier Antituberkulotika therapiert werden. Neben einer konsequenten antibiotischen Therapie der Infektionen stellt aufgrund der Schwere der mykobakteriellen
Erkrankungen und der Wirkungslosigkeit
einer Therapie mit IFN-γ eine KMT
(Knochenmarktransplantation) bei Patienten mit komplettem IFN-γR- und komplettem STAT1-Defekt die einzige Möglichkeit
zur kurativen Therapie dar. Die KMT ist jedoch bei Kindern mit komplettem IFN-γRDefekt nach wie vor mit erheblicher Morbidität und Mortalität verknüpft. Die Abstoßungsrate der Transplantate ist selbst bei
HLA-identer Transplantation vom verwandten Spender hoch (63, 64).
Patienten mit komplettem IL-12- und IL12Rβ1-Defekt oder partiellem IFN-γR-Defekt sollten bei relativ guter allgemeiner
Prognose zunächst konservativ behandelt
werden, wobei die tuberkulostatische Therapie über mindestens zwei Jahre durchgeführt werden sollte. Zusätzlich sollte mindestens bis zur klinischen Remission humanes rekombinantes IFN-γ gegeben werden.
Bei IL-12Rβ1-Defekt kann die Behandlung
abdomineller Läsionen schwierig sein, mit
schlechtem Ansprechen auch auf hohe Dosen von IFN-γ. Die chirurgische Entfernung
einer vergrößerten Milz oder abdomineller
Lymphknoten kann in Einzelfällen hilfreich
sein (34). Möglicherweise reagieren Kinder
mit IL-12p40-Defekt auf eine Behandlung
mit IL-12, es gibt dazu jedoch derzeit noch
keine ausreichend gesicherten Daten (34).
Bei Patienten mit IFN-γR-, IL-12- oder
IL-12Rβ1-Defekt sollten alle von der ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Regelimpfungen (Stand 2007) durchgeführt werden. Bei Patienten mit STAT1-Defekt sollten Impfungen mit Lebendimpfstoffen (z. B. Masern-, Mumps-, RötelnImpfung) äußerst sorgfältig durch einen auf
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Immundefekte spezialisierten Arzt abgewogen werden. Auf keinen Fall darf bei Patienten mit MSMD eine BCG-Impfung durchgeführt werden. Diese Impfung wird in
Deutschland nicht mehr generell empfohlen. Sie gehört jedoch in anderen Ländern
noch zum Regelimpfplan, sodass in diesen
Ländern Impfkomplikationen vorkommen
und die impfenden Ärzte auf die Grunderkrankung des Kindes hingewiesen werden
müssen.
Differenzialdiagnosen
Die meisten Fälle schwerer NTM-Erkrankungen sowie ein kleiner Teil der schweren
Tuberkulosefälle weltweit sind durch einen
erworbenen Immundefekt im Rahmen einer
HIV-Infektion bedingt.Andere Risikofaktoren für eine schwere Erkrankung an Mykobakterien sind erworben (Hautläsionen, maligne Erkrankungen, Diabetes) oder angeboren (Mukoviszidose oder PID). Nur in
wenigen Fällen einer NTM-Infektion und in
noch selteneren Fällen einer M. tuberculosis-Infektion kann jedoch ein zugrunde liegender PID diagnostiziert werden. Hingegen sind die meisten Fälle einer schweren
BCG-Infektion (BCGitis) mit einem PID
assoziiert. Vor allem weil das Mykobakterium früh in der Kindheit inokuliert wird, fallen Patienten mit schwerem kombiniertem
Immundefekt (SCID) und (OL)-EDA-ID
(Osteopetrose-Lymphödem-Ektodermale
Dysplasie mit Immundefekt) im ersten Lebensjahr mit disseminierter BCG- oder
NTM-Infektion auf. Patienten mit septischer Granulomatose (CGD) und etwas seltener auch Patienten mit Hyper-IgM-Syndrom (X-HIGM) und Hyper-IgE-Syndrom
(HIES) sind anfällig für klinisch mildere
BCG-Infektionen und NTM-Erkrankungen
mit etwas späterer Manifestation. Patienten
mit diesen klassischen PID leiden im Gegensatz zu Patienten mit MSMD fast immer
auch an schweren Infektionen mit anderen
Keimen. Daneben finden sich in einigen
wenigen Fällen bei Patienten mit mykobakterieller Infektion Autoantikörper gegen
IFN-γ, die die Bindung von IFN-γ an den
Rezeptor hemmen (20, 41, 54).
Defekte der MyD88und IRAK-4-abhängigen
Signalwege der Toll-ähnlichen
und Interleukin-1-Rezeptoren
Obwohl Staphylokokken auf der Haut der
meisten Kinder und Pneumokokken und
Staphylokokken im oberen Respirationstrakt vieler Kinder nachweisbar sind (7, 46),
betreffen invasive Pneumokokkeninfektionen und Staphylokokkeninfektionen nur eine kleine Minderheit der besiedelten Kinder
(10, 15). Die Empfänglichkeit für invasive
Pneumokokken- und Staphylokokkenerkrankungen wird durch angeborene und
erworbene Faktoren bestimmt. Die intakte
Haut ist ein wesentlicher Schutz gegen Staphylokokkeninfektionen (46). Intakte
Schleimhäute des Respirationstraktes sind
ein wesentlicher Schutz gegen Pneumokokkeninfektionen (57). Nach dem Überwinden der Haut- und/oder Schleimhautbarriere haben phagozytierende Zellen wie neutrophile Granulozyten, Monozyten und Makrophagen die wohl wichtigste Abwehrfunktion gegen Staphylokokken (46), wohingegen opsonisierende Antikörper und
Komplement sowie milzständige Makrophagen insbesondere für die Abwehr von
Pneumokokken wichtig sind (57). Die erfolgreiche antibakterielle Immunantwort
von Phagozyten setzt eine ausreichende Anzahl, die Funktionsfähigkeit dieser Zellen
sowie ihre rasche und nachhaltige Aktivierung voraus. Phagozyten erkennen mikrobielle Strukturen über Toll-ähnliche-Rezeptoren (toll like receptors, TLR), die über intrazelluläre Signalwege die rasche Synthese
proinflammatorischer Zytokine wie IL-1β,
IL-6, IL-8, IL-12 und TNF-α vermitteln.
Die Synthese dieser Zytokine wird auch
durch IL-1β-vermittelt, das über den IL1-Rezeptor und den gleichen Signalweg wie
die TLRs die Bildung proinflammatorischer
Zytokine weiter verstärkt. Diese Zytokine
vermitteln einerseits systemische Effekte
wie Fieber, die Hemmung der Bildung von
Erythrozyten und die Induktion von AkutPhase-Proteinen, andererseits aktivieren sie
das Endothel, erhöhen die vaskuläre Permeabilität und wirken chemotaktisch auf ei-
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Genetisch bedingte Immundefekte
ne Reihe von Immunzellen. Hierdurch werden zahlreiche weitere phagozytierende
Zellen an den Ort der Infektion rekrutiert.
Eine gestörte Signalübermittlung der
Toll-like- und Interleukin-1-Rezeptoren
(TLRs und IL-Rs = TIRs) führt zu einer eingeschränkten Expression proinflammatorischer Zytokine und einer verminderten Phagozytenaktivierung. Autosomal-rezessiv
vererbte vollständige IRAK-4-Defekte und
MyD88-Defekte gehen dabei mit isolierten
Störungen der TIR-Signalübermittlung einher (44, 56, 73) (von Bernuth, unpublizierte
Daten), während X-chromosomal-rezessiv
vererbte hypomorphe NEMO-Defekte und
autosomal-dominant vererbte IκBα-Defekte zu Einschränkungen in weiteren immunologischen (TNF-Rezeptoren und B-ZellRezeptor) und nicht immunologischen Signalwegen führen und daher oft als syndromale Erkrankungen imponieren (18, 22, 38,
76). Patienten mit vollständigem
MyD88-Defekt und IRAK-4-Defekt fallen
früh mit Meningitiden, Arthritiden, Osteomyelitiden und tiefen Organabszessen, hervorgerufen vor allem durch S. pneumoniae
und S. aureus, aber auch durch Infektionen
mit weiteren grampositiven und gramnegativen Bakterien auf. Die Patienten erkranken auch an bakteriellen Hautinfektionen
(10, 16, 19, 29, 43, 44, 48–50, 56, 68, 73).
Die Signalübermittlung durch den TLR3 ist
bei Patienten mit MyD88-Defekt und mit
IRAK-4-Defekt normal und die Patienten
zeigen keine besondere Anfälligkeit für Infektionen durch Viren, Pilze und Parasiten
(44, 73).
Patienten mit NEMO-Defizienz und Iκ−
Bα-Defekt fallen meist durch konische
Zähne (42), fehlendeAugenbrauen, schütteres, dünnes Haar, („Ektodermale Dysplasie“, ED), trockene Haut und fehlende
Schweißbildung („Anhidrosis“, A) und einen Immundefekt (ID) auf (18, 22, 38, 76).
Einige Patienten zeigen auch eine Osteopetrose (25, 67) und Lymphödeme (25). Patienten mit einem Immundefekt durch Mutationen in NEMO können neben Infektionen durch die oben genannten bakteriellen
Erreger (43) auch eine erhöhte Anfälligkeit
für Viren der Herpesgruppe (Herpes-Enzephalitis) (53, 59) und für Mykobakterien
(Lymphadenitis, BCGitis, Pneumonie) (35,
53, 59) aufweisen. Oft präsentieren sich die-
se Patienten früh mit schwer behandelbaren
Durchfällen und Gedeihstörung. Hinweisend auf eine Störung der Phagozytenaktivierung
durch
MyD88-Defekt,
IRAK-4-Defekt, NEMO-Defizienz oder
IκBα-Defekt können gering ausgeprägte
Akut-Phase-Reaktionen (Fieber, CRP) trotz
schwerer invasiver Infektion sein (25, 29,
71). Patienten mit EDA-ID zeigen v. a. als
Säuglinge häufig eine persistierende neutrophile Granulozytose. Bei einigen Patienten mit IRAK-4-Defekt fällt ein verzögerter
Nabelschnurabfall (> 30 Tage) auf (68).
Zur Diagnose eines MyD88- und eines
IRAK-4-Defektes muss Vollblut durch Bakterienbestandteile und Interleukin-1β aktiviert werden. Bestimmt wird die
CD62L-Expression auf Granulozyten und
die Produktion von TNF-α oder IL-6 im
Kulturüberstand von Vollblut nach 24 oder
48 Stunden. Bei Gesunden löst eine so
durchgeführte Aktivierung das Abscheren
von CD62L auf Granulozyten und eine
deutliche Produktion von TNF-α, IL-6 und
anderen Zytokinen im Vollblut aus. Bei den
bisher bekannten Patienten mit vollständigem MyD88-Defekt oder mit IRAK-4-Defekt ist sowohl das Abscheren von CD62L
als auch die Zytokinproduktion deutlich
vermindert (16, 43, 70). Zum Ausschluss einer NEMO-Defizienz oder eines IκBα-Defekts gibt es keine hinreichend sensitiven
funktionellen Tests. Daher muss bei Verdacht auf die beiden Erkrankungen der direkte Proteinnachweis der beiden Moleküle,
die Sequenzierung der Gene NEMO und
IκBα und eine umfassende biochemische
Untersuchung der NEMO- und IκBα-abhängigen Signalwege in Fibroblasten der
Patienten angestrebt werden.
Die Prognose der vier in diesem Abschnitt vorgestellten Erkrankungen ist sehr
unterschiedlich. Patienten mit vollständigem
MyD88- und IRAK-4-Defekt sind bis zur
Adoleszenz in besonderem Maße durch lebensbedrohliche invasive bakterielle Infektionen bedroht, nach dem 14. Lebensjahr erscheint die Prognose beider Erkrankungen
deutlich verbessert (44). Nach der Adoleszenz traten invasive bakterielle Infektionen
nicht mehr, Hautinfektionen insbesondere
durch S. aureus jedoch weiter auf (Picard
und von Bernuth, unpublizierte Daten). Aus
diesem Grund wird für Patienten mit
MyD88- und IRAK-4-Defekt mindestens
bis zum 16. Lebensjahr eine antibiotische
Prophylaxe mit Wirksamkeit gegen Pneumokokken, Staphylokokken und Pseudomonaden empfohlen. Die Patienten müssen gegen Pneumokokken geimpft und der Impferfolg muss kontrolliert werden. Die zusätzliche Gabe von Immunglobulinen kann
ebenfalls bis zum 16. Lebensjahr sinnvoll
sein, besonders dann, wenn die Patienten unzureichend Antikörper gegen Polysaccharide bilden können.
Da die Infektionsanfälligkeit bei Patienten
mit NEMO-Defizienz und IκBα-Defekt sehr
unterschiedlich ausgeprägt sein kann, können für Patienten mit diesen Defekten keine
allgemeingültigen Empfehlungen gegeben
werden. Das Spektrum der möglichen Behandlungsoptionen reicht hier von einer alleinigen antibiotischen Prophylaxe (35) bis zur
Knochenmarktransplantation (24, 69). Die
Therapie orientiert sich dabei individuell an
den gegebenenfalls bereits vorliegenden Erfahrungen bei Patienten mit der gleichen oder
einer verwandten Mutation, dem Schweregrad der in vitro messbaren Funktionseinschränkung der NEMO-abhängigen Signalwege und dem klinischen Verlauf des einzelnen Patienten. Die Standardtherapie im Falle
einer Herpes-Enzephalitis muss bei Patienten
mit NEMO-Defekt um die Gabe von IFN-α
erweitert werden (53). Patienten mit NEMODefizienz und IκBα-Defekt, die eine Hypogammaglobulinämie aufweisen, wird eine
Substitution mit Immunglobulinen empfohlen. Bei allen vier Defekten müssen Patienten, Eltern und Ärzte darauf hingewiesen
werden, dass invasive Infektionen ohne den
sonst erwartetenTemperaturanstieg und ohne
die sonst gewohnte Akut-Phase-Reaktion
verlaufen können (29, 71). Für Patienten mit
MyD88- und IRAK-4-Defekt gelten keinerlei Impfeinschränkungen. Patienten mit NEMO-Defekt und IκBα-Defekt können mit allen Totimpfstoffen geimpft werden, über
Impfungen mit Lebendimpfstoffen muss mit
einem auf Immundefekte spezialisierten Kollegen im Einzelfall entschieden werden.
Differenzialdiagnosen
Nicht immunologische Grunderkrankungen, die zu invasiven Pneumokokkeninfek-
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Reichenbach, von Bernuth
tionen oder Staphylokokkeninfektionen
prädisponieren, sind Niereninsuffizienz,
Lebereinsuffizienz, Herzinsuffizienz, Sichelzellanämie, Leukämie und Liquorfistel
(46, 47). Die HIV-Infektion mit einem Immundefekt der T-Zellen ist ein erworbener
Risikofaktor für invasive Pneumokokkeninfektionen (47). Angeborene Immundefekte, die durch die eingeschränkte Abtötung
opsonisierter Bakterien durch milzständige
Makrophagen hervorgerufen werden (Komplementdefekte, Antikörpermangelsyndrome, Asplenie), sind mit einer erhöhten Anfälligkeit für invasive Pneumokokkeninfektionen verbunden (11, 57). Angeborene Immundefekte, die mit einer eingeschränkten
Phagozytose oder einem eingeschränkten
Abtöten phagozytierter Erreger einhergehen (Neutropenien, Leukozytenadhäsionsdefekte, Defekte der spezifischen Granula, Papillon-Lefèvre-Syndrom, septische
Granulomatose), sind mit einer erhöhten
Anfälligkeit für Staphylokokkeninfektionen vergesellschaftet (11). Ebenso zeigen
Patienten mit Hyper-IgE-Syndromen eine
erhöhte Anfälligkeit für invasive Staphylokokkeninfektionen (37, 51, 52, 62). Eine
Assoziation von invasiven Staphylokokkeninfektionen mit der Bildung von Autoantikörpern gegen IL-6 ist beschrieben worden
(58). Bei Patienten mit Antikörpermangelsyndromen (CVID, XLA) kommen Infektionen mit S. aureus selten vor. Beim Wiskott-Aldrich-Syndrom sowie beim IPEXSyndrom sind häufiger Staphylokokkeninfektionen beschrieben, sie gehören aber
nicht zu den charakteristischen Manifestationen dieser Erkrankungen (11).
Defekte der TLR3/UNC93B1abhängigen Signalwege
Die
durch
Herpes-simplex-Virus-1
(HSV-1) verursachte Enzephalitis ist eine
Erkrankung, die mit akuten, nekrotisierenden Läsionen im Gehirn einhergeht. Unbehandelt ist die Erkrankung in etwa zwei
Dritteln der Fälle tödlich, doch auch unter
Behandlung mit Aciclovir kommen tödliche
Verläufe vor und ein Drittel bis die Hälfte
der überlebenden Patienten leiden unter
neurologischen Folgeschäden. Mit einer InKinder- und Jugendmedizin 3/2008
zidenz von 2–4/100 000/Jahr ist die HerpesEnzephalitis zwar selten, jedoch der häufigste Grund für akute, sporadische Virusenzephalitiden in der westlichen Hemisphäre (72). Da die Erkrankung überwiegend
sporadisch und bei anderweitig „gesunden“
Kindern auftritt, wird bisher die systematische Diagnostik hinsichtlich angeborener
Immundefekte unterlassen. HSV-1 ist ein
neurotropes Virus, das das Gehirn über den
Bulbus olfactorius infiziert. Nach Eintritt in
die Nervenzellen entsteht intrazellulär im
Replikationszyklus von Herpes-simplexTyp-1 doppelsträngige RNA, die vom endosomal lokalisierten Rezeptor TLR3 erkannt
wird. Ein mit diesem Rezeptor assoziiertes,
für die Signaltransduktion essenzielles Protein ist UNC93B. Der mit UNC93B assoziierte TLR3 aktiviert zwei Hauptsignalwege,
die über IKKε/TBK1 und den aus NEMO/
IKKα/IKKβ bestehenden IKK-Komplex,
die zurTranslokation derTranskriptionsfaktoren IRF3, IRF7 und NF-κB in den Zellkern führen und die Produktion von IFN-α
bewirken. IFN-α wird vom IFN-α-Rezeptor
erkannt, der für die weitere Signaltransduktion STAT1 benötigt (66, 74).
Eine gestörte Signalübermittlung des
TLR3 führt bei Patienten mit autosomal-rezessivem UNC93B1-Defekt und bei Patienten mit autosomal-dominantem TLR3-Defekt zu einer eingeschränkten Expression
antiviral wirksamer Interferone, insbesondere von Interferon-α (14, 75). Die beiden
bisher beschriebenen Patienten mit
UNC93B1-Defekt erkrankten im Alter von
elf Monaten bis 17 Jahren ausschließlich an
rezidivierenden Enzephalitiden durch
HSV-1 (14). Die beiden bisher identifizierten Patienten mit TLR3-Defekt erkrankten
im Alter von fünf Monaten bis sechs Jahren
ebenfalls ausschließlich an rezidivierenden
Enzephalitiden durch HSV-1 (75).Trotz Exposition sind diese Patienten resistent gegen
Infektionen durch weitereViren, durch Bakterien, durch Parasiten und durch Pilze. Mit
dem UNC93B1-Defekt und dem TLR3-Defekt sind damit angeborene Immundefekte
mit erhöhter Anfälligkeit für einen einzigen
Erreger identifiziert worden.
Für die Diagnose beider Immundefekte
gibt es keinen einfachen Suchtest, der zur
Identifizierung von beiden Defekten anwendbar ist. Der TLR3-Defekt und der
UNC93B1-Defekt können bei einer verminderten Produktion von IFN-β oder
IFN-λ in Fibroblasten nach Stimulation mit
TLR3-Agonisten vermutet werden. Ein
recht einfacher Test auf UNC93B1-Defekt
ist die Aktivierung von Vollblut mit Agonisten von TLR7 und TLR8 mit nachfolgender
durchflusszytometrischer Messung der Expression von CD62L auf Granulozyten, dessen Herunterregulation vermindert ist (s.
oben) (70). Zur Prognose beider Immundefekte kann wegen der geringen Patientenzahl bisher keine Aussage getroffen werden.
Eine routinemäßige Chemoprophylaxe wird
nicht empfohlen, jedoch eine vermehrte
Wachsamkeit gegenüber den Symptomen
einer Enzephalitis und eine entsprechend
frühzeitige aggressive Diagnostik und Therapie. Die Standardtherapie einer HerpesEnzephalitis muss bei Patienten mit
UNC93B- und TLR3-Defekt um die Gabe
von IFN-α erweitert werden. Differenzialdiagnostisch muss insbesondere an den bereits
besprochenen
vollständigen
STAT1-Defekt, an NEMO-Defekte und an
ein Hyper-IgE-Syndrom durch Tyk-2-Defekt gedacht werden (17, 51, 53, 66). Für Patienten mit UNC93B- und TLR3-Defekt
gelten keinerlei Impfeinschränkungen.
Schlussfolgerungen/Fazit
für die Praxis
Bei Kindern und Jugendlichen mit erhöhter
Anfälligkeit für Infektionen durch atypische Mykobakterien und/oder für disseminierte, komplizierte Infektionen durch Tuberkuloseerreger muss an Erkrankungen im
IFN-γ-/IL-12-System gedacht werden. Die
genaue Diagnose dieser Defekte ist notwendig, da bei IL-12, IL-12-Rezeptor-Defekten
sowie partiellen IFN-γ- und STAT1-Defekten die antituberkulöse Therapie durch Gabe von IFN-γ ergänzt werden muss. Bei
kompletten
IFN-γ-Rezeptorund
STAT1-Defekten ist eine Knochenmarktransplantation die einzige kurative Therapieoption.
Bei jedem Säugling oder Kleinkind mit
Meningitis, septischer Arthritis, Osteomyelitis und Abszessbildung durch S. pneumoniae und/oder S. aureus muss auch an eine
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Genetisch bedingte Immundefekte
gestörte Signalübermittlung der Toll-likeund Interleukin-1-Rezeptoren wie bei
MyD88-, IRAK-4-, NEMO- und IκBα-Defekt gedacht werden. Kinder mit diesen
Diagnosen müssen eine antibiotische Dauerprophylaxe erhalten. Die Therapie eines
NEMO-Defekts muss dem Einzelfall angepasst werden.
Bei jedem Patienten mit Enzephalitis
durch Herpes-simplex-Virus-Typ-1 muss
eine gestörte Signalübermittlung des
TLR3-Rezeptors wie bei UNC93B1-Defekt
und TLR3-Defekt ausgeschlossen werden.
Bei beiden Defekten stellt die Ergänzung
der Therapie einer Herpes-Enzephalitis um
IFN-α gegebenenfalls eine entscheidende
weitere Therapieoption dar.
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Korrespondenzadressen:
Dr. med. Janine Reichenbach
Abteilung Immunologie/Hämatologie/KMT
Universitäts-Kinderspital Zürich
Steinwiesstraße 75
CH-8032 Zürich
Tel.: +41/44/2 66 73 41
Fax: +41/44/2 66 79 14
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Dr. med. Horst von Bernuth
Klinik für Pädiatrie
mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie
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