Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler Teil II PMC Wintersemester 2009/2010 INHALTSVERZEICHNIS VERSUCH II.1: GEKOPPELTE DREHPENDEL ........................................................ 5 VERSUCH II.2: LOGISCHE SCHALTUNGEN......................................................... 15 VERSUCH II.3: WÄRMEKRAFTMASCHINE........................................................... 43 VERSUCH II.4: POTENZIALFELDER ..................................................................... 59 VERSUCH II.5: ELEKTRISCHER SCHWINGKREIS ............................................... 77 VERSUCH II.6: RÖNTGENSTRAHLUNG.............................................................. 105 VERSUCH II.7: HALLEFFEKT .............................................................................. 117 VERSUCH II.8: HALBLEITERELEKTRONIK ........................................................ 127 VERSUCH II.9: FRESNELSCHE FORMELN......................................................... 151 VERSUCH II.10: MICHELSON-INTERFEROMETER ............................................ 167 HINWEISE ZUR AUSWERTUNG Hier ein paar Hinweise, um häufig gemachte Fehler bei der Versuchsdurchführung und -auswertung zu vermeiden: • Die Versuchsbeschreibung kommt im Protokollheft vor der Datenerhebung. • Markieren Sie auffällige Werte der Messdaten. • Führen Sie Einheiten stets auf. So lassen sich z.B. Fehler in einer Rechnung leichter finden. • Notieren Sie Messfehler gleich während der Datenerhebung ins Protokollbuch, nicht nachträglich festlegen. • Bei analogen Messgeräten ist i.d.R. ½ Skalenteil der Ablesefehler. • Zahlenwerte und ihre zugehörigen Fehler mit der gleichen (und sinnvollen) Zahl an Nachkommastellen und in der gleichen 10er-Potenz angeben (z.B. P=(1,45+-0,20) W). • Diagramme immer mit Fehlerbalken und Titel versehen. • Ein Kurvenfit ist nur dann sinnvoll, wenn ein begründetes Modell vorliegt. • Datenpunkte sollten nur dann verbunden werden, wenn es z.B. in einem Diagramm mit mehreren Kurven nötig ist, zu markieren, was zusammengehört. • Begründen Sie Ihre Erwartung für Kurvenverläufe (nicht pauschal: „Die Kurve verläuft wie erwartet“). • Ziehen sie ein Fazit (etwa: Vergleich der Ergebnisse mit Literaturwerten, Verbesserungsvorschläge) 5 VERSUCH II.1: GEKOPPELTE DREHPENDEL Stichpunkte: Harmonische Schwingungen, physikalisches und mathematisches Pendel, Drehpendel, Bewegungsgleichung für das gekoppelte Fadenoder Drehpendel, Schwebung. 1. Theorie In einem gekoppelten System mit 2 Freiheitsgraden wird zwischen den Schwingern Energie ausgetauscht. Die Übertragung der Schwingungsenergie erfolgt dabei dadurch, dass das schwingende Pendel die Kopplungsfeder spannt, die dann wiederum das ruhende Pendel beschleunigt. Das ausgeübte Drehmoment ist dabei proportional zur Auslenkung der Pendel gegeneinander. Auf jedes Pendel wirken zwei Drehmomente. Eines kommt von der Winkelrichtgröße D der Spiralfedern: N1 = −Dϕ 1 N 2 = −Dϕ 2 . ϕ L D N Abb. 1: Schematische Darstellung eines Drehpendels 6 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II r Das negative Vorzeichen beschreibt das Entgegenwirken des Drehmoments N zur r Auslenkung. ϕ ist die Winkelabweichung von der Gleichgewichtslage. L ist der Drehimpuls, θ das Trägheitsmoment. Das zweite Drehmoment wird durch die Winkelrichtgröße D12 der Kopplungsfeder und die relative Verdrehung (ϕ 1 − ϕ 2 ) bewirkt: Pendel 1: − D12 (ϕ1 − ϕ2 ) Pendel 2: + D12 (ϕ1 − ϕ 2 ) . Hält man also zunächst Pendel 1 fest und lenkt Pendel 2 aus, erhöht sich das relative Drehmoment. Wenn dann Pendel 2 festgehalten und Pendel 1 in Richtung von Pendel 2 bewegt wird, verringert sich das durch die Kopplungsfeder verursachte Drehmoment wieder. Abb. 2: Zwei Drehpendel mit Kopplungsfeder. Die verschiedenen Vorzeichen für die Pendel spiegeln wieder, dass die Kopplungsfeder Pendel 2 in die Gegenrichtung von Pendel 1 „zieht“. Die Gesamtdrehmomente sind also: N1 = −Dϕ 1 − D12 (ϕ 1 − ϕ 2 ) N 2 = −Dϕ 2 + D12 (ϕ 1 − ϕ 2 ) (1) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 7 Ist θ das Trägheitsmoment jedes der beiden Pendel, so gilt: d 2ϕ 1 = θ ⋅ ϕ&&1 dt 2 d 2ϕ 2 N2 = θ = θ ⋅ ϕ&&2 dt 2 N1 = θ Daraus resultieren zwei gekoppelte Differentialgleichungen zweiten Grades: θ ⋅ ϕ&&1 = −Dϕ 1 − D12 (ϕ 1 − ϕ 2 ) θ ⋅ ϕ&&2 = −Dϕ 2 + D12 (ϕ 1 − ϕ 2 ) (2) Um das System zu lösen, kann man die Summe und die Differenz der Gleichungen betrachten: θ ⋅ (ϕ&&1 + ϕ&&2 ) = −D ⋅ (ϕ 1 + ϕ 2 ) (3a) θ ⋅ (ϕ&&1 − ϕ&&2 ) = −(D + 2D12 ) ⋅ (ϕ 1 − ϕ 2 ) (3b) Dies ist die Darstellung zweier ungedämpfter harmonischer Schwingungen. Ihnen entsprechen die Kreisfrequenzen: ω0 = ωa = D 4a) θ D + 2D12 θ . (4ab) Die allgemeinen Lösungen von (3a) und (3b) lauten somit: ϕ 1 + ϕ 2 = ϕ 0 = 2a cos(ω 0 t + α ) (5a) ϕ 1 − ϕ 2 = ϕ a = 2b cos(ω a t + β ) . (5b) Die Anfangsbedingungen bestimmen die Vorfaktoren der Winkelfunktionen. Um die Variablen ϕ 1 und ϕ 2 einzeln beschreiben zu können, bildet man wieder die Summe bzw. die Differenz der Gleichungen (5a) und (5b): ϕ 1 = a cos(ω 0 t + α ) + b cos(ω a t + β ) (6a) ϕ 2 = a cos(ω 0 t + α ) − b cos(ω a t + β ) . (6b) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 8 Differenziert man nach der Zeit, erhält man die Winkelgeschwindigkeiten: ϕ&1 = −aω 0 sin(ω 0 t + α ) − bω a sin(ω a t + β ) (7a) ϕ& 2 = −aω 0 sin(ω 0 t + α ) + bω a sin(ω a t + β ) . (7b) Nimmt man an, dass zur Zeit t = 0 beide Schwinger mit einem Auslenkwinkel uo losgelassen werden, so ist ϕ&1 = ϕ& 2 = 0 . Damit folgt aus (7a) und (7b): α , β = n ⋅ π ; n = ..., -2, -1, 0, 1, 2,... . Die Gleichungen vereinfachen sich dann zu: ϕ 1 = a cos ω 0 t + b cos ω a t (8a) ϕ 2 = a cos ω 0 t − b cos ω a t . (8b) Damit ergibt sich folgender Sachverhalt: Die Bewegung jedes Pendels ist durch zwei etwas unterschiedliche Kreisfrequenzen (ω 0 und ω a ) bestimmt. ω 0 ist die Kreisfrequenz der nicht gekoppelten Pendel ( D12 = 0 ). ω a hängt auch von der Stärke der Kopplung ab. Besonders interessant sind drei Sonderfälle: I) Gleichsinnige Schwingungen Zur Zeit t = 0 werden beide Pendel mit gleichem Winkel u0 ausgelenkt. Setzt man dies in (8a, b) ein, so ergibt sich: ϕ 1 = ϕ 2 = u 0 cos ω 0 t . Beide Pendel führen also identische Schwingungen mit ω0 aus. Das ist auch verständlich, da die Kopplung sich nicht bemerkbar macht. Die Schwingungsdauer beträgt also im Falle gleichsinniger Schwingungen: T0 = 2π ω0 . (9) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II II) 9 Gegensinnige Schwingungen Zur Zeit t = 0 werden beide Pendel in verschiedene Richtungen ausgelenkt. ϕ 1 = −ϕ 2 = u 0 . Die Rechnung ergibt in diesem Fall: ϕ 1 = u 0 cos ω a t ϕ 2 = −u 0 cos ω a t . Die Pendel führen spiegelbildliche Schwingungen mit der Kreisfrequenz ωa aus. Die Schwingungsdauer beträgt im Falle gegenphasiger Schwingungen: Ta = III) 2π ωa . (10) Schwebeschwingungen Die Fälle I) und II) beschreiben die beiden Fundamentalschwingungen dieses Systems mit zwei Freiheitsgraden. Gibt man zur Zeit t = 0 nur dem Pendel 1 eine Auslenkung u0, während das andere Pendel in seiner Gleichgewichtslage ruht (ϕ1 = u0, ϕ2 = 0), ergibt sich aus (8a, b) mit den entsprechenden Additionstheoremen ω − ω0 ω + ω0 u0 u cosω 0 t + 0 cosω a t = u 0 cos a t ⋅ cos a t 2 2 2 2 ω − ω0 ω + ω0 u u ϕ 2 = 0 cosω 0 t − 0 cosω a t = u 0 sin a t ⋅ sin a t. 2 2 2 2 ϕ1 = Ist die Kopplung schwach, so gilt (ω a − ω 0 ) << (ω a + ω 0 ) und man kann die langsam veränderlichen Größen u 0 cos ωa − ω0 2 t bzw. u 0 sin ωa − ω0 2 t als die Scheitelwerte des Winkels ϕ1 bzw. ϕ2 betrachten. Die Pendel führen also Schwingungen mit ωa − ω0 2 langsam periodisch verändert. ωa + ω0 2 aus, deren Amplitude sich mit Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 10 Die Schwingungsdauer beträgt: T+ = 4π ωa + ω0 . (11) Die Schwingungen der Pendel sind um π /2 phasenverschoben. Der typische Verlauf einer Schwebung zeigt sich dann wie folgt: Das zweite Pendel kommt jeweils dann zur Ruhe, wenn gilt: ωa − ω0 2 t = nπ , also t =n 2π ωa − ω0 (mit n = 1, 2, 3,...). Die Zeitspanne zwischen zwei aufeinander folgenden Stillständen ist demnach 2π . ωa − ω0 Da aber ϕ1 bei zwei aufeinander folgenden Stillständen des zweiten Pendels jeweils entgegengesetztes Vorzeichen hat, sind alle Phasen des Schwebungsvorganges erst nach folgender Zeit durchlaufen: TS = 4π ωa − ω0 (Schwebungsdauer) (12) Zwischen den Frequenzen ν 0 = 1 1 1 ,ν a = und ν S = gelten nach (9), (10), (11) T0 Ta TS und (12) folgende Beziehungen: ν+ = νS = (ν a + ν 0 ) (13a) 2 (ν a − ν 0 ) 2 . (13b) Als Kopplungsgrad der Pendel bezeichnet man das Verhältnis κ= D12 D + D12 . Dies lässt sich umformen zu: κ= T02 − Ta2 ν a2 − ν 02 = T02 + Ta2 ν a2 + ν 02 . (14) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 11 2. Beschreibung der Versuchsanordnung Die Pendelmassen sind an 2 gleichen Spiralfedern angebracht, die mittels einer Schraubenfeder zwischen beiden Drehachsen gekoppelt werden können. An beiden Drehpendeln ist ein Zeiger befestigt, der es erlaubt auf einer Skala den Auslenkungswinkel zu bestimmen. Durch unterschiedliche Massenbelegung der Drehpendel und verschieden starke Koppelfedern können die Parameter des Systems variiert werden. Abb. 3: Versuchsaufbau 12 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 3. Messungen und Auswertung Hinweis: Bei allen Zeitmessungen sollen zehnmal jeweils 10 Schwingungen aufgenommen werden. Ohne Kopplung soll zunächst die Schwingungsdauer T0 (bzw. die Schwingungsdauern T01 und T02 , falls unterschiedlich) der beiden Pendel gemessen werden. Bei diesen und folgenden Messungen sollten mindestens 10 Schwingungen berücksichtigt werden. Mit Kopplung werden zuerst die beiden Fundamentalschwingungen (I. und II.) angeregt und T0 bzw. Ta aus den Nulldurchgängen eines der beiden Pendel bestimmt. Danach soll der Schwebungsversuch (III.) durchgeführt werden. Dabei soll das T+ des zweiten Pendels gemessen werden. Die Schwebungsdauer TS folgt unmittelbar aus den Stillständen des zweiten Pendels. Nach (12) ist darauf zu achten, dass TS über einen Stillstand hinweg zu messen ist. Ferner soll der Kopplungsgrad der Pendel nach (14) bestimmt werden. Aufgabe 1: Abstimmung der beiden Pendel durch Anbringen von Korrekturmassen und Bestimmung der Schwingungsdauer (T01,T02) der abgestimmten Drehpendel ohne Kopplungsfeder. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 13 Aufgabe 2: Anbringen der Kopplungsfeder; Messung der 1. Eigenschwingung, ω0 = D / θ Messung der 2. Eigenschwingung, ω a = (D + 2D12 ) / θ Messung der Schwingungsdauer eines der beiden Pendel bei festgehaltenem 2. Pendel. Ω = (D + D12 ) / θ Messung der Schwebungszeit (5 Messungen à 5 Schwebungsdauern), Bestimmung von ωs Messung von T+ Aufgabe 3: Vergleichsmessung mit erhöhtem Trägheitsmoment beider Pendel. Die Zusatzmassen werden vorher durch Wiegen bestimmt. Nach dem Aufschrauben der beiliegenden Massenhälften wird Aufgabe 1) und 2) wiederholt. Auswertung 1.) Bestimmung der Trägheitsmomente der Drehschwinger, und zwar: a. der Aluminiumscheiben, θ0 = (πρh/2) R4, mit h = 0,6 cm, R = 8 cm und ρ = 2,7·103 kgm-3 b. der Zusatzmassen, θM= MR2/2, M = Masse, R = 8 cm, (die Achse habe das Trägheitsmoment θA = 8,2⋅10-5 kgm2). 2.) Aus den Messungen 1 und 2a.) erhält man die Winkelrichtgröße D der beiden Drehpendel. ω 01 = D1 / θ , ω 02 = D2 / θ , und ω 0 = D/θ Zeigt sich D1 = D2 = D? (abgestimmte gekoppelte Drehpendel) 3.) Aus den Messungen 2b.) und 2c.) bestimme man jeweils D12, die Winkelrichtgröße der Kopplungsfeder, und vergleiche die beiden Ergebnisse. 14 4.) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Bestätigen sich die beiden Gleichungen ω02 + ωa2 = 2Ω 2 , ωa − ω0 = 2ω S = Schwebungsfrequenz, wenn man die Messergebnisse einsetzt? Woher kommen die beiden Beziehungen? Die Ergebnisse der Messungen ohne und mit Zusatzmassen sind zu vergleichen (D, D1, D2, D12). 5.) Die Ergebnisse für ν + und ν S aus den direkten Messungen und die Ableitung nach (13a) und (13b) aus den gemessenen Frequenzen der Fundamentalschwingungen sollen vergleichend diskutiert werden. Beschreiben Sie die Hauptfehlerquellen und deren Auswirkungen auf die Ergebnisse. 6) Bestimmung des Kopplungsgrades der Drehpendel. Führen Sie die Punkte 1. – 6. jeweils für beide Messungen1 durch und vergleichen Sie die Ergebnisse. 1 ohne und mit Zusatzmassen 15 VERSUCH II.2: LOGISCHE SCHALTUNGEN Stichpunkte: Axiome der Schaltalgebra, elementare Logikgatter, pos. und neg. Logik, Normalformen, KV- Diagramm, Kippglieder allgemein, J- K- Flipflop, Moore- Automat Literatur: Schildt, Redlein, Kahn: Einführung in die Technische Informatik U. Tietze, Ch. Schenk: Halbleiter- Schaltungstechnik E. Haseloff: Das TTL- Kochbuch Grundlagen 1. Einleitung Logische Schaltungen sind Systeme mit nur zwei möglichen Werten ihrer Variablen. Ein Paradebeispiel dafür ist die Digitalelektronik (z.B. in Computern, Taschenrechnern oder Alarmanlagen). Man kann aber auch z.B. manche biologische, wirtschaftliche oder soziologische Prozesse als Systeme logischer Schaltungen beschreiben. Für spezielle und weniger aufwändige Aufgaben sind kleinere Schaltungen oft ausreichend und wesentlich wirtschaftlicher als der Einsatz der universellen Digitalschaltung Computer. Solche Schaltungen werden - wie im Bild links zusehen auf Leiterbahnplatten („Platinen“) zusammengesetzt aus elementaren Logikbausteinen wie z.B. die der TTL-Serie, welche als IC (Integrated Circuit) im Handel erhältlich sind. Moderne Methoden sind z.B. die Programmierung komplexerer Schaltungen auf einem einzigen IC in Form von GALs oder FPGAs sowie ihre Simulation am Computer. 16 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II In der Digitalelektronik nehmen die relevanten Systemgrößen nur zwei Spannungswerte an, z.B. 0V und +5V (dies ist der so genannte TTL- Standard). Eingänge sind typischerweise Schalter, Tastaturen, Sensoren oder die Ausgänge anderer elektronischer Schaltungen. Ausgänge sind typischerweise Kontrolllämpchen, Relais, Schrittmotoren und wiederum andere elektronische Schaltungen. In diesem Versuch werden zunächst die elementaren Logikschaltungen besprochen. Anschließend geht es um grundlegende Techniken zu Analyse und Konzeption eigener logischer Schaltungen. 2. Grundlagen 2.1 Boolesche Algebra Das mathematische Gerüst zum Berechnen logischer Schaltungen, die Schaltalgebra oder Boolesche Algebra, fußt (nach Huntington) auf folgenden Axiomen: Distributivität a ⋅b = b ⋅ a a ⋅ (b + c) = a ⋅ b + a ⋅ c a+b =b+a a + (b ⋅ c) = (a + b) ⋅ (a + c) Nullelement a⋅0 = 0 a+0= a Einselement a ⋅1 = a a +1 = 1 Komplementarität a⋅a = 0 a + a =1 Kommutativität Daraus lassen sich weitere Sätze ableiten: Assoziativität a ⋅ (b ⋅ c) = (a ⋅ b) ⋅ c a + (b + c) = (a + b) + c Adjunktivität a ⋅ ( a + b) = a a + ( a ⋅ b) = a Einzig mögliche Variablenwerte sind also 1 und 0. Die Klammern ( ) haben den üblichen Sinn. Den Oberstrich liest man als nicht, das Zeichen • als und, das Zeichen + als oder. In dieser Reihenfolge ist auch die Bindungsstärke (nach rechts abnehmend) definiert. Das Zeichen • wird oft weggelassen. Der Oberstrich (auch Negation genannt) kehrt den logischen Wert der Variable oder des Ausdrucks um, d.h. aus 0 wird 1 und umgekehrt. Alternativ findet man für und auch die Schreibweise ∧ (statt • ) und für oder ∨ (statt + ). Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 17 2.2 Grundschaltungen der Digitalelektonik In der Digitalelektonik kennt man – aus praktischen Gründen – sechs Grundverknüpfungen von zwei Eingangsvariablen a und b mit einer Ausgangsvariablen: Eingang Ausgang a b OR NOR AND NAND XOR XNOR 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 1 0 1 0 0 1 Die AND-Verknüpfung ist identisch mit dem Rechenzeichen • aus der Booleschen Algebra. Die OR- Verknüpfung entspricht + . Weiterhin kennt man noch die einstellige Verknüpfung Invertierung, das Pendant der Negation. Interessanterweise gibt es (in grundsätzlich jedem Fall) noch eine zweite Möglichkeit, die Tabelle mit den mathematischen Funktionen zu assoziieren. Umgangssprachlich formuliert ist die Forderung, dass die Ausgangsvariable nur dann 1 sei, wenn beide Eingangsvariablen 1 seien identisch mit der Forderung, dass die Ausgangsvariable dann nicht 1 sei, wenn die eine oder die andere Eingangsvariable nicht 1 seien. Mathematisch formuliert heißt dies: x AND = a ⋅ b ⋅ c ⋅ ... = a + b + c + ... Auch alle anderen Verknüpfungen lassen sich auf zweierlei Weise ausdrücken, so dass z.B. ebenfalls gilt: xOR = a + b + c + ... = a ⋅ b ⋅ c ⋅ ... und entsprechendes für die vier übrigen. Dieser Sachverhalt ist allgemein als Dualität bekannt, die beiden expliziten Beispiele heißen die Regeln von de Morgan. AND OR XOR NAND NOR XNOR INV 18 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Um Schaltpläne grafisch darzustellen benutzt man die nebenstehenden Symbole für die Grundverknüpfungen (auch Gatter genannt). Zu Behandlung von Digitalschaltungen ist es hilfreich, mal mit Tabellen, mal auf der mathematischen Ebene und mal mit den Schaltsymbolen zu arbeiten. Die drei Darstellungsarten im folgenden Beispiel sind in ihrer Aussagekraft somit völlig äquivalent: math. Formel x = a+b Wertetabelle a 0 0 1 1 b 0 1 0 1 Schaltplan x 0 1 1 1 a x b Es ergibt sich also das folgende Standardschema beim Entwurf logischer Schaltungen: I) Erstellen einer Tabelle, die die Abhängigkeit der Ausgangsvariable von den Eingangsvariablen aufzeigt II) Umschreiben der Tabellenwerte in eine mathematische Schaltfunktion und Minimierung dieser mit Hilfe der Booleschen Algebra III) Erstellen eines Schaltplans aus der minimierten Gleichung 2.3 Systembeschreibung als logische Schaltung Um das nebenstehende System von Rohren und Ventilen als logische Schaltung zu beschreiben, muss man zunächst die möglichen physikalischen Zustände der Einund Ausgangsvariablen den logischen Zuständen 1 und 0 zuordnen. Vereinbart man etwa, dass eingangsseitig ein geöffnetes a a b c x b c x Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 19 Ventil dem logischen Zustand 1, ein geschlossenes hingegen dem Zustand 0 und ausgangsseitig ein tropfendes Rohrende dem Zustand 1, kein Austropfen dem Zustand 0 entspricht, so lässt sich die Schaltung mathematisch durch x = a ⋅ (b + c) oder mit der abgebildeten Digitalschaltung beschreiben. Über die Zuordnung von physikalischem zu logischem Zustand muss also Gewissheit bestehen, d.h. sie muss im Regelfall explizit angegeben werden. Prinzipiell besteht für jede einzelne Variable Wahlfreiheit, für gleich geartete Variable (alle Ventile, alle Öffnungen etc.) ist aber oft eine einheitliche Zuordnung sinnvoll. In der Digitalelektronik (hier werden logische Schaltungen benutzt, um Elektronik zu beschreiben) treten in der Regel als physikalische Variablen sowohl auf der Eingangs- wie auch auf der Ausgangsseite ausschließlich elektrische Spannungen auf. Für die Zuordnung physikalische Variable ↔ logische Variable existieren damit zwei einheitliche Optionen, nämlich die so genannte positive Logik, wobei der logischen 1 die physikalisch höhere Spannung (H, sprich: high) und die logische 0 der niedrigeren (L, sprich: low) zugeordnet wird sowie die negative Logik mit der umgekehrten Zuordnung. Im Fall des TTL- Standards sieht das wie folgt aus: physikalisch mathematisch Pegel positive Logik negative Logik +5V 0V 1 0 0 1 3 Schaltfunktionen 3.1 Intuitiver Zugang Manchmal kann man einfache Schaltfunktionen intuitiv aufstellen. Die Regeln der Booleschen Algebra entstammen der Aussagenlogik, die Verknüpfungen von Aussagen formalisiert. Lässt sich beispielsweise umgangssprachlich die Aufgabenstellung so umschreiben: „Der Motor x soll angeschaltet werden, wenn der Sensor a aktiv und der Taster b gedrückt oder aber der Schalter c umgelegt ist“, könnte eine Realisierung als Digitalschaltung etwa durch eine AND- Verknüpfung von a und b umgesetzt werden, die am Ausgang über ein OR- Gatter mit c verknüpft ist. 20 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Beim Nachvollziehen dieses Beispiels wird deutlich, dass diese Übersetzung des obigen Satzes aufgrund sprachlicher Mehrdeutigkeiten nicht zwingend die einzige ist, da man im Deutschen z.B. nicht zwischen einschließendem und ausschließendem „oder“ unterscheidet und keine Klammern setzt. Sicherer ist das Standardschema zum Erstellen der Normalformen. Dem gleichwertig, aber komfortabler sind Karnaugh- Diagramme. 3.2 Standardschema: Normalformen Beispiel Eine zu konstruierende Digitalschaltung erfülle die unten stehende Tabelle. Es gibt (wiederum aufgrund der Dualität) zwei Möglichkeiten, diese Tabelle in eine Formel der Schaltalgebra umzusetzen: 1. OR- Verknüpfen aller Zeilen, in denen x den Wert 1 hat. Die Eingangsvariablen dieser Zeilen werden ANDverknüpft. Falls eine Variable dabei den Wert 0 hat, wird sie invertiert. Das Ergebnis nennt man die Disjunktive Normalform. 2. AND- Verknüpfung aller Zeilen, in denen x den Wert 0 hat. Die Eingangsvariablen dieser Zeilen werden ORverknüpft. Falls eine Variable dabei den Wert 1 hat, wird sie invertiert. Dieses Ergebnis heißt Konjunktive Normalform. c b a x 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 0 1 0 1 1 1 0 Sinnvollerweise wählt man natürlich diejenige Normalform aus, die im konkreten Fall zu der simpleren Formel führt, also z.B. bei mehrheitlich 0 in der Spalte der Ausgangsvariablen die DNF. Aufstellen der Normalformen aus der Beispieltabelle: x DNF = abc + abc + abc + abc x KNF = (a + b + c)(a + b + c)(a + b + c)(a + b + c) Nun kann man unter Verwendung der Booleschen Axiome algebraisch umformen: Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II x DNF = abc + abc + abc + abc x KNF = (a + b + c)(a + b + c)(a + b + c)(a + b + c) = (a + a )bc + ab(c + c) Distributivität = ((a a ) + b + c)(a + b + (cc)) = 1bc + ab1 Komplementarität Eins/ Nullelement = (0 + b + c)(a + b + 0) = bc + ab 21 = (b + c)(a + b) Beide Ergebnisse sind äquivalent: xDNF = ab + cb = ab(1 + c) + cb(a + 1) = 1⋅ ba + ca(b + b) + cb ⋅1 = ba + ca + 0 + cb = (b + c)(a + b) = xKNF 3.3 Karnaugh- Diagramm (auch: Karnaugh- Veitch- Diagramm, KV- Diagramm) Man notiert eine Matrix, deren Felderanzahl der Anzahl der Zeilen der Wertetabelle entspricht. Jede Variable teilt die Matrix auf eine andere Weise, so dass eine eindeutige Zuordnung Feld ↔ Zeile der Tabelle existiert. Der Tabelle aus Kap. 3.2 würde die hier abgebildete 2x4-Matrix entsprechen, während z.B. der sechsten Zeile der Tabelle (mit c = 1, b = 0, a = 1 ) dem linken unteren Feld (mit cba ) entspricht. Für fünf Variable (noch mehr wären zu unübersichtlich) beschriftet man den Rand zweier 4x4-Matrizen wie im Beispiel rechts und in der Tabelle unten angegeben. Der oben diskutierte Fall von drei Variablen (ohne d und e entfallen) ist als Spezialfall darin enthalten. 1 0 a b c d e Linke Spalten Rechte Spalten Äußere Zeilen Innere Zeilen Äußere Spalten Innere Spalten Obere Zeilen Untere Zeilen Tafel Nr.1 Tafel Nr.2 22 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Zum Aufstellen der DNF wird aus der Wertetabelle jede 1 in der Spalte der Ausgangsvariablen nun in das zugehörige Feld der Matrix eingetragen. Die 1erFelder fasst man dann zu Zweier-, Vierer-, Achter- oder Sechzehnerblöcken derart zusammen, dass bei der Adressierung dieser Blöcke möglichst viele Variable eingespart werden. 1er-Felder dürfen auch in mehreren, 0er- Felder niemals in Blöcken enthalten sein. Blöcke dürfen auch über Kanten zusammengefasst werden. Die zur Adressierung benötigten Variablen pro Block werden AND- verknüpft, die Blöcke schließlich OR- verknüpft. Im unserem Beispiel für die Tabelle aus Kap. 3.2 wird der obere rechte Block durch ab komplett und eindeutig adressiert, der über die Außenseiten zusammengefasste durch bc . Daraus folgt das bekannte Ergebnis x DNF = ab + bc . Um die KNF mit Hilfe von KV-Diagrammen zu erhalten, geht man komplementär vor: Man schreibt eine 0 in diejenigen Zellen, die zu Zeilen gehören, bei denen die Ausgangsvariable 0 ist. Die Adressierung der Zelle erfolgt jetzt invertiert, z.B. schriebe man für die zweite Zeile des Beispiels ( c = 0, b = 0, a = 1 ) eine 0 in die Zelle cba . Die Variablen eines 0er- Blocks werden nun OR- verknüpft, die Blöcke AND- verknüpft. 4 Kippglieder (auch: Kippstufen) 4.1 Überblick Für viele wichtige Anwendungen der Digitaltechnik sind weitere Basiselemente nötig: die Kippglieder. Man unterteilt sie nach ihrer Stabilität in a-, mono- und bistabile Kippglieder. Das astabile Kippglied - auch Multivibrator genannt - besitzt, wie der Name schon verrät, keinen stabilen Zustand. Stattdessen wechselt es ohne äußere Beeinflussung seinen Ausgangszustand (daher auch kein Eingang, sondern nur ein Ausgang) nach einem immergleichen Zeitablauf. Ein typischer Anwendungsfall ist derjenige eines Taktgebers. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 23 Das monostabile Kippglied oder der Monoflop besitzt einen stabilen Zustand. Aufgrund eines 0-1-Wechsels an seinem einzigen Eingang verlässt es diesen, um nach einer festgelegten Zeitspanne wieder in den stabilen Zustand zurückzukehren. Ein typischer Anwendungsfall ist derjenige eines Triggers. Das bistabile Kippglied oder der Flipflop hat zwei stabile Zustände und zwei Eingänge. Man benutzt es als Informationsspeicher, indem man durch ein Signal an dem einen Eingang bestimmt, ob der Ausgang des Flipflops dem Signal am anderen Eingang folgt oder nicht (was dann dem Speichern einer Information entspricht). Im letzteren Fall verharrt der Flipflop nämlich am Ausgang in dem Zustand, den er kurz vor dem Befehl zum Speichern hatte. Hier dargestellt sind die Schaltsymbole dieser Kippglieder. Die Schaltzeit von 1ns beim Monoflop ist natürlich nur ein Beispiel, ebenso der hier gezeigte D-Flipflop. 4.2 D- Flipflop Ist der Eingang C = 1 (Tor offen), so folgt der Ausgang Q dem Eingang D. Ist C = 0 (Tor geschlossen), so bleibt der Zustand des Ausgangs Q im Moment des Schließens erhalten, auch wenn D sein Signal nun ändert. Von Flipflops gibt es viele unterschiedliche Varianten. Ein Dreieck am Eingang C wie im Bild oben deutet an, dass intern ein schnell schaltender Monoflop zwischen C und das eigentliche Flipflop geschaltet ist. Das bedeutet, ein langsamer 1- Impuls am Anschluss C kommt intern als kurzer Nadelimpuls am eigentlichen Flipflop an. Das Tor ist also nur für extrem kurze Zeit nach einem Wechsel von 0 auf 1 am Eingang geöffnet. Praktisch gesehen kann also nur während des Wechsels von 0 auf 1 (statt wie bisher während der gesamten 1- Periode) am Eingang der Flipflop gesetzt werden. Man spricht von Flankentriggerung bzw. –steuerung, im anderen Fall von Zustandssteuerung. Weiterhin sind viele Flipflops als Master- Slave- Flipflops ausgeführt. 4.3 J- K- Master- Slave- Flipflop (auch: J- K- Flipflop) Man kann die Analyse seiner Funktionsweise auf zwei Arten angehen. Zunächst betrachten wir das Verhalten am Ausgang bei einer 24 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II vorgegebenen Eingangsbeschaltung. Der J- K- Flipflop ist flankengetriggert. Wir beobachten also das Verhalten für verschiedene Werte von J und K bei einer fallenden Taktflanke zum Zeitpunkt t0, d.h. einem Wechsel am C- Eingang von 1 auf 0. Warum dies in der Regel der Takteingang genannt wird, wird später klar werden. Mit t 0 − ε sei ein Zeitpunkt kurz vor, mit t 0 + ε kurz nach dem Wechsel am Takteingang bezeichnet. Die beiden Ausgänge des J- KC (t 0 ) J K Q(t0 + ε ) Q(t 0 + ε ) Name Flipflops verhalten sich Q(t 0 − ε ) Q(t 0 − ε ) Store komplementär. Der J- K- Flipflop 1 → 0 0 0 0 Set 1 speichert ebenfalls ein Bit. Bei J = K 1 → 0 1 0 0 Reset 1 = 0 ändert sich nach der Taktung 1 → 0 0 1 nichts. Diesen Betriebsmodus nennt 1 → 0 1 1 Q(t 0 − ε ) Q(t 0 − ε ) Toggle man Speichern, engl. store. Bei J = 1, K = 0 folgt der Ausgang den Eingängen, ebenso bei J = 0, K = 1. Dies entspricht der Funktion, die wir schon vom D- Flipflop her kennen. Bei J = K = 1 kehrt sich nach der fallenden Taktflanke das Signal an den Ausgängen Q und Q gerade um. In diesem Modus arbeitet der J- K- Flipflop als Frequenzhalbierer. Die Betrachtung kann man Q(t 0 − ε ) Q(t 0 + ε ) J Merkhilfe K anders herum angehen und 0 0 0 x „no jump“ fragen, welche Beschaltung an J 0 x „jump“ 1 1 und K bestimmte Vorher-/ 0 x „kill“ 1 1 Nachher- Konfigurationen am 0 „no kill“ x 1 1 Ausgang bedingen. Ein „x“ kennzeichnet einen beliebigen Wert, d.h., dort könnte sowohl 1 als auch 0 stehen. Damit lässt sich die Benennung der Eingänge anschaulich erklären (J für „jump“, also vom Ausgangszustand 0 „wegspringen“; K für „kill“, den Ausgangszustand 1 „abtöten“). Zu den Begriffen „Master“ und „Slave“: Intern ist der J- K- Master- Slave- Flipflop aus zwei einzelnen Flipflops aufgebaut, die hintereinander geschaltet sind. Der Takt wird zum ersten direkt, zum zweiten über einen Inverter geführt. Auf diese Weise erhält man einen internen Zwischenspeicher (den Master), welcher bei positiver Taktflanke das Signal an den Eingängen J und K der Gesamtschaltung einliest und anschließend intern an den nachgeschalteten Speicher (den Slave) weitergibt. Jener schreibt aber erst bei der (intern invertierten) negativen Taktflanke aus. Bei positiver Taktflanke wird also der Zustand von J und K intern abgespeichert, aber erst bei Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 25 negativer Taktflanke reagiert der Ausgang des J-K- Flipflops entsprechend. Genau diese Funktion ermöglicht es erst, große Schaltungen mit unterschiedlichen Verarbeitungszeiten zu synchronisieren – das System arbeitet „im Takt“, weshalb der C- Eingang diesen Namen trägt (von engl. clock). 5 Ausgewählte Standard-Schaltungen 5.2 Binärzähler In einem Stellenwertsystem (Gegenbeispiel: Römische Zahlen) wird eine Zahl folgendermaßen dargestellt: Z n = ∑ m i ⋅n i . Die Basis n ist im alltäglichen dezimalen n Zahlensystem n = 10 (symbolisch: d), im in der Elektronik verwendeten binären Zahlensystem n =2 (symbolisch: b). Beispiel: 13d = 1⋅101 + 3 ⋅10 0 ≡ 1101b = 1⋅ 2 3 + 1⋅ 2 2 + 0 ⋅ 21 + 1 ⋅ 2 0 Dezimal 1 10 10 0 1 2 3 1 1 1 1 1 1 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 Binär 0 3 2 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1 21 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 20 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 Diese Umrechnungstabelle zeigt gewisse Systematiken auf, die man zur Konstruktion von Binärzählern nutzt. Ein solcher wechselt pro Takt auf die nächsthöhere Binärzahl, deren Stellen durch je einen Ausgang des Binärzahlers repräsentiert werden. 26 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 5.2.1 Synchronzähler Lesart der Tabelle: Eine Binärstelle wechselt dann, wenn alle niederwertigeren Stellen auf 1 standen. An den Ausgängen Z0 bis Z3 der Flipflops liest man die Stellen 20 bis 23 der Binärzahl ab. Ob beim Takten eine Stelle umspringt (J = K = 1, Toggle) oder nicht (J = K = 0, Store), wird vom Zustand der Vorgänger- Flipflops abhängig gemacht. Der Bauteilaufwand ist etwas größer als beim Asynchronzähler, dafür erfolgen Zustandsänderungen zu fest kalkulierbaren Zeiten. Beispiel: Der vierte Flipflop wechselt seinen Ausgangszustand beim Übergang vom 7. zum 8. und vom 15. in den 0.Takt. Nur im 7. und 15. Takt sind die Ausgänge der drei ersten Flipflops 1. Diese Bedingung wird über eine AND- Verknüpfung an den Eingang des vierten Flipflops gelegt. 5.2.2 Asynchronzähler Lesart der Tabelle: Eine Binärstelle wechselt dann, wenn gleichzeitig die direkte Vorgängerstelle von 1 auf 0 wechselt. Die immer auf Toggle gesetzten FFs schalten durch eine fallende Flanke am Ausgang des Vorgängers. Der Aufbau ist im Vergleich zum Synchronzähler einfacher. Das Ausgangssignal steht aber nicht synchron bereit, sondern erst, wenn auch der letzte Flipflop umgeschaltet hat. In der Praxis folgt der Ausgang eines Flipflops einer Änderung am Eingang nämlich immer mit einer kurzen Verzögerungszeit, was hier zu einem – oft unerwünschten – Kaskadeneffekt führt. Beispiel: Nur beim Übergang vom 7. zum 8. und vom 15. zum 0. Takt wechselt der Ausgang des 3. Flipflops von 1 auf 0, was einer fallenden Flanke entspricht. Ebenso soll der vierte Flipflop bei diesen Takten seinen Ausgangszustand ändern. Also wird an den Takteingang des vierten Flipflops der Ausgang von Flipflop 3 gelegt. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 27 5.1 Schieberegister Das Schieberegister ermöglicht serielles (zeitlich versetztes) Einlesen und paralleles (gleichzeitiges) Auslesen. Bei einer steigenden Taktflanke wird die Information am Eingang eines jeden Flipflops eingelesen, bei einer fallenden ausgeschrieben. Pro vollständigen Taktzyklus wird also ein Bit um ein Flipflop weiter nach rechts transportiert. 6 Moore- Automat Eine synchron getaktete Digitalschaltung heißt Mealey- Automat, wenn die Ausgänge der Gesamtschaltung sowohl von den Flipflopausgangszuständen als auch den Eingangsvariablen abhängig sind. Im Schaltplan rechts gäbe es also Verbindungen (im Sinne einer direkten Linie oder über den Umweg eines Netzes nicht-zeitabhängiger Logikbausteine wie jene aus Kap. 2.2) der Ausgänge Aus x mit den Eingängen Ein x und der Flipflopausgänge Q x und Q x . Beispiele sind Schieberegister und Synchronzähler, der Asynchronzähler hingegen nicht. Ist im Spezialfall der Ausgang nur von den Flipflopausgängen allein abhängig, heißt die Schaltung Moore- Automat. Die Ausgänge Aus x haben hier keine direkte Verbindung zu den Eingängen Ein x, d.h. letztere können die Ausgänge nur indirekt über die Ansteuerung der Flipflops beeinflussen. Für den Moore- Automaten existiert ein universelles Konstruktionsschema, das wir am Beispiel einer Füllstandsregelung durchsprechen und parallel dazu obige Skizze zu unserer gewünschten Schaltung hin konkretisieren wollen: I) Auflisten der Ein- und Ausgangsvariablen sowie der Betriebszustände der zu konstruierenden Schaltung II) Zustandsdiagramm erstellen. Dient gleichzeitig der Kontrolle des Entwurfs; bei Unzulänglichkeiten, z.B. vergessene Variablen, zu 1) zurück 28 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II III) Jedem Betriebszustand einen Flipflopausgangszustand zuweisen IV) Beschaltung der Ausgangsvariablen bestimmen: Erstellen einer Tabelle, die jedem Betriebszustand die Zustände der Ausgangsvariablen zuordnet; minimierte Schaltfunktion erstellen V) Beschaltung der Flipflopeingänge bestimmen: Erstellen einer Tabelle anhand des Zustandsdiagramms, die die Beschaltung der Flipflopeingänge angibt; Minimieren der Schaltfunktion für die Flipflopeingänge I) Schaltungsbeschreibung Ein Druck auf den FernsteuerungsTaster (ENT) öffne den Abflusshahn (ABF). Wenn das Füllstandsniveau unter den Minimalpegel (MIN) sinke, öffne der Nachfüllhahn (NFÜ), bis die obere Marke (MAX) erreicht sei. Die Schaltung trete also in den Betriebszustand NACHFÜLLEN durch ein Signal an MIN ein und verlasse ihn durch ein eines an MAX. Die zu konstruierende Schaltung merkt sich (speichert) also den aktuellen Betriebszustand und verlässt ihn selbständig wieder. Diese Betriebszustände werden durch die Ausgänge von Flipflops repräsentiert. Wir vereinbaren die im Kasten Sensor = 1 Maximum über- bzw. Minimum dargestellte Verwendung von unterschritten Variablen. Es ist generell sinnvoll, Taster = 1 Entnahme aktiviert Variablen nach ihrer Funktion zu Ventil = 1 geöffnet benennen und „Funktion aktiv“ mit „Variable = 1“ zu assoziieren. (Wenn im Folgenden von Ein- oder Ausgangsvariablen die Rede ist, sind immer die der Gesamtschaltung gemeint – es sei denn, es ist explizit von Flipflopein- bzw. -ausgängen die Rede.) Von unserem Schaltplan kennen wir jetzt schon einmal die Einund Ausgangsvariablen. Über Anzahl und Art der Beschaltung der Flipflops ist noch nichts bekannt. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 29 II) Zustandsdiagramm erstellen Knoten (die Ovale) symbolisieren die Betriebszustände. Die Schaltung prüft jeden Takt, in welchen Betriebszustand sie als nächstes wechselt. Die Bedingungen (Eingangsvariablen- Zustände) dafür werden in der Notation der Booleschen Algebra neben die Kanten (die Pfeile) geschrieben. Die für eine konkrete Verzweigung irrelevanten Variablen können weggelassen werden. Z.B. gibt es für das Verlassen des Zustands BEREITSCHAFT relevante genaue eine Variable, nämlich ENT, für ENTNAHME hingegen zwei, ENT und MIN. Zum Überprüfen des Zustandsdiagramms kann man nachzählen, ob alle 2n mögliche Kombinationen von n relevanten Eingangsvariablen in den abgehenden Kanten jedes Knotens Berücksichtigung fanden. Am Beispiel der drei abgehenden Kanten des Zustands ENTNAHME wird anschaulich, dass, wie bei MIN = MIN ⋅ ENT + MIN ⋅ ENT , Kanten auch mehrere Kombinationen symbolisieren können und somit ingesamt die 2n- Regel greift. Da sich drei Zustände durch zwei Flipflops repräsentieren lassen, können wir unseren Schaltplan hinsichtlich dieser Information konkretisieren. III & IV) Zuordnung Betriebszustand – Flipflopzustand – Ausgangsvariablen festlegen Wir fassen aus Übersichtlichkeitsgründen die Punkte 3) und 4) zusammen. Mit n Flipflops ergeben sich 2n verschiedene Ausgangszustände. Für 3 Zustände kommt man also mit 2 Flipflops aus, die theoretisch 22 = 4 Zustände repräsentieren könnten. Den überzähligen vierten kann man einfach ignorieren, er wird nie angewählt werden. Da die Ausgangszustände beim Moore- Automat nur von den Flipflopausgangszuständen abhängen, kann man sie gleich in dieselbe Tabelle Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 30 eintragen. Die dem unbenutzten Flipflopausgangszustand Q1 = Q0 = 1 zugeordneten Ausgangsvariablenwerte sind beliebig und können beim Aufstellen der Schaltfunktion frei interpretiert werden. Betriebszustand Bereitschaft Entnahme Nachfüllen - Flipflopausgangszustand Q0 Q1 0 0 0 1 0 1 1 Ausgangsvariablen NFÜ 0 0 ABF 0 1 0 1 x 1 x Die Zuordnung Betriebszustand ↔ Flipflopausgangszustand, also Spalte 1 ↔ Spalte 2 / 3, ist willkürlich. Mit der hier gewählten Zuordnung wird aber die Zuordnung Spalte 2 / 3 ↔ Spalte 4 / 5 besonders simpel. Man erhält: ABF = Q0 und NFÜ = Q1 . V) Flipflop- Eingangsbeschaltung festlegen In eine Tabelle wird pro Kante des Zustandsdiagramms (im Beispiel 7 an der Zahl) eine Zeile eingetragen, und zwar mit Ursprungs- Betriebszustand (Ursprung des Pfeils), Zustand der Eingangsvariablen (Pfeilbeschriftung) und FolgeBetriebszustand (Ziel des Pfeils). Rechts davon trägt man die zugeordneten Werte für J und K gemäß der zweiten Tabelle aus Kapitel 4.3 ein, also z.B. J1 und K1 für den Wechsel von Q1 (t0-ε) zu Q1(t0+ε). Der Übersicht halber ist es sinnvoll, die „x“ einfach auszulassen. Q1(t0-ε) Q0(t0-ε) 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 1 1 0 0 Q1(t0+ε) Q0(t0+ε) J1 0 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 1 0 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 1 1 MAX MIN ENT 0 0 1 1 0 K1 J0 K0 0 1 1 1 0 0 0 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 31 Für J1, K1, J0 und K0 wird nun die Normalform aufgestellt, wobei diese von den alten Zuständen und den Eingangsvariablen abhängen – also den Spalten links vom Doppelstrich. Bei der Minimierung kommt man oft mit folgendem Verfahren am schnellsten zum Ziel: a) Zeilen ohne Eintrag in der Spalte der zu bestimmenden Variable (Jx bzw. Kx) können ignoriert werden. b) Variablen in Spalten links vom Doppelstrich können ignoriert werden, wenn sie in den nach a) verblieben Zeilen überall den gleichen Wert oder keinen Eintrag haben. c) Durch eine Konjunktion lassen sich weiter Teile der verbliebenen Tabelle ausschließen. d) Durch eine Disjunktion lassen sich hingegen Teile der verbliebenen Tabelle zusammenfassen. Für J1 benutzt man sinnvoller Weise die DNF. Argument a) schließt die unteren beiden Zeilen der Tabelle für J1 komplett aus; nach Argument b) fallen dann Q1 wegen nur gleicher und MAX wegen ausschließlich fehlender Einträge weg. Durch die Festlegung auf Q0 als Element einer Konjunktion schließt man die beiden obersten Zeilen aus, wo Q0 = 0 gilt. Mit der Wahl von Min wird die Zeile mit einer 1 in der Spalte von J1 vor den beiden verbliebenen (mit einer 0) ausgezeichnet, daher: J1 = Q0 ⋅ MIN . Für K1 spielen wegen a) nur die letzten beiden Zeilen eine Rolle, Max stimmt in den verbleibenden Fällen genau mit K1 überein: K1 = MAX . Für J0 entfallen wegen a) die mittleren drei Zeilen und wegen b) anschließend Q0 und Min; mit einer Konjunktion unter Beteiligung von Q1 schränkt man sich auf die oberen beiden Zeilen ein, ENT als zweites Glied der Konjunktion wählt die zweitoberste unter den verbleibenden beiden aus: J 0 = Q1 ⋅ ENT . Für K0 entfallen wieder Q0 wegen gleicher und MAX wegen fehlender Einträge im Mittelblock. Die verbleibenden beiden Zeilen mit der 1 werden durch eine Disjunktion zusammengefasst: die untere 1 durch MIN, die verbliebene durch ENT . Das Ergebnis lautet also K 0 = ENT + MIN . An dieser Stelle ist die KNF die nahe liegende Option; nach Elimination der oberen und unteren Zeilen durch a) und b) findet man schnell für die 32 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II verbliebene 0 die Bedingung K 0 = ENT ⋅ MIN . Nach den Regeln von de Morgan sind beide Ergebnisse für K0 äquivalent. Aufgaben zu Vorbereitung Aufgabe 1: Zeitablaufdiagramme Der historisch gesehen erste Flipflop war der so genannte R - S - Flipflop. Wie nebenstehend dargestellt, kann man es mit zwei über Kreuz vom Ausgang auf den Eingang zurück gekoppelten NANDGattern konstruieren. Die Kringel an den Eingängen deuten eine Invertierung der Signale an, ebenso wie die Invertierungsbalken über R und S (es gibt insgesamt eine Invertierung pro Eingang, die auf zwei Weisen angedeutet wird). Laut Beschriftung hat er zwei komplementäre Ausgänge – einen invertierten und einen nicht invertierten. Übertragen Sie folgendes Zeitdiagramm so genannter Eingangs-Testsignale ins Protokollbuch. Tragen Sie in das Diagramm bzw. direkt darunter ein Zeitdiagramm der resultierenden Ausgangszustände ein. Lassen Sie sich durch die Rückkopplung nicht verwirren – aus dem vorgegebenen Start R = S = 0 und mithilfe der Tabelle aus Kapitel 2.2 lassen sich die resultierenden Ausgangspegel eindeutig bestimmen. Übernehmen Sie folgende Tabelle und tragen Sie an Stelle der Fragezeichen die Ausgangspegel ein. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Zeitintervall t < t1 t 1 < t < t2 t 2 < t < t3 t 3 < t < t4 t4 < t Eingang Ausgang 33 Bezeichnung S R Q Q 0 1 1 0 1 0 0 1 1 1 ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? Set Store Reset Store Welche Eingangsbeschaltung führt zu einem vom Prinzip der Komplementarität abweichenden Verhalten am Ausgang? Warum wohl haben die Eingänge Invertierungsstriche im Namen und einen Kringel am Eingang (vgl. mit der Tabelle des J-K-Flipflops aus Kap. 4.3)? Anmerkung: In der Praxis findet man Flipflops oft mit kombinierten J-K- und R-SFunktionen vor (wobei R meist Clear und S Pr eset heißt). Letztere hat dabei Priorität; d.h. der Flipflop verhält sich mit R = S = 0 wie ein J-K-, sonst wie ein R-S- Flopflop. Aufgabe 2: Sequenzerkenner Um das Konstruktionsschema für den MooreAutomaten einzuüben, gilt es nun einen Sequenzerkenner zu konstruieren. Diese Schaltung überprüfe einen seriellen Datenstrom auf das Vorkommen der Bitfolge 110b. Eine mögliche Realisierung mit einem Schieberegister sähe z.B. aus wie hier dargestellt. Die Konstruktion dieser Schaltung als Mooreautomat hingegen erfolge anhand des abgebildeten Zustandsdiagramms. Die Funktionsweise ist nicht komplett identisch, denn beim Moore- Automat gebe es einen vierten Zustand ERKANNT, in den die Schaltung bei erkannter Sequenz für einen Takt wechsle, um dann zwingend im nächsten wieder zum Ausgangszustand BIT 1 bzw. BIT 2 zurückzukehren. 34 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Konstruieren Sie den Moore- Automaten und zeichnen Sie den Schaltplan. Führen Sie die Minimierung der Flipflop- Eingangs- Beschaltung sowohl algebraisch als auch mit Hilfe von KV-Tafeln aus. Durchführungshinweise In den Übungsaufgaben geht es um Analyse und Entwurf logischer Schaltungen. Zur unmittelbaren Überprüfung der eigenen Entwürfe steht das abgebildete Modulsystem zur Verfügung. Die Aufgaben bauen zum Großteil aufeinander auf. Testen Sie nach Bearbeitung jeder Teilaufgabe Ihre Lösung und führen Sie sie Ihrem Assistenten vor. Stellen Sie sicher, dass bei größeren Aufgabenkomplexen vor dem Gesamttest jeder Schaltungsteil schon für sich allein funktioniert. Da es oft mehrere mögliche Lösungswege gibt, protokollieren Sie ihren Arbeitsprozess und ihre Lösungsstrategien in sinnvollem Umfang, damit sie nachvollziehbar sind. Wechseln Sie sich beim Aufbau der Testschaltungen ab. Es hat sich als praktisch erweisen, dass nur einer steckt, während der andere z.B. die Kabel vorsortiert. Nutzen Sie die verschiedenen Farben der Kabel, um Funktionen gegeneinander abzugrenzen – etwa eine Farbe nur für den Takt usw. Arrangieren Sie die Module möglichst wie in Ihren Schaltskizzen. Fehlersuche kostet wesentlich mehr Zeit, als sich vorher gut zu organisieren. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 35 Messung und Auswertung Aufgabe 1: Sequenzerkenner Überprüfen Sie ihren Moore- Automaten aus der Vorbereitung mit dem Modulsystem. Falls dessen Funktion vom erwarteten Verhalten abweicht, machen Sie sich kurze Notizen. Fehleranalyse und Korrektur der Schaltung sind ggf. Gegenstand der Auswertung zu Hause. Vor Ort geht es in dieser Aufgabe primär um das Einüben des Umgangs mit dem Modulsystem. Investieren Sie nicht zuviel Zeit in diesen Aufgabenteil; Priorität hat Aufgabe 2. Führen Sie Ihre aufgebaute Schaltung Ihrem Assistenten vor. Auswertung zu Hause: Falls die Schaltung wie erwartet funktioniert hat, erklären Sie lediglich kurz ihre Funktionsweise. Falls beim Testaufbau Fehler auftraten, analysieren und korrigieren Sie sie und zeichnen Sie den verbesserten Schaltplan. (Anhand dieser Aufgabenstellung wird klar, dass man sich viel Nacharbeit erspart, wenn man die Schaltung sorgfältig vorbereitet!) Aufgabe 2: Spontaner Schaltungsentwurf Die konkrete Aufgabenstellung – dem Prinzip nach ähnlich dem Sequenzerkenner aus der Vorbereitung; das Zustandsdiagramm ist jedoch selbst zu entwickeln – erfahren Sie erst vor Ort. Sie enthält einen grob strukturierten Vorschlag zur schrittweisen Bearbeitung. Meist sind mehrere Lösungsmöglichkeiten denkbar und richtig, allerdings sollte die Schaltung am Ende des Praktikumstages funktionieren. Wenn Sie (z.B. beim Minimieren einer Schaltfunktion) die Lösung direkt sehen, können Sie auf das entsprechende KV- Diagramm verzichten. Notieren Sie aber kurz Ihren Gedankengang im Protokollbuch, so dass er nachvollziehbar ist. Das Zeichnen des Schaltplans ist Teil der Auswertung zu Hause, machen Sie sich jedoch während 36 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II der Arbeit ausreichend Notizen, die sie allesamt ins Protokollbuch schreiben (auch Schmierzettel). Diese Notizen werden nicht bewertet, sondern dienen dem Nachweis eigenständiger Arbeit. Neben dem Ergebnis geht auch die Arbeitseffizienz in die Bewertung mit ein. Auswertung zu Hause: Führen Sie die Konstruktion Ihrer Schaltung zu Ende, zeichnen Sie den kompletten Schaltplan und erklären Sie ihre Funktionsweise. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Anhang A Alternative Symbolnormen Obwohl die Symbole genormt sind (aktuell ist DIN 40 900 Teil 12), werden aus Gründen der Übersicht manchmal unbenutzte Ein- und Ausgänge nicht dargestellt. 37 38 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II B Die TTL- Familie Bezeichnung Funktion 7400 7404 7411 7425 7432 7445 74136 7470 74121 74150 74191 74194 74LS266 74279 74374 4 NAND mit 2 Eingängen 6 Inverter 3 AND mit 3 Eingängen 2 NOR mit 4 Eingängen 4 OR mit 2 Eingängen BCD- zu- Dezimal- Decoder 4 XOR mit 2 Eingängen JK- Flipflop mit Preset und Clear Multivibrator (als Monoflop beschaltbar) 16-zu-1 Multiplexer synchroner 4- Bit- Vorwärts-/ Rückwärts- Zähler 4- Bit- Vorwärts- /Rückwärts- Schieberegister 4 XNOR mit 2 Eingängen 4 RS-Flipflops 8 D- Flipflops 74xx 74LSxx 74ALSxx 74 Fxx 4000 74HCxx 74HCTxx Historisch älteste Schaltkreisfamilie. LS steht für Low Power Schottky- Dioden. Bilden den heutigen Standard. Advanced Low Schottky. Kürzere Schaltzeiten als LS. Fast. Sehr kurze Schaltzeiten. CMOS- Technologie. Für niedrige Frequenzen extrem niedrige Leistungsaufnahme, aber langsam. Abweichende Schaltbelegung. High Speed CMOS. Schneller als 4000- Serie. Wie 74HC, nur mit Standard- TTL- Belegung. CMOS Ausgangsstrom (mA) Speisestrom je Gatter (µA) Leistungsaufnahme je Gatter (mW) Verzögerungszeit (ns) IOLmax IOHmin ILtyp IHtyp 1 MHz 5 MHz 10 MHz tHL tLH 4000 0,44 0,44 1 1 0,7 3,5 7 9 25 74 HCT 5 5 2 2 1,3 7,5 15 6 6 TTL 74 LS 8 0,4 600 200 2 3 4,5 6 9,5 74 ALS 8 0,4 400 100 1,25 2 3 5 5 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 39 C Äquivalente Realisierungen der Boolescher Verbände Die Boolesche Algebra ist auf verschiedene mathematische Disziplinen anwendbar, deren Begriffe oft synonym verwendet werden. Speziell die Äquivalenz der Schaltalgebra zur Aussagenlogik ist oft sehr instruktiv. a 0 0 1 1 b 0 1 0 1 x0 0 0 0 0 x1 0 0 0 1 x2 0 0 1 0 x3 0 0 1 1 x4 0 1 0 0 x5 0 1 0 1 x6 0 1 1 0 XOR =1 exklusiv oder Antivalenz x7 0 1 1 1 OR ≥1 inklusiv oder Disjunktion a∨b oder auch x8 1 0 0 0 NOR PierceFunktion a∨b weder noch x9 1 0 0 1 XNOR Äquivalenz a⇔b genau dann, wenn x10 1 0 1 0 b Schaltalgebra Aussagenlogik Nullfunktion AND & und Konjunktion Identität (von a) Identität (von b) Negation (von b) Implikation (von b nach a) Mengenlehre nie Leere Menge ∅ und Durchschnitt a∩b Inklusion a⊂b a echt enthalten in b Inklusion b⊂a b echt enthalten in a Vereinigung a ∪b b nicht Komplement (von b) b nicht b b⇒a wenn b, dann a Subsumption a⊆b a enthält b a a nicht Komplement (von a) a nicht a Subsumption b⊆a b enthält a a∧b a b nur a nur b entweder oder x11 1 0 1 1 x12 1 1 0 0 Negation (von a) x13 1 1 0 1 Implikation (von a nach b) a⇒b wenn a, dann b x14 1 1 1 0 NAND Shefferfunktion a∧b nur nicht beides x15 1 1 1 1 Einsfunktion immer Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 40 D Kurzanleitung: Electina Für die Auswertung nicht erforderlich, aber äußerst hilfreich für die Nacharbeit des Versuchs zu Hause ist die Simulation logischer Schaltungen auf dem Computer, da man seinen Entwurf in der Regel sofort einem Test unterziehen kann. Auf dem ATServer der Uni Mainz, den Sie z.B. in WINDOWS über das Hilfsprogramm „Remotedesktopverbindung“ unter ats.uni-mainz.de erreichen, befindet sich – falls die Lizenz verlängert wurde – das Simulationsprogramm ELECTINA. Hierbei handelt es sich um ein Programm zur Konstruktion und Simulation von Elektronik allgemein. Um Ihre logische Schaltung auch simulieren zu können, beachten Sie bitte folgendes: - - - - Beschalten Sie die Eingänge der Bausteine nur mit den Quellen „Logisch 1“ und „Logisch 0“ aus der Registrierkarte „Quellen“. Falls Sie z.B. auch diskrete Elektronikelemente wie Widerstände, Kondensatoren etc. in die Schaltung integrieren, ist die Simulationsfunktion gesperrt. Die Simulationsfunktion wird über das Ampelsymbol in der Werkzeugleiste aktiviert. Stellen Sie vorher den Simulationsmodus von xxx für yyy (Standard) auf „DIG“ für „digital“ um. Mit einem Doppelklick auf Symbole, Beschriftungen etc. können diese umbenannt werden. Im Simulationsmodus zeigen rote und blaue Symbole an den Ausgängen der Bausteine deren logischen Zustand an. Die Taktfrequenz wird dabei auf ein benutzerfreundliches Maß herabgesetzt. Wenn Sie mehrere Taktgeneratoren mit unterschiedlichen Taktfrequenzen verwenden, werden diese im gleichen Verhältnis herabgesetzt. Schalter können während des Simulationsbetriebs per Doppelklick geschaltet werden. Das Monoflop (aufgelistet ist es unter der Registrierkarte „Multivibratoren“) macht unter ELECTINA leider Schwierigkeiten. Falls Sie eines verwenden wollen, können Sie es simulieren. Beschalten Sie es dazu mit einem separaten Takt, dessen Frequenz deutlich über der des Systemtakts liegt. Hier ein Simuationsvorschlag: Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 41 A E Q0 J E=0 J1 J A=0 0,01 TSys K0 C K K1 FF 0 C K Q1 1 1 E= A E E= 0 J0 A=1 A=0 FF 1 E=1 Zustand 0 1 2 3 Q1 0 0 1 1 A = Q0 Q0 0 1 0 1 A 0 1 0 J 1 = Q0 Q1 0 0 0 1 1 Q0 0 0 1 0 0 K1 = E E 0 1 1 0 Q1’ Q0’ 0 0 0 1 1 0 1 0 0 0 J 0 = E ⋅ Q1 J1 0 0 1 K1 J0 0 1 K0 1 0 1 K0 = 1 0 0 43 VERSUCH II.3: WÄRMEKRAFTMASCHINE Stichpunkte: Hauptsätze der Wärmelehre, Temperatur, Entropie, Freie Energie, Zustandsgrößen reversibler und irreversibler Kreisprozesse, speziell Carnotscher und Stirlingscher Kreisprozess, Wirkungsgrad von Kreisprozessen, Funktionsweise einer Stirling-Maschine als Wärmekraftmaschine, Wärmepumpe und Kältemaschine, Heißluftmotor Grundlagen Eine kurze Einführung in die Hauptsätze der Thermodynamik findet sich im Skript zum 1. Teil des Physikalischen Praktikums, Versuch 3b. 1. Thermodynamisches System Als thermodynamisches System bezeichnet man ein System von Atomen oder Molekülen, dessen Wechselwirkung mit der Umgebung im Austausch von Energie in Form von Wärme oder mechanischer Arbeit besteht. Das System kann durch physikalische Größen wie Druck, Volumen, Teilchendichte etc. beschrieben werden. Die Untersuchung der Veränderung des Zustands eines thermodynamischen Systems durch Energieaustausch mit der Umgebung führt zu den drei Hauptsätzen der Thermodynamik. Ein System heißt stationär, wenn sich die Zustandsgrößen nicht mit der Zeit verändern. Verändert sich ein System sehr langsam, so wird es näherungsweise durch eine Folge von Gleichgewichtszuständen beschrieben. Der Gleichgewichtszustand eines Systems ist eindeutig bestimmt, wenn die drei Zustandsgrößen Volumen V, Druck p und Temperatur T festgelegt sind. Die allgemeine Zustandsgleichung eines idealen Gases mit N Molekülen lautet: pV=νRT Wobei ν = N Na die Zahl der Mole angibt (Na ist die Avogadrozahl). Bei vorgegebenen Druck p und Volumen V gibt die Temperatur T die innere Energie U = 12 ν fRT des Systems an, dessen Atome oder Moleküle f Freiheitsgrade der Energieaufnahme haben. Für ideale einatomige Gase ist f = 3. Verringert man das Volumen V des Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 44 Systems bei einem Druck p um einen infinitesimalen Anteil (d.h. dV < 0), so wird dem System die Energie dW = - p dV zugeführt. Das Vorzeichen wird immer so gewählt, dass die dem System zugeführte Energie positiv gerechnet wird, weil die Energie des Systems dadurch größer wird, während die vom System nach außen abgegebene Energie ein negatives Vorzeichen erhält, weil die Energie des Systems dadurch abnimmt. 2. Der erste Hauptsatz der Wärmelehre Die einem System von außen zugeführte Wärmemenge ΔQ kann zum einen die innere Energie U und damit die Temperatur T des Systems erhöhen und zum anderen zur Expansion des Volumens V gegen den Druck p führen, wobei vom System die Arbeit ΔW geleistet wird. Damit ergibt sich die Gleichung des ersten Hauptsatzes: ΔU = ΔQ + ΔW Falls das System Wärme abgibt ist ΔQ < 0, leistet das System Arbeit so ist ΔW < 0. Der erste Hauptsatz ist also ein Energieerhaltungssatz: Die Summe der einem System von außen zugeführten Arbeit und der zugeführten Wärme ist gleich der Zunahme seiner inneren Energie. Der erste Hauptsatz für ein idealen Gas lautet: dU = dQ – pdV 3. Der zweite Hauptsatz der Wärmelehre Der zweite Hauptsatz macht eine Aussage darüber, welcher Bruchteil der Wärmeenergie eines Systems wirklich in mechanische Energie umgewandelt werden kann. Dies hängt davon ab, in welcher Richtung ein Umwandlungsprozess von alleine, d.h. ohne äußeres Zutun abläuft. Wärme fließt von selbst immer nur von einem wärmeren zum kälteren Körper, nie in umgekehrter Richtung. Ebenso stellt man fest, dass zwar mechanische Energie vollständig in Wärme umgewandelt werden kann, dass aber beim umgekehrten Prozess nur ein Teil der Wärme in Arbeit umgeformt wird. Der zweite Hauptsatz der Wärmelehre verhindert die direkte Umwandlung von Wärme in mechanische Energie. Man kann vier äquivalente Versionen des zweiten Hauptsatzes nennen: Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 45 • Ein Perpetuum Mobile zweiter Art ist unmöglich. • Bringt man zwei Körper unterschiedlicher Temperatur miteinander in Berührung, so fließt Wärmeenergie vom Körper höherer Temperatur zu dem niederer Temperatur. • Es gibt keine periodisch zwischen zwei Temperaturen arbeitende Maschine mit einem höheren Wirkungsgrad als dem der Carnot-Maschine. • In einem abgeschlossenen System kann die Entropie nicht abnehmen. 4. Entropie Die Entropie ist anschaulich ein Maß für die innere Unordnung eines Systems. Die thermodynamische Wahrscheinlichkeit P (nota bene: Großes P wie „Probability“ bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, kleines p wie „pressure“ bezeichnet den Druck), dass ein System einen bestimmten Zustand annimmt, wächst mit der Unordnung in den Ortskoordinaten und Geschwindigkeiten der Teilchen in diesem Zustand. P ist die Anzahl der mikroskopischen Zustände, die ein System im Gleichgewicht annehmen kann. Die Entropie eines Systems ist definiert als: S = k ln P (Definition der Entropie) Wobei k die Boltzmann-Konstante ist. In einem abgeschlossenen System verläuft jeder spontane Prozess unter Zunahme der Entropie. Bei einem isentropischen Prozess ändert sich die Entropie nicht. Dies ist bei Adiabaten der Fall. 5. Reversible und irreversible Prozesse Ein Prozess heißt reversibel, wenn bei seiner Umkehrung der Ausgangszustand wieder erreicht wird, ohne dass Änderungen in der Umgebung zurückbleiben. Bei einem reversiblen Kreisprozess bleibt die Entropie erhalten: ΔS = 0. Die gesamte Entropie aller am Prozess beteiligten Körper bleibt konstant. Ein Vorgang heißt irreversibel, wenn seine Umkehr zum Ausgangszustand nur unter äußerer Einwirkung möglich ist. Bei einem irreversiblen Prozess vergrößert sich die Entropie: ΔS > 0. 6. Zustandsänderungen von Gasen Im Folgenden betrachten wir Zustandsänderungen zwischen einem AusgangsZustand 1 mit Druck p1, Volumen V1, Temperatur T1 und einem Endzustand 2 mit Druck p2, Volumen V2 und Temperatur T2. 46 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II Für ein ideales Gas sind die wichtigsten Zustandsänderungen: • isothermer Prozess: Temperatur T konstant, damit pV = konstant innere Energie U bleibt konstant Wärme: Q12 = RT ln ( ) V2 V1 Volumenänderungsarbeit: W12 = − RT ln ( ) V2 V1 • isochorer Prozess: Volumen V konstant Wärme: Q12 = Cv (T2 - T1) Volumenänderungsarbeit: W12 = 0 • isobarer Prozess: Druck p konstant Wärme: Q12 = Cp (T2 - T1) Volumenänderungsarbeit: W12 = p (V2 – V1) • adiabatischer oder isentroper Prozess: Entropie S konstant p V χ = konstant (χ = Adiabatenfaktor) System tauscht keine Energie mit der Umgebung aus (Q = konstant) Wärme: Q12 = 0 Volumenänderungsarbeit: W12 = C V (T2 − T1 ) = Dabei sei die Stoffmenge konstant 1 mol (ν = V Vm p 2V 2 − p1V1 χ −1 = 1) CP ist die Wärmekapazität bei konstantem Druck, CV die Wärmekapazität bei konstantem Volumen. Im pV-Diagramm sind die Isothermen Hyperbeln, die Adiabaten haben eine größere Steigung. Kreisprozesse Durchläuft ein System eine Folge von Zustandsänderungen, so dass der Endzustand wieder mit dem Anfangszustand übereinstimmt, so handelt es sich um einen Kreisprozess. Ein rechtsläufiger Kreisprozess liegt vor, wenn die Zustandsänderungen im pVDiagramm im Uhrzeigersinn durchlaufen werden. Beim Kreisprozess in der Abb. rechts wird während der Expansion von 1 nach 2 Volumenänderungsarbeit nach außen abge- Druck p 7. 1 2 Volumen V Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 47 geben, die der Fläche unter der oberen Kurve entspricht. Insgesamt wird also bei einem rechtsläufigen Kreisprozess mehr Arbeit abgegeben als zugeführt. Die je Umlauf nach außen abgegebene Nutzarbeit entspricht dem Flächeninhalt der vom Kreisprozess eingeschlossenen Figur im pV-Diagramm. Das Kreisintregral über alle Änderungen der inneren Energie ist null, da die innere Energie als Zustandsgröße nach einem vollen Umlauf wieder den Anfangswert annimmt. Dies bedeutet, dass sich die je Zyklus abgegebene Nutzarbeit aus der Differenz der zu- und abgeführten Wärmen ergibt. Bei einem linksläufigen Kreisprozess wird die Figur im pV-Diagramm im Gegenuhrzeigersinn durchlaufen. Da hierbei die abgegebene Expansionsarbeit stets kleiner ist als die zugeführte Kompressionsarbeit, läuft der Prozess nur, wenn mit Hilfe eines Motors periodisch mechanische Arbeit zugeführt wird. Tabelle 1 zeigt eine Gegenüberstellung der Eigenschaften von rechts- und linksläufigen Kreisprozessen. Umlaufsinn Rechtsläufig Wärmefluss Wärme wird bei hoher Tempe- Wärme wird bei tieferer Temratur aufgenommen und bei peratur aufgenommen und bei tieferer Temperatur abgegeben hoher Temperatur abgegeben Mechanische Differenz von zu- und abgeführter Wärme wird als mechanische Nutzarbeit abgegeben Differenz von zu- und abgeführter Wärme muss als mechanische Arbeit zugeführt werden Verbrennungsmotor, Heißluftmotor, Wärmekraftmaschine Wärmepumpe, Kältemaschine Arbeit Beispiele Linksläufig Tabelle 1: Eigenschaften von Kreisprozessen 8. Carnot’scher Kreisprozess: Der Carnot’sche Kreisprozess macht eine quantitative Aussage darüber, welcher Bruchteil der Wärmeenergie eines Systems maximal in mechanische Arbeit umgewandelt werden kann. Beim Carnot’schen Kreisprozess durchläuft ein thermodynamische System eines idealen Gases durch Expansion und nachfolgende Kompression zwei isotherme und zwei adiabatische Prozesse, bis es wieder in den Ausgangszustand zurückgebracht ist. Das pV-Diagramm des Carnot-Prozesses ist in 48 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II Abb.1 dargestellt. Am Startpunkt hat das System den Druck p1, das Volumen V1 und die Temperatur T1. Die Stoffmenge des Arbeitsstoffes sei konstant 1 mol (ν = 1). Abb. 1: Carnot’scher Kreisprozess im pV-Diagramm. (aus: Hering, Martin, Stohrer) Zustand 1 → 2: isotherme Kompression Die vom System bei der tieferen Temperatur T1 abgegebene Wärmemenge Q12 ist gleich der am System geleisteten Arbeit W12: W12 = −Q12 = RT1 ln ( )>0 V1 V2 Zustand 2 → 3: adiabatische (isentrope) Kompression Die bei der Kompression in das System gesteckte Arbeit W23 ist gleich der Zunahme seiner inneren Energie. Die Temperatur steigt dabei von T1 auf T3. ΔU = ΔW23 = - Cm (T3 – T1) Zustand 3 → 4: isotherme Expansion Die in das System hineingesteckte Wärmemenge Q34 ist gleich der Arbeit W34, die das System bei der Expansion nach außen abgibt. Es gilt: Q34 = −W34 = RT3 ln ( )>0 V4 V3 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 49 Zustand 4 → 1: adiabatische (isentrope) Expansion Die nach außen abgegebene und daher negative Ausdehnungsarbeit ΔW23 ist gleich der Abnahme der inneren Energie ΔU = - ΔW41 = Cm (T3 – T1) Die Temperatur fällt dabei von T3 auf T1. Arbeitsstoff dieser Carnot-Maschine ist ein ideales Gas und bei den reversiblen Prozessen wurden alle Energieverluste vernachlässigt. Reale Maschinen haben unvermeidliche Verluste, die durch Reibung der Kolben, innere Reibung des nichtidealen Gases, Wärmeleitung etc. entstehen. Dies wird den Wirkungsgrad der Maschine verringern. Es gibt keine periodisch arbeitende Maschine, deren Wirkungsgrad höher ist als der der Carnot-Maschine. Der Carnot-Prozess lässt sich technisch nicht realisieren, da zu viele widersprüchliche Eigenschaften in einem System vereinigt werden müssten. Thermischer Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses Der thermische Wirkungsgrad η setzt den Nutzen, also die abgegebene Arbeit W, im Verhältnis zum Aufwand, also der zugeführten Wärme |Qzu|. Für den Carnot-Prozess erhält man: η = W Q zu = (T 3 − T 1 ) T3 Hierbei ist T1 die tiefere Temperatur, T3 die höhere. Man kann den thermischen Wirkungsgrad also erhöhen, indem man die Temperaturdifferenz vergrößert. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 50 9. Stirling’scher Kreisprozess p p1 p2 3 T1 2 4 T2 V1 1 V2 V Abb. 2: Stirling-Prozess in pV-Diagramm. Das Arbeitsmedium beim Stirling-Prozess (R. Stirling, 1790 bis 1878) ist ein Gas (meistens Luft). Abbildung 2 zeigt den Prozess im pV-Diagramm. Die Wärmezufuhr erfolgt bei der isochoren Erwärmung (von Zustand 2 nach 3) und der isothermen Expansion (von Zustand 3 nach 4). Die während der isochoren Abkühlung abgegebene Wärme ist betragsmäßig so groß wie die bei der isochoren Erwärmung zugeführte: Q23 = -Q41. Gelingt es, die abgegebene Wärme Q41 zwischenzuspeichern und bei der isochoren Erwärmung wieder dem System zuzuführen, dann muss von außen her nur noch die Wärme Q34 zugeführt werden, und der thermische Wirkungsgrad erreicht den Wert des Carnot-Prozesses. Der Stirling-Prozess kann nach Abb. 3 näherungsweise so realisiert werden, dass ein Arbeitskolben und ein Verdrängerkolben, um 90° phasenverschoben, auf eine Kurbelwelle arbeiten. Der Verdrängerkolben schiebt die Luft im Zylinder hin und her und bringt sie abwechselnd in Kontakt mit dem heißen bzw. kalten Teil der Maschine. Der Regenerator (Wärmespeicher) besteht aus Metallspähnen oder Kupferwolle, die beim Durchströmen der heißen Luft Wärme aufnimmt und diese nachher wieder an die durchströmende kalte Luft abgegeben. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 3 4 4 1 1 2 2 51 3 Abb. 3: Arbeitsprozess eines Heißluftmotors. Ein Demonstrationsmodell für den Stirling-Prozess ist der Heißluftmotor. Im Deckel ist eine Glühwendel eingebaut, die als elektrische Wärmequelle dient. Die Wärmesenke wird mit Kühlwasser realisiert, das den unteren Teil des doppelwandigen Zylinders durchfließt. Der Heißluftmotor kann bezüglich des thermischen Wirkungsgrades bislang nicht mit Verbrennungsmotoren konkurrieren, weil die interne Wärmeübertragung (Q41 → Q23) nur unvollkommen gelingt. In Tabelle 2 sind einige ideale Kreisprozesse dargestellt, die technischen Anwendungen zugrunde liegen. Tabelle 2: Technische Kreisprozesse. 52 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II Beschreibung des Versuchsaufbaus 1. Aufbau des Heißluftmotors Der Heißluftmotor besitzt zwei Kolben, von denen der eine, der Arbeitskolben, den Zylinderinhalt periodisch komprimiert und expandiert. Der zweite Kolben, der Verdrängerkolben, weist einen axialen Kanal auf, der mit Kupferwolle gefüllt ist. Durch den Kanal hindurch sind die Gasanteile des Zylinderinhaltes oberhalb und unterhalb des Verdrängerkolbens miteinander in Verbindung. Abb. 4: Aufbau des Heißluftmotors, 1: Arbeitskolben, 2: Verdrängerkolben, 3: Regenerator (Kupferwolle) Der Zylinder wird in seinem unteren Teil, in welchem sich der Arbeitskolben bewegt, mit Wasser gekühlt. Der Oberteil des Zylinders kann mittels einer am Zylinderdeckel befestigten Heizwendel beheizt werden. Es stehen weitere Zylinderdeckel zur Verfügung, durch die z. B. ein kleines Reagenzglas in das Zylinderinnere eingeführt werden kann. Beim Normalbetrieb als Wärmekraftmaschine wird das Zylinderoberteil ständig elektrisch beheizt und so auf hoher Temperatur gehalten, während das Zylinderunterteil wassergekühlt ist und sich somit auf niedriger Temperatur befindet. Das Arbeitsgas wird vom Verdrängerkolben periodisch von heißen zum kalten, bzw. vom kalten zum heißen Zylinderteil bewegt, was ohne Volumenänderung vor sich Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 53 geht. Deshalb kann das Geschehen im Heißluftmotor näherungsweise vom StirlingKreisprozess beschrieben werden. 2. Stirling-Kreisprozess im Heißluftmotor als Wärmekraftmaschine Beim Stirling-Kreisprozess wird das Arbeitsgas bei niedriger Temperatur isotherm komprimiert und anschließend isochor (bei konstantem Volumen) aufgeheizt. Bei hoher Temperatur expandiert das Arbeitsgas isotherm und wird anschließend isochor abgekühlt. Während der Phase der isochoren Erwärmung wird das Arbeitsgas durch die (heiße) Kupferwolle des Verdrängerkolbens aufgeheizt – unter Abkühlung der Kupferwolle. Während der isochoren Abkühlung strömt das Arbeitsgas erneut durch die (nunmehr kalte) Kupferwolle und wird dabei abgekühlt – unter Erwärmung der Kupferwolle. Die Kupferwolle hat also die Aufgabe eines Wärmespeichers, der das Arbeitsgas auf die ursprünglichen Bedingungen (heiß bzw. kalt) zurückbringen, dieses Gas also regenerieren soll. 3. Heißluftmotor als Kältemaschine Bei dem oben beschriebenen Normalbetrieb leistet der Heißluftmotor laufend Arbeit. Unterbleibt jedoch die Beheizung des Zylinderkopfes und wird der Heißluftmotor jetzt durch einen Elektromotor angetrieben, dann wird ihm Arbeit zugeführt. Erfolgt der Antrieb durch den Elektromotor im gleichen Drehsinn wir im Normalbetrieb als Wärmekraftmaschine, dann wird dem Zylinderkopf von Kreisprozess Wärme entzogen, so dass dieser sich abkühlt. Diese entzogene Wärme wird an das Kühlwasser abgegeben, vergrößert durch die der zugeführten mechanischen Arbeit entsprechende Wärme: Der Heißluftmotor arbeitet jetzt als Kältemaschine. 4. Heißluftmotor als Wärmepumpe Beim Elektromotorantrieb im entgegengesetzten Drehsinn wird dem Zylinderkopf vom Kreisprozess Wärme zugeführt, während dem Kühlwasser Wärme entnommen wird. Auch die dem Kreisprozess zugeführte mechanische Energie wird als Wärme an den Zylinderkopf abgegeben, dessen Temperatur beträchtlich ansteigt: Der Heißluftmotor arbeitet dann als Wärmepumpe. 5. Messung der abgegebenen Leistung der Wärmekraftmaschine Zur Messung der abgegebenen Leistung wird ein Kupferband über den zylindrischen Dorn, der auf der Nabe des Schwungrades liegt, gelegt. In die Öse des Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 54 Kupferbandes wird ein Kraftmesser eingehängt. Der Motor wird durch Ziehen am Kraftmesser abgebremst und mit dem Drehzahlmesser die Drehzahl erfasst. Zur Leistungsmessung verwendet man Heizspannungen von 16–18V, im Normalbetrieb kann die Heizspannung auf 12V gesenkt werden. 6. Wirkungsgrad des Heißluftmotors als Wärmekraftmaschine Der Wirkungsgrad der Wärmekraftmaschine lässt sich aus der elektrischen Leistung bestimmen, die der dem System über die Glühwendel zugeführt wird, und aus der abgegebenen mechanischen Leistung. Dabei gilt: η = ( ) P1 P2 P1: abgegebene Leistung P2: elektrisch zugeführte Leistung Eine Möglichkeit zur Messung der abgegebenen Leistung ist das Abbremsen der Wärmekraftmaschine mit einem um die Achse des Schwungrades gelegten Kupferband, an dem eine Kraft F angreift, die mit einem Kraftmesser gemessen wird. Die Achse hat einen Radius von r = 1,25cm. Bei einer Umdrehungsfrequenz f ergibt sich für die abgegebene Leistung P1: P1 = 2 π r f F Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung der abgegebenen Leistung ist wie bereits erwähnt die Fläche unter dem pV-Diagramm. 7. Aufnahme des pV-Diagramms Zur Aufnahme eines pV-Diagramms des Arbeitsprozesses ist der Heißluftmotor an einen pV-Indikator (Drehspiegelmanometer) angeschlossen. Druck und Volumen werden über die Drehung eines Spiegels in beide Richtungen erfasst. Eine Lampe wird so auf den Spiegel gerichtet, dass die Drehung des Spiegels auf einem Schirm sichtbar wird. Das Volumen wird über eine Angelschnur, die mit dem Arbeitskolben verbunden ist, erfasst. Es wird im pV-Diagramm auf der horizontalen Achse dargestellt. Der Druck wird über eine Druckmessöffnung am Kolben gemessen, sie wird auf den Schirm in vertikaler Richtung dargestellt. Da die Spiegel- und Schirmposition nicht fest sind, ist eine Kalibration notwendig. Zur Druckkalibration wird eine mit Manometer ausgestattete Luftpumpe an den Kolben Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 55 angeschlossen und die Auslenkung auf dem Schirm bei gegebenem Druck markiert. Das maximale Volumen im Kolben beträgt 140cm³. Mit diesem Wert und dem Nullpunkt kann die Volumenachse kalibriert werden. Aus der Fläche unter dem pVDiagramm kann man mit Hilfe dieser Kalibration die geleistete Arbeit berechnen. Aufgaben zur Vorbereitung 1. Beschreiben Sie kurz die Wirkungsweise einer idealen Stirling-Maschine in Abhängigkeit von der Drehrichtung als Wärmepumpe, Kältemaschine und Wärmekraftmaschine. Leiten Sie die jeweiligen Formeln für den Wirkungsgrad bzw. die Gütezahl dieser drei Arbeitsweisen der Stirling-Maschine her. 2. Berechnen Sie den Wirkungsgrad einer idealen Wärmekraftmaschine mit StirlingProzess (siehe Abb. 2) mit den Eckwerten: p1 = 2 bar, p2 = 1 bar, V1 = 60 cm³, V2 = 120 cm³. Zeichnen Sie ein pV-Diagramm für diese Maschine und bestimmen Sie daraus graphisch (per Abzählen) die mechanische Arbeit (Energie). Welchen Verlauf im pV-Diagramm erwarten Sie für den realen Kreisprozess (Skizze mit Begründung!)? Hinweise zur Versuchdurchführung: Vor jedem Anwerfen des Heißluftmotors überprüfen, ob beide Kolben frei beweglich sind! Kühlwasser muss beim Betrieb als Wärmekraftmaschine laufen! Die Heizspirale darf nie beim Stand des Motors bis zur Rotglut glühen, immer sofort unterbrechen. Die Heizwendel darf nicht mit mehr als 20 V belastet werden! Reagenzglas nicht aus seiner Halterung nehmen! Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 56 Aufgabe 1: Betrieb des Heißluftmotors als Wärmepumpe und Kältemaschine Der Zylinderdeckel mit dem Reagenzglas wird in den Arbeitsraum eingebaut. Das Reagenzglas wird mit ca. 0,5 cm3 Wasser gefüllt. Der Heißluftmotor wird mit dem Elektromotor als Kältemaschine in Betrieb genommen und das Gefrieren des Wassers beobachtet. Aufgabe 2: Betrieb des Heißluftmotors als Wärmekraftmaschine Hinweis: Die maximale zulässige Spannung an der Heizwendel beträgt 20 V!, die normale Betriebsspannung: ca. 16-18 V Anleitung: Der Zylinderdeckel mit der Heizwendel wird eingebaut und das Strom- und Spannungsmessgerät zur Bestimmung der elektrischen Leistungsaufnahme angeschlossen. Der ohmsche Widerstand der Heizwendel beträgt ca. 0,9 Ω Welche der beiden möglichen Verschaltungen der Messgeräte ist in diesem Fall vorzuziehen? Warum? Beim Glühen der Heizwendel den Heißluftmotor in der richtigen Drehrichtung (welche?) sofort anwerfen. Der eigenständige Betrieb der Maschine stellt sich nach einigen Minuten ein. Was passiert in der Anlaufphase? Bestimmung des Wirkungsgrades mit einem Kupfer-Bremsband a) Bestimmen Sie die abgegebenen Leistung Betriebsspannungen und gleicher Drehzahl bei zwei verschiedenen Das Bremsband aus Kupfer in 1-2 Windungen um die Achse des Schwungrades legen und die Kraft mit einer Federwaage messen. Dabei ist gleichzeitig die Drehzahl mit dem Drehzahlmesser zu messen. b) Drehzahlabhängigkeit der abgegebenen Leistung Bestimmen Sie bei einer geeigneten Betriebsspannung (am besten einen Wert aus 2a nehmen) die abgegebene Leistung bei 10 verschiedenen Drehzahlen mit Hilfe des Kupfer-Bremsbandes. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 57 Bestimmung des Wirkungsgrades aus dem pV-Diagramm c) Nehmen Sie zwei pV-Diagramme bei den unter 2a) gewählten Parametern auf Die Lampe (Betriebsspannung 4V) auf die Spiegel des pV-Indikators richten und den Schirm so aufstellen, dass das pV-Diagramm möglichst groß und deutlich sichtbar ist und den Verlauf auf dem Schirm nachzeichnen. Den Aufbau dann nicht mehr verändern, da sonst die Kalibrierung sinnlos wird. d) Kalibrierung des pV-Diagramms Die Kalibrierung der Druckskala erfolgt mit Hilfe der mit einem Manometer ausgestatteten Luftpumpe. Die Kalibrierung der Volumenachse ergibt sich aus dem Hubvolumen des Heißluftmotors von 140cm3. Auswertung 1.) a) Beschreiben Sie kurz Ihre Beobachtungen beim Gefrieren des Wassers. Was passiert beim Erstarrungsprozess? b) Beschreiben Sie kurz Ihre Beobachtungen während der Einlaufphase und erklären Sie diese. 2.) Berechnen Sie für alle Werte aus 2b) die mechanische Leistung und stellen Sie diese in einem Diagramm dar. Gehen Sie in der Fehlerbetrachtung insbesondere darauf ein, weshalb beim Heißluftmotor im Versuch kein idealer Stirling-Prozess vorliegt. 3.) Vergleichen Sie das gemessene pV-Diagramm mit dem eines idealen Stirling-Prozesses. Worauf lassen sich die Unterschiede zurückführen? 4.) Bestimmen Sie jeweils Leistung und Wirkungsgrad aus beiden pV-Diagrammen und beiden Bremsversuchen aus 2a). Wie erklären Sie die erheblichen Abweichungen? 58 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 59 VERSUCH II.4: POTENZIALFELDER Stichpunkte: Elektrostatisches Potenzial, Bewegung geladener Teilchen elektrischen Feldern, Brechungsgesetz der Elektronenoptik, elektrolytischer Trog in Geometrische Elektronenoptik 1 Das Brechungsgesetz für Elektronen In einem Plattenkondensator, d.h. einer Zone der Dicke d, herrscht das Feld E. Dies lässt sich als Übergang zwischen zwei Gebieten 1 und 2 mit den Potenzialen U1 und U2 auffassen, die sich gerade um E unterscheiden. Abb.1: Zum Brechungsgesetz der Elektronenoptik Wenn man statt der Platten zwei leitende Netze N1 und N2 verwendet, können geladene Teilchen, z.B. Elektronen, die Anordnung transmittieren. Im Gebiet 1 haben die Elektronen die Geschwindigkeit v1 und somit die Energie W1 = m⋅v12/2; diese entspricht dem Potenzial U1 = W1/e = m⋅v12/2e. Da die Elektronen im Kondensator mit der Spannung ∆U = U2 - U1 beschleunigt werden, haben sie im Gebiet 2 die Energie W2 = m⋅v22/2 = e⋅U2. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 60 Das Feld E wirkt nur in der y-Koordinate und ändert daher auch nur die entsprechende Komponente der Elektronengeschwindigkeit (Abb. 1), die xKomponente ist in 1 und 2 dieselbe: vx1 = vx2. Wir bilden den Sinus der Ein- und Ausfallswinkel α1 und α2: sinα 1 v x1 / v 1 v 2 = = sinα 2 v x 2 / v 2 v 1 . Dieses Verhältnis lässt sich allein durch die Energien, d.h. die Potenziale U1 und U2 ausdrücken: U2 sin α 1 = sin α 2 U1 , es hängt aber nicht vom Winkel ab. Dies entspricht der Lichtbrechung. Einem Gebiet mit dem Potenzial U (gemessen immer gegen den Potenzialnullpunkt als Startwert der Elektronen) kann man eine Brechzahl n ~ U zuordnen. Dann nimmt das Brechungsgesetz die übliche Form an, bei der nur die Verhältnisse der Brechzahlen interessieren. 2 Krummes Licht In der Teilchenoptik ändert sich das Potenzial häufig nicht sprunghaft, sondern stetig, etwa beim Durchlaufen von spannungsführenden Blenden. Hier knickt die Elektronenbahn nicht abrupt, sondern krümmt sich. Abb.2: Elektronenkrümmung Wenn die Elektronen unter einem Winkel α gegen die Feldrichtung fliegen, dann beschleunigt die Feldkomponente E⋅cos α dann das Elektron, die Komponente E⋅sin α krümmt seine Bahn. Letztere erzeugt nämlich eine Zentripetalkraft eE⋅sin α = m⋅v2 / R, also eine Bahnkrümmung. 1 eE sinα = R mv ² (1) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 61 Wegen m v2 / 2 = e U und E sinα = dU / dy kann man auch schreiben 1 1 dU = R 2U dy (2) Auch diese Krümmung hängt also nicht vom Winkel ab, sondern nur von den Potenzialen. Bei Licht gilt dasselbe, wenn die Brechzahl n stetig vom Ort abhängt. Man sieht das am besten im Wellenbild. Ein Stück einer Wellenfront von der Breite db laufe an einem seiner Enden (,,rechts") in einem Medium mit der Brechzahl n, am anderen Ende (,,links") sei die Brechzahl n + dn. In einer hinreichend kurzen Zeit dt ist die Welle dann rechts um c cdt ⎛ dn ⎞ dt ≈ ⎟ ⎜1 − n + dn n ⎝ n ⎠ c dt , links um n fortgeschritten. Die Front ist also etwas nach links umgeschwenkt. Die Verlängerungen der Wellenfronten treffen sich nach Abb. 3 in einem um R entfernten Punkt. Man liest ab db / R = dn / n oder 1 1 dn = R n db (3) Dies ist das Krümmungsmaß der Lichtstrahlen, die ja an jeder Stelle auf der Wellenfront senkrecht stehen. Am größten ist die Krümmung, wenn der Lichtstrahl senkrecht zum Gradienten der Brechzahl steht. Wenn hingegen ein Winkel ϕ zwischen Strahlrichtung und n-Gradient liegt, ist die Krümmung um den Faktor sinϕ kleiner als der maximal mögliche Wert. Die Äquivalenz mit (Gl. 2) folgt aus dem Strahlensatz dn / n = d (ln n) = ½ d (ln U) = dU / 2U. 62 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II db R c n+dn c n dt ϕ dt Gradient von n Abb. 3: Krümmung eines Lichtbündels in einem Gradienten der Brechzahl. Ausbreitung senkrecht (oben) bzw. schräg (unten) zum Gradienten dϕ R ϕ + dϕ n+dn n dr ϕ ds Abb. 4: Krümmung von Lichtstrahlen oder Elektronenbahnen in einem Medium (Feld) mit stetig veränderlicher Brechzahl 3 Elektrische Elektronenlinsen Um mit elektrostatischen Feldern eine Linse für geladene Teilchen zu konstruieren, muss die Radialkomponente des Feldes proportional um Radius sein. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 63 } Linse Transversal r a = vx dt1 b = vx dt2 Radial Abb. 5 Dies erkennt man anhand folgender Überlegung: Ein von links (siehe Abb. 5) einfallendes Teilchen habe den Transversalimpuls r py1 = m vy1 = m dt . 1 Im Bereich der Linse erfährt es einen Kraftstoß F ∆t = ∆p. Danach hat es den Impuls r py2 = -m dt . 2 Daraus folgt: ⎛ 1 1 ⎞ ⎛ 1 1⎞ F ∆t = ∆p = -py1 + py2 = -mr ⎜⎜ dt + dt ⎟⎟ = -mrvx ⎜ a + b ⎟ ⎠ ⎝ 2 ⎠ ⎝ 1 Das Linsengesetz verlangt nun 1 1 + = const. ⇒ F ~ r ⇒ E ~ r. a b Setzt man nun die Rotationssymmetrie des elektrischen Feldes um die z-Achse (siehe Abb. 6) voraus, so kann man zeigen, dass die Radialkomponente Er die geforderte Proportionalität besitzt. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 64 r Er Ez (z + dz) z dz Abb. 6: Zur Berechnung der Radialkomponente Er eines rotationssymmetrischen Feldes. Für den Fluss des elektrischen Feldes durch die Oberfläche des eingezeichneten Volumenelements gilt (keine Ladung eingeschlossen): r r ∫ E ⋅dA = 0 = π r2 Ez (z + dz) - π r2 Ez(z) + 2 π r dz Er Dabei wurde angenommen, dass Ez nicht von r abhängt. Dies gilt in guter Näherung für achsennahe Gebiete. Ez (z + dz) kann also entwickelt werden: E z (z + dz) ≈ E z (z) + ⇒ 0 = π r2 dE z dz dz dEz 1 dEz dz + 2 πr dz E r ⇒ E r = r∝r dz 2 dz Dies ist die Proportionalität, mit der das Linsengesetz erfüllt wird. Zwei Kondensatoren aus gewölbten Netzen, die entsprechend Abb. 7 aneinandergesetzt werden, grenzen einen linsenförmigen Innenraum mit dem Potenzial U2 = U1 + U vom Außenraum mit U1 ab. Die beiden Übergangszonen zwischen den Netzen wirken auf Elektronen wie eine Glaslinse mit der Brechzahl n = U 2 /U 1 gegen die umgebende Luft mit n =1 auf Licht. Diese Linse hat die Brechkraft: ⎞⎛ 1 1 ⎞ 1 ⎛ 1 1 ⎞ ⎛ U2 = (n − 1)⎜ + ⎟ = ⎜⎜ − 1⎟⎟⎜ + ⎟ f ⎝ r 1 r 2 ⎠ ⎝ U 1 ⎠⎝ r 1 r 2 ⎠ Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 65 Abb. 7: Elektronendoppelschichtlinse Über die elektrischen Spannungen lässt sich die Brechkraft der Elektronenlinse in weiten Grenzen ändern. Feldstörungen durch die einzelnen Drähte im Netz sind aber sehr groß. Da es nur auf die Wölbung der Potenzialflächen ankommt, kann man diese aber auch auf andere Art ohne störende Leiter erzeugen, z.B. mit Lochblenden oder unterbrochenen Rohrlinsen um die Ausbreitungsstrecke herum. Allerdings entspricht ein Feld wie in Abb. 9 keiner durch Kugelflächen begrenzten einheitlichen Glaslinse, sondern besteht aus Schichten mit verschiedenen Potenzialen U, also verschiedenen Brechzahlen n, wie übrigens auch unsere Augenlinse. Das System von Abb. 8 mit negativer linker Platte wirkt wie ein Elektronen-Hohlspiegel. Die Elektronen treten sofort nach Verlassen einer Quelle, die auf der linken Platte liegen würde, ins Feld, also in das brechende System ein. Dies entspricht einem Lichtobjektiv mit Immersionstropfen davor. Daher spricht man auch von Immersionslinsen, im Gegensatz zu den Einzellinsen, die in einem feldfreien Raum stehen, so dass Elektronen in weiter Entfernung vor und hinter der Linse beiderseits geradlinig fliegen. Abb. 8: Äquipotenzialflächen zwischen einer Platte und einer kreis- förmigen Lochblende, zwischen denen eine Spannung besteht. 66 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II Abb. 9: oben: Äquipotenzialflächen im Feld einer Einzellinse, unten: Rohrlinse (a) und ihr optisches Analogon (b) In Abb. 9 sei das rechte Rohr auf positiverem Potenzial. Dann wirken die nach links gewölbten Potenzialflächen sammelnd, die nach rechts gewölbten zerstreuend; weil die Elektronen nach rechts schneller werden, ist die zerstreuende Ablenkung schwächer als die sammelnde: Die Rohrlinse entspricht dann dem darunter dargestellten optischen Linsensystem mit gleich starker Sammel- und Zerstreuungslinse. Wie in der Optik tritt das Prinzip der starken Fokussierung auf: Die Kombination von fokussierender und defokussierender Linse gleicher Stärke im geeigneten Abstand ist fokussierend. (Überlegen Sie sich warum dieses Prinzip gilt) Wenn man alle Spannungen einschließlich der Beschleunigungsspannung im gleichen Verhältnis ändert, z.B. halbiert, ändern sich nach (Gl. 2) die Brechzahlverhältnisse nicht, ebenso wenig die Elektronenbahnen. Auch die Parameter Ladung und Masse der Teilchen kommen in (Gl. 2) nicht vor. Ein Elektronenmikroskop ist daher im Prinzip auch für Protonen oder Deuteronen einsetzbar. 4 Quadrupol-Potenzial und Ionenfallen Um Teilchen in einem gewissen Raumbereich zu lokalisieren, also „gefangen“ zu halten, muss von allen Seiten eine rücktreibende Kraft ausgeübt werden. Für den Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 67 einfachsten Fall einer Kraft, die proportional zum Abstand von der Ruhelage anwächst, gilt dann sogar ein „Hook'sches Gesetz“ in allen drei Raumdimensionen: r r F∝r. Generell wird für geladene Teilchen (z. B. Ionen) ein Kraftfeld von einem elektrischen Potenzial φ induziert, und es muss gelten r r ∇φ ∝ r . In einem ladungs- und elektrodenfreien Raumbereich muss ebenso die homogene Poisson-Gleichung (≡ Laplace-Gleichung) erfüllt sein Δφ = 0 . Dies wird von folgendem einfachen Ansatz gelöst r φ (r ) = a ⋅ x 2 + b ⋅ y 2 + c ⋅ z 2 . Einsetzen in die Laplace-Gleichung liefert für die Parameter die Bedingung a+b+c = 0. Wie man sofort sieht, ist diese Bedingung nicht mit a, b, c > 0 zu lösen, vielmehr muss ein relatives Minuszeichen in den Koeffizienten für die drei Raumrichtungen auftauchen. Dies entspricht dem Satz von Gauß, der unter anderem besagt, dass alle Feldlinien, die in ein ladungsfreies Gebiet eindringen, aus diesem auch wieder herauskommen müssen. Der Gauß’sche Satz ist demnach auch Hintergrund des Ausspruchs: „Es gibt in einem statischen elektrischen Potenzial keine stabile Gleichgewichtslage.“ Um nun also doch Elektronen oder Ionen in einem begrenzten Raumbereich speichern zu können, muss man an zumindest einem der Parameter „statisch“ oder „elektrisch“ drehen. Es kann also entweder ein zeitabhängiges elektrisches Potenzial oder ein zusätzliches magnetisches Feld verwendet werden. Eine mathematisch korrekte Beschreibung dieser Ansätze sprengt allerdings den Rahmen dieses Skriptes und wir verweisen hier (für Interessierte) auf die zahlreichen Lehrbücher und Abhandlungen, die sich mit der Theorie der Paulfalle, bzw. der Penningfalle befassen. Möglichkeiten, die Gleichung a + b + c = 0 zu lösen, sind im Wesentlichen: 68 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 1. a = −b , c = 0 . Diese Lösung ergibt ein zweidimensionales Feld, die dritte Koordinate ist feldfrei. Im statischen Fall ist eine Koordinate fokussierend, die zweite defokussierend; im dynamischen Falle zeitabhängiger Felder folgt aus dem Prinzip der starken Fokussierung dann eine zweidimensionale Speicherung in einem Führungsfeld. Da die Kraft massenabhängig ist, entsteht dabei das sogenannte Quadrupolmassenfilters, bzw. die lineare Ionenfalle nach Wolfgang Paul. 2. a = b , c = −2a . Zwei Raumrichtungen fokussieren, eine defokussiert bzw. andersherum. Bei dieser Lösung ergibt sich im zeitabhängigen Fall oder beim Einsatz eines zusätzlichen Magnetfelds zur Kompensation der Defokussierung eine dreidimensionale radialsymmetrische Ionenfalle (z. B. Paulfalle, Penningfalle). Im Folgenden beschränken wir uns auf den einfacheren Spezialfall der linearen Ionenfalle. Hierbei ignorieren wir die dritte Dimension, in der die Teilchen ihre Anfangsbewegung ungestört weiterführen. Aus der Lösungsmöglichkeit (1.) erhalten wir also folgende Beziehung: φ ( x, y ) = a ⋅ (x 2 − y 2 ) Dieses Potenzial ist in Abbildung 10 dargestellt. Abb. 10: Potenzial der linearen Ionenfalle Man sieht deutlich, dass φ ( x, y ) eine fokussierende ( x -) und eine defokussierende ( y -) Richtung hat, wir haben ein Sattelpotenzial: der Mittelpunkt ist hier bezüglich der y -Richtung instabil. Um insgesamt einen speichernden Effekt zu erhalten, muss statt dem stationären Potenzial eine Wechselspannung angelegt werden. Wenn dann die Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 69 fokussierende und nicht fokussierende Richtung hinreichend schnell wechselt, bleibt das träge Ion in der Mitte durch starke Fokussierung gespeichert. Eine Projektion der Äquipotenzialflächen aus Abb. 11 auf die x − y -Ebene ist in Abb. 10 dargestellt. Es ergibt sich das typische Potenziallinienbild eines Quadrupols. Abb. 11: Bild der Äquipotenzialflächen in der x − y -Ebene; dickere Linien stehen für höheres Potenzial. ( ) Die Äquipotenziallinien sind aufgrund der Bedingung x 2 − y 2 = const. Hyperbeläste. Zur Erzeugung des Feldes müssten insbesondere auch die Elektroden der Quadrupolgeometrie hyperbelförmig sein. Da eine Fertigung hyperbelförmiger Oberflächen aber sehr aufwändig ist, werden die Elektroden in vielen Anwendungen durch Viertelkreise genähert. Dies ist auch hier im Versuch der Fall. Die beobachteten Äquipotenziallinien unterscheiden sich allerdings nur sehr geringfügig von denen des idealen Quadrupols. (Für die Auswertung: Für wie gut halten Sie diese Approximation?) 5 Der Elektrolytische Trog Betrachten wir zur Veranschaulichung der Wirkungsweise eines Elektrolytischen Trogs ein einfaches Beispiel: Einen Plattenkondensator in einem Elektrolyten (z.B. Leitungswasser). 70 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II Abb. 12: Plattenkondensator in elektrolytischer Lösung. r Zwischen den Platten bildet sich ein homogenes magnetisches Feld E aus, das (aufgrund der elektrischen Leitfähigkeit σ des Elektrolyten) eine homogene r Stromdichte j nach sich trägt, dies ist Ausdruck der lokalen Form des Ohm’schen Gesetzes: r r j =σ E . r U Wegen E = gilt für die Potenzialdifferenz zwischen den Platten: d r jd r U= Ed= . σ An einem beliebigen Punkt zwischen den Platten, im Abstand d ' zur Bezugsplatte misst man also (wegen der Homogenität): U '= r j d' σ . Auf diese Weise lassen sich also Äquipotenziallinien an jedem beliebigen Punkt zwischen den Platten bestimmen. Man kann das Wasser gewissermaßen als kontinuierlichen Ohm’schen Widerstand auffassen, an dem man über eine bestimmte Strecke den auftretenden Spannungsabfall misst. Das Prinzip lässt sich leicht auf beliebige Elektrodensysteme verallgemeinern. Anhand der letzten Formeln erkennt man auch, dass die Leitfähigkeit der verwendeten Flüssigkeit endlich sein muss. Für σ ≈ 0 würde man eine viel zu starke Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 71 Abhängigkeit der Spannung vom Ort erhalten, und müsste mit Hochspannung (!) messen, um brauchbare Ergebnisse zu erzielen. Ist σ hingegen zu groß, so wird die Ortsabhängigkeit sehr schwach, und man misst fast überall das gleiche Potenzial (die Platten sind schließlich durch einen Leiter verbunden). Im Experiment stellt sich heraus, dass die äußerst geringe Leitfähigkeit von Leitungswasser ausreicht, um den Verlauf der Äquipotenziallinien auch bei geringer Spannung gut ausmessen zu können. Ein Vergleich zur Leitfähigkeiten von zwei typischen Leitern gibt: Leitungswasser Kupfer Spezifische Leitfähigkeit σ S 1 = Einheit: m Ωm 3 − 200 ⋅ 10 −3 58,1 ⋅ 10 6 Silber 62,5 ⋅ 10 6 Um Polarisationsspannungen (bzw. Elektrolyse) im Elektrolyten zu vermeiden, wird im Versuch mit Wechselspannung gearbeitet. Es wird eine Rechteckspannung angelegt (Warum?). Natürlich können mit dem Elektrolytischen Trog beliebige Elektrodenquerschnitte in beliebiger Anordnung vermessen werden. Dies gilt auch, wenn mehr als zwei Elektroden vorliegen (siehe z.B. Aufgabe II). Das oben dargestellte Prinzip bleibt dabei immer das gleiche. Abb. 13: Vereinfachte Schaltskizze für ein beliebiges Elektrodensystem. 72 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II Aufgaben zur Vorbereitung: 1. Diskutieren Sie im Protokoll zum Haupttestat das Messprinzip der Apparatur. 2. Wie bestimmt man die Trajektorien von Elektronen die mit einer Geschwindigkeit v0 = 0 an der Kathode starten und sich in dem Feld von Aufgabe II (a) bewegen? Die Elektronen sollen sich hierbei im Vakuum bewegen? 3. Welche Feldgeometrien (Feldverläufe und Äquipotenziallinien) sind für die im Versuch auftauchenden Elektrodenkonfigurationen zu erwarten? Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 73 Aufgabe I: Feld zwischen zwei gegensätzlichen Ladungen Konstruieren Sie für die beiden Kugelelektroden mindestens Äquipotenziallinien durch eine manuelle Messung. (Verbinden der Messpunkte!) (a) 3 U U Sonde Abb. 13: Schaltung mit Kugelkalotten Aufgabe II: Beschleunigungslinse (a) Positives Wehneltpotenzial. U UAnode UKathode Sonde Anode Wehnelt Kathode Abb. 14: Schaltung bei positivem Wehneltpotenzial. Die Kathode definiert den Potenzialnullpunkt. Die beiden Wehneltelektroden werden über einen Spannungsteiler angeschlossen. Nehmen Sie mindestens 6 Äquipotenziallinien auf, die das Feld möglichst gut darstellen. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 74 (b) Negatives Wehneltpotenzial. Gegenüber Aufgabe (a) werden die Potenziale von Wehnelt und Kathode vertauscht. Der Bezugspunkt der Sonde ist nun der Wehneltzylinder, der nun in Bezug zur Kathode negatives Potenzial hat. (Achtung: Wegen der verwendeten Wechselspannung werden die Potenziale ohne Vorzeichen ausgegeben.) Verfahren Sie wie unter Aufgabe a). U UAnode UWehnelt Sonde Anode Wehnelt Kathode Abb. 15: Schaltung bei negativem Wehneltpotenzial. Auswertung: Für Aufgabe II (a) bestimme man die Bahnen und Geschwindigkeiten von Elektronen, die von mindestens 3 verschiedenen Stellen der Kathode mit Geschwindigkeit Null starten. Die Immersionslinse befinde sich dabei im Vakuum. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 75 Aufgabe III Untersuchung eines Quadrupolfeldes: Aufbau des Quadrupols: Abb. 16: Schaltskizze zum Quadrupolfeld Man bestimme wie in Aufgaben I und II (unter Berücksichtigung der Symmetrie des Aufbaus) den Verlauf von mindestens acht Äquipotenziallinien. Auswertung: 1. Zeichnen Sie alle Symmetrieachsen in das Messbild ein, und schätzen Sie daraus einen Gesamtfehler ihrer Messung als Funktion des Ortes ab (Angabe in mm). Diskutieren Sie mögliche Fehlerquellen. 2. Zeichnen Sie qualitativ Feldlinien in das Messbild des Potenzials ein, und bestimmen Sie daraus die fokussierende und defokussierende Richtung der entsprechenden linearen Ionenfalle. 3. Vergleichen Sie Ihre gemessenen Linien mit denen aus Abbildung 10 im Skript. 76 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 77 VERSUCH II.5: ELEKTRISCHER SCHWINGKREIS Stichpunkte: freie, gedämpfte und erzwungene Schwingungen, elektrischer Schwingkreis, logarithmisches Dekrement, Güte, Resonanzkurven, Halbwerts-weite, Phasenverschiebung, Lissajous-Ellipse, komplexe Widerstände ACHTUNG: Zur Versuchsdurchführung wird ein USB-Stick benötigt! Grundlagen Im Folgenden finden Sie eine geschlossene Darstellung der elektrischen Schwingungen und Wechselströme. Lesen Sie sie vollständig durch und merken sich im 2. Durchgang die für die Versuchsdurchführung wichtigen Abschnitte und Formeln. 1 Die freie, gedämpfte elektrische Schwingung Schalten wir eine Kapazität C, eine Induktivität L und einen Ohm'schen Widerstand R zu einem Stromkreis zusammen (s. Abb. 1), und sei zum Zeitpunkt t = 0 eine Ladung ± Q0 auf den beiden Kondensatorplatten aufgebracht, so pendelt diese Ladung periodisch in Form einer gedämpften Schwingung zwischen diesen Kondensatorplatten mit einer Kreisfrequenz ω hin und her. Dabei wandelt sich zweimal pro Periode, also mit der Frequenz 2ω, die im Kondensator gespeicherte elektrische Feldenergie Ee 1 Q2 1 2 = = Uc C 2 C 2 in magnetische Feldenergie (1) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 78 Em = 1 2 1 &2 LI = LQ 2 2 (2) um. C L R E B +Q0 -Q0 I Abb. 1: Freier gedämpfter Reihenschwingkreis (RSK) aus Kapazität C, Induktivität L und Ohm'schen Widerstand R. Das elektrische Feld E und das magnetische Feld B sind die Träger der im Kondensator bzw. der Induktivität gespeicherten elektromagnetischen Energie. Dabei ist Uc die elektrische Spannung auf dem Kondensator; der Strom I im Kreis ist per definitionem gleich der Zeitableitung der Ladung Q auf dem Kondensator. Dieser Wechsel entspricht dem von potentieller und kinetischer Energie bei der mechanischen Schwingung. Ebenso wie dort die Reibung, so bewirkt hier der Ohm'sche Widerstand R eine Dämpfung der Schwingung, in dem er der gespeicherten elektrischen Energie die Leistung P = RI 2 = RQ& 2 (3) in Form von Joule'scher Wärme entzieht. Aus dieser Energiebilanz gewinnen wir sofort die Differentialgleichung (DGL) der gedämpften freien elektrischen Schwingung, in dem wir entsprechend dem Energiesatz die zeitliche Änderung der Gesamtenergie gleich Null setzen: dEgesamt dt d = dt & ⎛ 1 &2 1 Q2 ⎞ && + QQ + RQ& 2 = 0 ⎜⎜ LQ + ⎟⎟ + RQ& 2 = LQ& Q . 2 C ⎠ C ⎝2 (4) Division durch den Strom I = Q& führt auf eine Bilanz von Spannungen im Stromkreis der Abb. 1 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II && + LQ Q + RQ& = LI& + UC + RI = 0 C 79 (5) Sie addieren sich nach der Kirchhoff’schen Maschenregel zu Null. Dividieren wir weiter durch L und ordnen die Terme nach den Ableitungen, so erhalten wir die so genannte Normalform der Schwingungsgleichung & && + R Q& + 1 Q = Q && + Q + ω 2 Q = 0 Q 0 L LC τ (6) mit der Zeitkonstanten der Dämpfung τ = L R (7) und der Frequenz der freien ungedämpften Schwingung ω0 = 1 LC . (8) Im Idealfall der ungedämpften Schwingung (R = 0) lautet die Lösung von (6) Q( t ) = Q0 cos ω0 t (9) mit der Anfangsbedingung für die Schwingungsamplitude der Ladung Q( t = 0 ) = Q0 . (10) Im Realfall Ohm'scher Verluste (R > 0) hat (6) die explizite Lösung −t Q( t ) = Q0 cos ωt ⋅ e 2 τ (11) mit der jetzt reduzierten Schwingungsfrequenz ω = ω02 − 1 4τ² . (12) Dies gilt unter der Voraussetzung, dass der Radikand in (12) positiv bleibt, der Dämpfungswiderstand R also nicht zu groß bzw. τ nicht zu kurz wird (Beweis durch Einsetzen in (6)). Andernfalls wechselt der Schwingfall in den Kriechfall. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 80 Man charakterisiert die relative Dämpfung einer Schwingung im Verhältnis zur Schwingungsdauer T = 2π 1 = υ ω (13) durch das so genannte logarithmische Dekrement δ = T 2τ . (14) Es besagt, dass die Schwingungsamplitude während einer Periode um den Bruchteil abnimmt: Q(t + T ) Q(t ) = e −δ , bzw. δ = ln Q(t ) Q(t + T ) . (15) Häufiger als δ benutzt man den hierzu reziproken Begriff der Güte q = π = ωτ ≈ ω0 τ , δ (16) also das Produkt aus Kreisfrequenz und Zeitkonstante. Bei relativ schwacher Dämpfung darf man die Näherung auf der rechten Seite von (16) benutzen. Wegen ihrer quadratischen Abhängigkeit von der Schwingungsamplitude wird die Schwingungsenergie nicht nur mit der doppelten Frequenz zwischen Kapazität und Induktivität ausgetauscht, sondern sie geht auch mit einer doppelt so steilen e-Funktion, also wie e-t/τ verloren. Wir können die freie gedämpfte Schwingung experimentell beobachten, in dem wir z.B. in den Reihenschwingkreis (RSK) einen Rechteckgenerator einführen, der mit einer Periode TR >> τ einen gewissen Spannungspegel U0 ein- und ausschaltet (s. Abb. 2). In beiden Schaltzuständen soll der Spannungsgenerator einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Dämpfung haben. Da diese Voraussetzung bei dem gegebenem Innenwiderstand Ri = 50 Ohm des Generators nicht gegeben ist, belasten wir ihn parallel mit einem sehr kleinen Widerstand Rp << Ri, Ra (s. Abb. 2). Dann gilt für den gesamten Ohm'schen Widerstand im Schwingkreis R = Ra + RL + Ri R p ( Ri + R p ) ≈ Ra + RL + R p , (17) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 81 der auch in allen folgenden Formeln als R bezeichnet ist. Ra ist der zugeschaltete Widerstand (100Ω bzw. 220Ω), RL ist der Widerstand des Spulendrahts (13Ω); für Rp wählen wir 10Ω. RS U U Rp U0 FG C L, RL Uc Ra 0 Osz T 2 t Abb. 2: Links: Schaltbild zur Messung der freien gedämpften Schwingung eines RSK; FG = Funktionsgenerator im Rechteckmodus, RS = Relaisschalter, Osz = Oszilloskop. Rechts: Anstoßende Rechteckspannung und gedämpfte Schwingspannung am Kondensator des RSK. Q( t ) mit Hilfe C eines Oszilloskopes parallel zur Kapazität. Das Oszilloskop hat einen sehr großen Eingangswiderstand von 106Ω = 1MΩ, belastet also den Schwingkreis nicht. Die gedämpfte Schwingung (11) beobachten wir als Spannung U C (t ) = 2 Resonanz der erzwungenen Schwingung im Reihenschwingkreis (RSK) Wir gehen im Prinzip von derselben Schaltung wie in Abb. 2 aus, betreiben aber jetzt den Funktionsgenerator nicht im Rechteck-, sondern im Sinus-Modus, der dem Reihenschwingkreis (RSK) zusätzlich die äußere Spannung U (t ) = U 0 cos ωet (18) einprägt und ihn zu einer Schwingung auf der von außen vorgegebenen Erregerfrequenz ωe (nicht zu verwechseln mit dem ω der freien, gedämpften Schwingung aus (12)) anregt. Die zugehörige Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung des RSK gewinnen wir, in dem wir in die Kirchhoff’schen Maschengleichung (5) jetzt auf der rechten Seite die äußere eingeprägte Spannung (18) einsetzen: Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 82 . (19) Division durch L bringt (19) zurück in die Normalform . (20) Auch die DGL der erzwungenen elektrischen Schwingung ist formgleich mit den aus der Mechanik bekannten. Wir stellen sie in Tabelle 1 zusammen, aus der man die Entsprechung der einzelnen Größen erkennt. Durch Freistellen der zweiten Ableitung, d.h. Division durch m bzw. θ oder L, können sie alle in die Normalform mit ω0 und τ als charakteristische Größen überführt werden. Man nennt solche Schwinger daher im Allgemeinen harmonische Oszillatoren. Typ DGL sich entsprechende Größen Lineare Federschwingung mx&& + ρx& + Dx = F ( t ) Masse (m) Drehfederschwingung && + ρϕ& + Dϕ ϕ = N( t ) Trägheitsθϕ Reibungskoeffizient (ρ) Reibungsmoment (θ) koeffizient (ρ) && + RQ& + Q = U ( t ) Induktivität elektrischer LQ C (L) Serienschwingkreis Elektrischer Widerstand (R) Federkonstante (D) Erregende Kraft (F(t)) Richtmoment Erregende Drehmoment (Dϕ) (N(t)) (Kapazität)-1 (1/C) erregende Spannung (U(t)) Tabelle 1: DGL‘s erzwungener mechanischer und elektrischer Schwingungen (harmonische Oszillatoren) Wir interessieren uns in der Hauptsache für die so genannte stationäre Lösung von (20), also den eingeschwungenen Zustand, der sich nach Zeiten t >> τ nach Einschalten der Wechselspannung einstellt. Messen wir wieder anstelle von Q die Spannung am Kondensator mit dem Oszilloskop, so sehen wir eine Wechselspannung, deren Amplitude als Funktion der Erregerfrequenz ωe ein Maximum, die so genannte Resonanzkurve, durchläuft. Mit wachsender Frequenz verzögert sich auch die Phase (α) von Uc gegenüber der Erregerspannung und zwar bis zum Resonanzpunkt um π 2 und darüber hinaus schließlich um π. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 83 Die exakte eingeschwungene Lösung von (20) lautet, bezogen auf die Spannung am Kondensator, Q( t ) ω02 U C (t) = = U 0 cos(ωe t − α ) = U C0 (ωe ) cos(ωe t − α ) 2 2 C (ωe − ω02 ) 2 + ωe τ 2 (21) Abb. 3a: Stationäre Amplitude der erzwungenen Schwingungen als Funktion der Erregerfrequenz beim Resonanzdurchgang bei schwächerer (1) und stärkerer (2) Dämpfung (Gl.(21)). mit der Phasenverschiebung ⎛ ⎞ ⎟ ⎟. − τ ( ω ω ) 0 e ⎝ ⎠ α = arctan⎜⎜ ωe 2 2 (22) Abb. 3b: Phasenverzögerung der Schwingungsamplitude eines harmonischen Oszillators gegenüber dem Erreger als Funktion der Frequenz (Gl.(22)). Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 84 Der Bruch in (21) beschreibt das Resonanzverhalten. Für sehr kleine Frequenzen ω → 0 strebt er gegen 1; am Kondensator herrscht dann nach Amplitude und Phase die Erregerspannung (auch α strebt dann gegen 0 gemäß (22)). Das ist verständlich, 1 denn der kapazitive Widerstand RC = ωC (s. u.) dominiert dann den RSK. Bei ω = ω0 erreicht der Bruch in (21) den Wert ω0τ ≅ q (vgl. (16)). Um diesen Faktor ist dann die Spannung am Kondensator gegenüber der Erregerspannung überhöht. Für τ → ∞, also verschwindender Dämpfung (R → 0) wächst damit auch UC über alle Grenzen (so genannte Resonanzkatastrophe). Bei endlicher Dämpfung wird die Maximalspannung am Kondensator aber nicht bei ω0, sondern etwas darunter erreicht bei ω max = ω 02 − 1 1 1 ) ≈ ω0 1 − ≈ ω 0 (1 − 2τ ² 2 q² 4q2 (23) Die Näherungen rechts gelten für schwache Dämpfung, also große Güte q. Entsprechend ist auch der exakte Wert der Resonanzüberhöhung etwas verschieden von der Güte q, wie sie in (16) definiert ist: ω02τ 1 UC (ω max ) = ≈q+ ≈q . 4q UC (ω = 0) ω max (24) Bei den relativ hohen Güten im Versuch liegen die Abweichungen im Bereich unserer Messgenauigkeit. Auch die Schärfe der Resonanz, d.h. das Verhältnis aus Resonanzfrequenz ω0 und Linienbreite der Resonanz Δω ist näherungsweise durch die Güte bestimmt ω0 ≈ q . Δω (25) Δω der Abstand rechts und links von der Resonanzfrequenz, bei der die 2 1 Amplitude auf den Bruchteil des Maximalwerts abgefallen ist. Die Näherung in 2 Dabei ist ± (25) gilt für scharfe Linien. In der Umgebung der Resonanz können wir dann in der Wurzel von (21) (ω 2 − ω 02 )2 = (ω − ω 0 )2 (ω + ω 0 )2 ≅ (ω − ω 0 )2 (2ω )2 setzen, einen ω2 ω aus der Wurzel herausziehen und schließlich noch einmal 0 ≅ ω 0 nähern ω τ und erhalten (21) in der Form Faktor Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II ω0 τ UC ( t ) ≈ ( 2τ( ω − ω0 ))2 + 1 85 U0 cos( ωt − α ) . Hier erkennt man sofort, dass der Nenner bei ( ω − ω0 ) = ± (26) 1 von 1 auf 2τ 2 angewachsen ist. 3 Komplexe Lösungen stromwiderstand der Schwingungsgleichungen und Wechsel- Von der Richtigkeit unserer Lösungen (11) und (21) für die freie bzw. erzwungene Schwingung des RSK können wir uns durch Einsetzen in die zugehörigen DGL‘s (6) und (20) überzeugen. Das Finden dieser Lösungen und auch der weitere Umgang mit ihnen wird aber wesentlich leichter, wenn wir sie ins Komplexe erweitern. Hierzu ergänzen wir die Cosinus-Funktion durch einen imaginären Sinusanteil zum gleichen Argument und schreiben beides nach der Eulerschen Formel in eine Exponentialfunktion um: cos ω t + i sinω t = e iωt . (27) Eine gedämpfte Schwingung lässt sich dann in der Kurzschrift Qe ( −γ / 2 + iω )t = Q0 e zt (28) mit einer Anfangsamplitude Q0 und einer komplexen Zahl z als Parameter darstellen. Einsetzen in (6) und differenzieren führt auf eine quadratische Bestimmungsgleichung für z ω02 + z + z2 = 0 τ (29) mit den Lösungen z± = − 1 ± 2τ 1 − ω02 . 2 4τ (30) Für schwache Dämpfung ist der Radikand negativ und die imaginäre Wurzel wird zur 1 γ aus (28) ergibt sich zu wie gehabt in Frequenz ω (12) und die Zerfallskonstante 2 2τ (11). Die physikalischen Messgrößen identifiziert man in der Regel mit dem Realteil der komplexen Lösung und lässt den Imaginärteil beiseite. Das ist legitim, weil jeder Teil für sich alleine eine Lösung der DGL darstellt. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 86 Bei starker Dämpfung wird die Wurzel reell und schwächt die Dämpfung ab bzw. verstärkt sie je nach Vorzeichen der beiden Lösungen. Sie entsprechen dem Kriechfall, für den wir uns hier nicht interessieren. Noch hilfreicher als bei der freien gedämpften Schwingung ist die komplexe Schreibweise bei der erzwungenen Schwingung. Dazu müssen wir als erstes die erregende Wechselspannung ins Komplexe erweitern ~ U = U 0 e iωt . (31) Als Variable der eingeschwungenen Lösung ist es nun wesentlich zweckmäßiger, den Strom statt der Ladung zu wählen mit dem Lösungsansatz I% = I 0 ei (ωt −ϕ ) . (32) Daraus gewinnen wir die Ladung durch Integration ~ Q = ∫I e i ( ωt − ϕ ) 0 dt = 1 ⎛i ⎞ ~ I 0 e i ( ωt − ϕ ) = −⎜ ⎟ ⋅ I , iω ⎝ ω⎠ (33) sowie deren zweite Ableitung durch Differenziation d && ~ ~& ~ Q = I = ( I 0 e i ( ωt − ϕ ) ) = iω I . dt (34) Gehen wir mit diesen Ergebnissen in die DGL (19), so können wir den Wechsel~ strom I ausklammern und erhalten wie beim Ohm'schen Gesetz einen linearen Zusammenhang zwischen Strom und Spannung ⎛ 1 ⎞⎞ ~ ~ ~ ⎛ ⎜⎜ R + i ⎜ ωL − ⎟ ⎟⎟ ⋅ I = Z I = U ωC ⎠ ⎠ ⎝ ⎝ (35) mit einem Widerstand als Koeffizienten, der aber jetzt komplexwertig ist. Wir nennen ihn den Wechselstromwiderstand Z. Sein Realteil ist wie gehabt der Ohm'sche Widerstand R, während Induktivität und Kapazität jetzt als rein imaginäre Widerstände Z L = iωL, ZC = − i ωC (36) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 87 auftreten, und zwar mit entgegengesetztem Vorzeichen entsprechend einem ~ ~ Phasenunterschied von π zwischen den zugehörigen Spannungen U L und UC . Wir können Z auch durch Betrag und Phase ausdrücken 2 Z = Ze iϕ = 1 ⎞ iϕ ⎛ R + ⎜ ωL − ⎟ e ωC ⎠ ⎝ 2 (37) mit der Phase 1 ⎞ ⎛ ⎜ ωL − ⎟ ωC ⎟ ϕ = arctan ⎜ R ⎜ ⎟. ⎜ ⎟ ⎝ ⎠ (38) Lösen wir jetzt (35) nach dem Strom auf, so erhalten wir als Endergebnis für den Wechselstrom im RSK ~ I = U0 1 2 R + ( ωL − ) ωC 2 e i ( ωt − ϕ ) . (39) Als Resonanznenner tritt jetzt der Wechselstromwiderstand Z auf, der ein reelles Minimum R bei der Resonanzfrequenz des ungedämpften Schwingkreises 1 ω0 = (8) erreicht. An dieser Stelle heben sich nämlich gerade induktiver und LC kapazitiver Widerstand weg. Dort liegt das Maximum des Stroms durch den RSK und damit auch seiner elektrischen Leistungsaufnahme, worauf wir noch zurückkommen. 4 Parallelschwingkreis Neben dem Reihenschwingkreis (RSK) ist auch die erzwungene Schwingung in einem Parallelschwingkreis (PSK) physikalisch interessant und elektrotechnisch wichtig. Hierbei werden Induktivität und Kapazität parallel an eine Wechselspannungsquelle angeschlossen (s. Abb. 4). Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 88 R U C L Abb. 4: Parallelschwingkreis mit Dämpfung im induktiven Zweig Die Dämpfung wollen wir auf den induktiven Zweig beschränken, wo ohnehin der Ohm'sche Widerstand des Spulendrahtes zu berücksichtigen ist. Gute Kondensatoren sind dagegen relativ verlustarm. (Die Verluste dort sind auch weniger Ohm'scher Art, d.h. auf Leitfähigkeit zurückzuführen, sondern es sind dielektrische Verluste, die beim Umpolarisieren des Dielektrikums auftreten; sie wachsen mit dem Quadrat der Feldstärke und mit der Umpolfrequenz.) Da für komplexe Ströme, Spannungen und Widerstände auch die Kirchhoff'schen Knoten- und Maschenregeln gelten, können wir komplexe Netzwerke genauso analysieren wie im Gleichstromfall. Im PSK addieren sich also die beiden komplexen Leitwerte YC und YL zum resultierenden Leitwert −1 Z −1 −1 ⎛ 1 ⎞ = Y = YC + YL = ⎜ ⎟ + ( R + iω L ) . ⎝ iωC ⎠ (40) Er wird reell bei ωre = 1 ⎛R⎞ − ⎜ ⎟ LC ⎝L⎠ 2 = ω02 − 1 τ2 (41) und erreicht dort den Wert Yre = RC 1 = Zre L . (42) Es fällt auf, dass der Leitwert eines idealen PSK (R = 0) bei der Resonanzfrequenz verschwindet. Er sperrt den durchgehenden Strom dann völlig ab, daher auch der Name Sperrkreis. Der Grund liegt einfach darin, dass die komplexen Widerstände von Induktivität und Kapazität dort dem Betrage nach gleich sind, aber umgekehrte Phase haben, so dass sich die entsprechenden Wechselströme in den Knoten zu Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 89 Null addieren. Dementsprechend läuft ein Kreisstrom im PSK um, der analog zu den gegenphasigen Spannungsamplituden an L und C im RSK eine Resonanz hat. Wir wollen auch im PSK die Güte bestimmen und finden auch hier in einer Resonanzüberhöhung ein geeignetes Maß. Und zwar betrachten wir die Resonanzüberhöhung des resultierenden Widerstandes ⎛ L ⎞ ⎜ ⎟ 2 Z( ω = ωre ) RC ⎠ ⎛ 1 ⎞⎛ L ⎞ ⎝ 2 2 2 = = ⎜ ⎟⎜ ⎟ = ω0 τ ≈ q . Z( ω = 0 ) R ⎝ LC ⎠⎝ R ⎠ (43) Sie ist gleich dem Quadrat der Güte! Möchte man eine strenge Analogie von RSK und PSK herstellen, so muss man den PSK an eine Strom- statt einer Spannungsquelle anschließen. Darunter versteht man ein Gerät, das unabhängig von der erforderlichen Spannung eine konstante Stromamplitude abgibt. Man beobachtet dann eine Resonanz des Maschenstromes im PSK in Analogie zur Spannungsresonanz im RSK. 5 Leistung und Leistungsresonanz Am Ausgangspunkt unserer Überlegungen stand die Energiebilanz im gedämpften Schwingkreis (1). Schwingungsenergie und Energieverlust sind beide proportional zum Quadrat der Schwingungsamplitude bzw. ihren Ableitungen. Deswegen klingen sie auch doppelt so schnell ab wie diese. Für die elektrische Schwingungsenergie E und für die Leistung am Widerstand P = RI² gilt also bei der freien gedämpften Schwingung jeweils ein Zusammenhang E (t ) E (t = 0)e− t /τ , P (t ) = P(t = 0)e − t /τ (44) Bei der erzwungenen Schwingung gehen wir von der allgemeinen Definition der elektrischen Leistung aus und benutzen hier vereinbarungsgemäß den Realteil der komplexen Strom- und Spannungsamplituden ~ ~ P ( t ) = U ( t ) ⋅ I ( t ) = Re( U ) Re( I ) = i ( ωt − ϕ ) 1 1 U 0 ( e iωt + e − iωt ) I 0 ( e i ( ωt − ϕ ) + e − ) 2 2 = 1 U 0 I 0 ( e i ( 2 ωt − ϕ ) + e − i ( 2 ωt − ϕ ) + e iϕ + e − iϕ ) 4 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 90 = 1 U 0 I 0 (cos( 2ωt − ϕ ) + cos ϕ ) 2 (45) Im letzten Schritt haben wir je zwei konjugiert komplexe Summanden zusammengefasst und die Definition (27) benutzt. Die Wechselstromleistung besteht jetzt aus zwei Anteilen: der erste oszilliert mit der doppelten Frequenz 2ω; der zweite ist konstant und gibt somit den zeitlichen Mittelwert der Wechselstromleistung an P = 1 U0I0 cos ϕ 2 (46) Es ist die Wirkleistung, die am Ohm'schen Widerstand verbraucht wird und daher proportional zum Cosinus des Phasenwinkels zwischen Strom und Spannung ist. Sie wird daher maximal bei reellem Wechselstromwiderstand (ϕ = 0). Auch dieses Ergebnis steht in voller Analogie zur mechanischen Schwingung. Dort ist die Leistung das Produkt aus Kraft und Geschwindigkeit P = Fx& (47) die bei Resonanz ebenfalls in Phase sind. Wir interessieren uns nun für den Frequenzgang der Wirkleistung beim RSK und U R den Wechselstromwiderstand wieder in führen dazu mit I 0 = 0 und cos ϕ = Z Z (46) ein: P ( ω) = U02R 2 2 0 1 U R = 2 Z Z 1 ⎞ ⎛ R + ⎜ ωL − ⎟ ωC ⎠ ⎝ 2 2 (48) Wir erkennen sofort, dass P ( ω ) ein Maximum bei der Frequenz der freien unge1 hat dämpften Schwingung ω0 = LC Pmax = P ( ω = ω0 ) = U02 2R . (49) Um die allgemeine Form der Resonanzkurve (48) zu studieren, führen wir sie zweckmäßigerweise mit (7) und (8) sowie einigen Umformungen in die Normalform über Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II ⎛ U02 ⎞ ⎛ U02 ⎞ ⎜⎜ ⎟ ⎜⎜ ⎟ 2R ⎟⎠ 2R ⎟⎠ ⎝ ⎝ = P ( ω) = 2 τ2 1 ⎞ L2 ⎛ 2 1 + ω2 − ω02 1 + 2 2 ⎜ω − ⎟ 2 ω R ω ⎝ LC ⎠ ( ) 2 91 . (50) Für eine scharfe Resonanz können wir uns auf eine kleine Umgebung um ω0 beschränken und wieder die Näherung ( ω 2 − ω02 ) 2 ≈ ( 2ω( ω − ω0 )) 2 (51) benutzen und erhalten ⎛ U02 ⎞ ⎜⎜ ⎟ 2R ⎟⎠ ⎝ P ( ω) ≈ 2 1 + (2τ( ω − ω0 )) . (52) Leistung P(ω) Pmax Pmax/2 Δω Frequenz 0 ω0 ω Abb. 5: Leistungsresonanzkurve für die erzwungene, gedämpfte Schwingung. Durch die Näherung hat sie eine symmetrische Glockenform (s. Abb. 5) bekommen. Sie heißt Lorentz- oder Breit-Wigner-Kurve und spielt bei allen Resonanzphänomenen in der Physik - insbesondere auch in der Atom- und Quantenphysik - eine große Rolle. Ihre volle Halbwertsbreite (d.h. von Halbwert zu Halbwert) ist Δω = 1 τ. (53) 92 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II Weiter außen in den Flanken fällt sie wie 1 ab. Wir erkennen auch, dass ihr ( ω − ω 0 )² Resonanznenner wie verlangt gleich dem Quadrat des (genäherten) Resonanznenners der Schwingungsamplitude (26) ist. Folglich stimmt die Halbwertsbreite der 1 -Breite der Amplitudenresonanz überein. Leistungsresonanz mit der 2 6 Phasenverschiebung und Lissajous-Ellipse UY UY=UC0(ω) cos(ωt+α) t=0 t1 U0 UX=U0 cos ωt U1U0 UX b) ω0-ω 1/τ a) ω<<ω0 UY UY U0 UX UX U0 d) ω>>ω0 c) ω=ω0 Abb. 6: Lissajous-Ellipsen für unterschiedliche Frequenzen weit unterhalb von ω0 (a), etwa eine Halbwertsbreite unterhalb von ω0 (b), bei ω0 (c) und weit oberhalb von ω0 (d). Wir interessieren uns bei diesem Versuch auch für die Phasenverschiebung beim Resonanzdurchgang des RSK. Wir wollen uns hier auf die Phase α (22) der Kondensatorspannung UC (21) beschränken. Schwingungsamplitude und Schwingungsphase kann man gleichzeitig sehr gut auf dem Oszilloskop beobachten, in dem man z.B. auf der horizontalen Achse die Erregerspannung (18) (Ux) und auf der vertikalen die Schwingspannung am Kondensator (21) (Uy) darstellt (siehe Bild 6). Das Oszilloskop zeigt eine Ellipse an. Im Fall a) und d) ist sie fast zu einer Geraden entartet. Die beiden Spannungen sind dann in Phase (positive Steigung) bzw. in Gegenphase (negative Steigung). Im Resonanzfall c) erkennt man den Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 93 π an der aufrechtstehenden Ellipse, die entsteht, wenn die 2 Abszisse wie cosω t und die Ordinate wie sinω t variieren. Phasenverzug von Im allgemeinen Fall b) können wir die Phasenverschiebung charakteristischen UX-Werten der Ellipse bestimmen: aus zwei 1.Wir messen den Maximalwert U max = U x ( t = 0 ) = U 0 , (54) der zum Zeitpunkt (t = 0) erreicht wird. 2.Wir messen den Abszissenabschnitt U 1 = U 0 cos( ωt 1 ) (55) beim Nulldurchgang der Ordinate, der zu einem etwas früheren Zeitpunkt (t1 < 0) erreicht wurde. Diese Bedingung liefert die entscheidende Bestimmungsgleichung für α U y (t1 ) = U C (ω ) cos(− ωt1 − α ) = 0 . (56) Mit dem Additionstheorem des Cosinus folgt cos ωt1 cos α − sin ωt1 sin α = 0 . (57) Mit (55) folgt weiterhin cos ωt1 = U1 U 0 (58) und sin ωt1 = 1 − U12 U 02 Eingesetzt in (57) ergibt tgα = U1 U0 U2 1 − 12 U0 = U1 U 02 − U12 und daraus schließlich die Schlussformel (59) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 94 ⎛ ⎞ U1 ⎟ = arcsin⎛⎜ U1 ⎞⎟ α ω ≤ ω0 = arctg ⎜ ⎜U ⎟ . ⎜ U2 − U2 ⎟ ⎝ 0⎠ 0 1 ⎠ ⎝ (60) Den letzten Schritt in (60) sieht man aus den Definitionen von sin und tg ein, wenn man U0 als Hypotenuse und U1 als Gegenkathete in einem rechtwinkligen Dreieck wählt und den Satz des Pythagoras anwendet. Wir haben (60) für die Situation einer rechts geneigten Ellipse, also für einen Phasenverzug 0 ≤ α ≤ π gewonnen. Jenseits 2 der Resonanz neigt sich die Ellipse nach links und der Phasenverzug fällt in das Intervall π 2 ≤ α ≤ π. In diesem Bereich gilt dann die um π 2 gespiegelte Lösung des arcsin ⎛U ⎞ α ω ≥ ω0 = π − arcsin⎜⎜ 1 ⎟⎟ . ⎝ U0 ⎠ (60‘) Das gewählte Messverfahren und die Schlussformel sind einfach und elegant: Es braucht nur ein Spannungsverhältnis gemessen zu werden; die gewählten Maßstäbe des Oszilloskopbildes gehen nicht ein! Am Rande sei noch bemerkt, dass die von der Ellipse eingeschlossene Fläche A ein Maß für die vom RSK während einer Periode aufgezehrte elektrische Energie ist. Es gilt nämlich A 7 ∫ U x dU y = 1 1 T 1 T U dQ = U Idt = Pdt . x x C∫ C ∫0 C ∫0 (61) Anschwingkurven Zum Schluss wollen wir noch das Anschwingverhalten eines Schwingkreises beim plötzlichen Einschalten der Wechselspannung qualitativ diskutieren. Angesichts der hohen Frequenzen von ca. 50kHz und der kurzen Dämpfungszeiten von weniger als 1ms brauchen wir einen sehr schnellen, präzisen Schalter, der nicht prellt. Das kann man elektronisch durch ein so genanntes Gate machen. In unserem Versuch genügt aber ein gutes Relais, das im Vakuum schaltet und dessen Kontakte mit Quecksilber befeuchtet sind. Wir messen mit dem Oszilloskop wieder UC(t) nach dem Einschalten und zwar im Speichermodus („Single Seq.“), d. h. mit einmaligem Durchlauf. Abb. 7 zeigt zwei typische Bilder. In Bild a), aufgenommen in der Resonanzmitte, wächst die Schwingungsamplitude zunächst steil an und nähert sich dann exponentiell mit einer Zeitkonstanten 2τ dem stationären Wert an Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II UC ( t ) ∼ ( 1 − e −t / 2τ ) cos ωt . 95 (62) Bild b) ist wenige Halbwertsbreiten unterhalb der Resonanz aufgenommen. Hier zeigt sich zu Beginn eine Schwebung zwischen einer durch den Spannungsstoß beim Einschalten angestoßenen freien gedämpften Schwingung auf der Frequenz (12) und der sich aufbauenden erzwungenen Schwingung auf der Erregerfrequenz. Auch diese Schwebung klingt mit einer Zeitkonstanten 2τ ab. UC(t) UC(t) 0 t 0 t Abb. 7a: Anschwingkurve des Schwing- Abb. 7b: Anschwingkurve des Schwing- kreises, aufgenommen in der Resonanzmitte. kreises, aufgenommen etwas unterhalb der Resonanz. Aus dieser Beobachtung des Einschwingverhaltens müssen wir beim Versuch, die Resonanzkurve des RSK aufzunehmen, eine Konsequenz ziehen: die Resonanz darf nicht zu schnell durchfahren werden, damit der RSK Zeit hat, sich bei jeder Frequenz jeweils auf die stationäre Amplitude einzuschwingen. Ein grobes Schätzmaß hierfür wäre die Bedingung, dass die Halbwertsbreite Δω in einer Zeit Δt durchfahren werden muss, die sehr viel größer als τ ist. Für den Frequenzvorschub pro Zeiteinheit gilt es dann also, die Bedingung einzuhalten dω Δω 1 << = 2. τ τ dt (63) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 96 Hinweise zur Versuchdurchführung: Leitungen kurz halten, möglichst hinten verlegen und ihre Lage während der Messung nicht mehr verändern. Bei der Darstellung möglichst den ganzen Schirm des Oszilloskopes ausnutzen. Aufgabe 1: Freie Schwingung des Reihenschwingkreises Nehmen Sie mit der nachfolgend abgebildeten Schaltung die freie gedämpfte Schwingung des Reihenschwingkreises mit dem Oszilloskop auf und speichern Sie es auf dem USB-Stick (s. Anleitung Oszilloskop). a) mit R = 100 Ω b) mit R = 220 Ω Wählen Sie dazu folgende Einstellungen: - Funktionsgenerator: volle Amplitude, 20 dB Dämpfung, kein Offset - Rechteckfrequenz: ca. 10 Hz Oszilloskop: Externe Triggerung Oszillograph Funktionsgenerator Trigger Ausgang Trigger Eingang Ausgangsspannung L 10Ω R C Kanal 2 Kanal 1 gemeinsame Masse Drucker LEGENDE: BNC-Verbindung Banane, rote-Verbindung (Signal) Banane, schwarze-Verbindung (Erde) Anschlussschema für Aufgabe 1 Hinweise: - die Zeitbasis so wählen, dass eine nahezu vollständige Abklingkurve der Schwingung erkennbar ist - vor dem Speichern die „Run/Stop“-Taste am Oszilloskop drücken Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 97 Aufgabe 2: Anschwingen des RSK beim Anschalten einer Wechselspannung a) Benutzen Sie die gleiche Schaltung wie bei Aufgabe 1, betreiben aber den Funktionsgenerator im Sinus-Modus und suchen Sie manuell die Resonanzfrequenz des RSK bei R = 100 Ω und 220 Ω (ca. 50 kHz). Notieren Sie die Resonanzamplituden, ebenso die Amplituden bei sehr kleinen Frequenzen UC0 (ω « ω0) ≈ U0 (s. Gl. (21)) zwecks Bestimmung der Resonanzüberhöhung (s. Gl. (24)) und Güten. b) Benutzen Sie hier R = 100 Ω und interne Triggerung. Wählen Sie vor der Messung eine geeignete Triggerschwelle mit dem LEVEL-Drehknopf und drücken Sie SINGLE SEQ bei ausgeschaltetem Schalter. Schalten Sie die Erregerspannung nun mit Hilfe des schnellen Relais-Schalters (s. Abb. 2) zu und beobachten das Anschwingen der Spannung am Kondensator auf dem Oszilloskop und speichern Sie das Bild. Wiederholen Sie die Messung für ein bis zwei Frequenzen bei ± 5 kHz und ± 10 kHz zur Resonanzfrequenz derart, dass Schwebungen deutlich sichtbar werden, und speichern Sie auch diese Bilder für das Protokoll. Aufgabe 3: Resonanzkurve des Reihenschwingkreises und Resonanzerhöhung Wir wollen auch die Resonanzkurve der erzwungenen Schwingung in einem Schritt auf dem Oszilloskop darstellen und zwecks Analyse speichern können. Hierzu müssen wir die Frequenz der anregenden Wechselspannung automatisch durchsteuern. Das gelingt mit einem zusätzlichen Rampengenerator, der eine Sägezahnspannung erzeugt, mit der man den Funktionsgenerator ansteuert. Letzter liefert dann eine Wechselspannung, deren Frequenz proportional zur Rampenspannung ist. Man sagt, der Rampengenerator "wobbelt" den Funktionsgenerator. Die Rampenspannung wird auch dem zweiten Kanal des Oszilloskopes zugeführt und triggert dieses. Wir wollen weiterhin die Resonanzkurve als eine "glatte" Kurve darstellen, d.h. nur die Spitzenspannung UC0(ω) der Schwingungsamplitude am Kondensator, nicht aber die Schwingung selbst darstellen. Hierzu führen wir eine Spitzengleichrichtung der Schwingspannung durch. Das betreffende Element besteht aus einer Gleichrichterdiode gefolgt von einem Integrationsglied aus dem Kondensator CS und 1 dem Widerstand RS, dessen Zeitkonstante RS CS» ist (s. Abb. 8). ω Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 98 Diode OUT IN CS SG RS Abb. 8: Prinzipschaltbild eines Spitzengleichrichters (SG). Man nehme je eine Resonanzkurve mit den Widerständen a) R = 100 Ω b) R = 220 Ω auf und speichert das Oszilloskopbild zwecks Analyse. Zur Vorbereitung der Messung Parameter passend einstellen: - Passen Sie die vertikale Ablenkung des Oszilloskopes an die Resonanzamplitude und die horizontale Ablenkung an die Frequenz der Rampe (ca. 0,5 Hz) an. - Rampengenerator auf volle Amplitude und 20 dB Dämpfung ohne Offset einstellen, Frequenz ca. 0,5 Hz. - Von Aufgabe 1 abweichende Einstellungen am Oszilloskop: Externe Triggerung aus und Triggern auf fallende Flanke. Funktionsgenerator Oszillograph Trigger Ausgang Trigger Eingang Ausgangsspannung L 10Ω R Rampengenerator lösbare Verbindung 4 V pp SG Kanal 2 Kanal 1 gemeinsame Masse C Drucker LEGENDE: BNC-Verbindung Banane, rote-Verbindung (Signal) Banane, schwarze-Verbindung (Erde) Anschlussschema für Aufgabe 3 Weitere Hinweise: - Resonanzfrequenz ca. 50 kHz - Rampengenerator an den rechten oberen Eingang (VCF) anschließen des Funktionsgenerators Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 99 - Grenzfrequenzen des Funktionsgenerators mit einer Rechteckspannung am Rampengenerator bestimmen, danach eine Sägezahnspannung einstellen - Nulllinie der Resonanzkurve auf die Spitze der Rampenspannung verschieben - Triggerschwelle mit dem LEVEL-Drehknopf so einstellen, dass eine vollständige Rampe der Sägezahnspannung sichtbar ist. Aufgabe 4: Phasenbeziehung zwischen Schwinger und Erreger beim RSK Notieren Sie für je 10 Frequenzen zu beiden Seiten der Resonanz im Intervall von 30 kHz bis 60 kHz die Größen 2U0 und 2U1 der Lissajous-Ellipsen. Die Intervallschritte sind so zu wählen, dass sie in der Nähe der Resonanz etwa 0,5 kHz betragen ansonsten genügen Intervallabstände um 2 kHz. a) mit R = 100 Ω b) mit R = 220 Ω Oszillograph Funktionsgenerator Trigger Ausgang Trigger Eingang Ausgangsspannung L 10Ω R C Kanal 2 Kanal 1 gemeinsame Masse LEGENDE: BNC-Verbindung Banane, rote-Verbindung (Signal) Banane, schwarze-Verbindung (Erde) Anschlussschema für Aufgabe 4 Hinweise: - zunächst wieder auf externe Triggerung umschalten und die Triggerschwelle am LEVEL-Drehknopf einstellen - im x-t Modus: CH1 und CH2 Offset auf Null regeln - bei der Messung nur die vertikale Position von Kanal zwei und die vertikale Ablenkung von Kanal eins verändern. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 100 Aufgabe 5: Resonanzüberhöhung der Impedanz beim Parallelschwingkreis (PSK) (Zusatzaufgabe, durchführen falls Zeit bleibt.) Bestimmen Sie im Zeitablenkungs-Modus die Resonanzüberhöhung der Impedanz eines Parallelschwingkreises, indem Sie den zugeführten Strom (I) und die anliegende Spannung bei sehr niedriger Frequenz und bei Resonanzfrequenz messen. a) mit R = 100 Ω b) mit R = 220 Ω Notieren Sie dazu die Spannungen U1 (Spannung an Kanal 1, nicht zu verwechseln mit U1 aus Aufgabe 4!) und U2 jeweils bei möglichst niedriger Anregungsfrequenz und bei Resonanzfrequenz (U1 minimal). Notieren Sie auch die U Resonanzfrequenzen. Laut Schaltbild (s. Abb.) gilt: I = 1 , U = U2 – U1. 10Ω Oszillograph Funktionsgenerator Trigger Ausgang Ausgangsspannung Trigger Eingang I Kanal 2 (U2) Kanal 1(U1) gemeinsame Masse L C R I 10Ω LEGENDE: BNC-Verbindung Banane,, rote-Verbindung (Signal) Banane, schwarze-Verbindung (Erde) Anschlussschema für Aufgabe 5 101 Auswertung: Aufgabe 1 a) und b): Berechnen Sie aus den aufgenommenen Oszillogrammen Schwingungsdauer T, Frequenz ν und Kreisfrequenz ω des gedämpften Schwingkreises für beide Widerstandswerte. Berechnen Sie mit Gl. (15) das logarithmische Dekrement aus den ⎛U ⎞ 1 Messwerten des ersten und n-ten Maximums gemäß δ = ln⎜⎜ C1 ⎟⎟ . Man wähle n − 1 ⎝ U Cn ⎠ ein n, bei dem UCn auf die Hälfte bis 1/3 von UC1 abgeklungen ist. Das gibt bei schwacher Dämpfung ein genaueres Resultat als zwischen benachbarten Schwingungen. Rechnen Sie die gewonnenen δ - Werte mit Hilfe von Gl. (16) in die Güten der Reihenschwingkreise mit unterschiedlichen Serienwiderständen RΩ um. Berechnen Sie mit Gl. (16) auch die Zeitkonstanten τ für beide Fälle. Aufgabe 2: i) Berechnen Sie die Resonanzüberhöhungen für R = 100Ω und 220Ω bzw. die Güten nach Gl. (24). ii) Bestimmen Sie die Zeitkonstante des Anschwingens der erzwungenen Schwingung aus der Messung bei der Resonanzfrequenz und vergleichen Sie mit der aus Aufgabe 1. iii) Diskutieren Sie in wenigen Worten die übrigen Anschwingkurven. Aufgabe 3 a) und b): i) Vergleichen Sie die manuell bestimmten Resonanzfrequenzen mit den Amplitudenmaxima der Resonanzkurven. ii) Bestimmen Sie aus den Resonanzkurven die Linienbreite Δω, d.h. die U (ω ) Differenz |ω1 - ω2| mit UC0 (ω1) = UC0 (ω2) = C max 2 iii) Berechnen Sie dann die Güten der Reihenschwingkreise mit der Formel ω q ≈ max . Δω Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 102 Aufgabe 4 a) und b): i) Vergleichen Sie die in den Aufgaben 2, 3 und 4 bestimmten Resonanzfrequenzen der Reihenschwingkreise. ii) Zeichnen Sie die Phasenverläufe der erzwungenen Schwingungen, indem Sie die Größe α gegen die Frequenz f auf Millimeterpapier auftragen. Interpretieren Sie die Ergebnisse. Betrachten Sie hierzu auch die Gl (60). Aufgabe 5 a) und b) (Zusatzaufgabe, durchführen falls Zeit bleibt.): i) Berechnen Sie die Güten der Parallelschwingkreise mit der Formel Z( ωres ) q ≈ . Z( ω = 0 ) ii) Vergleichen Sie die Güten aus den Aufgaben 1, 2, 3 und 5. 103 Anleitung zum Oszilloskop Triggern Die Triggerschwelle wird als Pfeil am rechten Rand des Monitors angezeigt. Am oberen Rand zeigt der weiße Pfeil den Zeitpunkt des Triggerereignisses an. Triggereinstellungen • Taste „TRIG MENU“ drücken • Zur Wahl der Triggerquelle so oft zu „Quelle“ gehörige Menütaste drücken bis gewünschte Quelle eingestellt • „Flanke“: soll bei ansteigendem (=„Positiv“) oder bei abfallendem (=„Negativ“) Signal getriggert werden • „Modus“ o „Auto“ erzwingt auch bei falscher Einstellung eine Triggerung (und liefert somit immer eine Signaldarstellung) o „Normal“ behält die Signaldarstellung des letzten Triggerereignisses bei, bis ein neues Ereignis eintritt (nach Benutzung von „SINGLE SEQ“ bleibt das Oszilloskop in diesem Modus) 104 „RUN/STOP“ und „SINGLE SEQ“ Mit „RUN/STOP“ wird die Signalaufnahme angehalten, bzw. fortgesetzt. Empfiehlt sich vor dem Abspeichern des Signals, da man so das Signal auf Rauschen oder falsche Triggerung kontrollieren kann. „SINGLE SEQ“ wird in Aufgabe 2 benötigt. Das Oszilloskop startet mit der Signalaufnahme erst beim Eintreten eines Triggerereignisses und beendet die Aufnahme automatisch nach Ablauf der Zeitbasis (Æ„SEC/DIV“). Beginnen Sie mit einer großen Zeitdauer für die Aufnahme und zoomen Sie danach in den relevanten Signalbereich rein. Speichern auf dem USB-Stick • USB-Stick auf der Vorderseite des Oszilloskops einstecken • Taste SAVE/RECALL o Verzeichnis auswählen (nur beim ersten Mal) o Aktion: „Alle speichern“ (speichert auch die Messdaten) oder nur „Bild speichern“ • Taste PRINT speichert auf USB-Stick • fakultativ: die dazugehörigen Daten speichern Æ Menü „Signaldatenerfassung“ Æ „Kanäle auswählen“ (von welchem Kanal die Werte gespeichert werden sollen) Æ „Daten abrufen“ Æ „Speichern unter“ 105 VERSUCH II.6: RÖNTGENSTRAHLUNG Stichpunkte: Ionisierende Strahlung, Entstehung und Eigenschaften von Röntgenstrahlen, Nachweis von Röntgenstrahlen, Absorption, Reflektion und Beugung der Röntgenstrahlung, Braggsche Reflektionsbedingung, Röntgenfluoreszenz, Duane-Hunt’sches Gesetz, Gauß- und Poissonverteilung, statistischer Fehler. Erzeugung von Röntgenstrahlung Röntgenstrahlung ist kurzwellige, elektromagnetische Strahlung, welche entsteht, wenn schnelle Elektronen Materie durchdringen und dabei mit dieser wechselwirken. Erzeugt wird Röntgenstrahlung z.B. in Röntgenröhren. Dort werden unter Vakuum aus einer Glühkathode austretende Elektronen mit Hilfe von Hochspannung auf große kinetische Energien gebracht, um anschließend auf eine Anode zu treffen, wo sie diese Energie hauptsächlich als Wärme, zum Teil aber auch in Form von Röntgenstrahlung verlieren. Dabei sind zwei Prozesse zu unterscheiden: a) Aus der Elektrodynamik ist bekannt, dass die Beschleunigung von elektrischer Ladung mit der Abstrahlung von elektromagnetischer Strahlung verbunden ist. Wird somit ein Elektron in der Nähe eines Atoms stark abgebremst, dann hat dies die Erzeugung von kurzwelliger elektromagnetischer Strahlung zur Folge, welche als Röntgenbremsstrahlung bezeichnet wird. Da der Energieverlust des Elektrons beim Abbremsvorgang nicht festgelegt ist, ergibt sich eine kontinuierliche spektrale Intensitätsverteilung der Bremsstrahlung bis zu einer Maximalenergie, die der kinetischen Energie der Elektronen vor dem Auftreffen auf die Anode entspricht. b) Charakteristische Röntgenstrahlung entsteht, wenn das Elektron die Atome des Anodenmaterials ionisiert; sind dabei tiefliegende Energieniveaus betroffen, so wird beim Wiederauffüllen dieser Niveaus energiereiche elektromagnetische Strahlung abgegeben. Da die Wellenlänge dieser Röntgenstrahlung durch den Energieunterschied in den atomaren Niveaus festgelegt ist, besitzt die charakteristische Strahlung, im Gegensatz zur Bremsstrahlung, ein für das fragliche Element typisches Linienspektrum. 106 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II Abb. 1: Termschema der charakteristischen Röntgenstrahlung. Für Elemente mit höherer Ordnungszahl Z besitzt die charakteristische Strahlung Liniengruppen verschiedener Frequenzen, die als K-, L-, M-, ... -Strahlung bezeichnet wird. Moseley fand für die Frequenz der langwelligsten K-Linie eines Elements, der sog. Kα-Linie, einen einfachen Zusammenhang mit der Ordnungszahl: νKα = 3/4⋅R∞⋅(Z - 1)² Dabei bezeichnet R∞ = 3,29 * 1015s-1 die aus der optischen Spektroskopie bekannte Rydberg-Konstante. Im Praktikumsversuch werden zur Erzeugung von Röntgenstrahlung Röntgenröhren mit Kupfer- bzw. Molybdänanode verwendet, so dass die charakteristische Röntgenstrahlung von Kupfer bzw. Molybdän beobachtet werden kann. Die Linie mit der größten Intensität ist dabei die Kα-Linie (λ = 154pm bei Kupfer; λ = 71pm bei Molybdän), gefolgt von der Kβ-Linie (λ = 139pm bei Kupfer; λ = 63pm bei Molybdän). Weitere Linien sind im Rahmen des Praktikumsversuchs nicht beobachtbar. Röntgenabsorption Für die Abschwächung von Röntgenstrahlung in Materie sind die folgenden Prozesse verantwortlich: 1.) Beim Photoeffekt dient die Energie des Röntgenquants der Abspaltung eines Elektrons aus einem Absorberatom. Die kinetische Energie des Elektrons entspricht somit der Energie des Röntgenquants, vermindert um die Energie, die man benötigt, um das Elektron aus dem Atom zu lösen. Der Photoeffekt ist der dominierende Absorptionsprozess für Röntgenenergien unterhalb 1MeV. Untersucht man den Photoeffekt in Abhängigkeit von der Energie der Röntgenquanten im Bereich bis ca. 100keV, so beobachtet man mit steigender Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 107 Energie mehrfach eine sprunghafte Zunahme des Absorptionsvermögens, welche als Absorptionskante bezeichnet wird. Diese Kanten erklären sich aus der mit zunehmender Energie in diskreten Schritten erfolgenden Zunahme der Anzahl der Energieniveaus, die für den Photoeffekt zur Verfügung stehen. 2.) Der Comptoneffekt bezeichnet die elastische Streuung eines Röntgenquants an einem Hüllenelektron. Im Gegensatz zum Photoeffekt verschwindet das Röntgenquant nicht, sondern verliert Energie und ändert seine Richtung. Mit zunehmender Energie der Röntgenstrahlung tritt dieser Effekt in den Vordergrund, um dann ab ca. 1MeV den Photoeffekt zu übertreffen. 3.) Ist die Energie eines Röntgenquants größer als die doppelte Ruhemasse des Elektrons, so kann das Röntgenquant in ein Elektron-Positron-Paar konvertieren, wobei die Anwesenheit eines weiteren Teilchens aus Gründen von Energie- und Impulserhaltung nötig ist. Dieser sog. Paarbildungseffekt ist der dominierende Effekt bei Photonenenergien > 10MeV. Röntgenfluoreszenz Die charakteristische Strahlung eines Elements lässt sich auch erzeugen, indem man es mit Röntgenstrahlung beschießt. Ausreichende Energie der Röntgenquanten vorausgesetzt, führt deren Absorption durch den Photoeffekt bzw. inelastische Streuung zur Ionisation oder Anregung des Atoms, welches anschließend bei der Rückkehr in den Grundzustand charakteristische Strahlung emittiert. Bei Röntgenfluoreszenz lässt sich die charakteristische Strahlung von Elementen erzeugen, ohne diese mit schnellen Elektronen zu bestrahlen, was in der Praxis z.B. den Austausch des Anodenmaterials einer Röntgenröhre bedeuten würde. Bragg-Reflexion Interferenzeffekte von Röntgenstrahlung am Kristallgitter lassen sich benutzen, um sich sowohl von der Wellennatur der Röntgenstrahlung zu überzeugen, als auch um Strukturuntersuchungen von Kristallen durchzuführen. Als einfachstes Beispiel dient hierbei die Bragg-Reflexion. 108 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II Betrachtet man einen Röntgenstrahl der Wellenlänge λ, welcher unter einem Winkel Θ relativ zu den Netzebenen eines Kristalls einfällt, so interferieren die an den Netzebenen reflektierten Strahlen konstruktiv, wenn für den Gangunterschied die Bragg'sche Reflexionsbedingung erfüllt ist: Δ = AB + BC = 2d sinΘ = nλ Reflektierte Wellenfront Einfallende Wellenfront Θ Reflektierende Kristallebenen A Θ Θ C d B mit d = Netzebenenabstand, n = 1,2,3,... = Ordnung der Bragg-Reflexion. Abb. 2: Zur Herleitung der Bragg´schen-Reflexionsbedingung. Geiger-Müller-Zählrohr Ein Geiger-Müller-Zählrohr besteht aus einem gasgefüllten Metallzylinder, entlang dessen Mittelachse ein dünner Draht verläuft, welcher gegenüber der Zylinderwand auf positivem Potenzial liegt. Durchfliegt ein geladenes Teilchen das Zylindervolumen, so werden entlang seines Flugwegs einige Gasatome ionisiert. Die dabei entstehenden, primären Elektronen werden in Richtung des Drahts und die positiv geladenen Ionen in Richtung der Zylinderwand gezogen, wobei die Geschwindigkeit der Ionen sehr viel geringer ist als die der Elektronen. Genügend hohe Spannung vorausgesetzt, wird in Drahtnähe das elektrische Feld aufgrund der Zylindergeometrie so stark, dass die Elektronen genug Energie gewinnen, um ihrerseits weitere Gasatome zu ionisieren, und somit weitere, sekundäre Elektronen freizusetzen. Dieser auch als Gasverstärkung bezeichnete Prozess setzt sich lawinenartig so lange fort, bis die Wolke der positiven Ionen, die in der Lawine gebildet worden sind, das elektrische Feld um den Draht schwächt und damit weitere Ionisationsprozesse unterbindet. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 109 Sorgt man durch die Wahl der angelegten Spannung dafür, dass die Anzahl der in einer Lawine getrennten Ladung eine kritische Größe nicht überschreitet, so findet der Prozess hier sein Ende, und der Zähler arbeitet im sog. Proportionalbereich, in welchem die insgesamt gebildete, negative Ladungsmenge, die auf dem Draht gesammelt und gemessen wird, proportional zur Anzahl der durch das geladene Teilchen primär erzeugten Elektronen ist. Auch sind im Proportionalbereich die Positionen der Ladungslawinen entlang des Drahts diskret verteilt und entsprechen der Position der zugehörigen Primärelektronen. Die Ionen werden zur Zylinderwand gezogen und rekombinieren, wobei u.a. Energie in Form von UV-Quanten frei wird. Nun besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese UV-Quanten innerhalb des Detektorvolumens ihrerseits einen Ionisationsprozess auslösen können, der wiederum zu einer Ladungslawine führen würde. Die Gesamtwahrscheinlichkeit für einen durch UV-Photonen ausgelösten Ionisationsprozess steigt mit der Anzahl der erzeugten Ionen, welche wiederum mit der angelegten Spannung steigt. Ab einer gewissen Spannung führt somit der Durchflug eines ionisierenden Teilchens, vermittelt durch den Mechanismus der UVPhotonen, zu einer Entladung im gesamten Zählrohrvolumen. Dies ist der GeigerMüller-Bereich, in welchem die insgesamt erzeugte Ladungsmenge unkorreliert zur Stärke der Primärionisation ist, und durch Erhöhung der Zählrohrspannung nicht mehr wesentlich vergrößert werden kann. Zur Versuchsdurchführung bitte USB-Stick oder Diskette mitbringen! 110 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II Versuchsaufbau Abb. 3: Bild der Versuchsapparatur Sicherheitshinweise ! Handys sind bei Inbetriebnahme auszuschalten!!! ! Dieser Versuch erfordert sorgfältiges Arbeiten Æ Geräte sehr teuer (an Eigenbeteiligung denken!) ! Die Betriebszeit ist so gering wie möglich zu halten! ! Eine Bestrahlung des Geiger-Müller-Zählrohrs durch den primären Röntgenstrahl über einen längeren Zeitraum ist zu vermeiden! ! Strahlenschutzinformation: Bei maximal anliegenden Betriebsdaten beträgt die Ortsdosisleistung in einem Abstand von 0,1 m von der berührbaren Gehäuseoberfläche weniger als 1 μSv/h. Dieser Wert entspricht in etwa der natürlichen Strahlenbelastung. ! Nicht länger als nötig in unmittelbarer Nähe des arbeitenden Gerätes aufhalten! ! Vor jedem Teilversuch: Abnahme des Aufbaus und der Einstellungen durch den Betreuer!!!! Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 111 Bedienungsanleitung des Gerätes Abb. 4: Bedienfeld der Apparatur (Anmerkung zum Bedienfeld: Relevant sind nur die kursiv-fettgedruckten Nummern) 1 Stellrad kann vorwärts und rückwärts gedreht werden und dient zur Einstellung aller variablen Funktionen. Die eingestellten Werte werden in der oberen linken Digitalanzeige angezeigt. 2 Taste „Enter“ Erst durch Drücken dieser Taste werden die eingestellten Werte des Stellrads (1) übernommen. 3 Taste „HV – I“ Durch Betätigung der Taste kann die Einstellmöglichkeit entweder für die Anodenspannung UA [„HV“] (0,0 kV…35,0 kV) oder für den Anodenstrom IA [„I“] (0,00mA..1,00mA) der Röntgenröhre aktiviert werden. Die Wahl der Betriebsgröße wird sowohl durch die zugeordneten LEDs als auch durch die Digitalanzeige kenntlich gemacht. Die Werte werden per Stellrad variiert. Nicht vergessen: EnterTaste zur Bestätigung! 4 Taste „ GATE – TIMER“ Zur Wahl zwischen Integrationszeit2 [„GATE“] (0,5 s…100,0 s) des Zählrohrs oder der Belichtungszeit [„TIMER“] (1 min…1000 min) für Röntgenaufnahmen. 2 Die Integrationszeit (Gatezeit, Torzeit) entspricht der Zeit, in der das Zählrohr Ereignisse registriert. Diese nicht zu verwechseln mit der Totzeit; dies ist die Zeit, die das Gerät braucht, um nach der Messung eines Impulses wieder zählbereit zu sein. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 112 5.1 Taste „MAN – AUTO“ Zur Wahl zwischen manueller oder automatischer Drehung von Zählrohr- oder Probenhalter. Im manuellen Betrieb erfolgt die Drehung mit Hilfe des Stellrades. 5.2 Taste mit Symbol für Zählrohr – Kristall – Zählrohr + Kristall Zur Wahl des Antriebs von Proben- oder Zählrohrhalter allein oder synchron von beiden (2:1-Kopplung). 5.3 Taste „START – STOP -Δ “ Zur Wahl des Startwinkels [„START “], des Stoppwinkels [„STOP “] und der Schrittweite [„Δ “] in °. 6 Taste „HV-ON“ Mit dieser Taste werden UA und IA mit den zuvor gewählten Werten aktiviert und die rote LED leuchtet. Ein erneutes Betätigen der Taste schaltet die Spannung und den Strom in der Röntgenröhre wieder ab und die LED erlischt. 7 Taste „START - STOP“ Zum Starten oder Stoppen des automatischen Antriebs von Probenhalter und/oder Zählrohrhalter. 8 9 Taste „RESET“ Zum Zurückfahren von Zählrohr und Probenhalter in ihre Nulllage. Taste „Lautsprecher ;“ Zum Einschalten des Lautsprechers des Zählrohrs zur akustischen Ereignisanzeige. 10.1 Taste mit Symbol für Zählrohr oder Kristall Zur wahlweisen Ausgabe der Analogspannung am Buchsenpaar 10.2 für die Winkellage von Proben- oder Zählrohrhalter. 10.2 Buchsenpaar „ “ 4 mm Buchsenpaar zur Entnahme einer winkelproportionalen Gleichspannung für die Winkelposition von Proben- oder Zählrohrhalter. 10.3 Buchsenpaar „IMP/S – V/2000“ 11 Buchsenpaar „INPUT – max. 500 V“ 4 mm Buchsenpaar zur Entnahme einer zählratenproportionalen Gleichspannung. 4 mm Buchsenpaar zum Zuführen einer Spannung (max. 500 V) in den Experimentierraum. 12 13 14 Schalter „LIGHT“ Zum Ein- und Ausschalten der Innenraumbeleuchtung. Buchse „PC/RS232“ Sub-D-Buchse zum Anschluss eines PCs zur Gesamtsteuerung des Systems. LED „PC/RS232“ Anzeige bei belegter Sub-D-Buchse. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 113 Allgemeine Vorgehensweise 1. Gerät einschalten (Schalter auf der Rückseite) 2. Kontrolle des Anodenmaterials (Anzeige Cu oder Mo) 3. Öffnen der verriegelten Scheibe durch Drücken und im Uhrzeigersinn drehen („Turn and Push“). Bitte vorsichtig und mit Fingerspitzengefühl! Aufgabe 1: Charakteristische Röntgenstrahlung Prinzip : Die von einer Röntgenröhre mit einer Kupfer- bzw. Molybdän-Anode erzeugten Röntgenstrahlen werden mit Hilfe verschiedener Einkristalle als Funktion des BraggWinkels selektiert und mit einem Geiger-Müller-Zählrohr registriert. Aus den Winkelwerten der charakteristischen Röntgenlinien kann deren Energie bestimmt werden. Durchführung : 1. Einsetzen des Kollimatorspaltes (1 mm bei LiF und 2 mm bei KBr) in die Röntgenröhrenöffnung. 2. Einsetzen des KBr- (bzw. LiF-)Kristalls in die Steckhalterung inmitten des Goniometers. 3. Der Goniometerblock wird auf Position 2 eingestellt. 4. Schließen der Scheibe, verriegeln und Verriegelungsknopf nochmal drücken. Zur Aufnahme des Spektrums sind folgende Einstellungen zu treffen : ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ 2:1 Kopplungsmodus Integrationszeit: 2 s Winkelschrittweite: 0,1° Anodenspannung UA = 35 kV Anodenstrom IA = 1 mA Winkelbereiche : siehe Tabelle1 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 114 Cu-Anode Mo-Anode LiF-Kristall 3°-55° 3°-65° KBr-Kristall 3°-75° 3°-30° Tabelle 1: Winkelbereiche für die Messung der charakteristischen Strahlung Aufgabenstellung : Nehmen Sie für einen der beiden Kristalle jeweils die Spektren an beiden Röntgenröhren auf. Auswertung : Erklären Sie das aufgenommene Spektrum! Worin bestehen die Unterschiede und woher stammen diese? Aufgabe 2: Röntgenfluoreszenz Prinzip: Die Erzeugung von Röntgenfluoreszenzstrahlung und das damit verbundene unterschiedliche Absorptionsverhalten soll untersucht werden. Durchführung : 1. Einsetzen der Tubusblende (Zr bzw. Ni) in die Röntgenröhrenöffnung. 2. Einsetzen des KBr- (bzw. LiF-)Kristalls in die Steckhalterung inmitten des Goniometers. 3. Der Goniometerblock wird auf Position 2 eingestellt. 4. Schließen der Scheibe, verriegeln und Verriegelungsknopf nochmal drücken. Einstellungen : ‐ 2:1-Kopplungsmodus ‐ Integrationszeit: 2 s ‐ Winkelschrittweite: 0,1° ‐ Anodenspannung UA = 35 kV ‐ Anodenstrom IA = 1 mA ‐ Winkelbereiche: siehe Tabelle 2 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 115 Cu-Anode mit Ni-Filter Mo-Anode mit Zr-Filter LiF-Kristall 3°-55° 3°-35° KBr-Kristall 3°-75° 3°-30° Tabelle 2: Winkelbereiche für die Röntgenfluoreszenz Aufgabenstellung : Nehmen Sie nun die Spektren analog zu Aufgabe 1 auf! Auswertung : Vergleichen Sie die Spektren mit und ohne Filter! Wo liegen die Unterschiede und wodurch werden sie verursacht? Aufgabe 3: Bestimmung des Planck´schen Wirkungsquantum – DuaneHunt´sches Verschiebungsgesetz Prinzip: Das Röntgenspektrum einer Röntgenröhre wird mit verschiedenen Anodenspannungen aufgenommen. Aus dem kurzwelligen Einsatz des Bremsspektrums wird das Duane-Hunt´sche Verschiebungsgesetz verifiziert und das Planck´sche Wirkungsquantum h bestimmt. Beschreibung: 1. Einsetzen des Kollimatorspaltes in die Röntgenröhrenöffnung. 2. Einsetzen des KBr- (bzw. LiF-)Kristalls in die Steckhalterung inmitten des Goniometers. 3. Der Goniometerblock wird auf Position 2 eingestellt. 4. Schließen der Scheibe, verriegeln und Verriegelungsknopf nochmal drücken. Einstellungen: ‐ 2:1-Kopplungsmodus Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 116 ‐ Integrationszeit: 2 s ‐ Winkelschrittweite: 0,1° ‐ Anodenspannung UA = 13-34 kV (variabel) ‐ Anodenstrom IA = 1 mA Aufgabenstellung : Nehmen Sie nun das Spektrum von 3° bis zum Kβ-Peak erster Ordnung mit verschiedenen Spannungen UA auf. Die Spannung soll in 3 kV-Schritten erhöht werden. Auswertung : Bestimmen Sie aus den aufgenommenen Daten das Planck´sche Wirkungsquantum! Einige Konstanten zur Auswertung: Gitterkonstante von KBr: d=3,29·10-10m Gitterkonstante von LiF: d=2,014·10-10m Daten für Kupfer (Cu, Z=29) K-Kante bei 8,979 keV Kα-Linie bei 8,046 keV Kβ-Linie bei 8,904 keV Daten für Nickel (Ni, Z=28) K-Kante bei 8,333 keV Kα-Linie bei 7,477 keV Kβ-Linie bei 8,263 keV Daten für Molybdän (Mo, Z=42) K-Kante bei 19,999 keV Kα-Linie bei 17,478 keV Kβ-Linie bei 19,607 keV Daten für Zirconium (Zr, Z=40) K-Kante bei 17,998 keV Kα-Linie bei 15,774 keV Kβ-Linie bei 17,666 keV Quelle: McMaster tables, http://www.csrri.iit.edu/mucal.html 117 VERSUCH II.7: HALLEFFEKT, ELEKTRISCHE LEITUNG Stichpunkte: Elektrostatische Kraft und Lorentz-Kraft auf Ladungen; Strom und Stromdichte; Dichte und Beweglichkeit von Ladungsträgern in Leitern; Leitungsmechanismen in Metallen und Halbleitern; Hall-Konstante; Erzeugung und Messung von Magnetfeldern. Grundlagen Zu den Grundversuchen über die Wirkung von Magnetfeldern gehört die Demonstration der Kraftwirkung r r r F = I ⋅ ( l × B) (1) r eines Magnetfeldes B auf einen Leiter der Länge und Richtung l , der den Strom I in r Richtung l führt. Als Vektorprodukt steht diese Kraft senkrecht auf Strom- und Magnetfeldrichtung und ist proportional zum Sinus des eingeschlossenen Winkels. r F = I ⋅ l ⋅ B ⋅ sinϑ . Sie beruht auf der Lorentz-Kraft auf die einzelnen Ladungsträger r r r FL = q ⋅ (v × B ) , (1') (2) die die Ladung q tragen und mit der Geschwindigkeit v durch den Leiter transportiert werden. In der Regel hat q den Wert einer negativen oder positiven Elementarladung, e = 1,602 · 10-19 As. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 118 I + - A a d bq v +e B + FL v+ - FE l + + a' EH + + UH Abb. 1: Skizze zum Hall-Effekt in einem Leiter mit rechteckigen Querschnitt der Höhe b, der Dicke d und der Länge l . Durchfließt der Strom den Leiter wie gezeichnet von links nach rechts und zeige das Magnetfeld senkrecht dazu in die Papierebene hinein, so wirkt die Lorentz-Kraft beim Transport positiver wie negativer Ladungsträger jeweils nach oben, weil sich mit dem r Vorzeichen der Ladung auch das Vorzeichen der Geschwindigkeit v ± relativ zur Stromrichtung umkehrt. Entsprechend werden sich an der Oberkante positive oder negative freie Ladungen anhäufen. Da der Leiter im Ganzen neutral bleibt, entsteht an der Unterkante der entgegengesetzte r Überschuss. Diese Ladungstrennung führt zu einer elektrischen Hall-Feldstärke E H innerhalb des Leiters quer zur Strom- und r Magnetfeldrichtung. Sie übt eine elektrische Kraft FE aus, die im Gleichgewicht die Lorentz-Kraft kompensiert. r r r FE = q ⋅ E H = −FL . (3) Folglich gilt r r r E H = −(v × B ) . (4) r Das Vorzeichen von E H richtet sich nach dem der freien Ladungsträger; im gezeichneten Fall der Abb. 1 sind es negative. Das trifft z. B. auf alle Metalle zu, bei denen die freien Leitungselektronen die elektrische Leitung besorgen, während die positiven Ionen im Kristallgitter festsitzen. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 119 Multiplizieren wir EH mit der Höhe b so ergibt sich die Hallspannung UH, die wir r r zwischen Ober- und Unterseite des Leiters abgreifen können. Da v und B senkrecht aufeinander stehen, können wir Gl. (4) nach v auflösen und erhalten für die Driftgeschwindigkeit der beiden Ladungsträger im Leiter v =− EH U =− H , B b ⋅B (5) die wir aus den Messgrößen UH, b und B bestimmen können (s. Aufgaben). Wir wollen jetzt auf der linken Seite von Gl. (5) v durch die Messgröße des Stroms I ausdrücken. Definitionsgemäß ist der Strom das Produkt aus Stromdichte j und Querschnittsfläche A des Leiters I = j ⋅ A = j ⋅b ⋅d . (6) Andererseits ist j das Produkt aus v und der freien Ladungsdichte dQ / dV j =v⋅ dQ = v ⋅n ⋅q . dV (7) Letztere ist gleich der Anzahl der freien Ladungsträger pro Volumeneinheit n, multipliziert mit deren Ladung q. Somit erhalten wir den Zusammenhang zwischen Driftgeschwindigkeit und Strom v= I b ⋅d ⋅n ⋅q . (8) Eingesetzt in Gl. (5) erhalten wir für den Zusammenhang zwischen Hallspannung, Strom- und Magnetfeld die Schlussformel UH = − I ⋅B 1 I ⋅B = −A H ⋅ ⋅ n ⋅q d d . (9) Außer den Messgrößen tritt als Proportionalitätsfaktor die Hall-Konstante AH ein, der Reziprokwert der freien Ladungsdichte. Laut Gl. (4) sind Hallfeldstärke EH und Hallspannung UH wie erwartet proportional zur Driftgeschwindigkeit v, folglich bei festgehaltenem Strom I laut Gl. (8), (9) auch umgekehrt proportional zur Dichte der freien Ladungsträger. Bei Metallen mit ihrer hohen Dichte an Leitungselektronen wird die Hallspannung bei gegebenem Strom also recht klein sein, bei Halbleitern dagegen wesentlich größer. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 120 Bei metallischen Leitern erwarten wir in diesem Sinne also eine positive Hallspannung, ebenso bei n-Halbleitern, bei p-Halbleitern dagegen eine negative Hallspannung. Man überzeuge sich von diesem Vorzeichenwechsel im Versuch. Durch Messen der Hallspannung können wir also einen Leiter auf einfache Weise charakterisieren. Außer der Hallspannung UH messen wir auch noch den ohmschen Spannungsabfall U über die Länge l der Leiterprobe, um gleichzeitig den spezifischen Widerstand ρ, bzw. seinen Reziprokwert, die spezifische Leitfähigkeit σ des Materials zu bestimmen. Sie ergeben sich aus Leiterdimensionen und Messgrößen definitionsgemäß zu ρ= 1 σ = b ⋅d b⋅d U ⋅R = ⋅ . l l I (10) Bei einem Ohmschen Leiter ist der Strom proportional zum Spannungsabfall und folglich auch die Driftgeschwindigkeit v zur treibenden Feldstärke E = U / l . Den Proportionalitätsfaktor bezeichnet man als Ladungsträgerbeweglichkeit w= v E. (11) Mit Gl. (5) können wir sie ebenfalls aus der Messung der Hallspannung bestimmen: w =− EH l U =− ⋅ H . E ⋅B b U ⋅B (12) Sie ist beim Halbleiter wesentlich höher als bei Metallen. Die bessere Leitfähigkeit der Metalle resultiert also nur aus der viel größeren Dichte n der freien Ladungsträger. Ein chemisch absolut reiner Halbleiter gewinnt seine Leitfähigkeit durch Anregung (relativ weniger) Elektronen aus dem vollen Valenzband ins leere Leitungsband, wo sie eine hohe Beweglichkeit haben, solange das Band noch relativ leer ist. Die zurückbleibende Bindungslücke im Valenzband ist positiv geladen und wandert im elektrischen Feld als positiver Ladungsträger in Feldrichtung (Löcherleitung). Bei dotierten Halbleitern - dem Ausgangsmaterial aller elektronischen Halbleiterbauelemente - überwiegen durch gezielte Verunreinigungen mit Elementen höherer oder niedriger Wertigkeit die Elektronenleitung im Leitungsband (n-Leitung) oder die Löcherleitung im Valenzband (siehe auch Versuch Halbleiterelektronik). Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 121 Beim 4-wertigen Germanium wären das z. B. das 5-wertige Arsen oder das 3-wertige Gallium. Entsprechend ist die Hallkonstante AH im ersteren Falle negativ und im letzteren positiv. Erhitzt man ein Metall, so wächst der Widerstand proportional zur Temperatur. Erhitzt man dagegen einen reinen Halbleiter, so sinkt er stark ab. Das liegt an der steilen Zunahme an Elektron-Lochpaaren, die im Wesentlichen von einem Boltzmannfaktor kontrolliert wird. Das Verhältnis von Elektronen im Leitungsband ne,L zu denjenigen im Valenzband ne,V ist gegeben durch n e,L ne,V ~e − EB k ⋅T . Dabei ist EB die Energielücke zwischen k = 1,38 · 10-23 J/K die Boltzmannkonstante. (13) Valenz- und Leitungsband, Bei den dotierten Halbleitern im Versuch beobachten wir bei niedrigen Temperaturen zunächst eine lineare Zunahme des Widerstands mit der Temperatur und dann erst eine rapide Abnahme. Die Hallspannung ist im ersten Bereich noch nahezu konstant, nimmt dagegen im Bereich hoher Temperaturen stark ab. Daraus schließen wir mit Gl. (9), dass im zweiten Bereich die Ladungsträgerdichte gemäß Gl. (13) anwächst. Im ersten blieb sie dagegen noch einigermaßen konstant, war also im Wesentlichen von der durch die Dotierung vorgegebenen Dichte von Leitungselektronen im nLeiter, bzw. Löchern im p-Leiter dominiert. Hier wächst dann auch der Widerstand noch proportional zur Temperatur. Bei hohen Temperaturen spielt hingegen die Dotierung keine Rolle, da viel mehr e- im Leitungsband vorliegen als dem Dotierungsgrad entspricht. Beim p-Leiter wechselt die Hallspannung schließlich sogar ihr Vorzeichen. Das lässt darauf schließen, dass jetzt sogar trotz p-Dotierung die n-Leitung überwiegt. Zur weiteren Vorbereitung sei auch auf die Theorie zum Versuch II.8 Halbleiterelektronik verwiesen, der die entsprechenden Grundlagen zur Halbleitertheorie vermittelt. 122 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II Allgemeine Hinweise: Zur Durchführung des Versuchs stehen zwei Silber-Plättchen, ein p-GermaniumPlättchen sowie ein n-Germanium-Plättchen zur Verfügung. Jede Gruppe führt die Messungen an einem Silber-Plättchen sowie an einem der beiden Ge-Plättchen durch. Die Ergebnisse des zweiten Ge-Plättchens werden von der Parallel-Gruppe übernommen. Die Versuchsdurchführung ist aufgrund der vielen Instrumente ein wenig komplex. Zum Versuchsaufbau gehören unter Anderem fünf digitale Voltmeter (Magnetstrom, Querstrom, Querspannung, Hallspannung, Temperaturanzeige), zwei Stromnetzgeräte (Versorgungsspannung von 12 V für das Hallplättchen, Heizstrom von 3 A), sowie ein Trafo, Gleichrichter und Verschiebewiderstand für die Erzeugung des Magnetstroms (s. Abb. 2 und 3). Nachdem der Versuch aufgebaut wurde, ist es sinnvoll, die einzelnen Geräte mit Schildern zu markieren, damit es beim späteren Ablesen zu keinerlei Verwechslungen kommt. 12 V + - 3A Iquer 2 Ucomp 30 - + DVM DVM Iquer UHall Ge + Heatertaste DVM UTemp DVM Uquer Abb. 2: Versuchsaufbau für Aufgaben 1-3 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 123 B B I Gl. A ~20V ~220V Tra. Rregelbar Abb. 3: Erzeugung und Messung des Magnetfeldes. Das B-Feld wird von zwei Erregerspulen im Luftspalt eines Elektromagneten erzeugt. r (Auf die richtige Polung wegen B -Richtung achten!) Hierzu wird die Netzspannung heruntertransformiert (Tra) und gleichgerichtet (Gl) und der Strom durch einen Schiebewiderstand auf max. 5 A eingestellt. Damit lässt sich bei möglichst engem Luftspalt ein Feld von knapp 0,3 T erreichen. Das Magnetfeld wird mit einer flachen Sonde gemessen. Ihr Sensor beruht im Übrigen ebenfalls auf dem Halleffekt. Aufgabe 1 Bestimmen Sie die Hallspannung UH und die ohmsche Spannung U eines Germanium-Plättchens (d = 1mm, l = 20mm, b = 10mm) in Abhängigkeit des Querstroms Iq bei konstantem Magnetfeld B (ca. 250mT). Tragen Sie die Hallspannung UH als Funktion des Querstroms Iq in ein Diagramm ein. Berechnen Sie hieraus die Hallkonstante AH und die freie Ladungsträgerzahl n für Germanium. Danach stellen Sie die Hallspannung als Funktion der ohmschen Spannung grafisch dar und berechnen hieraus die Ladungsträgerbeweglichkeit w. 124 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II Vergleichen Sie die Resultate mit n- bzw. p-dotiertem Germanium. Hinweis: Zunächst muss getestet werden, ob in Abwesenheit des Magnetfeldes die Hallspannung auch Null ist. Ist dies nicht der Fall, so kann mit Hilfe eines regelbaren Spannungsteilers (Bezeichnung: Ucomp) die Spannung auf Null kompensiert werden. Die Fehlspannung kommt dadurch zustande, dass der ohmsche Spannungsabfall entlang des Leiters viel größer als die Hallspannung quer zum Strom ist (vor allem beim Silber) und das Abgreifen der Hallspannung an exakt gegenüberliegenden Punkten nicht gelingt. Man greift daher an einer der beiden Kanten vor und hinter dem exakten Gegenpunkt ab und überbrückt sie mit einem Spannungsteiler, an dessen Abgriff man die Differenz der Ohmschen Spannungsabfälle annullieren kann (s. Abb. 4). I UH Abb. 4: Spannungsteiler zur Kompensation des Ohmschen Spannungsabfalls bei Messung der Hallspannung. Aufgabe 2 Im zweiten Aufgabenteil sollen Sie die Temperaturabhängigkeit der Hallspannung UH(θ) und der ohmschen Spannung U des Germanium-Plättchens messen (100°C entsprechen 1 V; 0°C entsprechen 0 V). Halten Sie den Querstrom Iq während der Messung konstant auf 30mA, und variieren Sie das Magnetfeld B nicht. Tragen Sie die Hallspannung UH und die ohmsche Spannung U in einem Diagramm gegen die Temperatur auf. Bestimmen Sie für eine hohe Temperatur die Hallkonstante AH, die Ladungsträgerbeweglichkeit w und die Ladungsträgerzahl n. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 125 Diskutieren Sie qualitativ die Gründe für den Temperaturverlauf der Hall- sowie der Ohmschen Spannung bei n- und p-dotiertem Germanium. Hinweis: Zum Aufheizen des Germaniums schalten Sie das dafür vorgesehene Netzgerät ein und regeln den Heizstrom auf maximal 3 A. Drücken Sie danach die Heater-Taste. Da der Aufheizvorgang sehr schnell geschieht ist es sinnvoll, die Messwerte erst während des Abkühlens aufzunehmen. Aufgabe 3 Zuletzt sollen Sie die Hallspannung UH und die Ohmsche Spannung U eines SilberPlättchens (d = 50 µm, l = 75 mm, b = 20 mm) in Abhängigkeit des Querstroms Iq bei konstantem Magnetfeld B ermitteln (B ca. 450 mT). Tragen Sie die Hallspannung UH als Funktion des Querstroms Iq in ein Diagramm ein. Berechnen Sie hieraus die Hallkonstante AH und die freie Ladungsträgerzahl n für Silber. Danach stellen Sie die Hallspannung als Funktion der Ohmschen Spannung grafisch dar und berechnen hieraus die Ladungsträgerbeweglichkeit w. Diskutieren Sie die Ursachen für die unterschiedlichen Hallkonstanten und Ladungsträgerbeweglichkeiten von Silber und Germanium. Hinweis: Die Hallspannung des Silberplättchens liegt in der Größenordnung von ein bis zehn Mikrovolt und wird mit einem speziellen Mikrovoltmeter gemessen. Um sinnvolle Werte zu erhalten ist eine sorgfältige Kompensation der Hallspannung ohne Magnetfeld notwendig. Hierzu wird das Magnetfeld ausgeschaltet und der Querstrom recht schnell in einem Bereich von 0 A bis 12 A variiert. Wenn die dadurch entstehenden Spannungsschwankungen kleiner als 0,5 µV sind, ist die Hallspannung hinreichend kompensiert. Das Mikrovoltmeter soll etwa 5 Minuten vor der Messung eingeschaltet werden. Unmittelbar vor der Messung der Spannung stellt man am Mikrovoltmeter einen Schalter von „Reset“ auf „Volt“, wartet ca. drei Sekunden und drückt danach für etwa drei Sekunden die Autokompensationstaste. Nun zeigt das Gerät die zu messende Spannung an. Danach wird das Magnetfeld eingeschaltet, zügig der Querstrom von 0 A bis 12 A variiert und die Messwerte notiert. 126 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II 127 VERSUCH II.8: PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN DER HALBLEITERELEKTRONIK Stichpunkte: Kristallstruktur (Valenzelektronen, gebundene und quasifreie Elektronen), Bändermodell (Löcher, Leitungsband und Valenzband, verbotene Zone, Bandabstand, Fermi-Energie), Leitungsmechanismen (Eigenleitung, Störstellenleitung, Dotierung, Akzeptor, Donator, n-Leitung, p-Leitung, Majoritätsträger, Minoritätsträger), pn-Übergang (Diffusionsstrom und -spannung, Rekombination, Grenzschicht, Raumladungszone), Diode (Sperrrichtung, Sperrstrom, Durchlassrichtung, Kennlinie, Photodiode, Leuchtdiode), Transistor (Grundschaltungen, Kennlinienfeld, Stromverstärkungsfaktor), Peltierelement Theoretische Grundlagen Die Halbleiter-Kristallstruktur Die wichtigsten Elemente mit Halbleitereigenschaften sind Germanium (Ge) und Silizium (Si). Beide stammen aus der vierten Hauptgruppe des Periodensystems, haben also auf ihrer äußeren Schale (der M-Schale bei Si und der N-Schale bei Ge) vier Valenzelektronen. Kristalle aus diesen Elementen haben eine Diamantgitterstruktur wie in Abb. 1, d.h. jedes Atom ist von vier Nachbaratomen in Tetraedersymmetrie umgeben. Auf diese Weise werden die vier Valenzelektronen jedes Atoms in den Bindungen eingebaut, so dass zumindest bei T = 0K keine freien Elektronen zur Verfügung stehen. Abb. 1: Kristallgitterstruktur von Ge und Si (Diamantgitterstruktur). 128 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Durch Energiezufuhr, z.B. durch Temperaturerhöhung, kann man bei diesen Halbleiterkristallen relativ leicht Elektronen aus ihren Bindungen herauslösen und so quasifreie Elektronen erhalten, die dann für elektrische Stromleitung zur Verfügung stehen. Das Bändermodell Eine Veranschaulichung der Stromleitungsvorgänge liefert das Bändermodell. In diesem Modell betrachtet man erlaubte und verbotene energetische Zustände von Elektronen. In einem Kristall handelt es sich dabei nicht um diskrete Einzelniveaus, wie bei einem einzelnen Atom, sondern um ganze energetische Zonen, die Bänder genannt werden. Trägt man das Coulombpotenzial eines Atomrumpfes eindimensional auf, so erhält man den in Abb. 2(a) gezeigten Verlauf, innerhalb dessen ein Elektron des Atoms nur bestimmte Energieniveaus einnehmen kann. Abb. 2: (a) Coulombpotenzial eines Atomrumpfes, (b) Potenzialverlauf von zwei Atomen (die Potenziale der Einzelatome sind gestrichelt eingezeichnet), (c) Aufspaltung der Energieniveaus zu Energiebändern bei einer Kette von Atomen. Betrachtet man nun viele regelmäßig angeordnete Atome, wie man sie im Kristallgitter vorfindet, so erhält man eine Überlagerung der Potenziale der einzelnen Atomkerne und eine Aufspaltung der erlaubten Energieniveaus. Abb. 2(b) zeigt dies für zwei Atome. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 129 Durch die Überlagerung sehr vieler Atompotenziale im Kristallgitter entsteht zusätzlich zur Aufspaltung eine Verbreiterung der Energieniveaus, wobei jeweils dicht beieinander liegende Niveaus ein Energieband bilden. Dies ist in Abb. 2(c) dargestellt. Wie bei diskreten Energieniveaus auch, können die dazwischen liegenden Energiewerte von den Elektronen nicht angenommen werden. Das Band mit der höchsten Energie, das bei T = 0 K besetzt ist, bezeichnet man als Valenzband. Dort lokalisierte Elektronen stehen bei Isolatoren und Halbleitern zum Ladungstransport nicht zur Verfügung. Das darüberliegende Energieband, das bei T = 0K völlig leer ist, nennt man Leitungsband. Elektronen sind in diesem Band frei beweglich. Der Bereich zwischen diesen beiden Energiebändern heißt verbotene Zone. Die Breite dieser verbotenen Zone bezeichnet man als Energielücke, Bandabstand oder englisch band gap, in Formeln bezeichnet mit ΔE oder Eg. Für Germanium liegt der Bandabstand bei ΔE = 0,67eV, für Silizium bei ΔE = 1,12 eV. Abb. 3 zeigt das Bändermodell für Metall, Halbleiter und Isolator bei T = 0K. Besetzte Bänder sind darin schraffiert dargestellt. Metalle haben auch bei T = 0K ein teilweise besetztes Valenzband, das gleichzeitig Leitungsband ist; die Energielücke ist hier Null. Bei Isolatoren ist die Energielücke so groß, dass auch bei hohen Temperaturen keine elektrische Leitfähigkeit auftritt. Die Leitfähigkeit von Halbleitern liegt zwischen der von Metallen, die bei 104 bis 106 Ω-1cm-1 liegt, und der von Isolatoren mit 10-22 bis 10-10 Ω-1cm-1. In der Praxis beträgt die übliche Leitfähigkeit von Halbleiterstoffen 10-9 bis 10³ Ω-1cm-1. Eingezeichnet ist in Abb. 3 außerdem die Fermi-Energie EF, die bei T = 0K besetzte von unbesetzten Zuständen trennt. Sie liegt bei Halbleitern und Isolatoren zwischen Valenz- und Leitungsband, bei Metallen innerhalb des Valenz- bzw. Leitungsbands. Abb. 3: Bänderschema für Metall, Halbleiter und Isolator. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 130 Leitungsmechanismen 1 Eigenleitung Die aus der Gitterbindung herausgelösten Elektronen können durch Anlegen eines äußeren Feldes bewegt werden, daher nennt man sie Leitungselektronen. Verlässt ein Elektron die Bindung, so bleibt an dieser Stelle ein Loch. Da jedes Atom für sich elektrisch neutral ist, entspricht dieses einer positiven Ladung in der Größe der Elementarladung des herausgelösten Elektrons. Daher spricht man bei einem solchen Loch auch von einem Defektelektron. Im Bändermodell entspricht das Herauslösen eines Elektrons aus der Bindung der energetischen Anhebung desselben vom Valenz- in das Leitungsband. Dabei muss dem Elektron mindestens die Energie ΔE zugeführt werden. Dies kann z.B. durch Temperaturerhöhung oder durch Anregung mit Licht geschehen. Das von dem angeregten Elektron zurückgelassene Loch befindet sich dann im Valenzband. Beim Anlegen eines äußeren Feldes lassen sich zwei Leitungsmechanismen unterscheiden: Zum einen wandern die Leitungselektronen unter dem Einfluss des äußeren Feldes zum positiveren Potenzial. Zum anderen ist es für ein in der Nachbarschaft eines Lochs gebundenes Elektron mit relativ geringem Energieaufwand möglich, in dieses Loch überzuwechseln. Da sich dieser Vorgang ständig wiederholt, wandert das Loch, daher spricht man von Löcherleitung. Die Löcher wandern bei angelegtem äußeren Feld natürlich in Feldrichtung, da die Elektronen ihren Platz vorzugsweise gegen die Feldrichtung wechseln. Die hier beschriebenen Leitungsmechanismen bezeichnet man als Eigenleitung, wobei charakteristisch ist, dass durch das Aufbrechen der Bindungen immer gleichviele Leitungs- und Defektelektronen entstehen. Die Dichte der Leitungselektronen n ist also gleich der Dichte der Defektelektronen p: n = p. (1) Den Vorgang, dass ein Elektron in ein Loch zurückfällt, also wieder in die Bindung eingebaut wird, bezeichnet man als Rekombination; im Bändermodell bedeutet dies, dass das Elektron seine Energie abgibt und wieder vom Leitungs- in das Valenzband wechselt. Bei konstanter Temperatur bildet sich zwischen Erzeugung und Rekombination von Elektron-Loch-Paaren ein Gleichgewichtszustand aus, so dass im Mittel immer gleich viele Ladungsträger zur Verfügung stehen. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 131 Man spricht dabei von der Eigenleitungsträgerdichte ni = n = p, die stark temperaturabhängig ist und auch durch Einstrahlung von Licht beeinflusst werden kann. 2 Störstellenleitung Die Leitfähigkeit von Halbleitern lässt sich durch gezieltes Verunreinigen mit bestimmten Elementen erhöhen. Man nennt diesen Vorgang Dotieren und unterscheidet dabei zwei Arten: Bei der n-Dotierung bringt man Atome mit fünf Valenzelektronen in den Kristall ein, z.B. Arsen oder Antimon. Von deren fünf Bindungselektronen werden nur vier für die Kristallbindung benötigt. Das fünfte Elektron ist relativ schwach an das Atom gebunden. Um es vom Atom zu lösen, ist daher eine wesentlich geringere Energie nötig, als beim Auflösen einer Kristallbindung. Bei T = 0K sind auch alle diese überschüssigen Elektronen gebunden, aber schon bei Zimmertemperatur sind praktisch alle frei beweglich. Auf diese Weise stehen deutlich mehr Ladungsträger zur Verfügung als im undotierten Kristall. Die Fremdatome, die die zusätzlichen Elektronen zur Verfügung stellen, nennt man Donatoren. In diesen n-Halbleitern spricht man von n-Leitung oder, da die Elektronen in der Überzahl sind, von Überschussleitung. Bei der p-Dotierung werden Atome mit nur drei Valenzelektronen, z.B. Aluminium, Gallium, Indium, in den Kristall eingebaut. Diese Akzeptoren haben also für die Kristallbindung ein Elektron zu wenig. So entstehen an den Fehlstellen Löcher, in die Elektronen aus Nachbarbindungen leicht wechseln können. Allerdings ist auch dazu Energie nötig, da die Elektronen stärker an die vierfach positiv geladenen Ge- oder Si-Atomrümpfe gebunden sind, als an die nur dreifach positiv geladenen Rümpfe der Fremdatome. Den Leitungsmechanismus in diesen p-Halbleitern nennt man Mangelleitung oder Löcherleitung. Die Dichten der Akzeptoren bzw. Donatoren bezeichnet man mit NA bzw. ND. Die Elektronendichte im n- bzw. p-Material wird mit nn bzw. np benannt, analog die Löcherdichte mit pn bzw. pp. Die durch die Dotierung stärker vertretenen Ladungsträger nennt man Majoritätsträger, die anderen, die auch im dotierten Material durch thermische Anregung entstehen, Minoritätsträger. Dotierung bedeutet im Bändermodell das Hinzukommen von Energieniveaus innerhalb der verbotenen Zone, allerdings nicht durchgängig im gesamten Kristall, sondern lokal immer dort, wo sich ein Fremdatom befindet. 132 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Im n-Halbleiter befinden sich die überschüssigen Elektronen auf einem Energieniveau ED nahe der Unterkante EL des Leitungsbands. Im p-Halbleiter entsteht ein zusätzliches Energieniveau EA knapp oberhalb der oberen Kante EV des Valenzbands, in welches ein Elektron aufsteigt, wenn es von einer Ge- oder SiBindung in eine Akzeptoratombindung wechselt. Dargestellt ist dies in Abb. 4. Die jeweilige Fermi-Energie EF liegt für n-Halbleiter zwischen ED und EL, für p-Halbleiter zwischen EA und EV. Abb. 4: Energieniveaus im dotierten Halbleiter. Der pn-Übergang Der wesentliche Bestandteil der meisten Halbleiterbauelemente ist der pn-Übergang. Er entsteht durch das Aneinanderfügen von p- und n-dotiertem Halbleitermaterial. Hier wird der abrupte pn-Übergang behandelt, bei welchem eine konstante nDotierung sprungartig in eine konstante p-Dotierung übergeht. Abb. 5 zeigt ein qualitatives Schema eines pn-Übergangs im thermischen Gleichgewicht. Abb. 5a zeigt das Bänderschema für isolierte p- bzw. n-Halbleiter mit den unterschiedlichen Fermi-Energien EF. Im n-dotierten Teil hat man eine große Zahl beweglicher Elektronen, während im p-dotierten Teil eine große Zahl von Löchern vorliegt. Beim Aneinanderfügen kommt es durch diese unterschiedliche Konzentration an Ladungsträgern und die natürliche Wärmebewegung zu Diffusionsströmen. Dabei wandern Elektronen in den pdotierten Teil und Löcher in den n-dotierten Teil, bis die Fermi-Energie ausgeglichen ist, wie in Abb. 5b zu sehen ist. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 133 Auf beiden Seiten rekombinieren die Elektronen mit den Löchern. Die beweglichen Ladungsträger werden also stark reduziert und es entsteht ein stetiger Übergang der Dichten der freien Ladungsträger am pn-Übergang. Die Ladungsdichte der nicht freien, ionisierten Dotierungsatome zeigt immer noch einen sprunghaften Übergang (s. Abb. 5c). Es baut sich eine Grenzschicht mit der in Abb. 5d gezeigten Raumladungsdichte ρ und damit einem elektrischen Feld E auf. Wenn man annimmt, dass man die Raumladung der wenigen verbliebenen freien Ladungsträger gegen die der ionisierten Dotierungsatome vernachlässigen kann, lässt sich die Raumladungsdichte als Differenz der Dotierungsdichten berechnen zu: ρ = e (ND - NA). Im thermischen Gleichgewicht sind die Diffusionsströme genauso groß wie die durch das elektrische Feld erzeugten Driftströme, es fließt also weder ein Elektronen- noch ein Löcherstrom. Die durch die Diffusion entstandene Potenzialdifferenz zwischen verschieden dotierten Zonen nennt man die Diffusionsspannung UD. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 134 Sie ist in Abb. 5b eingezeichnet. Quantitativ besteht zwischen UD und den Dotierungsdichten NA und ND, sowie der Eigenleitungsträgerdichte ni folgender Zusammenhang: UD = kT N N ln( D 2 A ) . e ni (2) UD liegt für Germanium bei etwa 0,3 V, für Silizium bei etwa 0,6 V. (Zur Bedeutung der anderen Größen siehe Tabellen 1 und 2. Der pn-Übergang mit angelegter Spannung Legt man eine Spannung an einen pn-Übergang an, so muss man zwei Fälle unterscheiden, nämlich die Polung in Durchlass- und die in Sperrrichtung. In Durchlassrichtung ist ein pn-Übergang gepolt, wenn der positive Pol an der p-dotierten und der negative Pol an der n-dotierten Seite liegt. Dabei wird der Diffusionsstrom verstärkt, d.h. es werden mehr Elektronen in die p- und mehr Löcher in die n-Zone injiziert. Durch die angelegte Spannung stehen sehr viele - zur Verfügung, es kann also ein sehr großer Strom fließen. Abb. 6: Bändermodell eines pn-Übergangs bei Anliegen einer äußeren Spannung U. a.) Durchlassrichtung mit U größer als die Diffusionsspannung UD, b.) Durchlassrichtung mit U < UD, c.) U in Sperrrichtung. Die Fermi-Niveaus EFn bzw. EFp im n- bzw. p-dotierten Teil sind jeweils um Potenzialbeträge eU gegeneinander verschoben. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 135 Sperrrichtung liegt bei umgekehrter Polung vor, d.h. wenn der positive Pol an der n- und der negative an der p-Seite anliegt. Auf diese Weise können die Elektronen aus der n-Zone nur schlecht in die p-Zone diffundieren und umgekehrt. Die Majoritätsträgerströme sinken dadurch auf Null. Einen geringen Strom, den Sperrstrom IS, liefern jedoch die Minoritätsträger, also die Löcher in der n-Zone und die Elektronen in der p-Zone. Diese werden durch die in Sperrrichtung angelegte Spannung durch den pn-Übergang gezogen. Durch dieses Absaugen der Minoritätsträger wird das Gleichgewicht der Minoritätsträgerdichten gestört, so dass die im Bereich der Raumladungszone thermisch generierten Minoritätsträger zum pnÜbergang hin diffundieren. Der Sperrstrom erreicht dadurch ab einer ausreichend hohen äußeren Spannung, die in der Größenordnung von ~100 mV bei Zimmertemperatur liegt, einen Sättigungswert, der bei weiterer Erhöhung der Spannung nicht mehr anwächst. Abb. 6 zeigt den in Durchgangs- und den in Sperrrichtung gepolten pn-Übergang im Bändermodell. Die Energieniveaus sind hier jeweils um die Potenzialbeträge eU aus ihrer ursprünglichen Lage ohne äußere Spannung verschoben. Daher sind die FermiNiveaus EFn bzw. EFp im n- bzw. p-dotierten Teil auch um eU aus ihrer ursprünglichen Lage ohne äußere Spannung verschoben. U ist dabei die von außen angelegte Spannung. Halbleiterbauelemente mit einem pn-Übergang Bei Halbleiterbauelementen, die als Kernstück einen einzelnen pn-Übergang haben, spricht man von Dioden. Es gibt sehr viele verschiedene Arten und technische Ausführungen von Dioden, die hier nicht alle näher behandelt werden sollen. Außer der "normalen" pn-Diode, auch schlicht Halbleiterdiode genannt, sollen hier nur noch die Photo- und die Leuchtdiode in ihrer prinzipiellen Funktionsweise erläutert werden. Wichtig in der elektronischen Anwendung sind auch zusätzliche Bauformen wie z.B. Zener-Diode, Tunneldiode, Varaktordiode oder Laserdiode. Die pn-Diode Eine pn-Diode besteht vereinfacht aus einem pn-Übergang, wie er oben beschrieben ist. Anwendungsmöglichkeiten für Dioden sind Gleichrichten, Mischen und Schalten. Für eine Diode wird folgendes elektronische Schaltsymbol verwendet: Abb. 7: Schaltsymbol einer Diode. 136 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Die Spitze zeigt dabei die Durchlassrichtung des Stromes an, d.h. in Abb. 7 wäre links die p-Zone, rechts die n-Zone. Von den verschiedenen Kenngrößen der Dioden soll in diesem Versuch die Strom-Spannungskennlinie I(U) näher untersucht werden. Weitere wichtige Kenngrößen sind z.B. der Kleinsignalleitwert, sowie die Sperrschicht- und die Diffusionskapazität, die in hohen Frequenzbereichen wichtig werden. Die I(U)-Kennlinie einer idealen Diode hat den in Abb. 8 gezeigten Verlauf, der der folgenden Gleichung genügt: I = Is (exp eU − 1) . mkT (3) Dabei ist IS der Sperrstrom. Wie oben diskutiert, hängt dieser nur von den Minoritätsträgern ab. Ohne Erklärung sei hier angegeben, dass der Korrekturfaktor m in Gleichung (3) zwischen 1 und 2 liegt. Er ist m = 1 für einen Diodenstrom, der durch die Diffusion und Rekombination in den neutralen Zonen außerhalb der Raumladungszone begrenzt ist. Ist der Diodenstrom durch die Rekombination in der Raumladungszone bestimmt, so ist m = 2. Abb. 8: Ideale Diodenkennlinie. Bei Polung in Sperrrichtung (U < 0) fließt nur ein geringer Sperrstrom, der unterhalb einer bestimmten Spannung in die Sättigung geht und in Abb. 8 stark vergrößert dargestellt ist. Bei Durchlassrichtung (U > 0) steigt der Strom dann sehr steil an. Für die Temperaturabhängigkeit des Sperrstroms gilt folgender Zusammenhang: I S ∝ T 3 exp(− Eg ) kT . Er kann ausgenutzt werden, um den Bandabstand Eg zu bestimmen. (4) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 137 Reale Diodenkennlinien zeigt Abb. 9 für Germanium- und Siliziumdioden. Man erkennt, dass der steile Anstieg nicht direkt am Ursprung beginnt, sondern erst oberhalb eines kleinen positiven Spannungswerts. Diesen bezeichnet man als Durchlassspannung Ud. In der Praxis gewinnt man ihn aus der Diodenkennlinie, indem man den steilen Anstieg linear auf I = 0 extrapoliert. Abb. 9: Typische Kennlinien realer Si- und Ge-Dioden. Die Ursache der Durchlassspannung Ud > 0 liegt darin, dass die Diffusionsspannung UD der äußeren Spannung U in Durchlassrichtung entgegengesetzt ist. Am pn-Übergang liegt also eigentlich die Spannung U - UD an. Daher ist Ud = UD. Die Photodiode Eine Photodiode wandelt Strahlungsenergie in elektrischen Strom um. Ausgenützt wird dazu die Erzeugung von Elektron-Loch-Paaren durch absorbierte Photonen mit ausreichend hoher Energie Eph. Prinzipiell muss gelten: Eph > Eg. (5) Photonen mit einer Energie, die nur geringfügig kleiner als der Bandabstand ist, können aber auch die Erzeugung eines Elektron-Loch-Paares auslösen, wenn die fehlende Energie aus einer Gitterschwingung absorbiert wird. Findet diese Ladungsträgererzeugung nahe genug an der Raumladungszone statt, so diffundieren die Minoritätsträger zum pn-Übergang hin, wo sie dann durch das dort befindliche elektrische Feld über den pn-Übergang gezogen werden. Bei der Verwendung von Photodioden unterscheidet man zwei Betriebsarten. Zum einen den Elementbetrieb ohne Vorspannung, man spricht dann auch von einem Halbleiterphotoelement, zum anderen den Diodenbetrieb, bei welchem eine Spannung in Sperrrichtung angelegt wird. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 138 Im Diodenbetrieb führt die Ladungsträgererzeugung zu einem Photostrom Iph, der den Sperrstrom Is verstärkt. Im Elementbetrieb erzeugt die Trennung der Ladungsträger eine Spannung in Durchlassrichtung, dies nennt man den photovoltaischen Effekt. Schließt man ein beleuchtetes Halbleiterphotoelement kurz, so fließt ein Photostrom, der auch Kurzschlussstrom genannt wird. Allgemein addiert sich also der Photostrom Iph zum Diodenstrom ID: Igesamt = ID + I ph = IS (exp eU − 1) + I ph . mkT (6) Misst man die Kennlinien einer Photodiode zu verschiedenen Beleuchtungsstärken, so erhält man eine Kennlinienschar wie in Abb. 10. Man erkennt, dass der Diodenstrom nahezu unabhängig von der Sperrspannung, aber proportional zur Beleuchtungsstärke φ ist: I ph ~ φ . (7) Photodioden können daher ideal zur Messung von Lichtintensitäten eingesetzt werden. Abb. 10: Kennlinienfeld einer Photodiode. Eine weitere wichtige Größe bei Photodioden ist die relative spektrale Empfindlichkeit η, die in Abb. 11 für Silizium- und Germaniumphotodioden im Vergleich zum menschlichen Auge aufgetragen ist. Man erkennt den Abfall oberhalb der zu der Energie Eph = Eg gehörenden Wellenlänge λg, für die gilt: λg = hc Eg . (8) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 139 Abb. 11: Relative spektrale Empfindlichkeit η von Si- und Ge-Dioden. Auf der Energieachse ist Eg für Germanium und Silizium eingetragen. In Schaltskizzen verwendet man für Photodioden das in Abb. 12 gezeigte Schaltsymbol. Abb. 12: Schaltsymbol einer Photodiode. In der Praxis verwendet man Photoelemente zur Erzeugung elektrischer Energie aus Licht, eine besondere Bauform ist die Solarzelle. Ziel ist dabei eine möglichst hohe Leistungsabgabe. Photodioden werden in der Strahlungs- und Lichtmesstechnik, sowie in lichtgesteuerten Schaltern eingesetzt. Die Leuchtdiode (LED) Leuchtdioden arbeiten nach dem umgekehrten Prinzip von Photodioden. Die bei der Rekombination von Ladungsträgern frei werdende Energie wird hier in Strahlung umgesetzt. Damit Rekombinationsvorgänge stattfinden können, polt man die Leuchtdiode in Durchlassrichtung, um so ausreichend viele Ladungsträger zu injizieren. So gelangen z.B. Elektronen in die p-Zone der LED (Light-Emitting-Diode), wo sie mit den dort vorhandenen Löchern rekombinieren. Auf diese Weise erhält man infrarote und sichtbare Strahlung mit einer typischen Linienbreite von etwa 20nm bis 40nm, bei welcher die Lage des Emissionsmaximums im Wesentlichen von Bandabstand und Dotierung des verwendeten Materials abhängt. Leuchtdioden werden normalerweise nicht aus Elementhalbleitern wie Germanium oder Silizium, sondern aus Verbindungshalbleitern hergestellt. Es gibt binäre Verbindungshalbleiter aus zwei Elementen, bei welchen man III-V- und II-VIVerbindungen unterscheidet. Die römischen Ziffern geben dabei an, aus welcher Hautgruppe des Periodensystems die Elemente stammen. 140 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Die Gitterstruktur sieht dabei genauso aus, wie die Diamantgitterstruktur in Abb. 1. Für LEDs werden häufig III-V-Verbindungen wie z.B. GaAs und GaP verwendet, blaue LEDs bestehen aus SiC. Die Verbindungshalbleiter aus drei Elementen nennt man ternär. Ein für LEDs gebräuchliches ternäres Material ist GaAsP. Wenn die Akzeptor- und Donatorniveaus und damit die Ferminiveaus von p- und n-dotiertem Teil sehr nahe an der Valenz- bzw. Leitungsbandkante liegen (vgl. Abb. 5c), so gilt die Beziehung e ⋅ UD ≈ E g (9) In Schaltungen verwendet man für Leuchtdioden das in Abb. 13 dargestellte Symbol. Abb. 13: Schaltsymbol einer Leuchtdiode. In der Technik finden LEDs heute sehr weite Verbreitung in Leuchtanzeigen oder optischen Relais. Eine spezielle Bauform sind Laserdioden. Der Bipolartransistor Von den vielen verschiedenen Transistortypen soll hier nur die Grundform, der Bipolartransistor, im Folgenden einfach Transistor genannt, erläutert werden. Ein Transistor besteht aus drei abwechselnd dotierten Schichten, d.h. er enthält zwei pn-Übergänge. Je nach Abfolge der Schichten spricht man von einem npn- oder einem pnp-Transistor. Die äußeren Schichten eines Transistors nennt man Emitter E und Kollektor C, die mittlere Schicht, die sehr dünn und nur schwach dotiert ist, nennt man die Basis B. Schichtenfolge, Ersatzschaltbilder und zugehörige Schaltsymbole sieht man in Abb. 14. Der Pfeil im Transistorsymbol zeigt in Durchlassrichtung des Basis-Emitter-Übergangs. Abb. 14: Schichtenfolge, Ersatzschaltbild und Schaltsymbol für npn- und pnp-Transistor. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 141 An Basis, Emitter und Kollektor hat der Transistor jeweils einen Anschluss. Von diesen drei Anschlüssen wird stets einer doppelt, d.h. für Eingangs- und Ausgangsstromkreis verwendet. Ist dies der Emitter, so spricht man von der Emitterschaltung, analog von der Basis- und der Kollektorschaltung. Diese drei Grundschaltungen sind in Abb. 15 dargestellt. Die richtige Polung von npn- und pnpTransistor in Emitterschaltung zeigt Abb. 16. Abb. 15: Die Transistorgrundschaltungen. Abb. 16: Polung für npn- und pnp-Transistor in Emitterschaltung. Die Wirkungsweise wird hier für den npn-Transistor erklärt. Ein pnp-Transistor funktioniert analog, nur dass statt Elektronenströmen Löcherströme betrachtet werden, d.h. Spannungen und Ströme kehren ihr Vorzeichen um. Wesentlich ist folgender Vorgang: Elektronen werden durch die Basis-Emitter-Spannung UBE vom Emitter in die Basis getrieben. Da diese nur sehr schmal und außerdem schwach dotiert ist, rekombiniert nur ein geringer Teil der Elektronen (ca. 0,5% - 5%) mit den dort vorhandenen Löchern. Auf diese Weise kommen die meisten Elektronen mit hoher Diffusionsgeschwindigkeit in die Basis-Kollektor-Grenzschicht. Dort werden sie wie Minoritätsträger durch das elektrische Feld in die Kollektorzone geschoben, von wo sie durch den dort anliegenden positiven Pol abgesaugt werden. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 142 Abb. 17 Der doppelte pn-Übergang eines Transistors lässt sich im Bändermodell wie in Abb. 17 darstellen. Abb. 17(a) zeigt den Verlauf ohne angelegte Spannung, Abb. 17(b) mit angelegter Spannung in Basisschaltung. Man erkennt, dass der in der Praxis sehr viel schmalere Potenzialberg der Basis durch das Anlegen der Spannungen geregelt werden kann. Das Kennlinienfeld eines npn-Transistors in Emitterschaltung Misst man in einer Emitterschaltung (s. Abb. 15a) den Kollektorstrom IC in Abhängigkeit der Kollektor-Emitter-Spannung UCE bei jeweils konstantem Basisstrom IB, so erhält man für verschiedene Basisströme die in Abb. 18 gezeigte Kennlinienschar. Der Strom steigt für UCE > 0 zuerst sehr steil an und geht dann in eine sehr flach verlaufende Gerade über, d.h. er hängt nur noch wenig von der angelegten Spannung UCE ab. Deutlich sichtbar ist auch die starke Abhängigkeit des Kollektorstroms vom Basisstrom. Betrachtet man für einen festen Wert von UCE die Zunahme von IC bei einer Zunahme von IB, so kann man den Stromverstärkungsfaktor β bestimmen: β= ΔI C für U CE = const. ΔI B (10) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Abb. 18: Emitter-Kennlinienfeld eines npn-Transistors (Typ BC 108). Tabelle 1: Verwendete physikalische Größen und Konstanten Größe Bedeutung Einheit A Querschnitt, Fläche m² dn Dicke der Raumladungszone im n-Teil m dp Dicke der Raumladungszone im p-Teil m E elektrische Feldstärke Vm-1 EA Akzeptoren-Energieniveau J, eV Ea Ionisierungsenergie der Akzeptoren J, eV ED Donatoren-Energieniveau J, eV Ed Ionisierungsenergie der Donatoren J, eV EF Fermi-Energie oder Fermi-Niveau J, eV Eg(ΔE) Bandabstand J, eV EL Energie der (unteren) Leitungsbandkante J, eV EV Energie der (oberen) Valenzbandkante J, eV Eph Photonenenergie J, eV I Stromstärke A IB Basisstrom A IC Kollektorstrom A ID Diodenstrom A IE Emitterstrom A 143 144 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Iph Photostrom A IS Sperrstrom A NA Akzeptorendichte m-3 ND Donatorendichte m-3 n Dichte der Leitungselektronen m-3 ni Eigenleitungsträgerdichte (i = intrinsisch) m-3 nn Elektronendichte im n-Material bei therm. Gleichgewicht m-3 np Elektronendichte im p-Material bei therm. Gleichgewicht m-3 p Dichte der Löcher m-3 pn Löcherdichte im n-Material bei therm. Gleichgewicht m-3 pp Löcherdichte im p-Material bei therm. Gleichgewicht m-3 P Leistung W T absolute Temperatur K U Spannung V UBE Basis-Emitter-Spannung V UCE Kollektor-Emitter-Spannung V UD Diffusionsspannung V Ud Durchlassspannung V ϕ Potenzial V β Stromverstärkungsfaktor η relative spektrale Empfindlichkeit λ Wellenlänge m λg Grenzwellenlänge m ν Frequenz s-1 ρ Raumladungsdichte Cm-3 Φ Beleuchtungsstärke lux Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 145 Tabelle 2: Physikalische Konstanten Konstante Name Wert e Elementarladung 1,602 · 10-19 C k Boltzmann-Konstante 1,380 · 10-23 JK-1 h Plancksches Wirkungsquantum 6,626 · 10-34 Js Aufgabe 1: Diodenkennlinie Versuchsanleitung: Nehmen Sie die Diodenkennline einer Diode mit der in Abb. 1 abgebildeten Schaltung auf. (Bitte die Bauteile vorsichtig in die Steckplätze schieben!). Achten Sie darauf die Diode in Durchlassrichtung anzuschließen. Abb. 19: Schaltung zur Kennlinienaufnahme der Diode. Messen Sie dazu den Spannungsabfall UR über dem Vorwiderstand R = 10kΩ auf dem y-Eingang des x-y-Schreibers und den Spannungsabfall UDiode über der Diode auf dem x-Eingang des Schreibers. Die Achsen kann man mit dem Schreiber einzeichnen, indem man den Stift mit Hilfe der Rädchen für die Nullpunkteinstellung des Schreibers in x- und in y-Richtung über das Blatt fährt. Die Spannung U fahren Sie dazu wie bei der Kennlinienaufnahme selbst an der Konstanter-Spannungsquelle von Hand von 0V bis etwa 3V durch. 146 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Hinweise zur Auswertung: 1. Kalibrieren Sie die Achsen des Kennliniendiagramms I(U), indem Sie die am Schreiber eingestellten Messbereiche ablesen. 2. Bestimmen Sie graphisch die Durchlassspannung Ud der Diode. 3. Bestimmen Sie graphisch den differentiellen Widerstand dU / dI der Diode bei einem Strom von 0,05 mA aus der Tangentensteigung in diesem Punkt. Aufgabe 2:Abschätzung des Planckschen Wirkungsquantums Versuchsanleitung Messen Sie die Diodenkennlinien der vorhandenen, verschiedenfarbigen Leuchtdioden (LEDs), deren mittlere Emissionswellenlänge angegeben wird. Ersetzen Sie dazu die Diode in der oben beschriebenen Schaltung (Abb. 1) nacheinander durch die verschiedenen LEDs. Achten Sie auch hier auf die Durchlassrichtung! Hinweise zur Auswertung Extrapolieren Sie den annähernd linearen Teil der Diodenkennlinien und bestimmen Sie dadurch die Durchlassspannung Ud der einzelnen LEDs. Daraus lässt sich über die Beziehung E ≈ eUd näherungsweise der Bandabstand Eg bestimmen. Tragen Sie die Bandabstände gemäß E = hν gegen die Frequenz ν auf (Nullpunktgerade) und bestimmen Sie aus der Steigung der Regressionsgeraden das Plancksche Wirkungsquantum. Was sind die beiden wichtigsten Fehlerquellen? Aufgabe 3: Photodiode Versuchsanleitung Gemessen werden soll der Strom der Photodiode in Abhängigkeit von der Beleuchtungsstärke. Als Lichtquelle dient dabei ein Diodenlaser, dessen Beleuchtungsstärke mit Hilfe eines Polarisationsfilter verändert wird, da das Laserlicht bereits linear polarisiert ist. Beachten Sie die richtige Polung des Lasers (rot = plus, schwarz = minus) und legen Sie 5 V an. Nicht in den Laserstrahl blicken!!! Überprüfen Sie die Justierung des Aufbaus. Der Laserstrahl soll mittig auf die Photodiode treffen. Die Stromstärke wird dann maximal. Setzen Sie danach den Polarisationsfilter ein und suchen Sie die Stellung, bei welcher der Strom minimal ist, d. h. der Vektor der r elektrischen Lichtfeldstärke E senkrecht auf der Durchlassrichtung steht. Messen Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 147 Sie dann die Stromstärke in Abhängigkeit des Winkels ϕ, um den die Stellung des Polarisationsfilters geändert wird. Hinweise zur Auswertung: Tragen Sie die gemessene Stromstärke I gegen die relative Intensität J auf. Die relative Intensität ist so definiert, dass sie bei maximalem Durchlass durch den Polarisationsfilter Jmax = 1 ist. Beachten Sie dabei, dass zwischen transmittierter Lichtintensität Jy, elektrischer Feldamplitude E und ϕ die Beziehung gilt (vgl. Abb. 20): transmittierte Komponente Jy = ε ε0 c E²y = ε ε0 c E² sin² ϕ (11) E Ey ϕ Ex absorbierte Komponente Abb. 20: Zerlegung von linear polarisiertem Licht in orthogonale Komponenten der elektrischen Feldamplitude. Welchen Zusammenhang erkennt man zwischen dem Photostrom und der Beleuchtungsstärke? Aufgabe 4:Transistorkennlinienfeld Versuchsanleitung Gemessen werden soll das Kennlinienfeld eines npn-Transistors. Bauen Sie dazu die in Abb. 21 abgebildete Emitterschaltung auf der Steckplatine auf. Messen Sie die Transistorkennlinie IC(UCE) zu verschiedenen, mit dem Potentiometer RB1 (max. 500 kΩ) fest eingestellten Basisströmen IB zwischen 0 und 250 μA. Die beiden Eingangsspannungen UB,ein und, UCE,ein werden von zwei Netzgeräten geliefert, wobei UB,ein fest auf etwa 5 V eingestellt und UCE,ein zu jedem eingestellten Basisstrom von 0 V bis etwa 15 V durchgefahren wird. 148 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Mit dem x-y-Schreiber misst man die Spannungen UCE am x-Eingang und URC am yEingang. Mit RC = 1 kΩ kann man aus letzterer dann den Kollektorstrom IC berechnen. Für RB2 verwendet man einen Widerstand von 10 kΩ. URe RB1 RB2 IB + + UCe UB,ein y-Eingang RC x-Eingang - UCe,ein - Abb. 21: Emitterschaltung zur Aufnahme des Kennlinienfelds. Hinweise zur Auswertung Kalibrieren Sie die Achsen und erläutern Sie das Kennlinienfeld. Vergleichen Sie den Stromverstärkungsfaktor für den verwendeten Transistor mit den Verstärkungsfaktoren handelsüblicher Transistoren. Aufgabe 5:Bestimmung des Bandabstands von Germanium Versuchsaufbau Die einfachste Methode zur Bestimmung des Bandabstands ist, ihn aus der Temperaturabhängigkeit des Sperrstroms durch einen pn-Übergang zu ermitteln. Allerdings wird dazu hier keine Diode, sondern der Basis-Emitter-Übergang eines Transistors verwendet, da die im Handel üblichen Germanium-Dioden in der Regel Molybdän-Spitzendioden sind, die sich für diese Messung nicht eignen. Das Kernstück des Versuchsaufbaus bildet ein “Sandwich” aus zwei kleinen Kupferblöcken, zwischen welchen ein Peltierelement liegt, das der Temperaturregelung des oberen Kupferblocks dient. Der untere Kupferblock wird mit Eiswasser gekühlt und dient der Variation der Kühl- bzw. Heizgeschwindigkeit. Im oberen Kupferblock steckt ein Germanium-pnp-Transistor und ein Temperatursensor. Die von letzterem gemessene Temperatur kann man an der Digitalanzeige auf der zugehörigen Messplatine ablesen. Die beiden Anschlussdrähte des Transistors sind Basis- und Emitteranschluss, das Gehäuse ist der Kollektoranschluss, welcher hier nicht benötigt wird, da nur über einem pn-Übergang gemessen wird. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 149 Versuchsanleitung: Füllen Sie den Behälter des Thermostaten mit Eiswasser und schalten Sie die Pumpe ein. Schließen Sie den Temperatursensor, das Peltierelement sowie Basis und Emitter des Transistors an. Das Peltierelement wird an einen Stromgenerator angeschlossen, und der Strom kann abhängig von der gewünschten Heiz- bzw. Kühlgeschwindigkeit zwischen 0A und 3A variiert werden. Die Basis und den Emitter schalten Sie an einen Spannungsgenerator mit einer Spannung von 10V an (Auf die richtige Polung achten!). Messen Sie nun den Sperrstrom IS am Basis-EmitterÜbergang des Transistors bei fest eingestellter Spannung (U = 10V) in Abhängigkeit von der Temperatur T von 5°C bis 70°C. B IS C E U Abb. 22: Aufbau zur Bestimmung des Bandabstands von Ge. Hinweise zur Auswertung: Tragen Sie den Sperrstrom IS gegen die Temperatur T auf. Für den Bandabstand Eg gilt (ohne Beweis): ⎛ kT T ⎞ ⎛ I T 3 ⎞ E g = ⎜⎜ 1 2 ⎟⎟ ln⎜⎜ 1 23 ⎟⎟ ⎝ T1 − T2 ⎠ ⎝ I 2T1 ⎠ Berechnen Sie aus Ihren Messwerten Eg. Vergleichen Sie das Ergebnis mit dem Literaturwert und beschreiben Sie kurz mögliche Fehlerquellen. 151 VERSUCH II.9: FRESNELSCHE FORMELN Stichpunkte: Licht als elektromagnetische Welle, Intensität, Poynting-Vektor, Polarisation von Licht und Brewsterwinkel, Brechungsgesetz, Totalreflexion, Herleitung der Fresnelschen Formeln, physikalische Aussage der Fresnelschen Formeln, Reflexionskoeffizient, Polarisationsfilter Literatur W. Weiß: „Verifizierung (Mainz 1963) Bergmann, Schäfer: (9. Auflage, 1993) der „Lehrbuch Fresnelschen der Formeln“, Staatsexamensarbeit, Experimentalphysik“, Band III, Optik, und viele andere Lehrbücher ... (siehe Anhang) Theorie Licht als elektromagnetische Welle Das sichtbare Licht gehört zu den elektromagnetischen Wellen und daher lässt sich das Verhalten und die Eigenschaften von Licht durch die Elektrodynamik und damit durch die Maxwellschen Gleichungen beschreiben. Es ergibt sich dabei unter anderem die so genannte Wellengleichung. Eine spezielle Lösung dieser Differentialgleichung ist z.B. gegeben durch r r r r r E (r , t ) = E0 cos( k ⋅ r − ωt ) , (1) r r wobei E0 die Amplitude und k der Wellenvektor ist. Senkrecht zum elektrischen Wechselfeld existiert noch ein magnetisches Wechselfeld, das sich zusammen mit dem elektrischen Feld durch Raum und Zeit bewegt. In Abb. 1 ist als Beispiel eine linear polarisierte elektromagnetische Welle dargestellt. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 152 Abb. 1: Schema einer elektromagnetischen Welle (linear polarisiert) Neben dem Wellenvektor ist ein weiterer Vektor in Ausbreitungsrichtung definiert, der so genannte Poynting-Vektor r r r S = E ×H . (2) Dieser gibt an wie viel Energie pro Zeit- und Flächeneinheit fließt und damit steht er im Zusammenhang mit der Intensität des Lichts. Ausgedrückt als Funktion des elektrischen Feldes erhält man S=n ε0 2 E μ0 , (3) d.h. die Intensität des Lichts ist proportional zum Quadrat der Amplitude der Lichtwelle. Polarisation und Brewsterwinkel Elektromagnetische Wellen sind Transversalwellen und können daher polarisiert werden. Dabei genügt es den Vektor des elektrischen Feldes zu betrachten. Zur Vereinfachung soll im Folgenden die Welle in z-Richtung laufen. r Bei einer linear polarisierten Welle ist dann der Vektor E in der x-y-Ebene und oszilliert auf einer Ursprungsgeraden, die zur x-Achse (frei definierbar) einen r konstanten Winkel hat. Bei zirkular polarisiertem Licht dreht sich der Vektor E auf einer Kreisbahn in der x-y-Ebene, d.h. die Amplitude ist konstant. Im allgemeinsten Fall ist auch die Amplitude nicht mehr konstant und es ergibt sich elliptisch polarisiertes Licht. Die verschiedenen Arten der Polarisation lassen sich mit demselben Formalismus erklären. Man teilt dabei den Vektor des elektrischen Feldes in zwei zueinander senkrechte Komponenten auf, welche zueinander eine Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 153 Phasenverschiebung ϕ haben können. Ist z.B. ϕ = 0, dann ergibt sich linear polarisiertes Licht. Wie ist die Phasenverschiebung bei zirkular oder elliptisch polarisiertem Licht? Linear polarisiertes Licht kann unter bestimmten Bedingungen schon bei der Reflexion an einer Oberfläche erzeugt werden. Dabei muss zwischen dem reflektierten Lichtstrahl und dem im Medium gebrochenen Lichtstrahl ein rechter Winkel sein. Das reflektierte Licht ist dann vollständig linear polarisiert (senkrecht zur Einfallsebene). Wie ist die Einfallsebene definiert? Abb. 2: Strahlenkonfiguration beim Brewsterwinkel Der Einfallswinkel, bei dem diese Polarisation auftritt, nennt man den Brewsterwinkel (siehe Abb. 2 für Strahlenkonfiguration). Diesen Effekt kann man sich anschaulich so erklären, dass das Licht Elektronen in der Oberfläche zum Schwingen anregt. Die so angeregten Elektronen werden dann als Hertzsche Dipole aufgefasst, die die Anregungsenergie wieder durch Strahlung abgeben. Teilt man nun das einfallende Licht in zwei Komponenten auf, parallel und senkrecht zur Einfallsebene, dann sind die Hertzschen Dipole beim Brewsterwinkel so ausgerichtet, dass ihre Achse mit dem reflektierten Strahl zusammenfällt. Ein Hertzscher Dipol strahlt aber in Richtung seiner Achse nichts ab, so dass die Komponente parallel zur Einfallsebene im reflektierten Strahl fehlt (siehe dazu Abb. 3). 154 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Brechungsgesetz Beim Übergang eines Lichtstrahls vom Medium 1 in das Medium 2 (beides Isolatoren) gilt das Brechungsgesetz von Snellius sin α n2 = sin β n1 , (4) wobei α der Einfallswinkel und β der Winkel zwischen Einfallslot und gebrochenem Strahl ist (n1 und n2 sind die Brechungsindizes von Medium 1 und Medium 2). Dabei ist der Einfallswinkel gleich dem Winkel des reflektierten Strahls zum Lot. Abb. 3: Vollständige Polarisation beim Brewsterwinkel Für den Brewsterwinkel ergibt sich damit sin α n = tan α = 2 . sin β n1 (5) Betrachtet man den Übergang des Lichtstrahls vom optisch dichteren in das optisch dünnere Medium, dann gibt es neben dem Brewsterwinkel einen weiteren ausgezeichneten Winkel. Da der gebrochene Lichtstrahl vom Lot weggebrochen wird (folgt aus dem Brechungsgesetz), kommt der transmittierte Strahl durch Vergrößern des Einfallswinkels bei einem bestimmten Winkel zum Überlappen mit der Grenzfläche der beiden Medien. Für Einfallswinkel, die größer als dieser Grenzwinkel sind, wird der einfallende Strahl vollständig reflektiert und man beobachtet die Totalreflexion. Der gebrochene Strahl existiert nur noch als (imaginäre) Oberflächenwelle, bei der keine Energie durch die Grenzfläche fließt. (Bemerkung: Es ist möglich diese Oberflächenwelle nachzuweisen, siehe u.a. Bergmann, Schäfer: Optik). Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 155 Für den Grenzwinkel αT der Totalreflexion folgt also nach dem Brechungsgesetz sin αT n = sin αT = 1 n2 sin β (6) wobei n2 der Brechungsindex des optisch dichten und n1 der des optisch dünnen Mediums ist. Fresnelsche Formeln Das Verhalten von Licht an der Grenzfläche zweier Medien lässt sich durch die Fresnelschen Formeln ausdrücken (A. Fresnel, 1788-1827). Dabei wird die Polarisation der einfallenden Lichtwelle berücksichtigt und die Intensitätsverhältnisse von reflektiertem und transmittiertem Licht zum einfallenden Licht als Funktion des Einfallswinkels beschrieben. Der Brewsterwinkel und der Grenzwinkel der Totalreflexion sind in diesem Formalismus bereits enthalten. Da in diesem Versuch ausschließlich die Reflexion des Lichts untersucht wird, werden nur die Fresnelschen Formeln für das reflektierte Licht vorgestellt. Bei der Herleitung kann man z.B. die Energieerhaltung als Ansatz wählen. In Abb. 4 ist dazu die Aufteilung der Strahlungsleistung φ an einer Grenzfläche dargestellt. Abb. 4: Strahlungsleistung des einfallenden, reflektierten und transmittierten Strahls. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 156 Die Leistung des einfallenden Lichts ist dabei gegeben durch φ e = Se ⋅ A cos α (7) wobei Se der Betrag des entsprechenden Poyntingvektors ist. Die Energieerhaltung bei Reflexion und Brechung besagt nun, dass φe = φr + φt . (8) Zusätzlich gibt es eine Änderung des elektrischen Feldes (bzw. des magnetischen Feldes) beim Übergang vom einen in das andere Medium. Dabei bleibt aber die r r Komponente des Feldes E (bzw. H ), die tangential zur Grenzfläche der beiden r Medien ist, gleich. Teilt man demnach den Vektor E in zwei Komponenten parallel und senkrecht zur Einfallsebenen auf r r r E = ⎛⎜ E , E ⎞⎟ , ⎝ s p⎠ (9) dann gilt für die senkrechte Komponente in beiden Medien r E s1 r =E s2 . (10) In Abb. 5 sind zur Verdeutlichung die Komponenten des elektrischen Feldes des einfallenden (E), reflektierten (R) und gebrochenen (G) Strahls parallel (p) und senkrecht (s) zur Einfallsebenen dargestellt. Rs Es Rp Ep α n1 n2 β Gp Gs r Abb. 5: Aufteilung des Feldvektors E in Komponenten Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 157 Nach Gl. (10) gilt dann Es + Rs = Gs . (11) Aus der Energieerhaltung (Gl. (8), die für beide Komponenten gültig ist) und der Nebenbedingung beim Übergang vom einen in das andere Medium (Gl. (11)) folgt die erste Fresnelsche Formel für die Komponente senkrecht zur Einfallsebene: ρs := sin(α − β ) Rs =− Es sin(α + β ) . (12) Man nennt dieses Verhältnis von reflektierter zu einfallender Amplitude den Reflexionskoeffizienten ρ. Ersetzt man den Winkel mit Hilfe des Brechungsgesetzes (Gl. (4)) und definiert einen relativen Brechungsindex n mit n := n2 n1 , (13) dann ergibt sich eine nützliche Form der Fresnelschen Formel: (n =− ρs 2 − sin 2 α − cos α n2 −1 ) 2 . (14) Die Fresnelsche Formel für die Komponente parallel zur Einfallsebene lässt sich analog berechnen. Dabei ist zu beachten, dass zunächst nicht das elektrische Feld betrachtet wird, da dessen parallele Komponente beim Übergang durch die Grenzfläche den Betrag ändert. Einfacher ist es die senkrechte Komponente des magnetischen Feldes zu benutzen. Der Zusammenhang dieser beiden Größen ist gegeben durch r E = p μ r n H s (15) mit der Vereinfachung μ = μ0 in beiden Medien. Daher kann wieder Gl. (8) benutzt werden, wobei das elektrische Feld durch das magnetische Feld nach Gl. (15) ersetzt wird. Mit der Stetigkeitsbedingung für das Magnetfeld tangential zur Grenzfläche (analog Gl. (11)) H E + H R = HG ergibt sich dann für das elektrische Feld die zweite Fresnelsche Formel (16) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 158 ρ p := Rp tan(α − β ) = E p tan(α + β ) , (17) welche wieder umgeschrieben werden kann: ρp = n 2 cos α − n 2 − sin 2 α n 2 cos α + n 2 − sin 2 α . (18) In Abb. 6 ist der Betrag des Reflexionskoeffizient als Funktion des Einfallswinkels für parallel und senkrecht zur Einfallsebene polarisiertes Licht dargestellt, wobei im Übergang Luft/Glas n = 1,5 gewählt worden ist. Es ist deutlich die Auswirkung des Brewsterwinkels bei der parallelen Komponente zu sehen. Abb. 6: Reflexionskoeffizient am Übergang Luft/Glas Abb. 7: Reflexionskoeffizient am Übergang Glas/Luft Im Übergang Glas/Luft vom optisch dichteren in das optisch dünnere Medium gibt es zusätzlich die Totalreflexion, so dass sich ein ähnlicher Verlauf der Kurven bis zum Grenzwinkel der Totalreflexion ergibt (siehe Abb. 7). Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 159 Aufgaben zur Vorbereitung (a) Leiten Sie die Fresnelschen Formeln her (siehe Gl. (12) und Gl. (17)). (b) Berechnen Sie die Reflexionskoeffizienten ρS und ρP als Funktion von n für den Fall α = 0. (Wie ist das Reflexionsvermögen definiert?) 160 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Versuchsaufbau Abb. 8: Versuchsaufbau Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 161 Es sind folgende Geräte einzuschalten: Die Lichtquelle, die Lichtquelle ist eine Halogenlampe mit 100W (220V), deren Licht durch einen Spalt austritt und durch einen Farbfilter (blau) läuft, so dass nahezu monochromatisches Licht erzeugt wird. Das Spaltbild wird mit einer Zylinderlinse auf die Oberfläche eines Glaskörpers fokussiert. Das Hintergrundbeleuchtete Multimeter, Einstellung des Messbereiches ist 0 bis 15 Volt Gleichspannung Das kleine schwarze Gehäuse vom Verstärker der Photodiode. Der Schalter befindet auf der Rückseite vom Gehäuse. Verstärkungsfaktor 1 bitte auf keinen Fall verändern! Die Helligkeit der Lichtquelle so einstellen dass nicht mehr als 12 Volt auf dem Multimeter zu messen sind. Sonst übersteuert der Verstärker! 162 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Es wird ein Halbzylinder benutzt, der sich auf einem drehbaren Tisch befindet, wobei die Drehachse auf der Reflexionsoberfläche des Halbzylinders liegt. Der Tisch ist mit einer Skala ausgestattet zum Ablesen des eingestellten Einfallswinkels (die kleinste Einheit sind 0,5°). Das Licht wird vor der Reflexion mit einem Polarisationsfilter linear polarisiert, der sich zwischen Glaskörper und Linse befindet. Die Intensität des reflektierten Lichts wird mit einer Photodiode gemessen, die sich auf einem schwenkbaren Arm befindet, dessen Drehpunkt mit der Drehachse des Tisches zusammenfällt. Zur Verbesserung der Lichtausbeute wird das reflektierte Licht mit einer zweiten Linse auf die Photodiode fokussiert. Zur Vermeidung von Streulichteffekten ist die Photodiode in einem Gehäuse eingeschlossen und das Licht wird durch ein Rohr hineingeleitet. Das eintreffende Licht erzeugt in der Zelle durch Photoeffekt Elektronen, deren Strom verstärkt wird, wobei während des gesamten Versuchs der PhotodiodenVerstärker auf “1” eingestellt bleibt. Die Intensität kann am hintergrundbeleuchteten Multimeter abgelesen werden. Mit diesem Aufbau lässt sich sowohl die Reflexion beim Übergang Luft/Glas als auch die Reflexion beim Übergang Glas/Luft untersuchen. Bei Letzterem ist es wichtig, dass die Optik richtig justiert ist, da das Licht vor der eigentlichen Reflexion erst durch die gekrümmte Oberfläche des Halbzylinders gerade hindurch gelangen muss und somit ohne Brechung. Versuchsdurchführung Ziel des Versuchs ist es, die Fresnelschen Formeln zu bestätigen, wobei der Reflexionskoeffizient als Funktion des Einfallswinkels bestimmt wird. Aus den gewonnenen Messwerten kann ebenfalls der Brechungsindex des Glaskörpers ermittelt werden. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 163 Aufgabe 1: Justage der optischen Anordnung Wie bei allen optischen Versuchen ist die Justage der Anordnung aller Elemente im Strahlengang sehr wichtig. Es sollte daher überprüft werden, ob das Licht, das durch den Spalt gelangt, durch die Achse des drehbaren Tisches verläuft (dazu wird der Glaskörper entfernt, falls er noch darauf liegt). Die Mittelpunkte von Linsen und Polarisationsfiltern sollten sich auf der optischen Achse befinden und die Ebenen der optischen Elemente senkrecht dazu. Das in den Tubus des Photodiodengehäuses fokussierte Licht sollte, ohne blockiert zu werden, zur Photodiode gelangen. Aufgabe 2: Reflexionskoeffizient im Übergang Luft/Glas Für diesen Versuchsteil wird der Halbzylinder zurück auf den drehbaren Tisch gestellt, wobei seine plane Oberfläche mit der Drehachse zusammenfallen muss. Als erstes wird nun die Polarisationsrichtung des einfallenden Lichts eingestellt. Dazu werden der Polarisator und der Glaskörper benutzt. Nach der Theorie wird beim Brewsterwinkel das reflektierte Licht vollständig polarisiert (senkrecht zur Einfallsebenen). Der Einfallswinkel und der Polarisator werden also solange verstellt, bis das reflektierte Licht verschwindet (wieder ein Blatt Papier als Schirm benutzen). Das Licht ist dann parallel zur Einfallsebenen polarisiert (Polarisatoreinstellung notieren!). Zur Bestimmung der Intensität des einfallenden Lichts wird der Glaskörper noch einmal entfernt. Die Lichtmenge kann durch Verstellen des “Lampenstroms” eingestellt werden. Bei der Einstellung ist darauf zu achten, dass die Diode noch nicht in Sättigung geht. Die maximale Intensität I0 wird dann gemessen und notiert. Der Reflexionskörper wird wieder auf den Tisch gestellt, wobei nun zusätzlich zur Position der Drehachse noch die Winkeleinteilung des Tisches relativ zur Reflexionsfläche eingestellt werden muss. Dazu wird der Einfall bei α = 0° benutzt, d. h., der reflektierte Strahl muss mit dem Einfallenden überlappen. Der Einfallswinkel wird nun zwischen 15° ≤ α ≤ 85° in 5° Schritten variiert und die Intensität des reflektierten Lichts gemessen. In der Nähe des Brewsterwinkels nimmt die Intensität stark ab und wird beim Brewsterwinkel minimal. Es empfiehlt sich, in kleineren Schritten zu messen, um den Brewsterwinkel genau zu bestimmen (Fehler?). Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 164 Für die senkrechte Komponente wird der Polarisator um 90° verdreht und die maximale Intensität I0 des einfallenden Lichts nach Entfernen des Glaskörpers gemessen. Hat sich die Intensität I0 allein durch Änderung der Polarisationsebenen geändert? Der Glaskörper wird dann wieder auf dem Tisch entsprechend platziert (siehe oben) und die Intensität für die Einfallswinkel 15° ≤ α ≤ 85° gemessen. Auswertung: In ein Diagramm wird der berechnete Reflexionskoeffizient | ρ (α ) |= E (α ) 2 E0 2 = I (α ) I0 (21) als Funktion des Einfallswinkels α für die parallele und die senkrechte Polarisationsrichtung eingetragen (mit Fehlerbalken und Brewsterwinkel nicht vergessen). Diskutieren Sie den Verlauf der Messwerte im Vergleich zur Theorie (siehe Abb.6). Aus dem Brewsterwinkel und aus der Extrapolation der Kurven nach α = 0, d.h. aus dem Wert ρ (α = 0), soll der Brechungsindex (mit Fehler) berechnet werden. Aufgabe 3: Reflexionskoeffizient im Übergang Glas/Luft Für diesen Fall wird mangels Zeit nur eine Polarisation betrachtet und zwar die parallele Komponente (Polarisator durch drehen entsprechend einstellen). Die Messung der Intensität I0 des einfallenden Lichts und die Justage des Reflexionskörpers werden wie vorher beschrieben durchgeführt. Die Reflexion geschieht aber im Gegensatz zu dem vorherigen Abschnitt im Glaskörper, so dass das Licht zuerst durch die kreisrunde Oberfläche des Halbzylinders gerade hindurchgehen muss bevor die plane Grenzfläche erreicht wird. Was hat dies für Auswirkungen auf die Intensität I0 des einfallenden Lichts? Messung: Die Intensität des reflektierten Lichts wird ausgehend von α = 85° zu kleineren Winkeln in 5° Schritten gemessen. Bei Überschreiten des Winkels der Totalreflexion gibt es einen starken Einbruch der gemessenen Intensität. Zur besseren Bestimmung des Totalreflexionswinkels soll dieser Abfall der Intensität genauer Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 165 vermessen werden (ab dem letzten Winkel mit hoher Intensität in 1° Schritten, bis zum Erreichen des Brewsterwinkels). Der Brewsterwinkel wird wieder wie oben beschrieben direkt bestimmt. Auswertung: Der Reflexionskoeffizient wird berechnet und in ein Diagramm gegen den Einfallswinkel aufgetragen (Fehlerrechnung, Fehlerbalken!). Der Grenzwinkel der Totalreflexion kann nun aus dem Verlauf der Messwerte bestimmt werden. Jeweils aus dem Brewsterwinkel und dem Totalreflexionswinkel wird schließlich der Wert des Brechungsindex des Halbzylinders berechnet (Fehlerbetrachtung!). Vergleichen sie alle gemessenen Werte für n und diskutieren Sie die möglichen statistischen und systematischen Fehlerquellen. 167 VERSUCH II.10: MESSUNGEN MIT DEM MICHELSON-INTERFEROMETER Thematik: Grundlagen der Wellenoptik, Interferenz, Kohärenz, Wellenfeld eines Lasers, Spektrallinien von Gasen, Aufbau und Interferenzmuster des Michelson-Interferometers, Messung von Wellenlängen und Kohärenzlängen sowie Fourier-Spektroskopie mit dem Michelson-Interferometer. Literatur: Demtröder Band II, Kapitel 10, insbesondere Kapitel 10.3, Otten, Kapitel 29, insbesondere Kapitel 29.4 Einführung Diese Einführung gibt einen Überblick über Prinzip und Aufbau des MichelsonInterferometers sowie über das physikalische Umfeld. 1 Prinzip des Michelson-Interferometers Das von Albert Michelson gegen Ende des 19. Jh. entwickelte und nach ihm benannte Interferometer ist auch heute noch ein sehr wichtiges Instrument zur Präzisionsmessung von Wellenlängen. Es beruht auf der zeitlich verzögerten Interferenz einer Welle mit sich selbst, die durch doppelte Spiegelung erreicht wird. Abb. 1 zeigt eine schematische Skizze. Wir betrachten zunächst nur einen Zentralstrahl auf der optischen Achse. Er trifft unter 45° einen halbdurchlässigen Spiegel, der ihn in zwei gleich starke Komponenten, eine reflektierte und eine transmittierte aufteilt. Sie werden in den Entfernungen L1 bzw. L2 von den Spiegeln 1 und 2 unter 90° reflektiert, treffen wieder auf den Strahlteiler, der sie zum zweiten Mal aufteilt in Komponenten zurück Richtung Lichtquelle und seitlich in Richtung Beobachtungsebene. Hier interferieren die beiden Teilstrahlen miteinander, haben aber je nach Spiegelposition unterschiedlich lange Laufwege hinter sich. Der Unterschied L' beträgt L' = 2 (L2 - L1). (1) 168 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Spiegel 1 (justierbar) L1 ⇔ L2 Lichtquelle Spiegel 2 (fahrbar) Strahlteiler Schirm Abb. 1: Schema eines Michelson-Interferometers Habe das Medium den Brechungsindex n (hier Luft mit n = 1,00027), dann beträgt der Unterschied in der Laufzeit t' = 2n (L2 - L1) / c0, (2) wobei c0 = 299 792 458 m/s die Vakuumlichtgeschwindigkeit ist. Wir nehmen nun an, die Welle sei monochromatisch und eben, also von der Form A (x,t) = A0 cos (2π (νt – x /λ)) = A0 cos (ωt - kx), (3) wobei wir die Kurzform auf der rechten Seite von (3) mit Kreisfrequenz und Wellenzahl ω = 2πν bzw. k = 2π λ = 2πn λ0 (4) bevorzugen. Die Wellenlänge λ ist im Medium um den Faktor des Brechungsindex n gegenüber der Vakuumwellenlänge λ0 verkürzt. Aus dem zeitlichen Versatz der Teilwelle um t' resultiert nach (3) ein Phasenversatz von ϕ' = ωt' = ω 2n (L2 - L1 ) 2n(L2 − L1 ) = 2π . c0 λ0 (5) Immer dann, wenn ϕ' ein geradzahliges Vielfaches m von π ist (wir rechnen immer im Bogenmaß) ϕ' = 2mπ, m = 0, ± 1,±2, K (6) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 169 so interferieren die beiden Teilwellen auf der Beobachtungsebene dank der Periodizität des Kosinus in Phase miteinander und ihre Amplituden addieren sich mit gleichem Vorzeichen, d.h. konstruktiv. Der Gangunterschied im optischen Weg 2n (L2 - L1) ist dann ein ganzes Vielfaches der Vakuumwellenlänge λ0. Ist ϕ' dagegen ein ungeradzahliges Vielfaches von π ϕ' = (2m + 1)π, m = 0 , ± 1,±2, K (7) so addieren sich die Teilwellen mit entgegengesetzter Amplitude, löschen sich demnach in destruktiver Interferenz aus. Der zentrale Fleck ist dann dunkel. Daraus ergibt sich ein einfaches Verfahren zur Bestimmung der Wellenlänge: Man verfahre mit Hilfe einer Mikrometerschraube den Spiegel 2 auf der optischen Achse um eine Strecke ΔL2 und zähle dabei die Anzahl m durchlaufener Interferenzmaxima oder -minima im Zentrum ab. Daraus ergibt sich nach (5) und (6) die Vakuumwellenlänge λ0 = 2nΔL2 / m. (8) Wo bleibt das Licht im Falle, dass ein Interferenzminimum in der Beobachtungsebene herrscht? Es wird vollständig in die Lichtquelle zurück reflektiert! Das muss so sein, damit die Gesamtintensität erhalten bleibt. Die Interferenz der in Richtung Lichtquelle reflektierten Teilstrahlen ist also immer in Gegenphase zu der in Richtung Beobachtungsebene reflektierten.3 2 Das Ringsystem In der Regel bestrahlt man das Michelson-Interferometer nicht mit einer streng parallelen ebenen Welle, sondern mit einem divergenten Lichtbündel, das folglich einen Lichtkegel auf den Beobachtungsschirm wirft. Bei exakter Justage beobachten wir dort ein System von konzentrischen Interferenzringen, die nach außen immer enger werden. Offensichtlich ändert sich der Gangunterschied im Interferometer als Funktion des Neigungswinkels gegen die optische Achse. Den Zusammenhang erkennen wir am einfachsten, wenn wir die in der Beobachtungsebene im Punkt P interferierenden Teilstrahlen rückverfolgen bis zu den beiden virtuellen Spiegelbildern Q'1, Q'2 der (punktförmig angenommenen) Lichtquelle Q. Nach den Spiegelgesetzen liegen sie im relativen Abstand 2 (L2 - L1) hintereinander (s. Abb. 2). Der geometrische Gangunterschied L' ist jetzt gleich der Differenz der Strecken Q'1 P 3 Die relative Verschiebung um π kommt durch unterschiedliche Phasenbeziehungen am Strahlteiler zustande. 170 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II und Q' 2 P . Bei sehr weit entferntem Aufpunkt P können wir die beiden Teilstrahlen als nahezu parallel ansehen (α1 ≈ α2 = α), und der Gangunterschied wird zur Strecke Q' 2 A im Dreieck Q'1 A Q'2, für die gilt Q'2 A = L ' = 2( L2 − L1 ) cos α (9) Er verkürzt sich also gegenüber dem zentralen Strahl um den Faktor cosα (der auch für andere Interferometertypen, z.B. das Fabry-Perot-Interferometer, typisch ist). Für kleine α können wir den cos entwickeln und erhalten für den Phasenunterschied anstelle von (5) ϕ' (α ) = 2π 2n(L2 − L1 ) λ0 cosα ≈ 2π 2n(L2 − L1 ) ⎛ α 2 ⎞ ⎜⎜1 ⎟⎟ . λ0 ⎝ 2 ⎠ (10) Der Gangunterschied verkürzt sich also annähernd quadratisch mit dem Neigungswinkel und durchläuft dabei in immer schnellerer Folge Interferenzordnungen in Richtung kleinerer Ordnungszahlen m (s. Abb. 2). Demzufolge wandern die Ringe nach außen, wenn man das Interferometer zu größerem Gangunterschied hin verfährt und umgekehrt. Dabei verengt bzw. erweitert sich die Breite der einzelnen Ringe. Abb. 2: Skizze zur Berechnung des Gangunterschieds im Michelson-Interferometer bei geneigtem Strahlengang. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 171 Überfahren wir den Punkt L2 - L1 = 0, so ist auch der Gangunterschied für alle Winkel gleich 0 und es herrscht konstruktive Interferenz auf der ganzen Beobachtungsebene. Der Durchmesser des zentralen Rings wächst mit anderen Worten über alle Grenzen. Bei unserem Versuchsaufbau beobachten wir das allerdings nicht. Das liegt daran, dass der Strahlteilerspiegel auf eine Glasplatte endlicher Dicke aufgedampft ist, die von dem einen Teilstrahl dreimal, von dem anderen jedoch nur einmal durchquert wird (s. Abb. 3). Der hohe Brechungsindex des Glases führt nun zur Brechung an den Grenzflächen und vor allem zur Verlängerung des optischen Weges im Glas zu Lasten des von S2 gespiegelten Teilstrahls. Um dies zu kompensieren, muss man den Spiegelarm L2 entsprechend verkürzen. Folglich rückt das zugehörige Spiegelbild Q'2 etwas näher an die Beobachtungsebene heran. Entsprechend ändert sich die Winkelabhängigkeit des Gangunterschieds, die sich im Wesentlichen nach dem verkürzten geometrischen Lichtweg richtet. Bei gleichem optischem Lichtweg entspricht sie einer Position von Q'2 wenige Millimeter unterhalb Q'1. Man schätze dies aus dem gemessenen Durchmesser der Interferenzringe ab. Bei Präzisionsmessungen fügt man in den anderen Teilstrahl eine weitere (entspiegelte) Platte hinzu, die den optischen Lichtweg durch das Glas und vor allem dessen Dispersion kompensiert. Letztere würde bei der Vermessung breitbandiger Spektren stören. Abb. 3: Strahlengang im Michelson-Interferometer bei quellseitiger Verspiegelung der Strahlteilerplatte. Bei gleicher optischer Weglänge der beiden Arme rückt das Spiegelbild Q'2 etwas näher an die Beobachtungsebene B als Q'1. Gestrichelt gezeichnet ist eine bei Präzisionsmessungen verwendete Kompensationsplatte KP. 172 3 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Interferenzintensität bei monochromatischem Licht Die Intensität einer Welle I, d.h. die pro Flächeneinheit auftreffende Leistung dP / dA, ist immer proportional zum Quadrat der Wellenamplitude, im Falle von interferierenden Wellen dementsprechend zum Quadrat der resultierenden Amplitude. Bei einem Laufzeitunterschied t' im Michelson-Interferometer (s. (2)) erzeugt demnach eine monochromatische Welle (3) im Beobachtungspunkt die momentane Intensität 2 A ⎛A ⎞ I (t,t' ) = A (t,t' ) = ⎜ 0 cos ωt + 0 cos ω (t + t ')⎟ . 2 ⎝ 2 ⎠ 2 (11) Bei einem 1 : 1 Strahlteiler reduziert sich die Amplitude der Teilstrahlen um 1 2 entsprechend einer Halbierung der Teilintensitäten, dann beim 2. Durchgang noch einmal um 1 2 , also insgesamt auf die Hälfte. Ausführen des Quadrats in (11) ergibt [ ] A02 (cos ωt )2 + (cos ω(t + t' ))2 + 2 cos ωt cos ω(t + t' ) . 4 A2 (t , t ') = (12) Im Experiment beobachten wir nicht den momentan Wert der Intensität, sondern ihr zeitliches Mittel 〈I〉t, über einen Zeitraum, der jedenfalls sehr groß ist im Vergleich zur optischen Periode. Für den Mittelwert des Quadrats des cos gilt (cos ωt )2 = (cos ω (t + t ' )) 2 t t = 1 2. (13) Das gemischte Glied in (12), den so genannten Interferenz-Term, schreiben wir zunächst mit Hilfe des Additionstheorems des cos um zu 2 cosωt cosω (t + t') = 2 ((cosωt)2 cosωt' - cosωt sinωt sinωt'). (14) Mitteln wir jetzt über die Zeit t, so liefert der Term cos2 ωt wieder den Wert 1/2, während sich das Produkt aus cos- und sin-Funktion wegen alternierender Vorzeichen weghebt: cos ωt sin ωt t = 1 sin 2ωt 2 t = 0. (15) Zusammengefasst erhalten wir im Zentrum des Ringsystems (α = 0) als Funktion des Gangunterschieds im Zeitmittel die Intensität I (t ') t ~ A02 (1 + cos ωt ') 4 (16) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 173 mit ωt' = ϕ' = 2π 2n (L 2 − L1 ) λ0 (17) entsprechend (5). Die Interferenzintensität variiert also streng periodisch mit dem Gangunterschied zwischen dem vollen Wert und Null (s. Abb. 4). Abb. 4: Michelson-Interferenz einer monochromatischen Lichtquelle als Funktion des Gangunterschieds ϕ‘ = ωt‘ = 2π ·2n (L2 - L1) / λ0 4 Michelson-Interferenz von nichtmonochromatischem Licht Wir lassen jetzt eine spektrale Verteilung des Lichts zu und wählen für die spektralen Komponenten der Wellenamplitude in Anlehnung an (3) die Form a (ω, t, x) = a0 (ω) cos (ωt - k x) (18) mit einer frequenzabhängigen Amplitude a0 (ω). Ein differentielles Frequenzintervall dω trägt jetzt zur zeitlich gemittelten Interferenzintensität nach (16) den differentiellen Beitrag4 a (ω) (1 + cos ωt' )dω I (ω,t' ) t = 0 2 d 4 4 (19) Man beachte, dass wir im zeitlichen Mittel nur die Interferenz zwischen Amplituden der gleichen Frequenz beachten müssen. Interferenzterme zwischen Komponenten verschiedener Frequenz sind zeitlich nicht stabil, sondern führen zu Schwebungen, die sich im Zeitmittel wegheben. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 174 bei. Wir erkennen an (19) sofort, dass nur noch für den Laufzeitunterschied t' = 0 alle Frequenzanteile über das ganze Spektrum hinweg konstruktiv interferieren und die volle Intensität ergeben. Dagegen führt ein endliches t' für ein Spektrum, das sich über ein Frequenzintervall Δω erstreckt, zu einer „Verschmierung“ der Interferenzphase ϕ' um den Betrag Δϕ' = Δωt'. (20) Solange Δϕ‘ « 2π (21) gilt, macht das nicht viel aus, und der Interferenzkontrast schwächt sich nur wenig ab. Gilt aber umgekehrt Δϕ'' » 2π, (22) so sind konstruktive wie destruktive Interferenzphasen über das Frequenzintervall Δω etwa gleich häufig verteilt und heben sich weg. Einen Interferenzkontrast als Funktion des Gangunterschieds kann man dann nicht mehr beobachten. 5 Kohärenzzeit, Kohärenzlänge Es erscheint sinnvoll, zwischen den beiden Extremen (21), (22) eine ungefähre obere Grenze für den Gangunterschied zu definieren ϕ'k = Δωtk ≈ 1 , bzw. tk ≈ 1 / Δω, (23) unterhalb derer das Licht noch über seine gesamte spektrale Bandbreite hinweg mit einigermaßen einheitlicher Phase interferiert und im Michelson-Interferometer einen deutlichen Kontrast erzeugt. Der zugehörige zeitliche Gangunterschied tk heißt sinngemäß die Kohärenzzeit. Multipliziert mit der Lichtgeschwindigkeit ergibt sich die Kohärenzlänge lk = ctk. (24) Das ist der räumliche Gangunterschied, bis zu dem die eingestrahlte Lichtquelle über ihre spektrale Breite hinweg kohärenzfähig bleibt. Häufig wird statt (23) auch die großzügigere Grenze t≈ benutzt. 2π 1 = Δω Δν (25) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 6 175 Qualitative Bestimmung der Kohärenzzeit Rein qualitativ kann man tk mit dem Michelson-Interferometer auf folgende Weise bestimmen: Ausgehend vom Gangunterschied L' = 0 verfährt man den Spiegel 2 in beide Richtungen jeweils soweit, bis man im Ringsystem keinen Kontrast mehr zu erkennen glaubt. Der gemessene Abstand der beiden Spiegelpositionen ⎢x+ - x-⎥ ist das Doppelte der Armlängendifferenz ⎢L2 - L1⎥, die (bei richtiger Messung) zu beiden Seiten von L' = 0 dem Betrage nach gleich ist. Den entsprechenden Gangunterschied t' = 2 ⎢L2 - L1⎥ / c = ⎢x+ - x-⎥ / c ≈ tk (26) nehmen wir als Schätzwert für die Kohärenzzeit und können sie nach obigen Formeln in die Kohärenzlänge bzw. die spektrale Breite umrechnen. 7 Quantitative Auswertung des Interferenzkontrasts, Fourierspektroskopie Um den genauen Wert des Interferenzkontrasts von nichtmonochromatischem Licht zu gewinnen, müssen wir die differentiellen Beiträge (19) über das ganze eingestrahlte Spektrum aufintegrieren und erhalten a02(ω) (1+cosωt')dω I(t') t =C∫ −∞ 4 1 +∞ dI (1+cosωt')dω = ∫ − ∞ 2 dω t +∞ +∞ dI ⎞ 1⎛ = ⎜⎜I0 +∫ cosωt' dω⎟⎟ −∞ dω 2⎝ t ⎠ 1 = (I0 + F(t')) 2 (27) Mit der Definition C a02 / 2 = 〈dI / dω〉 t haben wir in der zweiten Zeile im Integranden die zeitlich gemittelte eingestrahlte spektrale Intensität eingeführt. In der dritten Zeile haben wir das Integral in seine beiden Summanden getrennt; der erste ist unabhängig vom Gangunterschied t' und gleich der Hälfte der eingestrahlten, über das ganze Spektrum integrierten Gesamtintensität I0. Der zweite Term F (t') ist der über das Spektrum integrierte Interferenzterm, der mit dem Gangunterschied oszilliert und alle wichtigen Informationen über das Spektrum enthält, wie wir sehen werden. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 176 Wir diskutieren zunächst ein einfaches Beispiel: Es sei die spektrale Intensität in einem bestimmten Frequenzintervall zwischen ω0 und ω0+Δω konstant und ansonsten null. Dieses Profil kann man sich näherungsweise erzeugen, indem man z.B. aus dem kontinuierlichen, glatten Spektrum einer Glühlampe mit Hilfe eines Monochromators (z.B. Gitter, Prisma) einen kleinen Spektralbereich ausblendet. dI Dann können wir das konstante aus dem Integral des Interferenzterms in (27) dω t herausziehen und erhalten F (t' ) = 1 dI 2 dω [sin (ω0t' + Δt' ) − sin ω0t' ] t' t . (28) Wir erkennen daran folgendes: Wenn sich der Gangunterschied von einer Kante des Spektrums zur andern gerade um 2π oder dessen Vielfaches ändert Δϕ' = Δωt' = n2π, (n = ±1, ±2, ...), (29) so verschwindet die Klammer in (28) und damit der Interferenzterm. Im Integral über das Spektrum halten sich dann konstruktive und destruktive Anteile die Waage und annullieren die resultierende Interferenz. Im Ganzen zeigt F (t') das typische Bild einer Schwebung, wie sie immer bei der Überlagerung zweier Winkelfunktionen mit unterschiedlicher Periode auftritt. Abb. 5 zeigt links das Rechteckspektrum und rechts das zugehörige F(t'). Als Kohärenzzeit wählen wir denjenigen Gangunterschied t' bei dem der Kontrast nach (29) zum ersten Mal verschwindet und erhalten in Übereinstimmung mit der Definition (25) t= 2π Δω . (30) In der folgenden Schwebungsperiode erholt sich der Kontrast zunächst wieder, nimmt aber im Ganzen wegen des wachsenden t' im Nenner von (28) ab. Das Integral F (t') in (27) ist ganz allgemein als Fouriertransformation (genau genommen nur ihr cos-Anteil in unserem speziellen Ansatz) bekannt und spielt eine fundamentale Rolle in Mathematik und Physik. Man kann nämlich durch Rücktransformation die Funktion im Integranden zurückgewinnen dI(ω ) dω = t' 1 2π ∞ ∫ F (t ')cos ωt ' dt ' −∞ (31) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Abb. 5: Links: Eingestrahltes Rechteckspektrum 177 Rechts: Zugehörige Michelson-Interferenz F (t‘). Es wurde Δω/ω0 = 1:5 gewählt. Mit Hilfe dieser Transformation können wir also aus der Messung der MichelsonInterferenz für alle t' das eingestrahlte Spektrum vollständig zurückgewinnen! Natürlich ist dies in der Regel nur auf numerische Weise möglich, eine Aufgabe, die heute von jedem PC problemlos und sehr schnell erledigt wird. Diese Form der Spektroskopie nennt man sinngemäß Fourierspektroskopie. Sie spielt auch in der Informationstechnologie, z.B. der effizienten Speicherung von Audiosignalen, eine immer größere Rolle. Da man sich aus praktischen Gründen auf endliche Gangunterschiede t' ≤ tmax beschränken muss, ist auch die Fouriertransformation (31) nicht vollständig. Sie liefert dann keine Informationen im niedrigen Frequenzbereich ν < 1/tmax. 8 Räumliche Kohärenz natürlicher Lichtquellen Bei natürlichen Lichtquellen werden die Lichtquanten von den einzelnen Atomen und Molekülen spontan und unabhängig voneinander emittiert. Daher haben die einzelnen Photonen untereinander in der Regel keine einheitliche Phasenbeziehung und sind nicht interferenzfähig. Vielmehr muss das Wellenfeld eines jedes einzelnen Photons mit sich selbst interferieren. Will man dennoch mit einer natürlichen, auch „stochastisch“ genannten Lichtquelle Interferenzversuche machen, so muss man dafür Sorge tragen, dass für alle Photonen aus dem Bereich der Lichtquelle eine einheitliche Interferenzbedingung herrscht, d.h. der zu beobachtende Gangunterschied zwischen Teilbündeln, die durch Beugung oder Spiegelung entstanden sind, für alle Quellpunkte gleich groß ist, oder jedenfalls um weniger als eine Wellenlänge differiert. Habe zum Beispiel die Lichtquelle den Durchmesser d und benutzt man im Versuch ein Lichtbündel mit dem Öffnungswinkel α (s. Abb. 6), so differiert der Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 178 optische Weg zu einem weit entfernten Aufpunkt P über den Durchmesser der Lichtquelle hinweg um die Strecke b ≈ d sinα ≈ dα (32) (für kleine Winkel α). Einigermaßen einheitliche Interferenzbedingungen in P sind dann noch gegeben, wenn b die Grenze einer Wellenlänge nicht überschreitet. Ist die Bedingung dα ≲ λ (33) eingehalten, so sprechen wir von einem räumlich kohärenten Lichtbündel. Die Bedingung ist sehr hart: Bei λ = 1 μm und einem Quellendurchmesser von nur 1 mm darf der Öffnungswinkel nur 1 mrad sein, also weniger als 1/10 Grad. Das schränkt die Intensität gewaltig ein! Abb. 6: Skizze zur Definition der räumlichen Kohärenz einer Lichtquelle mit Durchmesser d und Öffnungswinkel α des benutzten Strahlenbündels. Obwohl man beim Michelson-Interferometer Interferenzen in hoher Ordnung beobachtet, ist man glücklicherweise nicht auf eine räumlich kohärente Lichtquelle angewiesen! Durchmesser und Öffnungswinkel können beide recht groß sein. Wir erkennen das am einfachsten in Abb. 2: Schieben wir die Lichtquelle ein wenig nach oben, so rutschen ihre beiden Spiegelbilder nach rechts. Ihr relativer Abstand bleibt dabei unverändert, also auch das resultierende Ringsystem. Es rutscht nur etwas nach rechts. Damit die von den einzelnen Quellpunkten entworfenen Ringsysteme sich nicht gegenseitig verwischen, müssen wir also nur verlangen, dass der Durch- Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 179 messer der Quelle kleiner ist als die Dicke der Ringe in der Beobachtungsebene. Das sind aber für die zentrale Ordnung bei unserem Versuch einige cm. Allerdings müssen die Spiegel exakt justiert sein! Sind sie über die Distanz des Quellendurchmessers auch nur um λ/2 verkantet, so ändert sich der Gangunterschied bereits um λ und der Kontrast ist dahin. Um ein kontrastreiches Ringsystem zu erhalten, muss man das Spiegelsystem also sehr sauber justieren und das umso mehr, je größer die Lichtquelle ist. Das macht sich im Versuch sehr deutlich bemerkbar. 9 Prinzip und Wellenfeld eines Lasers Ein Laser stellt eine nahezu ideal kohärente und monochromatische Lichtquelle dar und ist daher für Interferenz- und Beugungsversuche besonders gut geeignet. Das Laserprinzip beruht auf der stimulierten Emission von Lichtquanten, die von Einstein schon 1917, lange vor Entdeckung des Lasers, postuliert wurde. Bestrahlt man Atome mit Licht auf der Resonanzfrequenz zwischen zwei Quantenzuständen entsprechend (34), so bewirkt dieses Feld Quantensprünge in beide Richtungen, von unten nach oben durch Absorption eines Photons wie auch von oben nach unten durch stimulierte Emission eines zusätzlichen Photons in Richtung und in Phase mit dem stimulierenden Feld, wodurch sich dessen Intensität verstärkt. Die stimulierte Emission überwiegt immer dann die Absorption, wenn die Atome den oberen Energiezustand stärker bevölkern als den unteren (diesen Fall nennt man Besetzungsinversion). Somit stellen sie netto ein Energiereservoir für die Verstärkung der Lichtwelle zur Verfügung. Eine solche Situation stellt sich z.B. bezüglich zweier bestimmter Zustände im Neon in einer Gasentladung in einem HeNe-Gemisch ein (HeNe-Laser, auf Einzelheiten können wir nicht eingehen). Der Lasereffekt wird stark begünstigt, wenn das strahlende Medium von zwei Spiegeln umgeben ist, zwischen denen das Licht in Form einer stehenden Welle gefangen ist und dadurch länger mit dem Medium wechselwirken kann (s. Abb. 7). Der rechte Spiegel transmittiert einen Bruchteil der stehenden Welle und lässt einen schlanken Strahl austreten, dessen Durchmesser einige Zehntelmillimeter ist und der einen Öffnungswinkel von ca. 1 mrad hat, sich also pro Meter Laufstrecke um ca. 1 mm aufweitet. Bildet man das Produkt aus dem Durchmesser d, den die Strahltaille im Resonator hat, und dem Öffnungswinkel α des Strahls, so ist auch hier das Produkt von der Größenordnung λ entsprechend (33). Mit Linsen kann man die Strahlparameter transformieren, z.B. den Strahl auf einen kleinen Brennfleck mit entsprechend großem Öffnungswinkel fokussieren; das Produkt dα bleibt dabei nach dem Linsengesetz erhalten. Ganz rechts in Abb. 7 ist das Intensitätsprofil eines Laserstrahls skizziert. Es fällt vom Zentrum nach außen hin wie eine Gauß-Funktion ab. 180 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Wegen seiner strengen Kohärenz ist das Wellenfeld eines Lasers im ganzen Raum voll interferenzfähig, gleichgültig ob es zu einem schlanken Strahl oder einem weit geöffneten Bündel geformt ist. Im Gegensatz zu einer natürlichen Lichtquelle zeigt das Laserlicht daher selbst bei dejustiertem Michelson-Interferometer noch kontrastreiche Interferenzfiguren, die dann allerdings nicht mehr die Form eines Ringsystems haben, sondern irgendwie gekrümmte Streifenmuster zeigen. Abb. 7: Links: Skizze eines HeNe-Lasers, bestehend aus einem Gasentladungsrohr mit HeNe-Mischung und zwei umgebenden Resonatorspiegeln, von denen der Rechte einen Bruchteil der stehenden Laserwelle nach außen als schlanken Strahl transmittiert. Rechts: Fokussierung des Laserstrahls zu einem kleinen Fokus mit hohem Öffnungswinkel. Dabei gilt d2α2 ≈ d1α1 . Ganz rechts: Profil der Intensitätsverteilung in einem Laserstrahl. Spektroskopisches Hintergrundwissen 1 Interpretation der Kohärenzlänge als endliche Wellengruppe In Physik und Chemie spielt das Spektrallicht, das von leuchtenden, gasförmigen Atomen und Molekülen ausgeht, eine große Rolle. Nach dem Bohrschen Atommodell wird es in Form von Lichtquanten mit scharfen Frequenzen νik = (Ei - Ek) / h (34) ausgesandt, die beim Übergang von einem höher angeregten Quantenzustand mit der Energie Ei zu einem tiefer gelegenen mit der Energie Ek entstehen; h ist das Plancksche Wirkungsquantum. Genau genommen ist eine Spektrallinie aber nicht unendlich scharf, weil für die Aussendung des Lichtquants nur eine begrenzte Zeit, Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 181 nämlich die mittlere Zerfallszeit des angeregten Zustands zur Verfügung steht. Sie ist bei sichtbarem Licht von der Größenordnung τ ≈ 10-8 s. (35) Das Photon muss also während dieser Zeitspanne ausgesandt werden und sein Wellenzug folglich auf eine Länge von der Größenordnung τc ≈ 3 m beschränkt sein. Wir nennen einen solchen Wellenzug endlicher Länge eine Wellengruppe. Messen wir nun mit einem Michelson-Interferometer die Kohärenzlänge solcher Wellengruppen, so kann sie natürlich nicht größer sein als deren Länge. Denn bei einem größeren Gangunterschied würden sich die beiden Teilstrahlen gar nicht mehr überlappen können, sondern nacheinander am Beobachtungspunkt ankommen und folglich auch nicht mehr interferieren können. Um uns eine Vorstellung von der Form einer solchen Wellengruppe zu machen, dürfen wir uns im Fall strahlender Atome von der Vorstellung leiten lassen, sie seien Hertzsche Dipole, deren Schwingung durch die abgestrahlte Leistung gedämpft wird. Klingt also die abgestrahlte Leistung exponentiell wie e –t / τ ab, so die abgestrahlte Wellenamplitude mit der doppelten Zeitkonstanten 2τ entsprechend ⎧⎪ − 2 τ cos(kx − ωt ) für t ≥ x c A(t,x) = ⎨ A0 e ⎪⎩ 0 sonst t − x/c (36) Die Formel beschreibt eine Wellengruppe, die zum Zeitpunkt t = 0 bei x = 0 startet und zur Zeit t = x / c den Beobachtungsort x erreicht. Sie bietet das Bild eines exponentiell gedämpften Wellenzugs, dessen Amplitude nach der Länge l = 2τc auf 1/e abgesunken ist. Bringen wir eine solche Wellengruppe im Michelson-Interferometer mit einem zeitlichen Versatz von t' mit sich selbst zur Interferenz, so interferiert eine Amplitude A mit einer Amplitude A' die bereits um den Faktor e –t / 2τ abgefallen ist (s. Abb. 8) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 182 Abb. 8: Skizze zum Abklingen der Interferenz zweier um t' gegeneinander verzögerter, exponentiell gedämpfter Amplituden Folglich fällt auch der Interferenzkontrast, d.h. die Differenz zwischen konstruktiver und destruktiver Interferenzintensität wie e -t' / 2τ ab: K (t') ∼ (A + A')2 - (A - A')2 = 4 AA' = 4 A2 e -t' / 2τ . (37) Die Kohärenzzeit würde man in diesem Fall als tk = 2τ definieren, bei der der Kontrast auf ein 1/e des ursprünglichen Wertes abgeklungen ist. Welche spektrale Breite gehört zu einer solchen gedämpften Schwingung? Aus der Schwingungslehre wissen wir, dass ein gedämpfter Schwinger mit der Resonanzfrequenz ω0 und der Dämpfungskonstante τ bei erzwungener Anregung mit der Frequenz ω eine resonante Leistungsaufnahme mit der Frequenzabhängigkeit P(ω ) = P(ω0 ) 1 + 4(ω − ω0 ) 2τ 2 (38) hat. Sie heißt Lorentz-Kurve (s. Abb. 9) und fällt im Abstand ⎢ω - ω0⎟ = 1 / 2τ (39) Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 183 auf die Hälfte des Spitzenwerts P (ω0) ab (s. Otten, Kap. 11.4). Das reemittierte Leistungsspektrum eines Hertzschen Dipols muss aber gleich dem absorbierten sein. Folglich erwarten wir für Spektrallinien die Form eines Lorentzprofils, die so genannte natürliche Linienform. Die volle Halbwertsbreite Δω = 1/τ wäre bei einer typischen Lebensdauer von 10-8 s gleich 108/s ≈ 2π ⋅ 15MHz. Sie ist also sehr klein im Verhältnis zu einer optischen Resonanzfrequenz von typisch 5 ⋅ 1014Hz. Abb. 9: Lorentz-Kurve mit voller Halbwertsbreite Δω = 1 / τ; sie ist die so genannte „natürliche“ Linienform einer Spektrallinie. τ ist die mittlere Lebensdauer des angeregten Zustands 2 Dopplerbreite einer Spektrallinie Tatsächlich beobachtet man in der Regel ca. 100mal breitere Spektrallinien, die auch nicht Lorentz-, sondern Gaußförmig sind. Das rührt daher, dass die strahlenden Atome in schneller thermischer Bewegung sind und daher die abgestrahlte Frequenz vom Beobachter mit der Dopplerverschiebung ν - ν0 = δν = ν0v / c (40) beobachtet wird; v ist die Relativgeschwindigkeit zwischen Emitter und Empfänger. Diese Relativgeschwindigkeit folgt aber einer Gaußförmigen Maxwell-Verteilung, die auch das so genannte Dopplerprofil einer Spektrallinie prägt dI dI(ν 0 ) − (ν −ν 0 ) 2 mc 2 / 2ν 02 kT = e dν dν (41) 184 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II (m = Molekülmasse, k = Boltzmann-Konstante, T = absolute Temperatur, s. auch Abb. 10). Im Abstand ν −ν 0 = ν0 c 2kT / m (42) von der Zentralfrequenz fällt sie auf 1/e ab. Setzt man Zahlen ein, so ergibt sich hierfür ein Wert in der Größenordnung von 109 Hz. Das würde einer Kohärenzlänge von 30 cm entsprechen, immer noch sehr groß gegenüber den wenigen Millimetern, die das Michelson-Interferometer im Praktikum überstreichen kann. Wir verwenden daher eine Quecksilberhöchstdrucklampe. Hier sind die Spektrallinien des Quecksilbers durch eine extrem hohe Zahl von gaskinetischen Stößen der strahlenden Quecksilberatome mit den Atomen eines höchst verdichteten Edelgases noch einmal stark verbreitert, so dass die Kohärenzlänge auf weniger als ein Millimeter schrumpft. ν-ν0= Abb. 10: Dopplerprofil einer Spektrallinie Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 185 Versuch Zu Ihrer Sicherheit: Die verwendeten Lichtquellen können bei unsachgemäßer Handhabung eine Gefahr darstellen. Den Anweisungen des Assistenten ist in jedem Falle Folge zu leisten. Konkrete Gefahren sind: Der Laser: Ein Laserstrahl ist eine stark gebündelte, sehr intensive Form von Energie. Um eine Schädigung des Auges zu vermeiden, darf ein Laser niemals (!) in Augenhöhe betrieben werden, und sein Strahl darf weder direkt noch reflektiert ins Auge treffen können! Am Körper getragene Gegenstände, die beim Greifen durch den Strahl Reflexe unkontrolliert ins Auge lenken können, sind abzulegen (Armbanduhren, Schmuck etc.). Fragen Sie Ihren Betreuer nach den Gefahren und Verhütungsmaßnahmen im Umgang mit Lasern. Die Quecksilberspektrallampen: Diese Lampen enthalten einen hohen Anteil an UV-Strahlung, die das Auge bei intensiver Einwirkung schädigen kann. Aufgabe 1 zur häuslichen Vorbereitung: Man schätze den Durchmesser des ersten Interferenzrings nach dem zentralen Maximum des Ringsystems ab für: eine Wellenlänge von 500 nm, einen Unterschied der Armlängen L2 - L1 = 1 mm, eine Entfernung der Beobachtungsebene von der Lichtquelle von 2 m. Für Aufgabe 3 wird eine Diskette benötigt! 186 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Aufgabe 2: Messung der Wellenlänge des HeNe-Lasers mit dem MichelsonInterferometer Merke: Entscheidend für das Gelingen optischer Versuche sind die richtige, dem Problem gut angepasste Auswahl der Komponenten und ihre planmäßige und sorgfältige Justierung. Zu Beginn des Versuches sind in der Regel der HeNe-Laser und das Interferometer bereits an den entgegengesetzten Enden der optischen Bank montiert. Man baue den Strahlengang nach Abb. 11 wie folgt auf: Abb. 11: Strahlengang zwecks Messung der Wellenlänge eines HeNe-Lasers. (Die Lochblende wird erst zuletzt zur Demonstration des rückreflektierten Ringsystems benötigt). • Man prüfe, ob der Laserstrahl die Interferometerspiegel mittig trifft und justiere gegebenenfalls nach. • Die beiden Spiegel erzeugen seitlich auf der Zimmerwand zwei Reflexe, die man durch Justieren des einen Spiegels mittels zweier Stellschrauben sorgfältig zur Deckung bringe. • Rückreflex des Interferometers durch Schwenken des Interferometertischs knapp neben das Austrittsfenster des Lasers richten. Der Strahleinfall erfolgt dann auf der optischen Achse unter 45° zum Strahlteiler bzw. 90° zum Spiegel. • Mit einer kurzbrennweitigen Linse den Laserstrahl vor dem Interferometer auffächern und Interferometerspiegel damit gut ausleuchten. Das kann man mit Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 187 einem Stück Papier als Schirm kontrollieren. Auf der Wand erscheint jetzt ein großer Lichtfleck, der auch bei schlecht justiertem Interferometer kräftige Interferenzmuster zeigt. • Durch Feinjustage Interferenzmuster zum Ringsystem formen und zentrieren. • Messung der Laserwellenlänge: Bei Verschieben des Spiegels mittels Mikrometerschraube wechseln im Zentrum des Ringsystems periodisch Helligkeit und Dunkelheit. Man bestimme die für 10, 20, 30, ... 100 Perioden notwendige Verschiebung des Spiegels. Ein Skalenteil auf dem Umfang der Mikrometerschraube entspricht einem Vorschub von 10 μm, der durch den Hebel am Spiegel noch einmal um einen Faktor 10 untersetzt ist. • Achtung: Mikrometerschrauben haben einen toten Gang! Erst wenn dieser über- wunden ist, mit der Zählung beginnen! • Auswertung: Berechnung der Laserwellenlänge aus den Messdaten mit Fehler- rechnung Komplementäres Ringsystem: Man stelle eine Lochblende in den Fokus der Linse und beobachte auf ihrer weißen Rückseite das rückreflektierte Ringsystem. Man überzeuge sich, dass es gegenphasig zum seitlich reflektierten ist. Dichteschwankungen: Die Bodenplatte des Interferometers ist mit einer Bohrung versehen. Halten Sie die Flamme eines Feuerzeugs in mindestens 5 cm Entfernung unter dieses Loch und beobachten Sie die Veränderung der Interferenzmuster. Qualitative Beschreibung und Erklärung der Veränderungen im Interferenzmuster. Aufgabe 3: Messung der Kohärenzlänge einer Quecksilberhöchstdrucklampe Man wechsle zum 2. Interferometertisch. Im Einzelnen: • Montieren Sie die Hg-Höchstdrucklampe auf den schwenkbaren Arm der optischen Bank in gleicher Höhe wie das Interferometer. • Die Lampe enthält einen eingebauten Kondensor, mit dem man sie möglichst hell auf einen Spalt fokussiere. 188 • Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Das aus dem Spalt austretende Lichtbündel wird mit dem kurzbrennweitigen Achromatobjektiv parallelisiert; dazu suche man auf der gegenüberliegenden Wand ein scharfes Bild des Strahls. Aufgrund der sehr großen Bildweite entspricht dies nahezu einem parallelen Bündel. Abb. 12: Strahlengang zur Messung der Kohärenzlänge von Spektrallinien einer Hg- Höchstdrucklampe (1). Die übrigen Elemente sind: Kondensorlinsen (2), Wärmeschutzfilter (3), justierbare Spalte (4), Achromat mit f = 5 cm (5), Beugungsgitter (6), Linse mit f = 10 cm (7), Irisblende (8), Michelson-Interferometer (MI), Spiegelantrieb (9), Photodiode (10), Rechner mit Eingangsverstärker und Datenwandlerkarte (PC). • Man stelle das Beugungsgitter in den parallelen Strahlengang über den Drehpunkt der optischen Bank. • Kurz hinter das Gitter montiere man die längerbrennweitige Linse (7) und refokussiere das durchtretende Licht auf einen zweiten Spalt. Durch Schwenken des Arms kann man die einzelnen Spektrallinien auswählen. Man wähle etwa gleiche Breiten bei Ein- und Austrittsspalt. Mit einer zusätzlichen Irisblende kann man auch die Höhe des Spalts begrenzen zwecks leichterer Justage des Interferometers (vgl. Kap. 1.8, letzter Absatz). • Man prüfe mit einem Stück Papier, ob das Interferometer gut ausgeleuchtet ist und verschenke kein Licht durch zu lange Strahlengänge. Gegebenenfalls Strahlengang nachjustieren. • Interferometer auf gleiche Armlänge fahren und mit Hilfslaserstrahl vorjustieren. Dann durch Feinjustage Ringsystem suchen und optimieren. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 189 • Man beginne die Messungen mit der grünen, der hellsten Spektrallinie. • Man verfahre das Interferometer nach beiden Seiten aus der Nulllage und notiere die Positionen, bei denen der Kontrast dem Augenschein nach verschwindet. Man berechne daraus einen Schätzwert für die Kohärenzlänge. • Man fixiere die Photodiode mit Hilfe eines Magneten auf der Leinwand aus Eisenblech und schließe sie an die Eingangselektronik des PC an. • Interferometer jenseits der Kohärenzlänge fahren. Von dort aus mit dem PC vollständiges Interferogramm über den ganzen Kohärenzbereich hinweg aufnehmen, zunächst für die grüne danach für die gelbe Spektrallinie. Die Bedienungsanleitung kann im PC aufgerufen werden. • Im Intervall gut sichtbarer Kontraste bestimme man die Wellenlänge der grünen und der gelben Spektrallinie durch Abzählen der Interferenzmaxima als Funktion der Mikrometerstellung. • Versuchen Sie, bei der grünen Spektrallinie die Spalte so eng wie möglich zusammenzufahren und ein Interferogramm aufzunehmen. Hat sich die Kohärenzlänge geändert? • Der PC enthält eine Routine zur Fouriertransformation. Konvertieren Sie damit die gemessenen Interferogramme in die zugehörigen Spektren. • Bei der Auswertung muss die Frequenzskala der Spektren umkalibriert werden. Hierzu muss die Echtzeitskala, mit der der PC das Interferogramm aufgenommen hat, in eine Skala des Laufzeitunterschieds t' in den beiden Interferometerarmen umgerechnet werden. Das Synchrongetriebe hat eine Umdrehungszahl von 1/Minute. Auch hier entspricht ein Skalenteil auf dem Umfang der Mikrometerschraube einem effektiven Vorschub des Spiegels von 1 μm. • Diskussion: Man vergleiche die von Augenschein bestimmte Kohärenzlänge mit der Rechnerauswertung und diskutiere die Ergebnisse. Vergleichen Sie die gemessenen Wellenlängen mit den in Abb. 13 angegebenen. • Das Versuchsprotokoll muss neben den wichtigsten Formeln und Messergebnissen folgende Diagramme enthalten: vollständigen Strahlengang mit allen Komponenten einschließlich Brennweiten etc. für beide Aufbauten, Rechnerausdruck der Messkurven und berechneten Spektren. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 190 Linienspektrum einer Quecksilberhöchstdrucklampe 100 547nm 90 relative spektrale Intensität 80 70 577nm 579nm 60 50 40 30 20 10 0 250 300 350 400 450 500 550 600 Wellenlänge in nm Abb. 13: Linienspektrum von Quecksilber. 650 700 750 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 191 Bedienungsanleitung PC-Auswertung zum Michelson-Interferometer (für Origin 6 DE(ZDV Version)) Diese Bedienungsanleitung soll Ihnen helfen die Datenaufnahme mit Visual Designer sowie die Datenauswertung mit Origin für Aufgabe 3 Durchzuführen. Alle verwendeten Programme wurden auf den Desktop gelegt. Zur Auswertung ist es möglich Origin mit dem Uni-Account im Zip Pool zu Nutzen! Datenaufnahme mit Visual Designer: • • • • Starten Sie das Programm „Michelson“. Zur Datenaufnahme den Knopf „Speicherung starten“ drücken. Während die Daten aufgenommen werden läuft ein Timer mit. Die Datenaufnahme wird durch drücken des gleichen Knopfes, der jetzt mit „Speicherung beenden“ beschriftet ist, beendet. Die Daten werden im ASCII-Format abgespeichert unter C:\user\michelson\daten. Nach jeder Datenaufnahme muss dieses File umbenannt werden, da es sonst bei einer erneuten Datenaufnahme überschrieben wird. Datenauswertung mit Origin: • • • • • • • • • • • • • Zeichnen der aufgenommenen Daten Daten in Worksheet einlesen Datei→Import→ASCII Optionen „Spaltenzahl“ auf 2 setzen und den Knopf „Jetzt Importieren” drücken Datenfile laden Neue Spalte einfügen Mit der Maus innerhalb des Worksheets rechts neben die beiden Spalten fahren und rechten Mausknopf drücken. „Neue Spalte...“ wählen Die neue Spalte soll die Werte für (2nΔL)/c enthalten. Dazu muss die Echtzeitskala in diesen Wert umgerechnet werden. Überlegen Sie sich den Umrechnungsfaktor. Die Echtzeit in Spalte A(X) ist in ms angegeben, der Schrittmotor macht eine Umdrehung der Mikrometerschraube pro Minute. Führen Sie die Umrechnung durch. Gehen Sie mit dem Mauszeiger auf das Feld „C(Y)“ und drücken Sie die rechte Maustaste. Wählen sie „Spaltenwerte errechnen....“. Geben Sie die Umrechnungsformel ein und drücken Sie „OK“. 192 • • • Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Zeichnen Sie Ihre aufgenommenen Daten mit der neu berechneten Spalte als x-Achse. Zuerst müssen Sie dem Programm sagen, dass er die neue Spalte als xWerte benutzen soll. Dazu wieder mit der Maus auf das Feld „C(Y)“ fahren und rechte Maustaste drücken. „Setzen als→X“ wählen. Zum Zeichnen die Spalte „B(Y)“ markieren und rechte Maustaste drücken. „Zeichnen→Liniendiagramm“ wählen. Der Zeichenbereich kann z.B. durch einen Doppelklick auf die x-Achse oder die yAchse verändert werden. Es öffnet sich ein Fenster mit verschiedenen Karteikarten, hier kann zum einen die „Skalierung“ oder die „Beschriftung Hilfsstriche“ der Achse verändert werden. Am Besten für „Format“ Wissenschaftlich einstellen. Durch Doppelklick auf die Kurve sollte die „Linienbreite“ auf 0.2 eingestellt werden. Der Unterschied ist auf dem PC wahrscheinlich nicht zu sehen, aber die Qualität des Ausdrucks verbessert sich. Durchführen der Fouriertransformation: • Zum Durchführen der Fouriertransformation benötigt der PC ein „Abtastintervall“. Dieses gibt den Abstand (auf der x-Achse) von einem Datenpunkt zum nächsten an. Die Datenaufnahme wird mit einem „Abtastintervall“ von 23ms in der Echtzeitskala durchgeführt. Diese Zeit muss in den Laufzeitunterschied t’ umgerechnet werden. Führen Sie die Umrechnung durch. • Führen Sie die Fouriertransformation durch. • Markieren Sie die Spalte „B(Y)“ • Wählen Sie „Analyse→FFT...“ • Fehlermeldung mit „OK“ bestätigen • Wählen Sie die Karteikarte „Eigenschaften“ aus und geben sie das berechnete „Abtastintervall“ ein (Eingabeformat: x.xxxxE-xx!) • Blättern Sie wieder um zu „Operation“ und drücken Sie „OK“. • Die Zeichnung wie oben beschrieben nachbearbeiten. Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II 193 Laserschutzklassen Einfache Übersicht über die Klassen kontinuierlicher Laser im Sichtbaren. Die Leistungen geben die maximal zugängliche Strahlung (MZS) (zwischen 1000 und 30000 s). Leistungsgrenze im Sichtbaren Kurzbeschreibung: Laserklasse Kurzbeschreibung: Schutzmaßnahmen 1 0,39 μW Diese Laser sind ungefährlich. Bestrahlung von Haut und Augen verursacht keine Schäden. Keine 2 1 mW Diese Laser gelten bei einer Bestrahlung bis zu 0,25 s als ungefährlich. Die Klasse ist nur im Sichtbaren definiert. Abwehrreaktion, Lidschlußreflex 3A 5 mW Strahl ist aufgeweitet. Gefahr im Sichtbaren wie bei Klasse 2, sonst wie bei Klasse 1. Ohne Strahleinengung (z. B. Fernrohr) also gefahrlos, im Sichtbaren nur bis 0,25 s. Keine Einengung des Strahles, Abwehrreaktion, Lidschlußreflex 3B 0,5 W Lasersysteme mittlerer Leistung, Gefahr für Auge und evtl. Haut. Diffuse Streustrahlung bis 10 s ab 13 cm Entfernung ungefährlich. Abschirmung, Laserschutzbrille 4 über 0,5 W Laser hoher Leistung. Große Gefahr für Auge und Haut. Diffuse Streustrahlung gefährlich. Erhöhte Brandgefahr. Abschirmung, Laserschutzbrille, evtl. Hautschutz Laserklasse 194 Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II Schädigung durch Laserstrahlung Einwirkung auf das Auge 10 6 + Laser 1W Laser 1 mW 10 2 20 kW Xe-Lampe + Retinaschädigung (10 s) Sonne 1 10 -2 Lichtbogen (Schweißen) max. Bestrahlung (10 s) Wo-Faden (Glühl.) Glühlampe 10 -4 10 -6 Tageslicht Kerze 10 -10 0,01 3 TV Tageslicht (innen) 10 -8 2 4 5 6 7 0,1 1 10 Bildgröße auf der Retina (mm) Bestrahlungstärke auf der Netzhaut für einige ausgedehnte Lichtquellen Pupillendurchmesser (mm) Absorbierte Strahlung an der Netzhaut (W / cm²) 10 4