Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler Teil II

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Physikalisches Praktikum
für Naturwissenschaftler
Teil II
PMC
Wintersemester 2009/2010
INHALTSVERZEICHNIS
VERSUCH II.1: GEKOPPELTE DREHPENDEL ........................................................ 5
VERSUCH II.2: LOGISCHE SCHALTUNGEN......................................................... 15
VERSUCH II.3: WÄRMEKRAFTMASCHINE........................................................... 43
VERSUCH II.4: POTENZIALFELDER ..................................................................... 59
VERSUCH II.5: ELEKTRISCHER SCHWINGKREIS ............................................... 77
VERSUCH II.6: RÖNTGENSTRAHLUNG.............................................................. 105
VERSUCH II.7: HALLEFFEKT .............................................................................. 117
VERSUCH II.8: HALBLEITERELEKTRONIK ........................................................ 127
VERSUCH II.9: FRESNELSCHE FORMELN......................................................... 151
VERSUCH II.10: MICHELSON-INTERFEROMETER ............................................ 167
HINWEISE ZUR AUSWERTUNG
Hier ein paar Hinweise, um häufig gemachte Fehler bei der Versuchsdurchführung
und -auswertung zu vermeiden:
•
Die Versuchsbeschreibung kommt im Protokollheft vor der Datenerhebung.
•
Markieren Sie auffällige Werte der Messdaten.
•
Führen Sie Einheiten stets auf. So lassen sich z.B. Fehler in einer Rechnung
leichter finden.
•
Notieren Sie Messfehler gleich während der Datenerhebung ins Protokollbuch,
nicht nachträglich festlegen.
•
Bei analogen Messgeräten ist i.d.R. ½ Skalenteil der Ablesefehler.
•
Zahlenwerte und ihre zugehörigen Fehler mit der gleichen (und sinnvollen)
Zahl an Nachkommastellen und in der gleichen 10er-Potenz angeben (z.B.
P=(1,45+-0,20) W).
•
Diagramme immer mit Fehlerbalken und Titel versehen.
•
Ein Kurvenfit ist nur dann sinnvoll, wenn ein begründetes Modell vorliegt.
•
Datenpunkte sollten nur dann verbunden werden, wenn es z.B. in einem Diagramm mit mehreren Kurven nötig ist, zu markieren, was zusammengehört.
•
Begründen Sie Ihre Erwartung für Kurvenverläufe (nicht pauschal: „Die Kurve
verläuft wie erwartet“).
•
Ziehen sie ein Fazit (etwa: Vergleich der Ergebnisse mit Literaturwerten, Verbesserungsvorschläge)
5
VERSUCH II.1: GEKOPPELTE
DREHPENDEL
Stichpunkte: Harmonische Schwingungen, physikalisches und mathematisches
Pendel, Drehpendel, Bewegungsgleichung für das gekoppelte Fadenoder Drehpendel, Schwebung.
1. Theorie
In einem gekoppelten System mit 2 Freiheitsgraden wird zwischen den Schwingern
Energie ausgetauscht. Die Übertragung der Schwingungsenergie erfolgt dabei
dadurch, dass das schwingende Pendel die Kopplungsfeder spannt, die dann
wiederum das ruhende Pendel beschleunigt. Das ausgeübte Drehmoment ist dabei
proportional zur Auslenkung der Pendel gegeneinander.
Auf jedes Pendel wirken zwei Drehmomente. Eines kommt von der Winkelrichtgröße
D der Spiralfedern:
N1 = −Dϕ 1
N 2 = −Dϕ 2 .
ϕ
L
D
N
Abb. 1: Schematische Darstellung eines Drehpendels
6
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
r
Das negative Vorzeichen beschreibt das Entgegenwirken des Drehmoments N zur
r
Auslenkung. ϕ ist die Winkelabweichung von der Gleichgewichtslage. L ist der
Drehimpuls, θ das Trägheitsmoment.
Das zweite Drehmoment wird durch die Winkelrichtgröße D12 der Kopplungsfeder
und die relative Verdrehung (ϕ 1 − ϕ 2 ) bewirkt:
Pendel 1: − D12 (ϕ1 − ϕ2 )
Pendel 2: + D12 (ϕ1 − ϕ 2 ) .
Hält man also zunächst Pendel 1 fest und lenkt Pendel 2 aus, erhöht sich das relative
Drehmoment. Wenn dann Pendel 2 festgehalten und Pendel 1 in Richtung von
Pendel 2 bewegt wird, verringert sich das durch die Kopplungsfeder verursachte
Drehmoment wieder.
Abb. 2: Zwei Drehpendel mit Kopplungsfeder.
Die verschiedenen Vorzeichen für die Pendel spiegeln wieder, dass die
Kopplungsfeder Pendel 2 in die Gegenrichtung von Pendel 1 „zieht“.
Die Gesamtdrehmomente sind also:
N1 = −Dϕ 1 − D12 (ϕ 1 − ϕ 2 )
N 2 = −Dϕ 2 + D12 (ϕ 1 − ϕ 2 )
(1)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
7
Ist θ das Trägheitsmoment jedes der beiden Pendel, so gilt:
d 2ϕ 1
= θ ⋅ ϕ&&1
dt 2
d 2ϕ 2
N2 = θ
= θ ⋅ ϕ&&2
dt 2
N1 = θ
Daraus resultieren zwei gekoppelte Differentialgleichungen zweiten Grades:
θ ⋅ ϕ&&1 = −Dϕ 1 − D12 (ϕ 1 − ϕ 2 )
θ ⋅ ϕ&&2 = −Dϕ 2 + D12 (ϕ 1 − ϕ 2 )
(2)
Um das System zu lösen, kann man die Summe und die Differenz der Gleichungen
betrachten:
θ ⋅ (ϕ&&1 + ϕ&&2 ) = −D ⋅ (ϕ 1 + ϕ 2 )
(3a)
θ ⋅ (ϕ&&1 − ϕ&&2 ) = −(D + 2D12 ) ⋅ (ϕ 1 − ϕ 2 )
(3b)
Dies ist die Darstellung zweier ungedämpfter harmonischer Schwingungen. Ihnen
entsprechen die Kreisfrequenzen:
ω0 =
ωa =
D
4a)
θ
D + 2D12
θ
.
(4ab)
Die allgemeinen Lösungen von (3a) und (3b) lauten somit:
ϕ 1 + ϕ 2 = ϕ 0 = 2a cos(ω 0 t + α )
(5a)
ϕ 1 − ϕ 2 = ϕ a = 2b cos(ω a t + β ) .
(5b)
Die Anfangsbedingungen bestimmen die Vorfaktoren der Winkelfunktionen. Um die
Variablen ϕ 1 und ϕ 2 einzeln beschreiben zu können, bildet man wieder die Summe
bzw. die Differenz der Gleichungen (5a) und (5b):
ϕ 1 = a cos(ω 0 t + α ) + b cos(ω a t + β )
(6a)
ϕ 2 = a cos(ω 0 t + α ) − b cos(ω a t + β ) .
(6b)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
8
Differenziert man nach der Zeit, erhält man die Winkelgeschwindigkeiten:
ϕ&1 = −aω 0 sin(ω 0 t + α ) − bω a sin(ω a t + β )
(7a)
ϕ& 2 = −aω 0 sin(ω 0 t + α ) + bω a sin(ω a t + β ) .
(7b)
Nimmt man an, dass zur Zeit t = 0 beide Schwinger mit einem Auslenkwinkel uo
losgelassen werden, so ist ϕ&1 = ϕ& 2 = 0 . Damit folgt aus (7a) und (7b):
α , β = n ⋅ π ; n = ..., -2, -1, 0, 1, 2,... .
Die Gleichungen vereinfachen sich dann zu:
ϕ 1 = a cos ω 0 t + b cos ω a t
(8a)
ϕ 2 = a cos ω 0 t − b cos ω a t .
(8b)
Damit ergibt sich folgender Sachverhalt:
Die Bewegung jedes Pendels ist durch zwei etwas unterschiedliche Kreisfrequenzen
(ω 0 und ω a ) bestimmt. ω 0 ist die Kreisfrequenz der nicht gekoppelten Pendel
( D12 = 0 ). ω a hängt auch von der Stärke der Kopplung ab.
Besonders interessant sind drei Sonderfälle:
I)
Gleichsinnige Schwingungen
Zur Zeit t = 0 werden beide Pendel mit gleichem Winkel u0 ausgelenkt. Setzt man
dies in (8a, b) ein, so ergibt sich:
ϕ 1 = ϕ 2 = u 0 cos ω 0 t .
Beide Pendel führen also identische Schwingungen mit ω0 aus. Das ist auch
verständlich, da die Kopplung sich nicht bemerkbar macht.
Die Schwingungsdauer beträgt also im Falle gleichsinniger Schwingungen:
T0 =
2π
ω0 .
(9)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
II)
9
Gegensinnige Schwingungen
Zur Zeit t = 0 werden beide Pendel in verschiedene Richtungen ausgelenkt.
ϕ 1 = −ϕ 2 = u 0 .
Die Rechnung ergibt in diesem Fall:
ϕ 1 = u 0 cos ω a t
ϕ 2 = −u 0 cos ω a t .
Die Pendel führen spiegelbildliche Schwingungen mit der Kreisfrequenz ωa aus.
Die Schwingungsdauer beträgt im Falle gegenphasiger Schwingungen:
Ta =
III)
2π
ωa .
(10)
Schwebeschwingungen
Die Fälle I) und II) beschreiben die beiden Fundamentalschwingungen dieses
Systems mit zwei Freiheitsgraden.
Gibt man zur Zeit t = 0 nur dem Pendel 1 eine Auslenkung u0, während das andere
Pendel in seiner Gleichgewichtslage ruht (ϕ1 = u0, ϕ2 = 0), ergibt sich aus (8a, b) mit
den entsprechenden Additionstheoremen
ω − ω0
ω + ω0
u0
u
cosω 0 t + 0 cosω a t = u 0 cos a
t ⋅ cos a
t
2
2
2
2
ω − ω0
ω + ω0
u
u
ϕ 2 = 0 cosω 0 t − 0 cosω a t = u 0 sin a
t ⋅ sin a
t.
2
2
2
2
ϕ1 =
Ist die Kopplung schwach, so gilt (ω a − ω 0 ) << (ω a + ω 0 ) und man kann die langsam
veränderlichen Größen
u 0 cos
ωa − ω0
2
t
bzw.
u 0 sin
ωa − ω0
2
t
als die Scheitelwerte des Winkels ϕ1 bzw. ϕ2 betrachten.
Die Pendel führen also Schwingungen mit
ωa − ω0
2
langsam periodisch verändert.
ωa + ω0
2
aus, deren Amplitude sich mit
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
10
Die Schwingungsdauer beträgt:
T+ =
4π
ωa + ω0 .
(11)
Die Schwingungen der Pendel sind um π /2 phasenverschoben. Der typische Verlauf
einer Schwebung zeigt sich dann wie folgt:
Das zweite Pendel kommt jeweils dann zur Ruhe, wenn gilt:
ωa − ω0
2
t = nπ ,
also
t =n
2π
ωa − ω0
(mit n = 1, 2, 3,...).
Die Zeitspanne zwischen zwei aufeinander folgenden Stillständen ist demnach
2π
.
ωa − ω0
Da aber ϕ1 bei zwei aufeinander folgenden Stillständen des zweiten Pendels jeweils
entgegengesetztes Vorzeichen hat, sind alle Phasen des Schwebungsvorganges erst
nach folgender Zeit durchlaufen:
TS =
4π
ωa − ω0
(Schwebungsdauer)
(12)
Zwischen den Frequenzen ν 0 =
1
1
1
,ν a =
und ν S =
gelten nach (9), (10), (11)
T0
Ta
TS
und (12) folgende Beziehungen:
ν+ =
νS =
(ν a + ν 0 )
(13a)
2
(ν a − ν 0 )
2
.
(13b)
Als Kopplungsgrad der Pendel bezeichnet man das Verhältnis
κ=
D12
D + D12 .
Dies lässt sich umformen zu:
κ=
T02 − Ta2 ν a2 − ν 02
=
T02 + Ta2 ν a2 + ν 02 .
(14)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
11
2. Beschreibung der Versuchsanordnung
Die Pendelmassen sind an 2 gleichen Spiralfedern angebracht, die mittels einer
Schraubenfeder zwischen beiden Drehachsen gekoppelt werden können. An beiden
Drehpendeln ist ein Zeiger befestigt, der es erlaubt auf einer Skala den
Auslenkungswinkel zu bestimmen. Durch unterschiedliche Massenbelegung der
Drehpendel und verschieden starke Koppelfedern können die Parameter des
Systems variiert werden.
Abb. 3: Versuchsaufbau
12
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
3. Messungen und Auswertung
Hinweis: Bei allen Zeitmessungen sollen zehnmal jeweils 10 Schwingungen
aufgenommen werden.
Ohne Kopplung soll zunächst die Schwingungsdauer T0 (bzw. die Schwingungsdauern T01 und T02 , falls unterschiedlich) der beiden Pendel gemessen werden.
Bei diesen und folgenden Messungen sollten mindestens 10 Schwingungen
berücksichtigt werden.
Mit Kopplung werden zuerst die beiden Fundamentalschwingungen (I. und II.)
angeregt und T0 bzw. Ta aus den Nulldurchgängen eines der beiden Pendel
bestimmt.
Danach soll der Schwebungsversuch (III.) durchgeführt werden. Dabei soll das T+
des zweiten Pendels gemessen werden. Die Schwebungsdauer TS folgt unmittelbar
aus den Stillständen des zweiten Pendels. Nach (12) ist darauf zu achten, dass TS
über einen Stillstand hinweg zu messen ist.
Ferner soll der Kopplungsgrad der Pendel nach (14) bestimmt werden.
Aufgabe 1:
Abstimmung der beiden Pendel durch Anbringen von Korrekturmassen und
Bestimmung der Schwingungsdauer (T01,T02) der abgestimmten Drehpendel ohne
Kopplungsfeder.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
13
Aufgabe 2:
Anbringen der Kopplungsfeder;
Messung der 1. Eigenschwingung, ω0 = D / θ
Messung der 2. Eigenschwingung, ω a = (D + 2D12 ) / θ
Messung der Schwingungsdauer eines der beiden Pendel bei festgehaltenem 2.
Pendel. Ω = (D + D12 ) / θ
Messung der Schwebungszeit (5 Messungen à 5 Schwebungsdauern), Bestimmung
von ωs
Messung von T+
Aufgabe 3: Vergleichsmessung mit erhöhtem Trägheitsmoment beider Pendel.
Die Zusatzmassen werden vorher durch Wiegen bestimmt. Nach dem Aufschrauben
der beiliegenden Massenhälften wird Aufgabe 1) und 2) wiederholt.
Auswertung
1.)
Bestimmung der Trägheitsmomente der Drehschwinger, und zwar:
a. der Aluminiumscheiben, θ0 = (πρh/2) R4, mit h = 0,6 cm, R = 8 cm und ρ
= 2,7·103 kgm-3
b. der Zusatzmassen, θM= MR2/2, M = Masse, R = 8 cm, (die Achse habe
das Trägheitsmoment θA = 8,2⋅10-5 kgm2).
2.)
Aus den Messungen 1 und 2a.) erhält man die Winkelrichtgröße D der beiden
Drehpendel.
ω 01 = D1 / θ , ω 02 = D2 / θ , und ω 0 = D/θ
Zeigt sich D1 = D2 = D? (abgestimmte gekoppelte Drehpendel)
3.)
Aus den Messungen 2b.) und 2c.) bestimme man jeweils D12, die
Winkelrichtgröße der Kopplungsfeder, und vergleiche die beiden Ergebnisse.
14
4.)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Bestätigen sich die beiden Gleichungen
ω02 + ωa2 = 2Ω 2 ,
ωa − ω0 = 2ω S = Schwebungsfrequenz,
wenn man die Messergebnisse einsetzt? Woher kommen die beiden
Beziehungen?
Die Ergebnisse der Messungen ohne und mit Zusatzmassen sind zu
vergleichen (D, D1, D2, D12).
5.)
Die Ergebnisse für ν + und ν S aus den direkten Messungen und die Ableitung
nach
(13a)
und
(13b)
aus
den
gemessenen
Frequenzen
der
Fundamentalschwingungen sollen vergleichend diskutiert werden. Beschreiben Sie
die Hauptfehlerquellen und deren Auswirkungen auf die Ergebnisse.
6)
Bestimmung des Kopplungsgrades der Drehpendel.
Führen Sie die Punkte 1. – 6. jeweils für beide Messungen1 durch und vergleichen
Sie die Ergebnisse.
1
ohne und mit Zusatzmassen
15
VERSUCH II.2: LOGISCHE
SCHALTUNGEN
Stichpunkte: Axiome der Schaltalgebra, elementare Logikgatter, pos. und neg. Logik,
Normalformen, KV- Diagramm, Kippglieder allgemein, J- K- Flipflop,
Moore- Automat
Literatur:
Schildt, Redlein, Kahn: Einführung in die Technische Informatik
U. Tietze, Ch. Schenk: Halbleiter- Schaltungstechnik
E. Haseloff: Das TTL- Kochbuch
Grundlagen
1. Einleitung
Logische Schaltungen sind Systeme mit nur zwei möglichen Werten ihrer Variablen.
Ein Paradebeispiel dafür ist die Digitalelektronik (z.B. in Computern,
Taschenrechnern oder Alarmanlagen). Man kann aber auch z.B. manche
biologische, wirtschaftliche oder soziologische Prozesse als Systeme logischer
Schaltungen beschreiben.
Für spezielle und weniger aufwändige Aufgaben sind kleinere Schaltungen oft
ausreichend und wesentlich wirtschaftlicher als der Einsatz der universellen
Digitalschaltung Computer. Solche Schaltungen werden - wie im Bild links zusehen auf Leiterbahnplatten („Platinen“)
zusammengesetzt
aus
elementaren
Logikbausteinen
wie z.B. die der TTL-Serie,
welche als IC (Integrated Circuit)
im Handel erhältlich sind.
Moderne Methoden sind z.B. die
Programmierung
komplexerer
Schaltungen auf einem einzigen
IC in Form von GALs oder
FPGAs sowie ihre Simulation am
Computer.
16
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
In der Digitalelektronik nehmen die relevanten Systemgrößen nur zwei
Spannungswerte an, z.B. 0V und +5V (dies ist der so genannte TTL- Standard).
Eingänge sind typischerweise Schalter, Tastaturen, Sensoren oder die Ausgänge
anderer elektronischer Schaltungen. Ausgänge sind typischerweise Kontrolllämpchen, Relais, Schrittmotoren und wiederum andere elektronische Schaltungen.
In diesem Versuch werden zunächst die elementaren Logikschaltungen besprochen.
Anschließend geht es um grundlegende Techniken zu Analyse und Konzeption
eigener logischer Schaltungen.
2. Grundlagen
2.1 Boolesche Algebra
Das mathematische Gerüst zum Berechnen logischer Schaltungen, die Schaltalgebra
oder Boolesche Algebra, fußt (nach Huntington) auf folgenden Axiomen:
Distributivität
a ⋅b = b ⋅ a
a ⋅ (b + c) = a ⋅ b + a ⋅ c
a+b =b+a
a + (b ⋅ c) = (a + b) ⋅ (a + c)
Nullelement
a⋅0 = 0
a+0= a
Einselement
a ⋅1 = a
a +1 = 1
Komplementarität
a⋅a = 0
a + a =1
Kommutativität
Daraus lassen sich weitere Sätze ableiten:
Assoziativität
a ⋅ (b ⋅ c) = (a ⋅ b) ⋅ c
a + (b + c) = (a + b) + c
Adjunktivität
a ⋅ ( a + b) = a
a + ( a ⋅ b) = a
Einzig mögliche Variablenwerte sind also 1 und 0. Die Klammern ( ) haben den
üblichen Sinn. Den Oberstrich
liest man als nicht, das Zeichen • als und, das
Zeichen + als oder. In dieser Reihenfolge ist auch die Bindungsstärke (nach rechts
abnehmend) definiert. Das Zeichen • wird oft weggelassen. Der Oberstrich (auch
Negation genannt) kehrt den logischen Wert der Variable oder des Ausdrucks um,
d.h. aus 0 wird 1 und umgekehrt. Alternativ findet man für und auch die Schreibweise
∧ (statt • ) und für oder ∨ (statt + ).
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
17
2.2 Grundschaltungen der Digitalelektonik
In der Digitalelektonik kennt man – aus praktischen Gründen – sechs
Grundverknüpfungen von zwei Eingangsvariablen a und b mit einer
Ausgangsvariablen:
Eingang
Ausgang
a
b
OR
NOR
AND
NAND
XOR
XNOR
0
0
1
1
0
1
0
1
0
1
1
1
1
0
0
0
0
0
0
1
1
1
1
0
0
1
1
0
1
0
0
1
Die AND-Verknüpfung ist identisch mit dem Rechenzeichen • aus der Booleschen
Algebra. Die OR- Verknüpfung entspricht + . Weiterhin kennt man noch die
einstellige Verknüpfung Invertierung, das Pendant der Negation.
Interessanterweise gibt es (in grundsätzlich jedem Fall) noch eine zweite Möglichkeit,
die Tabelle mit den mathematischen Funktionen zu assoziieren. Umgangssprachlich
formuliert ist die Forderung, dass die Ausgangsvariable nur dann 1 sei, wenn beide
Eingangsvariablen 1 seien identisch mit der Forderung, dass die Ausgangsvariable
dann nicht 1 sei, wenn die eine oder die andere Eingangsvariable nicht 1 seien.
Mathematisch formuliert heißt dies:
x AND = a ⋅ b ⋅ c ⋅ ... = a + b + c + ...
Auch alle anderen Verknüpfungen lassen sich auf zweierlei Weise ausdrücken, so
dass z.B. ebenfalls gilt:
xOR = a + b + c + ... = a ⋅ b ⋅ c ⋅ ...
und entsprechendes für die
vier
übrigen.
Dieser
Sachverhalt ist allgemein als
Dualität bekannt, die beiden
expliziten Beispiele heißen die
Regeln von de Morgan.
AND
OR
XOR
NAND
NOR
XNOR
INV
18
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Um Schaltpläne grafisch darzustellen benutzt man die nebenstehenden Symbole für
die Grundverknüpfungen (auch Gatter genannt). Zu Behandlung von
Digitalschaltungen ist es hilfreich, mal mit Tabellen, mal auf der mathematischen
Ebene und mal mit den Schaltsymbolen zu arbeiten.
Die drei Darstellungsarten im folgenden Beispiel sind in ihrer Aussagekraft somit
völlig äquivalent:
math. Formel
x = a+b
Wertetabelle
a
0
0
1
1
b
0
1
0
1
Schaltplan
x
0
1
1
1
a
x
b
Es ergibt sich also das folgende Standardschema beim Entwurf logischer
Schaltungen:
I) Erstellen einer Tabelle, die die Abhängigkeit der Ausgangsvariable von den
Eingangsvariablen aufzeigt
II) Umschreiben der Tabellenwerte in eine mathematische Schaltfunktion und
Minimierung dieser mit Hilfe der Booleschen Algebra
III) Erstellen eines Schaltplans aus der minimierten Gleichung
2.3 Systembeschreibung als logische Schaltung
Um das nebenstehende System von
Rohren und Ventilen als logische
Schaltung zu beschreiben, muss
man zunächst die möglichen
physikalischen Zustände der Einund
Ausgangsvariablen
den
logischen Zuständen 1 und 0
zuordnen. Vereinbart man etwa,
dass eingangsseitig ein geöffnetes
a
a
b
c
x
b
c
x
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
19
Ventil dem logischen Zustand 1, ein geschlossenes hingegen dem Zustand 0 und
ausgangsseitig ein tropfendes Rohrende dem Zustand 1, kein Austropfen dem
Zustand 0 entspricht, so lässt sich die Schaltung mathematisch durch
x = a ⋅ (b + c) oder mit der abgebildeten Digitalschaltung beschreiben. Über die
Zuordnung von physikalischem zu logischem Zustand muss also Gewissheit
bestehen, d.h. sie muss im Regelfall explizit angegeben werden. Prinzipiell besteht
für jede einzelne Variable Wahlfreiheit, für gleich geartete Variable (alle Ventile, alle
Öffnungen etc.) ist aber oft eine einheitliche Zuordnung sinnvoll.
In der Digitalelektronik (hier werden logische Schaltungen benutzt, um Elektronik zu
beschreiben) treten in der Regel als physikalische Variablen sowohl auf der
Eingangs- wie auch auf der Ausgangsseite ausschließlich elektrische Spannungen
auf. Für die Zuordnung physikalische Variable ↔ logische Variable existieren damit
zwei einheitliche Optionen, nämlich die so genannte positive Logik, wobei der
logischen 1 die physikalisch höhere Spannung (H, sprich: high) und die logische 0
der niedrigeren (L, sprich: low) zugeordnet wird sowie die negative Logik mit der
umgekehrten Zuordnung. Im Fall des TTL- Standards sieht das wie folgt aus:
physikalisch
mathematisch
Pegel
positive Logik
negative Logik
+5V
0V
1
0
0
1
3 Schaltfunktionen
3.1 Intuitiver Zugang
Manchmal kann man einfache Schaltfunktionen intuitiv aufstellen. Die Regeln der
Booleschen Algebra entstammen der Aussagenlogik, die Verknüpfungen von
Aussagen formalisiert. Lässt sich beispielsweise umgangssprachlich die
Aufgabenstellung so umschreiben:
„Der Motor x soll angeschaltet werden, wenn der Sensor a aktiv und der Taster b
gedrückt oder aber der Schalter c umgelegt ist“,
könnte eine Realisierung als Digitalschaltung etwa durch eine AND- Verknüpfung von
a und b umgesetzt werden, die am Ausgang über ein OR- Gatter mit c verknüpft ist.
20
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Beim Nachvollziehen dieses Beispiels wird deutlich, dass diese Übersetzung des
obigen Satzes aufgrund sprachlicher Mehrdeutigkeiten nicht zwingend die einzige ist,
da man im Deutschen z.B. nicht zwischen einschließendem und ausschließendem
„oder“ unterscheidet und keine Klammern setzt. Sicherer ist das Standardschema
zum Erstellen der Normalformen. Dem gleichwertig, aber komfortabler sind
Karnaugh- Diagramme.
3.2 Standardschema: Normalformen
Beispiel
Eine zu konstruierende Digitalschaltung erfülle die unten stehende Tabelle.
Es gibt (wiederum aufgrund der Dualität) zwei Möglichkeiten, diese Tabelle in eine
Formel der Schaltalgebra umzusetzen:
1. OR- Verknüpfen aller Zeilen, in denen x den Wert 1
hat. Die Eingangsvariablen dieser Zeilen werden ANDverknüpft. Falls eine Variable dabei den Wert 0 hat, wird
sie invertiert. Das Ergebnis nennt man die Disjunktive
Normalform.
2. AND- Verknüpfung aller Zeilen, in denen x den Wert 0
hat. Die Eingangsvariablen dieser Zeilen werden ORverknüpft. Falls eine Variable dabei den Wert 1 hat, wird
sie invertiert. Dieses Ergebnis heißt Konjunktive
Normalform.
c
b
a
x
0
0
0
0
1
1
1
1
0
0
1
1
0
0
1
1
0
1
0
1
0
1
0
1
0
0
1
0
1
1
1
0
Sinnvollerweise wählt man natürlich diejenige Normalform aus, die im konkreten Fall
zu der simpleren Formel führt, also z.B. bei mehrheitlich 0 in der Spalte der
Ausgangsvariablen die DNF.
Aufstellen der Normalformen aus der Beispieltabelle:
x DNF = abc + abc + abc + abc
x KNF = (a + b + c)(a + b + c)(a + b + c)(a + b + c)
Nun kann man unter Verwendung der Booleschen Axiome algebraisch umformen:
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
x DNF = abc + abc + abc + abc
x KNF = (a + b + c)(a + b + c)(a + b + c)(a + b + c)
= (a + a )bc + ab(c + c)
Distributivität
= ((a a ) + b + c)(a + b + (cc))
= 1bc + ab1
Komplementarität
Eins/
Nullelement
= (0 + b + c)(a + b + 0)
= bc + ab
21
= (b + c)(a + b)
Beide Ergebnisse sind äquivalent:
xDNF = ab + cb = ab(1 + c) + cb(a + 1) = 1⋅ ba + ca(b + b) + cb ⋅1 = ba + ca + 0 + cb = (b + c)(a + b) = xKNF
3.3 Karnaugh- Diagramm
(auch: Karnaugh- Veitch- Diagramm, KV- Diagramm)
Man notiert eine Matrix, deren Felderanzahl
der Anzahl der Zeilen der Wertetabelle
entspricht. Jede Variable teilt die Matrix auf
eine andere Weise, so dass eine eindeutige
Zuordnung Feld ↔ Zeile der Tabelle existiert.
Der Tabelle aus Kap. 3.2 würde die hier
abgebildete 2x4-Matrix entsprechen, während z.B. der sechsten Zeile der Tabelle
(mit c = 1, b = 0, a = 1 ) dem linken unteren Feld (mit cba ) entspricht.
Für fünf Variable (noch mehr wären
zu unübersichtlich) beschriftet man
den Rand zweier 4x4-Matrizen wie im
Beispiel rechts und in der Tabelle
unten
angegeben.
Der
oben
diskutierte Fall von drei Variablen
(ohne d und e entfallen) ist als
Spezialfall darin enthalten.
1
0
a
b
c
d
e
Linke
Spalten
Rechte
Spalten
Äußere
Zeilen
Innere
Zeilen
Äußere
Spalten
Innere
Spalten
Obere
Zeilen
Untere
Zeilen
Tafel Nr.1
Tafel Nr.2
22
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Zum Aufstellen der DNF wird aus der Wertetabelle jede 1 in der Spalte der
Ausgangsvariablen nun in das zugehörige Feld der Matrix eingetragen. Die 1erFelder fasst man dann zu Zweier-, Vierer-, Achter- oder Sechzehnerblöcken derart
zusammen, dass bei der Adressierung dieser Blöcke möglichst viele Variable
eingespart werden. 1er-Felder dürfen auch in mehreren, 0er- Felder niemals in
Blöcken enthalten sein. Blöcke dürfen auch über Kanten zusammengefasst werden.
Die zur Adressierung benötigten Variablen pro Block werden AND- verknüpft, die
Blöcke schließlich OR- verknüpft.
Im unserem Beispiel für die Tabelle aus Kap. 3.2 wird der obere rechte Block durch
ab komplett und eindeutig adressiert, der über die Außenseiten zusammengefasste
durch bc . Daraus folgt das bekannte Ergebnis x DNF = ab + bc .
Um die KNF mit Hilfe von KV-Diagrammen zu erhalten, geht man komplementär vor:
Man schreibt eine 0 in diejenigen Zellen, die zu Zeilen gehören, bei denen die
Ausgangsvariable 0 ist. Die Adressierung der Zelle erfolgt jetzt invertiert, z.B.
schriebe man für die zweite Zeile des Beispiels ( c = 0, b = 0, a = 1 ) eine 0 in die
Zelle cba . Die Variablen eines 0er- Blocks werden nun OR- verknüpft, die Blöcke
AND- verknüpft.
4 Kippglieder
(auch: Kippstufen)
4.1 Überblick
Für viele wichtige Anwendungen der
Digitaltechnik
sind
weitere
Basiselemente nötig: die Kippglieder.
Man unterteilt sie nach ihrer Stabilität
in a-, mono- und bistabile Kippglieder.
Das astabile Kippglied - auch Multivibrator genannt - besitzt, wie der Name schon
verrät, keinen stabilen Zustand. Stattdessen wechselt es ohne äußere Beeinflussung
seinen Ausgangszustand (daher auch kein Eingang, sondern nur ein Ausgang) nach
einem immergleichen Zeitablauf. Ein typischer Anwendungsfall ist derjenige eines
Taktgebers.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
23
Das monostabile Kippglied oder der Monoflop besitzt einen stabilen Zustand.
Aufgrund eines 0-1-Wechsels an seinem einzigen Eingang verlässt es diesen, um
nach einer festgelegten Zeitspanne wieder in den stabilen Zustand zurückzukehren.
Ein typischer Anwendungsfall ist derjenige eines Triggers.
Das bistabile Kippglied oder der Flipflop hat zwei stabile Zustände und zwei
Eingänge. Man benutzt es als Informationsspeicher, indem man durch ein Signal an
dem einen Eingang bestimmt, ob der Ausgang des Flipflops dem Signal am anderen
Eingang folgt oder nicht (was dann dem Speichern einer Information entspricht). Im
letzteren Fall verharrt der Flipflop nämlich am Ausgang in dem Zustand, den er kurz
vor dem Befehl zum Speichern hatte.
Hier dargestellt sind die Schaltsymbole dieser Kippglieder. Die Schaltzeit von 1ns
beim Monoflop ist natürlich nur ein Beispiel, ebenso der hier gezeigte D-Flipflop.
4.2 D- Flipflop
Ist der Eingang C = 1 (Tor offen), so folgt der Ausgang Q dem Eingang D. Ist C = 0
(Tor geschlossen), so bleibt der Zustand des Ausgangs Q im Moment des
Schließens erhalten, auch wenn D sein Signal nun ändert.
Von Flipflops gibt es viele unterschiedliche Varianten. Ein Dreieck am Eingang C wie
im Bild oben deutet an, dass intern ein schnell schaltender Monoflop zwischen C und
das eigentliche Flipflop geschaltet ist. Das bedeutet, ein langsamer 1- Impuls am
Anschluss C kommt intern als kurzer Nadelimpuls am eigentlichen Flipflop an. Das
Tor ist also nur für extrem kurze Zeit nach einem Wechsel von 0 auf 1 am Eingang
geöffnet. Praktisch gesehen kann also nur während des Wechsels von 0 auf 1 (statt
wie bisher während der gesamten 1- Periode) am Eingang der Flipflop gesetzt
werden. Man spricht von Flankentriggerung bzw. –steuerung, im anderen Fall von
Zustandssteuerung. Weiterhin sind viele Flipflops als Master- Slave- Flipflops
ausgeführt.
4.3 J- K- Master- Slave- Flipflop
(auch: J- K- Flipflop)
Man kann die Analyse seiner Funktionsweise auf zwei Arten angehen.
Zunächst betrachten wir das Verhalten am Ausgang bei einer
24
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
vorgegebenen Eingangsbeschaltung. Der J- K- Flipflop ist flankengetriggert. Wir
beobachten also das Verhalten für verschiedene Werte von J und K bei einer
fallenden Taktflanke zum Zeitpunkt t0, d.h. einem Wechsel am C- Eingang von 1 auf
0. Warum dies in der Regel der Takteingang genannt wird, wird später klar werden.
Mit t 0 − ε sei ein Zeitpunkt kurz vor, mit t 0 + ε kurz nach dem Wechsel am
Takteingang bezeichnet.
Die beiden Ausgänge des J- KC (t 0 ) J K Q(t0 + ε ) Q(t 0 + ε ) Name
Flipflops
verhalten
sich
Q(t 0 − ε ) Q(t 0 − ε ) Store
komplementär. Der J- K- Flipflop 1 → 0 0 0
0
Set
1
speichert ebenfalls ein Bit. Bei J = K 1 → 0 1 0
0
Reset
1
= 0 ändert sich nach der Taktung 1 → 0 0 1
nichts. Diesen Betriebsmodus nennt 1 → 0 1 1 Q(t 0 − ε ) Q(t 0 − ε ) Toggle
man Speichern, engl. store. Bei J = 1,
K = 0 folgt der Ausgang den Eingängen, ebenso bei J = 0, K = 1. Dies entspricht der
Funktion, die wir schon vom D- Flipflop her kennen. Bei J = K = 1 kehrt sich nach der
fallenden Taktflanke das Signal an den Ausgängen Q und Q gerade um. In diesem
Modus arbeitet der J- K- Flipflop als Frequenzhalbierer.
Die Betrachtung kann man
Q(t 0 − ε ) Q(t 0 + ε )
J
Merkhilfe
K
anders herum angehen und
0
0
0
x
„no jump“
fragen, welche Beschaltung an J
0
x
„jump“
1
1
und K bestimmte Vorher-/
0
x
„kill“
1
1
Nachher- Konfigurationen am
0
„no kill“
x
1
1
Ausgang bedingen. Ein „x“
kennzeichnet einen beliebigen Wert, d.h., dort könnte sowohl 1 als auch 0 stehen.
Damit lässt sich die Benennung der Eingänge anschaulich erklären (J für „jump“, also
vom Ausgangszustand 0 „wegspringen“; K für „kill“, den Ausgangszustand 1
„abtöten“).
Zu den Begriffen „Master“ und „Slave“: Intern ist der J- K- Master- Slave- Flipflop aus
zwei einzelnen Flipflops aufgebaut, die hintereinander geschaltet sind. Der Takt wird
zum ersten direkt, zum zweiten über einen Inverter geführt. Auf diese Weise erhält
man einen internen Zwischenspeicher (den Master), welcher bei positiver Taktflanke
das Signal an den Eingängen J und K der Gesamtschaltung einliest und
anschließend intern an den nachgeschalteten Speicher (den Slave) weitergibt. Jener
schreibt aber erst bei der (intern invertierten) negativen Taktflanke aus. Bei positiver
Taktflanke wird also der Zustand von J und K intern abgespeichert, aber erst bei
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
25
negativer Taktflanke reagiert der Ausgang des J-K- Flipflops entsprechend. Genau
diese Funktion ermöglicht es erst, große Schaltungen mit unterschiedlichen
Verarbeitungszeiten zu synchronisieren – das System arbeitet „im Takt“, weshalb der
C- Eingang diesen Namen trägt (von engl. clock).
5 Ausgewählte Standard-Schaltungen
5.2 Binärzähler
In einem Stellenwertsystem (Gegenbeispiel: Römische Zahlen) wird eine Zahl
folgendermaßen dargestellt: Z n = ∑ m i ⋅n i . Die Basis n ist im alltäglichen dezimalen
n
Zahlensystem n = 10 (symbolisch: d), im in der Elektronik verwendeten binären
Zahlensystem n =2 (symbolisch: b).
Beispiel: 13d = 1⋅101 + 3 ⋅10 0 ≡ 1101b = 1⋅ 2 3 + 1⋅ 2 2 + 0 ⋅ 21 + 1 ⋅ 2 0
Dezimal
1
10
10
0
1
2
3
1
1
1
1
1
1
4
5
6
7
8
9
0
1
2
3
4
5
Binär
0
3
2
0
0
0
0
0
0
0
0
1
1
1
1
1
1
1
1
2
2
0
0
0
0
1
1
1
1
0
0
0
0
1
1
1
1
21
0
0
1
1
0
0
1
1
0
0
1
1
0
0
1
1
20
0
1
0
1
0
1
0
1
0
1
0
1
0
1
0
1
Diese Umrechnungstabelle zeigt
gewisse Systematiken auf, die man
zur Konstruktion von Binärzählern
nutzt. Ein solcher wechselt pro Takt
auf die nächsthöhere Binärzahl,
deren Stellen durch je einen
Ausgang
des
Binärzahlers
repräsentiert werden.
26
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
5.2.1 Synchronzähler
Lesart der Tabelle: Eine
Binärstelle wechselt dann,
wenn alle niederwertigeren
Stellen auf 1 standen.
An den Ausgängen Z0 bis Z3
der Flipflops liest man die
Stellen 20 bis 23 der Binärzahl
ab. Ob beim Takten eine Stelle umspringt (J = K = 1, Toggle) oder nicht (J = K = 0,
Store), wird vom Zustand der Vorgänger- Flipflops abhängig gemacht. Der
Bauteilaufwand ist etwas größer als beim Asynchronzähler, dafür erfolgen
Zustandsänderungen zu fest kalkulierbaren Zeiten.
Beispiel: Der vierte Flipflop wechselt seinen Ausgangszustand beim Übergang vom
7. zum 8. und vom 15. in den 0.Takt. Nur im 7. und 15. Takt sind die Ausgänge der
drei ersten Flipflops 1. Diese Bedingung wird über eine AND- Verknüpfung an den
Eingang des vierten Flipflops gelegt.
5.2.2 Asynchronzähler
Lesart der Tabelle: Eine
Binärstelle wechselt dann,
wenn gleichzeitig die direkte
Vorgängerstelle von 1 auf 0
wechselt. Die immer auf
Toggle
gesetzten
FFs
schalten durch eine fallende Flanke am Ausgang des Vorgängers. Der Aufbau ist im
Vergleich zum Synchronzähler einfacher. Das Ausgangssignal steht aber nicht
synchron bereit, sondern erst, wenn auch der letzte Flipflop umgeschaltet hat. In der
Praxis folgt der Ausgang eines Flipflops einer Änderung am Eingang nämlich immer
mit einer kurzen Verzögerungszeit, was hier zu einem – oft unerwünschten –
Kaskadeneffekt führt.
Beispiel: Nur beim Übergang vom 7. zum 8. und vom 15. zum 0. Takt wechselt der
Ausgang des 3. Flipflops von 1 auf 0, was einer fallenden Flanke entspricht. Ebenso
soll der vierte Flipflop bei diesen Takten seinen Ausgangszustand ändern. Also wird
an den Takteingang des vierten Flipflops der Ausgang von Flipflop 3 gelegt.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
27
5.1 Schieberegister
Das Schieberegister
ermöglicht serielles
(zeitlich versetztes)
Einlesen
und
paralleles
(gleichzeitiges) Auslesen.
Bei einer steigenden Taktflanke wird die Information am Eingang eines jeden
Flipflops eingelesen, bei einer fallenden ausgeschrieben. Pro vollständigen
Taktzyklus wird also ein Bit um ein Flipflop weiter nach rechts transportiert.
6 Moore- Automat
Eine synchron getaktete Digitalschaltung
heißt Mealey- Automat, wenn die
Ausgänge der Gesamtschaltung sowohl
von den Flipflopausgangszuständen als
auch den Eingangsvariablen abhängig
sind. Im Schaltplan rechts gäbe es also
Verbindungen (im Sinne einer direkten Linie oder über den Umweg eines Netzes
nicht-zeitabhängiger Logikbausteine wie jene aus Kap. 2.2) der Ausgänge Aus x mit
den Eingängen Ein x und der Flipflopausgänge Q x und Q x . Beispiele sind
Schieberegister und Synchronzähler, der Asynchronzähler hingegen nicht.
Ist im Spezialfall der Ausgang nur von den Flipflopausgängen allein abhängig, heißt
die Schaltung Moore- Automat. Die Ausgänge Aus x haben hier keine direkte
Verbindung zu den Eingängen Ein x, d.h. letztere können die Ausgänge nur indirekt
über die Ansteuerung der Flipflops beeinflussen.
Für den Moore- Automaten existiert ein universelles Konstruktionsschema, das wir
am Beispiel einer Füllstandsregelung durchsprechen und parallel dazu obige Skizze
zu unserer gewünschten Schaltung hin konkretisieren wollen:
I) Auflisten der Ein- und Ausgangsvariablen sowie der Betriebszustände der zu
konstruierenden Schaltung
II) Zustandsdiagramm erstellen. Dient gleichzeitig der Kontrolle des Entwurfs; bei
Unzulänglichkeiten, z.B. vergessene Variablen, zu 1) zurück
28
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
III) Jedem Betriebszustand einen Flipflopausgangszustand zuweisen
IV) Beschaltung der Ausgangsvariablen bestimmen: Erstellen einer Tabelle, die
jedem Betriebszustand die Zustände der Ausgangsvariablen zuordnet; minimierte
Schaltfunktion erstellen
V) Beschaltung der Flipflopeingänge bestimmen: Erstellen einer Tabelle anhand des
Zustandsdiagramms, die die Beschaltung der Flipflopeingänge angibt; Minimieren
der Schaltfunktion für die Flipflopeingänge
I) Schaltungsbeschreibung
Ein Druck auf den FernsteuerungsTaster (ENT) öffne den Abflusshahn
(ABF). Wenn das Füllstandsniveau unter
den Minimalpegel (MIN) sinke, öffne der
Nachfüllhahn (NFÜ), bis die obere
Marke (MAX) erreicht sei. Die Schaltung
trete also in den Betriebszustand
NACHFÜLLEN durch ein Signal an MIN ein
und verlasse ihn durch ein eines an
MAX. Die zu konstruierende Schaltung merkt sich (speichert) also den aktuellen
Betriebszustand und verlässt ihn selbständig wieder. Diese Betriebszustände werden
durch die Ausgänge von Flipflops repräsentiert.
Wir vereinbaren die im Kasten
Sensor = 1 Maximum über- bzw. Minimum
dargestellte
Verwendung
von
unterschritten
Variablen. Es ist generell sinnvoll,
Taster = 1 Entnahme aktiviert
Variablen nach ihrer Funktion zu
Ventil = 1
geöffnet
benennen und „Funktion aktiv“ mit
„Variable = 1“ zu assoziieren. (Wenn im Folgenden von Ein- oder Ausgangsvariablen
die Rede ist, sind immer die der Gesamtschaltung gemeint – es sei denn, es ist
explizit von Flipflopein- bzw. -ausgängen die Rede.)
Von unserem Schaltplan kennen wir jetzt
schon
einmal
die
Einund
Ausgangsvariablen. Über Anzahl und Art
der Beschaltung der Flipflops ist noch
nichts bekannt.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
29
II) Zustandsdiagramm erstellen
Knoten (die Ovale) symbolisieren die Betriebszustände. Die Schaltung prüft jeden
Takt, in welchen Betriebszustand sie als nächstes wechselt. Die Bedingungen
(Eingangsvariablen- Zustände) dafür werden in der Notation der Booleschen Algebra
neben die Kanten (die Pfeile)
geschrieben. Die für eine
konkrete
Verzweigung
irrelevanten Variablen können
weggelassen werden. Z.B.
gibt es für das Verlassen des
Zustands
BEREITSCHAFT
relevante
genaue
eine
Variable, nämlich ENT, für
ENTNAHME hingegen zwei,
ENT und MIN.
Zum Überprüfen des Zustandsdiagramms kann man nachzählen, ob alle 2n mögliche
Kombinationen von n relevanten Eingangsvariablen in den abgehenden Kanten jedes
Knotens Berücksichtigung fanden. Am Beispiel der drei abgehenden Kanten des
Zustands ENTNAHME wird anschaulich, dass, wie bei MIN = MIN ⋅ ENT + MIN ⋅ ENT ,
Kanten auch mehrere Kombinationen symbolisieren können und somit ingesamt die
2n- Regel greift.
Da sich drei Zustände durch zwei Flipflops
repräsentieren lassen, können wir unseren
Schaltplan hinsichtlich dieser Information
konkretisieren.
III & IV) Zuordnung Betriebszustand – Flipflopzustand – Ausgangsvariablen
festlegen
Wir fassen aus Übersichtlichkeitsgründen die Punkte 3) und 4) zusammen.
Mit n Flipflops ergeben sich 2n verschiedene Ausgangszustände. Für 3 Zustände
kommt man also mit 2 Flipflops aus, die theoretisch 22 = 4 Zustände repräsentieren
könnten. Den überzähligen vierten kann man einfach ignorieren, er wird nie
angewählt werden. Da die Ausgangszustände beim Moore- Automat nur von den
Flipflopausgangszuständen abhängen, kann man sie gleich in dieselbe Tabelle
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
30
eintragen. Die dem unbenutzten Flipflopausgangszustand Q1 = Q0 = 1 zugeordneten
Ausgangsvariablenwerte sind beliebig und können beim Aufstellen der Schaltfunktion
frei interpretiert werden.
Betriebszustand
Bereitschaft
Entnahme
Nachfüllen
-
Flipflopausgangszustand
Q0
Q1
0
0
0
1
0
1
1
Ausgangsvariablen
NFÜ
0
0
ABF
0
1
0
1
x
1
x
Die
Zuordnung
Betriebszustand
↔
Flipflopausgangszustand, also Spalte 1 ↔
Spalte 2 / 3, ist willkürlich. Mit der hier
gewählten Zuordnung wird aber die
Zuordnung Spalte 2 / 3 ↔ Spalte 4 / 5
besonders
simpel.
Man
erhält:
ABF = Q0 und NFÜ = Q1 .
V) Flipflop- Eingangsbeschaltung festlegen
In eine Tabelle wird pro Kante des Zustandsdiagramms (im Beispiel 7 an der Zahl)
eine Zeile eingetragen, und zwar mit Ursprungs- Betriebszustand (Ursprung des
Pfeils), Zustand der Eingangsvariablen (Pfeilbeschriftung) und FolgeBetriebszustand (Ziel des Pfeils). Rechts davon trägt man die zugeordneten Werte
für J und K gemäß der zweiten Tabelle aus Kapitel 4.3 ein, also z.B. J1 und K1 für
den Wechsel von Q1 (t0-ε) zu Q1(t0+ε). Der Übersicht halber ist es sinnvoll, die „x“
einfach auszulassen.
Q1(t0-ε)
Q0(t0-ε)
0
0
0
0
0
0
1
1
0
1
1
1
0
0
Q1(t0+ε)
Q0(t0+ε)
J1
0
0
0
0
0
1
1
0
0
0
0
1
0
1
1
1
0
0
0
0
0
0
0
1
1
MAX MIN ENT
0
0
1
1
0
K1
J0
K0
0
1
1
1
0
0
0
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
31
Für J1, K1, J0 und K0 wird nun die Normalform aufgestellt, wobei diese von den alten
Zuständen und den Eingangsvariablen abhängen – also den Spalten links vom
Doppelstrich. Bei der Minimierung kommt man oft mit folgendem Verfahren am
schnellsten zum Ziel:
a) Zeilen ohne Eintrag in der Spalte der zu bestimmenden Variable (Jx bzw. Kx)
können ignoriert werden.
b) Variablen in Spalten links vom Doppelstrich können ignoriert werden, wenn sie
in den nach a) verblieben Zeilen überall den gleichen Wert oder keinen Eintrag
haben.
c) Durch eine Konjunktion lassen sich weiter Teile der verbliebenen Tabelle
ausschließen.
d) Durch eine Disjunktion lassen sich hingegen Teile der verbliebenen Tabelle
zusammenfassen.
Für J1 benutzt man sinnvoller Weise die DNF. Argument a) schließt die unteren
beiden Zeilen der Tabelle für J1 komplett aus; nach Argument b) fallen dann Q1
wegen nur gleicher und MAX wegen ausschließlich fehlender Einträge weg. Durch
die Festlegung auf Q0 als Element einer Konjunktion schließt man die beiden
obersten Zeilen aus, wo Q0 = 0 gilt. Mit der Wahl von Min wird die Zeile mit einer 1 in
der Spalte von J1 vor den beiden verbliebenen (mit einer 0) ausgezeichnet,
daher: J1 = Q0 ⋅ MIN .
Für K1 spielen wegen a) nur die letzten beiden Zeilen eine Rolle, Max stimmt in den
verbleibenden Fällen genau mit K1 überein: K1 = MAX .
Für J0 entfallen wegen a) die mittleren drei Zeilen und wegen b) anschließend Q0 und
Min; mit einer Konjunktion unter Beteiligung von Q1 schränkt man sich auf die oberen
beiden Zeilen ein, ENT als zweites Glied der Konjunktion wählt die zweitoberste
unter den verbleibenden beiden aus: J 0 = Q1 ⋅ ENT .
Für K0 entfallen wieder Q0 wegen gleicher und MAX wegen fehlender Einträge im
Mittelblock. Die verbleibenden beiden Zeilen mit der 1 werden durch eine Disjunktion
zusammengefasst: die untere 1 durch MIN,
die verbliebene durch ENT . Das Ergebnis
lautet also K 0 = ENT + MIN . An dieser Stelle
ist die KNF die nahe liegende Option; nach
Elimination der oberen und unteren Zeilen
durch a) und b) findet man schnell für die
32
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
verbliebene 0 die Bedingung K 0 = ENT ⋅ MIN . Nach den Regeln von de Morgan sind
beide Ergebnisse für K0 äquivalent.
Aufgaben zu Vorbereitung
Aufgabe 1: Zeitablaufdiagramme
Der historisch gesehen erste Flipflop war
der so genannte R - S - Flipflop. Wie
nebenstehend dargestellt, kann man es mit
zwei über Kreuz vom Ausgang auf den
Eingang zurück gekoppelten NANDGattern konstruieren. Die Kringel an den
Eingängen deuten eine Invertierung der
Signale
an,
ebenso
wie
die
Invertierungsbalken über R und S (es gibt insgesamt eine Invertierung pro Eingang,
die auf zwei Weisen angedeutet wird). Laut Beschriftung hat er zwei komplementäre
Ausgänge – einen invertierten und einen nicht invertierten.
Übertragen Sie folgendes Zeitdiagramm so genannter Eingangs-Testsignale ins
Protokollbuch.
Tragen Sie in das Diagramm bzw. direkt darunter ein Zeitdiagramm der
resultierenden Ausgangszustände ein. Lassen Sie sich durch die Rückkopplung nicht
verwirren – aus dem vorgegebenen Start R = S = 0 und mithilfe der Tabelle aus
Kapitel 2.2 lassen sich die resultierenden Ausgangspegel eindeutig bestimmen.
Übernehmen Sie folgende Tabelle und tragen Sie an Stelle der Fragezeichen die
Ausgangspegel ein.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Zeitintervall
t < t1
t 1 < t < t2
t 2 < t < t3
t 3 < t < t4
t4 < t
Eingang
Ausgang
33
Bezeichnung
S
R
Q
Q
0
1
1
0
1
0
0
1
1
1
?
?
?
?
?
?
?
?
?
?
Set
Store
Reset
Store
Welche Eingangsbeschaltung führt zu einem vom Prinzip der Komplementarität
abweichenden Verhalten am Ausgang? Warum wohl haben die Eingänge
Invertierungsstriche im Namen und einen Kringel am Eingang (vgl. mit der Tabelle
des J-K-Flipflops aus Kap. 4.3)?
Anmerkung: In der Praxis findet man Flipflops oft mit kombinierten J-K- und R-SFunktionen vor (wobei R meist Clear und S Pr eset heißt). Letztere hat dabei Priorität;
d.h. der Flipflop verhält sich mit R = S = 0 wie ein J-K-, sonst wie ein R-S- Flopflop.
Aufgabe 2: Sequenzerkenner
Um das Konstruktionsschema für
den
MooreAutomaten
einzuüben, gilt es nun einen
Sequenzerkenner
zu
konstruieren. Diese Schaltung
überprüfe
einen
seriellen
Datenstrom auf das Vorkommen der Bitfolge 110b. Eine mögliche Realisierung mit
einem Schieberegister sähe z.B. aus wie hier dargestellt. Die Konstruktion dieser
Schaltung als Mooreautomat hingegen erfolge anhand des abgebildeten
Zustandsdiagramms. Die Funktionsweise ist nicht
komplett identisch, denn beim Moore- Automat
gebe es einen vierten Zustand ERKANNT, in den
die Schaltung bei erkannter Sequenz für einen
Takt wechsle, um dann zwingend im nächsten
wieder zum Ausgangszustand BIT 1 bzw. BIT 2
zurückzukehren.
34
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Konstruieren Sie den Moore- Automaten und zeichnen Sie den Schaltplan. Führen
Sie die Minimierung der Flipflop- Eingangs- Beschaltung sowohl algebraisch als auch
mit Hilfe von KV-Tafeln aus.
Durchführungshinweise
In den Übungsaufgaben geht es um Analyse und Entwurf logischer Schaltungen. Zur
unmittelbaren Überprüfung der eigenen Entwürfe steht das abgebildete Modulsystem
zur Verfügung. Die Aufgaben bauen zum Großteil aufeinander auf. Testen Sie nach
Bearbeitung jeder Teilaufgabe Ihre Lösung und führen Sie sie Ihrem Assistenten
vor. Stellen Sie sicher, dass bei
größeren Aufgabenkomplexen vor
dem Gesamttest jeder Schaltungsteil
schon für sich allein funktioniert. Da
es
oft
mehrere
mögliche
Lösungswege gibt, protokollieren Sie
ihren Arbeitsprozess und ihre
Lösungsstrategien in sinnvollem
Umfang, damit sie nachvollziehbar
sind.
Wechseln Sie sich beim Aufbau der Testschaltungen ab. Es hat sich als praktisch
erweisen, dass nur einer steckt, während der andere z.B. die Kabel vorsortiert.
Nutzen Sie die verschiedenen Farben der Kabel, um Funktionen gegeneinander
abzugrenzen – etwa eine Farbe nur für den Takt usw. Arrangieren Sie die Module
möglichst wie in Ihren Schaltskizzen. Fehlersuche kostet wesentlich mehr Zeit, als
sich vorher gut zu organisieren.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
35
Messung und Auswertung
Aufgabe 1: Sequenzerkenner
Überprüfen Sie ihren Moore- Automaten aus der Vorbereitung mit dem Modulsystem.
Falls dessen Funktion vom erwarteten Verhalten abweicht, machen Sie sich kurze
Notizen. Fehleranalyse und Korrektur der Schaltung sind ggf. Gegenstand der
Auswertung zu Hause. Vor Ort geht es in dieser Aufgabe primär um das Einüben des
Umgangs mit dem Modulsystem. Investieren Sie nicht zuviel Zeit in diesen
Aufgabenteil; Priorität hat Aufgabe 2.
Führen Sie Ihre aufgebaute Schaltung Ihrem Assistenten vor.
Auswertung zu Hause:
Falls die Schaltung wie erwartet funktioniert hat, erklären Sie lediglich kurz ihre
Funktionsweise. Falls beim Testaufbau Fehler auftraten, analysieren und korrigieren
Sie sie und zeichnen Sie den verbesserten Schaltplan. (Anhand dieser
Aufgabenstellung wird klar, dass man sich viel Nacharbeit erspart, wenn man die
Schaltung sorgfältig vorbereitet!)
Aufgabe 2: Spontaner Schaltungsentwurf
Die konkrete Aufgabenstellung – dem Prinzip nach ähnlich dem Sequenzerkenner
aus der Vorbereitung; das Zustandsdiagramm ist jedoch selbst zu entwickeln –
erfahren Sie erst vor Ort. Sie enthält einen grob strukturierten Vorschlag zur
schrittweisen Bearbeitung. Meist sind mehrere Lösungsmöglichkeiten denkbar und
richtig, allerdings sollte die Schaltung am Ende des Praktikumstages funktionieren.
Wenn Sie (z.B. beim Minimieren einer Schaltfunktion) die Lösung direkt sehen,
können Sie auf das entsprechende KV- Diagramm verzichten. Notieren Sie aber kurz
Ihren Gedankengang im Protokollbuch, so dass er nachvollziehbar ist. Das Zeichnen
des Schaltplans ist Teil der Auswertung zu Hause, machen Sie sich jedoch während
36
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
der Arbeit ausreichend Notizen, die sie allesamt ins Protokollbuch schreiben (auch
Schmierzettel). Diese Notizen werden nicht bewertet, sondern dienen dem Nachweis
eigenständiger Arbeit. Neben dem Ergebnis geht auch die Arbeitseffizienz in die
Bewertung mit ein.
Auswertung zu Hause:
Führen Sie die Konstruktion Ihrer Schaltung zu Ende, zeichnen Sie den kompletten
Schaltplan und erklären Sie ihre Funktionsweise.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Anhang
A Alternative Symbolnormen
Obwohl die Symbole genormt sind (aktuell ist DIN 40 900 Teil 12), werden aus
Gründen der Übersicht manchmal unbenutzte Ein- und Ausgänge nicht dargestellt.
37
38
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
B Die TTL- Familie
Bezeichnung
Funktion
7400
7404
7411
7425
7432
7445
74136
7470
74121
74150
74191
74194
74LS266
74279
74374
4 NAND mit 2 Eingängen
6 Inverter
3 AND mit 3 Eingängen
2 NOR mit 4 Eingängen
4 OR mit 2 Eingängen
BCD- zu- Dezimal- Decoder
4 XOR mit 2 Eingängen
JK- Flipflop mit Preset und Clear
Multivibrator (als Monoflop beschaltbar)
16-zu-1 Multiplexer
synchroner 4- Bit- Vorwärts-/ Rückwärts- Zähler
4- Bit- Vorwärts- /Rückwärts- Schieberegister
4 XNOR mit 2 Eingängen
4 RS-Flipflops
8 D- Flipflops
74xx
74LSxx
74ALSxx
74 Fxx
4000
74HCxx
74HCTxx
Historisch älteste Schaltkreisfamilie.
LS steht für Low Power Schottky- Dioden. Bilden den heutigen
Standard.
Advanced Low Schottky. Kürzere Schaltzeiten als LS.
Fast. Sehr kurze Schaltzeiten.
CMOS- Technologie. Für niedrige Frequenzen extrem niedrige
Leistungsaufnahme, aber langsam. Abweichende Schaltbelegung.
High Speed CMOS. Schneller als 4000- Serie.
Wie 74HC, nur mit Standard- TTL- Belegung.
CMOS
Ausgangsstrom
(mA)
Speisestrom
je
Gatter (µA)
Leistungsaufnahme
je Gatter (mW)
Verzögerungszeit
(ns)
IOLmax
IOHmin
ILtyp
IHtyp
1 MHz
5 MHz
10 MHz
tHL
tLH
4000
0,44
0,44
1
1
0,7
3,5
7
9
25
74 HCT
5
5
2
2
1,3
7,5
15
6
6
TTL
74 LS
8
0,4
600
200
2
3
4,5
6
9,5
74 ALS
8
0,4
400
100
1,25
2
3
5
5
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
39
C Äquivalente Realisierungen der Boolescher Verbände
Die Boolesche Algebra ist auf verschiedene mathematische Disziplinen anwendbar,
deren Begriffe oft synonym verwendet werden. Speziell die Äquivalenz der
Schaltalgebra zur Aussagenlogik ist oft sehr instruktiv.
a
0 0 1 1
b
0 1 0 1
x0
0 0 0 0
x1
0 0 0 1
x2
0 0 1 0
x3
0 0 1 1
x4
0 1 0 0
x5
0 1 0 1
x6
0 1 1 0
XOR
=1
exklusiv
oder
Antivalenz
x7
0 1 1 1
OR
≥1
inklusiv
oder
Disjunktion
a∨b
oder
auch
x8
1 0 0 0 NOR
PierceFunktion
a∨b
weder
noch
x9
1 0 0 1 XNOR
Äquivalenz
a⇔b
genau
dann,
wenn
x10
1 0 1 0
b
Schaltalgebra
Aussagenlogik
Nullfunktion
AND
&
und
Konjunktion
Identität
(von a)
Identität
(von b)
Negation (von
b)
Implikation
(von b
nach a)
Mengenlehre
nie
Leere Menge
∅
und
Durchschnitt
a∩b
Inklusion
a⊂b
a echt
enthalten
in b
Inklusion
b⊂a
b echt
enthalten
in a
Vereinigung
a ∪b
b nicht
Komplement
(von b)
b
nicht b
b⇒a
wenn
b,
dann
a
Subsumption
a⊆b
a enthält b
a
a nicht
Komplement
(von a)
a
nicht a
Subsumption
b⊆a
b enthält a
a∧b
a
b
nur a
nur b
entweder
oder
x11
1 0 1 1
x12
1 1 0 0
Negation (von
a)
x13
1 1 0 1
Implikation
(von a
nach b)
a⇒b
wenn
a,
dann
b
x14
1 1 1 0 NAND
Shefferfunktion
a∧b
nur
nicht
beides
x15
1 1 1 1
Einsfunktion
immer
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
40
D Kurzanleitung: Electina
Für die Auswertung nicht erforderlich, aber äußerst hilfreich für die Nacharbeit des
Versuchs zu Hause ist die Simulation logischer Schaltungen auf dem Computer, da
man seinen Entwurf in der Regel sofort einem Test unterziehen kann. Auf dem ATServer der Uni Mainz, den Sie z.B. in WINDOWS über das Hilfsprogramm
„Remotedesktopverbindung“ unter ats.uni-mainz.de erreichen, befindet sich – falls
die Lizenz verlängert wurde – das Simulationsprogramm ELECTINA. Hierbei handelt es
sich um ein Programm zur Konstruktion und Simulation von Elektronik allgemein. Um
Ihre logische Schaltung auch simulieren zu können, beachten Sie bitte folgendes:
-
-
-
-
Beschalten Sie die Eingänge der Bausteine nur mit den Quellen „Logisch 1“
und „Logisch 0“ aus der Registrierkarte „Quellen“. Falls Sie z.B. auch diskrete
Elektronikelemente wie Widerstände, Kondensatoren etc. in die Schaltung
integrieren, ist die Simulationsfunktion gesperrt.
Die Simulationsfunktion wird über das Ampelsymbol in der Werkzeugleiste
aktiviert. Stellen Sie vorher den Simulationsmodus von xxx für yyy (Standard)
auf „DIG“ für „digital“ um.
Mit einem Doppelklick auf Symbole, Beschriftungen etc. können diese
umbenannt werden.
Im Simulationsmodus zeigen rote und blaue Symbole an den Ausgängen der
Bausteine deren logischen Zustand an. Die Taktfrequenz wird dabei auf ein
benutzerfreundliches Maß herabgesetzt. Wenn Sie mehrere Taktgeneratoren
mit unterschiedlichen Taktfrequenzen verwenden, werden diese im gleichen
Verhältnis herabgesetzt. Schalter können während des Simulationsbetriebs
per Doppelklick geschaltet werden.
Das Monoflop (aufgelistet ist es unter der Registrierkarte „Multivibratoren“)
macht unter ELECTINA leider Schwierigkeiten. Falls Sie eines verwenden
wollen, können Sie es simulieren. Beschalten Sie es dazu mit einem
separaten Takt, dessen Frequenz deutlich über der des Systemtakts liegt.
Hier ein Simuationsvorschlag:
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
41
A
E
Q0
J
E=0
J1 J
A=0
0,01 TSys
K0
C
K
K1
FF 0
C
K
Q1
1
1
E=
A
E
E=
0
J0
A=1
A=0
FF 1
E=1
Zustand
0
1
2
3
Q1
0
0
1
1
A = Q0
Q0
0
1
0
1
A
0
1
0
J 1 = Q0
Q1
0
0
0
1
1
Q0
0
0
1
0
0
K1 = E
E
0
1
1
0
Q1’ Q0’
0
0
0
1
1
0
1
0
0
0
J 0 = E ⋅ Q1
J1
0
0
1
K1
J0
0
1
K0
1
0
1
K0 = 1
0
0
43
VERSUCH II.3:
WÄRMEKRAFTMASCHINE
Stichpunkte: Hauptsätze der Wärmelehre, Temperatur, Entropie, Freie Energie,
Zustandsgrößen reversibler und irreversibler Kreisprozesse, speziell Carnotscher
und Stirlingscher Kreisprozess, Wirkungsgrad von Kreisprozessen, Funktionsweise
einer Stirling-Maschine als Wärmekraftmaschine, Wärmepumpe und Kältemaschine,
Heißluftmotor
Grundlagen
Eine kurze Einführung in die Hauptsätze der Thermodynamik findet sich im Skript
zum 1. Teil des Physikalischen Praktikums, Versuch 3b.
1.
Thermodynamisches System
Als thermodynamisches System bezeichnet man ein System von Atomen oder
Molekülen, dessen Wechselwirkung mit der Umgebung im Austausch von Energie in
Form von Wärme oder mechanischer Arbeit besteht. Das System kann durch
physikalische Größen wie Druck, Volumen, Teilchendichte etc. beschrieben werden.
Die Untersuchung der Veränderung des Zustands eines thermodynamischen
Systems durch Energieaustausch mit der Umgebung führt zu den drei Hauptsätzen
der Thermodynamik. Ein System heißt stationär, wenn sich die Zustandsgrößen nicht
mit der Zeit verändern. Verändert sich ein System sehr langsam, so wird es
näherungsweise durch eine Folge von Gleichgewichtszuständen beschrieben. Der
Gleichgewichtszustand eines Systems ist eindeutig bestimmt, wenn die drei
Zustandsgrößen Volumen V, Druck p und Temperatur T festgelegt sind. Die
allgemeine Zustandsgleichung eines idealen Gases mit N Molekülen lautet:
pV=νRT
Wobei ν =
N
Na
die Zahl der Mole angibt (Na ist die Avogadrozahl).
Bei vorgegebenen Druck p und Volumen V gibt die Temperatur T die innere Energie
U = 12 ν fRT
des Systems an, dessen Atome oder Moleküle f Freiheitsgrade der Energieaufnahme
haben. Für ideale einatomige Gase ist f = 3. Verringert man das Volumen V des
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
44
Systems bei einem Druck p um einen infinitesimalen Anteil (d.h. dV < 0), so wird dem
System die Energie
dW = - p dV
zugeführt.
Das Vorzeichen wird immer so gewählt, dass die dem System zugeführte Energie
positiv gerechnet wird, weil die Energie des Systems dadurch größer wird, während
die vom System nach außen abgegebene Energie ein negatives Vorzeichen erhält,
weil die Energie des Systems dadurch abnimmt.
2.
Der erste Hauptsatz der Wärmelehre
Die einem System von außen zugeführte Wärmemenge ΔQ kann zum einen die
innere Energie U und damit die Temperatur T des Systems erhöhen und zum
anderen zur Expansion des Volumens V gegen den Druck p führen, wobei vom
System die Arbeit ΔW geleistet wird. Damit ergibt sich die Gleichung des ersten
Hauptsatzes:
ΔU = ΔQ + ΔW
Falls das System Wärme abgibt ist ΔQ < 0, leistet das System Arbeit so ist ΔW < 0.
Der erste Hauptsatz ist also ein Energieerhaltungssatz: Die Summe der einem
System von außen zugeführten Arbeit und der zugeführten Wärme ist gleich der
Zunahme seiner inneren Energie. Der erste Hauptsatz für ein idealen Gas lautet:
dU = dQ – pdV
3.
Der zweite Hauptsatz der Wärmelehre
Der zweite Hauptsatz macht eine Aussage darüber, welcher Bruchteil der
Wärmeenergie eines Systems wirklich in mechanische Energie umgewandelt werden
kann. Dies hängt davon ab, in welcher Richtung ein Umwandlungsprozess von
alleine, d.h. ohne äußeres Zutun abläuft. Wärme fließt von selbst immer nur von
einem wärmeren zum kälteren Körper, nie in umgekehrter Richtung. Ebenso stellt
man fest, dass zwar mechanische Energie vollständig in Wärme umgewandelt
werden kann, dass aber beim umgekehrten Prozess nur ein Teil der Wärme in Arbeit
umgeformt wird. Der zweite Hauptsatz der Wärmelehre verhindert die direkte
Umwandlung von Wärme in mechanische Energie.
Man kann vier äquivalente Versionen des zweiten Hauptsatzes nennen:
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
45
• Ein Perpetuum Mobile zweiter Art ist unmöglich.
• Bringt man zwei Körper unterschiedlicher Temperatur miteinander in
Berührung, so fließt Wärmeenergie vom Körper höherer Temperatur zu dem
niederer Temperatur.
• Es gibt keine periodisch zwischen zwei Temperaturen arbeitende Maschine mit
einem höheren Wirkungsgrad als dem der Carnot-Maschine.
• In einem abgeschlossenen System kann die Entropie nicht abnehmen.
4.
Entropie
Die Entropie ist anschaulich ein Maß für die innere Unordnung eines Systems. Die
thermodynamische Wahrscheinlichkeit P (nota bene: Großes P wie „Probability“
bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, kleines p wie „pressure“ bezeichnet den Druck),
dass ein System einen bestimmten Zustand annimmt, wächst mit der Unordnung in
den Ortskoordinaten und Geschwindigkeiten der Teilchen in diesem Zustand. P ist
die Anzahl der mikroskopischen Zustände, die ein System im Gleichgewicht
annehmen kann. Die Entropie eines Systems ist definiert als:
S = k ln P (Definition der Entropie)
Wobei k die Boltzmann-Konstante ist. In einem abgeschlossenen System verläuft
jeder spontane Prozess unter Zunahme der Entropie. Bei einem isentropischen
Prozess ändert sich die Entropie nicht. Dies ist bei Adiabaten der Fall.
5.
Reversible und irreversible Prozesse
Ein Prozess heißt reversibel, wenn bei seiner Umkehrung der Ausgangszustand
wieder erreicht wird, ohne dass Änderungen in der Umgebung zurückbleiben.
Bei einem reversiblen Kreisprozess bleibt die Entropie erhalten: ΔS = 0. Die gesamte
Entropie aller am Prozess beteiligten Körper bleibt konstant. Ein Vorgang heißt
irreversibel, wenn seine Umkehr zum Ausgangszustand nur unter äußerer
Einwirkung möglich ist. Bei einem irreversiblen Prozess vergrößert sich die Entropie:
ΔS > 0.
6.
Zustandsänderungen von Gasen
Im Folgenden betrachten wir Zustandsänderungen zwischen einem AusgangsZustand 1 mit Druck p1, Volumen V1, Temperatur T1 und einem Endzustand 2 mit
Druck p2, Volumen V2 und Temperatur T2.
46
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
Für ein ideales Gas sind die wichtigsten Zustandsänderungen:
• isothermer Prozess: Temperatur T konstant, damit pV = konstant
innere Energie U bleibt konstant
Wärme: Q12 = RT ln
( )
V2
V1
Volumenänderungsarbeit: W12 = − RT ln
( )
V2
V1
• isochorer Prozess: Volumen V konstant
Wärme: Q12 = Cv (T2 - T1)
Volumenänderungsarbeit: W12 = 0
• isobarer Prozess: Druck p konstant
Wärme: Q12 = Cp (T2 - T1)
Volumenänderungsarbeit: W12 = p (V2 – V1)
• adiabatischer oder isentroper Prozess: Entropie S konstant
p V χ = konstant (χ = Adiabatenfaktor)
System tauscht keine Energie mit der Umgebung aus (Q = konstant)
Wärme: Q12 = 0
Volumenänderungsarbeit: W12 = C V (T2 − T1 ) =
Dabei sei die Stoffmenge konstant 1 mol (ν
=
V
Vm
p 2V 2 − p1V1
χ −1
= 1)
CP ist die Wärmekapazität bei konstantem Druck, CV die Wärmekapazität bei
konstantem Volumen. Im pV-Diagramm sind die Isothermen Hyperbeln, die
Adiabaten haben eine größere Steigung.
Kreisprozesse
Durchläuft ein System eine Folge von
Zustandsänderungen, so dass der Endzustand wieder mit dem Anfangszustand übereinstimmt, so handelt es sich um einen Kreisprozess. Ein rechtsläufiger Kreisprozess liegt
vor, wenn die Zustandsänderungen im pVDiagramm im Uhrzeigersinn durchlaufen
werden. Beim Kreisprozess in der Abb. rechts
wird während der Expansion von 1 nach 2
Volumenänderungsarbeit nach außen abge-
Druck p
7.
1
2
Volumen V
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
47
geben, die der Fläche unter der oberen Kurve entspricht. Insgesamt wird also bei
einem rechtsläufigen Kreisprozess mehr Arbeit abgegeben als zugeführt. Die je
Umlauf nach außen abgegebene Nutzarbeit entspricht dem Flächeninhalt der vom
Kreisprozess eingeschlossenen Figur im pV-Diagramm. Das Kreisintregral über alle
Änderungen der inneren Energie ist null, da die innere Energie als Zustandsgröße
nach einem vollen Umlauf wieder den Anfangswert annimmt. Dies bedeutet, dass
sich die je Zyklus abgegebene Nutzarbeit aus der Differenz der zu- und abgeführten
Wärmen ergibt.
Bei einem linksläufigen Kreisprozess wird die Figur im pV-Diagramm im Gegenuhrzeigersinn durchlaufen. Da hierbei die abgegebene Expansionsarbeit stets kleiner ist
als die zugeführte Kompressionsarbeit, läuft der Prozess nur, wenn mit Hilfe eines
Motors periodisch mechanische Arbeit zugeführt wird. Tabelle 1 zeigt eine Gegenüberstellung der Eigenschaften von rechts- und linksläufigen Kreisprozessen.
Umlaufsinn
Rechtsläufig
Wärmefluss
Wärme wird bei hoher Tempe- Wärme wird bei tieferer Temratur aufgenommen und bei peratur aufgenommen und bei
tieferer Temperatur abgegeben hoher Temperatur abgegeben
Mechanische
Differenz von zu- und abgeführter
Wärme
wird
als
mechanische Nutzarbeit abgegeben
Differenz von zu- und abgeführter Wärme muss als
mechanische Arbeit zugeführt
werden
Verbrennungsmotor, Heißluftmotor, Wärmekraftmaschine
Wärmepumpe, Kältemaschine
Arbeit
Beispiele
Linksläufig
Tabelle 1: Eigenschaften von Kreisprozessen
8.
Carnot’scher Kreisprozess:
Der Carnot’sche Kreisprozess macht eine quantitative Aussage darüber, welcher
Bruchteil der Wärmeenergie eines Systems maximal in mechanische Arbeit umgewandelt werden kann. Beim Carnot’schen Kreisprozess durchläuft ein thermodynamische System eines idealen Gases durch Expansion und nachfolgende Kompression zwei isotherme und zwei adiabatische Prozesse, bis es wieder in den
Ausgangszustand zurückgebracht ist. Das pV-Diagramm des Carnot-Prozesses ist in
48
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
Abb.1 dargestellt. Am Startpunkt hat das System den Druck p1, das Volumen V1 und
die Temperatur T1. Die Stoffmenge des Arbeitsstoffes sei konstant 1 mol (ν = 1).
Abb. 1: Carnot’scher Kreisprozess im pV-Diagramm. (aus: Hering, Martin, Stohrer)
Zustand 1 → 2: isotherme Kompression
Die vom System bei der tieferen Temperatur T1 abgegebene Wärmemenge Q12 ist
gleich der am System geleisteten Arbeit W12:
W12 = −Q12 = RT1 ln
( )>0
V1
V2
Zustand 2 → 3: adiabatische (isentrope) Kompression
Die bei der Kompression in das System gesteckte Arbeit W23 ist gleich der Zunahme
seiner inneren Energie. Die Temperatur steigt dabei von T1 auf T3.
ΔU = ΔW23 = - Cm (T3 – T1)
Zustand 3 → 4: isotherme Expansion
Die in das System hineingesteckte Wärmemenge Q34 ist gleich der Arbeit W34, die
das System bei der Expansion nach außen abgibt. Es gilt:
Q34 = −W34 = RT3 ln
( )>0
V4
V3
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
49
Zustand 4 → 1: adiabatische (isentrope) Expansion
Die nach außen abgegebene und daher negative Ausdehnungsarbeit ΔW23 ist gleich
der Abnahme der inneren Energie
ΔU = - ΔW41 = Cm (T3 – T1)
Die Temperatur fällt dabei von T3 auf T1.
Arbeitsstoff dieser Carnot-Maschine ist ein ideales Gas und bei den reversiblen
Prozessen wurden alle Energieverluste vernachlässigt. Reale Maschinen haben
unvermeidliche Verluste, die durch Reibung der Kolben, innere Reibung des
nichtidealen Gases, Wärmeleitung etc. entstehen. Dies wird den Wirkungsgrad der
Maschine verringern. Es gibt keine periodisch arbeitende Maschine, deren
Wirkungsgrad höher ist als der der Carnot-Maschine. Der Carnot-Prozess lässt sich
technisch nicht realisieren, da zu viele widersprüchliche Eigenschaften in einem
System vereinigt werden müssten.
Thermischer Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses
Der thermische Wirkungsgrad η setzt den Nutzen, also die abgegebene Arbeit W, im
Verhältnis zum Aufwand, also der zugeführten Wärme |Qzu|. Für den Carnot-Prozess
erhält man:
η =
W
Q zu
=
(T 3 − T 1 )
T3
Hierbei ist T1 die tiefere Temperatur, T3 die höhere. Man kann den thermischen
Wirkungsgrad also erhöhen, indem man die Temperaturdifferenz vergrößert.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
50
9.
Stirling’scher Kreisprozess
p
p1
p2
3
T1
2
4
T2
V1
1
V2
V
Abb. 2: Stirling-Prozess in pV-Diagramm.
Das Arbeitsmedium beim Stirling-Prozess (R. Stirling, 1790 bis 1878) ist ein Gas
(meistens Luft). Abbildung 2 zeigt den Prozess im pV-Diagramm. Die Wärmezufuhr
erfolgt bei der isochoren Erwärmung (von Zustand 2 nach 3) und der isothermen
Expansion (von Zustand 3 nach 4). Die während der isochoren Abkühlung
abgegebene Wärme ist betragsmäßig so groß wie die bei der isochoren Erwärmung
zugeführte: Q23 = -Q41. Gelingt es, die abgegebene Wärme Q41 zwischenzuspeichern
und bei der isochoren Erwärmung wieder dem System zuzuführen, dann muss von
außen her nur noch die Wärme Q34 zugeführt werden, und der thermische
Wirkungsgrad erreicht den Wert des Carnot-Prozesses.
Der Stirling-Prozess kann nach Abb. 3 näherungsweise so realisiert werden, dass ein
Arbeitskolben und ein Verdrängerkolben, um 90° phasenverschoben, auf eine
Kurbelwelle arbeiten. Der Verdrängerkolben schiebt die Luft im Zylinder hin und her
und bringt sie abwechselnd in Kontakt mit dem heißen bzw. kalten Teil der Maschine.
Der Regenerator (Wärmespeicher) besteht aus Metallspähnen oder Kupferwolle, die
beim Durchströmen der heißen Luft Wärme aufnimmt und diese nachher wieder an
die durchströmende kalte Luft abgegeben.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
3
4
4
1
1
2
2
51
3
Abb. 3: Arbeitsprozess eines Heißluftmotors.
Ein Demonstrationsmodell für den Stirling-Prozess ist der Heißluftmotor. Im Deckel
ist eine Glühwendel eingebaut, die als elektrische Wärmequelle dient. Die
Wärmesenke wird mit Kühlwasser realisiert, das den unteren Teil des
doppelwandigen Zylinders durchfließt. Der Heißluftmotor kann bezüglich des
thermischen Wirkungsgrades bislang nicht mit Verbrennungsmotoren konkurrieren,
weil die interne Wärmeübertragung (Q41 → Q23) nur unvollkommen gelingt.
In Tabelle 2 sind einige ideale Kreisprozesse dargestellt, die technischen
Anwendungen zugrunde liegen.
Tabelle 2: Technische Kreisprozesse.
52
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
Beschreibung des Versuchsaufbaus
1.
Aufbau des Heißluftmotors
Der Heißluftmotor besitzt zwei Kolben, von denen der eine, der Arbeitskolben, den
Zylinderinhalt periodisch komprimiert und expandiert. Der zweite Kolben, der
Verdrängerkolben, weist einen axialen Kanal auf, der mit Kupferwolle gefüllt ist.
Durch den Kanal hindurch sind die Gasanteile des Zylinderinhaltes oberhalb und
unterhalb des Verdrängerkolbens miteinander in Verbindung.
Abb. 4: Aufbau des Heißluftmotors, 1: Arbeitskolben,
2: Verdrängerkolben, 3: Regenerator (Kupferwolle)
Der Zylinder wird in seinem unteren Teil, in welchem sich der Arbeitskolben bewegt,
mit Wasser gekühlt.
Der Oberteil des Zylinders kann mittels einer am Zylinderdeckel befestigten
Heizwendel beheizt werden. Es stehen weitere Zylinderdeckel zur Verfügung, durch
die z. B. ein kleines Reagenzglas in das Zylinderinnere eingeführt werden kann.
Beim Normalbetrieb als Wärmekraftmaschine wird das Zylinderoberteil ständig
elektrisch beheizt und so auf hoher Temperatur gehalten, während das
Zylinderunterteil wassergekühlt ist und sich somit auf niedriger Temperatur befindet.
Das Arbeitsgas wird vom Verdrängerkolben periodisch von heißen zum kalten, bzw.
vom kalten zum heißen Zylinderteil bewegt, was ohne Volumenänderung vor sich
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
53
geht. Deshalb kann das Geschehen im Heißluftmotor näherungsweise vom StirlingKreisprozess beschrieben werden.
2.
Stirling-Kreisprozess im Heißluftmotor als Wärmekraftmaschine
Beim Stirling-Kreisprozess wird das Arbeitsgas bei niedriger Temperatur isotherm
komprimiert und anschließend isochor (bei konstantem Volumen) aufgeheizt. Bei
hoher Temperatur expandiert das Arbeitsgas isotherm und wird anschließend isochor
abgekühlt. Während der Phase der isochoren Erwärmung wird das Arbeitsgas durch
die (heiße) Kupferwolle des Verdrängerkolbens aufgeheizt – unter Abkühlung der
Kupferwolle.
Während der isochoren Abkühlung strömt das Arbeitsgas erneut durch die (nunmehr
kalte) Kupferwolle und wird dabei abgekühlt – unter Erwärmung der Kupferwolle. Die
Kupferwolle hat also die Aufgabe eines Wärmespeichers, der das Arbeitsgas auf die
ursprünglichen Bedingungen (heiß bzw. kalt) zurückbringen, dieses Gas also
regenerieren soll.
3.
Heißluftmotor als Kältemaschine
Bei dem oben beschriebenen Normalbetrieb leistet der Heißluftmotor laufend Arbeit.
Unterbleibt jedoch die Beheizung des Zylinderkopfes und wird der Heißluftmotor jetzt
durch einen Elektromotor angetrieben, dann wird ihm Arbeit zugeführt. Erfolgt der
Antrieb durch den Elektromotor im gleichen Drehsinn wir im Normalbetrieb als
Wärmekraftmaschine, dann wird dem Zylinderkopf von Kreisprozess Wärme
entzogen, so dass dieser sich abkühlt. Diese entzogene Wärme wird an das
Kühlwasser abgegeben, vergrößert durch die der zugeführten mechanischen Arbeit
entsprechende Wärme: Der Heißluftmotor arbeitet jetzt als Kältemaschine.
4.
Heißluftmotor als Wärmepumpe
Beim Elektromotorantrieb im entgegengesetzten Drehsinn wird dem Zylinderkopf
vom Kreisprozess Wärme zugeführt, während dem Kühlwasser Wärme entnommen
wird. Auch die dem Kreisprozess zugeführte mechanische Energie wird als Wärme
an den Zylinderkopf abgegeben, dessen Temperatur beträchtlich ansteigt: Der
Heißluftmotor arbeitet dann als Wärmepumpe.
5.
Messung der abgegebenen Leistung der Wärmekraftmaschine
Zur Messung der abgegebenen Leistung wird ein Kupferband über den zylindrischen
Dorn, der auf der Nabe des Schwungrades liegt, gelegt. In die Öse des
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
54
Kupferbandes wird ein Kraftmesser eingehängt. Der Motor wird durch Ziehen am
Kraftmesser abgebremst und mit dem Drehzahlmesser die Drehzahl erfasst. Zur
Leistungsmessung verwendet man Heizspannungen von 16–18V, im Normalbetrieb
kann die Heizspannung auf 12V gesenkt werden.
6.
Wirkungsgrad des Heißluftmotors als Wärmekraftmaschine
Der Wirkungsgrad der Wärmekraftmaschine lässt sich aus der elektrischen Leistung
bestimmen, die der dem System über die Glühwendel zugeführt wird, und aus der
abgegebenen mechanischen Leistung. Dabei gilt:
η =
( )
P1
P2
P1: abgegebene Leistung
P2: elektrisch zugeführte Leistung
Eine Möglichkeit zur Messung der abgegebenen Leistung ist das Abbremsen der
Wärmekraftmaschine mit einem um die Achse des Schwungrades gelegten
Kupferband, an dem eine Kraft F angreift, die mit einem Kraftmesser gemessen wird.
Die Achse hat einen Radius von r = 1,25cm. Bei einer Umdrehungsfrequenz f ergibt
sich für die abgegebene Leistung P1:
P1 = 2 π r f F
Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung der abgegebenen Leistung ist wie bereits
erwähnt die Fläche unter dem pV-Diagramm.
7.
Aufnahme des pV-Diagramms
Zur Aufnahme eines pV-Diagramms des Arbeitsprozesses ist der Heißluftmotor an
einen pV-Indikator (Drehspiegelmanometer) angeschlossen. Druck und Volumen
werden über die Drehung eines Spiegels in beide Richtungen erfasst. Eine Lampe
wird so auf den Spiegel gerichtet, dass die Drehung des Spiegels auf einem Schirm
sichtbar wird. Das Volumen wird über eine Angelschnur, die mit dem Arbeitskolben
verbunden ist, erfasst. Es wird im pV-Diagramm auf der horizontalen Achse
dargestellt. Der Druck wird über eine Druckmessöffnung am Kolben gemessen, sie
wird auf den Schirm in vertikaler Richtung dargestellt.
Da die Spiegel- und Schirmposition nicht fest sind, ist eine Kalibration notwendig. Zur
Druckkalibration wird eine mit Manometer ausgestattete Luftpumpe an den Kolben
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
55
angeschlossen und die Auslenkung auf dem Schirm bei gegebenem Druck markiert.
Das maximale Volumen im Kolben beträgt 140cm³. Mit diesem Wert und dem
Nullpunkt kann die Volumenachse kalibriert werden. Aus der Fläche unter dem pVDiagramm kann man mit Hilfe dieser Kalibration die geleistete Arbeit berechnen.
Aufgaben zur Vorbereitung
1. Beschreiben Sie kurz die Wirkungsweise einer idealen Stirling-Maschine in
Abhängigkeit von der Drehrichtung als Wärmepumpe, Kältemaschine und
Wärmekraftmaschine. Leiten Sie die jeweiligen Formeln für den Wirkungsgrad
bzw. die Gütezahl dieser drei Arbeitsweisen der Stirling-Maschine her.
2. Berechnen Sie den Wirkungsgrad einer idealen Wärmekraftmaschine mit StirlingProzess (siehe Abb. 2) mit den Eckwerten: p1 = 2 bar, p2 = 1 bar, V1 = 60 cm³, V2
= 120 cm³. Zeichnen Sie ein pV-Diagramm für diese Maschine und bestimmen
Sie daraus graphisch (per Abzählen) die mechanische Arbeit (Energie). Welchen
Verlauf im pV-Diagramm erwarten Sie für den realen Kreisprozess (Skizze mit
Begründung!)?
Hinweise zur Versuchdurchführung:
Vor jedem Anwerfen des Heißluftmotors überprüfen, ob beide Kolben frei
beweglich sind!
Kühlwasser muss beim Betrieb als Wärmekraftmaschine laufen!
Die Heizspirale darf nie beim Stand des Motors bis zur Rotglut glühen, immer
sofort unterbrechen. Die Heizwendel darf nicht mit mehr als 20 V belastet
werden!
Reagenzglas nicht aus seiner Halterung nehmen!
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
56
Aufgabe 1: Betrieb des Heißluftmotors als Wärmepumpe und Kältemaschine
Der Zylinderdeckel mit dem Reagenzglas wird in den Arbeitsraum eingebaut. Das
Reagenzglas wird mit ca. 0,5 cm3 Wasser gefüllt. Der Heißluftmotor wird mit dem
Elektromotor als Kältemaschine in Betrieb genommen und das Gefrieren des
Wassers beobachtet.
Aufgabe 2: Betrieb des Heißluftmotors als Wärmekraftmaschine
Hinweis:
Die maximale zulässige Spannung an der Heizwendel beträgt 20 V!, die normale
Betriebsspannung: ca. 16-18 V
Anleitung:
Der Zylinderdeckel mit der Heizwendel wird eingebaut und das Strom- und
Spannungsmessgerät zur Bestimmung der elektrischen Leistungsaufnahme
angeschlossen. Der ohmsche Widerstand der Heizwendel beträgt ca. 0,9 Ω Welche
der beiden möglichen Verschaltungen der Messgeräte ist in diesem Fall
vorzuziehen? Warum?
Beim Glühen der Heizwendel den Heißluftmotor in der richtigen Drehrichtung
(welche?) sofort anwerfen. Der eigenständige Betrieb der Maschine stellt sich nach
einigen Minuten ein. Was passiert in der Anlaufphase?
Bestimmung des Wirkungsgrades mit einem Kupfer-Bremsband
a)
Bestimmen Sie die abgegebenen Leistung
Betriebsspannungen und gleicher Drehzahl
bei
zwei
verschiedenen
Das Bremsband aus Kupfer in 1-2 Windungen um die Achse des
Schwungrades legen und die Kraft mit einer Federwaage messen. Dabei ist
gleichzeitig die Drehzahl mit dem Drehzahlmesser zu messen.
b)
Drehzahlabhängigkeit der abgegebenen Leistung
Bestimmen Sie bei einer geeigneten Betriebsspannung (am besten einen Wert
aus 2a nehmen) die abgegebene Leistung bei 10 verschiedenen Drehzahlen
mit Hilfe des Kupfer-Bremsbandes.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
57
Bestimmung des Wirkungsgrades aus dem pV-Diagramm
c)
Nehmen Sie zwei pV-Diagramme bei den unter 2a) gewählten Parametern auf
Die Lampe (Betriebsspannung 4V) auf die Spiegel des pV-Indikators richten
und den Schirm so aufstellen, dass das pV-Diagramm möglichst groß und
deutlich sichtbar ist und den Verlauf auf dem Schirm nachzeichnen. Den Aufbau
dann nicht mehr verändern, da sonst die Kalibrierung sinnlos wird.
d)
Kalibrierung des pV-Diagramms
Die Kalibrierung der Druckskala erfolgt mit Hilfe der mit einem Manometer
ausgestatteten Luftpumpe. Die Kalibrierung der Volumenachse ergibt sich aus
dem Hubvolumen des Heißluftmotors von 140cm3.
Auswertung
1.)
a) Beschreiben Sie kurz Ihre Beobachtungen beim Gefrieren des Wassers. Was
passiert beim Erstarrungsprozess?
b) Beschreiben Sie kurz Ihre Beobachtungen während der Einlaufphase und
erklären Sie diese.
2.)
Berechnen Sie für alle Werte aus 2b) die mechanische Leistung und stellen Sie
diese in einem Diagramm dar. Gehen Sie in der Fehlerbetrachtung
insbesondere darauf ein, weshalb beim Heißluftmotor im Versuch kein idealer
Stirling-Prozess vorliegt.
3.)
Vergleichen Sie das gemessene pV-Diagramm mit dem eines idealen
Stirling-Prozesses. Worauf lassen sich die Unterschiede zurückführen?
4.)
Bestimmen Sie jeweils Leistung und Wirkungsgrad aus beiden pV-Diagrammen
und beiden Bremsversuchen aus 2a). Wie erklären Sie die erheblichen
Abweichungen?
58
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
59
VERSUCH II.4:
POTENZIALFELDER
Stichpunkte: Elektrostatisches Potenzial, Bewegung geladener Teilchen
elektrischen Feldern, Brechungsgesetz der Elektronenoptik, elektrolytischer Trog
in
Geometrische Elektronenoptik
1
Das Brechungsgesetz für Elektronen
In einem Plattenkondensator, d.h. einer Zone der Dicke d, herrscht das Feld E. Dies
lässt sich als Übergang zwischen zwei Gebieten 1 und 2 mit den Potenzialen U1 und
U2 auffassen, die sich gerade um E unterscheiden.
Abb.1: Zum Brechungsgesetz der Elektronenoptik
Wenn man statt der Platten zwei leitende Netze N1 und N2 verwendet, können
geladene Teilchen, z.B. Elektronen, die Anordnung transmittieren. Im Gebiet 1 haben
die Elektronen die Geschwindigkeit v1 und somit die Energie W1 = m⋅v12/2; diese
entspricht dem Potenzial U1 = W1/e = m⋅v12/2e. Da die Elektronen im Kondensator
mit der Spannung ∆U = U2 - U1 beschleunigt werden, haben sie im Gebiet 2 die
Energie W2 = m⋅v22/2 = e⋅U2.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
60
Das Feld E wirkt nur in der y-Koordinate und ändert daher auch nur die
entsprechende Komponente der Elektronengeschwindigkeit (Abb. 1), die xKomponente ist in 1 und 2 dieselbe: vx1 = vx2. Wir bilden den Sinus der Ein- und
Ausfallswinkel α1 und α2:
sinα 1 v x1 / v 1 v 2
=
=
sinα 2 v x 2 / v 2 v 1 .
Dieses Verhältnis lässt sich allein durch die Energien, d.h. die Potenziale U1 und U2
ausdrücken:
U2
sin α 1
=
sin α 2
U1 ,
es hängt aber nicht vom Winkel ab. Dies entspricht der Lichtbrechung. Einem Gebiet
mit dem Potenzial U (gemessen immer gegen den Potenzialnullpunkt als Startwert
der Elektronen) kann man eine Brechzahl n ~ U zuordnen. Dann nimmt das
Brechungsgesetz die übliche Form an, bei der nur die Verhältnisse der Brechzahlen
interessieren.
2
Krummes Licht
In der Teilchenoptik ändert sich das Potenzial häufig nicht sprunghaft, sondern stetig,
etwa beim Durchlaufen von spannungsführenden Blenden. Hier knickt die
Elektronenbahn nicht abrupt, sondern krümmt sich.
Abb.2: Elektronenkrümmung
Wenn die Elektronen unter einem Winkel α gegen die Feldrichtung fliegen, dann
beschleunigt die Feldkomponente E⋅cos α dann das Elektron, die Komponente E⋅sin
α krümmt seine Bahn. Letztere erzeugt nämlich eine Zentripetalkraft eE⋅sin α = m⋅v2 /
R, also eine Bahnkrümmung.
1 eE sinα
=
R
mv ²
(1)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
61
Wegen m v2 / 2 = e U und E sinα = dU / dy kann man auch schreiben
1
1 dU
=
R 2U dy
(2)
Auch diese Krümmung hängt also nicht vom Winkel ab, sondern nur von den
Potenzialen. Bei Licht gilt dasselbe, wenn die Brechzahl n stetig vom Ort abhängt.
Man sieht das am besten im Wellenbild. Ein Stück einer Wellenfront von der Breite
db laufe an einem seiner Enden (,,rechts") in einem Medium mit der Brechzahl n, am
anderen Ende (,,links") sei die Brechzahl n + dn.
In einer hinreichend kurzen Zeit dt ist die Welle dann rechts um
c
cdt ⎛ dn ⎞
dt ≈
⎟
⎜1 −
n + dn
n ⎝
n ⎠
c
dt , links um
n
fortgeschritten. Die Front ist also etwas nach links
umgeschwenkt. Die Verlängerungen der Wellenfronten treffen sich nach Abb. 3 in
einem um R entfernten Punkt. Man liest ab db / R = dn / n oder
1 1 dn
=
R n db
(3)
Dies ist das Krümmungsmaß der Lichtstrahlen, die ja an jeder Stelle auf der
Wellenfront senkrecht stehen. Am größten ist die Krümmung, wenn der Lichtstrahl
senkrecht zum Gradienten der Brechzahl steht. Wenn hingegen ein Winkel ϕ
zwischen Strahlrichtung und n-Gradient liegt, ist die Krümmung um den Faktor sinϕ
kleiner als der maximal mögliche Wert. Die Äquivalenz mit (Gl. 2) folgt aus dem
Strahlensatz
dn / n = d (ln n) = ½ d (ln U) = dU / 2U.
62
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
db
R
c
n+dn
c
n
dt
ϕ
dt
Gradient
von n
Abb. 3: Krümmung eines Lichtbündels in einem Gradienten der Brechzahl.
Ausbreitung senkrecht (oben) bzw. schräg (unten) zum Gradienten
dϕ
R
ϕ + dϕ
n+dn
n
dr
ϕ
ds
Abb. 4: Krümmung von Lichtstrahlen oder Elektronenbahnen in
einem Medium (Feld) mit stetig veränderlicher Brechzahl
3
Elektrische Elektronenlinsen
Um mit elektrostatischen Feldern eine Linse für geladene Teilchen zu konstruieren,
muss die Radialkomponente des Feldes proportional um Radius sein.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
63
}
Linse
Transversal
r
a = vx dt1
b = vx dt2
Radial
Abb. 5
Dies erkennt man anhand folgender Überlegung:
Ein von links (siehe Abb. 5) einfallendes Teilchen habe den Transversalimpuls
r
py1 = m vy1 = m dt .
1
Im Bereich der Linse erfährt es einen Kraftstoß F ∆t = ∆p. Danach hat es den Impuls
r
py2 = -m dt .
2
Daraus folgt:
⎛ 1
1 ⎞
⎛ 1 1⎞
F ∆t = ∆p = -py1 + py2 = -mr ⎜⎜ dt + dt ⎟⎟ = -mrvx ⎜ a + b ⎟
⎠
⎝
2 ⎠
⎝ 1
Das Linsengesetz verlangt nun
1 1
+ = const. ⇒ F ~ r ⇒ E ~ r.
a b
Setzt man nun die Rotationssymmetrie des elektrischen Feldes um die z-Achse
(siehe Abb. 6) voraus, so kann man zeigen, dass die Radialkomponente Er die
geforderte Proportionalität besitzt.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
64
r
Er
Ez (z + dz)
z
dz
Abb. 6: Zur Berechnung der Radialkomponente Er eines
rotationssymmetrischen Feldes.
Für den Fluss des elektrischen Feldes durch die Oberfläche des eingezeichneten
Volumenelements gilt (keine Ladung eingeschlossen):
r r
∫ E ⋅dA = 0
= π r2 Ez (z + dz) - π r2 Ez(z) + 2 π r dz Er
Dabei wurde angenommen, dass Ez nicht von r abhängt. Dies gilt in guter Näherung
für achsennahe Gebiete.
Ez (z + dz) kann also entwickelt werden:
E z (z + dz) ≈ E z (z) +
⇒ 0 = π r2
dE z
dz
dz
dEz
1 dEz
dz + 2 πr dz E r ⇒ E r = r∝r
dz
2 dz
Dies ist die Proportionalität, mit der das Linsengesetz erfüllt wird.
Zwei Kondensatoren aus gewölbten Netzen, die entsprechend Abb. 7
aneinandergesetzt werden, grenzen einen linsenförmigen Innenraum mit dem
Potenzial U2 = U1 + U vom Außenraum mit U1 ab. Die beiden Übergangszonen
zwischen den Netzen wirken auf Elektronen wie eine Glaslinse mit der Brechzahl
n = U 2 /U 1 gegen die umgebende Luft mit n =1 auf Licht. Diese Linse hat die
Brechkraft:
⎞⎛ 1 1 ⎞
1
⎛ 1 1 ⎞ ⎛ U2
= (n − 1)⎜ + ⎟ = ⎜⎜
− 1⎟⎟⎜ + ⎟
f
⎝ r 1 r 2 ⎠ ⎝ U 1 ⎠⎝ r 1 r 2 ⎠
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
65
Abb. 7: Elektronendoppelschichtlinse
Über die elektrischen Spannungen lässt sich die Brechkraft der Elektronenlinse in
weiten Grenzen ändern. Feldstörungen durch die einzelnen Drähte im Netz sind aber
sehr groß. Da es nur auf die Wölbung der Potenzialflächen ankommt, kann man
diese aber auch auf andere Art ohne störende Leiter erzeugen, z.B. mit Lochblenden
oder unterbrochenen Rohrlinsen um die Ausbreitungsstrecke herum. Allerdings
entspricht ein Feld wie in Abb. 9 keiner durch Kugelflächen begrenzten einheitlichen
Glaslinse, sondern besteht aus Schichten mit verschiedenen Potenzialen U, also
verschiedenen Brechzahlen n, wie übrigens auch unsere Augenlinse. Das System
von Abb. 8 mit negativer linker Platte wirkt wie ein Elektronen-Hohlspiegel. Die
Elektronen treten sofort nach Verlassen einer Quelle, die auf der linken Platte liegen
würde, ins Feld, also in das brechende System ein. Dies entspricht einem
Lichtobjektiv mit Immersionstropfen davor. Daher spricht man auch von
Immersionslinsen, im Gegensatz zu den Einzellinsen, die in einem feldfreien Raum
stehen, so dass Elektronen in weiter Entfernung vor und hinter der Linse beiderseits
geradlinig fliegen.
Abb. 8: Äquipotenzialflächen zwischen einer Platte und einer kreis-
förmigen Lochblende, zwischen denen eine Spannung besteht.
66
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
Abb. 9: oben: Äquipotenzialflächen im Feld einer Einzellinse,
unten: Rohrlinse (a) und ihr optisches Analogon (b)
In Abb. 9 sei das rechte Rohr auf positiverem Potenzial. Dann wirken die nach links
gewölbten Potenzialflächen sammelnd, die nach rechts gewölbten zerstreuend; weil
die Elektronen nach rechts schneller werden, ist die zerstreuende Ablenkung
schwächer als die sammelnde: Die Rohrlinse entspricht dann dem darunter
dargestellten optischen Linsensystem mit gleich starker Sammel- und
Zerstreuungslinse. Wie in der Optik tritt das Prinzip der starken Fokussierung auf:
Die Kombination von fokussierender und defokussierender Linse gleicher Stärke im
geeigneten Abstand ist fokussierend. (Überlegen Sie sich warum dieses Prinzip gilt)
Wenn man alle Spannungen einschließlich der Beschleunigungsspannung im
gleichen Verhältnis ändert, z.B. halbiert, ändern sich nach (Gl. 2) die Brechzahlverhältnisse nicht, ebenso wenig die Elektronenbahnen. Auch die Parameter Ladung
und Masse der Teilchen kommen in (Gl. 2) nicht vor. Ein Elektronenmikroskop ist
daher im Prinzip auch für Protonen oder Deuteronen einsetzbar.
4
Quadrupol-Potenzial und Ionenfallen
Um Teilchen in einem gewissen Raumbereich zu lokalisieren, also „gefangen“ zu
halten, muss von allen Seiten eine rücktreibende Kraft ausgeübt werden. Für den
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
67
einfachsten Fall einer Kraft, die proportional zum Abstand von der Ruhelage
anwächst, gilt dann sogar ein „Hook'sches Gesetz“ in allen drei Raumdimensionen:
r r
F∝r.
Generell wird für geladene Teilchen (z. B. Ionen) ein Kraftfeld von einem elektrischen
Potenzial φ induziert, und es muss gelten
r
r
∇φ ∝ r .
In einem ladungs- und elektrodenfreien Raumbereich muss ebenso die homogene
Poisson-Gleichung (≡ Laplace-Gleichung) erfüllt sein
Δφ = 0 .
Dies wird von folgendem einfachen Ansatz gelöst
r
φ (r ) = a ⋅ x 2 + b ⋅ y 2 + c ⋅ z 2 .
Einsetzen in die Laplace-Gleichung liefert für die Parameter die Bedingung
a+b+c = 0.
Wie man sofort sieht, ist diese Bedingung nicht mit a, b, c > 0 zu lösen, vielmehr muss
ein relatives Minuszeichen in den Koeffizienten für die drei Raumrichtungen
auftauchen. Dies entspricht dem Satz von Gauß, der unter anderem besagt, dass
alle Feldlinien, die in ein ladungsfreies Gebiet eindringen, aus diesem auch wieder
herauskommen müssen. Der Gauß’sche Satz ist demnach auch Hintergrund des
Ausspruchs:
„Es gibt in einem statischen elektrischen Potenzial keine stabile Gleichgewichtslage.“
Um nun also doch Elektronen oder Ionen in einem begrenzten Raumbereich
speichern zu können, muss man an zumindest einem der Parameter „statisch“ oder
„elektrisch“ drehen. Es kann also entweder ein zeitabhängiges elektrisches Potenzial
oder ein zusätzliches magnetisches Feld verwendet werden. Eine mathematisch
korrekte Beschreibung dieser Ansätze sprengt allerdings den Rahmen dieses
Skriptes und wir verweisen hier (für Interessierte) auf die zahlreichen Lehrbücher und
Abhandlungen, die sich mit der Theorie der Paulfalle, bzw. der Penningfalle
befassen.
Möglichkeiten, die Gleichung a + b + c = 0 zu lösen, sind im Wesentlichen:
68
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
1. a = −b , c = 0 . Diese Lösung ergibt ein zweidimensionales Feld, die dritte
Koordinate ist feldfrei. Im statischen Fall ist eine Koordinate fokussierend, die
zweite defokussierend; im dynamischen Falle zeitabhängiger Felder folgt aus
dem Prinzip der starken Fokussierung dann eine zweidimensionale Speicherung
in einem Führungsfeld. Da die Kraft massenabhängig ist, entsteht dabei das
sogenannte Quadrupolmassenfilters, bzw. die lineare Ionenfalle nach Wolfgang
Paul.
2. a = b , c = −2a . Zwei Raumrichtungen fokussieren, eine defokussiert bzw.
andersherum. Bei dieser Lösung ergibt sich im zeitabhängigen Fall oder beim
Einsatz eines zusätzlichen Magnetfelds zur Kompensation der Defokussierung
eine dreidimensionale radialsymmetrische Ionenfalle (z. B. Paulfalle,
Penningfalle).
Im Folgenden beschränken wir uns auf den einfacheren Spezialfall der linearen
Ionenfalle. Hierbei ignorieren wir die dritte Dimension, in der die Teilchen ihre
Anfangsbewegung ungestört weiterführen. Aus der Lösungsmöglichkeit (1.) erhalten
wir also folgende Beziehung:
φ ( x, y ) = a ⋅ (x 2 − y 2 )
Dieses Potenzial ist in Abbildung 10 dargestellt.
Abb. 10: Potenzial der linearen Ionenfalle
Man sieht deutlich, dass φ ( x, y ) eine fokussierende ( x -) und eine defokussierende
( y -) Richtung hat, wir haben ein Sattelpotenzial: der Mittelpunkt ist hier bezüglich der
y -Richtung instabil. Um insgesamt einen speichernden Effekt zu erhalten, muss statt
dem stationären Potenzial eine Wechselspannung angelegt werden. Wenn dann die
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
69
fokussierende und nicht fokussierende Richtung hinreichend schnell wechselt, bleibt
das träge Ion in der Mitte durch starke Fokussierung gespeichert.
Eine Projektion der Äquipotenzialflächen aus Abb. 11 auf die x − y -Ebene ist in Abb.
10 dargestellt. Es ergibt sich das typische Potenziallinienbild eines Quadrupols.
Abb. 11: Bild der Äquipotenzialflächen in der x − y -Ebene;
dickere Linien stehen für höheres Potenzial.
(
)
Die Äquipotenziallinien sind aufgrund der Bedingung x 2 − y 2 = const. Hyperbeläste.
Zur Erzeugung des Feldes müssten insbesondere auch die Elektroden der
Quadrupolgeometrie hyperbelförmig sein. Da eine Fertigung hyperbelförmiger
Oberflächen aber sehr aufwändig ist, werden die Elektroden in vielen Anwendungen
durch Viertelkreise genähert. Dies ist auch hier im Versuch der Fall. Die
beobachteten Äquipotenziallinien unterscheiden sich allerdings nur sehr geringfügig
von denen des idealen Quadrupols. (Für die Auswertung: Für wie gut halten Sie
diese Approximation?)
5
Der Elektrolytische Trog
Betrachten wir zur Veranschaulichung der Wirkungsweise eines Elektrolytischen
Trogs ein einfaches Beispiel: Einen Plattenkondensator in einem Elektrolyten (z.B.
Leitungswasser).
70
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
Abb. 12: Plattenkondensator in elektrolytischer Lösung.
r
Zwischen den Platten bildet sich ein homogenes magnetisches Feld E aus, das
(aufgrund der elektrischen Leitfähigkeit σ des Elektrolyten) eine homogene
r
Stromdichte j nach sich trägt, dies ist Ausdruck der lokalen Form des Ohm’schen
Gesetzes:
r
r
j =σ E .
r U
Wegen E =
gilt für die Potenzialdifferenz zwischen den Platten:
d
r
jd
r
U= Ed=
.
σ
An einem beliebigen Punkt zwischen den Platten, im Abstand d ' zur Bezugsplatte
misst man also (wegen der Homogenität):
U '=
r
j d'
σ
.
Auf diese Weise lassen sich also Äquipotenziallinien an jedem beliebigen Punkt
zwischen den Platten bestimmen. Man kann das Wasser gewissermaßen als
kontinuierlichen Ohm’schen Widerstand auffassen, an dem man über eine bestimmte
Strecke den auftretenden Spannungsabfall misst. Das Prinzip lässt sich leicht auf
beliebige Elektrodensysteme verallgemeinern.
Anhand der letzten Formeln erkennt man auch, dass die Leitfähigkeit der
verwendeten Flüssigkeit endlich sein muss. Für σ ≈ 0 würde man eine viel zu starke
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
71
Abhängigkeit der Spannung vom Ort erhalten, und müsste mit Hochspannung (!)
messen, um brauchbare Ergebnisse zu erzielen. Ist σ hingegen zu groß, so wird die
Ortsabhängigkeit sehr schwach, und man misst fast überall das gleiche Potenzial
(die Platten sind schließlich durch einen Leiter verbunden). Im Experiment stellt sich
heraus, dass die äußerst geringe Leitfähigkeit von Leitungswasser ausreicht, um den
Verlauf der Äquipotenziallinien auch bei geringer Spannung gut ausmessen zu
können. Ein Vergleich zur Leitfähigkeiten von zwei typischen Leitern gibt:
Leitungswasser Kupfer
Spezifische Leitfähigkeit σ
S
1
=
Einheit:
m Ωm
3 − 200 ⋅ 10 −3
58,1 ⋅ 10 6
Silber
62,5 ⋅ 10 6
Um Polarisationsspannungen (bzw. Elektrolyse) im Elektrolyten zu vermeiden, wird
im Versuch mit Wechselspannung gearbeitet. Es wird eine Rechteckspannung
angelegt (Warum?).
Natürlich können mit dem Elektrolytischen Trog beliebige Elektrodenquerschnitte in
beliebiger Anordnung vermessen werden. Dies gilt auch, wenn mehr als zwei
Elektroden vorliegen (siehe z.B. Aufgabe II). Das oben dargestellte Prinzip bleibt
dabei immer das gleiche.
Abb. 13: Vereinfachte Schaltskizze für ein beliebiges Elektrodensystem.
72
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
Aufgaben zur Vorbereitung:
1. Diskutieren Sie im Protokoll zum Haupttestat das Messprinzip der Apparatur.
2. Wie bestimmt man die Trajektorien von Elektronen die mit einer Geschwindigkeit
v0 = 0 an der Kathode starten und sich in dem Feld von Aufgabe II (a) bewegen?
Die Elektronen sollen sich hierbei im Vakuum bewegen?
3. Welche Feldgeometrien (Feldverläufe und Äquipotenziallinien) sind für die im
Versuch auftauchenden Elektrodenkonfigurationen zu erwarten?
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
73
Aufgabe I: Feld zwischen zwei gegensätzlichen Ladungen
Konstruieren Sie für die beiden Kugelelektroden mindestens
Äquipotenziallinien durch eine manuelle Messung. (Verbinden der Messpunkte!)
(a)
3
U
U
Sonde
Abb. 13: Schaltung mit Kugelkalotten
Aufgabe II: Beschleunigungslinse
(a)
Positives Wehneltpotenzial.
U
UAnode
UKathode
Sonde
Anode
Wehnelt Kathode
Abb. 14: Schaltung bei positivem Wehneltpotenzial.
Die Kathode definiert den Potenzialnullpunkt. Die beiden Wehneltelektroden
werden über einen Spannungsteiler angeschlossen.
Nehmen Sie mindestens 6 Äquipotenziallinien auf, die das Feld möglichst gut
darstellen.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
74
(b)
Negatives Wehneltpotenzial.
Gegenüber Aufgabe (a) werden die Potenziale von Wehnelt und Kathode
vertauscht.
Der Bezugspunkt der Sonde ist nun der Wehneltzylinder, der nun in Bezug zur
Kathode negatives Potenzial hat. (Achtung: Wegen der verwendeten
Wechselspannung werden die Potenziale ohne Vorzeichen ausgegeben.)
Verfahren Sie wie unter Aufgabe a).
U
UAnode
UWehnelt
Sonde
Anode
Wehnelt Kathode
Abb. 15: Schaltung bei negativem Wehneltpotenzial.
Auswertung:
Für Aufgabe II (a) bestimme man die Bahnen und Geschwindigkeiten von
Elektronen, die von mindestens 3 verschiedenen Stellen der Kathode mit
Geschwindigkeit Null starten. Die Immersionslinse befinde sich dabei im Vakuum.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
75
Aufgabe III Untersuchung eines Quadrupolfeldes:
Aufbau des Quadrupols:
Abb. 16: Schaltskizze zum Quadrupolfeld
Man bestimme wie in Aufgaben I und II (unter Berücksichtigung der Symmetrie des
Aufbaus) den Verlauf von mindestens acht Äquipotenziallinien.
Auswertung:
1. Zeichnen Sie alle Symmetrieachsen in das Messbild ein, und schätzen Sie
daraus einen Gesamtfehler ihrer Messung als Funktion des Ortes ab
(Angabe in mm). Diskutieren Sie mögliche Fehlerquellen.
2. Zeichnen Sie qualitativ Feldlinien in das Messbild des Potenzials ein, und
bestimmen Sie daraus die fokussierende und defokussierende Richtung
der entsprechenden linearen Ionenfalle.
3. Vergleichen Sie Ihre gemessenen Linien mit denen aus Abbildung 10 im
Skript.
76
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
77
VERSUCH II.5:
ELEKTRISCHER SCHWINGKREIS
Stichpunkte: freie, gedämpfte und erzwungene Schwingungen, elektrischer
Schwingkreis, logarithmisches Dekrement, Güte, Resonanzkurven, Halbwerts-weite,
Phasenverschiebung, Lissajous-Ellipse, komplexe Widerstände
ACHTUNG: Zur Versuchsdurchführung wird ein USB-Stick benötigt!
Grundlagen
Im Folgenden finden Sie eine geschlossene Darstellung der elektrischen
Schwingungen und Wechselströme. Lesen Sie sie vollständig durch und merken sich
im 2. Durchgang die für die Versuchsdurchführung wichtigen Abschnitte und
Formeln.
1
Die freie, gedämpfte elektrische Schwingung
Schalten wir eine Kapazität C, eine Induktivität L und einen Ohm'schen Widerstand R
zu einem Stromkreis zusammen (s. Abb. 1), und sei zum Zeitpunkt t = 0 eine Ladung
± Q0 auf den beiden Kondensatorplatten aufgebracht, so pendelt diese Ladung
periodisch in Form einer gedämpften Schwingung zwischen diesen
Kondensatorplatten mit einer Kreisfrequenz ω hin und her. Dabei wandelt sich
zweimal pro Periode, also mit der Frequenz 2ω, die im Kondensator gespeicherte
elektrische Feldenergie
Ee
1 Q2
1 2
=
=
Uc C
2 C
2
in magnetische Feldenergie
(1)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
78
Em =
1 2
1 &2
LI =
LQ
2
2
(2)
um.
C
L
R
E
B
+Q0 -Q0
I
Abb. 1: Freier gedämpfter Reihenschwingkreis (RSK) aus Kapazität C, Induktivität L
und Ohm'schen Widerstand R. Das elektrische Feld E und das magnetische Feld B
sind die Träger der im Kondensator bzw. der Induktivität gespeicherten elektromagnetischen Energie.
Dabei ist Uc die elektrische Spannung auf dem Kondensator; der Strom I im Kreis ist
per definitionem gleich der Zeitableitung der Ladung Q auf dem Kondensator. Dieser
Wechsel entspricht dem von potentieller und kinetischer Energie bei der
mechanischen Schwingung. Ebenso wie dort die Reibung, so bewirkt hier der
Ohm'sche Widerstand R eine Dämpfung der Schwingung, in dem er der
gespeicherten elektrischen Energie die Leistung
P = RI 2 = RQ& 2
(3)
in Form von Joule'scher Wärme entzieht. Aus dieser Energiebilanz gewinnen wir
sofort die Differentialgleichung (DGL) der gedämpften freien elektrischen
Schwingung, in dem wir entsprechend dem Energiesatz die zeitliche Änderung der
Gesamtenergie gleich Null setzen:
dEgesamt
dt
d
=
dt
&
⎛ 1 &2
1 Q2 ⎞
&& + QQ + RQ& 2 = 0
⎜⎜ LQ +
⎟⎟ + RQ& 2 = LQ& Q
.
2 C ⎠
C
⎝2
(4)
Division durch den Strom I = Q& führt auf eine Bilanz von Spannungen im Stromkreis
der Abb. 1
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
&& +
LQ
Q
+ RQ& = LI& + UC + RI = 0
C
79
(5)
Sie addieren sich nach der Kirchhoff’schen Maschenregel zu Null.
Dividieren wir weiter durch L und ordnen die Terme nach den Ableitungen, so
erhalten wir die so genannte Normalform der Schwingungsgleichung
&
&& + R Q& + 1 Q = Q
&& + Q + ω 2 Q = 0
Q
0
L
LC
τ
(6)
mit der Zeitkonstanten der Dämpfung
τ =
L
R
(7)
und der Frequenz der freien ungedämpften Schwingung
ω0 =
1
LC .
(8)
Im Idealfall der ungedämpften Schwingung (R = 0) lautet die Lösung von (6)
Q( t ) = Q0 cos ω0 t
(9)
mit der Anfangsbedingung für die Schwingungsamplitude der Ladung
Q( t = 0 ) = Q0 .
(10)
Im Realfall Ohm'scher Verluste (R > 0) hat (6) die explizite Lösung
−t
Q( t ) = Q0 cos ωt ⋅ e 2 τ
(11)
mit der jetzt reduzierten Schwingungsfrequenz
ω =
ω02 −
1
4τ² .
(12)
Dies gilt unter der Voraussetzung, dass der Radikand in (12) positiv bleibt, der
Dämpfungswiderstand R also nicht zu groß bzw. τ nicht zu kurz wird (Beweis durch
Einsetzen in (6)). Andernfalls wechselt der Schwingfall in den Kriechfall.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
80
Man charakterisiert die relative Dämpfung einer Schwingung im Verhältnis zur
Schwingungsdauer
T =
2π
1
=
υ
ω
(13)
durch das so genannte logarithmische Dekrement
δ =
T
2τ .
(14)
Es besagt, dass die Schwingungsamplitude während einer Periode um den Bruchteil
abnimmt:
Q(t + T )
Q(t )
= e −δ , bzw. δ = ln
Q(t )
Q(t + T ) .
(15)
Häufiger als δ benutzt man den hierzu reziproken Begriff der Güte
q =
π
= ωτ ≈ ω0 τ
,
δ
(16)
also das Produkt aus Kreisfrequenz und Zeitkonstante. Bei relativ schwacher
Dämpfung darf man die Näherung auf der rechten Seite von (16) benutzen.
Wegen ihrer quadratischen Abhängigkeit von der Schwingungsamplitude wird die
Schwingungsenergie nicht nur mit der doppelten Frequenz zwischen Kapazität und
Induktivität ausgetauscht, sondern sie geht auch mit einer doppelt so steilen
e-Funktion, also wie e-t/τ verloren.
Wir können die freie gedämpfte Schwingung experimentell beobachten, in dem wir
z.B. in den Reihenschwingkreis (RSK) einen Rechteckgenerator einführen, der mit
einer Periode TR >> τ einen gewissen Spannungspegel U0 ein- und ausschaltet (s.
Abb. 2). In beiden Schaltzuständen soll der Spannungsgenerator einen
vernachlässigbaren Einfluss auf die Dämpfung haben. Da diese Voraussetzung bei
dem gegebenem Innenwiderstand Ri = 50 Ohm des Generators nicht gegeben ist,
belasten wir ihn parallel mit einem sehr kleinen Widerstand Rp << Ri, Ra (s. Abb. 2).
Dann gilt für den gesamten Ohm'schen Widerstand im Schwingkreis
R = Ra + RL +
Ri R p
( Ri + R p )
≈ Ra + RL + R p ,
(17)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
81
der auch in allen folgenden Formeln als R bezeichnet ist.
Ra ist der zugeschaltete Widerstand (100Ω bzw. 220Ω), RL ist der Widerstand des
Spulendrahts (13Ω); für Rp wählen wir 10Ω.
RS
U
U
Rp
U0
FG
C
L, RL
Uc
Ra
0
Osz
T
2
t
Abb. 2: Links: Schaltbild zur Messung der freien gedämpften Schwingung eines
RSK; FG = Funktionsgenerator im Rechteckmodus, RS = Relaisschalter, Osz =
Oszilloskop.
Rechts: Anstoßende Rechteckspannung und gedämpfte Schwingspannung am
Kondensator des RSK.
Q( t )
mit Hilfe
C
eines Oszilloskopes parallel zur Kapazität. Das Oszilloskop hat einen sehr großen
Eingangswiderstand von 106Ω = 1MΩ, belastet also den Schwingkreis nicht.
Die gedämpfte Schwingung (11) beobachten wir als Spannung U C (t ) =
2
Resonanz der erzwungenen Schwingung im Reihenschwingkreis (RSK)
Wir gehen im Prinzip von derselben Schaltung wie in Abb. 2 aus, betreiben aber jetzt
den Funktionsgenerator nicht im Rechteck-, sondern im Sinus-Modus, der dem
Reihenschwingkreis (RSK) zusätzlich die äußere Spannung
U (t ) = U 0 cos ωet
(18)
einprägt und ihn zu einer Schwingung auf der von außen vorgegebenen Erregerfrequenz ωe (nicht zu verwechseln mit dem ω der freien, gedämpften Schwingung
aus (12)) anregt.
Die zugehörige Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung des RSK
gewinnen wir, in dem wir in die Kirchhoff’schen Maschengleichung (5) jetzt auf der
rechten Seite die äußere eingeprägte Spannung (18) einsetzen:
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
82
.
(19)
Division durch L bringt (19) zurück in die Normalform
.
(20)
Auch die DGL der erzwungenen elektrischen Schwingung ist formgleich mit den aus
der Mechanik bekannten. Wir stellen sie in Tabelle 1 zusammen, aus der man die
Entsprechung der einzelnen Größen erkennt. Durch Freistellen der zweiten
Ableitung, d.h. Division durch m bzw. θ oder L, können sie alle in die Normalform mit
ω0 und τ als charakteristische Größen überführt werden. Man nennt solche
Schwinger daher im Allgemeinen harmonische Oszillatoren.
Typ
DGL
sich entsprechende Größen
Lineare
Federschwingung
mx&& + ρx& + Dx = F ( t )
Masse (m)
Drehfederschwingung
&& + ρϕ& + Dϕ ϕ = N( t ) Trägheitsθϕ
Reibungskoeffizient
(ρ)
Reibungsmoment (θ) koeffizient
(ρ)
&& + RQ& + Q = U ( t ) Induktivität
elektrischer
LQ
C
(L)
Serienschwingkreis
Elektrischer
Widerstand
(R)
Federkonstante
(D)
Erregende
Kraft (F(t))
Richtmoment Erregende
Drehmoment
(Dϕ)
(N(t))
(Kapazität)-1
(1/C)
erregende
Spannung
(U(t))
Tabelle 1: DGL‘s erzwungener mechanischer und elektrischer
Schwingungen (harmonische Oszillatoren)
Wir interessieren uns in der Hauptsache für die so genannte stationäre Lösung von
(20), also den eingeschwungenen Zustand, der sich nach Zeiten t >> τ nach
Einschalten der Wechselspannung einstellt. Messen wir wieder anstelle von Q die
Spannung am Kondensator mit dem Oszilloskop, so sehen wir eine
Wechselspannung, deren Amplitude als Funktion der Erregerfrequenz ωe ein
Maximum, die so genannte Resonanzkurve, durchläuft. Mit wachsender Frequenz
verzögert sich auch die Phase (α) von Uc gegenüber der Erregerspannung und zwar
bis zum Resonanzpunkt um
π
2
und darüber hinaus schließlich um π.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
83
Die exakte eingeschwungene Lösung von (20) lautet, bezogen auf die Spannung am
Kondensator,
Q( t )
ω02
U C (t) =
=
U 0 cos(ωe t − α ) = U C0 (ωe ) cos(ωe t − α )
2
2
C
(ωe − ω02 ) 2 + ωe τ 2
(21)
Abb. 3a: Stationäre Amplitude der erzwungenen Schwingungen als Funktion der
Erregerfrequenz beim Resonanzdurchgang bei schwächerer (1) und
stärkerer (2) Dämpfung (Gl.(21)).
mit der Phasenverschiebung
⎛
⎞
⎟
⎟.
−
τ
(
ω
ω
)
0
e
⎝
⎠
α = arctan⎜⎜
ωe
2
2
(22)
Abb. 3b: Phasenverzögerung der Schwingungsamplitude eines harmonischen
Oszillators gegenüber dem Erreger als Funktion der Frequenz (Gl.(22)).
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
84
Der Bruch in (21) beschreibt das Resonanzverhalten. Für sehr kleine Frequenzen
ω → 0 strebt er gegen 1; am Kondensator herrscht dann nach Amplitude und Phase
die Erregerspannung (auch α strebt dann gegen 0 gemäß (22)). Das ist verständlich,
1
denn der kapazitive Widerstand RC = ωC (s. u.) dominiert dann den RSK.
Bei ω = ω0 erreicht der Bruch in (21) den Wert ω0τ ≅ q (vgl. (16)). Um diesen Faktor
ist dann die Spannung am Kondensator gegenüber der Erregerspannung überhöht.
Für τ → ∞, also verschwindender Dämpfung (R → 0) wächst damit auch UC über alle
Grenzen (so genannte Resonanzkatastrophe).
Bei endlicher Dämpfung wird die Maximalspannung am Kondensator aber nicht bei
ω0, sondern etwas darunter erreicht bei
ω max = ω 02 −
1
1
1
)
≈ ω0 1 −
≈ ω 0 (1 −
2τ ²
2 q²
4q2
(23)
Die Näherungen rechts gelten für schwache Dämpfung, also große Güte q.
Entsprechend ist auch der exakte Wert der Resonanzüberhöhung etwas verschieden
von der Güte q, wie sie in (16) definiert ist:
ω02τ
1
UC (ω max )
=
≈q+
≈q
.
4q
UC (ω = 0) ω max
(24)
Bei den relativ hohen Güten im Versuch liegen die Abweichungen im Bereich unserer
Messgenauigkeit.
Auch die Schärfe der Resonanz, d.h. das Verhältnis aus Resonanzfrequenz ω0 und
Linienbreite der Resonanz Δω ist näherungsweise durch die Güte bestimmt
ω0
≈ q
.
Δω
(25)
Δω
der Abstand rechts und links von der Resonanzfrequenz, bei der die
2
1
Amplitude auf den Bruchteil
des Maximalwerts abgefallen ist. Die Näherung in
2
Dabei ist ±
(25) gilt für scharfe Linien. In der Umgebung der Resonanz können wir dann in der
Wurzel von (21) (ω 2 − ω 02 )2 = (ω − ω 0 )2 (ω + ω 0 )2 ≅ (ω − ω 0 )2 (2ω )2 setzen, einen
ω2
ω
aus der Wurzel herausziehen und schließlich noch einmal 0 ≅ ω 0 nähern
ω
τ
und erhalten (21) in der Form
Faktor
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
ω0 τ
UC ( t ) ≈
( 2τ( ω − ω0 ))2 + 1
85
U0 cos( ωt − α ) .
Hier erkennt man sofort, dass der Nenner bei ( ω − ω0 ) = ±
(26)
1
von 1 auf
2τ
2
angewachsen ist.
3
Komplexe Lösungen
stromwiderstand
der
Schwingungsgleichungen
und
Wechsel-
Von der Richtigkeit unserer Lösungen (11) und (21) für die freie bzw. erzwungene
Schwingung des RSK können wir uns durch Einsetzen in die zugehörigen DGL‘s (6)
und (20) überzeugen. Das Finden dieser Lösungen und auch der weitere Umgang
mit ihnen wird aber wesentlich leichter, wenn wir sie ins Komplexe erweitern. Hierzu
ergänzen wir die Cosinus-Funktion durch einen imaginären Sinusanteil zum gleichen
Argument und schreiben beides nach der Eulerschen Formel in eine Exponentialfunktion um:
cos ω t + i sinω t = e iωt .
(27)
Eine gedämpfte Schwingung lässt sich dann in der Kurzschrift
Qe ( −γ / 2 + iω )t = Q0 e zt
(28)
mit einer Anfangsamplitude Q0 und einer komplexen Zahl z als Parameter darstellen.
Einsetzen in (6) und differenzieren führt auf eine quadratische Bestimmungsgleichung für z
ω02 +
z
+ z2 = 0
τ
(29)
mit den Lösungen
z± = −
1
±
2τ
1
− ω02 .
2
4τ
(30)
Für schwache Dämpfung ist der Radikand negativ und die imaginäre Wurzel wird zur
1
γ
aus (28) ergibt sich zu
wie gehabt in
Frequenz ω (12) und die Zerfallskonstante
2
2τ
(11). Die physikalischen Messgrößen identifiziert man in der Regel mit dem Realteil
der komplexen Lösung und lässt den Imaginärteil beiseite. Das ist legitim, weil jeder
Teil für sich alleine eine Lösung der DGL darstellt.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
86
Bei starker Dämpfung wird die Wurzel reell und schwächt die Dämpfung ab bzw.
verstärkt sie je nach Vorzeichen der beiden Lösungen. Sie entsprechen dem
Kriechfall, für den wir uns hier nicht interessieren.
Noch hilfreicher als bei der freien gedämpften Schwingung ist die komplexe Schreibweise bei der erzwungenen Schwingung. Dazu müssen wir als erstes die erregende
Wechselspannung ins Komplexe erweitern
~
U = U 0 e iωt .
(31)
Als Variable der eingeschwungenen Lösung ist es nun wesentlich zweckmäßiger,
den Strom statt der Ladung zu wählen mit dem Lösungsansatz
I% = I 0 ei (ωt −ϕ ) .
(32)
Daraus gewinnen wir die Ladung durch Integration
~
Q =
∫I e
i ( ωt − ϕ )
0
dt =
1
⎛i ⎞ ~
I 0 e i ( ωt − ϕ ) = −⎜ ⎟ ⋅ I ,
iω
⎝ ω⎠
(33)
sowie deren zweite Ableitung durch Differenziation
d
&&
~
~&
~
Q = I =
( I 0 e i ( ωt − ϕ ) ) = iω I .
dt
(34)
Gehen wir mit diesen Ergebnissen in die DGL (19), so können wir den Wechsel~
strom I ausklammern und erhalten wie beim Ohm'schen Gesetz einen linearen
Zusammenhang zwischen Strom und Spannung
⎛
1 ⎞⎞ ~
~
~
⎛
⎜⎜ R + i ⎜ ωL −
⎟ ⎟⎟ ⋅ I = Z I = U
ωC ⎠ ⎠
⎝
⎝
(35)
mit einem Widerstand als Koeffizienten, der aber jetzt komplexwertig ist. Wir nennen
ihn den Wechselstromwiderstand Z. Sein Realteil ist wie gehabt der Ohm'sche
Widerstand R, während Induktivität und Kapazität jetzt als rein imaginäre
Widerstände
Z L = iωL,
ZC = −
i
ωC
(36)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
87
auftreten, und zwar mit entgegengesetztem Vorzeichen entsprechend einem
~
~
Phasenunterschied von π zwischen den zugehörigen Spannungen U L und UC . Wir
können Z auch durch Betrag und Phase ausdrücken
2
Z = Ze
iϕ
=
1 ⎞ iϕ
⎛
R + ⎜ ωL −
⎟ e
ωC ⎠
⎝
2
(37)
mit der Phase
1 ⎞
⎛
⎜ ωL −
⎟
ωC ⎟
ϕ = arctan ⎜
R
⎜
⎟.
⎜
⎟
⎝
⎠
(38)
Lösen wir jetzt (35) nach dem Strom auf, so erhalten wir als Endergebnis für den
Wechselstrom im RSK
~
I =
U0
1 2
R + ( ωL −
)
ωC
2
e i ( ωt − ϕ ) .
(39)
Als Resonanznenner tritt jetzt der Wechselstromwiderstand Z auf, der ein reelles
Minimum R bei der Resonanzfrequenz des ungedämpften Schwingkreises
1
ω0 =
(8) erreicht. An dieser Stelle heben sich nämlich gerade induktiver und
LC
kapazitiver Widerstand weg. Dort liegt das Maximum des Stroms durch den RSK und
damit auch seiner elektrischen Leistungsaufnahme, worauf wir noch zurückkommen.
4
Parallelschwingkreis
Neben dem Reihenschwingkreis (RSK) ist auch die erzwungene Schwingung in
einem Parallelschwingkreis (PSK) physikalisch interessant und elektrotechnisch
wichtig. Hierbei werden Induktivität und Kapazität parallel an eine Wechselspannungsquelle angeschlossen (s. Abb. 4).
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
88
R
U
C
L
Abb. 4: Parallelschwingkreis mit Dämpfung im induktiven Zweig
Die Dämpfung wollen wir auf den induktiven Zweig beschränken, wo ohnehin der
Ohm'sche Widerstand des Spulendrahtes zu berücksichtigen ist. Gute Kondensatoren sind dagegen relativ verlustarm. (Die Verluste dort sind auch weniger
Ohm'scher Art, d.h. auf Leitfähigkeit zurückzuführen, sondern es sind dielektrische
Verluste, die beim Umpolarisieren des Dielektrikums auftreten; sie wachsen mit dem
Quadrat der Feldstärke und mit der Umpolfrequenz.) Da für komplexe Ströme,
Spannungen und Widerstände auch die Kirchhoff'schen Knoten- und Maschenregeln
gelten, können wir komplexe Netzwerke genauso analysieren wie im Gleichstromfall.
Im PSK addieren sich also die beiden komplexen Leitwerte YC und YL zum resultierenden Leitwert
−1
Z
−1
−1
⎛ 1 ⎞
= Y = YC + YL = ⎜
⎟ + ( R + iω L ) .
⎝ iωC ⎠
(40)
Er wird reell bei
ωre =
1
⎛R⎞
− ⎜ ⎟
LC
⎝L⎠
2
=
ω02 −
1
τ2
(41)
und erreicht dort den Wert
Yre =
RC
1
=
Zre
L .
(42)
Es fällt auf, dass der Leitwert eines idealen PSK (R = 0) bei der Resonanzfrequenz
verschwindet. Er sperrt den durchgehenden Strom dann völlig ab, daher auch der
Name Sperrkreis. Der Grund liegt einfach darin, dass die komplexen Widerstände
von Induktivität und Kapazität dort dem Betrage nach gleich sind, aber umgekehrte
Phase haben, so dass sich die entsprechenden Wechselströme in den Knoten zu
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
89
Null addieren. Dementsprechend läuft ein Kreisstrom im PSK um, der analog zu den
gegenphasigen Spannungsamplituden an L und C im RSK eine Resonanz hat.
Wir wollen auch im PSK die Güte bestimmen und finden auch hier in einer Resonanzüberhöhung ein geeignetes Maß. Und zwar betrachten wir die Resonanzüberhöhung des resultierenden Widerstandes
⎛ L ⎞
⎜
⎟
2
Z( ω = ωre )
RC ⎠
⎛ 1 ⎞⎛ L ⎞
⎝
2 2
2
=
= ⎜
⎟⎜ ⎟ = ω0 τ ≈ q
.
Z( ω = 0 )
R
⎝ LC ⎠⎝ R ⎠
(43)
Sie ist gleich dem Quadrat der Güte!
Möchte man eine strenge Analogie von RSK und PSK herstellen, so muss man den
PSK an eine Strom- statt einer Spannungsquelle anschließen. Darunter versteht man
ein Gerät, das unabhängig von der erforderlichen Spannung eine konstante
Stromamplitude abgibt. Man beobachtet dann eine Resonanz des Maschenstromes
im PSK in Analogie zur Spannungsresonanz im RSK.
5
Leistung und Leistungsresonanz
Am Ausgangspunkt unserer Überlegungen stand die Energiebilanz im gedämpften
Schwingkreis (1). Schwingungsenergie und Energieverlust sind beide proportional
zum Quadrat der Schwingungsamplitude bzw. ihren Ableitungen. Deswegen klingen
sie auch doppelt so schnell ab wie diese. Für die elektrische Schwingungsenergie E
und für die Leistung am Widerstand P = RI² gilt also bei der freien gedämpften
Schwingung jeweils ein Zusammenhang
E (t )
E (t = 0)e− t /τ ,
P (t ) = P(t = 0)e − t /τ
(44)
Bei der erzwungenen Schwingung gehen wir von der allgemeinen Definition der
elektrischen Leistung aus und benutzen hier vereinbarungsgemäß den Realteil der
komplexen Strom- und Spannungsamplituden
~
~
P ( t ) = U ( t ) ⋅ I ( t ) = Re( U ) Re( I )
=
i ( ωt − ϕ )
1
1
U 0 ( e iωt + e − iωt ) I 0 ( e i ( ωt − ϕ ) + e −
)
2
2
=
1
U 0 I 0 ( e i ( 2 ωt − ϕ ) + e − i ( 2 ωt − ϕ ) + e iϕ + e − iϕ )
4
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
90
=
1
U 0 I 0 (cos( 2ωt − ϕ ) + cos ϕ )
2
(45)
Im letzten Schritt haben wir je zwei konjugiert komplexe Summanden zusammengefasst und die Definition (27) benutzt. Die Wechselstromleistung besteht jetzt aus
zwei Anteilen: der erste oszilliert mit der doppelten Frequenz 2ω; der zweite ist
konstant und gibt somit den zeitlichen Mittelwert der Wechselstromleistung an
P =
1
U0I0 cos ϕ
2
(46)
Es ist die Wirkleistung, die am Ohm'schen Widerstand verbraucht wird und daher
proportional zum Cosinus des Phasenwinkels zwischen Strom und Spannung ist. Sie
wird daher maximal bei reellem Wechselstromwiderstand (ϕ = 0). Auch dieses
Ergebnis steht in voller Analogie zur mechanischen Schwingung. Dort ist die Leistung
das Produkt aus Kraft und Geschwindigkeit
P = Fx&
(47)
die bei Resonanz ebenfalls in Phase sind.
Wir interessieren uns nun für den Frequenzgang der Wirkleistung beim RSK und
U
R
den Wechselstromwiderstand wieder in
führen dazu mit I 0 = 0 und cos ϕ =
Z
Z
(46) ein:
P ( ω) =
U02R
2
2
0
1 U R
=
2 Z Z
1 ⎞
⎛
R + ⎜ ωL −
⎟
ωC ⎠
⎝
2
2
(48)
Wir erkennen sofort, dass P ( ω ) ein Maximum bei der Frequenz der freien unge1
hat
dämpften Schwingung ω0 =
LC
Pmax = P ( ω = ω0 ) =
U02
2R .
(49)
Um die allgemeine Form der Resonanzkurve (48) zu studieren, führen wir sie
zweckmäßigerweise mit (7) und (8) sowie einigen Umformungen in die Normalform
über
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
⎛ U02 ⎞
⎛ U02 ⎞
⎜⎜
⎟
⎜⎜
⎟
2R ⎟⎠
2R ⎟⎠
⎝
⎝
=
P ( ω) =
2
τ2
1 ⎞
L2 ⎛ 2
1
+
ω2 − ω02
1 + 2 2 ⎜ω −
⎟
2
ω
R ω ⎝
LC ⎠
(
)
2
91
.
(50)
Für eine scharfe Resonanz können wir uns auf eine kleine Umgebung um ω0
beschränken und wieder die Näherung
( ω 2 − ω02 ) 2 ≈ ( 2ω( ω − ω0 )) 2
(51)
benutzen und erhalten
⎛ U02 ⎞
⎜⎜
⎟
2R ⎟⎠
⎝
P ( ω) ≈
2
1 + (2τ( ω − ω0 )) .
(52)
Leistung
P(ω)
Pmax
Pmax/2
Δω
Frequenz
0
ω0
ω
Abb. 5: Leistungsresonanzkurve für die erzwungene,
gedämpfte Schwingung.
Durch die Näherung hat sie eine symmetrische Glockenform (s. Abb. 5) bekommen.
Sie heißt Lorentz- oder Breit-Wigner-Kurve und spielt bei allen Resonanzphänomenen in der Physik - insbesondere auch in der Atom- und Quantenphysik - eine
große Rolle. Ihre volle Halbwertsbreite (d.h. von Halbwert zu Halbwert) ist
Δω =
1
τ.
(53)
92
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
Weiter außen in den Flanken fällt sie wie
1
ab. Wir erkennen auch, dass ihr
( ω − ω 0 )²
Resonanznenner wie verlangt gleich dem Quadrat des (genäherten) Resonanznenners der Schwingungsamplitude (26) ist. Folglich stimmt die Halbwertsbreite der
1
-Breite der Amplitudenresonanz überein.
Leistungsresonanz mit der
2
6
Phasenverschiebung und Lissajous-Ellipse
UY
UY=UC0(ω) cos(ωt+α)
t=0
t1
U0
UX=U0 cos ωt
U1U0
UX
b) ω0-ω 1/τ
a) ω<<ω0
UY
UY
U0
UX
UX
U0
d) ω>>ω0
c) ω=ω0
Abb. 6: Lissajous-Ellipsen für unterschiedliche Frequenzen weit unterhalb von ω0 (a),
etwa eine Halbwertsbreite unterhalb von ω0 (b), bei ω0 (c) und weit oberhalb von ω0
(d).
Wir interessieren uns bei diesem Versuch auch für die Phasenverschiebung beim
Resonanzdurchgang des RSK. Wir wollen uns hier auf die Phase α (22) der
Kondensatorspannung UC (21) beschränken. Schwingungsamplitude und Schwingungsphase kann man gleichzeitig sehr gut auf dem Oszilloskop beobachten, in dem
man z.B. auf der horizontalen Achse die Erregerspannung (18) (Ux) und auf der
vertikalen die Schwingspannung am Kondensator (21) (Uy) darstellt (siehe Bild 6).
Das Oszilloskop zeigt eine Ellipse an. Im Fall a) und d) ist sie fast zu einer Geraden
entartet. Die beiden Spannungen sind dann in Phase (positive Steigung) bzw. in
Gegenphase (negative Steigung). Im Resonanzfall c) erkennt man den
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
93
π
an der aufrechtstehenden Ellipse, die entsteht, wenn die
2
Abszisse wie cosω t und die Ordinate wie sinω t variieren.
Phasenverzug von
Im allgemeinen Fall b) können wir die Phasenverschiebung
charakteristischen UX-Werten der Ellipse bestimmen:
aus
zwei
1.Wir messen den Maximalwert
U max = U x ( t = 0 ) = U 0 ,
(54)
der zum Zeitpunkt (t = 0) erreicht wird.
2.Wir messen den Abszissenabschnitt
U 1 = U 0 cos( ωt 1 )
(55)
beim Nulldurchgang der Ordinate, der zu einem etwas früheren Zeitpunkt
(t1 < 0) erreicht wurde.
Diese Bedingung liefert die entscheidende Bestimmungsgleichung für α
U y (t1 ) = U C (ω ) cos(− ωt1 − α ) = 0 .
(56)
Mit dem Additionstheorem des Cosinus folgt
cos ωt1 cos α − sin ωt1 sin α = 0 .
(57)
Mit (55) folgt weiterhin
cos ωt1 = U1 U 0
(58)
und sin ωt1 = 1 − U12 U 02
Eingesetzt in (57) ergibt
tgα =
U1
U0
U2
1 − 12
U0
=
U1
U 02 − U12
und daraus schließlich die Schlussformel
(59)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
94
⎛
⎞
U1
⎟ = arcsin⎛⎜ U1 ⎞⎟
α ω ≤ ω0 = arctg ⎜
⎜U ⎟ .
⎜ U2 − U2 ⎟
⎝ 0⎠
0
1 ⎠
⎝
(60)
Den letzten Schritt in (60) sieht man aus den Definitionen von sin und tg ein, wenn
man U0 als Hypotenuse und U1 als Gegenkathete in einem rechtwinkligen Dreieck
wählt und den Satz des Pythagoras anwendet. Wir haben (60) für die Situation einer
rechts geneigten Ellipse, also für einen Phasenverzug 0 ≤ α ≤
π
gewonnen. Jenseits
2
der Resonanz neigt sich die Ellipse nach links und der Phasenverzug fällt in das
Intervall
π
2
≤ α ≤ π. In diesem Bereich gilt dann die um
π
2
gespiegelte Lösung des
arcsin
⎛U ⎞
α ω ≥ ω0 = π − arcsin⎜⎜ 1 ⎟⎟ .
⎝ U0 ⎠
(60‘)
Das gewählte Messverfahren und die Schlussformel sind einfach und elegant: Es
braucht nur ein Spannungsverhältnis gemessen zu werden; die gewählten Maßstäbe
des Oszilloskopbildes gehen nicht ein!
Am Rande sei noch bemerkt, dass die von der Ellipse eingeschlossene Fläche A ein
Maß für die vom RSK während einer Periode aufgezehrte elektrische Energie ist. Es
gilt nämlich
A
7
∫ U x dU y =
1
1 T
1 T
U
dQ
=
U
Idt
=
Pdt .
x
x
C∫
C ∫0
C ∫0
(61)
Anschwingkurven
Zum Schluss wollen wir noch das Anschwingverhalten eines Schwingkreises beim
plötzlichen Einschalten der Wechselspannung qualitativ diskutieren. Angesichts der
hohen Frequenzen von ca. 50kHz und der kurzen Dämpfungszeiten von weniger als
1ms brauchen wir einen sehr schnellen, präzisen Schalter, der nicht prellt. Das kann
man elektronisch durch ein so genanntes Gate machen. In unserem Versuch genügt
aber ein gutes Relais, das im Vakuum schaltet und dessen Kontakte mit Quecksilber
befeuchtet sind. Wir messen mit dem Oszilloskop wieder UC(t) nach dem Einschalten
und zwar im Speichermodus („Single Seq.“), d. h. mit einmaligem Durchlauf. Abb. 7
zeigt zwei typische Bilder. In Bild a), aufgenommen in der Resonanzmitte, wächst die
Schwingungsamplitude zunächst steil an und nähert sich dann exponentiell mit einer
Zeitkonstanten 2τ dem stationären Wert an
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
UC ( t ) ∼ ( 1 − e −t
/ 2τ
) cos ωt .
95
(62)
Bild b) ist wenige Halbwertsbreiten unterhalb der Resonanz aufgenommen. Hier zeigt
sich zu Beginn eine Schwebung zwischen einer durch den Spannungsstoß beim
Einschalten angestoßenen freien gedämpften Schwingung auf der Frequenz (12) und
der sich aufbauenden erzwungenen Schwingung auf der Erregerfrequenz. Auch
diese Schwebung klingt mit einer Zeitkonstanten 2τ ab.
UC(t)
UC(t)
0
t
0
t
Abb. 7a: Anschwingkurve des Schwing-
Abb. 7b: Anschwingkurve des Schwing-
kreises, aufgenommen in der Resonanzmitte.
kreises, aufgenommen etwas unterhalb
der Resonanz.
Aus dieser Beobachtung des Einschwingverhaltens müssen wir beim Versuch, die
Resonanzkurve des RSK aufzunehmen, eine Konsequenz ziehen: die Resonanz darf
nicht zu schnell durchfahren werden, damit der RSK Zeit hat, sich bei jeder Frequenz
jeweils auf die stationäre Amplitude einzuschwingen. Ein grobes Schätzmaß hierfür
wäre die Bedingung, dass die Halbwertsbreite Δω in einer Zeit Δt durchfahren werden
muss, die sehr viel größer als τ ist. Für den Frequenzvorschub pro Zeiteinheit gilt es
dann also, die Bedingung einzuhalten
dω
Δω 1
<<
= 2.
τ
τ
dt
(63)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
96
Hinweise zur Versuchdurchführung:
Leitungen kurz halten, möglichst hinten verlegen und ihre Lage während der
Messung nicht mehr verändern.
Bei der Darstellung möglichst den ganzen Schirm des Oszilloskopes
ausnutzen.
Aufgabe 1: Freie Schwingung des Reihenschwingkreises
Nehmen Sie mit der nachfolgend abgebildeten Schaltung die freie gedämpfte
Schwingung des Reihenschwingkreises mit dem Oszilloskop auf und speichern Sie
es auf dem USB-Stick (s. Anleitung Oszilloskop).
a)
mit R = 100 Ω
b)
mit R = 220 Ω
Wählen Sie dazu folgende Einstellungen:
-
Funktionsgenerator: volle Amplitude, 20 dB Dämpfung, kein Offset
-
Rechteckfrequenz: ca. 10 Hz
Oszilloskop: Externe Triggerung
Oszillograph
Funktionsgenerator
Trigger Ausgang
Trigger Eingang
Ausgangsspannung
L
10Ω
R
C
Kanal 2
Kanal 1
gemeinsame Masse
Drucker
LEGENDE:
BNC-Verbindung
Banane, rote-Verbindung (Signal)
Banane, schwarze-Verbindung (Erde)
Anschlussschema für Aufgabe 1
Hinweise:
-
die Zeitbasis so wählen, dass eine nahezu vollständige Abklingkurve der
Schwingung erkennbar ist
-
vor dem Speichern die „Run/Stop“-Taste am Oszilloskop drücken
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
97
Aufgabe 2: Anschwingen des RSK beim Anschalten einer Wechselspannung
a) Benutzen Sie die gleiche Schaltung wie bei Aufgabe 1, betreiben aber den
Funktionsgenerator im Sinus-Modus und suchen Sie manuell die Resonanzfrequenz
des RSK bei R = 100 Ω und 220 Ω (ca. 50 kHz). Notieren Sie die
Resonanzamplituden, ebenso die Amplituden bei sehr kleinen Frequenzen UC0 (ω «
ω0) ≈ U0 (s. Gl. (21)) zwecks Bestimmung der Resonanzüberhöhung (s. Gl. (24)) und
Güten.
b) Benutzen Sie hier R = 100 Ω und interne Triggerung. Wählen Sie vor der Messung
eine geeignete Triggerschwelle mit dem LEVEL-Drehknopf und drücken Sie SINGLE
SEQ bei ausgeschaltetem Schalter. Schalten Sie die Erregerspannung nun mit Hilfe
des schnellen Relais-Schalters (s. Abb. 2) zu und beobachten das Anschwingen der
Spannung am Kondensator auf dem Oszilloskop und speichern Sie das Bild.
Wiederholen Sie die Messung für ein bis zwei Frequenzen bei ± 5 kHz und ± 10 kHz
zur Resonanzfrequenz derart, dass Schwebungen deutlich sichtbar werden, und
speichern Sie auch diese Bilder für das Protokoll.
Aufgabe 3: Resonanzkurve des Reihenschwingkreises und Resonanzerhöhung
Wir wollen auch die Resonanzkurve der erzwungenen Schwingung in einem Schritt
auf dem Oszilloskop darstellen und zwecks Analyse speichern können. Hierzu
müssen wir die Frequenz der anregenden Wechselspannung automatisch
durchsteuern. Das gelingt mit einem zusätzlichen Rampengenerator, der eine
Sägezahnspannung erzeugt, mit der man den Funktionsgenerator ansteuert. Letzter
liefert dann eine Wechselspannung, deren Frequenz proportional zur
Rampenspannung ist. Man sagt, der Rampengenerator "wobbelt" den
Funktionsgenerator. Die Rampenspannung wird auch dem zweiten Kanal des
Oszilloskopes zugeführt und triggert dieses.
Wir wollen weiterhin die Resonanzkurve als eine "glatte" Kurve darstellen, d.h. nur
die Spitzenspannung UC0(ω) der Schwingungsamplitude am Kondensator, nicht aber
die Schwingung selbst darstellen. Hierzu führen wir eine Spitzengleichrichtung der
Schwingspannung durch. Das betreffende Element besteht aus einer
Gleichrichterdiode gefolgt von einem Integrationsglied aus dem Kondensator CS und
1
dem Widerstand RS, dessen Zeitkonstante RS CS» ist (s. Abb. 8).
ω
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
98
Diode
OUT
IN
CS
SG
RS
Abb. 8: Prinzipschaltbild eines Spitzengleichrichters (SG).
Man nehme je eine Resonanzkurve mit den Widerständen
a) R = 100 Ω
b) R = 220 Ω
auf und speichert das Oszilloskopbild zwecks Analyse.
Zur Vorbereitung der Messung Parameter passend einstellen:
-
Passen Sie die vertikale Ablenkung des Oszilloskopes an die Resonanzamplitude
und die horizontale Ablenkung an die Frequenz der Rampe (ca. 0,5 Hz) an.
-
Rampengenerator auf volle Amplitude und 20 dB Dämpfung ohne Offset
einstellen, Frequenz ca. 0,5 Hz.
-
Von Aufgabe 1 abweichende Einstellungen am Oszilloskop: Externe Triggerung
aus und Triggern auf fallende Flanke.
Funktionsgenerator
Oszillograph
Trigger Ausgang
Trigger Eingang
Ausgangsspannung
L
10Ω
R
Rampengenerator
lösbare
Verbindung
4 V pp
SG
Kanal 2
Kanal 1
gemeinsame Masse
C
Drucker
LEGENDE:
BNC-Verbindung
Banane, rote-Verbindung (Signal)
Banane, schwarze-Verbindung (Erde)
Anschlussschema für Aufgabe 3
Weitere Hinweise:
-
Resonanzfrequenz ca. 50 kHz
-
Rampengenerator an den rechten oberen Eingang
(VCF) anschließen
des Funktionsgenerators
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
99
-
Grenzfrequenzen des Funktionsgenerators mit einer Rechteckspannung am
Rampengenerator bestimmen, danach eine Sägezahnspannung einstellen
-
Nulllinie der Resonanzkurve auf die Spitze der Rampenspannung verschieben
-
Triggerschwelle mit dem LEVEL-Drehknopf so einstellen, dass eine vollständige
Rampe der Sägezahnspannung sichtbar ist.
Aufgabe 4: Phasenbeziehung zwischen Schwinger und Erreger beim RSK
Notieren Sie für je 10 Frequenzen zu beiden Seiten der Resonanz im Intervall von 30
kHz bis 60 kHz die Größen 2U0 und 2U1 der Lissajous-Ellipsen. Die Intervallschritte
sind so zu wählen, dass sie in der Nähe der Resonanz etwa 0,5 kHz betragen
ansonsten genügen Intervallabstände um 2 kHz.
a) mit R = 100 Ω
b) mit R = 220 Ω
Oszillograph
Funktionsgenerator
Trigger Ausgang
Trigger Eingang
Ausgangsspannung
L
10Ω
R
C
Kanal 2
Kanal 1
gemeinsame Masse
LEGENDE:
BNC-Verbindung
Banane, rote-Verbindung (Signal)
Banane, schwarze-Verbindung (Erde)
Anschlussschema für Aufgabe 4
Hinweise:
-
zunächst wieder auf externe Triggerung umschalten und die Triggerschwelle am
LEVEL-Drehknopf einstellen
-
im x-t Modus: CH1 und CH2 Offset auf Null regeln
-
bei der Messung nur die vertikale Position von Kanal zwei und die vertikale
Ablenkung von Kanal eins verändern.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
100
Aufgabe 5: Resonanzüberhöhung der Impedanz beim Parallelschwingkreis
(PSK) (Zusatzaufgabe, durchführen falls Zeit bleibt.)
Bestimmen Sie im Zeitablenkungs-Modus die Resonanzüberhöhung der Impedanz
eines Parallelschwingkreises, indem Sie den zugeführten Strom (I) und die
anliegende Spannung bei sehr niedriger Frequenz und bei Resonanzfrequenz
messen.
a)
mit R = 100 Ω
b)
mit R = 220 Ω
Notieren Sie dazu die Spannungen U1 (Spannung an Kanal 1, nicht zu verwechseln
mit U1 aus Aufgabe 4!) und U2 jeweils bei möglichst niedriger Anregungsfrequenz
und bei Resonanzfrequenz (U1 minimal). Notieren Sie auch die
U
Resonanzfrequenzen. Laut Schaltbild (s. Abb.) gilt: I = 1 , U = U2 – U1.
10Ω
Oszillograph
Funktionsgenerator
Trigger Ausgang
Ausgangsspannung
Trigger Eingang
I
Kanal 2 (U2)
Kanal 1(U1)
gemeinsame Masse
L
C
R
I
10Ω
LEGENDE:
BNC-Verbindung
Banane,, rote-Verbindung (Signal)
Banane, schwarze-Verbindung (Erde)
Anschlussschema für Aufgabe 5
101
Auswertung:
Aufgabe 1 a) und b):
Berechnen Sie aus den aufgenommenen Oszillogrammen Schwingungsdauer T,
Frequenz ν und Kreisfrequenz ω des gedämpften Schwingkreises für beide Widerstandswerte. Berechnen Sie mit Gl. (15) das logarithmische Dekrement aus den
⎛U ⎞
1
Messwerten des ersten und n-ten Maximums gemäß δ =
ln⎜⎜ C1 ⎟⎟ . Man wähle
n − 1 ⎝ U Cn ⎠
ein n, bei dem UCn auf die Hälfte bis 1/3 von UC1 abgeklungen ist. Das gibt bei
schwacher Dämpfung ein genaueres Resultat als zwischen benachbarten
Schwingungen. Rechnen Sie die gewonnenen δ - Werte mit Hilfe von Gl. (16) in die
Güten der Reihenschwingkreise mit unterschiedlichen Serienwiderständen RΩ um.
Berechnen Sie mit Gl. (16) auch die Zeitkonstanten τ für beide Fälle.
Aufgabe 2:
i)
Berechnen Sie die Resonanzüberhöhungen für R = 100Ω und 220Ω bzw. die
Güten nach Gl. (24).
ii)
Bestimmen Sie die Zeitkonstante des Anschwingens der erzwungenen
Schwingung aus der Messung bei der Resonanzfrequenz und vergleichen Sie
mit der aus Aufgabe 1.
iii)
Diskutieren Sie in wenigen Worten die übrigen Anschwingkurven.
Aufgabe 3 a) und b):
i)
Vergleichen Sie die manuell bestimmten Resonanzfrequenzen mit den
Amplitudenmaxima der Resonanzkurven.
ii)
Bestimmen Sie aus den Resonanzkurven die Linienbreite Δω, d.h. die
U (ω )
Differenz |ω1 - ω2| mit UC0 (ω1) = UC0 (ω2) = C max
2
iii)
Berechnen Sie dann die Güten der Reihenschwingkreise mit der Formel
ω
q ≈ max .
Δω
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
102
Aufgabe 4 a) und b):
i)
Vergleichen Sie die in den Aufgaben 2, 3 und 4 bestimmten Resonanzfrequenzen der Reihenschwingkreise.
ii)
Zeichnen Sie die Phasenverläufe der erzwungenen Schwingungen, indem Sie
die Größe α gegen die Frequenz f auf Millimeterpapier auftragen.
Interpretieren Sie die Ergebnisse. Betrachten Sie hierzu auch die Gl (60).
Aufgabe 5 a) und b) (Zusatzaufgabe, durchführen falls Zeit bleibt.):
i)
Berechnen Sie die Güten der Parallelschwingkreise mit der Formel
Z( ωres )
q ≈
.
Z( ω = 0 )
ii)
Vergleichen Sie die Güten aus den Aufgaben 1, 2, 3 und 5.
103
Anleitung zum Oszilloskop
Triggern
Die Triggerschwelle wird als Pfeil am rechten Rand des Monitors angezeigt. Am
oberen Rand zeigt der weiße Pfeil den Zeitpunkt des Triggerereignisses an.
Triggereinstellungen
• Taste „TRIG MENU“ drücken
• Zur Wahl der Triggerquelle so oft zu „Quelle“ gehörige Menütaste drücken bis
gewünschte Quelle eingestellt
• „Flanke“: soll bei ansteigendem (=„Positiv“) oder bei abfallendem (=„Negativ“)
Signal getriggert werden
• „Modus“
o „Auto“ erzwingt auch bei falscher Einstellung eine Triggerung (und
liefert somit immer eine Signaldarstellung)
o „Normal“ behält die Signaldarstellung des letzten Triggerereignisses
bei, bis ein neues Ereignis eintritt (nach Benutzung von „SINGLE SEQ“
bleibt das Oszilloskop in diesem Modus)
104
„RUN/STOP“ und „SINGLE SEQ“
Mit „RUN/STOP“ wird die Signalaufnahme angehalten, bzw. fortgesetzt. Empfiehlt
sich vor dem Abspeichern des Signals, da man so das Signal auf Rauschen oder
falsche Triggerung kontrollieren kann.
„SINGLE SEQ“ wird in Aufgabe 2 benötigt. Das Oszilloskop startet mit der
Signalaufnahme erst beim Eintreten eines Triggerereignisses und beendet die
Aufnahme automatisch nach Ablauf der Zeitbasis (Æ„SEC/DIV“). Beginnen Sie mit
einer großen Zeitdauer für die Aufnahme und zoomen Sie danach in den relevanten
Signalbereich rein.
Speichern auf dem USB-Stick
• USB-Stick auf der Vorderseite des Oszilloskops einstecken
• Taste SAVE/RECALL
o Verzeichnis auswählen (nur beim ersten Mal)
o Aktion: „Alle speichern“ (speichert auch die Messdaten) oder nur „Bild
speichern“
• Taste PRINT speichert auf USB-Stick
• fakultativ: die dazugehörigen Daten speichern
Æ Menü „Signaldatenerfassung“
Æ „Kanäle auswählen“ (von welchem Kanal die Werte gespeichert
werden sollen)
Æ „Daten abrufen“ Æ „Speichern unter“
105
VERSUCH II.6:
RÖNTGENSTRAHLUNG
Stichpunkte: Ionisierende Strahlung, Entstehung und Eigenschaften von Röntgenstrahlen, Nachweis von Röntgenstrahlen, Absorption, Reflektion
und Beugung der Röntgenstrahlung, Braggsche Reflektionsbedingung,
Röntgenfluoreszenz, Duane-Hunt’sches Gesetz, Gauß- und Poissonverteilung, statistischer Fehler.
Erzeugung von Röntgenstrahlung
Röntgenstrahlung ist kurzwellige, elektromagnetische Strahlung, welche entsteht,
wenn schnelle Elektronen Materie durchdringen und dabei mit dieser wechselwirken.
Erzeugt wird Röntgenstrahlung z.B. in Röntgenröhren. Dort werden unter Vakuum
aus einer Glühkathode austretende Elektronen mit Hilfe von Hochspannung auf
große kinetische Energien gebracht, um anschließend auf eine Anode zu treffen, wo
sie diese Energie hauptsächlich als Wärme, zum Teil aber auch in Form von
Röntgenstrahlung verlieren. Dabei sind zwei Prozesse zu unterscheiden:
a) Aus der Elektrodynamik ist bekannt, dass die Beschleunigung von elektrischer
Ladung mit der Abstrahlung von elektromagnetischer Strahlung verbunden ist. Wird
somit ein Elektron in der Nähe eines Atoms stark abgebremst, dann hat dies die
Erzeugung von kurzwelliger elektromagnetischer Strahlung zur Folge, welche als
Röntgenbremsstrahlung bezeichnet wird. Da der Energieverlust des Elektrons beim
Abbremsvorgang nicht festgelegt ist, ergibt sich eine kontinuierliche spektrale
Intensitätsverteilung der Bremsstrahlung bis zu einer Maximalenergie, die der
kinetischen Energie der Elektronen vor dem Auftreffen auf die Anode entspricht.
b) Charakteristische Röntgenstrahlung entsteht, wenn das Elektron die Atome des
Anodenmaterials ionisiert; sind dabei tiefliegende Energieniveaus betroffen, so wird
beim Wiederauffüllen dieser Niveaus energiereiche elektromagnetische Strahlung
abgegeben. Da die Wellenlänge dieser Röntgenstrahlung durch den
Energieunterschied in den atomaren Niveaus festgelegt ist, besitzt die
charakteristische Strahlung, im Gegensatz zur Bremsstrahlung, ein für das fragliche
Element typisches Linienspektrum.
106
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
Abb. 1: Termschema der charakteristischen Röntgenstrahlung.
Für Elemente mit höherer Ordnungszahl Z besitzt die charakteristische Strahlung
Liniengruppen verschiedener Frequenzen, die als K-, L-, M-, ... -Strahlung
bezeichnet wird. Moseley fand für die Frequenz der langwelligsten K-Linie eines
Elements, der sog. Kα-Linie, einen einfachen Zusammenhang mit der Ordnungszahl:
νKα = 3/4⋅R∞⋅(Z - 1)²
Dabei bezeichnet R∞ = 3,29 * 1015s-1 die aus der optischen Spektroskopie bekannte
Rydberg-Konstante.
Im Praktikumsversuch werden zur Erzeugung von Röntgenstrahlung Röntgenröhren
mit Kupfer- bzw. Molybdänanode verwendet, so dass die charakteristische
Röntgenstrahlung von Kupfer bzw. Molybdän beobachtet werden kann. Die Linie mit
der größten Intensität ist dabei die Kα-Linie (λ = 154pm bei Kupfer; λ = 71pm bei
Molybdän), gefolgt von der Kβ-Linie (λ = 139pm bei Kupfer; λ = 63pm bei Molybdän).
Weitere Linien sind im Rahmen des Praktikumsversuchs nicht beobachtbar.
Röntgenabsorption
Für die Abschwächung von Röntgenstrahlung in Materie sind die folgenden Prozesse
verantwortlich:
1.) Beim Photoeffekt dient die Energie des Röntgenquants der Abspaltung eines
Elektrons aus einem Absorberatom. Die kinetische Energie des Elektrons entspricht
somit der Energie des Röntgenquants, vermindert um die Energie, die man benötigt,
um das Elektron aus dem Atom zu lösen. Der Photoeffekt ist der dominierende
Absorptionsprozess für Röntgenenergien unterhalb 1MeV.
Untersucht man den Photoeffekt in Abhängigkeit von der Energie der
Röntgenquanten im Bereich bis ca. 100keV, so beobachtet man mit steigender
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
107
Energie mehrfach eine sprunghafte Zunahme des Absorptionsvermögens, welche als
Absorptionskante bezeichnet wird. Diese Kanten erklären sich aus der mit
zunehmender Energie in diskreten Schritten erfolgenden Zunahme der Anzahl der
Energieniveaus, die für den Photoeffekt zur Verfügung stehen.
2.) Der Comptoneffekt bezeichnet die elastische Streuung eines Röntgenquants an
einem Hüllenelektron. Im Gegensatz zum Photoeffekt verschwindet das Röntgenquant nicht, sondern verliert Energie und ändert seine Richtung. Mit zunehmender
Energie der Röntgenstrahlung tritt dieser Effekt in den Vordergrund, um dann ab ca.
1MeV den Photoeffekt zu übertreffen.
3.) Ist die Energie eines Röntgenquants größer als die doppelte Ruhemasse des
Elektrons, so kann das Röntgenquant in ein Elektron-Positron-Paar konvertieren,
wobei die Anwesenheit eines weiteren Teilchens aus Gründen von Energie- und
Impulserhaltung nötig ist. Dieser sog. Paarbildungseffekt ist der dominierende Effekt
bei Photonenenergien > 10MeV.
Röntgenfluoreszenz
Die charakteristische Strahlung eines Elements lässt sich auch erzeugen, indem man
es mit Röntgenstrahlung beschießt. Ausreichende Energie der Röntgenquanten
vorausgesetzt, führt deren Absorption durch den Photoeffekt bzw. inelastische
Streuung zur Ionisation oder Anregung des Atoms, welches anschließend bei der
Rückkehr in den Grundzustand charakteristische Strahlung emittiert. Bei
Röntgenfluoreszenz lässt sich die charakteristische Strahlung von Elementen
erzeugen, ohne diese mit schnellen Elektronen zu bestrahlen, was in der Praxis z.B.
den Austausch des Anodenmaterials einer Röntgenröhre bedeuten würde.
Bragg-Reflexion
Interferenzeffekte von Röntgenstrahlung am Kristallgitter lassen sich benutzen, um
sich sowohl von der Wellennatur der Röntgenstrahlung zu überzeugen, als auch um
Strukturuntersuchungen von Kristallen durchzuführen. Als einfachstes Beispiel dient
hierbei die Bragg-Reflexion.
108
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
Betrachtet man einen Röntgenstrahl der Wellenlänge λ, welcher unter einem Winkel
Θ relativ zu den Netzebenen eines Kristalls einfällt, so interferieren die an den
Netzebenen reflektierten Strahlen konstruktiv, wenn für den Gangunterschied die
Bragg'sche Reflexionsbedingung erfüllt ist:
Δ = AB + BC = 2d sinΘ = nλ
Reflektierte
Wellenfront
Einfallende
Wellenfront
Θ
Reflektierende
Kristallebenen
A Θ Θ
C
d
B
mit d = Netzebenenabstand, n = 1,2,3,... = Ordnung der Bragg-Reflexion.
Abb. 2: Zur Herleitung der Bragg´schen-Reflexionsbedingung.
Geiger-Müller-Zählrohr
Ein Geiger-Müller-Zählrohr besteht aus einem gasgefüllten Metallzylinder, entlang
dessen Mittelachse ein dünner Draht verläuft, welcher gegenüber der Zylinderwand
auf positivem Potenzial liegt. Durchfliegt ein geladenes Teilchen das Zylindervolumen, so werden entlang seines Flugwegs einige Gasatome ionisiert. Die dabei
entstehenden, primären Elektronen werden in Richtung des Drahts und die positiv
geladenen Ionen in Richtung der Zylinderwand gezogen, wobei die Geschwindigkeit
der Ionen sehr viel geringer ist als die der Elektronen. Genügend hohe Spannung
vorausgesetzt, wird in Drahtnähe das elektrische Feld aufgrund der Zylindergeometrie so stark, dass die Elektronen genug Energie gewinnen, um ihrerseits
weitere Gasatome zu ionisieren, und somit weitere, sekundäre Elektronen freizusetzen. Dieser auch als Gasverstärkung bezeichnete Prozess setzt sich lawinenartig
so lange fort, bis die Wolke der positiven Ionen, die in der Lawine gebildet worden
sind, das elektrische Feld um den Draht schwächt und damit weitere Ionisationsprozesse unterbindet.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
109
Sorgt man durch die Wahl der angelegten Spannung dafür, dass die Anzahl der in
einer Lawine getrennten Ladung eine kritische Größe nicht überschreitet, so findet
der Prozess hier sein Ende, und der Zähler arbeitet im sog. Proportionalbereich, in
welchem die insgesamt gebildete, negative Ladungsmenge, die auf dem Draht
gesammelt und gemessen wird, proportional zur Anzahl der durch das geladene
Teilchen primär erzeugten Elektronen ist. Auch sind im Proportionalbereich die
Positionen der Ladungslawinen entlang des Drahts diskret verteilt und entsprechen
der Position der zugehörigen Primärelektronen.
Die Ionen werden zur Zylinderwand gezogen und rekombinieren, wobei u.a. Energie
in Form von UV-Quanten frei wird. Nun besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit
dafür, dass diese UV-Quanten innerhalb des Detektorvolumens ihrerseits einen
Ionisationsprozess auslösen können, der wiederum zu einer Ladungslawine führen
würde. Die Gesamtwahrscheinlichkeit für einen durch UV-Photonen ausgelösten
Ionisationsprozess steigt mit der Anzahl der erzeugten Ionen, welche wiederum mit
der angelegten Spannung steigt. Ab einer gewissen Spannung führt somit der
Durchflug eines ionisierenden Teilchens, vermittelt durch den Mechanismus der UVPhotonen, zu einer Entladung im gesamten Zählrohrvolumen. Dies ist der GeigerMüller-Bereich, in welchem die insgesamt erzeugte Ladungsmenge unkorreliert zur
Stärke der Primärionisation ist, und durch Erhöhung der Zählrohrspannung nicht
mehr wesentlich vergrößert werden kann.
Zur Versuchsdurchführung bitte USB-Stick oder Diskette mitbringen!
110
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
Versuchsaufbau
Abb. 3: Bild der Versuchsapparatur
Sicherheitshinweise
! Handys sind bei Inbetriebnahme auszuschalten!!!
! Dieser Versuch erfordert sorgfältiges Arbeiten Æ Geräte sehr teuer (an Eigenbeteiligung
denken!)
! Die Betriebszeit ist so gering wie möglich zu halten!
! Eine Bestrahlung des Geiger-Müller-Zählrohrs durch den primären Röntgenstrahl über
einen längeren Zeitraum ist zu vermeiden!
! Strahlenschutzinformation: Bei maximal anliegenden Betriebsdaten beträgt die
Ortsdosisleistung in einem Abstand von 0,1 m von der berührbaren Gehäuseoberfläche
weniger als 1 μSv/h. Dieser Wert entspricht in etwa der natürlichen Strahlenbelastung.
! Nicht länger als nötig in unmittelbarer Nähe des arbeitenden Gerätes aufhalten!
! Vor jedem Teilversuch: Abnahme des Aufbaus und der Einstellungen durch den
Betreuer!!!!
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
111
Bedienungsanleitung des Gerätes
Abb. 4: Bedienfeld der Apparatur (Anmerkung zum Bedienfeld:
Relevant sind nur die kursiv-fettgedruckten Nummern)
1
Stellrad
kann vorwärts und rückwärts gedreht werden und dient zur Einstellung aller
variablen Funktionen. Die eingestellten Werte werden in der oberen linken
Digitalanzeige angezeigt.
2
Taste „Enter“
Erst durch Drücken dieser Taste werden die eingestellten Werte des Stellrads (1)
übernommen.
3
Taste „HV – I“
Durch Betätigung der Taste kann die Einstellmöglichkeit entweder für die
Anodenspannung UA [„HV“] (0,0 kV…35,0 kV) oder für den Anodenstrom IA [„I“]
(0,00mA..1,00mA) der Röntgenröhre aktiviert werden. Die Wahl der Betriebsgröße
wird sowohl durch die zugeordneten LEDs als auch durch die Digitalanzeige
kenntlich gemacht. Die Werte werden per Stellrad variiert. Nicht vergessen: EnterTaste zur Bestätigung!
4
Taste „ GATE – TIMER“
Zur Wahl zwischen Integrationszeit2 [„GATE“] (0,5 s…100,0 s) des Zählrohrs oder
der Belichtungszeit [„TIMER“] (1 min…1000 min) für Röntgenaufnahmen.
2
Die Integrationszeit (Gatezeit, Torzeit) entspricht der Zeit, in der das Zählrohr Ereignisse registriert.
Diese nicht zu verwechseln mit der Totzeit; dies ist die Zeit, die das Gerät braucht, um nach der
Messung eines Impulses wieder zählbereit zu sein.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
112
5.1
Taste „MAN – AUTO“
Zur Wahl zwischen manueller oder automatischer Drehung von Zählrohr- oder
Probenhalter. Im manuellen Betrieb erfolgt die Drehung mit Hilfe des Stellrades.
5.2
Taste mit Symbol für Zählrohr – Kristall – Zählrohr + Kristall
Zur Wahl des Antriebs von Proben- oder Zählrohrhalter allein oder synchron von
beiden (2:1-Kopplung).
5.3
Taste „START
– STOP
-Δ
“
Zur Wahl des Startwinkels [„START
“], des Stoppwinkels [„STOP
“] und der
Schrittweite [„Δ “] in °.
6
Taste „HV-ON“
Mit dieser Taste werden UA und IA mit den zuvor gewählten Werten aktiviert und die
rote LED leuchtet. Ein erneutes Betätigen der Taste schaltet die Spannung und den
Strom in der Röntgenröhre wieder ab und die LED erlischt.
7
Taste „START - STOP“
Zum Starten oder Stoppen des automatischen Antriebs von Probenhalter und/oder
Zählrohrhalter.
8
9
Taste „RESET“
Zum Zurückfahren von Zählrohr und Probenhalter in ihre Nulllage.
Taste „Lautsprecher ;“
Zum Einschalten des Lautsprechers des Zählrohrs zur akustischen
Ereignisanzeige.
10.1
Taste mit Symbol für Zählrohr oder Kristall
Zur wahlweisen Ausgabe der Analogspannung am Buchsenpaar 10.2 für die
Winkellage von Proben- oder Zählrohrhalter.
10.2
Buchsenpaar „ “
4 mm Buchsenpaar zur Entnahme einer winkelproportionalen Gleichspannung für
die Winkelposition von Proben- oder Zählrohrhalter.
10.3
Buchsenpaar „IMP/S – V/2000“
11
Buchsenpaar „INPUT – max. 500 V“
4 mm Buchsenpaar zur Entnahme einer zählratenproportionalen Gleichspannung.
4 mm Buchsenpaar zum Zuführen einer Spannung (max. 500 V) in den
Experimentierraum.
12
13
14
Schalter „LIGHT“
Zum Ein- und Ausschalten der Innenraumbeleuchtung.
Buchse „PC/RS232“
Sub-D-Buchse zum Anschluss eines PCs zur Gesamtsteuerung des Systems.
LED „PC/RS232“
Anzeige bei belegter Sub-D-Buchse.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
113
Allgemeine Vorgehensweise
1. Gerät einschalten (Schalter auf der Rückseite)
2. Kontrolle des Anodenmaterials (Anzeige Cu oder Mo)
3. Öffnen der verriegelten Scheibe durch Drücken und im Uhrzeigersinn drehen
(„Turn and Push“). Bitte vorsichtig und mit Fingerspitzengefühl!
Aufgabe 1: Charakteristische Röntgenstrahlung
Prinzip :
Die von einer Röntgenröhre mit einer Kupfer- bzw. Molybdän-Anode erzeugten
Röntgenstrahlen werden mit Hilfe verschiedener Einkristalle als Funktion des BraggWinkels selektiert und mit einem Geiger-Müller-Zählrohr registriert. Aus den Winkelwerten der charakteristischen Röntgenlinien kann deren Energie bestimmt werden.
Durchführung :
1. Einsetzen des Kollimatorspaltes (1 mm bei LiF und 2 mm bei KBr) in die
Röntgenröhrenöffnung.
2. Einsetzen des KBr- (bzw. LiF-)Kristalls in die Steckhalterung inmitten des
Goniometers.
3. Der Goniometerblock wird auf Position 2 eingestellt.
4. Schließen der Scheibe, verriegeln und Verriegelungsknopf nochmal drücken.
Zur Aufnahme des Spektrums sind folgende Einstellungen zu treffen :
‐
‐
‐
‐
‐
‐
2:1 Kopplungsmodus
Integrationszeit: 2 s
Winkelschrittweite: 0,1°
Anodenspannung UA = 35 kV
Anodenstrom IA = 1 mA
Winkelbereiche : siehe Tabelle1
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
114
Cu-Anode
Mo-Anode
LiF-Kristall
3°-55°
3°-65°
KBr-Kristall
3°-75°
3°-30°
Tabelle 1: Winkelbereiche für die Messung der charakteristischen Strahlung
Aufgabenstellung :
Nehmen Sie für einen der beiden Kristalle jeweils die Spektren an beiden
Röntgenröhren auf.
Auswertung :
Erklären Sie das aufgenommene Spektrum! Worin bestehen die Unterschiede und
woher stammen diese?
Aufgabe 2: Röntgenfluoreszenz
Prinzip:
Die Erzeugung von Röntgenfluoreszenzstrahlung und das damit verbundene
unterschiedliche Absorptionsverhalten soll untersucht werden.
Durchführung :
1. Einsetzen der Tubusblende (Zr bzw. Ni) in die Röntgenröhrenöffnung.
2. Einsetzen des KBr- (bzw. LiF-)Kristalls in die Steckhalterung inmitten des
Goniometers.
3. Der Goniometerblock wird auf Position 2 eingestellt.
4. Schließen der Scheibe, verriegeln und Verriegelungsknopf nochmal drücken.
Einstellungen :
‐
2:1-Kopplungsmodus
‐
Integrationszeit: 2 s
‐
Winkelschrittweite: 0,1°
‐
Anodenspannung UA = 35 kV
‐
Anodenstrom IA = 1 mA
‐
Winkelbereiche: siehe Tabelle 2
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
115
Cu-Anode mit Ni-Filter
Mo-Anode mit Zr-Filter
LiF-Kristall
3°-55°
3°-35°
KBr-Kristall
3°-75°
3°-30°
Tabelle 2: Winkelbereiche für die Röntgenfluoreszenz
Aufgabenstellung :
Nehmen Sie nun die Spektren analog zu Aufgabe 1 auf!
Auswertung :
Vergleichen Sie die Spektren mit und ohne Filter! Wo liegen die Unterschiede und
wodurch werden sie verursacht?
Aufgabe 3: Bestimmung des Planck´schen Wirkungsquantum – DuaneHunt´sches Verschiebungsgesetz
Prinzip:
Das Röntgenspektrum einer Röntgenröhre wird mit verschiedenen Anodenspannungen aufgenommen. Aus dem kurzwelligen Einsatz des Bremsspektrums wird
das Duane-Hunt´sche Verschiebungsgesetz verifiziert und das Planck´sche
Wirkungsquantum h bestimmt.
Beschreibung:
1. Einsetzen des Kollimatorspaltes in die Röntgenröhrenöffnung.
2. Einsetzen des KBr- (bzw. LiF-)Kristalls in die Steckhalterung inmitten des
Goniometers.
3. Der Goniometerblock wird auf Position 2 eingestellt.
4. Schließen der Scheibe, verriegeln und Verriegelungsknopf nochmal drücken.
Einstellungen:
‐
2:1-Kopplungsmodus
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
116
‐
Integrationszeit: 2 s
‐
Winkelschrittweite: 0,1°
‐
Anodenspannung UA = 13-34 kV (variabel)
‐
Anodenstrom IA = 1 mA
Aufgabenstellung :
Nehmen Sie nun das Spektrum von 3° bis zum Kβ-Peak erster Ordnung mit
verschiedenen Spannungen UA auf. Die Spannung soll in 3 kV-Schritten erhöht
werden.
Auswertung :
Bestimmen Sie aus den aufgenommenen Daten das Planck´sche Wirkungsquantum!
Einige Konstanten zur Auswertung:
Gitterkonstante von KBr: d=3,29·10-10m
Gitterkonstante von LiF: d=2,014·10-10m
Daten für Kupfer (Cu, Z=29)
K-Kante bei 8,979 keV
Kα-Linie bei 8,046 keV
Kβ-Linie bei 8,904 keV
Daten für Nickel (Ni, Z=28)
K-Kante bei 8,333 keV
Kα-Linie bei 7,477 keV
Kβ-Linie bei 8,263 keV
Daten für Molybdän (Mo, Z=42)
K-Kante bei 19,999 keV
Kα-Linie bei 17,478 keV
Kβ-Linie bei 19,607 keV
Daten für Zirconium (Zr, Z=40)
K-Kante bei 17,998 keV
Kα-Linie bei 15,774 keV
Kβ-Linie bei 17,666 keV
Quelle: McMaster tables, http://www.csrri.iit.edu/mucal.html
117
VERSUCH II.7: HALLEFFEKT,
ELEKTRISCHE LEITUNG
Stichpunkte: Elektrostatische Kraft und Lorentz-Kraft auf Ladungen; Strom und
Stromdichte; Dichte und Beweglichkeit von Ladungsträgern in Leitern;
Leitungsmechanismen in Metallen und Halbleitern; Hall-Konstante;
Erzeugung und Messung von Magnetfeldern.
Grundlagen
Zu den Grundversuchen über die Wirkung von Magnetfeldern gehört die
Demonstration der Kraftwirkung
r
r r
F = I ⋅ ( l × B)
(1)
r
eines Magnetfeldes B auf einen Leiter der Länge und Richtung l , der den Strom I in
r
Richtung l führt. Als Vektorprodukt steht diese Kraft senkrecht auf Strom- und
Magnetfeldrichtung und ist proportional zum Sinus des eingeschlossenen Winkels.
r
F = I ⋅ l ⋅ B ⋅ sinϑ .
Sie beruht auf der Lorentz-Kraft auf die einzelnen Ladungsträger
r
r r
FL = q ⋅ (v × B ) ,
(1')
(2)
die die Ladung q tragen und mit der Geschwindigkeit v durch den Leiter transportiert
werden. In der Regel hat q den Wert einer negativen oder positiven
Elementarladung, e = 1,602 · 10-19 As.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
118
I
+ -
A
a
d
bq
v
+e
B
+
FL
v+
-
FE
l
+
+
a'
EH
+
+
UH
Abb. 1: Skizze zum Hall-Effekt in einem Leiter mit rechteckigen
Querschnitt der Höhe b, der Dicke d und der Länge l .
Durchfließt der Strom den Leiter wie gezeichnet von links nach rechts und zeige das
Magnetfeld senkrecht dazu in die Papierebene hinein, so wirkt die Lorentz-Kraft beim
Transport positiver wie negativer Ladungsträger jeweils nach oben, weil sich mit dem
r
Vorzeichen der Ladung auch das Vorzeichen der Geschwindigkeit v ± relativ zur
Stromrichtung umkehrt. Entsprechend werden sich an der Oberkante positive oder
negative freie Ladungen anhäufen. Da der Leiter im Ganzen neutral bleibt, entsteht
an der Unterkante der entgegengesetzte
r Überschuss. Diese Ladungstrennung führt
zu einer elektrischen Hall-Feldstärke E H innerhalb des Leiters quer zur Strom- und
r
Magnetfeldrichtung. Sie übt eine elektrische Kraft FE aus, die im Gleichgewicht die
Lorentz-Kraft kompensiert.
r
r
r
FE = q ⋅ E H = −FL .
(3)
Folglich gilt
r
r r
E H = −(v × B ) .
(4)
r
Das Vorzeichen von E H richtet sich nach dem der freien Ladungsträger; im
gezeichneten Fall der Abb. 1 sind es negative. Das trifft z. B. auf alle Metalle zu, bei
denen die freien Leitungselektronen die elektrische Leitung besorgen, während die
positiven Ionen im Kristallgitter festsitzen.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
119
Multiplizieren wir EH mit der Höhe b so ergibt sich die Hallspannung UH, die wir
r
r
zwischen Ober- und Unterseite des Leiters abgreifen können. Da v und B senkrecht
aufeinander stehen, können wir Gl. (4) nach v auflösen und erhalten für die
Driftgeschwindigkeit der beiden Ladungsträger im Leiter
v =−
EH
U
=− H ,
B
b ⋅B
(5)
die wir aus den Messgrößen UH, b und B bestimmen können (s. Aufgaben).
Wir wollen jetzt auf der linken Seite von Gl. (5) v durch die Messgröße des Stroms I
ausdrücken. Definitionsgemäß ist der Strom das Produkt aus Stromdichte j und
Querschnittsfläche A des Leiters
I = j ⋅ A = j ⋅b ⋅d .
(6)
Andererseits ist j das Produkt aus v und der freien Ladungsdichte dQ / dV
j =v⋅
dQ
= v ⋅n ⋅q .
dV
(7)
Letztere ist gleich der Anzahl der freien Ladungsträger pro Volumeneinheit n,
multipliziert mit deren Ladung q. Somit erhalten wir den Zusammenhang zwischen
Driftgeschwindigkeit und Strom
v=
I
b ⋅d ⋅n ⋅q .
(8)
Eingesetzt in Gl. (5) erhalten wir für den Zusammenhang zwischen Hallspannung,
Strom- und Magnetfeld die Schlussformel
UH = −
I ⋅B
1 I ⋅B
= −A H ⋅
⋅
n ⋅q d
d .
(9)
Außer den Messgrößen tritt als Proportionalitätsfaktor die Hall-Konstante AH ein, der
Reziprokwert der freien Ladungsdichte.
Laut Gl. (4) sind Hallfeldstärke EH und Hallspannung UH wie erwartet proportional zur
Driftgeschwindigkeit v, folglich bei festgehaltenem Strom I laut Gl. (8), (9) auch
umgekehrt proportional zur Dichte der freien Ladungsträger. Bei Metallen mit ihrer
hohen Dichte an Leitungselektronen wird die Hallspannung bei gegebenem Strom
also recht klein sein, bei Halbleitern dagegen wesentlich größer.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
120
Bei metallischen Leitern erwarten wir in diesem Sinne also eine positive
Hallspannung, ebenso bei n-Halbleitern, bei p-Halbleitern dagegen eine negative
Hallspannung. Man überzeuge sich von diesem Vorzeichenwechsel im Versuch.
Durch Messen der Hallspannung können wir also einen Leiter auf einfache Weise
charakterisieren.
Außer der Hallspannung UH messen wir auch noch den ohmschen Spannungsabfall
U über die Länge l der Leiterprobe, um gleichzeitig den spezifischen Widerstand ρ,
bzw. seinen Reziprokwert, die spezifische Leitfähigkeit σ des Materials zu bestimmen. Sie ergeben sich aus Leiterdimensionen und Messgrößen definitionsgemäß
zu
ρ=
1
σ
=
b ⋅d
b⋅d U
⋅R =
⋅ .
l
l
I
(10)
Bei einem Ohmschen Leiter ist der Strom proportional zum Spannungsabfall und
folglich auch die Driftgeschwindigkeit v zur treibenden Feldstärke E = U / l .
Den Proportionalitätsfaktor bezeichnet man als Ladungsträgerbeweglichkeit
w=
v
E.
(11)
Mit Gl. (5) können wir sie ebenfalls aus der Messung der Hallspannung bestimmen:
w =−
EH
l U
=− ⋅ H .
E ⋅B
b U ⋅B
(12)
Sie ist beim Halbleiter wesentlich höher als bei Metallen. Die bessere Leitfähigkeit
der Metalle resultiert also nur aus der viel größeren Dichte n der freien
Ladungsträger.
Ein chemisch absolut reiner Halbleiter gewinnt seine Leitfähigkeit durch Anregung
(relativ weniger) Elektronen aus dem vollen Valenzband ins leere Leitungsband, wo
sie eine hohe Beweglichkeit haben, solange das Band noch relativ leer ist. Die
zurückbleibende Bindungslücke im Valenzband ist positiv geladen und wandert im
elektrischen Feld als positiver Ladungsträger in Feldrichtung (Löcherleitung).
Bei dotierten Halbleitern - dem Ausgangsmaterial aller elektronischen Halbleiterbauelemente - überwiegen durch gezielte Verunreinigungen mit Elementen höherer
oder niedriger Wertigkeit die Elektronenleitung im Leitungsband (n-Leitung) oder die
Löcherleitung im Valenzband (siehe auch Versuch Halbleiterelektronik).
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
121
Beim 4-wertigen Germanium wären das z. B. das 5-wertige Arsen oder das 3-wertige
Gallium. Entsprechend ist die Hallkonstante AH im ersteren Falle negativ und im
letzteren positiv.
Erhitzt man ein Metall, so wächst der Widerstand proportional zur Temperatur. Erhitzt
man dagegen einen reinen Halbleiter, so sinkt er stark ab. Das liegt an der steilen
Zunahme an Elektron-Lochpaaren, die im Wesentlichen von einem Boltzmannfaktor
kontrolliert wird. Das Verhältnis von Elektronen im Leitungsband ne,L zu denjenigen
im Valenzband ne,V ist gegeben durch
n e,L
ne,V
~e
− EB
k ⋅T
.
Dabei ist EB die Energielücke zwischen
k = 1,38 · 10-23 J/K die Boltzmannkonstante.
(13)
Valenz-
und
Leitungsband,
Bei den dotierten Halbleitern im Versuch beobachten wir bei niedrigen Temperaturen
zunächst eine lineare Zunahme des Widerstands mit der Temperatur und dann erst
eine rapide Abnahme. Die Hallspannung ist im ersten Bereich noch nahezu konstant,
nimmt dagegen im Bereich hoher Temperaturen stark ab. Daraus schließen wir mit
Gl. (9), dass im zweiten Bereich die Ladungsträgerdichte gemäß Gl. (13) anwächst.
Im ersten blieb sie dagegen noch einigermaßen konstant, war also im Wesentlichen
von der durch die Dotierung vorgegebenen Dichte von Leitungselektronen im nLeiter, bzw. Löchern im p-Leiter dominiert. Hier wächst dann auch der Widerstand
noch proportional zur Temperatur. Bei hohen Temperaturen spielt hingegen die
Dotierung keine Rolle, da viel mehr e- im Leitungsband vorliegen als dem
Dotierungsgrad entspricht. Beim p-Leiter wechselt die Hallspannung schließlich
sogar ihr Vorzeichen. Das lässt darauf schließen, dass jetzt sogar trotz p-Dotierung
die n-Leitung überwiegt. Zur weiteren Vorbereitung sei auch auf die Theorie zum
Versuch II.8 Halbleiterelektronik verwiesen, der die entsprechenden Grundlagen zur
Halbleitertheorie vermittelt.
122
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
Allgemeine Hinweise:
Zur Durchführung des Versuchs stehen zwei Silber-Plättchen, ein p-GermaniumPlättchen sowie ein n-Germanium-Plättchen zur Verfügung. Jede Gruppe führt die
Messungen an einem Silber-Plättchen sowie an einem der beiden Ge-Plättchen
durch. Die Ergebnisse des zweiten Ge-Plättchens werden von der Parallel-Gruppe
übernommen.
Die Versuchsdurchführung ist aufgrund der vielen Instrumente ein wenig komplex.
Zum Versuchsaufbau gehören unter Anderem fünf digitale Voltmeter (Magnetstrom,
Querstrom, Querspannung, Hallspannung, Temperaturanzeige), zwei Stromnetzgeräte (Versorgungsspannung von 12 V für das Hallplättchen, Heizstrom von
3 A), sowie ein Trafo, Gleichrichter und Verschiebewiderstand für die Erzeugung des
Magnetstroms (s. Abb. 2 und 3). Nachdem der Versuch aufgebaut wurde, ist es
sinnvoll, die einzelnen Geräte mit Schildern zu markieren, damit es beim späteren
Ablesen zu keinerlei Verwechslungen kommt.
12 V
+ -
3A
Iquer
2
Ucomp
30
-
+
DVM
DVM
Iquer
UHall
Ge
+ Heatertaste
DVM
UTemp
DVM
Uquer
Abb. 2: Versuchsaufbau für Aufgaben 1-3
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
123
B
B
I
Gl.
A
~20V
~220V
Tra.
Rregelbar
Abb. 3: Erzeugung und Messung des Magnetfeldes.
Das B-Feld wird von zwei Erregerspulen im Luftspalt eines Elektromagneten erzeugt.
r
(Auf die richtige Polung wegen B -Richtung achten!) Hierzu wird die Netzspannung
heruntertransformiert (Tra) und gleichgerichtet (Gl) und der Strom durch einen
Schiebewiderstand auf max. 5 A eingestellt. Damit lässt sich bei möglichst engem
Luftspalt ein Feld von knapp 0,3 T erreichen. Das Magnetfeld wird mit einer flachen
Sonde gemessen. Ihr Sensor beruht im Übrigen ebenfalls auf dem Halleffekt.
Aufgabe 1
Bestimmen Sie die Hallspannung UH und die ohmsche Spannung U eines
Germanium-Plättchens (d = 1mm, l = 20mm, b = 10mm) in Abhängigkeit des
Querstroms Iq bei konstantem Magnetfeld B (ca. 250mT).
Tragen Sie die Hallspannung UH als Funktion des Querstroms Iq in ein Diagramm
ein. Berechnen Sie hieraus die Hallkonstante AH und die freie Ladungsträgerzahl n
für Germanium. Danach stellen Sie die Hallspannung als Funktion der ohmschen
Spannung grafisch dar und berechnen hieraus die Ladungsträgerbeweglichkeit w.
124
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
Vergleichen Sie die Resultate mit n- bzw. p-dotiertem Germanium.
Hinweis: Zunächst muss getestet werden, ob in Abwesenheit des Magnetfeldes die
Hallspannung auch Null ist. Ist dies nicht der Fall, so kann mit Hilfe eines regelbaren
Spannungsteilers (Bezeichnung: Ucomp) die Spannung auf Null kompensiert werden.
Die Fehlspannung kommt dadurch zustande, dass der ohmsche Spannungsabfall
entlang des Leiters viel größer als die Hallspannung quer zum Strom ist (vor allem
beim Silber) und das Abgreifen der Hallspannung an exakt gegenüberliegenden
Punkten nicht gelingt.
Man greift daher an einer der beiden Kanten vor und hinter dem exakten Gegenpunkt
ab und überbrückt sie mit einem Spannungsteiler, an dessen Abgriff man die
Differenz der Ohmschen Spannungsabfälle annullieren kann (s. Abb. 4).
I
UH
Abb. 4: Spannungsteiler zur Kompensation des Ohmschen
Spannungsabfalls bei Messung der Hallspannung.
Aufgabe 2
Im zweiten Aufgabenteil sollen Sie die Temperaturabhängigkeit der Hallspannung
UH(θ) und der ohmschen Spannung U des Germanium-Plättchens messen (100°C
entsprechen 1 V; 0°C entsprechen 0 V). Halten Sie den Querstrom Iq während der
Messung konstant auf 30mA, und variieren Sie das Magnetfeld B nicht.
Tragen Sie die Hallspannung UH und die ohmsche Spannung U in einem Diagramm
gegen die Temperatur auf. Bestimmen Sie für eine hohe Temperatur die
Hallkonstante AH, die Ladungsträgerbeweglichkeit w und die Ladungsträgerzahl n.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
125
Diskutieren Sie qualitativ die Gründe für den Temperaturverlauf der Hall- sowie der
Ohmschen Spannung bei n- und p-dotiertem Germanium.
Hinweis: Zum Aufheizen des Germaniums schalten Sie das dafür vorgesehene
Netzgerät ein und regeln den Heizstrom auf maximal 3 A. Drücken Sie danach die
Heater-Taste. Da der Aufheizvorgang sehr schnell geschieht ist es sinnvoll, die
Messwerte erst während des Abkühlens aufzunehmen.
Aufgabe 3
Zuletzt sollen Sie die Hallspannung UH und die Ohmsche Spannung U eines SilberPlättchens (d = 50 µm, l = 75 mm, b = 20 mm) in Abhängigkeit des Querstroms Iq
bei konstantem Magnetfeld B ermitteln (B ca. 450 mT).
Tragen Sie die Hallspannung UH als Funktion des Querstroms Iq in ein Diagramm
ein. Berechnen Sie hieraus die Hallkonstante AH und die freie Ladungsträgerzahl n
für Silber. Danach stellen Sie die Hallspannung als Funktion der Ohmschen
Spannung grafisch dar und berechnen hieraus die Ladungsträgerbeweglichkeit w.
Diskutieren Sie die Ursachen für die unterschiedlichen Hallkonstanten und
Ladungsträgerbeweglichkeiten von Silber und Germanium.
Hinweis: Die Hallspannung des Silberplättchens liegt in der Größenordnung von ein
bis zehn Mikrovolt und wird mit einem speziellen Mikrovoltmeter gemessen. Um
sinnvolle Werte zu erhalten ist eine sorgfältige Kompensation der Hallspannung ohne
Magnetfeld notwendig. Hierzu wird das Magnetfeld ausgeschaltet und der Querstrom
recht schnell in einem Bereich von 0 A bis 12 A variiert. Wenn die dadurch
entstehenden Spannungsschwankungen kleiner als 0,5 µV sind, ist die Hallspannung
hinreichend kompensiert.
Das Mikrovoltmeter soll etwa 5 Minuten vor der Messung eingeschaltet werden.
Unmittelbar vor der Messung der Spannung stellt man am Mikrovoltmeter einen
Schalter von „Reset“ auf „Volt“, wartet ca. drei Sekunden und drückt danach für etwa
drei Sekunden die Autokompensationstaste. Nun zeigt das Gerät die zu messende
Spannung an. Danach wird das Magnetfeld eingeschaltet, zügig der Querstrom von 0
A bis 12 A variiert und die Messwerte notiert.
126
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler – Teil II
127
VERSUCH II.8: PHYSIKALISCHE
GRUNDLAGEN DER
HALBLEITERELEKTRONIK
Stichpunkte: Kristallstruktur
(Valenzelektronen,
gebundene
und
quasifreie
Elektronen), Bändermodell (Löcher, Leitungsband und Valenzband,
verbotene Zone, Bandabstand, Fermi-Energie), Leitungsmechanismen
(Eigenleitung, Störstellenleitung, Dotierung, Akzeptor, Donator,
n-Leitung, p-Leitung, Majoritätsträger, Minoritätsträger), pn-Übergang
(Diffusionsstrom und -spannung, Rekombination, Grenzschicht,
Raumladungszone), Diode (Sperrrichtung, Sperrstrom, Durchlassrichtung, Kennlinie, Photodiode, Leuchtdiode), Transistor (Grundschaltungen, Kennlinienfeld, Stromverstärkungsfaktor), Peltierelement
Theoretische Grundlagen
Die Halbleiter-Kristallstruktur
Die wichtigsten Elemente mit Halbleitereigenschaften sind Germanium (Ge) und
Silizium (Si). Beide stammen aus der vierten Hauptgruppe des Periodensystems,
haben also auf ihrer äußeren Schale (der M-Schale bei Si und der N-Schale bei Ge)
vier Valenzelektronen. Kristalle aus diesen Elementen haben eine Diamantgitterstruktur wie in Abb. 1, d.h. jedes Atom ist von vier Nachbaratomen in Tetraedersymmetrie umgeben. Auf diese Weise werden die vier Valenzelektronen jedes Atoms
in den Bindungen eingebaut, so dass zumindest bei T = 0K keine freien Elektronen
zur Verfügung stehen.
Abb. 1: Kristallgitterstruktur von Ge und Si (Diamantgitterstruktur).
128
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Durch Energiezufuhr, z.B. durch Temperaturerhöhung, kann man bei diesen
Halbleiterkristallen relativ leicht Elektronen aus ihren Bindungen herauslösen und so
quasifreie Elektronen erhalten, die dann für elektrische Stromleitung zur Verfügung
stehen.
Das Bändermodell
Eine Veranschaulichung der Stromleitungsvorgänge liefert das Bändermodell. In
diesem Modell betrachtet man erlaubte und verbotene energetische Zustände von
Elektronen. In einem Kristall handelt es sich dabei nicht um diskrete Einzelniveaus,
wie bei einem einzelnen Atom, sondern um ganze energetische Zonen, die Bänder
genannt werden.
Trägt man das Coulombpotenzial eines Atomrumpfes eindimensional auf, so erhält
man den in Abb. 2(a) gezeigten Verlauf, innerhalb dessen ein Elektron des Atoms
nur bestimmte Energieniveaus einnehmen kann.
Abb. 2: (a) Coulombpotenzial eines Atomrumpfes,
(b) Potenzialverlauf von zwei Atomen (die Potenziale der
Einzelatome sind gestrichelt eingezeichnet),
(c) Aufspaltung der Energieniveaus zu Energiebändern bei
einer Kette von Atomen.
Betrachtet man nun viele regelmäßig angeordnete Atome, wie man sie im
Kristallgitter vorfindet, so erhält man eine Überlagerung der Potenziale der einzelnen
Atomkerne und eine Aufspaltung der erlaubten Energieniveaus. Abb. 2(b) zeigt dies
für zwei Atome.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
129
Durch die Überlagerung sehr vieler Atompotenziale im Kristallgitter entsteht
zusätzlich zur Aufspaltung eine Verbreiterung der Energieniveaus, wobei jeweils
dicht beieinander liegende Niveaus ein Energieband bilden. Dies ist in Abb. 2(c)
dargestellt. Wie bei diskreten Energieniveaus auch, können die dazwischen
liegenden Energiewerte von den Elektronen nicht angenommen werden.
Das Band mit der höchsten Energie, das bei T = 0 K besetzt ist, bezeichnet man als
Valenzband. Dort lokalisierte Elektronen stehen bei Isolatoren und Halbleitern zum
Ladungstransport nicht zur Verfügung. Das darüberliegende Energieband, das bei
T = 0K völlig leer ist, nennt man Leitungsband. Elektronen sind in diesem Band frei
beweglich. Der Bereich zwischen diesen beiden Energiebändern heißt verbotene
Zone. Die Breite dieser verbotenen Zone bezeichnet man als Energielücke,
Bandabstand oder englisch band gap, in Formeln bezeichnet mit ΔE oder Eg. Für
Germanium liegt der Bandabstand bei ΔE = 0,67eV, für Silizium bei ΔE = 1,12 eV.
Abb. 3 zeigt das Bändermodell für Metall, Halbleiter und Isolator bei T = 0K. Besetzte
Bänder sind darin schraffiert dargestellt. Metalle haben auch bei T = 0K ein teilweise
besetztes Valenzband, das gleichzeitig Leitungsband ist; die Energielücke ist hier
Null. Bei Isolatoren ist die Energielücke so groß, dass auch bei hohen Temperaturen
keine elektrische Leitfähigkeit auftritt. Die Leitfähigkeit von Halbleitern liegt zwischen
der von Metallen, die bei 104 bis 106 Ω-1cm-1 liegt, und der von Isolatoren mit 10-22 bis
10-10 Ω-1cm-1. In der Praxis beträgt die übliche Leitfähigkeit von Halbleiterstoffen 10-9
bis 10³ Ω-1cm-1.
Eingezeichnet ist in Abb. 3 außerdem die Fermi-Energie EF, die bei T = 0K besetzte
von unbesetzten Zuständen trennt. Sie liegt bei Halbleitern und Isolatoren zwischen
Valenz- und Leitungsband, bei Metallen innerhalb des Valenz- bzw. Leitungsbands.
Abb. 3: Bänderschema für Metall, Halbleiter und Isolator.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
130
Leitungsmechanismen
1
Eigenleitung
Die aus der Gitterbindung herausgelösten Elektronen können durch Anlegen eines
äußeren Feldes bewegt werden, daher nennt man sie Leitungselektronen. Verlässt
ein Elektron die Bindung, so bleibt an dieser Stelle ein Loch. Da jedes Atom für sich
elektrisch neutral ist, entspricht dieses einer positiven Ladung in der Größe der
Elementarladung des herausgelösten Elektrons. Daher spricht man bei einem
solchen Loch auch von einem Defektelektron.
Im Bändermodell entspricht das Herauslösen eines Elektrons aus der Bindung der
energetischen Anhebung desselben vom Valenz- in das Leitungsband. Dabei muss
dem Elektron mindestens die Energie ΔE zugeführt werden. Dies kann z.B. durch
Temperaturerhöhung oder durch Anregung mit Licht geschehen. Das von dem
angeregten Elektron zurückgelassene Loch befindet sich dann im Valenzband.
Beim Anlegen eines äußeren Feldes lassen sich zwei Leitungsmechanismen
unterscheiden: Zum einen wandern die Leitungselektronen unter dem Einfluss des
äußeren Feldes zum positiveren Potenzial. Zum anderen ist es für ein in der Nachbarschaft eines Lochs gebundenes Elektron mit relativ geringem Energieaufwand
möglich, in dieses Loch überzuwechseln. Da sich dieser Vorgang ständig wiederholt,
wandert das Loch, daher spricht man von Löcherleitung. Die Löcher wandern bei
angelegtem äußeren Feld natürlich in Feldrichtung, da die Elektronen ihren Platz
vorzugsweise gegen die Feldrichtung wechseln.
Die hier beschriebenen Leitungsmechanismen bezeichnet man als Eigenleitung,
wobei charakteristisch ist, dass durch das Aufbrechen der Bindungen immer
gleichviele Leitungs- und Defektelektronen entstehen. Die Dichte der
Leitungselektronen n ist also gleich der Dichte der Defektelektronen p:
n = p.
(1)
Den Vorgang, dass ein Elektron in ein Loch zurückfällt, also wieder in die Bindung
eingebaut wird, bezeichnet man als Rekombination; im Bändermodell bedeutet dies,
dass das Elektron seine Energie abgibt und wieder vom Leitungs- in das Valenzband
wechselt. Bei konstanter Temperatur bildet sich zwischen Erzeugung und
Rekombination von Elektron-Loch-Paaren ein Gleichgewichtszustand aus, so dass
im Mittel immer gleich viele Ladungsträger zur Verfügung stehen.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
131
Man spricht dabei von der Eigenleitungsträgerdichte ni = n = p, die stark temperaturabhängig ist und auch durch Einstrahlung von Licht beeinflusst werden kann.
2
Störstellenleitung
Die Leitfähigkeit von Halbleitern lässt sich durch gezieltes Verunreinigen mit
bestimmten Elementen erhöhen. Man nennt diesen Vorgang Dotieren und
unterscheidet dabei zwei Arten:
Bei der n-Dotierung bringt man Atome mit fünf Valenzelektronen in den Kristall ein,
z.B. Arsen oder Antimon. Von deren fünf Bindungselektronen werden nur vier für die
Kristallbindung benötigt. Das fünfte Elektron ist relativ schwach an das Atom
gebunden. Um es vom Atom zu lösen, ist daher eine wesentlich geringere Energie
nötig, als beim Auflösen einer Kristallbindung. Bei T = 0K sind auch alle diese
überschüssigen Elektronen gebunden, aber schon bei Zimmertemperatur sind
praktisch alle frei beweglich. Auf diese Weise stehen deutlich mehr Ladungsträger
zur Verfügung als im undotierten Kristall. Die Fremdatome, die die zusätzlichen
Elektronen zur Verfügung stellen, nennt man Donatoren. In diesen n-Halbleitern
spricht man von n-Leitung oder, da die Elektronen in der Überzahl sind, von
Überschussleitung.
Bei der p-Dotierung werden Atome mit nur drei Valenzelektronen, z.B. Aluminium,
Gallium, Indium, in den Kristall eingebaut. Diese Akzeptoren haben also für die
Kristallbindung ein Elektron zu wenig. So entstehen an den Fehlstellen Löcher, in die
Elektronen aus Nachbarbindungen leicht wechseln können. Allerdings ist auch dazu
Energie nötig, da die Elektronen stärker an die vierfach positiv geladenen Ge- oder
Si-Atomrümpfe gebunden sind, als an die nur dreifach positiv geladenen Rümpfe der
Fremdatome. Den Leitungsmechanismus in diesen p-Halbleitern nennt man
Mangelleitung oder Löcherleitung.
Die Dichten der Akzeptoren bzw. Donatoren bezeichnet man mit NA bzw. ND. Die
Elektronendichte im n- bzw. p-Material wird mit nn bzw. np benannt, analog die
Löcherdichte mit pn bzw. pp. Die durch die Dotierung stärker vertretenen
Ladungsträger nennt man Majoritätsträger, die anderen, die auch im dotierten
Material durch thermische Anregung entstehen, Minoritätsträger.
Dotierung bedeutet im Bändermodell das Hinzukommen von Energieniveaus
innerhalb der verbotenen Zone, allerdings nicht durchgängig im gesamten Kristall,
sondern lokal immer dort, wo sich ein Fremdatom befindet.
132
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Im n-Halbleiter befinden sich die überschüssigen Elektronen auf einem
Energieniveau ED nahe der Unterkante EL des Leitungsbands. Im p-Halbleiter
entsteht ein zusätzliches Energieniveau EA knapp oberhalb der oberen Kante EV des
Valenzbands, in welches ein Elektron aufsteigt, wenn es von einer Ge- oder SiBindung in eine Akzeptoratombindung wechselt. Dargestellt ist dies in Abb. 4. Die
jeweilige Fermi-Energie EF liegt für n-Halbleiter zwischen ED und EL, für p-Halbleiter
zwischen EA und EV.
Abb. 4: Energieniveaus im dotierten Halbleiter.
Der pn-Übergang
Der wesentliche Bestandteil der meisten Halbleiterbauelemente ist der pn-Übergang.
Er entsteht durch das Aneinanderfügen von p- und n-dotiertem Halbleitermaterial.
Hier wird der abrupte pn-Übergang behandelt, bei welchem eine konstante nDotierung sprungartig in eine konstante p-Dotierung übergeht.
Abb. 5 zeigt ein qualitatives Schema eines pn-Übergangs im thermischen
Gleichgewicht. Abb. 5a zeigt das Bänderschema für isolierte p- bzw. n-Halbleiter mit
den unterschiedlichen Fermi-Energien EF.
Im n-dotierten Teil hat man eine große Zahl beweglicher Elektronen, während im
p-dotierten Teil eine große Zahl von Löchern vorliegt. Beim Aneinanderfügen kommt
es durch diese unterschiedliche Konzentration an Ladungsträgern und die natürliche
Wärmebewegung zu Diffusionsströmen. Dabei wandern Elektronen in den pdotierten Teil und Löcher in den n-dotierten Teil, bis die Fermi-Energie ausgeglichen
ist, wie in Abb. 5b zu sehen ist.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
133
Auf beiden Seiten rekombinieren die Elektronen mit den Löchern. Die beweglichen
Ladungsträger werden also stark reduziert und es entsteht ein stetiger Übergang der
Dichten der freien Ladungsträger am pn-Übergang. Die Ladungsdichte der nicht
freien, ionisierten Dotierungsatome zeigt immer noch einen sprunghaften Übergang
(s. Abb. 5c).
Es baut sich eine Grenzschicht mit der in Abb. 5d gezeigten Raumladungsdichte ρ
und damit einem elektrischen Feld E auf. Wenn man annimmt, dass man die
Raumladung der wenigen verbliebenen freien Ladungsträger gegen die der
ionisierten Dotierungsatome vernachlässigen kann, lässt sich die Raumladungsdichte als Differenz der Dotierungsdichten berechnen zu: ρ = e (ND - NA). Im
thermischen Gleichgewicht sind die Diffusionsströme genauso groß wie die durch
das elektrische Feld erzeugten Driftströme, es fließt also weder ein Elektronen- noch
ein Löcherstrom. Die durch die Diffusion entstandene Potenzialdifferenz zwischen
verschieden dotierten Zonen nennt man die Diffusionsspannung UD.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
134
Sie ist in Abb. 5b eingezeichnet. Quantitativ besteht zwischen UD und den
Dotierungsdichten NA und ND, sowie der Eigenleitungsträgerdichte ni folgender
Zusammenhang:
UD =
kT
N N
ln( D 2 A ) .
e
ni
(2)
UD liegt für Germanium bei etwa 0,3 V, für Silizium bei etwa 0,6 V. (Zur Bedeutung
der anderen Größen siehe Tabellen 1 und 2.
Der pn-Übergang mit angelegter Spannung
Legt man eine Spannung an einen pn-Übergang an, so muss man zwei Fälle
unterscheiden, nämlich die Polung in Durchlass- und die in Sperrrichtung.
In Durchlassrichtung ist ein pn-Übergang gepolt, wenn der positive Pol an der
p-dotierten und der negative Pol an der n-dotierten Seite liegt. Dabei wird der
Diffusionsstrom verstärkt, d.h. es werden mehr Elektronen in die p- und mehr Löcher
in die n-Zone injiziert. Durch die angelegte Spannung stehen sehr viele - zur
Verfügung, es kann also ein sehr großer Strom fließen.
Abb. 6: Bändermodell eines pn-Übergangs bei Anliegen einer äußeren Spannung U.
a.) Durchlassrichtung mit U größer als die Diffusionsspannung UD,
b.) Durchlassrichtung mit U < UD, c.) U in Sperrrichtung. Die Fermi-Niveaus
EFn bzw. EFp im n- bzw. p-dotierten Teil sind jeweils um Potenzialbeträge eU
gegeneinander verschoben.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
135
Sperrrichtung liegt bei umgekehrter Polung vor, d.h. wenn der positive Pol an der
n- und der negative an der p-Seite anliegt. Auf diese Weise können die Elektronen
aus der n-Zone nur schlecht in die p-Zone diffundieren und umgekehrt. Die
Majoritätsträgerströme sinken dadurch auf Null. Einen geringen Strom, den
Sperrstrom IS, liefern jedoch die Minoritätsträger, also die Löcher in der n-Zone und
die Elektronen in der p-Zone. Diese werden durch die in Sperrrichtung angelegte
Spannung durch den pn-Übergang gezogen. Durch dieses Absaugen der
Minoritätsträger wird das Gleichgewicht der Minoritätsträgerdichten gestört, so dass
die im Bereich der Raumladungszone thermisch generierten Minoritätsträger zum pnÜbergang hin diffundieren. Der Sperrstrom erreicht dadurch ab einer ausreichend
hohen äußeren Spannung, die in der Größenordnung von ~100 mV bei Zimmertemperatur liegt, einen Sättigungswert, der bei weiterer Erhöhung der Spannung
nicht mehr anwächst.
Abb. 6 zeigt den in Durchgangs- und den in Sperrrichtung gepolten pn-Übergang im
Bändermodell. Die Energieniveaus sind hier jeweils um die Potenzialbeträge eU aus
ihrer ursprünglichen Lage ohne äußere Spannung verschoben. Daher sind die FermiNiveaus EFn bzw. EFp im n- bzw. p-dotierten Teil auch um eU aus ihrer ursprünglichen
Lage ohne äußere Spannung verschoben. U ist dabei die von außen angelegte
Spannung.
Halbleiterbauelemente mit einem pn-Übergang
Bei Halbleiterbauelementen, die als Kernstück einen einzelnen pn-Übergang haben,
spricht man von Dioden. Es gibt sehr viele verschiedene Arten und technische
Ausführungen von Dioden, die hier nicht alle näher behandelt werden sollen. Außer
der "normalen" pn-Diode, auch schlicht Halbleiterdiode genannt, sollen hier nur noch
die Photo- und die Leuchtdiode in ihrer prinzipiellen Funktionsweise erläutert werden.
Wichtig in der elektronischen Anwendung sind auch zusätzliche Bauformen wie z.B.
Zener-Diode, Tunneldiode, Varaktordiode oder Laserdiode.
Die pn-Diode
Eine pn-Diode besteht vereinfacht aus einem pn-Übergang, wie er oben beschrieben
ist. Anwendungsmöglichkeiten für Dioden sind Gleichrichten, Mischen und Schalten.
Für eine Diode wird folgendes elektronische Schaltsymbol verwendet:
Abb. 7: Schaltsymbol einer Diode.
136
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Die Spitze zeigt dabei die Durchlassrichtung des Stromes an, d.h. in Abb. 7 wäre
links die p-Zone, rechts die n-Zone.
Von den verschiedenen Kenngrößen der Dioden soll in diesem Versuch die
Strom-Spannungskennlinie I(U) näher untersucht werden. Weitere wichtige
Kenngrößen sind z.B. der Kleinsignalleitwert, sowie die Sperrschicht- und die
Diffusionskapazität, die in hohen Frequenzbereichen wichtig werden.
Die I(U)-Kennlinie einer idealen Diode hat den in Abb. 8 gezeigten Verlauf, der der
folgenden Gleichung genügt:
I = Is (exp
eU
− 1) .
mkT
(3)
Dabei ist IS der Sperrstrom. Wie oben diskutiert, hängt dieser nur von den
Minoritätsträgern ab. Ohne Erklärung sei hier angegeben, dass der Korrekturfaktor m
in Gleichung (3) zwischen 1 und 2 liegt. Er ist m = 1 für einen Diodenstrom, der durch
die Diffusion und Rekombination in den neutralen Zonen außerhalb der
Raumladungszone begrenzt ist. Ist der Diodenstrom durch die Rekombination in der
Raumladungszone bestimmt, so ist m = 2.
Abb. 8: Ideale Diodenkennlinie.
Bei Polung in Sperrrichtung (U < 0) fließt nur ein geringer Sperrstrom, der unterhalb
einer bestimmten Spannung in die Sättigung geht und in Abb. 8 stark vergrößert
dargestellt ist. Bei Durchlassrichtung (U > 0) steigt der Strom dann sehr steil an.
Für die Temperaturabhängigkeit des Sperrstroms gilt folgender Zusammenhang:
I S ∝ T 3 exp(−
Eg
)
kT .
Er kann ausgenutzt werden, um den Bandabstand Eg zu bestimmen.
(4)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
137
Reale Diodenkennlinien zeigt Abb. 9 für Germanium- und Siliziumdioden. Man
erkennt, dass der steile Anstieg nicht direkt am Ursprung beginnt, sondern erst
oberhalb eines kleinen positiven Spannungswerts. Diesen bezeichnet man als
Durchlassspannung Ud. In der Praxis gewinnt man ihn aus der Diodenkennlinie,
indem man den steilen Anstieg linear auf I = 0 extrapoliert.
Abb. 9: Typische Kennlinien realer Si- und Ge-Dioden.
Die Ursache der Durchlassspannung Ud > 0 liegt darin, dass die Diffusionsspannung
UD der äußeren Spannung U in Durchlassrichtung entgegengesetzt ist. Am
pn-Übergang liegt also eigentlich die Spannung U - UD an. Daher ist Ud = UD.
Die Photodiode
Eine Photodiode wandelt Strahlungsenergie in elektrischen Strom um. Ausgenützt
wird dazu die Erzeugung von Elektron-Loch-Paaren durch absorbierte Photonen mit
ausreichend hoher Energie Eph. Prinzipiell muss gelten:
Eph > Eg.
(5)
Photonen mit einer Energie, die nur geringfügig kleiner als der Bandabstand ist,
können aber auch die Erzeugung eines Elektron-Loch-Paares auslösen, wenn die
fehlende Energie aus einer Gitterschwingung absorbiert wird. Findet diese Ladungsträgererzeugung nahe genug an der Raumladungszone statt, so diffundieren die
Minoritätsträger zum pn-Übergang hin, wo sie dann durch das dort befindliche
elektrische Feld über den pn-Übergang gezogen werden.
Bei der Verwendung von Photodioden unterscheidet man zwei Betriebsarten. Zum
einen den Elementbetrieb ohne Vorspannung, man spricht dann auch von einem
Halbleiterphotoelement, zum anderen den Diodenbetrieb, bei welchem eine
Spannung in Sperrrichtung angelegt wird.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
138
Im Diodenbetrieb führt die Ladungsträgererzeugung zu einem Photostrom Iph, der
den Sperrstrom Is verstärkt. Im Elementbetrieb erzeugt die Trennung der
Ladungsträger eine Spannung in Durchlassrichtung, dies nennt man den
photovoltaischen Effekt. Schließt man ein beleuchtetes Halbleiterphotoelement kurz,
so fließt ein Photostrom, der auch Kurzschlussstrom genannt wird.
Allgemein addiert sich also der Photostrom Iph zum Diodenstrom ID:
Igesamt = ID + I ph = IS (exp
eU
− 1) + I ph .
mkT
(6)
Misst man die Kennlinien einer Photodiode zu verschiedenen Beleuchtungsstärken,
so erhält man eine Kennlinienschar wie in Abb. 10. Man erkennt, dass der
Diodenstrom nahezu unabhängig von der Sperrspannung, aber proportional zur
Beleuchtungsstärke φ ist:
I ph ~ φ .
(7)
Photodioden können daher ideal zur Messung von Lichtintensitäten eingesetzt
werden.
Abb. 10: Kennlinienfeld einer Photodiode.
Eine weitere wichtige Größe bei Photodioden ist die relative spektrale Empfindlichkeit
η, die in Abb. 11 für Silizium- und Germaniumphotodioden im Vergleich zum
menschlichen Auge aufgetragen ist. Man erkennt den Abfall oberhalb der zu der
Energie Eph = Eg gehörenden Wellenlänge λg, für die gilt:
λg =
hc
Eg .
(8)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
139
Abb. 11: Relative spektrale Empfindlichkeit η von Si- und Ge-Dioden. Auf der
Energieachse ist Eg für Germanium und Silizium eingetragen.
In Schaltskizzen verwendet man für Photodioden das in Abb. 12 gezeigte
Schaltsymbol.
Abb. 12: Schaltsymbol einer Photodiode.
In der Praxis verwendet man Photoelemente zur Erzeugung elektrischer Energie aus
Licht, eine besondere Bauform ist die Solarzelle. Ziel ist dabei eine möglichst hohe
Leistungsabgabe. Photodioden werden in der Strahlungs- und Lichtmesstechnik,
sowie in lichtgesteuerten Schaltern eingesetzt.
Die Leuchtdiode (LED)
Leuchtdioden arbeiten nach dem umgekehrten Prinzip von Photodioden. Die bei der
Rekombination von Ladungsträgern frei werdende Energie wird hier in Strahlung
umgesetzt. Damit Rekombinationsvorgänge stattfinden können, polt man die
Leuchtdiode in Durchlassrichtung, um so ausreichend viele Ladungsträger zu
injizieren. So gelangen z.B. Elektronen in die p-Zone der LED (Light-Emitting-Diode),
wo sie mit den dort vorhandenen Löchern rekombinieren. Auf diese Weise erhält man
infrarote und sichtbare Strahlung mit einer typischen Linienbreite von etwa 20nm bis
40nm, bei welcher die Lage des Emissionsmaximums im Wesentlichen von
Bandabstand und Dotierung des verwendeten Materials abhängt.
Leuchtdioden werden normalerweise nicht aus Elementhalbleitern wie Germanium
oder Silizium, sondern aus Verbindungshalbleitern hergestellt. Es gibt binäre
Verbindungshalbleiter aus zwei Elementen, bei welchen man III-V- und II-VIVerbindungen unterscheidet. Die römischen Ziffern geben dabei an, aus welcher
Hautgruppe des Periodensystems die Elemente stammen.
140
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Die Gitterstruktur sieht dabei genauso aus, wie die Diamantgitterstruktur in Abb. 1.
Für LEDs werden häufig III-V-Verbindungen wie z.B. GaAs und GaP verwendet,
blaue LEDs bestehen aus SiC. Die Verbindungshalbleiter aus drei Elementen nennt
man ternär. Ein für LEDs gebräuchliches ternäres Material ist GaAsP.
Wenn die Akzeptor- und Donatorniveaus und damit die Ferminiveaus von p- und
n-dotiertem Teil sehr nahe an der Valenz- bzw. Leitungsbandkante liegen (vgl. Abb.
5c), so gilt die Beziehung
e ⋅ UD ≈ E g
(9)
In Schaltungen verwendet man für Leuchtdioden das in Abb. 13 dargestellte Symbol.
Abb. 13: Schaltsymbol einer Leuchtdiode.
In der Technik finden LEDs heute sehr weite Verbreitung in Leuchtanzeigen oder
optischen Relais. Eine spezielle Bauform sind Laserdioden.
Der Bipolartransistor
Von den vielen verschiedenen Transistortypen soll hier nur die Grundform, der
Bipolartransistor, im Folgenden einfach Transistor genannt, erläutert werden.
Ein Transistor besteht aus drei abwechselnd dotierten Schichten, d.h. er enthält zwei
pn-Übergänge. Je nach Abfolge der Schichten spricht man von einem npn- oder
einem pnp-Transistor. Die äußeren Schichten eines Transistors nennt man Emitter E
und Kollektor C, die mittlere Schicht, die sehr dünn und nur schwach dotiert ist, nennt
man die Basis B. Schichtenfolge, Ersatzschaltbilder und zugehörige Schaltsymbole
sieht man in Abb. 14. Der Pfeil im Transistorsymbol zeigt in Durchlassrichtung des
Basis-Emitter-Übergangs.
Abb. 14: Schichtenfolge, Ersatzschaltbild und Schaltsymbol
für npn- und pnp-Transistor.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
141
An Basis, Emitter und Kollektor hat der Transistor jeweils einen Anschluss. Von
diesen drei Anschlüssen wird stets einer doppelt, d.h. für Eingangs- und
Ausgangsstromkreis verwendet. Ist dies der Emitter, so spricht man von der
Emitterschaltung, analog von der Basis- und der Kollektorschaltung. Diese drei
Grundschaltungen sind in Abb. 15 dargestellt. Die richtige Polung von npn- und pnpTransistor in Emitterschaltung zeigt Abb. 16.
Abb. 15: Die Transistorgrundschaltungen.
Abb. 16: Polung für npn- und pnp-Transistor in Emitterschaltung.
Die Wirkungsweise wird hier für den npn-Transistor erklärt. Ein pnp-Transistor
funktioniert analog, nur dass statt Elektronenströmen Löcherströme betrachtet
werden, d.h. Spannungen und Ströme kehren ihr Vorzeichen um. Wesentlich ist
folgender Vorgang:
Elektronen werden durch die Basis-Emitter-Spannung UBE vom Emitter in die Basis
getrieben. Da diese nur sehr schmal und außerdem schwach dotiert ist, rekombiniert
nur ein geringer Teil der Elektronen (ca. 0,5% - 5%) mit den dort vorhandenen
Löchern. Auf diese Weise kommen die meisten Elektronen mit hoher Diffusionsgeschwindigkeit in die Basis-Kollektor-Grenzschicht. Dort werden sie wie Minoritätsträger durch das elektrische Feld in die Kollektorzone geschoben, von wo sie durch
den dort anliegenden positiven Pol abgesaugt werden.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
142
Abb. 17
Der doppelte pn-Übergang eines Transistors lässt sich im Bändermodell wie in
Abb. 17 darstellen. Abb. 17(a) zeigt den Verlauf ohne angelegte Spannung,
Abb. 17(b) mit angelegter Spannung in Basisschaltung. Man erkennt, dass der in der
Praxis sehr viel schmalere Potenzialberg der Basis durch das Anlegen der
Spannungen geregelt werden kann.
Das Kennlinienfeld eines npn-Transistors in Emitterschaltung
Misst man in einer Emitterschaltung (s. Abb. 15a) den Kollektorstrom IC in Abhängigkeit der Kollektor-Emitter-Spannung UCE bei jeweils konstantem Basisstrom IB, so
erhält man für verschiedene Basisströme die in Abb. 18 gezeigte Kennlinienschar.
Der Strom steigt für UCE > 0 zuerst sehr steil an und geht dann in eine sehr flach
verlaufende Gerade über, d.h. er hängt nur noch wenig von der angelegten
Spannung UCE ab. Deutlich sichtbar ist auch die starke Abhängigkeit des Kollektorstroms vom Basisstrom. Betrachtet man für einen festen Wert von UCE die Zunahme
von IC bei einer Zunahme von IB, so kann man den Stromverstärkungsfaktor β
bestimmen:
β=
ΔI C
für U CE = const.
ΔI B
(10)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Abb. 18: Emitter-Kennlinienfeld eines npn-Transistors (Typ BC 108).
Tabelle 1: Verwendete physikalische Größen und Konstanten
Größe
Bedeutung
Einheit
A
Querschnitt, Fläche
m²
dn
Dicke der Raumladungszone im n-Teil
m
dp
Dicke der Raumladungszone im p-Teil
m
E
elektrische Feldstärke
Vm-1
EA
Akzeptoren-Energieniveau
J, eV
Ea
Ionisierungsenergie der Akzeptoren
J, eV
ED
Donatoren-Energieniveau
J, eV
Ed
Ionisierungsenergie der Donatoren
J, eV
EF
Fermi-Energie oder Fermi-Niveau
J, eV
Eg(ΔE)
Bandabstand
J, eV
EL
Energie der (unteren) Leitungsbandkante
J, eV
EV
Energie der (oberen) Valenzbandkante
J, eV
Eph
Photonenenergie
J, eV
I
Stromstärke
A
IB
Basisstrom
A
IC
Kollektorstrom
A
ID
Diodenstrom
A
IE
Emitterstrom
A
143
144
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Iph
Photostrom
A
IS
Sperrstrom
A
NA
Akzeptorendichte
m-3
ND
Donatorendichte
m-3
n
Dichte der Leitungselektronen
m-3
ni
Eigenleitungsträgerdichte (i = intrinsisch)
m-3
nn
Elektronendichte im n-Material bei therm. Gleichgewicht m-3
np
Elektronendichte im p-Material bei therm. Gleichgewicht m-3
p
Dichte der Löcher
m-3
pn
Löcherdichte im n-Material bei therm. Gleichgewicht
m-3
pp
Löcherdichte im p-Material bei therm. Gleichgewicht
m-3
P
Leistung
W
T
absolute Temperatur
K
U
Spannung
V
UBE
Basis-Emitter-Spannung
V
UCE
Kollektor-Emitter-Spannung
V
UD
Diffusionsspannung
V
Ud
Durchlassspannung
V
ϕ
Potenzial
V
β
Stromverstärkungsfaktor
η
relative spektrale Empfindlichkeit
λ
Wellenlänge
m
λg
Grenzwellenlänge
m
ν
Frequenz
s-1
ρ
Raumladungsdichte
Cm-3
Φ
Beleuchtungsstärke
lux
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
145
Tabelle 2: Physikalische Konstanten
Konstante Name
Wert
e
Elementarladung
1,602 · 10-19 C
k
Boltzmann-Konstante
1,380 · 10-23 JK-1
h
Plancksches Wirkungsquantum
6,626 · 10-34 Js
Aufgabe 1: Diodenkennlinie
Versuchsanleitung:
Nehmen Sie die Diodenkennline einer Diode mit der in Abb. 1 abgebildeten
Schaltung auf. (Bitte die Bauteile vorsichtig in die Steckplätze schieben!). Achten Sie
darauf die Diode in Durchlassrichtung anzuschließen.
Abb. 19: Schaltung zur Kennlinienaufnahme der Diode.
Messen Sie dazu den Spannungsabfall UR über dem Vorwiderstand R = 10kΩ auf
dem y-Eingang des x-y-Schreibers und den Spannungsabfall UDiode über der Diode
auf dem x-Eingang des Schreibers. Die Achsen kann man mit dem Schreiber
einzeichnen, indem man den Stift mit Hilfe der Rädchen für die Nullpunkteinstellung
des Schreibers in x- und in y-Richtung über das Blatt fährt. Die Spannung U fahren
Sie dazu wie bei der Kennlinienaufnahme selbst an der Konstanter-Spannungsquelle
von Hand von 0V bis etwa 3V durch.
146
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Hinweise zur Auswertung:
1. Kalibrieren Sie die Achsen des Kennliniendiagramms I(U), indem Sie die am
Schreiber eingestellten Messbereiche ablesen.
2. Bestimmen Sie graphisch die Durchlassspannung Ud der Diode.
3. Bestimmen Sie graphisch den differentiellen Widerstand dU / dI der Diode bei
einem Strom von 0,05 mA aus der Tangentensteigung in diesem Punkt.
Aufgabe 2:Abschätzung des Planckschen Wirkungsquantums
Versuchsanleitung
Messen Sie die Diodenkennlinien der vorhandenen, verschiedenfarbigen Leuchtdioden (LEDs), deren mittlere Emissionswellenlänge angegeben wird. Ersetzen Sie
dazu die Diode in der oben beschriebenen Schaltung (Abb. 1) nacheinander durch
die verschiedenen LEDs. Achten Sie auch hier auf die Durchlassrichtung!
Hinweise zur Auswertung
Extrapolieren Sie den annähernd linearen Teil der Diodenkennlinien und bestimmen
Sie dadurch die Durchlassspannung Ud der einzelnen LEDs. Daraus lässt sich über
die Beziehung E ≈ eUd näherungsweise der Bandabstand Eg bestimmen. Tragen Sie
die Bandabstände gemäß E = hν gegen die Frequenz ν auf (Nullpunktgerade) und
bestimmen Sie aus der Steigung der Regressionsgeraden das Plancksche
Wirkungsquantum. Was sind die beiden wichtigsten Fehlerquellen?
Aufgabe 3: Photodiode
Versuchsanleitung
Gemessen werden soll der Strom der Photodiode in Abhängigkeit von der
Beleuchtungsstärke. Als Lichtquelle dient dabei ein Diodenlaser, dessen Beleuchtungsstärke mit Hilfe eines Polarisationsfilter verändert wird, da das Laserlicht bereits
linear polarisiert ist. Beachten Sie die richtige Polung des Lasers (rot = plus, schwarz
= minus) und legen Sie 5 V an. Nicht in den Laserstrahl blicken!!! Überprüfen Sie
die Justierung des Aufbaus. Der Laserstrahl soll mittig auf die Photodiode treffen. Die
Stromstärke wird dann maximal. Setzen Sie danach den Polarisationsfilter ein und
suchen Sie die Stellung, bei welcher der Strom minimal ist, d. h. der Vektor der
r
elektrischen Lichtfeldstärke E senkrecht auf der Durchlassrichtung steht. Messen
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
147
Sie dann die Stromstärke in Abhängigkeit des Winkels ϕ, um den die Stellung des
Polarisationsfilters geändert wird.
Hinweise zur Auswertung:
Tragen Sie die gemessene Stromstärke I gegen die relative Intensität J auf. Die
relative Intensität ist so definiert, dass sie bei maximalem Durchlass durch den
Polarisationsfilter Jmax = 1 ist. Beachten Sie dabei, dass zwischen transmittierter
Lichtintensität Jy, elektrischer Feldamplitude E und ϕ die Beziehung gilt (vgl. Abb.
20):
transmittierte Komponente
Jy = ε ε0 c E²y = ε ε0 c E² sin² ϕ
(11)
E
Ey
ϕ
Ex
absorbierte Komponente
Abb. 20: Zerlegung von linear polarisiertem Licht in orthogonale
Komponenten der elektrischen Feldamplitude.
Welchen Zusammenhang erkennt man zwischen dem Photostrom und der
Beleuchtungsstärke?
Aufgabe 4:Transistorkennlinienfeld
Versuchsanleitung
Gemessen werden soll das Kennlinienfeld eines npn-Transistors. Bauen Sie dazu die
in Abb. 21 abgebildete Emitterschaltung auf der Steckplatine auf.
Messen Sie die Transistorkennlinie IC(UCE) zu verschiedenen, mit dem Potentiometer
RB1 (max. 500 kΩ) fest eingestellten Basisströmen IB zwischen 0 und 250 μA. Die
beiden Eingangsspannungen UB,ein und, UCE,ein werden von zwei Netzgeräten
geliefert, wobei UB,ein fest auf etwa 5 V eingestellt und UCE,ein zu jedem eingestellten
Basisstrom von 0 V bis etwa 15 V durchgefahren wird.
148
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Mit dem x-y-Schreiber misst man die Spannungen UCE am x-Eingang und URC am yEingang. Mit RC = 1 kΩ kann man aus letzterer dann den Kollektorstrom IC
berechnen. Für RB2 verwendet man einen Widerstand von 10 kΩ.
URe
RB1
RB2
IB
+
+
UCe
UB,ein
y-Eingang
RC
x-Eingang
-
UCe,ein
-
Abb. 21: Emitterschaltung zur Aufnahme des Kennlinienfelds.
Hinweise zur Auswertung
Kalibrieren Sie die Achsen und erläutern Sie das Kennlinienfeld. Vergleichen Sie den
Stromverstärkungsfaktor
für
den
verwendeten
Transistor
mit
den
Verstärkungsfaktoren handelsüblicher Transistoren.
Aufgabe 5:Bestimmung des Bandabstands von Germanium
Versuchsaufbau
Die einfachste Methode zur Bestimmung des Bandabstands ist, ihn aus der
Temperaturabhängigkeit des Sperrstroms durch einen pn-Übergang zu ermitteln.
Allerdings wird dazu hier keine Diode, sondern der Basis-Emitter-Übergang eines
Transistors verwendet, da die im Handel üblichen Germanium-Dioden in der Regel
Molybdän-Spitzendioden sind, die sich für diese Messung nicht eignen. Das
Kernstück des Versuchsaufbaus bildet ein “Sandwich” aus zwei kleinen Kupferblöcken, zwischen welchen ein Peltierelement liegt, das der Temperaturregelung des
oberen Kupferblocks dient. Der untere Kupferblock wird mit Eiswasser gekühlt und
dient der Variation der Kühl- bzw. Heizgeschwindigkeit. Im oberen Kupferblock steckt
ein Germanium-pnp-Transistor und ein Temperatursensor.
Die von letzterem gemessene Temperatur kann man an der Digitalanzeige auf der
zugehörigen Messplatine ablesen. Die beiden Anschlussdrähte des Transistors sind
Basis- und Emitteranschluss, das Gehäuse ist der Kollektoranschluss, welcher hier
nicht benötigt wird, da nur über einem pn-Übergang gemessen wird.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
149
Versuchsanleitung:
Füllen Sie den Behälter des Thermostaten mit Eiswasser und schalten Sie die
Pumpe ein. Schließen Sie den Temperatursensor, das Peltierelement sowie Basis
und Emitter des Transistors an. Das Peltierelement wird an einen Stromgenerator
angeschlossen, und der Strom kann abhängig von der gewünschten Heiz- bzw.
Kühlgeschwindigkeit zwischen 0A und 3A variiert werden. Die Basis und den Emitter
schalten Sie an einen Spannungsgenerator mit einer Spannung von 10V an (Auf die
richtige Polung achten!). Messen Sie nun den Sperrstrom IS am Basis-EmitterÜbergang des Transistors bei fest eingestellter Spannung (U = 10V) in Abhängigkeit
von der Temperatur T von 5°C bis 70°C.
B
IS
C
E
U
Abb. 22: Aufbau zur Bestimmung des Bandabstands von Ge.
Hinweise zur Auswertung:
Tragen Sie den Sperrstrom IS gegen die Temperatur T auf. Für den Bandabstand Eg
gilt (ohne Beweis):
⎛ kT T ⎞ ⎛ I T 3 ⎞
E g = ⎜⎜ 1 2 ⎟⎟ ln⎜⎜ 1 23 ⎟⎟
⎝ T1 − T2 ⎠ ⎝ I 2T1 ⎠
Berechnen Sie aus Ihren Messwerten Eg. Vergleichen Sie das Ergebnis mit dem
Literaturwert und beschreiben Sie kurz mögliche Fehlerquellen.
151
VERSUCH II.9:
FRESNELSCHE FORMELN
Stichpunkte: Licht als elektromagnetische Welle, Intensität, Poynting-Vektor,
Polarisation von Licht und Brewsterwinkel, Brechungsgesetz,
Totalreflexion, Herleitung der Fresnelschen Formeln, physikalische
Aussage
der
Fresnelschen
Formeln,
Reflexionskoeffizient,
Polarisationsfilter
Literatur
W. Weiß: „Verifizierung
(Mainz 1963)
Bergmann, Schäfer:
(9. Auflage, 1993)
der
„Lehrbuch
Fresnelschen
der
Formeln“,
Staatsexamensarbeit,
Experimentalphysik“,
Band
III,
Optik,
und viele andere Lehrbücher ... (siehe Anhang)
Theorie
Licht als elektromagnetische Welle
Das sichtbare Licht gehört zu den elektromagnetischen Wellen und daher lässt sich
das Verhalten und die Eigenschaften von Licht durch die Elektrodynamik und damit
durch die Maxwellschen Gleichungen beschreiben. Es ergibt sich dabei unter
anderem die so genannte Wellengleichung. Eine spezielle Lösung dieser
Differentialgleichung ist z.B. gegeben durch
r r
r
r r
E (r , t ) = E0 cos( k ⋅ r − ωt ) ,
(1)
r
r
wobei E0 die Amplitude und k der Wellenvektor ist. Senkrecht zum elektrischen
Wechselfeld existiert noch ein magnetisches Wechselfeld, das sich zusammen mit
dem elektrischen Feld durch Raum und Zeit bewegt. In Abb. 1 ist als Beispiel eine
linear polarisierte elektromagnetische Welle dargestellt.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
152
Abb. 1: Schema einer elektromagnetischen Welle (linear polarisiert)
Neben dem Wellenvektor ist ein weiterer Vektor in Ausbreitungsrichtung definiert, der
so genannte Poynting-Vektor
r r r
S = E ×H .
(2)
Dieser gibt an wie viel Energie pro Zeit- und Flächeneinheit fließt und damit steht er
im Zusammenhang mit der Intensität des Lichts. Ausgedrückt als Funktion des
elektrischen Feldes erhält man
S=n
ε0 2
E
μ0 ,
(3)
d.h. die Intensität des Lichts ist proportional zum Quadrat der Amplitude der
Lichtwelle.
Polarisation und Brewsterwinkel
Elektromagnetische Wellen sind Transversalwellen und können daher polarisiert
werden. Dabei genügt es den Vektor des elektrischen Feldes zu betrachten. Zur
Vereinfachung soll im Folgenden die Welle in z-Richtung laufen.
r
Bei einer linear polarisierten Welle ist dann der Vektor E in der x-y-Ebene und
oszilliert auf einer Ursprungsgeraden, die zur x-Achse (frei definierbar) einen
r
konstanten Winkel hat. Bei zirkular polarisiertem Licht dreht sich der Vektor E auf
einer Kreisbahn in der x-y-Ebene, d.h. die Amplitude ist konstant. Im allgemeinsten
Fall ist auch die Amplitude nicht mehr konstant und es ergibt sich elliptisch
polarisiertes Licht. Die verschiedenen Arten der Polarisation lassen sich mit
demselben Formalismus erklären. Man teilt dabei den Vektor des elektrischen Feldes
in zwei zueinander senkrechte Komponenten auf, welche zueinander eine
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
153
Phasenverschiebung ϕ haben können. Ist z.B. ϕ = 0, dann ergibt sich linear
polarisiertes Licht.
Wie ist die Phasenverschiebung bei zirkular oder elliptisch polarisiertem Licht?
Linear polarisiertes Licht kann unter bestimmten Bedingungen schon bei der
Reflexion an einer Oberfläche erzeugt werden. Dabei muss zwischen dem
reflektierten Lichtstrahl und dem im Medium gebrochenen Lichtstrahl ein rechter
Winkel sein. Das reflektierte Licht ist dann vollständig linear polarisiert (senkrecht zur
Einfallsebene).
Wie ist die Einfallsebene definiert?
Abb. 2: Strahlenkonfiguration beim Brewsterwinkel
Der Einfallswinkel, bei dem diese Polarisation auftritt, nennt man den Brewsterwinkel
(siehe Abb. 2 für Strahlenkonfiguration). Diesen Effekt kann man sich anschaulich so
erklären, dass das Licht Elektronen in der Oberfläche zum Schwingen anregt. Die so
angeregten Elektronen werden dann als Hertzsche Dipole aufgefasst, die die
Anregungsenergie wieder durch Strahlung abgeben. Teilt man nun das einfallende
Licht in zwei Komponenten auf, parallel und senkrecht zur Einfallsebene, dann sind
die Hertzschen Dipole beim Brewsterwinkel so ausgerichtet, dass ihre Achse mit dem
reflektierten Strahl zusammenfällt. Ein Hertzscher Dipol strahlt aber in Richtung
seiner Achse nichts ab, so dass die Komponente parallel zur Einfallsebene im
reflektierten Strahl fehlt (siehe dazu Abb. 3).
154
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Brechungsgesetz
Beim Übergang eines Lichtstrahls vom Medium 1 in das Medium 2 (beides
Isolatoren) gilt das Brechungsgesetz von Snellius
sin α n2
=
sin β n1 ,
(4)
wobei α der Einfallswinkel und β der Winkel zwischen Einfallslot und gebrochenem
Strahl ist (n1 und n2 sind die Brechungsindizes von Medium 1 und Medium 2). Dabei
ist der Einfallswinkel gleich dem Winkel des reflektierten Strahls zum Lot.
Abb. 3: Vollständige Polarisation beim Brewsterwinkel
Für den Brewsterwinkel ergibt sich damit
sin α
n
= tan α = 2 .
sin β
n1
(5)
Betrachtet man den Übergang des Lichtstrahls vom optisch dichteren in das optisch
dünnere Medium, dann gibt es neben dem Brewsterwinkel einen weiteren
ausgezeichneten Winkel. Da der gebrochene Lichtstrahl vom Lot weggebrochen wird
(folgt aus dem Brechungsgesetz), kommt der transmittierte Strahl durch Vergrößern
des Einfallswinkels bei einem bestimmten Winkel zum Überlappen mit der
Grenzfläche der beiden Medien. Für Einfallswinkel, die größer als dieser Grenzwinkel
sind, wird der einfallende Strahl vollständig reflektiert und man beobachtet die
Totalreflexion. Der gebrochene Strahl existiert nur noch als (imaginäre)
Oberflächenwelle, bei der keine Energie durch die Grenzfläche fließt. (Bemerkung:
Es ist möglich diese Oberflächenwelle nachzuweisen, siehe u.a. Bergmann, Schäfer:
Optik).
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
155
Für den Grenzwinkel αT der Totalreflexion folgt also nach dem Brechungsgesetz
sin αT
n
= sin αT = 1
n2
sin β
(6)
wobei n2 der Brechungsindex des optisch dichten und n1 der des optisch dünnen
Mediums ist.
Fresnelsche Formeln
Das Verhalten von Licht an der Grenzfläche zweier Medien lässt sich durch die
Fresnelschen Formeln ausdrücken (A. Fresnel, 1788-1827). Dabei wird die Polarisation der einfallenden Lichtwelle berücksichtigt und die Intensitätsverhältnisse von
reflektiertem und transmittiertem Licht zum einfallenden Licht als Funktion des
Einfallswinkels beschrieben. Der Brewsterwinkel und der Grenzwinkel der Totalreflexion sind in diesem Formalismus bereits enthalten.
Da in diesem Versuch ausschließlich die Reflexion des Lichts untersucht wird,
werden nur die Fresnelschen Formeln für das reflektierte Licht vorgestellt. Bei der
Herleitung kann man z.B. die Energieerhaltung als Ansatz wählen. In Abb. 4 ist dazu
die Aufteilung der Strahlungsleistung φ an einer Grenzfläche dargestellt.
Abb. 4: Strahlungsleistung des einfallenden, reflektierten
und transmittierten Strahls.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
156
Die Leistung des einfallenden Lichts ist dabei gegeben durch
φ e = Se ⋅ A cos α
(7)
wobei Se der Betrag des entsprechenden Poyntingvektors ist. Die Energieerhaltung
bei Reflexion und Brechung besagt nun, dass
φe = φr + φt .
(8)
Zusätzlich gibt es eine Änderung des elektrischen Feldes (bzw. des magnetischen
Feldes) beim Übergang vom einen in das andere Medium. Dabei bleibt aber die
r
r
Komponente des Feldes E (bzw. H ), die tangential zur Grenzfläche der beiden
r
Medien ist, gleich. Teilt man demnach den Vektor E in zwei Komponenten parallel
und senkrecht zur Einfallsebenen auf
r
r r
E = ⎛⎜ E , E ⎞⎟ ,
⎝ s p⎠
(9)
dann gilt für die senkrechte Komponente in beiden Medien
r
E
s1
r
=E
s2
.
(10)
In Abb. 5 sind zur Verdeutlichung die Komponenten des elektrischen Feldes des
einfallenden (E), reflektierten (R) und gebrochenen (G) Strahls parallel (p) und
senkrecht (s) zur Einfallsebenen dargestellt.
Rs
Es
Rp
Ep
α
n1
n2
β
Gp
Gs
r
Abb. 5: Aufteilung des Feldvektors E in Komponenten
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
157
Nach Gl. (10) gilt dann
Es + Rs = Gs .
(11)
Aus der Energieerhaltung (Gl. (8), die für beide Komponenten gültig ist) und der
Nebenbedingung beim Übergang vom einen in das andere Medium (Gl. (11)) folgt
die erste Fresnelsche Formel für die Komponente senkrecht zur Einfallsebene:
ρs :=
sin(α − β )
Rs
=−
Es
sin(α + β ) .
(12)
Man nennt dieses Verhältnis von reflektierter zu einfallender Amplitude den
Reflexionskoeffizienten ρ.
Ersetzt man den Winkel mit Hilfe des Brechungsgesetzes (Gl. (4)) und definiert einen
relativen Brechungsindex n mit
n :=
n2
n1 ,
(13)
dann ergibt sich eine nützliche Form der Fresnelschen Formel:
(n
=−
ρs
2
− sin 2 α − cos α
n2 −1
)
2
.
(14)
Die Fresnelsche Formel für die Komponente parallel zur Einfallsebene lässt sich
analog berechnen. Dabei ist zu beachten, dass zunächst nicht das elektrische Feld
betrachtet wird, da dessen parallele Komponente beim Übergang durch die
Grenzfläche den Betrag ändert. Einfacher ist es die senkrechte Komponente des
magnetischen Feldes zu benutzen. Der Zusammenhang dieser beiden Größen ist
gegeben durch
r
E =
p
μ r
n
H
s
(15)
mit der Vereinfachung μ = μ0 in beiden Medien. Daher kann wieder Gl. (8) benutzt
werden, wobei das elektrische Feld durch das magnetische Feld nach Gl. (15) ersetzt
wird. Mit der Stetigkeitsbedingung für das Magnetfeld tangential zur Grenzfläche
(analog Gl. (11))
H E + H R = HG
ergibt sich dann für das elektrische Feld die zweite Fresnelsche Formel
(16)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
158
ρ p :=
Rp tan(α − β )
=
E p tan(α + β ) ,
(17)
welche wieder umgeschrieben werden kann:
ρp =
n 2 cos α − n 2 − sin 2 α
n 2 cos α + n 2 − sin 2 α
.
(18)
In Abb. 6 ist der Betrag des Reflexionskoeffizient als Funktion des Einfallswinkels für
parallel und senkrecht zur Einfallsebene polarisiertes Licht dargestellt, wobei im
Übergang Luft/Glas n = 1,5 gewählt worden ist. Es ist deutlich die Auswirkung des
Brewsterwinkels bei der parallelen Komponente zu sehen.
Abb. 6:
Reflexionskoeffizient am
Übergang Luft/Glas
Abb. 7: Reflexionskoeffizient
am Übergang Glas/Luft
Im Übergang Glas/Luft vom optisch dichteren in das optisch dünnere Medium gibt es
zusätzlich die Totalreflexion, so dass sich ein ähnlicher Verlauf der Kurven bis zum
Grenzwinkel der Totalreflexion ergibt (siehe Abb. 7).
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
159
Aufgaben zur Vorbereitung
(a)
Leiten Sie die Fresnelschen Formeln her (siehe Gl. (12) und Gl. (17)).
(b)
Berechnen Sie die Reflexionskoeffizienten ρS und ρP als Funktion von n für den
Fall α = 0. (Wie ist das Reflexionsvermögen definiert?)
160
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Versuchsaufbau
Abb. 8: Versuchsaufbau
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
161
Es sind folgende Geräte einzuschalten:
Die Lichtquelle,
die Lichtquelle ist eine Halogenlampe mit 100W (220V), deren Licht durch einen
Spalt austritt und durch einen Farbfilter (blau) läuft, so dass nahezu
monochromatisches Licht erzeugt wird. Das Spaltbild wird mit einer Zylinderlinse auf
die Oberfläche eines Glaskörpers fokussiert.
Das Hintergrundbeleuchtete Multimeter,
Einstellung des Messbereiches ist 0 bis 15 Volt Gleichspannung
Das kleine schwarze Gehäuse vom Verstärker der Photodiode.
Der Schalter befindet auf der Rückseite vom Gehäuse.
Verstärkungsfaktor 1 bitte auf keinen Fall verändern!
Die Helligkeit der Lichtquelle so einstellen dass nicht mehr als 12 Volt auf dem
Multimeter zu messen sind.
Sonst übersteuert der Verstärker!
162
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Es wird ein Halbzylinder benutzt, der sich auf einem drehbaren Tisch befindet, wobei
die Drehachse auf der Reflexionsoberfläche des Halbzylinders liegt. Der Tisch ist mit
einer Skala ausgestattet zum Ablesen des eingestellten Einfallswinkels (die kleinste
Einheit sind 0,5°).
Das Licht wird vor der Reflexion mit einem Polarisationsfilter linear polarisiert, der
sich zwischen Glaskörper und Linse befindet. Die Intensität des reflektierten Lichts
wird mit einer Photodiode gemessen, die sich auf einem schwenkbaren Arm befindet,
dessen Drehpunkt mit der Drehachse des Tisches zusammenfällt. Zur Verbesserung
der Lichtausbeute wird das reflektierte Licht mit einer zweiten Linse auf die
Photodiode fokussiert. Zur Vermeidung von Streulichteffekten ist die Photodiode in
einem Gehäuse eingeschlossen und das Licht wird durch ein Rohr hineingeleitet.
Das eintreffende Licht erzeugt in der Zelle durch Photoeffekt Elektronen, deren
Strom verstärkt wird, wobei während des gesamten Versuchs der PhotodiodenVerstärker auf “1” eingestellt bleibt. Die Intensität kann am hintergrundbeleuchteten
Multimeter abgelesen werden.
Mit diesem Aufbau lässt sich sowohl die Reflexion beim Übergang Luft/Glas als auch
die Reflexion beim Übergang Glas/Luft untersuchen. Bei Letzterem ist es wichtig,
dass die Optik richtig justiert ist, da das Licht vor der eigentlichen Reflexion erst
durch die gekrümmte Oberfläche des Halbzylinders gerade hindurch gelangen muss
und somit ohne Brechung.
Versuchsdurchführung
Ziel des Versuchs ist es, die Fresnelschen Formeln zu bestätigen, wobei der
Reflexionskoeffizient als Funktion des Einfallswinkels bestimmt wird. Aus den
gewonnenen Messwerten kann ebenfalls der Brechungsindex des Glaskörpers
ermittelt werden.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
163
Aufgabe 1: Justage der optischen Anordnung
Wie bei allen optischen Versuchen ist die Justage der Anordnung aller Elemente im
Strahlengang sehr wichtig. Es sollte daher überprüft werden, ob das Licht, das durch
den Spalt gelangt, durch die Achse des drehbaren Tisches verläuft (dazu wird der
Glaskörper entfernt, falls er noch darauf liegt). Die Mittelpunkte von Linsen und
Polarisationsfiltern sollten sich auf der optischen Achse befinden und die Ebenen der
optischen Elemente senkrecht dazu. Das in den Tubus des Photodiodengehäuses
fokussierte Licht sollte, ohne blockiert zu werden, zur Photodiode gelangen.
Aufgabe 2: Reflexionskoeffizient im Übergang Luft/Glas
Für diesen Versuchsteil wird der Halbzylinder zurück auf den drehbaren Tisch
gestellt, wobei seine plane Oberfläche mit der Drehachse zusammenfallen muss. Als
erstes wird nun die Polarisationsrichtung des einfallenden Lichts eingestellt. Dazu
werden der Polarisator und der Glaskörper benutzt. Nach der Theorie wird beim
Brewsterwinkel das reflektierte Licht vollständig polarisiert (senkrecht zur
Einfallsebenen). Der Einfallswinkel und der Polarisator werden also solange verstellt,
bis das reflektierte Licht verschwindet (wieder ein Blatt Papier als Schirm benutzen).
Das Licht ist dann parallel zur Einfallsebenen polarisiert (Polarisatoreinstellung
notieren!).
Zur Bestimmung der Intensität des einfallenden Lichts wird der Glaskörper noch
einmal entfernt. Die Lichtmenge kann durch Verstellen des “Lampenstroms”
eingestellt werden. Bei der Einstellung ist darauf zu achten, dass die Diode noch
nicht in Sättigung geht. Die maximale Intensität I0 wird dann gemessen und notiert.
Der Reflexionskörper wird wieder auf den Tisch gestellt, wobei nun zusätzlich zur
Position der Drehachse noch die Winkeleinteilung des Tisches relativ zur
Reflexionsfläche eingestellt werden muss. Dazu wird der Einfall bei α = 0° benutzt,
d. h., der reflektierte Strahl muss mit dem Einfallenden überlappen.
Der Einfallswinkel wird nun zwischen 15° ≤ α ≤ 85° in 5° Schritten variiert und die
Intensität des reflektierten Lichts gemessen. In der Nähe des Brewsterwinkels nimmt
die Intensität stark ab und wird beim Brewsterwinkel minimal. Es empfiehlt sich, in
kleineren Schritten zu messen, um den Brewsterwinkel genau zu bestimmen
(Fehler?).
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
164
Für die senkrechte Komponente wird der Polarisator um 90° verdreht und die
maximale Intensität I0 des einfallenden Lichts nach Entfernen des Glaskörpers
gemessen.
Hat sich die Intensität I0 allein durch Änderung der Polarisationsebenen geändert?
Der Glaskörper wird dann wieder auf dem Tisch entsprechend platziert (siehe oben)
und die Intensität für die Einfallswinkel 15° ≤ α ≤ 85° gemessen.
Auswertung:
In ein Diagramm wird der berechnete Reflexionskoeffizient
| ρ (α ) |=
E (α ) 2
E0
2
=
I (α )
I0
(21)
als Funktion des Einfallswinkels α für die parallele und die senkrechte
Polarisationsrichtung eingetragen (mit Fehlerbalken und Brewsterwinkel nicht
vergessen). Diskutieren Sie den Verlauf der Messwerte im Vergleich zur Theorie
(siehe Abb.6).
Aus dem Brewsterwinkel und aus der Extrapolation der Kurven nach α = 0, d.h. aus
dem Wert ρ (α = 0), soll der Brechungsindex (mit Fehler) berechnet werden.
Aufgabe 3: Reflexionskoeffizient im Übergang Glas/Luft
Für diesen Fall wird mangels Zeit nur eine Polarisation betrachtet und zwar die
parallele Komponente (Polarisator durch drehen entsprechend einstellen). Die
Messung der Intensität I0 des einfallenden Lichts und die Justage des
Reflexionskörpers werden wie vorher beschrieben durchgeführt. Die Reflexion
geschieht aber im Gegensatz zu dem vorherigen Abschnitt im Glaskörper, so dass
das Licht zuerst durch die kreisrunde Oberfläche des Halbzylinders gerade
hindurchgehen muss bevor die plane Grenzfläche erreicht wird.
Was hat dies für Auswirkungen auf die Intensität I0 des einfallenden Lichts?
Messung:
Die Intensität des reflektierten Lichts wird ausgehend von α = 85° zu kleineren
Winkeln in 5° Schritten gemessen. Bei Überschreiten des Winkels der Totalreflexion
gibt es einen starken Einbruch der gemessenen Intensität. Zur besseren
Bestimmung des Totalreflexionswinkels soll dieser Abfall der Intensität genauer
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
165
vermessen werden (ab dem letzten Winkel mit hoher Intensität in 1° Schritten, bis
zum Erreichen des Brewsterwinkels). Der Brewsterwinkel wird wieder wie oben
beschrieben direkt bestimmt.
Auswertung:
Der Reflexionskoeffizient wird berechnet und in ein Diagramm gegen den
Einfallswinkel aufgetragen (Fehlerrechnung, Fehlerbalken!). Der Grenzwinkel der
Totalreflexion kann nun aus dem Verlauf der Messwerte bestimmt werden.
Jeweils aus dem Brewsterwinkel und dem Totalreflexionswinkel wird schließlich der
Wert des Brechungsindex des Halbzylinders berechnet (Fehlerbetrachtung!).
Vergleichen sie alle gemessenen Werte für n und diskutieren Sie die möglichen
statistischen und systematischen Fehlerquellen.
167
VERSUCH II.10: MESSUNGEN MIT DEM
MICHELSON-INTERFEROMETER
Thematik: Grundlagen der Wellenoptik, Interferenz, Kohärenz, Wellenfeld eines
Lasers, Spektrallinien von Gasen, Aufbau und Interferenzmuster des
Michelson-Interferometers, Messung von Wellenlängen und Kohärenzlängen sowie Fourier-Spektroskopie mit dem Michelson-Interferometer.
Literatur:
Demtröder Band II, Kapitel 10, insbesondere Kapitel 10.3, Otten, Kapitel
29, insbesondere Kapitel 29.4
Einführung
Diese Einführung gibt einen Überblick über Prinzip und Aufbau des MichelsonInterferometers sowie über das physikalische Umfeld.
1
Prinzip des Michelson-Interferometers
Das von Albert Michelson gegen Ende des 19. Jh. entwickelte und nach ihm
benannte Interferometer ist auch heute noch ein sehr wichtiges Instrument zur Präzisionsmessung von Wellenlängen. Es beruht auf der zeitlich verzögerten Interferenz
einer Welle mit sich selbst, die durch doppelte Spiegelung erreicht wird. Abb. 1 zeigt
eine schematische Skizze. Wir betrachten zunächst nur einen Zentralstrahl auf der
optischen Achse. Er trifft unter 45° einen halbdurchlässigen Spiegel, der ihn in zwei
gleich starke Komponenten, eine reflektierte und eine transmittierte aufteilt. Sie
werden in den Entfernungen L1 bzw. L2 von den Spiegeln 1 und 2 unter 90°
reflektiert, treffen wieder auf den Strahlteiler, der sie zum zweiten Mal aufteilt in
Komponenten zurück Richtung Lichtquelle und seitlich in Richtung Beobachtungsebene. Hier interferieren die beiden Teilstrahlen miteinander, haben aber je nach
Spiegelposition unterschiedlich lange Laufwege hinter sich. Der Unterschied L'
beträgt
L' = 2 (L2 - L1).
(1)
168
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Spiegel 1 (justierbar)
L1
⇔
L2
Lichtquelle
Spiegel 2
(fahrbar)
Strahlteiler
Schirm
Abb. 1: Schema eines Michelson-Interferometers
Habe das Medium den Brechungsindex n (hier Luft mit n = 1,00027), dann beträgt
der Unterschied in der Laufzeit
t' = 2n (L2 - L1) / c0,
(2)
wobei c0 = 299 792 458 m/s die Vakuumlichtgeschwindigkeit ist. Wir nehmen nun an,
die Welle sei monochromatisch und eben, also von der Form
A (x,t) = A0 cos (2π (νt – x /λ)) = A0 cos (ωt - kx),
(3)
wobei wir die Kurzform auf der rechten Seite von (3) mit Kreisfrequenz und Wellenzahl
ω = 2πν bzw. k =
2π
λ
=
2πn
λ0
(4)
bevorzugen. Die Wellenlänge λ ist im Medium um den Faktor des Brechungsindex n
gegenüber der Vakuumwellenlänge λ0 verkürzt. Aus dem zeitlichen Versatz der Teilwelle um t' resultiert nach (3) ein Phasenversatz von
ϕ' = ωt' = ω
2n (L2 - L1 )
2n(L2 − L1 )
= 2π
.
c0
λ0
(5)
Immer dann, wenn ϕ' ein geradzahliges Vielfaches m von π ist (wir rechnen immer im
Bogenmaß)
ϕ' = 2mπ,
m = 0, ± 1,±2, K
(6)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
169
so interferieren die beiden Teilwellen auf der Beobachtungsebene dank der
Periodizität des Kosinus in Phase miteinander und ihre Amplituden addieren sich mit
gleichem Vorzeichen, d.h. konstruktiv. Der Gangunterschied im optischen Weg
2n (L2 - L1) ist dann ein ganzes Vielfaches der Vakuumwellenlänge λ0. Ist ϕ' dagegen
ein ungeradzahliges Vielfaches von π
ϕ' = (2m + 1)π,
m = 0 , ± 1,±2, K
(7)
so addieren sich die Teilwellen mit entgegengesetzter Amplitude, löschen sich
demnach in destruktiver Interferenz aus. Der zentrale Fleck ist dann dunkel.
Daraus ergibt sich ein einfaches Verfahren zur Bestimmung der Wellenlänge: Man
verfahre mit Hilfe einer Mikrometerschraube den Spiegel 2 auf der optischen Achse
um eine Strecke ΔL2 und zähle dabei die Anzahl m durchlaufener Interferenzmaxima
oder -minima im Zentrum ab. Daraus ergibt sich nach (5) und (6) die Vakuumwellenlänge
λ0 = 2nΔL2 / m.
(8)
Wo bleibt das Licht im Falle, dass ein Interferenzminimum in der Beobachtungsebene herrscht? Es wird vollständig in die Lichtquelle zurück reflektiert! Das muss so
sein, damit die Gesamtintensität erhalten bleibt. Die Interferenz der in Richtung
Lichtquelle reflektierten Teilstrahlen ist also immer in Gegenphase zu der in Richtung
Beobachtungsebene reflektierten.3
2
Das Ringsystem
In der Regel bestrahlt man das Michelson-Interferometer nicht mit einer streng
parallelen ebenen Welle, sondern mit einem divergenten Lichtbündel, das folglich
einen Lichtkegel auf den Beobachtungsschirm wirft. Bei exakter Justage beobachten
wir dort ein System von konzentrischen Interferenzringen, die nach außen immer
enger werden. Offensichtlich ändert sich der Gangunterschied im Interferometer als
Funktion des Neigungswinkels gegen die optische Achse. Den Zusammenhang
erkennen wir am einfachsten, wenn wir die in der Beobachtungsebene im Punkt P
interferierenden Teilstrahlen rückverfolgen bis zu den beiden virtuellen Spiegelbildern
Q'1, Q'2 der (punktförmig angenommenen) Lichtquelle Q. Nach den Spiegelgesetzen
liegen sie im relativen Abstand 2 (L2 - L1) hintereinander (s. Abb. 2). Der
geometrische Gangunterschied L' ist jetzt gleich der Differenz der Strecken Q'1 P
3
Die relative Verschiebung um π kommt durch unterschiedliche Phasenbeziehungen am Strahlteiler
zustande.
170
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
und Q' 2 P . Bei sehr weit entferntem Aufpunkt P können wir die beiden Teilstrahlen
als nahezu parallel ansehen (α1 ≈ α2 = α), und der Gangunterschied wird zur Strecke
Q' 2 A im Dreieck Q'1 A Q'2, für die gilt
Q'2 A = L ' = 2( L2 − L1 ) cos α
(9)
Er verkürzt sich also gegenüber dem zentralen Strahl um den Faktor cosα (der auch
für andere Interferometertypen, z.B. das Fabry-Perot-Interferometer, typisch ist). Für
kleine α können wir den cos entwickeln und erhalten für den Phasenunterschied
anstelle von (5)
ϕ' (α ) = 2π
2n(L2 − L1 )
λ0
cosα ≈ 2π
2n(L2 − L1 ) ⎛ α 2 ⎞
⎜⎜1 ⎟⎟ .
λ0
⎝ 2 ⎠
(10)
Der Gangunterschied verkürzt sich also annähernd quadratisch mit dem Neigungswinkel und durchläuft dabei in immer schnellerer Folge Interferenzordnungen in
Richtung kleinerer Ordnungszahlen m (s. Abb. 2). Demzufolge wandern die Ringe
nach außen, wenn man das Interferometer zu größerem Gangunterschied hin
verfährt und umgekehrt. Dabei verengt bzw. erweitert sich die Breite der einzelnen
Ringe.
Abb. 2: Skizze zur Berechnung des Gangunterschieds im
Michelson-Interferometer bei geneigtem Strahlengang.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
171
Überfahren wir den Punkt L2 - L1 = 0, so ist auch der Gangunterschied für alle Winkel
gleich 0 und es herrscht konstruktive Interferenz auf der ganzen Beobachtungsebene. Der Durchmesser des zentralen Rings wächst mit anderen Worten über alle
Grenzen. Bei unserem Versuchsaufbau beobachten wir das allerdings nicht. Das
liegt daran, dass der Strahlteilerspiegel auf eine Glasplatte endlicher Dicke aufgedampft ist, die von dem einen Teilstrahl dreimal, von dem anderen jedoch nur einmal
durchquert wird (s. Abb. 3). Der hohe Brechungsindex des Glases führt nun zur
Brechung an den Grenzflächen und vor allem zur Verlängerung des optischen
Weges im Glas zu Lasten des von S2 gespiegelten Teilstrahls. Um dies zu kompensieren, muss man den Spiegelarm L2 entsprechend verkürzen. Folglich rückt das
zugehörige Spiegelbild Q'2 etwas näher an die Beobachtungsebene heran. Entsprechend ändert sich die Winkelabhängigkeit des Gangunterschieds, die sich im
Wesentlichen nach dem verkürzten geometrischen Lichtweg richtet. Bei gleichem
optischem Lichtweg entspricht sie einer Position von Q'2 wenige Millimeter unterhalb
Q'1. Man schätze dies aus dem gemessenen Durchmesser der Interferenzringe ab.
Bei Präzisionsmessungen fügt man in den anderen Teilstrahl eine weitere
(entspiegelte) Platte hinzu, die den optischen Lichtweg durch das Glas und vor allem
dessen Dispersion kompensiert. Letztere würde bei der Vermessung breitbandiger
Spektren stören.
Abb. 3: Strahlengang im Michelson-Interferometer bei quellseitiger Verspiegelung
der Strahlteilerplatte. Bei gleicher optischer Weglänge der beiden Arme rückt das
Spiegelbild Q'2 etwas näher an die Beobachtungsebene B als Q'1. Gestrichelt
gezeichnet ist eine bei Präzisionsmessungen verwendete Kompensationsplatte KP.
172
3
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Interferenzintensität bei monochromatischem Licht
Die Intensität einer Welle I, d.h. die pro Flächeneinheit auftreffende Leistung dP / dA,
ist immer proportional zum Quadrat der Wellenamplitude, im Falle von interferierenden Wellen dementsprechend zum Quadrat der resultierenden Amplitude. Bei einem
Laufzeitunterschied t' im Michelson-Interferometer (s. (2)) erzeugt demnach eine
monochromatische Welle (3) im Beobachtungspunkt die momentane Intensität
2
A
⎛A
⎞
I (t,t' ) = A (t,t' ) = ⎜ 0 cos ωt + 0 cos ω (t + t ')⎟ .
2
⎝ 2
⎠
2
(11)
Bei einem 1 : 1 Strahlteiler reduziert sich die Amplitude der Teilstrahlen um 1
2
entsprechend einer Halbierung der Teilintensitäten, dann beim 2. Durchgang noch
einmal um 1 2 , also insgesamt auf die Hälfte. Ausführen des Quadrats in (11)
ergibt
[
]
A02
(cos ωt )2 + (cos ω(t + t' ))2 + 2 cos ωt cos ω(t + t' ) .
4
A2 (t , t ') =
(12)
Im Experiment beobachten wir nicht den momentan Wert der Intensität, sondern ihr
zeitliches Mittel ⟨I⟩t, über einen Zeitraum, der jedenfalls sehr groß ist im Vergleich zur
optischen Periode. Für den Mittelwert des Quadrats des cos gilt
(cos ωt )2
= (cos ω (t + t ' ))
2
t
t
=
1
2.
(13)
Das gemischte Glied in (12), den so genannten Interferenz-Term, schreiben wir
zunächst mit Hilfe des Additionstheorems des cos um zu
2 cosωt cosω (t + t') = 2 ((cosωt)2 cosωt' - cosωt sinωt sinωt').
(14)
Mitteln wir jetzt über die Zeit t, so liefert der Term cos2 ωt wieder den Wert 1/2,
während sich das Produkt aus cos- und sin-Funktion wegen alternierender Vorzeichen weghebt:
cos ωt sin ωt
t
=
1
sin 2ωt
2
t
= 0.
(15)
Zusammengefasst erhalten wir im Zentrum des Ringsystems (α = 0) als Funktion des
Gangunterschieds im Zeitmittel die Intensität
I (t ') t ~
A02
(1 + cos ωt ')
4
(16)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
173
mit
ωt' = ϕ' = 2π
2n (L 2 − L1 )
λ0
(17)
entsprechend (5). Die Interferenzintensität variiert also streng periodisch mit dem
Gangunterschied zwischen dem vollen Wert und Null (s. Abb. 4).
Abb. 4: Michelson-Interferenz einer monochromatischen Lichtquelle als
Funktion des Gangunterschieds ϕ‘ = ωt‘ = 2π ·2n (L2 - L1) / λ0
4
Michelson-Interferenz von nichtmonochromatischem Licht
Wir lassen jetzt eine spektrale Verteilung des Lichts zu und wählen für die spektralen
Komponenten der Wellenamplitude in Anlehnung an (3) die Form
a (ω, t, x) = a0 (ω) cos (ωt - k x)
(18)
mit einer frequenzabhängigen Amplitude a0 (ω).
Ein differentielles Frequenzintervall dω trägt jetzt zur zeitlich gemittelten Interferenzintensität nach (16) den differentiellen Beitrag4
a (ω)
(1 + cos ωt' )dω
I (ω,t' ) t = 0
2
d
4
4
(19)
Man beachte, dass wir im zeitlichen Mittel nur die Interferenz zwischen Amplituden der gleichen
Frequenz beachten müssen. Interferenzterme zwischen Komponenten verschiedener Frequenz sind
zeitlich nicht stabil, sondern führen zu Schwebungen, die sich im Zeitmittel wegheben.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
174
bei. Wir erkennen an (19) sofort, dass nur noch für den Laufzeitunterschied t' = 0 alle
Frequenzanteile über das ganze Spektrum hinweg konstruktiv interferieren und die
volle Intensität ergeben. Dagegen führt ein endliches t' für ein Spektrum, das sich
über ein Frequenzintervall Δω erstreckt, zu einer „Verschmierung“ der Interferenzphase ϕ' um den Betrag
Δϕ' = Δωt'.
(20)
Solange
Δϕ‘ « 2π
(21)
gilt, macht das nicht viel aus, und der Interferenzkontrast schwächt sich nur wenig
ab. Gilt aber umgekehrt
Δϕ'' » 2π,
(22)
so sind konstruktive wie destruktive Interferenzphasen über das Frequenzintervall Δω
etwa gleich häufig verteilt und heben sich weg. Einen Interferenzkontrast als Funktion
des Gangunterschieds kann man dann nicht mehr beobachten.
5
Kohärenzzeit, Kohärenzlänge
Es erscheint sinnvoll, zwischen den beiden Extremen (21), (22) eine ungefähre obere
Grenze für den Gangunterschied zu definieren
ϕ'k = Δωtk ≈ 1 ,
bzw.
tk ≈ 1 / Δω,
(23)
unterhalb derer das Licht noch über seine gesamte spektrale Bandbreite hinweg mit
einigermaßen einheitlicher Phase interferiert und im Michelson-Interferometer einen
deutlichen Kontrast erzeugt. Der zugehörige zeitliche Gangunterschied tk heißt sinngemäß die Kohärenzzeit. Multipliziert mit der Lichtgeschwindigkeit ergibt sich die
Kohärenzlänge
lk = ctk.
(24)
Das ist der räumliche Gangunterschied, bis zu dem die eingestrahlte Lichtquelle über
ihre spektrale Breite hinweg kohärenzfähig bleibt. Häufig wird statt (23) auch die
großzügigere Grenze
t≈
benutzt.
2π
1
=
Δω Δν
(25)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
6
175
Qualitative Bestimmung der Kohärenzzeit
Rein qualitativ kann man tk mit dem Michelson-Interferometer auf folgende Weise
bestimmen: Ausgehend vom Gangunterschied L' = 0 verfährt man den Spiegel 2 in
beide Richtungen jeweils soweit, bis man im Ringsystem keinen Kontrast mehr zu
erkennen glaubt. Der gemessene Abstand der beiden Spiegelpositionen ⎢x+ - x-⎥ ist
das Doppelte der Armlängendifferenz ⎢L2 - L1⎥, die (bei richtiger Messung) zu beiden
Seiten von L' = 0 dem Betrage nach gleich ist. Den entsprechenden Gangunterschied
t' = 2 ⎢L2 - L1⎥ / c = ⎢x+ - x-⎥ / c ≈ tk
(26)
nehmen wir als Schätzwert für die Kohärenzzeit und können sie nach obigen
Formeln in die Kohärenzlänge bzw. die spektrale Breite umrechnen.
7
Quantitative Auswertung des Interferenzkontrasts, Fourierspektroskopie
Um den genauen Wert des Interferenzkontrasts von nichtmonochromatischem Licht
zu gewinnen, müssen wir die differentiellen Beiträge (19) über das ganze
eingestrahlte Spektrum aufintegrieren und erhalten
a02(ω)
(1+cosωt')dω
I(t') t =C∫
−∞ 4
1 +∞ dI
(1+cosωt')dω
= ∫
−
∞
2 dω t
+∞
+∞ dI
⎞
1⎛
= ⎜⎜I0 +∫
cosωt' dω⎟⎟
−∞ dω
2⎝
t
⎠
1
= (I0 + F(t'))
2
(27)
Mit der Definition C a02 / 2 = ⟨dI / dω⟩ t haben wir in der zweiten Zeile im Integranden
die zeitlich gemittelte eingestrahlte spektrale Intensität eingeführt. In der dritten Zeile
haben wir das Integral in seine beiden Summanden getrennt; der erste ist unabhängig vom Gangunterschied t' und gleich der Hälfte der eingestrahlten, über das ganze
Spektrum integrierten Gesamtintensität I0. Der zweite Term F (t') ist der über das
Spektrum integrierte Interferenzterm, der mit dem Gangunterschied oszilliert und alle
wichtigen Informationen über das Spektrum enthält, wie wir sehen werden.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
176
Wir diskutieren zunächst ein einfaches Beispiel: Es sei die spektrale Intensität in
einem bestimmten Frequenzintervall zwischen ω0 und ω0+Δω konstant und
ansonsten null. Dieses Profil kann man sich näherungsweise erzeugen, indem man
z.B. aus dem kontinuierlichen, glatten Spektrum einer Glühlampe mit Hilfe eines
Monochromators (z.B. Gitter, Prisma) einen kleinen Spektralbereich ausblendet.
dI
Dann können wir das konstante
aus dem Integral des Interferenzterms in (27)
dω t
herausziehen und erhalten
F (t' ) =
1 dI
2 dω
[sin (ω0t' + Δt' ) − sin ω0t' ] t'
t
.
(28)
Wir erkennen daran folgendes: Wenn sich der Gangunterschied von einer Kante des
Spektrums zur andern gerade um 2π oder dessen Vielfaches ändert
Δϕ' = Δωt' = n2π,
(n = ±1, ±2, ...),
(29)
so verschwindet die Klammer in (28) und damit der Interferenzterm. Im Integral über
das Spektrum halten sich dann konstruktive und destruktive Anteile die Waage und
annullieren die resultierende Interferenz. Im Ganzen zeigt F (t') das typische Bild
einer Schwebung, wie sie immer bei der Überlagerung zweier Winkelfunktionen mit
unterschiedlicher Periode auftritt. Abb. 5 zeigt links das Rechteckspektrum und
rechts das zugehörige F(t'). Als Kohärenzzeit wählen wir denjenigen Gangunterschied t' bei dem der Kontrast nach (29) zum ersten Mal verschwindet und erhalten
in Übereinstimmung mit der Definition (25)
t=
2π
Δω .
(30)
In der folgenden Schwebungsperiode erholt sich der Kontrast zunächst wieder,
nimmt aber im Ganzen wegen des wachsenden t' im Nenner von (28) ab. Das Integral F (t') in (27) ist ganz allgemein als Fouriertransformation (genau genommen nur
ihr cos-Anteil in unserem speziellen Ansatz) bekannt und spielt eine fundamentale
Rolle in Mathematik und Physik. Man kann nämlich durch Rücktransformation die
Funktion im Integranden zurückgewinnen
dI(ω )
dω
=
t'
1
2π
∞
∫ F (t ')cos ωt ' dt '
−∞
(31)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Abb. 5: Links: Eingestrahltes
Rechteckspektrum
177
Rechts: Zugehörige Michelson-Interferenz
F (t‘). Es wurde Δω/ω0 = 1:5 gewählt.
Mit Hilfe dieser Transformation können wir also aus der Messung der MichelsonInterferenz für alle t' das eingestrahlte Spektrum vollständig zurückgewinnen! Natürlich ist dies in der Regel nur auf numerische Weise möglich, eine Aufgabe, die heute
von jedem PC problemlos und sehr schnell erledigt wird. Diese Form der Spektroskopie nennt man sinngemäß Fourierspektroskopie. Sie spielt auch in der Informationstechnologie, z.B. der effizienten Speicherung von Audiosignalen, eine immer
größere Rolle. Da man sich aus praktischen Gründen auf endliche Gangunterschiede
t' ≤ tmax beschränken muss, ist auch die Fouriertransformation (31) nicht vollständig.
Sie
liefert
dann
keine
Informationen
im
niedrigen
Frequenzbereich
ν < 1/tmax.
8
Räumliche Kohärenz natürlicher Lichtquellen
Bei natürlichen Lichtquellen werden die Lichtquanten von den einzelnen Atomen und
Molekülen spontan und unabhängig voneinander emittiert. Daher haben die einzelnen Photonen untereinander in der Regel keine einheitliche Phasenbeziehung und
sind nicht interferenzfähig. Vielmehr muss das Wellenfeld eines jedes einzelnen
Photons mit sich selbst interferieren. Will man dennoch mit einer natürlichen, auch
„stochastisch“ genannten Lichtquelle Interferenzversuche machen, so muss man
dafür Sorge tragen, dass für alle Photonen aus dem Bereich der Lichtquelle eine
einheitliche Interferenzbedingung herrscht, d.h. der zu beobachtende Gangunterschied zwischen Teilbündeln, die durch Beugung oder Spiegelung entstanden sind,
für alle Quellpunkte gleich groß ist, oder jedenfalls um weniger als eine Wellenlänge
differiert. Habe zum Beispiel die Lichtquelle den Durchmesser d und benutzt man im
Versuch ein Lichtbündel mit dem Öffnungswinkel α (s. Abb. 6), so differiert der
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
178
optische Weg zu einem weit entfernten Aufpunkt P über den Durchmesser der Lichtquelle hinweg um die Strecke
b ≈ d sinα ≈ dα
(32)
(für kleine Winkel α). Einigermaßen einheitliche Interferenzbedingungen in P sind
dann noch gegeben, wenn b die Grenze einer Wellenlänge nicht überschreitet. Ist die
Bedingung
dα ≲ λ
(33)
eingehalten, so sprechen wir von einem räumlich kohärenten Lichtbündel. Die
Bedingung ist sehr hart: Bei λ = 1 μm und einem Quellendurchmesser von nur 1 mm
darf der Öffnungswinkel nur 1 mrad sein, also weniger als 1/10 Grad. Das schränkt
die Intensität gewaltig ein!
Abb. 6: Skizze zur Definition der räumlichen Kohärenz einer Lichtquelle mit Durchmesser d und Öffnungswinkel α des benutzten Strahlenbündels.
Obwohl man beim Michelson-Interferometer Interferenzen in hoher Ordnung
beobachtet, ist man glücklicherweise nicht auf eine räumlich kohärente Lichtquelle
angewiesen! Durchmesser und Öffnungswinkel können beide recht groß sein. Wir
erkennen das am einfachsten in Abb. 2: Schieben wir die Lichtquelle ein wenig nach
oben, so rutschen ihre beiden Spiegelbilder nach rechts. Ihr relativer Abstand bleibt
dabei unverändert, also auch das resultierende Ringsystem. Es rutscht nur etwas
nach rechts. Damit die von den einzelnen Quellpunkten entworfenen Ringsysteme
sich nicht gegenseitig verwischen, müssen wir also nur verlangen, dass der Durch-
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
179
messer der Quelle kleiner ist als die Dicke der Ringe in der Beobachtungsebene. Das
sind aber für die zentrale Ordnung bei unserem Versuch einige cm. Allerdings
müssen die Spiegel exakt justiert sein! Sind sie über die Distanz des Quellendurchmessers auch nur um λ/2 verkantet, so ändert sich der Gangunterschied bereits um
λ und der Kontrast ist dahin. Um ein kontrastreiches Ringsystem zu erhalten, muss
man das Spiegelsystem also sehr sauber justieren und das umso mehr, je größer die
Lichtquelle ist. Das macht sich im Versuch sehr deutlich bemerkbar.
9
Prinzip und Wellenfeld eines Lasers
Ein Laser stellt eine nahezu ideal kohärente und monochromatische Lichtquelle dar
und ist daher für Interferenz- und Beugungsversuche besonders gut geeignet. Das
Laserprinzip beruht auf der stimulierten Emission von Lichtquanten, die von Einstein
schon 1917, lange vor Entdeckung des Lasers, postuliert wurde.
Bestrahlt man Atome mit Licht auf der Resonanzfrequenz zwischen zwei Quantenzuständen entsprechend (34), so bewirkt dieses Feld Quantensprünge in beide
Richtungen, von unten nach oben durch Absorption eines Photons wie auch von
oben nach unten durch stimulierte Emission eines zusätzlichen Photons in Richtung
und in Phase mit dem stimulierenden Feld, wodurch sich dessen Intensität verstärkt.
Die stimulierte Emission überwiegt immer dann die Absorption, wenn die Atome den
oberen Energiezustand stärker bevölkern als den unteren (diesen Fall nennt man
Besetzungsinversion). Somit stellen sie netto ein Energiereservoir für die Verstärkung der Lichtwelle zur Verfügung. Eine solche Situation stellt sich z.B. bezüglich
zweier bestimmter Zustände im Neon in einer Gasentladung in einem HeNe-Gemisch
ein (HeNe-Laser, auf Einzelheiten können wir nicht eingehen). Der Lasereffekt wird
stark begünstigt, wenn das strahlende Medium von zwei Spiegeln umgeben ist,
zwischen denen das Licht in Form einer stehenden Welle gefangen ist und dadurch
länger mit dem Medium wechselwirken kann (s. Abb. 7). Der rechte Spiegel
transmittiert einen Bruchteil der stehenden Welle und lässt einen schlanken Strahl
austreten, dessen Durchmesser einige Zehntelmillimeter ist und der einen
Öffnungswinkel von ca. 1 mrad hat, sich also pro Meter Laufstrecke um ca. 1 mm
aufweitet. Bildet man das Produkt aus dem Durchmesser d, den die Strahltaille im
Resonator hat, und dem Öffnungswinkel α des Strahls, so ist auch hier das Produkt
von der Größenordnung λ entsprechend (33). Mit Linsen kann man die Strahlparameter transformieren, z.B. den Strahl auf einen kleinen Brennfleck mit entsprechend
großem Öffnungswinkel fokussieren; das Produkt dα bleibt dabei nach dem Linsengesetz erhalten. Ganz rechts in Abb. 7 ist das Intensitätsprofil eines Laserstrahls
skizziert. Es fällt vom Zentrum nach außen hin wie eine Gauß-Funktion ab.
180
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Wegen seiner strengen Kohärenz ist das Wellenfeld eines Lasers im ganzen Raum
voll interferenzfähig, gleichgültig ob es zu einem schlanken Strahl oder einem weit
geöffneten Bündel geformt ist. Im Gegensatz zu einer natürlichen Lichtquelle zeigt
das Laserlicht daher selbst bei dejustiertem Michelson-Interferometer noch kontrastreiche Interferenzfiguren, die dann allerdings nicht mehr die Form eines Ringsystems
haben, sondern irgendwie gekrümmte Streifenmuster zeigen.
Abb. 7: Links: Skizze eines HeNe-Lasers, bestehend aus einem Gasentladungsrohr
mit HeNe-Mischung und zwei umgebenden Resonatorspiegeln, von denen der
Rechte einen Bruchteil der stehenden Laserwelle nach außen als schlanken Strahl
transmittiert. Rechts: Fokussierung des Laserstrahls zu einem kleinen Fokus mit
hohem Öffnungswinkel. Dabei gilt d2α2 ≈ d1α1 . Ganz rechts: Profil der Intensitätsverteilung in einem Laserstrahl.
Spektroskopisches Hintergrundwissen
1
Interpretation der Kohärenzlänge als endliche Wellengruppe
In Physik und Chemie spielt das Spektrallicht, das von leuchtenden, gasförmigen
Atomen und Molekülen ausgeht, eine große Rolle. Nach dem Bohrschen Atommodell
wird es in Form von Lichtquanten mit scharfen Frequenzen
νik = (Ei - Ek) / h
(34)
ausgesandt, die beim Übergang von einem höher angeregten Quantenzustand mit
der Energie Ei zu einem tiefer gelegenen mit der Energie Ek entstehen; h ist das
Plancksche Wirkungsquantum. Genau genommen ist eine Spektrallinie aber nicht
unendlich scharf, weil für die Aussendung des Lichtquants nur eine begrenzte Zeit,
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
181
nämlich die mittlere Zerfallszeit des angeregten Zustands zur Verfügung steht. Sie ist
bei sichtbarem Licht von der Größenordnung
τ ≈ 10-8 s.
(35)
Das Photon muss also während dieser Zeitspanne ausgesandt werden und sein
Wellenzug folglich auf eine Länge von der Größenordnung τc ≈ 3 m beschränkt sein.
Wir nennen einen solchen Wellenzug endlicher Länge eine Wellengruppe. Messen
wir nun mit einem Michelson-Interferometer die Kohärenzlänge solcher Wellengruppen, so kann sie natürlich nicht größer sein als deren Länge. Denn bei einem
größeren Gangunterschied würden sich die beiden Teilstrahlen gar nicht mehr überlappen können, sondern nacheinander am Beobachtungspunkt ankommen und folglich auch nicht mehr interferieren können.
Um uns eine Vorstellung von der Form einer solchen Wellengruppe zu machen,
dürfen wir uns im Fall strahlender Atome von der Vorstellung leiten lassen, sie seien
Hertzsche Dipole, deren Schwingung durch die abgestrahlte Leistung gedämpft wird.
Klingt also die abgestrahlte Leistung exponentiell wie e –t / τ ab, so die abgestrahlte
Wellenamplitude mit der doppelten Zeitkonstanten 2τ entsprechend
⎧⎪ − 2 τ
cos(kx − ωt ) für t ≥ x c
A(t,x) = ⎨ A0 e
⎪⎩
0
sonst
t − x/c
(36)
Die Formel beschreibt eine Wellengruppe, die zum Zeitpunkt t = 0 bei x = 0 startet
und zur Zeit t = x / c den Beobachtungsort x erreicht. Sie bietet das Bild eines exponentiell gedämpften Wellenzugs, dessen Amplitude nach der Länge l = 2τc auf 1/e
abgesunken ist. Bringen wir eine solche Wellengruppe im Michelson-Interferometer
mit einem zeitlichen Versatz von t' mit sich selbst zur Interferenz, so interferiert eine
Amplitude A mit einer Amplitude A' die bereits um den Faktor e –t / 2τ abgefallen ist (s.
Abb. 8)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
182
Abb. 8: Skizze zum Abklingen der Interferenz zweier um t' gegeneinander verzögerter, exponentiell gedämpfter Amplituden
Folglich fällt auch der Interferenzkontrast, d.h. die Differenz zwischen konstruktiver
und destruktiver Interferenzintensität wie e -t' / 2τ ab:
K (t') ∼ (A + A')2 - (A - A')2 = 4 AA' = 4 A2 e -t' / 2τ .
(37)
Die Kohärenzzeit würde man in diesem Fall als tk = 2τ definieren, bei der der Kontrast auf ein 1/e des ursprünglichen Wertes abgeklungen ist.
Welche spektrale Breite gehört zu einer solchen gedämpften Schwingung? Aus der
Schwingungslehre wissen wir, dass ein gedämpfter Schwinger mit der Resonanzfrequenz ω0 und der Dämpfungskonstante τ bei erzwungener Anregung mit der
Frequenz ω eine resonante Leistungsaufnahme mit der Frequenzabhängigkeit
P(ω ) =
P(ω0 )
1 + 4(ω − ω0 ) 2τ 2
(38)
hat. Sie heißt Lorentz-Kurve (s. Abb. 9) und fällt im Abstand
⎢ω - ω0⎟ = 1 / 2τ
(39)
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
183
auf die Hälfte des Spitzenwerts P (ω0) ab (s. Otten, Kap. 11.4). Das reemittierte
Leistungsspektrum eines Hertzschen Dipols muss aber gleich dem absorbierten sein.
Folglich erwarten wir für Spektrallinien die Form eines Lorentzprofils, die so genannte
natürliche Linienform. Die volle Halbwertsbreite Δω = 1/τ wäre bei einer typischen
Lebensdauer von 10-8 s gleich 108/s ≈ 2π ⋅ 15MHz. Sie ist also sehr klein im
Verhältnis zu einer optischen Resonanzfrequenz von typisch 5 ⋅ 1014Hz.
Abb. 9: Lorentz-Kurve mit voller Halbwertsbreite Δω = 1 / τ; sie ist die so genannte
„natürliche“ Linienform einer Spektrallinie. τ ist die mittlere Lebensdauer des
angeregten Zustands
2
Dopplerbreite einer Spektrallinie
Tatsächlich beobachtet man in der Regel ca. 100mal breitere Spektrallinien, die auch
nicht Lorentz-, sondern Gaußförmig sind. Das rührt daher, dass die strahlenden
Atome in schneller thermischer Bewegung sind und daher die abgestrahlte Frequenz
vom Beobachter mit der Dopplerverschiebung
ν - ν0 = δν = ν0v / c
(40)
beobachtet wird; v ist die Relativgeschwindigkeit zwischen Emitter und Empfänger.
Diese Relativgeschwindigkeit folgt aber einer Gaußförmigen Maxwell-Verteilung, die
auch das so genannte Dopplerprofil einer Spektrallinie prägt
dI dI(ν 0 ) − (ν −ν 0 ) 2 mc 2 / 2ν 02 kT
=
e
dν
dν
(41)
184
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
(m = Molekülmasse, k = Boltzmann-Konstante, T = absolute Temperatur, s. auch
Abb. 10). Im Abstand
ν −ν 0 =
ν0
c
2kT / m
(42)
von der Zentralfrequenz fällt sie auf 1/e ab.
Setzt man Zahlen ein, so ergibt sich hierfür ein Wert in der Größenordnung von
109 Hz. Das würde einer Kohärenzlänge von 30 cm entsprechen, immer noch sehr
groß gegenüber den wenigen Millimetern, die das Michelson-Interferometer im Praktikum überstreichen kann. Wir verwenden daher eine Quecksilberhöchstdrucklampe.
Hier sind die Spektrallinien des Quecksilbers durch eine extrem hohe Zahl von gaskinetischen Stößen der strahlenden Quecksilberatome mit den Atomen eines höchst
verdichteten Edelgases noch einmal stark verbreitert, so dass die Kohärenzlänge auf
weniger als ein Millimeter schrumpft.
ν-ν0=
Abb. 10: Dopplerprofil einer Spektrallinie
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
185
Versuch
Zu Ihrer Sicherheit:
Die verwendeten Lichtquellen können bei unsachgemäßer Handhabung eine Gefahr
darstellen. Den Anweisungen des Assistenten ist in jedem Falle Folge zu leisten.
Konkrete Gefahren sind:
Der Laser: Ein Laserstrahl ist eine stark gebündelte, sehr intensive Form von
Energie. Um eine Schädigung des Auges zu vermeiden, darf ein Laser
niemals (!) in Augenhöhe betrieben werden, und sein Strahl darf weder
direkt noch reflektiert ins Auge treffen können! Am Körper getragene
Gegenstände, die beim Greifen durch den Strahl Reflexe unkontrolliert
ins Auge lenken können, sind abzulegen (Armbanduhren, Schmuck
etc.). Fragen Sie Ihren Betreuer nach den Gefahren und Verhütungsmaßnahmen im Umgang mit Lasern.
Die Quecksilberspektrallampen: Diese Lampen enthalten einen hohen Anteil an
UV-Strahlung, die das Auge bei intensiver Einwirkung schädigen kann.
Aufgabe 1 zur häuslichen Vorbereitung:
Man schätze den Durchmesser des ersten Interferenzrings nach dem zentralen
Maximum des Ringsystems ab für:
eine Wellenlänge von 500 nm,
einen Unterschied der Armlängen L2 - L1 = 1 mm,
eine Entfernung der Beobachtungsebene von der Lichtquelle von 2 m.
Für Aufgabe 3 wird eine Diskette benötigt!
186
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Aufgabe 2: Messung der Wellenlänge des HeNe-Lasers mit dem MichelsonInterferometer
Merke: Entscheidend für das Gelingen optischer Versuche sind die richtige, dem
Problem gut angepasste Auswahl der Komponenten und ihre planmäßige und sorgfältige Justierung.
Zu Beginn des Versuches sind in der Regel der HeNe-Laser und das Interferometer
bereits an den entgegengesetzten Enden der optischen Bank montiert. Man baue
den Strahlengang nach Abb. 11 wie folgt auf:
Abb. 11: Strahlengang zwecks Messung der Wellenlänge eines HeNe-Lasers. (Die
Lochblende wird erst zuletzt zur Demonstration des rückreflektierten Ringsystems benötigt).
•
Man prüfe, ob der Laserstrahl die Interferometerspiegel mittig trifft und justiere
gegebenenfalls nach.
•
Die beiden Spiegel erzeugen seitlich auf der Zimmerwand zwei Reflexe, die man
durch Justieren des einen Spiegels mittels zweier Stellschrauben sorgfältig zur
Deckung bringe.
•
Rückreflex des Interferometers durch Schwenken des Interferometertischs knapp
neben das Austrittsfenster des Lasers richten. Der Strahleinfall erfolgt dann auf
der optischen Achse unter 45° zum Strahlteiler bzw. 90° zum Spiegel.
•
Mit einer kurzbrennweitigen Linse den Laserstrahl vor dem Interferometer auffächern und Interferometerspiegel damit gut ausleuchten. Das kann man mit
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
187
einem Stück Papier als Schirm kontrollieren. Auf der Wand erscheint jetzt ein
großer Lichtfleck, der auch bei schlecht justiertem Interferometer kräftige Interferenzmuster zeigt.
•
Durch Feinjustage Interferenzmuster zum Ringsystem formen und zentrieren.
•
Messung der Laserwellenlänge: Bei Verschieben des Spiegels mittels
Mikrometerschraube wechseln im Zentrum des Ringsystems periodisch Helligkeit
und Dunkelheit. Man bestimme die für 10, 20, 30, ... 100 Perioden notwendige
Verschiebung des Spiegels. Ein Skalenteil auf dem Umfang der Mikrometerschraube entspricht einem Vorschub von 10 μm, der durch den Hebel am Spiegel
noch einmal um einen Faktor 10 untersetzt ist.
•
Achtung: Mikrometerschrauben haben einen toten Gang! Erst wenn dieser über-
wunden ist, mit der Zählung beginnen!
•
Auswertung: Berechnung der Laserwellenlänge aus den Messdaten mit Fehler-
rechnung
Komplementäres Ringsystem: Man stelle eine Lochblende in den Fokus der Linse
und beobachte auf ihrer weißen Rückseite das rückreflektierte Ringsystem. Man
überzeuge sich, dass es gegenphasig zum seitlich reflektierten ist.
Dichteschwankungen: Die Bodenplatte des Interferometers ist mit einer Bohrung
versehen. Halten Sie die Flamme eines Feuerzeugs in mindestens 5 cm Entfernung
unter dieses Loch und beobachten Sie die Veränderung der Interferenzmuster.
Qualitative Beschreibung und Erklärung der Veränderungen im Interferenzmuster.
Aufgabe 3: Messung der Kohärenzlänge einer Quecksilberhöchstdrucklampe
Man wechsle zum 2. Interferometertisch. Im Einzelnen:
•
Montieren Sie die Hg-Höchstdrucklampe auf den schwenkbaren Arm der optischen Bank in gleicher Höhe wie das Interferometer.
•
Die Lampe enthält einen eingebauten Kondensor, mit dem man sie möglichst hell
auf einen Spalt fokussiere.
188
•
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Das aus dem Spalt austretende Lichtbündel wird mit dem kurzbrennweitigen
Achromatobjektiv parallelisiert; dazu suche man auf der gegenüberliegenden
Wand ein scharfes Bild des Strahls. Aufgrund der sehr großen Bildweite entspricht dies nahezu einem parallelen Bündel.
Abb. 12: Strahlengang zur Messung der Kohärenzlänge von Spektrallinien einer Hg-
Höchstdrucklampe (1). Die übrigen Elemente sind: Kondensorlinsen (2), Wärmeschutzfilter (3), justierbare Spalte (4), Achromat mit f = 5 cm (5), Beugungsgitter (6),
Linse mit f = 10 cm (7), Irisblende (8), Michelson-Interferometer (MI), Spiegelantrieb
(9), Photodiode (10), Rechner mit Eingangsverstärker und Datenwandlerkarte (PC).
•
Man stelle das Beugungsgitter in den parallelen Strahlengang über den Drehpunkt der optischen Bank.
•
Kurz hinter das Gitter montiere man die längerbrennweitige Linse (7) und
refokussiere das durchtretende Licht auf einen zweiten Spalt. Durch Schwenken
des Arms kann man die einzelnen Spektrallinien auswählen. Man wähle etwa
gleiche Breiten bei Ein- und Austrittsspalt. Mit einer zusätzlichen Irisblende kann
man auch die Höhe des Spalts begrenzen zwecks leichterer Justage des Interferometers (vgl. Kap. 1.8, letzter Absatz).
•
Man prüfe mit einem Stück Papier, ob das Interferometer gut ausgeleuchtet ist
und verschenke kein Licht durch zu lange Strahlengänge. Gegebenenfalls
Strahlengang nachjustieren.
•
Interferometer auf gleiche Armlänge fahren und mit Hilfslaserstrahl vorjustieren.
Dann durch Feinjustage Ringsystem suchen und optimieren.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
189
•
Man beginne die Messungen mit der grünen, der hellsten Spektrallinie.
•
Man verfahre das Interferometer nach beiden Seiten aus der Nulllage und notiere
die Positionen, bei denen der Kontrast dem Augenschein nach verschwindet. Man
berechne daraus einen Schätzwert für die Kohärenzlänge.
•
Man fixiere die Photodiode mit Hilfe eines Magneten auf der Leinwand aus Eisenblech und schließe sie an die Eingangselektronik des PC an.
•
Interferometer jenseits der Kohärenzlänge fahren. Von dort aus mit dem PC vollständiges Interferogramm über den ganzen Kohärenzbereich hinweg aufnehmen,
zunächst für die grüne danach für die gelbe Spektrallinie. Die Bedienungsanleitung kann im PC aufgerufen werden.
•
Im Intervall gut sichtbarer Kontraste bestimme man die Wellenlänge der grünen
und der gelben Spektrallinie durch Abzählen der Interferenzmaxima als Funktion
der Mikrometerstellung.
•
Versuchen Sie, bei der grünen Spektrallinie die Spalte so eng wie möglich zusammenzufahren und ein Interferogramm aufzunehmen. Hat sich die Kohärenzlänge
geändert?
•
Der PC enthält eine Routine zur Fouriertransformation. Konvertieren Sie damit die
gemessenen Interferogramme in die zugehörigen Spektren.
•
Bei der Auswertung muss die Frequenzskala der Spektren umkalibriert werden.
Hierzu muss die Echtzeitskala, mit der der PC das Interferogramm aufgenommen
hat, in eine Skala des Laufzeitunterschieds t' in den beiden Interferometerarmen
umgerechnet werden. Das Synchrongetriebe hat eine Umdrehungszahl von
1/Minute. Auch hier entspricht ein Skalenteil auf dem Umfang der Mikrometerschraube einem effektiven Vorschub des Spiegels von 1 μm.
•
Diskussion: Man vergleiche die von Augenschein bestimmte Kohärenzlänge mit
der Rechnerauswertung und diskutiere die Ergebnisse. Vergleichen Sie die gemessenen Wellenlängen mit den in Abb. 13 angegebenen.
•
Das Versuchsprotokoll muss neben den wichtigsten Formeln und Messergebnissen folgende Diagramme enthalten: vollständigen Strahlengang mit allen
Komponenten einschließlich Brennweiten etc. für beide Aufbauten,
Rechnerausdruck der Messkurven und berechneten Spektren.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
190
Linienspektrum einer Quecksilberhöchstdrucklampe
100
547nm
90
relative spektrale Intensität
80
70
577nm
579nm
60
50
40
30
20
10
0
250
300
350
400
450
500
550
600
Wellenlänge in nm
Abb. 13: Linienspektrum von Quecksilber.
650
700
750
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
191
Bedienungsanleitung PC-Auswertung
zum Michelson-Interferometer (für Origin 6 DE(ZDV Version))
Diese Bedienungsanleitung soll Ihnen helfen die Datenaufnahme mit Visual Designer
sowie die Datenauswertung mit Origin für Aufgabe 3 Durchzuführen.
Alle verwendeten Programme wurden auf den Desktop gelegt. Zur Auswertung ist es
möglich Origin mit dem Uni-Account im Zip Pool zu Nutzen!
Datenaufnahme mit Visual Designer:
•
•
•
•
Starten Sie das Programm „Michelson“.
Zur Datenaufnahme den Knopf „Speicherung starten“ drücken. Während die
Daten aufgenommen werden läuft ein Timer mit.
Die Datenaufnahme wird durch drücken des gleichen Knopfes, der jetzt mit
„Speicherung beenden“ beschriftet ist, beendet.
Die
Daten
werden
im
ASCII-Format
abgespeichert
unter
C:\user\michelson\daten. Nach jeder Datenaufnahme muss dieses File umbenannt werden, da es sonst bei einer erneuten Datenaufnahme überschrieben
wird.
Datenauswertung mit Origin:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Zeichnen der aufgenommenen Daten
Daten in Worksheet einlesen
Datei→Import→ASCII Optionen
„Spaltenzahl“ auf 2 setzen und den Knopf „Jetzt Importieren” drücken
Datenfile laden
Neue Spalte einfügen
Mit der Maus innerhalb des Worksheets rechts neben die beiden Spalten
fahren und rechten Mausknopf drücken.
„Neue Spalte...“ wählen
Die neue Spalte soll die Werte für (2nΔL)/c enthalten. Dazu muss die Echtzeitskala in diesen Wert umgerechnet werden. Überlegen Sie sich den
Umrechnungsfaktor. Die Echtzeit in Spalte A(X) ist in ms angegeben, der
Schrittmotor macht eine Umdrehung der Mikrometerschraube pro Minute.
Führen Sie die Umrechnung durch.
Gehen Sie mit dem Mauszeiger auf das Feld „C(Y)“ und drücken Sie die
rechte Maustaste.
Wählen sie „Spaltenwerte errechnen....“.
Geben Sie die Umrechnungsformel ein und drücken Sie „OK“.
192
•
•
•
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Zeichnen Sie Ihre aufgenommenen Daten mit der neu berechneten Spalte als
x-Achse.
Zuerst müssen Sie dem Programm sagen, dass er die neue Spalte als xWerte benutzen soll. Dazu wieder mit der Maus auf das Feld „C(Y)“ fahren
und rechte Maustaste drücken. „Setzen als→X“ wählen.
Zum Zeichnen die Spalte „B(Y)“ markieren und rechte Maustaste drücken.
„Zeichnen→Liniendiagramm“ wählen.
Der Zeichenbereich kann z.B. durch einen Doppelklick auf die x-Achse oder die yAchse verändert werden. Es öffnet sich ein Fenster mit verschiedenen Karteikarten,
hier kann zum einen die „Skalierung“ oder die „Beschriftung Hilfsstriche“ der Achse
verändert werden. Am Besten für „Format“ Wissenschaftlich einstellen. Durch Doppelklick auf die Kurve sollte die „Linienbreite“ auf 0.2 eingestellt werden. Der Unterschied ist auf dem PC wahrscheinlich nicht zu sehen, aber die Qualität des Ausdrucks verbessert sich.
Durchführen der Fouriertransformation:
•
Zum Durchführen der Fouriertransformation benötigt der PC ein „Abtastintervall“. Dieses gibt den Abstand (auf der x-Achse) von einem Datenpunkt zum
nächsten an. Die Datenaufnahme wird mit einem „Abtastintervall“ von 23ms in
der Echtzeitskala durchgeführt. Diese Zeit muss in den Laufzeitunterschied t’
umgerechnet werden. Führen Sie die Umrechnung durch.
•
Führen Sie die Fouriertransformation durch.
•
Markieren Sie die Spalte „B(Y)“
•
Wählen Sie „Analyse→FFT...“
•
Fehlermeldung mit „OK“ bestätigen
•
Wählen Sie die Karteikarte „Eigenschaften“ aus und geben sie das berechnete
„Abtastintervall“ ein
(Eingabeformat: x.xxxxE-xx!)
•
Blättern Sie wieder um zu „Operation“ und drücken Sie „OK“.
•
Die Zeichnung wie oben beschrieben nachbearbeiten.
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
193
Laserschutzklassen
Einfache Übersicht über die Klassen kontinuierlicher Laser
im Sichtbaren. Die Leistungen geben die maximal zugängliche
Strahlung (MZS) (zwischen 1000 und 30000 s).
Leistungsgrenze im
Sichtbaren
Kurzbeschreibung:
Laserklasse
Kurzbeschreibung:
Schutzmaßnahmen
1
0,39 μW
Diese Laser sind ungefährlich.
Bestrahlung von Haut und Augen verursacht keine Schäden.
Keine
2
1 mW
Diese Laser gelten bei einer
Bestrahlung bis zu 0,25 s als
ungefährlich. Die Klasse ist
nur im Sichtbaren definiert.
Abwehrreaktion,
Lidschlußreflex
3A
5 mW
Strahl ist aufgeweitet. Gefahr
im Sichtbaren wie bei Klasse 2,
sonst wie bei Klasse 1. Ohne
Strahleinengung (z. B. Fernrohr)
also gefahrlos, im Sichtbaren
nur bis 0,25 s.
Keine Einengung
des Strahles,
Abwehrreaktion,
Lidschlußreflex
3B
0,5 W
Lasersysteme mittlerer Leistung, Gefahr für Auge und evtl.
Haut. Diffuse Streustrahlung
bis 10 s ab 13 cm Entfernung
ungefährlich.
Abschirmung,
Laserschutzbrille
4
über 0,5 W
Laser hoher Leistung. Große
Gefahr für Auge und Haut.
Diffuse Streustrahlung gefährlich. Erhöhte Brandgefahr.
Abschirmung,
Laserschutzbrille,
evtl. Hautschutz
Laserklasse
194
Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler - Teil II
Schädigung durch Laserstrahlung
Einwirkung auf das Auge
10 6
+ Laser
1W
Laser
1 mW
10 2
20 kW Xe-Lampe
+
Retinaschädigung
(10 s)
Sonne
1
10 -2
Lichtbogen
(Schweißen) max. Bestrahlung (10 s)
Wo-Faden (Glühl.)
Glühlampe
10 -4
10 -6
Tageslicht
Kerze
10 -10
0,01
3
TV
Tageslicht
(innen)
10 -8
2
4
5
6
7
0,1
1
10
Bildgröße auf der Retina (mm)
Bestrahlungstärke auf der Netzhaut für einige
ausgedehnte Lichtquellen
Pupillendurchmesser (mm)
Absorbierte Strahlung an der Netzhaut (W / cm²)
10 4
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