PDA – Segen oder Fluch für die Frau - BFH: Gesundheit

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PDA –
Segen oder Fluch
für die Frau ?
Anna Margareta Neff Seitz
Berner Fachhochschule Gesundheit
Hebammen
2007
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung
2
1.1
1.2
1.3
Problemstellung
Zielsetzung
Vorgehen
2
3
3
2.
Sinnvoller Einsatz der Periduralanästhesie während der Geburt
4
2.1
2.2
2.3
2.4
2.4.1
4
4
5
8
2.4.2
2.4.3
2.4.4
2.5.
2.6.
Geburtsschmerz
Geschichtlicher Rückblick der Periduralanästhesie
Was ist eine Periduralanästhesie?
Einfluss der Periduralanästhesie
Einfluss der Periduralanästhesie auf den Geburtsverlauf
und mögliche Massnahmen
Einfluss der Periduralanästhesie auf den Entbindungsmodus
Einfluss der Periduralanästhesie auf das Fetale Outcome
Kurz- und Langzeitfolgen der Periduralanästhesie
Positive und negative Aspekte des Einsatzes der Periduralanästhesie
Fazit
8
10
10
11
14
15
3.
Beratung zur Entscheidungsfindung der Periduralanästhesie
16
3.1
3.2
3.3
Hebammenrelevante Aspekte in der Beratung
Beratungsschwerpunkte der Periduralanästhesie
Fazit
16
18
19
4.
Schlussfolgerungen
20
5.
Literaturverzeichnis
22
Anhang
1
1.
Einleitung
1.1
Problemstellung
Die Geburt bedeutet für die Frauen häufig eine Grenzerfahrung und ist ein einschneidendes
und prägendes Erlebnis. Die Wehen werden von den meisten Frauen als sehr schmerzhaft
empfunden. Dabei ist die individuelle Schmerzgrenze von Frau zu Frau verschieden, geprägt
durch die jeweilige Kultur und die persönliche Einstellung. In den letzten Jahren wurden in der
medikamentösen Behandlung von Geburtsschmerz grosse Fortschritte erzielt. Die gemäss
Hundelshausen und Hänel (2004) wirksamste pharmakologische Methode ist die
Periduralanästhesie, kurz PDA genannt. Sie ist die am häufigsten verwendete Methode der
regionalen Analgesie. Dabei wird der Frau ein Lokalanästhetikum in den rückenmarksnahen
Epiduralraum injiziert. Dieses breitet sich in das Rückenmark aus und blockiert die Übertragung
von Nervensignalen.
Persönlich wurde ich erstmals bei der Geburt meines ersten Kindes mit dem Thema der
Periduralanästhesie konfrontiert. Nach zweitägiger schmerzhafter Latenzphase ohne Schlaf und
einem Geburtsstillstand bei einer Muttermundseröffnung von 4 cm war ich völlig entkräftet und
an meine Schmerzgrenze gekommen. Mit meiner damaligen Einstellung der unbedingten
natürlichen Geburt schlug mir die Hebamme eine Periduralanästhesie vor, mit dem Ziel der
Erholung, Entspannung und Verschnaufpause. Ich wehrte mich vehement, kämpfte mich durch
die Wehen, die unerträglich schienen. Der Geburtsverlauf zog sich über Stunden hinweg. In der
Austreibungsphase hatte ich kaum mehr Kraft für die Presswehen und die Geburt wurde
schliesslich mittels Forceps beendet. Das Ganze erlebte ich als sehr traumatisch. Im
Nachhinein habe ich mir oft die Frage gestellt, ob durch den Einsatz einer PDA dieser
Geburtsverlauf und vor allem die Forcepsentbindung vermeidbar gewesen wäre.
In der Praxis erlebe ich den Umgang mit der Periduralanästhesie sehr zwiespältig. Einerseits
wird der physiologische Verlauf der Geburt so lange als möglich unterstützt. Andererseits
kommen Frauen sehr oft an ihre Schmerzgrenze, lehnen sich gegen jede Wehe auf, der
Schmerz wird für sie unerträglich. Da bietet sich die PDA als wirksame Alternative an. Zudem
kann in der heutigen Geburtshilfe die Tatsache nicht negiert werden, dass sich die Einstellung
zum Schmerz in unserer Gesellschaft verändert hat. Schmerz ist behandelbar. Wir sind uns
nicht mehr gewohnt, Schmerzen „zu ertragen“ und das Wissen, dass es eine Möglichkeit gibt,
diesen Schmerz auszuschalten, verändert die Einstellung zum Geburtsschmerz sowohl der
Gebärenden wie auch der Betreuenden.
Im Umgang mit Geburtsschmerz spricht Leap (2003) vom „Paradigma der
Schmerzbekämpfung“ und vom „Paradigma der Arbeit mit dem Schmerz“. Die Kultur der
Schmerzbekämpfung als unabdingbaren Bestandteil jeder Geburt mit der Idee, dass in der
heutigen Zeit keine Frau mehr die „barbarischen“ Schmerzen einer Geburt durchmachen
müsse, stellt sie einem neuen Umgang mit dem Geburtsschmerz gegenüber. Der
Geburtsschmerz wird als Teil des Geburtsprozesses angesehen und akzeptiert. Um den
Schmerz aktiv angehen zu können, brauchen Frauen Handwerkzeug und Unterstützung. Eine
wichtige Aufgabe der Hebamme ist es, den Frauen zu ermöglichen, ihre Ressourcen bereits in
der Schwangerschaft zu entdecken und die Erkenntnis zu vermitteln, dass der Schmerz der
Geburt salutogen ist, das heisst, die Gesundheit von Mutter und Kind verbessert (Schmid
2005). Dem gegenüber steht die Ansicht, dass der Schmerz an und für sich keinerlei positive
Funktion erfüllt. Die Stresshormone führen bei der Frau zu hohem Blutdruck, Hyperventilation,
Tachycardie und Angstzuständen, was sich auch auf das Neugeborene auswirkt. Die
Schmerzbehandlung ermöglicht es den Frauen, das Geschehen weniger erschöpft
wahrzunehmen (Azoulay 2002). Das Thema der Sinnhaftigkeit des Geburtsschmerzens ist bei
der Betreuung einer Frau sehr zentral und daher auch bei der Diskussion über eine sinnvolle
Nutzung der Periduralanästhesie. Der Einbezug dieses Themas würde den Rahmen dieser
Diplomarbeit sprengen und ich werde auf diesen Aspekt nicht vertieft eingehen.
In den letzten Jahren ist die PDA-Rate kontinuierlich angestiegen. In Frankreich wird bei
Geburtsbeginn die Periduralanästhesie ganz selbstverständlich angeboten und etwas 70% der
Frauen nehmen sie in Anspruch (Steffen et al. 2005). In Deutschland erhält mehr als die Hälfte
der Frauen eine PDA. In der Schweiz gibt es dazu keine offizielle Statistik, da es laut
Bundesamt für Statistik in Neuenburg für die Erfassung der Periduralanästhesie erstens keinen
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speziellen Code gibt (sie wird stattdessen mit Spinalanästhesie kodiert) und zweitens
sogenannte Routinemassnahmen überhaupt nicht kodiert werden müssen.
Die Hebammen werden vermehrt mit dem Thema des sinnvollen Einsatzes der
Periduralanästhesie konfrontiert, ebenso mit der Beratung. Viele Frauen sind verunsichert. Sie
haben von der Periduralanästhesie gehört – negatives wie positives – und sind in der
Entscheidungsfindung unschlüssig. Hier sehe ich eine wichtige Aufgabe der Hebamme, der
Frau eine professionelle Beratung und Unterstützung bieten zu können, basierend auf einem
breiten Wissen um den sinnvollen Einsatz der PDA.
1.2
Zielsetzung
Ziel der Arbeit ist es, Grundlagenwissen über den Einsatz der Periduralanästhesie zu
erarbeiten, basierend auf Evidenced based Medicine. Ein weiteres Ziel ist die Befähigung, die
Frau/das Paar in ihrer Entscheidungsfindung umfassend zu beraten.
Nicht behandelt werden, wie bereits erwähnt, das Thema der Sinnhaftigkeit des Geburtsschmerzes, alternative und andere medikamentöse Schmerzbehandlungen während der
Geburt, sowie die hebammenspezifische Betreuung der Frau während der Geburt mit einer
Periduralanästhesie.
1.3
Vorgehen
Ich werde zuerst auf den Geburtsschmerz, die Physiologie der Schmerzleitung und die
geschichtliche Entwicklung der geburtshilflichen Anästhesie eingehen. Wirkungsmechanismen,
Indikationen, Durchführung, Komplikationen und verwendete Medikamente bei einer PDA
werden vorgestellt. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt bei den Auswirkungen der
Periduralanästhesie. Ausgehend von den Erfahrungen und Problemen, die in der Praxis
vorhanden sind, wird anhand verschiedener Studien und Fachartikeln der Einfluss der PDA auf
Geburtsverlauf, Entbindungsmodus, Fetales Ouctome, Kurz- und Langzeitfolgen aufgezeigt und
ausgewertet. Ein zweiter Schwerpunkt der Arbeit liegt bei der Beratung der Frauen. Anhand des
Beratungskonzeptes zu „informed choice“ von Brailey (2005) werden Elemente einer
professionellen und umfassenden Beratung in der Entscheidungsfindung der Periduralanästhesie ausgearbeitet.
Für die vorliegende Arbeit ergeben sich somit folgende Fragestellungen:
• Unter welchen Umständen ist der Einsatz der Periduralanästhesie während der Geburt
sinnvoll?
• Wie sieht eine umfassende Beratung aus, damit eine Frau selbständig und eigenverantwortlich über die Anwendung der Periduralanästhesie entscheiden kann?
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2.
Sinnvoller Einsatz der Periduralanästhesie während der Geburt
2.1
Geburtsschmerz
Schmerz wird als sinnvolle biologische Reaktion des Organismus angesehen und dient als
Warnsignal. Die eigentliche Aufgabe des Schmerzes ist der Schutz und die Erhaltung des
menschlichen Lebens, indem er die Aufmerksamkeit des Menschen auf seinen Körper und
dessen Geschehen lenkt. Der Geburtsschmerz ist ein wichtiger Bestandteil der Geburt und
veranlasst die Gebärende, sich adäquat zu verhalten. Das Schmerzerleben ist geprägt vom
Schmerzverständnis, der Schmerztoleranz und dem individuellem Schmerzempfinden. Die
Einstellung zum Geburtsschmerz ist auch kulturell bedingt. Die westliche Kultur ist durch eine
starke Kontrolle der eigenen Gefühle und Äusserungen geprägt. Dies hat eine grosse Angst vor
Kontrollverlust zur Folge, was es den Frauen erschwert, sich auf den Wehenschmerz
einzulassen (Mertens u. Wehling 2003).
Physiologie der Schmerzleitung
Querschnitt durch das Rückenmark (Steffen et al. 2005)
Vom Uterus kommend führen Nervenbahnen (rot) über das Spinalganglion in die Substantia
gelatinosa (grau) im Hinterhorn des Rückenmarks. Hier entsteht eine Querverbindung zu
anderen sensorischen Reizen wie Tastsinn, Temperatur- und Druckwahrnehmung (schwarz
gestrichelt). Der Schmerz wird durch die Nervenbahnen auf die gegenüberliegende Körperseite
geleitet und zieht weiter zum Hirnstamm und Thalamus und in die Grosshirnrinde. Durch
absteigende Nervenbahnen (rot gestrichelt), die von Hirnrinde und Zwischenhirn kommen, wird
der Schmerz beeinflusst. Die Nervenbahnen enden in den Neuronen der Substantia gelatinosa,
welche Endorphine und Enkephaline freisetzen. Diese körpereigenen Botenstoffe vermindern
die Weitergabe des Schmerzreizes der aufsteigenden Nervenbahnen, da sie eine morphinähnliche Wirkung haben (Steffen et al. 2005).
2.2
Geschichtlicher Überblick der geburtshilflichen Anästhesie
Die pharmakologische Schmerzbekämpfung in der Geburtshilfe geht zeitlich weit zurück.
Bereits in frühen chinesischen Schriften ist gemäss Enkin et al. (2006) der Einsatz von Opiaten
zu finden. In der persischen Literatur wird das Trinken von Wein erwähnt. Im europäischen
Mittelalter wurde Wein, Bier und Weinbrand verabreicht.
1847 wurde vom schottischen Geburtshelfer J. Simpson erstmals die Äthernarkose bei einer
Geburt eingesetzt. 1881 führte Klikovich in St. Petersburg Lachgas (N2O, Stickoxidul) zur
Inhalationsanalgesie ein. Dieses kam in der Geburtshilfe längere Zeit zur Anwendung. In der
Lokal- und Regionalanästhesie sind seit längerem verschiedene Verfahren bekannt. Kokain
wurde zur Oberflächenanästhesie des Geburtswegs durch Einstreichen oder Beträufeln der
Schleimhaut eingesetzt. Die Spinalanästhesie wurde erstmals um 1900 in der Geburtshilfe
angewandt. Einige Jahre später wurde der Pudendusblock beschrieben, kurz darauf die Sakraloder Kaudalanästhesie, eine Vorstufe der Periduralanästhesie, von Stoeckel in Marburg zum
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erstenmal angewandt. Die lumbale Periduralanästhesie fand erst nach Anwendung des
Stempeldruckverfahrens zur Identifizierung des Periduralraumes eine grössere Verbreitung und
wurde ab 1944 von Anselmino eingesetzt (Mertens u. Wehling 2003). Durch die Entdeckung
von spinalen Opioidrezeptoren in den achtzigern Jahren konnten Opioide gezielt epidural
verabreicht werden. Seither entwickelte sich die Periduralanalgesie stark weiter. Heute werden
Lokalanästhetika mit Opioiden kombiniert und die Nebenwirkungen können so reduziert
werden. Durch Anwendung der Kathetermethode, die eine Dosierung nach Wirkung und
subjektivem Bedarf ermöglicht, hat die PDA heute einen festen Platz in der Geburthilfe (Thom
2004).
2.3
Was ist eine Periduralanästhesie?
Prinzip
Laut Hundelshausen und Hänel (2004)
wird bei einer Periduralanästhesie,
kurz PDA genannt, ein Lokalanästhetikum oder eine Kombination
aus einem Lokalanästhetikum und
einem Opioid in den Epiduralraum
(auch Periduralraum genannt),
injiziert. Das Lokalanästhetikum
breitet sich vom Epiduralraum in das
Rückenmark aus, wo es die Übertragung von Nervensignalen blockiert.
Die häufigste Methode ist die lumbale
kontinuierliche Periduralanästhesie mit
Katheter.
Schematische Darstellung des Wirbelkanals:
Periduralraum (rot), Liquorsack (grau)
Der Periduralraum liegt zwischen dem
Ligamentum flavum und der Dura (harte
Rückenmarkshaut, d.h. vor dem liquorgefüllten Duralsack (Steffen et al. 2005).
Wirkung und Anwendung
Bei 80% der Gebärenden kann eine vollkommene Analgesie während den Uteruskontraktionen
erreicht werden. Bei 10-15% wird eine deutliche Erleichterung der Wehenschmerzen erreicht.
Es ist möglich, dass die Analgesie nur einseitig wirkt und so der volle Wehenschmerz auf der
anderen Seite gespürt wird oder in der Austreibungsphase keine ausreichende perineale
Analgesie vorhanden ist. 5% der Frauen verspüren im Rücken, an den Flanken oder im
Abdomen ein unangenehmes schmerzhaftes Druckgefühl, manchmal sogar konstant
anhaltende Rückenschmerzen auch während der Wehenpausen (Hundelshausen u. Hänel
2004).
Betreffend den idealen Zeitpunkt der PDA-Anlage gibt es in der aktuellen Literatur verschiedene
Meinungen. Für Beck und Robinson et al. (1996, zitiert nach Hundelshausen u. Hänel 2004) ist
der günstigste Zeitpunkt, eine PDA zu legen, wenn die Wehen regelmässig und stark sind, der
vorangehende Teil des Kindes im Beckeneingang eingestellt ist und der Muttermund
mindestens 3 cm dilatiert hat. Krause und Struck (2005) machen den Zeitpunkt der PDA-Anlage
abhängig vom geburtshilflichen Befund und der Schmerzempfindungsintensität der Gebärenden. So erscheint ihrer Meinung nach eine PDA unterhalb von 2 cm Muttermundseröffnung
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wenig sinnvoll. Eine PDA-Anlage < 5 cm, respektive > 5 cm hat aber keinen Einfluss auf die
Häufigkeit von Einstellungsanomalien, die in einer sekundären Sectio enden können. Dem
widerspricht die Aussage, dass nur bei denjenigen Frauen, die bereits früh eine PDA erhielten,
die Rate vaginal-operativer Geburten angestiegen ist. So ist möglicherweise der Zeitpunkt des
Legens der PDA von Bedeutung. Bisher gibt es jedoch keine randomisierten Studien zu diesem
Thema (Enkin et al. 2006).
Indikationen
Gründe für das Legen der Periduralanästhesie können subjektiv starke Schmerzen der Frau,
der ausdrückliche Wunsch der Gebärenden, eine protrahierte Eröffnungs- und Austreibungsperiode (zerviale Dystokie), ein mütterliches Risiko (schwangerschaftsinduzierte Hypertonie,
Herzerkrankungen, Diabetes mellitus) oder ein fetales Risiko (Frühgeburt, Plazentainsuffizienz),
die Leitung der vaginalen Geburt bei Beckenendlage oder eine Sectio sein (Mertens u. Wehling
2003).
Kontraindikationen
Von der Periduralanästhesie abzusehen ist, wenn die Gebärende die PDA ablehnt, wenn sich
die Frau nicht kooperativ zeigt, oder wenn eine Störung der Blutgerinnung (Thrombozytopenie,
Aspiringabe), eine Allergie auf das Lokalanästhetikum, eine Erkrankung des Zentralnervensystems oder ein Wirbelsäulenschaden vorliegt. Weiter soll verzichtet werden, wenn eine
Infektion im Punktionsgebiet, eine Allgemeininfektion oder ein manifestes Amnioninfektsyndrom
besteht (Mertens u. Wehling 2003).
Vorbereitung der Durchführung
Voraussetzung für die Durchführung einer PDA ist die Bereitstellung von Intubationsbesteck,
Notfallmedikamente und Beatmungsmöglichkeit. Die Gebärende bekommt 500 ml Elektrolytlösung innerhalb 20-30 Minuten infundiert, da nach einer PDA eine Anfälligkeit für arterielle
Blutdruckabfälle besteht. Zur Punktion wird die Frau auf die linke Seite oder gebeugt sitzend
gelagert. Eine lückenlose CTG-Überwachung soll angestrebt werden (Hundelshausen u. Hänel
2004).
Durchführung der PDA
• Nach Hautdesinfektion erfolgt eine Lokalinfiltration der Punktionsstelle.
•
Katheterlegung: Zwischen den Dornfortsätzen der Lendenwirbelkörper L3 und L4
oder L2 und L3 wird die Tuohy-Kanüle
eingeführt und langsam vorgeschoben, bis
der Periduralraum mittels Widerstandsverlusttechnik (Loss-of-resistance-Methode)
erreicht ist. Durch die Kanüle wird ein dünner
Katheter geschoben und die Kanüle entfernt.
•
Nach einem Aspirationsversuch, der zum
Ausschluss von Blut- oder Liquoraspiration
dient, wird eine Testdosis von 10 mg Bupivacain in einer 0,25%igen Lösung injiziert.
•
Treten in den nächsten Minuten keine
Zeichen einer Spinalanästhesie (Warmwerden der unteren Extremitäten, Kribbeln in
den Beinen) oder eine intravasale Lage des
Katheters (Bradykardie, metallischer
Geschmack auf der Zunge, Schwindel,
Übelkeit) auf, kann die Gesamtdosis injiziert
werden
(Hundelshausen u. Hänel 2004).
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Mögliche Komplikationen
Eine häufige Frühkomplikation ist der Blutdruckabfall der Mutter durch Symphatikusblockade.
Im weiteren kann es zu einem pathologischen CTG oder einer fetalen Bradykardie kommen.
Hypoventilation und drohende Atemlähmung durch ein zu hohes Aufsteigen der PDA sind sehr
selten. Es kann eine allergische Reaktion auf das Lokalanästhetikum auftreten.
Als Spätkomplikationen können sehr starke Kopfschmerzen infolge einer Duraperforation,
Blasenfunktionsstörungen mit anhaltendem Harnverhalt oder Rückenschmerzen auftreten
(Steffen et al. 2005).
Pharmaka zur Periduralanästhesie
Nach Hundelshausen und Hänel (2004) kommen Lokalanästhetika oder/und Opioide zur
Anwendung.
Lokalanästhetika
• Bupivacain (Carbostesin)
Wie fast alle in der Geburtshilfe eingesetzten Lokalanästhetika gehört diese Substanz zum
Amidtyp. Sie ist stark fettlöslich und weist eine lange Wirkdauer von 4-6 Stunden auf. Nur
ein kleiner Teil passiert die Plazentaschranke. Im Vergleich zu anderen Lokalanästhetika
weist Bupivacain eine hohe Kardio- und ZNS-Toxizität auf. So kann es bei einer Überdosierung oder intravasalen Injektion zu Herzstillstand, Krämpfen, Atemstillstand, Koma und
Herzstillstand kommen.
• Ropivacain (Naropin)
Dieses neuere Lokalanästhetikum ist dem Bupivacain sehr ähnlich, jedoch weniger
fettlöslich und weist eine geringerer Kardio- und ZNS-Toxizität auf. Die motorische Blockade
setzt im Vergleich zu Bupivacain etwas langsamer ein, ist weniger ausgeprägt und von
kürzerer Dauer.
Opioide (epidurale Anwendung)
Es kommen vor allem die lipophilen Opioide Fentanyl und Sufentanil zur Anwendung. Sufentanil
weist die höchste Fettlöslichkeit auf, besitzt einen sehr schnellen Wirkungseintritt und eine
ausgezeichnete analgetische Wirkung. Es kann eine Atemdepression bei der Mutter und - da es
die Plazentaschranke passieren kann - auch beim Neugeborenen auslösen. Eine weitere
Nebenwirkung ist das Auftreten eines Pruritus.
Aufgrund der aufgeführten Nebenwirkungen wird Sufentanil in Kombination mit Bupivacain in
niedriger Dosierung bei der PDA eingesetzt. Dies hat einerseits den Vorteil, dass der sich
gegenseitig verstärkende Effekt beider Substanzen zu einer Verminderung der Gesamtdosis
und dadurch zur Verringerung der Nebenwirkungen führt, andererseits wird eine stärkere
analgetische Wirkung erzielt.
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2.4
Einfluss der Periduralanästhesie
Ausgehend von der Fragestellung, unter welchen Umständen der Einsatz der PDA während der
Geburt sinnvoll ist, wird im Folgenden anhand der wissenschaftlichen Literatur der Einfluss und
die Wirkung der Periduralanästhesie untersucht (die wichtigsten Studien und deren
Kurzfassungen finden sich im Anhang dieser Arbeit).
Dies erfolgt bei folgenden Themen:
•
Geburtsverlauf: mütterliche Komplikationen, Dauer der Geburtsphasen, Oxytocin-Gabe
•
Entbindungsmodus: vaginal-operative Entbindung, Sectio
•
Fetales Outcome
•
Kurz- und Langzeitfolgen: mütterliche Zufriedenheit, Bonding, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Blasenfunktionsstörungen.
Bei der Darstellung der einzelnen Themen wird zuerst ein Bezug mit den in der Praxis am
häufigsten auftretenden Problemen und Erfahrungen hergestellt und anschliessend die
Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur dargestellt.
2.4.1 Einfluss der Periduralanästhesie auf den Geburtsverlauf und mögliche Massnahmen
PDA und mütterliche Komplikationen
Praxisbezug: In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Blutdruck der Frauen bei einer
Periduralanästhesie abfällt. Meist erholt sich der Blutdruck nach Gabe von Ephedrin 5mg
intravenös (=1ml) sehr rasch und bleibt bei erhöhter Flüssigkeitszufuhr stabil. Das
Schmerzempfinden bei PDA ist sehr unterschiedlich. Gewisse Frauen spüren praktisch keine
Schmerzen mehr, andere Frauen haben immer noch einen unangenehmen, zum Teil festen
Druck. Gesamthaft verringern sich die Schmerzen jedoch stark. Auch betreffend motorischer
Blockade und sensorischem Niveau zeigt die Praxis eine grosse Spannbreite. Die meisten
Frauen können ihre Beine nicht ohne Hilfe bewegen und sind so im weiteren Geburtsverlauf
und für die Geburt selber ans Bett gebunden. Vereinzelt können die Frauen neben dem Bett
stehen oder gebären auf dem Majastuhl, was jedoch sehr selten vorkommt. Bei Frauen mit PDA
ist häufig ein Zittern zu beobachten. Es ist ihnen aber weder kalt, noch haben sie eine erhöhte
Temperatur. Das Zittern fühlt sich laut den Frauen ungewohnt und fremd an.
Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur: Gemäss Kopprasch und Fischer (2002)
wurden nach PDA-Anlage keine schwerwiegenden mütterlichen Komplikationen beobachtet.
Das mütterliche Alter, mütterliche Grösse und Gewicht, Schwangerschaftsdauer, kindliches
Gewicht und Grösse unterschieden sich in Interventions- und Kontrollgruppe nicht signifikant.
Ein vorzeitiger Blasensprung trat in der PDA-Gruppe geringfügig häufiger auf. 2 der 91 Frauen
in der PDA-Gruppe zeigten schwere motorische Blockaden.
Die Analysen von Leighton und Halpern (2002) zeigen bei der PDA-Anwendung ein vermehrtes
Auftreten von Hypotonie und Fieber (> 38 °C). Aus D esign-Gründen der untersuchten Studien
können aber keine schlüssigen Folgerungen gezogen werden. Die Autorinnen weisen darauf
hin, dass hier weiterführende Forschung betrieben werden müsste, um genau festzustellen,
wieso einige normotherme Frauen nach dem Erhalt einer PDA Schüttelfrost bekommen oder zu
zittern beginnen.
Der Kreislauf der Mutter muss in zunächst 5-minütigen Abständen kontrolliert werden, da ein
Blutdruckabfall der Mutter durch Sympathikusblockade eine häufige Komplikation darstellt. Bei
starkem Blutdruckabfall (BD syst < 100 mmHg) wird die Gebärende in Links-Seitenlagerung und
Kopftieflage gebracht, die Volumenzufuhr wird erhöht (Elektrolytlösung, kolloidale Lösung) und
eventuell ein Vasokonstriktor (Ephedrin, Akrinor®) verabreicht. In diesem Falle ist die
Anästhesie zu benachrichtigen (Mertens u. Wehling 2003).
Eine Qualitätskontrolle ist stündlich durchzuführen. Dabei wird die Schmerzbehandlung mittels
VAS (Visual Analog Scale), die Motor-Blockade und das sensorische Niveau kontrolliert. Bei
einseitig stärkerer Analgesie ist die Frau auf der Gegenseite in Seitenlagerung zu bringen.
Wenn die Schmerzen gegen die Vagina ausstrahlen soll die Frau aufsitzen. Bei der Mobilisation
und Lagerung ist die beeinträchtigte Beinmotorik zu berücksichtigen. Bei zu hohem oder zu
tiefem Niveau ist die Dosis anzupassen (Schaer 1994).
8
PDA und Dauer der Geburtssphase
Praxisbezug: Es können in der Praxis zwei verschiedene Gruppen von Frauen unterschieden
werden. Frauen, die bereits vor der Geburt sagen, dass sie keine Schmerzen wollen und sich
klar für eine Wunsch-PDA entscheiden. Dem gegenüber stehen Frauen, die mit dem Wunsch
nach möglichst natürlichem Geburtsverlauf ins Spital eintreten und nach stundenlangem
Geburtsschmerz und meist keinem oder sehr geringem Geburtsfortschritt an ihre physischen
wie psychischen Grenzen stossen. Über diesen Zeitraum hinweg wurde meist die ganze Palette
an alternativer Schmerztherapie angewandt. Hier bietet die PDA oft die Möglichkeit, der Frau
Erholung und Entspannung zu bieten und als Chance, nicht in einer Sectio zu enden.
In der Austreibungsperiode haben die Frauen mit PDA häufig Mühe mitzupressen. Sie spüren
die Presswehen nur sehr abgeschwächt als leichten Druck oder überhaupt nicht.
Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur: Kopprasch und Fischer (2002) stellten fest,
dass die Eröffnungsperiode in der PDA-Gruppe signifikant länger dauerte als in der
Vergleichsgruppe ohne PDA. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass die Verzögerung der
Eröffnungsperiode bereits vor der PDA-Anlage begann. Es dauerte länger, bis bei
regelmässiger Wehentätigkeit eine Muttermundseröffnung von 4 cm stattgefunden hatte und
auch die weitere Dilatation bis zur vollständigen Eröffnung verlief in der PDA-Gruppe
langsamer. In der Austreibungsphase setzte sich die Verzögerung fort und unterschied sich von
der Kontrollgruppe signifikant. Der Wunsch der Gebärenden nach PDA wird indirekt mit der
Verzögerung der frühen Eröffnungsperiode in Zusammenhang gestellt und daraus gefolgert,
dass die Entscheidung der Frauen zu einer PDA nicht zufällig entsteht. Die Autorinnen
beziehen sich in ihren Ausführungen auf Wuitchik et al. (1989), die einen Zusammenhang
zwischen schwerem Geburtsschmerz und verzögertem Geburtsfortschritt nachweisen konnten.
Demzufolge empfinden Frauen mit verzögerter Muttermundseröffnung und prolongiertem
Geburtsverlauf die Geburt als besonders schmerzhaft, was den Wunsch nach PDA nach sich
zieht.
Howell et al. (2001) stellten bei ihren Untersuchungen keinen signifikanten Unterschied der
PDA-Gruppe mit der Nicht-PDA-Gruppe in Bezug auf die Dauer der Eröffnungsphase fest.
Hingegen stieg die Dauer der Austreibungsperiode signifikant an.
Auch die Analysen von Leighton und Halpern (2002) zeigen ähnliche Resultate. So ist die
Dauer der Eröffnungsperiode zwar leicht, statistisch jedoch nicht signifikant verlängert. Die
Autorinnen weisen darauf hin, dass eine PDA eine Auswirkung auf die Geburtsdynamik haben
kann. Das häufig verwendete Medikament bei einer PDA, Bupivacaine, kann die SympathikusParasympathikus-Balance verändern und so die Muttermundseröffnung verlangsamen. In der
Folge kommt es häufiger zu einer Oxytocin-Unterstützung. Betreffend Dauer der
Austreibungsphase zeigen Leighton und Halpern (2002) bei einer PDA eine durchschnittliche
Verlängerung um 15 Minuten auf, was statistisch signifikant ist.
PDA und der Einsatz von Oxytocin zur Wehenunterstützung
Praxisbezug: Da es sehr wichtig ist, dass die Frau beim Legen der Periduralanästhesie ruhig
ist, wird meist ein wehenhemmendes Medikament (Gynipral®) intravenös verabreicht. Nach dem
Legen der PDA ist in der Praxis häufig eine Abnahme der Wehentätigkeit zu beobachten.
Zudem sind die Frauen meist schon seit Stunden im Geburtsprozess und ein Geburtsfortschritt
wird angestrebt. Da die Frauen die Kontraktionen mit PDA besser verarbeiten können, spricht
alles dafür, die Uterusaktivität durch Wehenmittel zu stimulieren, um so eine gute Wehentätigkeit zu erlangen. Alternative Möglichkeiten der Wehenförderung wie z.B. Bewegung oder aufrechte Positionen können zudem nicht mehr angewandt werden. Die Wehentätigkeit wird mit
Syntocinon® kontinuierlich gesteigert. Dies kann ein suspektes oder pathologisches CTG
fördern.
Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur: In der Untersuchung von Kopprasch und
Fischer (2002) wurde in der PDA-Gruppe Oxytocin signifikant häufiger eingesetzt. Auch gemäss
Leighton und Halpern (2002) ist der Gebrauch von Oxytocin bei einer PDA deutlich erhöht.
Zudem stellen sich die Autorinnen die Frage, ob der gute analgetische Effekt der PDA eine
höhere Dosierung von Oxytocin mit sich bringt.
Enkin et al. (2006) beschreiben, dass es beim Einsatz einer PDA zu einem vermehrten Einsatz
von Oxytocin zur Wehenunterstützung kommen kann. Hundelshausen und Hänel (2004)
beziehen sich in ihren Ausführungen auf Cheek et al. (1996), die beobachteten, dass eine PDA
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während der Austreibungsphase die endogene Oxytocinproduktion und die Kontraktilität des
Uterus vermindert. Zudem stellten sie eine Verminderung der Uteruskontraktionsstärke durch
die Gabe von 1000 ml Infusionslösung vor der PDA fest. Dieser Effekt hielt 10–20 Minuten an.
2.4.2 Einfluss der Periduralanästhesie auf den Entbindungsmodus
Praxisbezug: Der natürliche Pressdrang ist bei Frauen mit PDA vermindert oder fehlt. Da eine
aktive Mitarbeit der Gebärenden in der Endphase der Geburt wichtig ist, müssen die Frauen
zum Mitpressen angeleitet werden. Die Hebamme hat die Möglichkeit, den Perfusor zu
verringern oder abzustellen. Dies wird von den Hebammen sehr unterschiedlich angewendet
und variiert auch von Spital zu Spital. So ist das aktive Mitpressen in der Austreibungsperiode
erheblich beeinträchtigt, was oft eine vaginal-operative Entbindung zur Folge hat. In der Praxis
fällt auf, dass sekundäre Sectios häufig bei Frauen mit PDA durchgeführt werden. Die Frauen
hatten meist schon vor Anlage der PDA einen verzögerten Geburtsfortschritt. Die PDA wurde
als letzte Möglichkeit angesehen, doch noch spontan gebären zu können. Im weiteren Verlauf
ergab sich jedoch kein Geburtsfortschritt.
Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur: In der PDA-Gruppe haben laut Kopprasch
und Fischer (2002) signifikant weniger Frauen als in der Vergleichsgruppe spontan geboren.
Ebenfalls waren vaginal-operative Entbindungen signifikant häufiger durchgeführt worden. Für
die Zunahme von vaginal-operativen Entbindungen führen die Autorinnen ein häufigeres
Auftreten uteriner Dystokien und Einstellungsanomalien des Feten auf, bedingt durch
motorische Blockaden und verminderten Pressdrang. Die Häufigkeit von sekundären Sectios
war im PDA-Kollektiv nicht signifikant erhöht.
Bei Howell et al. (2001) wurde keine erhöhte Sectiorate festgestellt. Der Anteil der vaginaloperativen Entbindungen der PDA-Gruppe stieg aber ebenfalls signifikant an (30%). Die
Autorinnen erwähnen beeinflussende Faktoren in der Austreibungsperiode wie den Einsatz von
Syntocinon, unterschiedliches Pressverhalten, Dosierung der PDA und verweisen darauf, dass
es hier noch weitere Untersuchungen benötigt. So könnte das Management in der
Austreibungsphase optimiert und spezifisch für die PDA ausgearbeitet werden.
Leighton und Halpern (2002) beziehen sich auf ihre letzte systematische Überblicksarbeit aus
dem Jahre 1998, bei dem sich ein nicht signifikanter Trend zu einer wachsenden Sectiorate
abzeichnete, durch die aktuelle Arbeit aber nicht bestätigt werden konnte. Demzufolge besteht
bei einer PDA kein erhöhtes Risiko für eine Sectio. Die Rate der vaginal-operativen
Entbindungen bei PDA ist jedoch deutlich erhöht.
Gemäss Enkin et al. (2006) besteht bei einer PDA ein ausgeprägter Trend zu einer erhöhten
Kaiserschnittrate. Die Wahrscheinlichkeit einer vaginal-operativen Geburtbeendigung ist erhöht,
wurde jedoch nur bei denjenigen Frauen beobachtet, die bereits früh eine PDA erhielten. Die
gleichen Schlüsse wie Howell et al. (2001) werden gezogen, nämlich, dass zur Bestätigung
oder Widerlegung dieser Ergebnisse noch weitere Studien erforderlich sind und dass ein
grosszügigerer Umgang mit der Dauer der Austreibungsphase das Risiko für eine operative
Geburtsbeendigung verringern könnte
Roberts et al. (2005) beschreiben in ihrer Meta-Analyse über den Vergleich des Mitdrückens zu
einem frühen oder späten Zeitpunkt der Austreibungsperiode bei PDA, dass bei einem späten
Mitdrücken (bei Einschneiden des kindlichen Kopfes) die Rate von Vakuumextrationen
verringert werde, dies jedoch statistisch nicht signifikant sei. Die Forcepsentbindung hingegen
konnte bei diesem Management signifikant reduziert werden. Die Rate der sekundären Sectios
verminderte sich nicht signifikant.
Hinken et al. (2003) beobachten bei ihrer retrospektiven Analyse der Jahre 1997-2001 bei PDA
eine Verdoppelung der Sectio-Entbindungen und eine Abnahme der spontanen vaginalen
Entbindung von 10%.
2.4.3 Einfluss der Periduralanästhesie auf das Fetale Outcome und nötige Massnahmen
Praxisbezug: Die Herzaktion des Kindes ist aufgrund des erhöhten Risikos eines
pathologischen CTG’s oder einer fetalen Bradykardie kontinuierlich zu überwachen. Die
Sofortmassnahmen sind Links-Seitenlagerung und Kopftieflage, Sauerstoffzufuhr und eventuell
die Verabreichung eines wehenhemmenden Medikamentes (Gynipral®). Die Bradykardie kann
auch Folge eines mütterlichen Blutdruckabfalls sein. Durch die kontinuierliche Überwachung
des Fetus ist man in der Praxis stets im Bilde über das Wohlbefinden des Kindes. So kann bei
10
einem pathologischen CTG sehr rasch reagiert werden. In der Folge kommt es häufiger zu
vaginal-operativen Entbindungen.
Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur: Die Verteilung von einem unauffälligen oder
pathologischen CTG war in den beiden Untersuchungsgruppen ohne signifikanten Unterschied,
ebenso wenig der Apgar-Score nach 5 Minuten und der arterielle Nabelschnur-pH-Wert
(Kopprasch u. Fischer 2002).
Howell et al. (2001) untersuchten das neonatale Outcome ebenfalls in Bezug auf den ApgarScore nach 5 Minuten, mekoniumhaltigen Fruchtwasser und Frühgeburtlichkeit. Bei all diesen
Parametern konnte keine signifikante Differenz gefunden werden.
Auch Leighton und Halpern (2002) beschreiben in ihrer aktuellen Arbeit keinen signifikanten
Unterschied im Apgar-Score nach 5 Minuten und dem arteriellen pH-Wert bei PDA. Dies im
Gegensatz zu ihrer Untersuchung im 1998, bei welchem sich die Werte signifikant
unterschieden.
Enkin et al. (2006) halten fest, dass die Auswirkungen der PDA auf das ungeborene und
neugeborene Kind noch zu wenig untersucht sind. Negative Auswirkungen können beim Fetus
infolge mütterlicher Komplikationen wie Hypotonie oder durch Toxizität eines Medikaments
auftreten. Das Kind kann aber bei einer PDA auch von der verbesserten Plazentadurchblutung
profitieren. Betreffend fetaler Herzfrequenz und Mekoniumabgang konnte bei PDA kein
erhöhtes Risiko festgestellt werden. In einer einzigen Studie wurde die neurologische
Entwicklung von 18 Monate alten Kindern verglichen, deren Mütter während der Geburt eine
PDA hatten oder nicht. Dabei konnten keine Unterschiede zwischen den Kollektiven in diesem
Alter festgestellt werden.
2.4.4 Kurz- und Langzeitfolgen der Periduralanästhesie
Bei den Kurz- und Langzeitfolgen der PDA wird der Schwerpunkt auf die mütterliche
Zufriedenheit gelegt. Die Periduralanästhesie basiert darauf, die Geburtsschmerzen der
Gebärenden zu vermindern. Der Schluss liegt nahe, dass dadurch die Zufriedenheit der Frauen
zunimmt. Ob eine Beziehung zwischen der Anwendung der PDA und der mütterlichen
Zufriedenheit besteht, wird anhand der wissenschaftlichen Literatur untersucht. Weiter werden
die Themen Bonding, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Blasenfunktionsstörungen
behandelt.
PDA und mütterliche Zufriedenheit
Praxisbezug: Direkt nach dem Legen der PDA und dem damit verbundenen Rückgang der
Schmerzen sind die Frauen meist sehr zufrieden mit der Analgesie. Die PDA ist also eine sehr
gute Methode der Schmerzbehandlung. Wenn die Frauen die Geburt im Nachhinein betrachten,
verändert sich dieses Gefühl der Zufriedenheit aber oftmals. Der Geburtsverlauf, geprägt durch
die permanente Überwachung (Blutdruckmanschette, CTG-Knopf), das Festliegen im Bett, die
Passivität und Fremdbestimmung stimmt nicht mehr mit den Geburtsvorstellungen überein.
Unzufriedenheit und das Gefühl von Ohnmacht kommen auf. Dies wird bei vielen Frauen
spürbar, wenn sie zur zweiten Geburt kommen und von ihrer letzten Geburtserfahrung
erzählen.
Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur: Howell et al. (2001) beobachten keinen
Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit der Frau und der angewendeten Analgesie.
Sowohl in der PDA- als auch in der Nicht-PDA-Gruppe war die frühe und späte Zufriedenheit in
Bezug auf das Geburtserleben und die gemachte Schmerzlinderung hoch. In früheren Studien
wurde oft vermutet, dass die Schmerzlinderung der wichtigste Parameter im Geburtserleben
darstellt. Die Autorinnen verweisen auf eine Studie, in der festgestellt wurde, dass mütterliche
Unzufriedenheit in enger Beziehung zu Geburtsdauer und einem operativen Geburtsausgang
steht. Die Schmerzlinderung, resp. Art der Analgesie, war jedoch nicht das beherrschende
Merkmal.
Auch Kitzinger (1997) sieht das Ausmass des Schmerzerlebens nicht im Zusammenhang mit
der Zufriedenheit der Gebärenden mit dem eigentlichen Geburtserleben.
Waldenström (1998) verweist auf Untersuchungen zwischen amerikanischen und holländischen
Frauen. In Bezug auf das Schmerzerleben ergab sich kein Unterschied, obwohl die PDA-Rate
in Amerika 35%, in Holland 11% betrug. In einer anderen Studie wurden schmerzlindernde
11
Effekte der Analgesie und das Geburtserleben in den Jahren 1969 und 1986 verglichen. Auch
hier fand sich kein Unterschied, obwohl 69% der Mütter im Jahre 1969 im Vergleich zu 25% im
Jahre 1986 keine Analgesie erhielten. Zudem war die PDA 1969 noch nicht verfügbar, 1986
wurde sie bei 14% der Frauen angewandt. Waldenström (1998) folgert daraus, dass sich der
Einsatz der Analgesie nach der zur Zeit der Geburt jeweils aktuellen Praxis der Spitäler richtet,
ohne dass dies auf das Erleben der Geburtsschmerzen einen Einfluss hat. In diversen Studien
wurde eine effektive Schmerzlinderung der PDA nachgewiesen. Trotzdem konnte kein
Zusammenhang zwischen der Schmerzlinderung und der Zufriedenheit mit der Geburt
festgestellt werden. Das Schmerzempfinden wurde erst an vierter Stelle genannt. Die
Unterstützung und Betreuung durch die Hebamme, durch den Ehemann und Faktoren wie
Selbstwertgefühl, Vertrauen, Besorgtheit, Angst und frühere Geburtserfahrungen waren
vorrangig. Die Untersuchungen von Waldenström (1998) stimmen mit Howell et al. (2001)
überein, dass ein Zusammenhang zwischen negativem Geburtserleben und operativen
Entbindungen, nicht jedoch mit dem Einsatz der Analgesie besteht.
Im Gegensatz dazu beobachten Leighton und Halpern (2002) in ihrer Meta-Analyse über
Gebärende mit PDA im Vergleich zu einer anderen Analgesie mehr Wohlbefinden, sowohl in
der Eröffnungs- wie auch in der Austreibungsphase und eine grössere Zufriedenheit mit der
Schmerzbehandlung. Die Auswertung fand mittels Schmerzscore statt, der bei den PDAKollektiven deutlich tiefer lag. Dazu bemerkt Waldenström (1998), dass eine direkte Messung
vor und nach der Periduralanalgesie eine tiefere Wertung der Schmerzen ergibt, als wenn das
Gesamtschmerzerleben nach der Geburt bewertet wird.
PDA und Bonding
Praxisbezug: In der Praxis ist kein Unterschied zwischen dem kindlichen Saugverhalten ohne
oder nach einer PDA festzustellen. Spürbar ist aber zum Teil eine gewisse mütterliche
Passivität bis hin zur Lethargie direkt nach der Geburt. Eine überwältigende Freude und Kraft,
die bei Frauen nach einer Spontangeburt ohne PDA meist sichtbar ist, zeigt sich bei Frauen mit
einer Periduralanästhesie selten. Die Frauen verharren im Zustand der Fremdbestimmung und
es vergeht eine gewisse Zeit, bis sie ihr Kind bei sich haben möchten. Diese Verzögerung kann
das Bonding nachhaltig beeinflussen.
Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur: Gemäss Leighton und Halpern (2002) hat
eine PDA-Anwendung keine Auswirkung auf Aufnahme oder Beibehaltung des Stillens. Die
Autorinnen verweisen auf eine umfassende retrospektive Studie von Albani et al. (1999), die
dieses Resultat bestätigt. Im Gegensatz dazu verzögert sich bei intrapartum verabreichten
Opioiden die Aufnahme des kindlichen Saugverhaltens.
Meissner (2005) beobachtet in ihrer Hebammentätigkeit einen stark verzögerten Saugimpuls
und einen verminderten Saugreflex beim Neugeborenen nach einer PDA. Sie bezieht sich auf
Odent (1999), der beschreibt, dass Ziegen, welche bei der Geburt experimentell eine PDA
erhielten, ihr Junges in der Folge nicht angenommen haben. Weiter führt Meissner (2005) aus,
dass die Frauen wegen der fehlenden Geburtsarbeit den Kontakt zu ihrem Ungeborenen sehr
häufig verlieren. In der Folge verliert auch das Neugeborene den Kontakt und damit die
emotionale Zuwendung und Unterstützung der Mutter.
PDA und Kopfschmerzen
Praxisbezug: Das Risiko, dass das Ligamentum flavum mit der Dura zusammenklebt, ist in der
Schwangerschaft erhöht. So steigt auch die Gefahr, dass die Dura mit der Periduralnadel
versehentlich perforiert wird. Die Frauen zeigen im weiteren Geburtsverlauf meist die typischen
Nebenwirkungen wie Unruhe, Schwindel, starke Erregung, Übelkeit und Erbrechen. Leichter
Druck im Kopf oder Kopfweh tritt in der Folge bei der ersten Mobilisation postpartum auf. Trotz
vermehrtem Trinken und venöser Flüssigkeitszufuhr entwickeln die Frauen schwere postpartale
Kopfschmerzen.
Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur: Die Duraperforation ist mit 1–1.5% die
häufigste Komplikation der Periduralanästhesie. Diese zieht schwerste postpunktionelle
Kopfschmerzen nach sich. Die Kopfschmerzen halten 1–2 Wochen an, selten auch länger. Sie
sind schwer behandelbar und führen zur Bettlägerigkeit der Frauen (Hundelshausen u. Hänel
2004). Die Autorinnen beziehen sich auf Shnider und Levinson (1994), die bei einer
versehentlichen Duraperforation bei 80% der Frauen Kopfschmerzen beobachteten. Die
12
Behandlung besteht in Bettruhe (Rückenlage oder Seitenlage mit leicht nach unten gesenktem
Oberkörper), ausreichender Flüssigkeitszufuhr und der Gabe von Nicht-opioid-Analgetika. Eine
weitere Behandlungsmethode stellt die Anlage eines epiduralen Blutpatches dar. Dabei wird der
Epiduralraum erneut punktiert und 15-20 ml Vollblut in den Bereich der Perforationsstelle
appliziert, damit die Duraverletzung durch koaguliertes Blut verklebt.
PDA und Rückenschmerzen
Praxisbezug: Frauen, die zur Geburt kommen und die Periduralanästhesie in Betracht ziehen,
haben meist grossen Respekt oder Angst vor der „Spritze in den Rücken“. Die Angst bezieht
sich auf die Schmerzen beim Stich, aber auch davor, dass das Rückenmark verletzt werden
könnte. Diese Verletzung wird mehr mit Rückenschmerzen bis hin zur Querschnittlähmung
verbunden als mit Kopfweh, das als Komplikation der Duraperforation auftreten kann.
Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur: In Bezug auf Rückenschmerzen
beobachteten Howell et al. (2001) weder nach 3 noch nach 12 Monaten einen signifikanten
Unterschied in den Vergleichskollektiven. Sie beziehen sich auf Studien von MacArthur et al.
(1990) und Russell et al. (1996), die bei ihren spezifischen Untersuchungen in Bezug auf
Rückenschmerzen zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind. Lediglich nach 12 Monaten
stellten Howell et al. (2001) im Gegensatz zu MacArthur et al. (1990) eine grössere Differenz
der Rückenschmerzen von 8% in der PDA-Gruppe fest, jedoch war dies statistisch nicht
signifikant.
Auch Leighton und Halpern (2002) kommen zu den gleichen Resultaten. Gemäss ihren
Analysen
kann
kein
Zusammenhang
zwischen
Rückenschmerzen
und
einer
Periduralanästhesie gemacht werden. Sie verweisen auf eine Studie von Breen et al. (1993),
die 1185 Frauen in ihre Untersuchungen einbezogen und diese 2 Monate postpartum auf
Rückenschmerzen kontrollierten. Es zeigte sich kein Unterschied in der Häufigkeit von
Rückenschmerzen bei Frauen, die eine PDA wählten (44% versus 45%).
Thom (2004) stellt in ihrer prospektiven Studie zur Inzidenz von Rückenschmerzen bei einer
PDA keinen kausalen Zusammenhang zwischen einer PDA und Rückenschmerzen 3 Tage und
4 Wochen postpartum fest. Die Entstehung von Rückenschmerzen führt sie auf jüngeres Alter,
längere Entbindungszeiten und lange Rückenschmerzanamnesen vor der Schwangerschaft
zurück. Die Autorin folgert, dass eine Periduralanästhesie zur vaginalen Entbindung ein extrem
geringes Risiko für neue Rückenbeschwerden darstellt.
PDA und Blasenfunktionsstörungen
Praxisbezug: Die Frauen sind während der Geburt mit einer Periduralanästhesie meist nicht
mehr fähig, ihre Blase zu kontrollieren. So müssen die Frauen katheterisiert werden, was für die
Frauen unangenehm ist und ein Gefühl des Ausgeliefertseins auslöst. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass die Gefahr einer Infektion durch das meist mehrmalige Katheterisieren
erhöht ist. Es gibt Frauen, die 2–3 Stunden postpartum eine Blasenfunktionsstörung in Form
eines Harnverhaltens zeigen, dies normalisiert sich aber meist von selbst. Dies im Gegensatz
zum Dauerkatheter, bei dem es zu länger andauerndem Harnverhalten kommen kann.
Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur: In der direkten postpartalen Periode ist das
Risiko einer Funktionsstörung der Blase nach PDA erhöht. Es konnte ein statistisch signifikanter
Bezug zwischen der Dauer der Austreibungsperiode und dem Neubeginn einer
Blasenfunktionsstörung gemacht werden. Die Analyse verschiedener schwedischer Studien
zeigte eine Verbindung zwischen Blasenstörung und Vaginalgeburt, hohem mütterlichem
Bodymassindex, hohem kindlichen Geburtsgewicht, Parität und PDA-Benützung. (Leighton u.
Halpern 2002).
In einer anderen Studie, die Leighton und Halpern (2002) in ihrer Meta-Analyse
berücksichtigten, war eine Zerstörung des Pudendusnerves in Bezug mit Multiparität,
Forcepsgeburt, erhöhte AP-Länge und grosses kindliches Geburtsgewicht, aber nicht mit einer
PDA-Benutzung gebracht worden. Die Autorinnen folgern, dass eine Forceps-Entbindung und
ein hohes kindliches Geburtsgewicht das Risiko einer Funktionsstörung der Blase erhöht.
13
2.5
Positive und negative Aspekte des Einsatzes der Periduralanästhesie
Aus dem vorangehenden Kapitel ergeben sich sowohl positive wie negative Aspekte der
Anwendung der Periduralanästhesie bei der Geburt; gleichzeitig sind diverse Faktoren noch zu
wenig wissenschaftlich untersucht. Im Folgenden werden die verschiedenen Aspekte
herausgearbeitet und anschliessend wird ein Fazit gezogen.
Positive Aspekte
Die Periduralanästhesie stellt eine wirkungsvolle Form der Schmerzlinderung dar. Da sie in
ihrer analgetischen Potenz allen anderen Möglichkeiten der Schmerzlinderung überlegen ist, ist
sie das Mittel der Wahl, wenn die Frau an ihre physischen wie psychischen Grenzen kommt.
Der Geburtsschmerz verringert sich deutlich und kurzfristig führt dies zu mehr Zufriedenheit und
Wohlbefinden der Frau. Mütterliche Komplikationen treten sehr selten auf.
Betreffend fetalem Outcome konnten bei den gemachten Untersuchungen keine signifikanten
Unterschiede festgestellt werden. Allerdings sind noch zu wenig aussagekräftige
Untersuchungen in Bezug auf Kurz- und Langzeitauswirkungen der PDA auf das Kind
vorhanden.
Zwischen dem Auftreten von Rückenschmerzen und einer Periduralanästhesie konnte kein
signifikanter Zusammenhang hergestellt werden.
Negative Aspekte
Bei einer Periduralanästhesie treten medizinische Handlungen in den Vordergrund. Es halten
sich mehr Personen im Gebärzimmer auf, was die Intimsphäre der Frau/des Paares erheblich
stören kann. Die Frau und das Kind werden kontinuierlich überwacht, daher übernimmt die
Hebamme vermehrt Überwachungsaufgaben. Dies kann bei der Frau einen Zustand der
Abhängigkeit und Passivität auslösen. Durch die beeinträchtigte Beinmotorik ist der natürliche
Geburtsverlauf gestört, da die Frau meist im Bett liegt und in der Positionsveränderung
eingeschränkt ist. Aufgrund der meist verringerten Blasenkontrolle und der Bewegungseinschränkung wird die Blase alle 2 Stunden katheterisiert. Die Frau wird so vermehrt
fremdbestimmt.
Die Dauer der Austreibungsperiode verlängert sich bei allen Untersuchungen signifikant.
Ebenfalls kann die Aussage gemacht werden, dass Syntocinon zur Wehenunterstützung bei
einer PDA signifikant häufiger eingesetzt wird. Das Risiko für eine vaginal-operative
Geburtsbeendigung ist bei einer Periduralanästhesie signifikant höher.
Ganz zentral ist die Aussage, dass kein Zusammenhang zwischen mütterlicher Zufriedenheit
und angewendeter Analgesie gemacht werden kann. Das Schmerzempfinden hat rückblickend
auf das Geburtserleben eine untergeordnete Stellung. Für das Wohlbefinden der Frau sind die
Unterstützung und Betreuung durch die Hebamme, durch den Ehemann und persönliche
Faktoren vorrangig. Frauen mit einer Periduralanästhesie sind demzufolge nicht zufriedener mit
dem gesamten Geburtserleben als Frauen ohne eine PDA.
Zwischen mütterlicher Zufriedenheit und Geburtsdauer, sowie Geburtsausgang besteht ein
Zusammenhang. Die mütterliche Zufriedenheit verringert sich, je länger die Geburt dauert oder
falls diese operativ beendet werden muss.
Noch zu wenig untersuchte Aspekte
Zur Dauer der Eröffnungsphase kann anhand der bisherigen Untersuchungen keine einheitliche
Aussage gemacht werden. Es gibt Studien, die eine verlängerte Eröffnungsphase bei PDA
nachweisen, diese wird aber in Beziehung zum bereits verzögerten Geburtsfortschritt vor
Anlage der PDA gesetzt. Andere Studien stellen keinen signifikanten Unterschied der
Kollektivgruppen in Bezug auf die Dauer der Eröffnungsperiode fest.
Es können keine verlässlichen Aussagen gemacht werden, ob sich das Risiko einer SectioEntbindung bei PDA erhöht. Die ausgewerteten Studien kommen zu ganz unterschiedlichen
Ergebnissen.
Untersuchungen zum Bonding zeigen widersprüchliche Ergebnisse. Ebenfalls unterschiedlich
sind die Ergebnisse zum Risiko einer Blasenfunktionsstörung postpartum ausgefallen. Es
können dazu keine schlüssigen Aussagen gemacht werden.
14
2.6
Fazit
Unbestritten ist, dass die Periduralanästhesie den Geburtsverlauf beeinflusst. Einerseits positiv,
da sie momentan die effektivste Methode der Schmerzlinderung darstellt, andererseits negativ,
indem der physiologische Geburtsablauf gestört wird.
Eine grosse Bedeutung haben die Ergebnisse in Bezug auf die mütterliche Zufriedenheit.
Einigkeit herrscht bei der Aussage, dass kein Zusammenhang zwischen Geburtserleben und
Schmerztherapie gemacht werden kann. Im Nachhinein betrachtet, ist eine Frau, die mit einer
PDA geboren hat, nicht zufriedener mit dem gesamten Geburtserleben, als wenn sie ohne PDA
geboren hätte. Es stellt sich somit die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Periduralanästhesie
bezogen auf die Schmerzlinderung. Eine effektive Schmerzlinderung der PDA kann
nachgewiesen werden. Wenn diese aber nicht zu mehr Zufriedenheit der Frauen führt, wozu
dient sie dann?
Weiter wird festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen Geburtserleben und Geburtsdauer,
sowie operativer Entbindung besteht. Da bei einer PDA die Rate vaginal-operativer
Geburtsbeendigungen signifikant erhöht ist, kann gefolgert werden, dass das positive
Geburtserleben bei Frauen mit PDA längerfristig verringert ist.
Auffallend ist, dass zu wesentlichen Aspekten im Zusammenhang mit der Periduralanästhesie
keine schlüssigen Aussagen gemacht werden können. Dies trotz zahlreicher Untersuchungen,
die in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden. Enkin et al. (2006) weisen darauf hin,
dass viel Aufwand zur Untersuchung der Auswirkung verschiedener Medikamente und
Dosierungen betrieben wird und hierzu zahlreichen Studien vorhanden sind, dass aber die
Frage nach Sicherheit und Effektivität der PDA noch zu wenig untersucht wurde. Dies könnte
auch mit der Schwierigkeit in der Ausführung gross angelegter randomisierter Doppelblindstudien in Bezug auf verschiedene praktische und ethische Gesichtspunkte zusammenhängen.
Die Patientinnenkollektive der bisherigen Studien sind nicht zu vergleichen, da diejenigen
Frauen, die wegen starken Schmerzen eine PDA benötigen, auch diejenigen Frauen sind, die
längere und schmerzhaftere Geburtsverläufe aufweisen und bei denen die Wahrscheinlichkeit
einer operativen Entbindung höher ist. Welche Auswirkungen die Periduralanästhesie an sich
auf den Geburtsverlauf hat, ist nicht überprüfbar (Dewan u. Cohen 1994, zitiert nach
Hundelshausen u. Hänel 2004).
Werden die Auswirkungen der Periduralanästhesie gesamthaft betrachtet, stehen dem positiven
Aspekt der sehr wirksamen Schmerzlinderung einige negative Aspekte gegenüber. Zudem sind
viele Auswirkungen, vor allem in Bezug auf Langzeitfolgen für Mutter und Kind, noch zu wenig
untersucht, um schlüssige Aussagen machen zu können.
15
3.
Beratung zur Entscheidungsfindung der Periduralanästhesie
Im Folgenden werden wesentliche, hebammenspezifische Aspekte der Beratung bei der
Entscheidungsfindung der Periduralanästhesie aufgenommen. Es wird nochmals Bezug genommen auf das in der Einleitung erwähnte Thema der individuellen Einstellung zum Geburtsschmerz. Da die Bedürfniserhebung den Grundstein jeglicher Zusammenarbeit darstellt, wird
dieses in einem separaten Kapitel behandelt. Anhand einer Studie wird der Informationsfluss
betreffend Medikamentenverabreichung während der Geburt aufgezeigt. Davon ausgehend
werden die wesentlichen Aspekte des Konzeptes der „informierten Entscheidung“ anhand des
Artikels von Brailey (2005) und Überlegungen zum „Umgang mit Risiko“ von Walker (2005)
vorgestellt. Ausgehend von der Praxis werden anschliessend die wichtigsten Beratungsschwerpunkte betreffend der Periduralanästhesie ausgearbeitet und ein Fazit gezogen.
3.1
Hebammenrelevante Aspekte in der Beratung
Einstellung zum Schmerz
Viele Frauen, die zur Geburt kommen, habe klare Vorstellungen, wie die Schmerzbehandlung
während der Geburt aussehen soll. Diese Vorstellungen sind stark geprägt durch Erfahrungen
aus ihrer Kindheit, sowie von früheren Geburten oder Erlebnissen. Auch der Kulturkreis, aus
dem die Frau stammt, ist prägend. Weiter beeinflussen sie Gespräche mit Freunden und
Bekannten, mit der Gynäkologin, mit der betreuenden Hebamme oder der Besuch eines
Schwangerschaftsvorbereitungskurses.
Auch die Hebamme hat ihre persönliche Einstellung zur Verarbeitung des Geburtsschmerzes.
Diese Einstellung ist geprägt durch eigene Erfahrungen, Erfahrungen in ihrem Umfeld, aber
auch durch die Betreuung von Gebärenden und durch die jeweilige Schmerzkultur an ihrem
Arbeitsplatz. Bei der Betreuung einer Frau ist es für die Hebamme wichtig, sich ihrer eigenen
Haltung bewusst zu sein. „Sobald eine Hebamme Mitleid empfindet, ist sie für die Frau nicht
mehr gut“ (Rockel-Loenhoff 2002:22). Die Hebamme muss sich durch eine reflektierende
Haltung ihrer persönlichen Wertvorstellungen bezüglich Schmerzverarbeitung immer wieder von
neuem bewusst werden und diese klar von den Bedürfnissen und Vorstellungen der
Gebärenden trennen.
Bedürfniserhebung
Um die Vorstellungen der Frau zu kennen, gehört an den Anfang der Zusammenarbeit
zwischen Hebamme und Gebärenden eine Bedürfniserhebung. Dabei kritisiert Leap (2003) das
sogenannte „Menü-Denken“. Darunter versteht sie eine Auswahlliste von Möglichkeiten mit
allen Vor- und Nachteilen; ein hierarchisches Menü, das mit nicht-pharmakologischen
Methoden wie Wasser oder Aromatherapie beginnt und mit der PDA zuunterst auf der Liste
endet. Dieses Menü-Denken schafft nach Leap eine Kultur, in der sowohl die Frauen als auch
die Hebammen zumindest eine Form der Schmerzbekämpfung als unabdingbaren Bestandteil
der Geburt anschauen.
Bei der Bedürfniserfassung geht es vielmehr darum, gemeinsam herauszufinden, was für einen
Umgang die Frau mit Schmerzen pflegt. Wie geht sie in den Wehen mit dem Schmerz um? Ist
sie entspannt oder verkrampft? Wie fühlt sie sich? Hat sie sich auf den Geburtsschmerz
eingestellt?
Von diesem Ansatz ausgehend werden die Ressourcen der Frau festgestellt. Was für
Ressourcen hat die Frau betreffend Schmerzverarbeitung? Was tut ihr gut? Wo kann sie Kräfte
mobilisieren? Wo liegen ihre Stärken? Die Frau weiss selber am Besten, was ihr gut tut. Dies
gilt es, zusammen herauszufinden. Abhängig von ihren Bedürfnissen und vorhandenen
Ressourcen wird abgeklärt, wie sich die Frau die Schmerzverarbeitung vorstellt. Hat sie
konkrete Vorstellungen bezüglich Schmerztherapie?
Eine Studie des Universitätsspitals Zürich, bei der die Auswirkungen der Periduralanästhesie
auf das Geburtserlebnis untersucht wurden, zeigt auf, dass eine individuelle Betreuung der Frau
und ihre Einbeziehung in die Gestaltung des Geburtsablaufes grösseren Einfluss auf die
Zufriedenheit mit der Geburt haben, als die Art der Analgesie (Brander et al. 2005).
16
Aufklärung während der Geburt
Weiss die Hebamme um die Bedürfnisse und Ressourcen der Frau, ist der nächste Schritt,
aufzuzeigen, was für Möglichkeiten vorhanden sind. Geht es um die Entscheidung einer
medikamentösen Schmerztherapie, muss die Frau sorgfältig über alle wesentlichen Aspekte der
Analgesie informiert werden.
Im Rahmen einer prospektiven Studie wurde untersucht, wie detailliert Hebammen die Frauen
vor der Verabreichung von zentral wirksamen Schmerzmitteln informieren und an welche
Informationen sich diese zwei Tage nach der Geburt noch erinnern. Die Ergebnisse zeigen,
dass Hebammen die Frauen nur minimal informieren. Gleichzeitig ist das Erinnerungsvermögen
der Frauen in Bezug auf gemachte Informationen klein. Die Hebammen geben objektive
Informationen nur sparsam weiter und verschweigen Nebenwirkungen. Mehr als 80% der Frauen hätten Informationen über mögliche Komplikationen gewünscht. Auch hätten sich die Frauen
Informationen zu Wirkungseintritt, Wirkdauer, Ausmass der Schmerzlinderung und Auswirkungen der Medikamente, dies vor allem auf das Kind bezogen, gewünscht (Bernlöhr 2001).
„What you don’t know has power over you ...“ Wissen wird als eine Form kognitiver Kontrolle
beschrieben. Dabei ermöglicht Wissen die Interpretation von Ereignissen und nimmt so die
Angst vor bedrohlichen und fremden Situationen (Maslow 1963, zitiert nach Bernlöhr 2001). Es
kann gefolgert werden, dass die Aufklärung über körperliche Nebenwirkungen den Verbrauch
an Medikamenten nicht verringern würde, stattdessen könnten sich die Frauen auf mögliche
Nebenwirkungen besser einstellen.
Die Zufriedenheit mit dem Schmerzmanagement unter der Geburt kann deutlich erhöht werden,
wenn die Frau in den Entscheidungsprozess der Wahl der Schmerzsteuerung einbezogen wird.
Von diesem Grundsatz ausgehend, entwickelte sich das Konzept „informed choice“ (informierte
Entscheidung), das in England bereits seit 1992 gefördert wird. Auf Grund adäquaten
Informationen soll die Gebärende die Vor- und Nachteile für sich und das Kind abwägen können
und selber über die Art der Betreuung entscheiden. Informierte Frauen sind insgesamt
zufriedener mit der Geburt und der Geburtsleitung (Fleissig 1993, Fletscher 1997, zitiert nach
Bernlöhr 2001).
Informed choice
Bei der informierten Entscheidung handelt es sich um ein ethisches Konzept, basierend auf
grundsätzlichen Wertvorstellungen:
• Frauen haben das Recht auf Information über ihre Betreuung und müssen in
Entscheidungen, welche ihren Körper betreffen, miteinbezogen werden.
• Frauen sind die primäre Entscheidungsinstanz bei allem, was während ihrer
Schwangerschaft und Geburt mit ihnen geschieht.
Dabei werden die Frauen von einer professionellen Betreuerin beraten, übernehmen aber die
Verantwortung für ihre eigenen Entscheidungen. Von Gesetzes wegen muss eine informierte
Entscheidung praktiziert werden. „Informiert“ heisst in diesem Zusammenhang: Der Frau
müssen vollständige und für sie verständliche Informationen über Risiken, Vorteile und zu
erwartende Resultate der offen stehenden Wahlmöglichkeiten gegeben werden.
Der Zeitpunkt einer evidenz-basierten Betreuung ist sehr wichtig. Entscheidungen betreffend
Geburt und Geburtsvorstellungen sollten immer vorher und keinesfalls während der Geburt
diskutiert werden. Das Gespräch ist individuell auf die Frau abzustimmen, dabei ist auf eine
sorgfältige Wortwahl zu achten. Wendungen wie „sie dürfen nicht“ oder „sie müssen“ sind zu
vermeiden. Für das Gespräch ist genügend Zeit einzuplanen. Die Kommunikation über Risiken
ist ein wesentlicher Bestandteil der informierten Entscheidung. Weiter haben urteilsfähige
Erwachsene das Recht, eine Behandlung abzulehnen oder sich für eine andere Variante zu
entscheiden. So muss nach erfolgter Information der Entscheid der Frau respektiert werden und
sie darf nicht unter Druck gesetzt werden, damit sie ihre Meinung ändert. Eine sorgfältige
Dokumentation ist aus rechtlichen Gründen von Bedeutung. Um das Prinzip der informierten
Entscheidung zu verwirklichen, muss die aktuelle Kultur im Gesundheitswesen verändert
werden. Konzepte wie Transparenz, geteilte Macht, evidenz-basierte Betreuung und Wahlmöglichkeiten müssen zu Grundsätzen der täglichen Hebammenarbeit werden. Die neue Kultur
basiert auf Ermächtigung und gemeinsamer Entscheidungsfindung. Zufriedenheit mit der
Geburtserfahrung sind bei der Frau unauflöslich damit verbunden, wie viel Einfluss und
Kontrolle sie über das Geburtsgeschehen behält (Brailey 2005).
17
Umgang mit Risiko
Wieviel und welche Information verträgt das Konzept der informierten Entscheidung?
In der Beratung wünscht die Frau von der Hebamme eine klare Antwort auf die Frage „was ist
das Beste für mich?“ In der Praxis stützt sich die Hebamme auf evidenz-basierte Richtlinien.
Diese beeinflussen die Informationen, die der Frau gegeben werden. Grosse Gebiete in der
Hebammenkunde sind jedoch noch immer wenig erforscht. Es ist wichtig, dass beim Aufzeigen
der Wahlmöglichkeiten die Diskussion nicht durch das eigene Risikodenken beeinflusst wird.
Wenn den Frauen die Evidenz präsentiert wird, muss es der Hebamme bewusst sein, dass es
um die Entscheidung der Frau und ihre Verantwortung für ihr Leben und das Leben ihres
Kindes geht (Walker 2005).
3.2
Beratungsschwerpunkte der Periduralanästhesie
In der Praxis zeigt sich, dass bei Eintritt der Frau zur Geburt Routineuntersuchungen und
allfällige erste Handlungen Priorität haben. So fehlt oft die Zeit, das Thema der Schmerzverarbeitung anzugehen. Auch ist zu Beginn der Geburt das Thema der Schmerzverarbeitung häufig
noch nicht aktuell, da die Frau sehr gut mit den Schmerzen umgeht und die Hebamme die
Gebärende nicht in diese Richtung lenken möchte.
Der andere Fall ist, dass sich die Frau klar gegen eine Periduralanästhesie entscheidet und
dann im Verlaufe der Geburt die Schmerzen unerträglich werden, dies meist verbunden mit
einem protrahiertem Geburtsverlauf. Hier eine objektive und ganzheitliche Aufklärung im Sinne
einer „informierten Entscheidung“ zu bieten, ist in der Realität sehr schwierig. Häufig ist in der
Praxis zu beobachten, dass eine Frau „ja“ zur Periduralanästhesie sagt, bevor sie weitere
Informationen erhält. Im Laufe der Vorbereitungen zur PDA wird die Frau dann im Kurzverfahren über mögliche Komplikationen und weiterführende Handlungen, wie die Notwendigkeit des Katheterisierens, aufgeklärt.
Weiter ist in der Praxis zu beobachten, dass selbstbewusste, starke Frauen bei Eintritt ins Spital
das Selbstvertrauen mit der Türklinke abgeben und in die Erwartungsrolle gehen, dass andere
für sie Sorgen, sie nicht mehr selbst für sich zuständig sind. So lassen sie andere für sich
entscheiden, ordnen sich unter, werden passiv.
In einer umfassenden Beratung der Periduralanästhesie wird in der Praxis über mögliche
Komplikationen, wie Kopfschmerzen, über Nachteile, wie etwa die motorische Blockade, gut
informiert. Weiter wird auch über die auf Evidenzen basierenden Risiken, z.B. einer verzögerten
Austreibungsphase oder einer vaginal-operativen Geburtsbeendigung berichtet. Praktisch nie
wird aber von den widersprüchlichen Ergebnissen betreffend einer erhöhten Rate an Sectios
oder den fehlenden Untersuchungen betreffend Langzeitfolgen für Mutter und Kind informiert.
Die Hebamme muss über die Vorstellungen und Bedürfnisse der Frau zu einem frühen
Zeitpunkt der Geburt informiert sein. Idealerweise in einem Gespräch während der Schwangerschaft. Das Intervall zwischen Aufklärung und Intervention sollte aus organisatorischen und
formal juristischen Gründen mindestens 24 Stunden betragen. Eine Möglichkeit bietet der
Zeitpunkt der Vorstellung der Schwangeren zur Geburt in einem Zeitraum von sechs bis vier
Wochen vor dem errechneten Geburtstermin (Krause u. Struck 2005). Tritt eine Frau zur Geburt
ins Spital ein und hat noch keine Entscheidung bezüglich Schmerztherapie gefällt, muss ihr die
Möglichkeit geboten werden, zu einer Entscheidung zu finden. Die Hebamme muss Zeit und
Ruhe finden, dieses Thema mit der Frau anzusprechen.
Die Bedürfniserhebung unter Einbezug des sozialen Umfeldes der Frau, ihrer Lebenssituation
und der geburtshilflichen Anamnese ist dabei der erste Schritt. Eine wesentliche Aufgabe der
Hebamme besteht darin, eine ressourcenorientierte Begleitung und Beratung anzubieten. So
kann die Eigenkompetenz der Frau gestärkt werden, das Selbstvertrauen steigt. Dies führt
dazu, dass Frauen ihre Bedürfnisse vermehrt äussern und den Geburtsprozess aktiver
mitgestalten.
Wenn sich eine Frau eine Periduralanästhesie im weiteren Geburtsverlauf vorstellen kann, so
ist sie im Sinne einer „informed choice“ zu beraten. Folgende Punkte betreffend Periduralanästhesie werden besprochen: Aus welchen Gründen wird eine Periduralanästhesie gewählt?
Wann ist eine PDA kontraindiziert? Wie wird eine Periduralanästhesie angelegt? Welches sind
ihre Vor- und Nachteile? Was für Komplikationen können auftreten? Welche Medikamente
werden angewandt und was haben diese für Auswirkungen? Was kann auf der Grundlage von
18
Evidenzen über die Folgen einer Periduralanästhesie ausgesagt werden? Über welche
Auswirkungen können noch keine evidenz-basierten Aussagen gemacht werden?
Die Hebamme informiert umfassend, klar und im Bewusstsein, die Diskussion nicht durch das
eigene Risikodenken zu beeinflussen. Es wird darauf eingegangen, dass einzelne Gebiete noch
nicht oder zu wenig untersucht wurden und daher nicht auf Evidenzen beruhen.
Die Entscheidungsfindung zu einer Periduralanästhesie benötigt Zeit. Die Hebamme ermöglicht
es der Frau, zu einer Entscheidung zu gelangen, die ihren Bedürfnissen und Vorstellungen
entspricht. Der Partner wird dabei aktiv in den Entscheidungsprozess einbezogen. Ist es für die
Frau schwierig, eine Entscheidung zu treffen, geht die Hebamme der Schwierigkeit auf den
Grund. Dabei ist es von Bedeutung, dass die Hebamme einen Wohlfühlraum schaffen kann, in
dem sich die Frau öffnen und von ihren Ängsten, Unsicherheiten und Problemen erzählen kann.
Hat die Frau/das Paar Fragen betreffend dem Legen der Periduralanästhesie und den damit
verbundenen Komplikationen und können diese nicht zur vollen Beruhigung des Paares
beantwortet werden, besteht die Möglichkeit, die Anästhesistin frühzeitig beizuziehen.
Die Hebamme nimmt in der interdisziplinären Zusammenarbeit eine Schlüsselposition ein, da
sie durch ihre ständige Anwesenheit bei der Gebärenden pathologische Veränderungen im
Geburtsverlauf oft früher als die Ärztinnen erkennen kann. Die traditionelle Rolle der Hebamme
als Vertreterin der Gebärenden bedingt neben einer fachlich fundierten Einschätzung der
Geburtssituation auch die Kenntnis um die aktuellen medizinischen Möglichkeiten. So muss
eine objektive Beratung der PDA möglich sein, ohne dass damit ein Imageverlust der Hebamme
verbunden ist. Je konstruktiver die Zusammenarbeit aller Beteiligten gelingt, desto einfacher
wird die Frau zu einer Entscheidungsfindung bezüglich der Anwendung der Periduralanästhesie
gelangen. Bei einem positiven Entscheid wird die Gebärende dadurch auch die Anwesenheit
der Anästhesistin und den zusätzlichen technischen Aufwand besser akzeptieren und weniger
als Eindringen in die Intimsphäre erleben (Anders u. Hack 2001).
Hat die Frau eine Entscheidung getroffen, ist diese von der Hebamme zu respektieren und die
Frau wird von der Hebamme im weiteren Geburtsfortschritt in ihrer Entscheidung unterstützt
und mitgetragen.
3.3
Fazit
In der Beratung zur Entscheidungsfindung der Periduralanästhesie muss sich die Hebamme
ihrer eigenen Wertvorstellungen betreffend Schmerzverarbeitung bewusst sein. Nur so kann sie
offen auf die Frau zugehen und diese in ihren Bedürfnissen wahrnehmen. Im Bewusstsein,
dass die Einbeziehung und Mitgestaltung der Frau für die Zufriedenheit des Geburtserleben die
prägenden Faktoren sind, ist die Frau in ihren Bedürfnissen ernst zunehmen, ihr
Selbstvertrauen und die Eigenkompetenz zu stärken und ihr die Entscheidung betreffend
Schmerztherapie zu überlassen. In der Praxis zeigt sich, dass Hebammen die Frauen zuwenig
oder einseitig informieren. Einerseits aus Zeitmangel, andererseits aber auch durch Unwissen,
Beschützerinstinkt oder Bequemlichkeit. Die Hebamme nimmt eine Machtposition ein, die eine
Manipulation der Frau ermöglicht.
Hier setzt die Idee des Konzeptes der informierten Entscheidung an. Wenn sich die Frau bereits
in ihrer Schwangerschaft mit der Schmerztherapie und damit auch mit der Periduralanästhesie
auseinandersetzt, ist sie über Vor- und Nachteile, sowie Auswirkungen und Komplikationen
informiert. Auch wenn sie sich gegen eine PDA entscheidet und dies infolge eines protrahierten
Geburtsverlaufes oder unerträglicher Schmerzen im Geburtsprozess wieder aktuell wird, hat sie
den Vorteil, zu wissen, um was es geht und sich in der Folge besser darauf einzustellen.
Weitere wichtige Faktoren in der Beratung sind das Ansprechen, dass verschiedene
Auswirkungen noch nicht genügend auf Evidenzen basieren, genügend Zeit, um Ängsten und
Vorbehalten der Frau auf den Grund zu gehen, der aktive Einbezug der Begleitperson, das
Gestalten eines Wohlfühlraumes und das Respektieren und Akzeptieren der Entscheidung.
Die Hebamme muss sich ihrer Rolle und persönlichen Einstellung betreffend interdisziplinärer
Zusammenarbeit bewusst sein. Eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen
Hebamme, Anästhesistin und Geburtshelferin trägt dazu bei, auf die individuellen Bedürfnisse
der Frau eingehen zu können.
Nur so ist es möglich, das Prinzip der informierten Entscheidung umzusetzen und die Frau
selbstbestimmend während ihrer Geburt zu begleiten.
19
4.
Schlussfolgerungen
Ziel dieser Arbeit war es, auf Evidenzen basierendes Wissen über den sinnvollen Einsatz der
Periduralanästhesie während der Geburt und davon ausgehend hebammenrelevante Aspekte
der Beratung zu erarbeiten.
Die Aufarbeitung des aktuellen Wissensstandes bietet eine gute Grundlage über den Einfluss
und die Auswirkungen der Periduralanästhesie. Die auf Evidenzen abgestützten Aussagen, die
für oder gegen eine PDA sprechen, werden klar ersichtlich. So ist die PDA momentan die
effektivste Methode der Schmerzlinderung. Das Risiko einer Verlängerung der Austreibungsperiode, einem vermehrten Einsatz von Syntocinon und einer vaginal-operativen Geburtsbeendigung ist durch Studien signifikant belegt.
Ein wesentlicher Faktor ist, dass die Periduralanästhesie den Frauen nicht zu mehr
Zufriedenheit verhilft. So sind Frauen mit einer PDA im nachhinein betrachtet mit dem
Geburtserleben nicht zufriedener als Frauen ohne PDA. So stellt sich die Frage nach der
Sinnhaftigkeit der PDA bezogen auf die Schmerzlinderung, wenn die Zufriedenheit der Frauen
dabei nicht verbessert werden kann. Bei Frauen mit vaginal-operativer Geburtsbeendigung wird
das Geburtserleben als negativer eingestuft. Da es bei einer PDA häufiger zu einer vaginaloperativen Geburtsbeendigung kommt, müsste diesem Kriterium mehr Beachtung geschenkt
werden.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass trotz zahlreichen Untersuchungen einige Aspekte, wie
Dauer der Eröffnungsphase, Sectio-Rate, Bonding, Risiko einer Blasenfunktionsstörung,
widersprüchliche Ergebnisse aufzeigen und zu den Langzeitfolgen für Mutter und Kind
aussagekräftige Studien fehlen. Dies erstaunt nicht, da die meisten Studien verschiedene Arten
der Analgesie vergleichen, nicht aber eine PDA-Gruppe mit einer Nicht-PDA-Gruppe ohne
Schmerztherapie. Die Schwierigkeit, dass randomisierte Doppelblindstudie aus ethischen
Gründen nicht durchgeführt werden können, bleibt auch in Zukunft bestehen, trotzdem sollte es
vermehrt zu Untersuchungen über die Sicherheit und Effektivität der PDA kommen. Gerade in
Bezug auf Langzeitfolgen besteht dazu ein grosses Manko.
Das Konzept der informierten Entscheidung ist in der Beratung zentral. Die Frauen haben ein
Recht auf eine ganzheitliche Beratung der zur Zeit aktuellen Informationen, um für sich selber
die Entscheidung zu treffen, die ihren Bedürfnissen und Vorstellungen entspricht. Dazu gehört
auch, die Frauen über fehlende Untersuchungen oder widersprüchliche Ergebnisse zu
informieren. Die Hebamme muss sich mit dem aktuellen Wissensstand auseinandersetzen, sich
aber auch ihrer persönlichen Wertvorstellungen bewusst sein. Das Potenzial der Manipulation
in der täglichen Arbeit der Hebamme ist gross. Hier besteht in der Praxis noch immer ein
grosses Defizit. Einerseits als Wissenslücke über die aktuellen Evidenzen, andererseits aber
auch in der Machtrolle, die die Hebamme gegenüber der Frau einnimmt. Auch ihrer führenden
Rolle in der interdisziplinären Zusammenarbeit muss sich die Hebamme bewusst sein und
diese konstruktiv und integrierend angehen.
Hebammen sind daher täglich von Neuem gefordert, routinemässige Handlungsabläufe zu
hinterfragen, sich Wissen über aktuelle Evidenzen zu verschaffen, sich immer wieder neu auf
eine Frau einzulassen, sie ernst zu nehmen in ihren Bedürfnissen und ihr sämtliche
Informationen anzubieten, die sie braucht, um sich für ihren Weg der Geburt entscheiden zu
können.
20
5.
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Bildnachweis
Titelbild:
[online] Available from: www.claudiahuebl.de/galerie/Holz/Schmerz%2050.jpg [Accessed 10 oct
2006]
Suchbegriffe
Periduralanästhesie, Anästhesie, Geburtsschmerz, Schmerz
22
Anhang
Vorstellung der verwendeten Studien
•
Kopprasch U, Riehn A, Fischer S 2002 Periduralanästhesie auf mütterlichen Wunsch:
Geburtsverlauf, Entbindungsmodus und Fetal Outcome
Bei dieser Studie an der Universitätsfrauenklinik Dresden wurde der Einfluss der
Periduralanästhesie mit Ropivacain 0,2% und Sufentanil auf den Geburtsverlauf, die Frequenz
operativer Entbindungen und das kindliche Outcome untersucht. Dass die Periduralanästhesie
auf Wunsch der Frauen gelegt wurde, ist für die folgende Auswertung nicht von Bedeutung. Es
handelt sich um eine prospektive Studie, die alle gesunden Erstgebärenden des Jahres 1998
aufgenommen hat. Die Untersuchungsgruppe umfasst 91 Frauen, die eine PDA erhielten. Diese
wurde mit einer Kontrollgruppe von 207 Frauen ohne PDA verglichen. Für beide Gruppen
galten die identischen Ein- und Ausschlusskriterien. Das Legen des Periduralkatheters erfolgte
unter einheitlichen standardisierten Bedingungen.
Bei dieser Querschnittstudie handelt es sich um ein „Quasi-experimentelles Design“, da die
Verteilung zur Interventions- oder Kontrollgruppe nicht randomisiert, sondern auf Wunsch der
Frau geschah. Der Zeitraum von einem Jahr ist eher kurz gewählt.
•
Howell CJ, Kidd C, Roberts W, Upton P, Lucking L, Jones PW, Johanson RB 2001 A
randomised controlled trial of epidural compared with non-epidural analgesia in labour
Diese randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) wurde im North Staffordshire Hospital (NHS)
Trust, im Zeitraum von April 92 bis Okt. 96, durchgeführt. Ziel dieser Studie war es, eine PDAGruppe mit einer Nicht-PDA-Gruppe in Bezug auf den Geburtsverlauf, Kurz- und LangzeitRückenschmerzen, neonatales Outcome und mütterliche Zufriedenheit zu vergleichen. Die
Zuteilung zur Gruppe erfolgte zufällig via Computerauswahlverfahren, sobald ein Verlangen
nach einer Analgesie bestand. Es wurden 369 Frauen in die Studie eingeschlossen, wovon 184
der PDA-Gruppe und 185 der Nicht-PDA-Gruppe zugeteilt wurden. In der PDA-Gruppe
entschieden sich 123 Frauen für eine PDA, in der Nicht-PDA-Gruppe erhielten 133 Frauen
keine PDA.
Über Realisierbarkeit und ethische Aspekte dieser randomisierten Studie wurde vor Beginn der
Studie eingehend diskutiert. Die Frauen erklärten sich in der Schwangerschaft schriftlich zur
Teilnahme an der Studie bereit. Bei Eintritt zur Geburt konnten sie aber immer noch von der
Studie zurücktreten oder jederzeit eine alternative Analgesie verlangen, wenn die zugeteilte
Methode als inadäquat empfunden wurde. Ein- und Ausschlusskriterien sind klar definiert. Die
Studie umfasst eine genügende Anzahl von Frauen, wurde sorgfältig geplant und durchgeführt
und ist daher sehr aussagekräftig.
•
Leighton BL, Halpern SH 2002 The effects of epidural analgesia on labor, maternal and
neonatal outcomes: A systematic review
Die verwendeten Studien dieser Meta-Analyse wurden zwischen dem 1.1.1980 und 1.2.2001 in
englisch veröffentlicht. Die Auswirkungen der Periduralanästhesie mit parenteralen
Schmerzmitteln während der Geburt in Bezug auf Geburtsverlauf, Frequenz operativer
Entbindung,
kindlichem
Outcome,
mütterlichem
Wohlbefinden,
langandauernden
Rückenschmerzen, Stillerfolg und Blasenfunktionsstörung wurden systematisch verglichen. Es
wurden nur RCT’s oder in deren Abwesenheit prospektive Kohortenstudien mit hoher Qualität
(PC) verwendet. Themengebiete der Studiensuche, Ein-/Ausschlusskriterien und Methoden der
Auswertung sind klar definiert. Total wurden 14 RCT’s und 2 PC’s mit insgesamt 4324 Frauen
ausgewertet.
Dieser systematische Rückblick umfasst eine lange Zeitspanne und eine grosse Anzahl von
Frauen. Da eine strenge Auswahl an hochwertigen Studien getroffen und die Analysen
sorgfältig ausgeführt wurden, ist dieser Review in hohem Masse aussagekräftig.
23
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