Die besondere Problematik von Währungskrisen in Emerging Market Economies Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau vorgelegt von Diplom-Volkswirt (FH) Matthias Huth aus Alzenau i. Ufr. Erstgutachter: Prof. Dr. Harald Enke Zweitgutachter: Prof. Dr. Oliver Landmann Dekan: Prof. Dr. Hans Spada Datum des Promotionsbeschlusses: 08. Mai 2006 Summary Ziel dieser Arbeit ist es, Erklärungen für die im Vergleich zu Industriestaaten oft deutlich schwerer wiegenden Währungskrisen in Emerging Market Economies zu finden. Damit verbunden ist die Frage nach den Determinanten des Krisenausmaßes. Dazu wird zunächst ein detailierter Überblick über die in der Literatur verwendeten makroökonomischen, mikroökonomischen und institutionellen Erklärungsgrößen sowie über deren theoretische Wirkungskanäle auf den Wechselkurs gegeben. Ferner werden bestimmte Handlungsweisen von Marktteilnehmern und ihre Auswirkungen auf den Verlauf einer Währungskrise anhand der Literatur untersucht. Die Literatur zeigt eine Fülle von Faktoren auf, welche als Determinanten des Krisenausmaßes dienen können. Einen Schwerpunkt bilden jedoch die makroökonomischen Gegebenheiten, wie die Höhe der Auslandsverschuldung, der Devisenreserven und der Leistungsbilanzdefizite sowie der Entwicklung des realen Wechselkurses, während den anderen Faktoren mit Ausnahme des Zustands des inländischen Bankensektors eine untergeordnete Rolle zukommt. Dies gilt insbesondere für die Handlungsweisen der Marktteilnehmer und die Reaktion der politischen Entscheidungsträger auf den Krisenausbruch. Die empirische Untersuchung wird anhand einer Rangkorrelationsanalyse in Verbindung mit Signifikanztests durchgeführt. Als Maßstab des Krisenausmaßes wird in dieser Arbeit ausschließlich die Abwertungsrate der inländischen Währung in verschiedenen Ausprägungen herangezogen. Immenses Gewicht für die Dimension von Währungskrisen kommt bestimmten Folgeentwicklungen während einer bereits ausgebrochenen Währungskrise zu. Die empirische Analyse zeigt eine hohe Bedeutung der Länderratings und der Wechselkursreagibilität der Inflation. Das Gewicht letzterer wird noch deutlicher, sofern zusätzlich die Entwicklung des realen Wechselkurses vor Krisenausbruch berücksichtigt wird. Ferner kommt der Geldmengen- und Zentralbankkreditentwicklung während der Krise eine beträchtliche Relevanz zu. Die Ergebnisse weisen der inländischen Zentralbank über die genannten Faktoren eine Schlüsselrolle für den Verlauf der Währungskrise zu. Gelingt es der Zentralbank nicht, die Geldmengenexpansion, die Inflation und die Kreditgewährung an den Bankensektor unter Kontrolle zu halten, droht ein massiver Wertverlust der Inlandswährung. Zur Überprüfung der Ergebnisstabilität wurde die Gesamtstichprobe in drei mal zwei Teilstichproben unterteilt (Emerging Markets vs. Industriestaaten, schwere vs. leichte Krisen, frühe vs. späte Krisen). Es zeigt sich, daß die ermittelten Indikatoren mehr oder weniger auf alle Teilgruppen anwendbar sind. Festzustellen ist demgegenüber auch, daß sich ein nicht unerheblicher Teil der Währungsabwertung nicht durch die empirisch erfaßten Größen erklären läßt. Dieser Anteil beruht entweder auf zufälligen Schwankungen oder wird durch Faktoren erklärt, die theoretisch, nicht aber empirisch auf ihren Erklärungsgehalt hin untersucht werden konnten. i Summary The objective of this paper is to ascertain why currency crises in emerging economies are often so much more severe than in industrialised countries. One of the crucial questions in this context is what determines the dimension of the crisis. So at first a detailed summary about the macroeconomic, microeconomic, and institutional conditions, including their theoretical mode of action on the exchange rate, used in literature is given. Furthermore certain aspects of market participants´ behaviour and its effects on the evolution of a currency crisis have been analysed. Literature shows plenty of factors, which can be served as determinants of currency crises scale. But main emphasis constitute the macroeconomic conditions like the height of foreign debt, foreign currency reserves and current account deficits as well as the development of the real exchange rate, while the other factors – with the exception of the situation of the domestic banking banking sector – seem to play a minor role. This is particular true for the market participants´ behaviour and the response of the politican decision-makers to the outbreak of the crises. The empirical analysis will be carried out using a rank correlation analysis combined with significance tests. In this thesis the magnitude of the crisis is measured solely by how much the domestic currency depreciates. Certain developments following the onset of the crisis have an immense impact on the dimension of a currency crisis. The empirical analysis shows the importance of country ratings and of the exchange rate sensitivity of inflation. The weight of the last will be more evident, if the development of the real exchange rate prior the outbreak of the crisis is considered additional. Other relevant factors are the trend in money supply and central bank lending during the crisis. The findings reveal the key role that the domestic central bank plays in the evolution of the crisis, using these factors. If the domestic central bank fails to curb the expansion of money supply, inflation, and central bank lending to the banking sector, the domestic currency is at risk to suffer a substantial depreciation. To check the stability of the results, the whole sample was divided in three times two subgroups (emerging markets vs. industrialised countries, serious vs. light crises, early vs. late crises). The ascertained indicators can be more or less applied to all subgroups analysed. However, it should be pointed out that a quite considerable part of a currency’s depreciation cannot be explained by means of the empirically used determinants. The explanation for this part lies in coincidental fluctuations or in other factors which could be examined theoretically but not empirically. ii Inhaltsübersicht Summary Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Übersichtenverzeichnis Kurzbeschreibung des empirischen Untersuchungsansatzes i iii iv xii xiv xv xvii I Einleitung und Problemstellung 1 I.A Unterschiedliche Ausmaße von Währungskrisen in entwickelten Volkswirtschaften und Emerging Market Economies I.B Begriffsdefinitionen 1 4 II Makroökonomische Ungleichgewichte 11 II.A Reale Aufwertung der Inlandswährung vor Ausbruch der Krise II.B Leistungsbilanzdefizite II.C Kapitalimporte und Auslandsverschuldung II.D Kapitaltransfers inländischer Wirtschaftssubjekte und Kapitalflucht II.E Geringe Devisenreserven II.F Budgetdefizite des Staates 11 25 43 64 79 91 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor 107 III.A Mangelnde Stabilität des Finanzsektors und Verlauf einer Währungskrise III.B Mangelnde Stabilität des Unternehmenssektors und Verlauf einer Währungskrise 107 163 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte 181 IV.A Unterentwickelte inländische Kapitalmärkte IV.B Geringe Größe des Devisenmarktes und weitere Probleme IV.C Kapitalverkehrskontrollen 181 193 203 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer 219 V.A Private Wirtschaftssubjekte V.B Ratingagenturen V.C Reaktion der politisch Verantwortlichen im In- und Ausland auf die Krise und die Entwicklung der inneren Stabilität 219 232 238 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise 245 VI.A Erweiterte Darstellung des Aufbaus der empirischen Untersuchung VI.B Methodische Aspekte VI.C Ergebnisse der empirischen Untersuchung 245 249 269 VII Zusammenfassung und Schlußbetrachtung 299 Literaturverzeichnis Anhang 307 335 iii Inhaltsverzeichnis Summary Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Übersichtenverzeichnis Kurzbeschreibung des empirischen Untersuchungsansatzes i iii iv xii xiv xv xvii I Einleitung und Problemstellung 1 I.A Unterschiedliche Ausmaße von Währungskrisen in entwickelten Volkswirtschaften und Emerging Market Economies 1 I.B Begriffsdefinitionen 4 1 Definition einer Währungskrise 2 Definition Emerging Market Economies 4 7 II Makroökonomische Ungleichgewichte 11 II.A Reale Aufwertung der Inlandswährung vor Ausbruch der Krise 11 1 Beziehung zwischen realer Aufwertung der Inlandswährung, der Kaufkraftparität und dem realen Wechselkurs 2 Gründe für eine reale Aufwertung 2.1 Hohe Inflationsraten 2.2 Nominale Währungsaufwertungen 3 Gründe für eine Wechselkursanbindung 4 Reale Aufwertung der Inlandswährung und Verlauf einer Währungskrise 4.1 Flexible Wechselkurse 4.2 Fixe Wechselkurse 5 Reagibilität der Inflation auf Veränderungen des Wechselkurses 6 Einschränkungen 6.1 Überblick 6.2 Theoretische Einschränkungen 6.3 Empirische Einschränkungen 7 Zusammenfassung und Indikatoren II.B Leistungsbilanzdefizite 11 12 12 13 14 16 16 17 19 21 21 21 23 25 25 1 Die Leistungsbilanz als Teil der Zahlungsbilanz 2 Gründe für Leistungsbilanzdefizite 2.1 Mangel an Sparkapital (Entwicklungsökonomischer Ansatz) 2.2 Hohe Inflationsraten bei fixen Wechselkursen und Öffnung der Kapitalmärkte bei schwachen internen Kapitalmärkten 2.3 Anhaltend hohes Wirtschaftswachstum und/oder hohe Haushaltsdefizite 2.4 Externe Schocks und/oder Erwartungsirrtümer iv 25 26 26 27 28 29 3 Leistungsbilanzdefizit und Verlauf einer Währungskrise 3.1 Zusammenhang zwischen Leistungsbilanzdefizit und Wechselkurs 3.2 Elastizitätsansatz 3.2.1 Außenhandelselastizitäten 3.2.2 Leistungsbilanzdefizithöhe 3.3 Erklärungsmodelle für die Höhe eines nachhaltigen Leistungsbilanzdefizits 3.3.1 Modell von Corsetti et al. (1998) 3.3.2 Modell von Edwards et al. (1996) 4 Einschränkungen 5 Zusammenfassung und Indikatoren II.C Kapitalimporte und Auslandsverschuldung 30 30 31 31 35 37 37 40 40 42 43 1 Die Kapitalbilanz als Teil der Zahlungsbilanz 43 2 Abgrenzung zwischen kurzfristigen und langfristigen Kapitalimporten 44 3 Gründe für die kurzfristige Mittelaufnahme im Ausland 45 4 Hohe Bestände an Kapitalimporten und Verlauf einer Währungskrise 47 4.1 Direkter Einfluß auf den Wechselkurs 47 4.1.1 Kurzfristige Auslandsverschuldung 47 4.1.2 Verkauf verbriefter Forderungen und Beteiligungspapiere 49 4.1.3 Hedging 52 4.2 Solvenzbelastung der inländischen Wirtschaftssubjekte 53 4.2.1 Solvenzbelastung aus ausländischer Fremdwährungsverschuldung 53 4.2.2 Solvenzbelastung aus indexierter Verschuldung und/oder inländischer Fremdwährungsverschuldung 54 4.3 Liquiditätsbelastung 55 4.3.1 Liquiditätsbelastung aus kurzfristiger Auslandsverschuldung 55 4.3.2 Liquiditätsbelastung aus langfristiger Auslandsverschuldung 55 4.4 Entscheidungsproblematik 56 4.5 Modell von Rodrik/Velasco (1999) 57 5 Zusammenfassung und Indikatoren 62 5.1 Liquiditätsindikatoren 62 5.2 Solvenzindikatoren 63 II.D Kapitaltransfers inländischer Wirtschaftssubjekte und Kapitalflucht 1 Kapitalexportpotential 1.1 Kapitalexporte inländischer Wirtschaftssubjekte und Verlauf einer Währungskrise 1.2 Indikatoren 2 Kapitalflucht vor Ausbruch einer Krise 2.1 Definition von Kapitalflucht 2.2 Kapitalflucht im Vorfeld einer Krise als Zeichen mangelnden Vertrauens in die Währung 2.3 Ursachen von Kapitalflucht 2.3.1 Renditeaspekte 2.3.2 Risiken 2.3.2.1 Ökonomisches Risiko 2.3.2.2 Politische/institutionelle Risiken 2.4 Kapitalflucht und Verlauf einer Währungskrise 2.4.1 Erhöhung der Abhängigkeit vom Ausland v 64 64 64 65 67 67 69 69 69 70 70 71 71 71 2.4.2 Folgen für die Staatseinnahmen 2.4.2.1 Verkleinerung der Steuerbasis 2.4.2.2 Verringerung der Seigniorage 2.4.3 Rückgang der Geldnachfrage 2.5 Meßverfahren für Kapitalflucht und Indikatoren II.E Geringe Devisenreserven 73 73 74 74 76 79 1 Die Devisenbilanz als Teil der Zahlungsbilanz 2 Geringe Devisenreserven und Verlauf einer Währungskrise 2.1 Direkte Wirkung 2.2 Indirekte Wirkung 3 Devisenreserven und Liquiditätsposition einer Volkswirtschaft 3.1 Devisenreserven als eine Komponente der Liquiditätsposition einer Volkswirtschaft 3.2 Weitere Liquiditätskomponenten 3.2.1 Zugang zu Bankkrediten und zum Kapitalmarkt 3.2.2 Kooperationen zwischen den Zentralbanken 3.2.3 Internationale Organisationen 3.2.4 Terminverkauf von Devisen durch Zentralbanken 4 Indikatoren II.F Budgetdefizite des Staates 79 80 80 83 83 83 84 84 85 86 88 89 91 1 Definition und Bedeutung von Budgetdefiziten 2 Budgetdefizite und Verlauf einer Währungskrise 2.1 Erhöhung der Gesamtnachfrage als direkte Folge von Budgetdefiziten 2.2 Auswirkungen von Budgetdefiziten auf den Wechselkurs in Abhängigkeit von der Finanzierung 2.2.1 Defizitfinanzierung durch Geldmengenausweitung 2.2.1.1 Auswirkungen von geldmengenfinanzierten Budgetdefiziten auf den Wechselkurs 2.2.1.2 Modell von Krugman (1979) 2.2.2 Defizitfinanzierung durch Außen- und Binnenverschuldung 2.2.2.1 Zweifel an langfristiger Durchhaltbarkeit hoher staatlicher Defizite 2.2.2.2 Finanzierung durch Erhöhung der Binnenverschuldung 2.2.2.3 Finanzierung durch Erhöhung der Auslandsverschuldung 3 Die Problematik der „Hidden Deficits“ 4 Indikatoren 91 93 93 96 96 96 98 101 101 102 103 104 105 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor 107 III.A Mangelnde Stabilität des Finanzsektors und Verlauf einer Währungskrise 107 1 Bedeutung der Finanzintermediäre für den Entwicklungsprozeß 2 Aufgaben der Banken 2.1 Risikotransformation 2.2 Fristentransformation vi 107 109 109 110 2.3 Losgrößentransformation 2.4 Verringerung der Informationsasymmetrie, Modell von Diamond (1984) 2.5 Aufbau und Management von Zahlungssystemen 3 Probleme im Umfeld der Banken 3.1 Eingeschränkte Funktionsfähigkeit vieler Bankensysteme 3.2 Finanzieller Dualismus 3.3 Finanzielle Repression und hohe Inflationsraten 3.4 Unzureichende Bankenaufsicht und Überkreuzbeteiligungen 3.5 Fehlende Einlagensicherung 3.6 Erschwerter Zugang für ausländische Banken 4 Bilanzsituation der Banken 4.1 Die Bilanz der Banken 4.2 Probleme der Aktivseite 4.2.1 Non-Performing Loans 4.2.2 Gründe für hohe Kreditausfallquoten 4.2.2.1 Mangelndes Risikobewußtsein 4.2.2.2 Starke Zunahme von Krediten an den privaten Sektor 4.2.2.3 Staatliche Direktiven zur Kreditvergabe 4.2.2.4 Mangelnde Publizitäts-, Konkurs- und Bilanzierungsvorschriften 4.2.2.5 Staatliche Kreditgarantien 4.2.2.5.1 Die Problematik staatlicher Kreditgarantien 4.2.2.5.2 Modell von Krugman (1998) 4.2.3 Wenig diversifizierte Anlageportfolios 4.3 Probleme der Passivseite 4.3.1 Struktur der Verschuldung 4.3.1.1 Erheblicher „Currency Mismatch“ des inländischen Bankensektors 4.3.1.2 Hoher „Maturity Mismatch“ des inländischen Bankensektors 4.3.1.3 ”No Lender of last Resort” 4.3.2 Zu geringe Risikovorsorge und zu geringe Margenkalkulation seitens der Banken 4.3.3 Zu geringe Eigenkapitalausstattung des Bankensektors 5 Bankenkrise und Verlauf einer Währungskrise 5.1 Belastung des Staatsbudgets 5.2 „Credit Crunch“ 5.3 Erhöhte Kapitalabflüsse, Modell von Goldfajn/Valdés (1997) 5.4 Stabilisierung des Bankensektors versus Minimierung der Wechselkursabwertung 5.4.1 Restriktive versus expansive Geldpolitik 5.4.2 Modell von Sachs/Tornell/Velasco (1996) 6 Indikatoren für den Zustand des Bankensektors 113 114 119 119 119 120 122 124 126 127 128 128 128 128 130 130 131 132 134 134 134 135 139 140 140 140 142 142 143 144 145 145 146 147 156 156 157 161 III.B Mangelnde Stabilität des Unternehmenssektors und Verlauf einer Währungskrise 163 1 Die Aufgabe des Unternehmenssektors in einer Volkswirtschaft 2 Probleme im Umfeld der Unternehmen 2.1 Hohe Konzentration der Industrie 2.2 Mangelndes Corporate Governance 163 164 164 165 vii 2.3 Mangel an Humankapital 2.4 Hoher Staatseinfluß auf die Unternehmen 3 Kritische Bilanz- und Erlössituation des Unternehmenssektors 3.1 Indikatoren aus der Gewinn- und Verlustrechnung 3.1.1 Rückläufige Umsatzerlöse 3.1.2 Geringe Rentabilität der Unternehmen 3.1.2.1 Abnehmende Rentabilität 3.1.2.2 Ursachen geringer Rentabilität 3.1.2.2.1 Unrentable Investitionen 3.1.2.2.2 Staatliche Garantien 3.1.2.3 Indikatoren der Unternehmensrentabilität 3.1.2.3.1 Return on Capital Employed (ROCE) 3.1.2.3.2 Economic Value Added (EVA) 3.1.3 Verhältnis des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern (EBIT) zu den Zinszahlungen als Kennzahl der Schuldendienstfähigkeit 3.2 Probleme in der Bilanz 3.2.1 Hohe Wachstumsraten der materiellen Vermögensgegenstände 3.2.2 Hohe Unternehmensverschuldung, „Currency and Maturity Mismatches“ 4 Unternehmenskrise und Verlauf einer Währungskrise 4.1 Überblick 4.2 Modell von Fuhrmann/Cepok (2003) 5 Zusammenfassung der Krisenindikatoren des Unternehmenssektors 166 167 167 167 167 168 168 168 168 169 170 170 171 171 172 172 173 174 174 175 178 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte 181 IV.A Unterentwickelte inländische Kapitalmärkte 181 1 Entwicklungsstand der inländischen Kapitalmärkte in verschiedenen Volkswirtschaften 2 Gründe für unterentwickelte Kapitalmärkte 2.1 Hohe und volatile Inflationsraten 2.2 Verbilligte Bankkredite, geringere Zinsen im Ausland und administrativ festgelegte Zinsen im Inland 2.3 Rechtliche Aspekte 2.4 Geringer Kreis potentieller Investoren und Emittenten 3 Unterentwickelte Kapitalmärkte und Verlauf einer Währungskrise 3.1 Auswirkungen unterentwickelter Rentenmärkte für den Staat 3.1.1 Beeinflussung der Sterilisierungsmöglichkeiten von Kapitalzuflüssen 3.1.2 Beeinflussung der Finanzierungsmöglichkeiten staatlicher Defizite 3.1.3 Beeinflussung der Recyclingmöglichkeiten von Liquiditätshilfen 3.2 Auswirkungen unterentwickelter Kapitalmärkte auf Banken und Unternehmen 3.2.1 Beeinflussung der Absicherung von Zins- und Währungsrisiken 3.2.2 Beeinflussung der Investitionsrechnung verbunden mit gesamtwirtschaftlichen Belastungen 3.2.3 Beeinflussung der Finanzierungsstruktur 3.2.4 Beeinflussung der Preisvolatilität von Vermögensgegenständen, der inländische Kreditgewährung und der Aktivpositionen der Banken viii 181 182 182 183 183 183 184 184 184 185 186 187 187 188 188 190 3.2.5 Beeinflussung der Liquidierbarkeit von Wertpapieren 4 Indikatoren für den Entwicklungsstand der inländischen Kapitalmärkte IV.B Geringe Größe des Devisenmarktes und weitere Probleme 1 Der Devisenmarkt als „Ort des Geschehens“ 2 Liquidität der Devisenmärkte 2.1 Überblick über die Dimensionen der Liquidität 2.2 Zeitliche Dimensionen der Liquidität 2.3 Preisliche und mengenmäßige Dimensionen der Liquidität 2.3.1 Marktbreite 2.3.2 Markttiefe 3 Empirische Zusammenhänge in „ruhigen“ und in Krisenzeiten 4 Devisenmärkte in Industriestaaten und Emerging Market Economies 5 Liquiditätsindikatoren IV.C Kapitalverkehrskontrollen 191 192 193 193 195 195 196 196 196 197 199 201 202 203 1 Definition und Klassifikation von Kapitalverkehrskontrollen 2 Ziele und Auswirkungen von Kapitalverkehrskontrollen 2.1 Ziele von Kapitalimportbeschränkungen 2.2 Ziele von Kapitalexportbeschränkungen 2.3 Kapitalexportbeschränkungen als Krisentreiber 3 Umgehungsmöglichkeiten 3.1 Anreiz zur Umgehung von Kapitalverkehrskontrollen 3.2 Falschbewertung von Außenhandelstransaktionen 3.3 Leads und Lags bei Zahlungszielen 4 Meßverfahren für Kapitalverkehrskontrollen 4.1 Direkte Meßverfahren 4.2 Indirekte Meßverfahren 4.2.1 Umfang der Kapitalströme 4.2.2 Gültigkeit der Zinsparität 4.2.2.1 Gedeckte und ungedeckte Zinsparität 4.2.2.1.1 Ungedeckte Zinsparität 4.2.2.1.2 Gedeckte Zinsparität 4.2.2.2. Einschränkungen 4.2.2.3 Off-shore Märkte 4.2.3 Spar-Investitionszusammenhang 4.2.4 Weitere Verfahren 5 Indikatoren 203 205 205 205 207 209 209 210 211 212 212 212 212 213 213 213 214 214 215 216 217 217 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer 219 V.A Private Wirtschaftssubjekte 219 1 Institutionelle Investoren 1.1 Die Bedeutung institutioneller Investoren 1.2 Handelstechniken 1.2.1 Stop-Loss-Orders 1.2.2 Technische Analyse 1.3 Positions- und Verlustlimite ix 219 219 219 219 220 222 1.4 Bedeutung von Hedgefonds 1.4.1 Was sind Hedgefonds? 1.4.2 Aggressives Marktverhalten 1.4.3 Hoher Leverage 1.4.4 Großer Einfluß auf andere Marktteilnehmer 2 Psychologische Aspekte 2.1 Heuristiken 2.1.1 Verankerungsheuristik 2.1.2 Verfügbarkeitsheuristik 2.1.3 Kontrasteffekt 2.2 Kontrollverlust 2.3 Marktteilnehmer als Teil einer Gruppe 3 Indikatoren V.B Ratingagenturen 223 223 224 225 225 226 226 226 227 228 228 229 231 232 1 Begriff und Bedeutung von Ratingagenturen 2 Auswirkungen von Ratingänderungen 3 Divergierende Ratingentwicklung in Industriestaaten und Emerging Market Economies 4 Indikatoren V.C Reaktion der politisch Verantwortlichen im In- und Ausland auf die Krise und die Entwicklung der inneren Stabilität 1 Inkonsequente Zinsmaßnahmen 2 Mangelnde Umsetzung stabilitätsorientierter Maßnahmen 3 Kommunikative Fehler 4 Mangelnde soziale und/oder politische Stabilität 5 Indikatoren 232 233 235 237 238 238 239 240 241 242 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise 245 VI.A Erweiterte Darstellung des Aufbaus der empirischen Untersuchung 245 VI.B Methodische Aspekte 249 1 Rangkorrelationsanalyse 2 Untersuchungszeitraum und Datenfrequenz 3 Empirische Definition einer Krise 4 Regressanden 5 Mehrere Krisensignale in einem Jahr und Dauer einer Krise 6 Beschreibung der Regressoren 6.1 Überblick 6.2 Variablen des realen Wechselkurses 6.3 Variablen der Leistungsbilanzsituation 6.4 Variablen der Kapitalimporte und der Auslandsverschuldung 6.5 Variablen des Kapitalexportpotentials und der Kapitalflucht 6.6 Variablen der Devisenreserven und der volkswirtschaftlichen Liquidität x 249 252 252 255 257 258 258 259 260 260 262 264 6.7 Variablen des öffentlichen Sektors 6.8 Variablen der Stabilität des Finanzsektors 6.9 Variablen der inländischen Kapitalmärkte, der Kapitalverkehrskontrollen, des Devisenmarktes und des Unternehmenssektors 6.10 Variablen der Handlungsweisen privater Wirtschaftssubjekte 6.11 Variablen der Ratingagenturen 6.12 Variablen der Reaktion der politisch Verantwortlichen im In- und Ausland VI.C Ergebnisse der empirischen Untersuchung 1 Gesamtstichprobe 1.1 Einfachrangkorrelationen 1.1.1 Überblick 1.1.2 Variablen des realen Wechselkurses 1.1.3 Variablen der Ratingagenturen 1.1.4 Variablen der Geldmengen- und Zentralbankkreditentwicklung 1.1.5 Variablen der Kapitalimporte und der Auslandsverschuldung 1.1.6 Variablen der Stabilität des Finanzsektors 1.1.7 Variablen der Handlungsweisen privater Wirtschaftssubjekte 1.1.8 Sonstige Variablen 1.2 Mehrfachrangkorrelationen 2 Teilstichproben 2.1. Einfachrangkorrelationen 2.1.1 Überblick 2.1.2 Emerging Market Economies vs. Industriestaaten 2.1.2.1 Emerging Market Economies 2.1.2.2 Industriestaaten 2.1.3 Schwere vs. leichte Krisen 2.1.3.1 Schwere Krisen 2.1.3.2 Leichte Krisen 2.1.4 Frühe vs. späte Krisen 2.1.4.1 Frühe Krisen 2.1.4.2 Späte Krisen 2.2 Mehrfachrangkorrelationen 3 Einschränkungen 264 265 266 267 267 268 269 269 269 269 269 271 272 273 274 274 275 275 277 277 277 279 279 281 283 283 285 286 286 288 291 296 VII Zusammenfassung und Schlußbetrachtung 299 Literaturverzeichnis 307 Anhang Anhang A1 Detailüberblick über die verwendeten Regressanden und Regressoren Abkürzungsverzeichnis für Anhang A1 Anhang A2 Einfache Rangkorrelationskoeffizienten aus allen Stichproben 335 335 xi 342 343 Abbildungsverzeichnis Seite Abbildung 1: Ablauf der Wechselkursanpassung an international divergierende Inflationsraten 19 Abbildung 2: Devisenabfluß bei der Revidierung verschiedener Arten von Kapitalimporten 51 Abbildung 3: Auswirkungen einer Refinanzierungsverweigerung kurzfristiger Auslandsverbindlichkeiten auf den Wechselkurs 61 Abbildung 4: Definitionskriterien für Kapitalflucht 67 Abbildung 5: Ursachen von Kapitalflucht 70 Abbildung 6: Folgen von Kapitalflucht 72 Abbildung 7: Auswirkungen der Devisenreserven auf die Entwicklung des Wechselkurses 81 Abbildung 8: Auswirkungen von Budgetdefiziten auf den Wechselkurs 93 Abbildung 9: Auswirkungen einer gestiegenen Gesamtnachfrage auf Volkseinkommen und Preisniveau 95 Abbildung 10: Auswirkungen von Budgetdefiziten auf den Wechselkurs in Abhängigkeit von der Finanzierung 96 Abbildung 11: Zusammenhang zwischen schuldenfinanzierten Budgetdefiziten und dem Wechselkurs 101 Abbildung 12: Transformationsfunktionen der Banken 113 Abbildung 13: Unterschiedliche Ursachen einer Bankenkrise 133 Abbildung 14: Auswirkungen einer Bankenkrise auf den Wechselkurs 145 Abbildung 15: Problematik im Unternehmenssektor 175 Abbildung 16: Marktkapitalisierung der Rentenmärkte ausgewählter Volkswirtschaften im Jahr 2000 181 Abbildung 17: Tägliche Devisenumsätze ausgewählter Währungen im April 1997 194 Abbildung 18: Entwicklung des Wechselkurses bei unterschiedlich tiefen Devisenmärkten 198 Abbildung 19: Klassifizierung von Kapitalverkehrskontrollen in Abhängigkeit von Art, Richtung und Personen 204 xii Abbildung 20: Take-Profit-Verkaufsorders vs. Stop-Loss-Verkaufsorders 220 Abbildung 21: Beispielhafte Handelsstrategie nach der technischen Analyse 222 Abbildung 22: Rangverteilung der maximalen Abwertungsraten (A1) im Zeitablauf 250 Abbildung 23: Rangverteilung der Abwertungsraten am Krisenende (A2) im Zeitablauf 250 Abbildung 24: Rangverteilung der durchschnittlichen Abwertungsraten (A3) im Zeitablauf 251 Abbildung 25: Rangverteilung der Summen der Abwertungsraten (A4) im Zeitablauf 251 xiii Tabellenverzeichnis Seite Tabelle 1: Kredite internationaler Organisationen während ausgewählter Währungskrisen 1994-2002 88 Tabelle 2: Volumen ausstehender Bankkredite, ausstehender Unternehmensanleihen und Aktienmarktkapitalisierungen ausgewählter Volkswirtschaften, Ende 1998 188 Tabelle 3: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Gesamtstichprobe 270 Tabelle 4: Mehrfach-Rangkorrelationskoeffizienten für die Gesamtstichprobe 277 Tabelle 5: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichprobe der Emerging Markets 280 Tabelle 6: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichprobe der Industriestaaten 281 Tabelle 7: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichprobe der schweren Krisen 285 Tabelle 8: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichprobe der leichten Krisen 286 Tabelle 9: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichprobe der frühen Krisen 287 Tabelle 10: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichprobe der späten Krisen 289 Tabelle 11: Mehrfach-Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichproben 292 xiv Übersichtenverzeichnis Übersicht 1: Überblick über die untersuchten Volkswirtschaften Seite 9 Übersicht 2: Theoretische und empirische Einschränkungen der Kaufkraftparität 21 Übersicht 3: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen einer realen Aufwertung der Inlandswährung vor Krisenausbruch und dem Verlauf einer Währungskrise 25 Übersicht 4: Ursachen von Leistungsbilanzdefiziten 28 Übersicht 5: Zusammenhang zwischen... und Exportwertelastizität 33 Übersicht 6: Zusammenhang zwischen... und Importwertelastizität 33 Übersicht 7: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Leistungsbilanzdefiziten und dem Verlauf einer Währungskrise 43 Übersicht 8: Übersicht entstehender Probleme während einer Währungskrise in Abhängigkeit von der Art der Kapitalzuflüsse 48 Übersicht 9: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen KapitalImporten bzw. Auslandsverschuldung und dem Verlauf einer Währungskrise 64 Übersicht 10: Indirekte Berechnung von Kapitalflucht 78 Übersicht 11: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen KapitalTransfers inländischer Wirtschaftssubjekte, Kapitalflucht und dem Verlauf einer Währungskrise 79 Übersicht 12: Verfügbare Liquidität einer Volkswirtschaft 89 Übersicht 13: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen geringen Devisenreserven und dem Verlauf einer Währungskrise 91 Übersicht 14: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Budgetdefiziten des Staates und dem Verlauf einer Währungskrise 106 Übersicht 15: Grobbilanz des Geschäftsbankensektors 128 Übersicht 16: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Instabilitäten im Bankensektor und dem Verlauf einer Währungskrise 163 Übersicht 17: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Instabilitäten des Unternehmenssektors und dem Verlauf einer Währungskrise 179 Übersicht 18: Folgen unterentwickelter inländischer Finanzmärkte xv 184 Übersicht 19: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen unterentwickelten inländischen Kapitalmärkten und dem Verlauf einer Währungskrise 193 Übersicht 20: Termini am Devisenmarkt 195 Übersicht 21: Dimensionen der Liquidität 195 Übersicht 22: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen der Liquidität der Devisenmärkte und dem Verlauf einer Währungskrise 203 Übersicht 23: Meßmethoden der Kapitalmobilität bzw. der Intensität der Kapitalverkehrskontrollen 212 Übersicht 24: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Kapitalverkehrskontrollen und dem Verlauf einer Währungskrise 218 Übersicht 25: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Handlungsweisen privater Wirtschaftssubjekte und dem Verlauf einer Währungskrise 232 Übersicht 26: Ratingskalen ausgewählter Ratingagenturen mit zugehörigen Definitionen 235 Übersicht 27: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen dem Verhalten von Ratingagenturen und dem Verlauf einer Währungskrise 237 Übersicht 28: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen dem Verhalten der politisch Verantwortlichen und dem Verlauf einer Währungskrise 243 Übersicht 29: Zeitpunkte der jeweiligen Krisenausbrüche in den untersuchten Volkswirtschaften im Zeitraum 1991-2002 258 Übersicht 30: Darstellung der untersuchten Stichproben 277 Übersicht 31: Überblick über die Eingruppierung einzelner Länder in die Teilstichproben 278 Übersicht 32: Ergebniszusammenfassung der empirischen Analyse 298 xvi Kurzbeschreibung des empirischen Untersuchungsansatzes Untersuchungsziel/Hypothese: Ermittlung quantitativ erfaßbarer Bestimmungsfaktoren für das Ausmaß einer Währungskrise Analyseverfahren: Querschnittsrangkorrelationsanalyse, Signifikanztests Untersuchungszeitraum: Gesamtzeitraum: 1991 bis einschließlich 2002 Osteuropäische Staaten ab 1995 bis einschließlich 2002 Teilzeiträume: 1991-1996 („frühe Krisen“) und 1997-2002 („späte Krisen“) Merkmalsträger: Länder: vgl. Übersicht 1 aus S. 9 Ländergruppen: Emerging Market Economies, Industriestaaten Datenfrequenz: Jahresdaten (jeweils ein Stichjahr bzw. ein Durchschnittswert für mehrere Jahre im Querschnitt aller jeweils betrachteten Länder) Datenbasis: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich: Consolidated Banking Statistics International Banking Statistics Jahresberichte Securities Statistics Central Bank of China (Republic of China, Taiwan): Balance of Payments Statistics Internationaler Währungsfonds: Country Reports Government Financial Statistics IMF Members ` Financial Data by Country International Financial Statistics Nationale Zentralbanken: Verschiedenste Informationen auf Anfrage Ratingagenturen Moody´s Investor Service und Standard & Poors (S&P): Sovereign Ratings History Thomson Financial Datastream: Abfrage zu Wechselkursvolatilitäten in der Vergangenheit Weltbank: Global Development Finance (vormals: World Debt Tables) xvii Regressanden (Abhängige Variablen - Ränge): 4 unterschiedlich spezifizierte Variablen für die Abwertungsraten des Wechselkurses im Verlauf einer Krise Regressoren (Unabhängige Variablen - Ränge): Verschiedenste Variablen aus folgenden Bereichen: • Realer Wechselkurs • Leistungsbilanzsituation • Kapitalimporte und Auslandsverschuldung • Kapitalexportpotential und Kapitalflucht • Devisenreserven und volkswirtschaftliche Liquidität • Öffentlicher Sektor • Stabilität des Finanzsektors • Inländische Kapitalmärkte, Kapitalverkehrskontrollen, Devisenmarkt und Unternehmenssektor • Handlungsweisen privater Wirtschaftssubjekte • Ratingagenturen • Reaktion der politisch Verantwortlichen im In- und Ausland Ermittelte Kennzahlen: Spearman´sche Rangkorrelationskoeffizienten (einfache und multiple) Signifikanzniveaus (t-Test) xviii I Einleitung und Problemstellung (I.A) I Einleitung und Problemstellung I.A Unterschiedliche Ausmaße von Währungskrisen in entwickelten Volkswirtschaften und Emerging Market Economies Seit Beginn der Schuldenkrise 1982 und spätestens mit Ausbruch der Krise des Europäischen Währungssystems 1992/93 ist das Phänomen der Währungskrisen, welche sich in Form von teilweise extremen Wechselkursverschiebungen zeigen, durch die Medien einer breiten Bevölkerung zugänglich gemacht worden. Die Folgen der Krisen – zumindest der schweren – waren für die jeweils betroffenen Länder meist fatal: drastische Währungsabwertungen der betroffenen Währungen, ein Anstieg der inländischen Zinsen in schwindelerregende Höhen in Verbindung mit stark steigenden Inflationsraten. Diese Entwicklungen haben einen heftigen Rückgang der Produktionstätigkeit und des wirtschaftlichen Wohlstandes in den betroffenen Nationen ausgelöst (vgl. Sell 1999, S. 2). Wenn man die Währungskrisen der letzten 25 Jahre etwas genauer betrachtet, fällt auf, daß betroffene Industrieländer gegenüber den sogenannten Emerging Market Economies deutlich in der Minderheit waren. Dies ließe sich unter Umständen noch dadurch erklären, daß es weniger entwickelte Volkswirtschaften als aufstrebende Volkswirtschaften gibt. Aber auch die Abwertungsraten und damit die Dimensionen der Währungskrisen blieben in Industrieländern meist deutlich hinter denen in Emerging Market Economies zurück (vgl. Kaminsky/Reinhart 1996, S. 19ff. sowie Cieleback/Mezger 2000, S. 63ff. und IWF 2004, online). Unter den schwersten Währungskrisen sucht man Industriestaaten mehr oder minder vergeblich. Die Abwertungsraten vieler Währungen in den aufstrebenden Volkswirtschaften übersteigen erheblich die Abwertungsrate Schwedens während der Krise des Europäischen Währungssystems (Die seinerzeitige Situation Schwedens gilt mit als die schwerste Währungskrise eines Industrielandes des letzten Vierteljahrhunderts). Mit zunehmenden Abwertungsraten nehmen c.p. auch die Folgen der Krise auf die Realwirtschaft zu. Insbesondere das Bankensystem – aber auch der Unternehmenssektor – ist i.d.R. mit zunehmendem Währungsverfall und steigenden Zinsen erheblichen Belastungen unterworfen. Außerdem bringen die durch Währungsabwertungen ausgelösten Preissteigerungen im Inland deutliche Verteilungseffekte zuungunsten der unteren und mittleren Einkommensschichten mit sich. 1 I Einleitung und Problemstellung (I.A) Die Wissenschaft hat sich seit dem Ende der 1970er Jahre mit der Entstehung und Problematik von Währungskrisen beschäftigt. Das erste Modell zur Erklärung dieser Phänomene stammt von Paul Krugman aus dem Jahre 1979. Es macht übermäßige staatliche Defizite, welche durch die Zentralbank finanziert werden, für den Ausbruch einer Währungskrise verantwortlich (vgl. Krugman 1979). Bis heute wurden zu diesem Thema zahlreiche weitere theoretische Modelle mit unterschiedlichsten Krisenauslösern entwickelt und auf ihre empirische Relevanz getestet. Auf eine Auswahl verweisen Kaminsky et al. (1997, S. 22ff.). Die empirischen Modelle sind in ihrer Zielsetzung meist darauf ausgelegt, Indikatoren ausfindig zu machen, die eine heraufziehende Währungskrise frühzeitig anzeigen können. Daraus lassen sich dann entsprechende Frühwarnindikatoren für die Politik oder für kreditgebende Banken generieren. Die Höhe der Abwertungsrate spielte allenfalls am Rande eine Rolle. In der vorliegenden Arbeit wird im Unterschied dazu die Frage gestellt, aus welchem Grund die schwersten Währungskrisen fast ausschließlich in Emerging Market Economies auftraten. Ist es nur reiner Zufall, oder lassen sich diese Abweichungen durch bestimmte Faktoren, in denen sich Industriestaaten von aufstrebenden Volkswirtschaften unterscheiden (z.B. durch bessere Fundamentaldaten), erklären? Damit verbunden ist die Frage, ob bestimmte Faktoren dazu herangezogen werden können, um im Fall einer Währungskrise eine Prognose über die zu erwartende Abwertungsrate erstellen zu können. Aus der Kenntnis der wichtigsten Determinanten ließen sich ferner Handlungsempfehlungen für die Politik ableiten, auf welche Gesichtspunkte ein besonderes Augenmerk zu legen ist, um aus einer beginnenden Währungskrise kein Fiasko für die inländische Währung werden zu lassen. Zur Untersuchung dieser Frage wird in Teilen der Arbeit auf Faktoren zurückgegriffen, welche in der Literatur auch als Frühwarnindikatoren für bevorstehende Währungskrisen verwendet werden. Die vorliegende Arbeit gliedert sich wie folgt: Zunächst wird versucht, die beiden Begriffe „Währungskrise“ und „Emerging Market Economies“ etwas greifbarer zu machen, indem einige Definitionen dieser Schlagworte aus der Literatur vorgestellt werden. Jeweils am Ende soll ein eigener Definitions- bzw. Quantifizierungsversuch für diese Arbeit dargelegt werden. 2 I Einleitung und Problemstellung (I.A) In Kapitel II sollen primär makroökonomische Ungleichgewichte dargestellt werden. Die einzelnen Unterkapitel dienen vorwiegend der Erklärung der Ungleichgewichte sowie deren möglichen Auswirkungen auf den Verlauf und das Ausmaß einer Währungskrise. Hier wird – soweit möglich – auch auf systematische Unterschiede zwischen Industriestaaten und Emerging Market Economies hingewiesen. Am Ende eines jeden Unterkapitels werden einige Indikatoren erläutert, welche das Ausmaß der jeweiligen Ungleichgewichte messen sollen. Ob diese letztlich auch in der empirischen Untersuchung verwendbar sind, ist i.d.R. erst vor dem Hintergrund des Datenmaterials in Kapitel VI zu entscheiden. Angemerkt sei an dieser Stelle, daß sich die Notationen der in dieser in dieser Arbeit vorgestellten theoretischen Modelle weitestgehend an denen der jeweiligen Autoren orientieren, d.h. daß eine Variable in zwei verschiedenen Modellen zwei verschiedene Bedeutungen besitzen kann. Das Kapitel III befaßt sich mit mikroökonomischen Problemfeldern im Bereich des Finanz- und des Unternehmenssektors. Die Aufteilung der Unterkapitel ist der des Kapitels II sehr ähnlich. Zunächst werden die Aufgaben des jeweiligen Sektors dargelegt, danach die Probleme im Umfeld der Sektoren und in diesen selbst erörtert. Sofern möglich, wird wiederum auf häufige Unterschiede zwischen Industriestaaten und Emerging Market Economies hingewiesen. Zum Schluß soll aufgezeigt werden, auf welchen Übertragungswegen ein angeschlagener Banken- oder Unternehmenssektor eine Währungskrise beeinflussen kann und welche Größen Auskunft über die Stabilität der jeweiligen Sektoren geben können. In Kapitel IV werden ebenfalls mikroökonomische Problemfelder untersucht. Allerdings betreffen diese die inländischen Finanzmärkte (Aktien-, Anleihe-, Geld- und Devisenmärkte). Das erste der drei Unterkapitel stellt die Ursachen und die Nachteile unterentwickelter inländischer Kapitalmärkte dar. Das zweite beschäftigt sich mit der Frage, welche Auswirkungen illiquide Devisenmärkte auf den Abwertungsverlauf haben können. Das letzte Unterkapitel analysiert Beschränkungen des Kapitalverkehrs bezüglich ihrer Auswirkungen auf Währungskrisen. Es werden Ziele und Probleme von Kapitalverkehrskontrollen vorwiegend unter den Bedingungen einer Währungskrise eingehend erörtert. Da die Intensität von Kapitalverkehrskontrollen nicht direkt meßbar ist, sollen außerdem Methoden vorgestellt werden, welche diese indirekt und vorwiegend anhand ihrer Wirkungen untersuchen. In allen drei Unterkapiteln, 3 I Einleitung und Problemstellung (I.B) besonders in den ersten beiden, werden deutliche Differenzen zwischen Industrieländern und den aufstrebenden Volkswirtschaften herausgestellt. Ebenso werden, wie zuvor, in allen Unterkapiteln Indikatoren erläutert, die Informationen über den Entwicklungsgrad der Finanzmärkte geben können. In Kapitel V erfolgt die Analyse bestimmter Handlungsweisen der Marktteilnehmer, durch welche diese selbst das Ausmaß einer Währungskrise beeinflussen können. Hier werden vor allem die Verwendung der technischen Analyse sowie Limitsysteme von institutionellen Investoren untersucht. Außerdem werden die hohe Bedeutung von Hedgefonds an bestimmten Devisenmärkten sowie psychologische Einflüsse erörtert. Das zweite Unterkapitel befaßt sich mit der Bedeutung der Ratingagenturen. Es werden insbesondere Kanäle aufgezeigt, durch die Ratingveränderungen eine Krise beeinflussen können. In beiden Unterkapiteln wird wiederum auf Differenzen zwischen Industriestaaten und Emerging Market Economies eingegangen. Zudem werden mögliche Indikatoren für den empirischen Teil vorgestellt. Im letzten Unterkapitel werden Handlungsweisen der inländischen Regierung bzw. Zentralbank und internationaler Organisationen (vorwiegend des Internationalen Währungsfonds) beispielhaft dargelegt, welche von immenser Bedeutung sein können. Aufgrund verschiedenster möglicher Ausprägungen können nur wenige Indikatoren länderübergreifend quantifiziert und in der empirischen Analyse eingesetzt werden. In Kapitel VI erfolgt die statistische Prüfung der Indikatoren, soweit dies möglich ist. Dies geschieht mittels einfacher und multipler Rangkorrelationsanalysen in Verbindung mit Signifikanztests. Kapitel VII bildet eine abschließende Zusammenfassung. I.B Begriffsdefinitionen 1 Definition einer Währungskrise Was ist eigentlich unter dem Begriff „Währungskrise“ zu verstehen? Die Frage wird verständlich, wenn man einen Blick in die Literatur wirft. Die Definitionen und Abgrenzungen sind nicht eindeutig. Es besteht zwar weitgehend Einigkeit darüber, daß eine plötzliche, erhebliche Abwertung der heimischen Währung als Währungskrise zu bezeichnen ist. Jedoch ist sich die Literatur uneins in der Frage, ob im Rahmen einer breiteren Definition auch andere Kriterien eine Währungskrise anzeigen kön4 I Einleitung und Problemstellung (I.B) nen, ohne daß es notwendigerweise eines Wertverlusts der heimischen Währung bedarf. Ferner unterscheiden sich qualitative und quantitative Definitionsformen. Qualitative Definitionen finden sich z.B. bei Resinek (2001, S. 10) oder Ohr (1998, S. 246f.). Bei Ohr wird eine Währungskrise definiert als ein Ereignis “..., wenn spekulative Attacken auf die Währung zu einer erheblichen kurzfristigen Abwertung führen oder diese nur durch einen großen Verlust an Devisenreserven ... oder durch einen starken Anstieg der inländischen Zinsen ... abgewehrt werden kann.” (Ohr 1998, S. 246f.). Qualitative Definitionen haben zwar den Vorteil ihrer einfachen Verständlichkeit, für eine empirische Untersuchung sind sie jedoch zu ungenau. Daher sollen nachfolgend quantitative Definitionen einer Währungskrise in den Fokus gerückt werden. Bei Anhängern der schon angesprochenen relativ weiten Abgrenzung des Begriffs „Währungskrise“ finden sich, neben einer starken Abwertung der Inlandswährung, i.d.R. noch die Veränderung der Devisenbestände und bisweilen die Entwicklung der inländischen Zinsen als Indikatoren für eine Währungskrise. Befürwortet wird eine weite Definition des Begriffs beispielsweise von Kaminsky/Reinhart (1996) und Eichengreen et al. (1995). Nachfolgend soll die meßbare Definition einer Währungskrise am Modell von Kaminsky/Reinhart (1996) kurz skizziert werden. Neben der nominalen Abwertungsrate der Inlandswährung geht nur die Veränderungsrate der Währungsreserven in einen gewichteten sogenannten „Devisenmarktturbulenzenindex” ein. Die inländischen Zinsen werden mit dem Hinweis auf den Mangel an aussagefähigen Kapitalmarktzinsen in vielen Emerging Markets außen vor gelassen. Eine Währungskrise ist als Überschreitung der dreifachen Standardabweichung des Index von seinem Mittelwert definiert. Eine Währungskrise kann jedoch nur entstehen, wenn die Veränderungsraten der beiden Indikatoren in „die richtige Richtung” zeigen (abnehmende Währungsreserven und steigender nominaler Wechselkurs). Zudem weisen Kaminsky/Reinhart (1996) auf Besonderheiten bei Hochinflationsländern hin. Für diese Volkswirtschaften ist ein gesondertes Verfahren notwendig, das hier jedoch nicht näher beleuchtet werden soll (vgl. Kaminsky/Reinhart 1996, S. 4f.). Um dies zu umgehen, modifiziert Schnatz (1998a) das vorliegende Modell wie folgt: 5 I Einleitung und Problemstellung (I.B) In den Devisenmarktturbulenzenindex geht nicht die Veränderungsrate des nominalen, sondern die des realen Wechselkurses ein. Der Vorteil liegt darin, daß Staaten mit hohen Inflationsraten nicht separat behandelt werden müssen. Schnatz (1998a) unterscheidet außerdem die Intensität der Krise. Je nach Überschreitungsausmaß der Standardabweichung werden die Bezeichnungen ernsthaft (> 1,5), schwerwiegend (> 2) oder gravierend (> 3) vergeben. Mit das wichtigste Unterscheidungskriterium ist jedoch, daß Schnatz (1998a) nur dann von einer Währungskrise spricht, wenn mindestens 60% der Veränderung des Devisenmarktturbulenzenindex durch die Veränderungsrate des realen Wechselkurses erklärt werden. Nach dieser Definition wäre eine Entwicklung am Devisenmarkt, in deren Verlauf lediglich die Reservebestände der Notenbank stark reduziert werden, der Wechselkurs jedoch stabil bleibt, nicht als Währungskrise zu bezeichnen (vgl. Schnatz 1998a, S.6ff.). Das Modell von Schnatz (1998a) verbindet so Elemente einer weit gefaßten Währungskrisendefinition mit Elementen der nachfolgend beschriebenen engen Definition einer Währungskrise. Enge Definitionen und Abgrenzungen von Währungskrisen werden z.B. von Frankel/Rose (1996, S. 3) und dem Internationalen Währungsfonds (vgl. IWF 1997a, S. 91) verwendet. Sie legen für das Vorhandensein einer Währungskrise beispielsweise folgende Voraussetzungen fest: Die heimische Währung muß sich um mindestens 25% nominal gegenüber dem US-$ auf Jahresbasis abwerten. Um die Problematik von Hochinflationsländern zu umgehen, ist es deren Meinung nach außerdem erforderlich, daß sich die Abwertungsrate der heimischen Währung um mindestens 10% gegenüber der Abwertungsrate des Vorjahres erhöht. Die Währungsreserven schwanken nach Frankel/Rose (1996) in Emerging Markets aufgrund von Devisenmarktinterventionen seitens der Zentralbank so stark, daß die Nachteile einer Miteinbeziehung dieser Variable die Vorteile überwiegen. Daher bleiben in dieser Definition nicht nur die Zinsen, sondern auch die Währungsreserven außen vor. So kann die Definition einer Währungskrise recht simpel bleiben (vgl. Frankel/Rose 1996, S. 3ff.). Alle quantitativen Definitionsversuche besitzen jedoch einen bedeutenden Nachteil. Es ist eigentlich nicht möglich, das Auftreten einer Währungskrise genau zu operationalisieren (Adäquationsproblem). Es ist die Frage zu stellen, um wieviel Prozent eine Währung in welchem Zeitraum abwerten muß, um von einer Währungskrise 6 I Einleitung und Problemstellung (I.B) sprechen zu können. Jeder Versuch einer Quantifizierung muß willkürlich erscheinen (vgl. Resinek 2001, S. 10). Allerdings sei hier auf Frankel/Rose (1996, S. 4) verwiesen. Diese führen aus, daß die Wahl einer exakten Abwertungsschwelle, ab deren Überschreitung von einer Währungskrise gesprochen werden kann, gemäß einer von ihnen durchgeführten Sensitivitätsanalyse unerheblich ist. Für die vorliegende Arbeit soll trotz der erwähnten Problematik eine quantitative Definition gewählt werden. Da die Gründe für unterschiedliche Abwertungsraten untersucht werden sollen, liegt es nahe, eine Definition zu wählen, die sich ausschließlich auf die Abwertung der inländischen Währung konzentriert und fehlgeschlagene Attacken gegen eine Währung ausschließt. Die gewählte Methodik wird sich an die Arbeit von Esquivel/Larrain (1998) anlehnen. Genaueres wird in Kapitel VI noch zu erläutern sein. Esquivel/Larrain (1998, S. 9) charakterisieren eine Währungskrise als eine Situation, in der erstens der kumulierte reale Wechselkurs auf Dreimonatsbasis um mehr als 15% abwertet, oder zweitens ein Anstieg des monatlichen realen Wechselkurses die 2,54-fache Standardabweichung des jeweiligen langfristigen Mittelwertes übersteigt. Bei der zweiten Möglichkeit muß jedoch noch hinzukommen, daß die Abwertung des realen Wechselkurses auf Einmonatsbasis 4% gegenüber dem Vormonat übersteigt. 2 Definition Emerging Market Economies Auch in Bezug auf eine Definition des Begriffs Emerging Market Economies zeigt sich die Literatur äußerst vage und ungenau. Schnatz (1998) definiert Emerging Market Economies als eine Gruppe sich dynamisch entwickelnder Volkswirtschaften. In der Regel gehören sie zu Ländern mit mittlerem Pro-Kopf-Einkommen. Jedoch schränkt er ein, daß auch China trotz des geringen Pro-Kopf-Einkommens zu den Emerging Markets zu zählen ist, da die dortige Wirtschaftsentwicklung sehr rasch voranschreitet (vgl. Schnatz 1998, S. 17). Die Landesbank Baden-Württemberg setzt Emerging Market Economies mit Schwellenländern gleich. Diese wiederum werden als Volkswirtschaften beschrieben, deren Eigendynamik dazu führt, strukturelle Merkmale eines Entwicklungslandes hinter sich zu lassen und sich allmählich zum Industrieland zu wandeln (vgl. Landesbank Baden-Württemberg 2001, S. 175).12 Eine 21 Hemmer führt allerdings aus, daß es „die” strukturellen Merkmale eines Entwicklungslandes gar nicht gibt (vgl. Hemmer 1988, S. 42). 7 I Einleitung und Problemstellung (I.B) etwas genauere Darstellung findet sich in Meyers großem Handlexikon. Dort wird versucht, ein Schwellenland sogar quantitativ zu charakterisieren: Stark steigendes Pro-Kopf-Einkommen, Industrialisierungsgrad > 30%, Exporte von Fertigwaren, extrem niedrige Löhne und ein Analphabetenanteil in der Bevölkerung von weniger als 30% (vgl. o.V. 1989, S. 781). Selbst die Entwicklungsökonomie tut sich bei der Definition von Schwellenländern bzw. Emerging Market Economies sehr schwer. Hemmer (1988, S. 42) charakterisiert Schwellenländer als Entwicklungsländer, deren Entwicklungsstand bereits relativ weit fortgeschritten ist. Er weist weiter darauf hin, daß neben Kriterien wie Industrieanteil am BIP, Lebenserwartung, Energieverbrauch und Alphabetisierung vor allem das Pro-Kopf-Einkommen eine zentrale Rolle bei der Identifizierung eines Schwellenlandes spielt. Eine genauere Darstellung unterbleibt allerdings. Einige interessante Charakteristika von Schwellenländern liefert Nuscheler (1996). Danach zeichnen diese Länder sich vor allem durch hohe Raten des Wirtschaftswachstums aus. Des weiteren nimmt der Anteil der Industrieproduktion an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung in Verbindung mit einer breiteren Güterpalette zu. Die Industrialisierung ist exportgestützt, und der Hauptbestandteil des Exports sind nicht mehr Rohstoffe, sondern Fertigwaren (vgl. Nuscheler 1996, S. 83f.). Für die vorliegende Arbeit soll v.a. dann von Emerging Market Economies gesprochen werden, wenn ein Nichtindustrieland sein Finanzsystem zumindest soweit liberalisiert hat, daß internationale Investoren im Inland Aktiva erwerben können. In gewisser Weise ähnelt diese – zugegebenermaßen ebenfalls sehr unscharfe – Definition der von Krugman/Obstfeld (2000, S. 664). Ferner spielen auch andere Kriterien, die auf die eine oder andere Art in der Literatur verwendet werden, eine Rolle. Um dies etwas mehr zu konkretisieren, muß an dieser Stelle auf Beispiele zurückgegriffen werden. Als solche können die Staaten Ostasiens und Lateinamerikas sowie die Transformationsökonomien Mittel- und Osteuropas dienen. Hinzu kommen einige Staaten Afrikas und Südasiens. Zudem sollen in der Arbeit (wie auch bisher teilweise geschehen) trotz kleiner möglicher Differenzen – schon aus Gründen der sprachlichen Abwechslung – die Begriffe Emerging Market Economies, Emerging Markets, Schwellenländer, aufstrebende Volkswirtschaften und Newly Industrializing Countries (NIC) synonym verwendet werden. 8 I Einleitung und Problemstellung (I.B) Übersicht 1: Überblick über die untersuchten Volkswirtschaften (*=mit Währungskrise) Emerging Market Economies Mittel- und Südamerika Argentinien* Bolivien Brasilien* Chile* Ecuador* Kolumbien* Mexiko* Paraguay* Peru* Uruguay* Venezuela* Osteuropa Bulgarien* Estland Lettland Litauen Polen* Rumänien* Rußland* Slowakei* Tschechien* Ukraine* Ungarn* Nordamerika Westeuropa Kanada USA* Belgien Dänemark Deutschland Euroland Finnland* Frankreich Griechenland* Großbritannien* Irland* Island* Italien* Niederlande Norwegen* Österreich Portugal* Schweiz* Schweden* Spanien* Ostasien China* Hongkong Indonesien* Südkorea* Malaysia* Philippinen* Taiwan* Thailand* Vietnam* Südasien und Afrika Ägypten* Indien* Israel* Kenia* Marokko Nigeria* Pakistan* Saudi-Arabien Südafrika* Tunesien* Türkei* Vereinigte Arabische Emirate Industriestaaten Ostasien, Australien und Ozenanien Australien* Japan Neuseeland Singapur* Eine detailierte Darstellung der untersuchten Währungskrisen findet sich in Übersicht 29: Zeitpunkte der jeweiligen Krisenausbrüche in den untersuchten Volkswirtschaften im Zeitraum 1991-2002 auf Seite 258 Quelle: Eigene Darstellung 9 I Einleitung und Problemstellung (I.B) 10 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) II Makroökonomische Ungleichgewichte II.A Reale Aufwertung der Inlandswährung vor Ausbruch der Krise 1 Beziehung zwischen realer Aufwertung der Inlandswährung, der Kaufkraftparität und dem realen Wechselkurs Absolute Kaufkraftparität Einen Ansatz für die zu erwartende Abwertungsrate der inländischen Währung während einer Währungskrise kann das Ausmaß der realen Aufwertung der Inlandswährung im Vorfeld der Krise liefern. Der Umfang der realen Aufwertung wird häufig anhand der Kaufkraftparität untersucht. Die Kaufkraftparität basiert auf dem „Gesetz des gleichen Preises“ und besagt in ihrer absoluten Version, daß ein handelbares Gut bei Vernachlässigung von Transaktionskosten in jedem Land gleich viel kosten muß. Sofern gleiche Warenkörbe in jedem Land unterstellt werden und alle Güter handelbar sind, müssen sich auch die Preisniveaus in jedem Land entsprechen. Als Ausgleichsmechanismus für unterschiedliche Preisniveaus fungiert der Wechselkurs (vgl. Thießen 1995, S. 165f.). Formuliert wurde diese Theorie in ihrer heutigen Form von Gustav Cassel (1918). Es gilt: P€ = P$*e P€ // P$ e (II.A.1.1) = inländisches // ausländisches Preisniveau = Wechselkurs in Preisnotierung (USD/EUR) Relative Kaufkraftparität Da der internationale Handel jedoch nicht ohne Transaktionskosten abgewickelt werden kann, ist eine Grundannahme der absoluten Kaufkraftparität verletzt, was die Gültigkeit derselben stark beeinträchtigt. Die Antwort auf diese Problematik liefert die relative Kaufkraftparitätentheorie. Danach gleicht der Wechselkurs zwischen zwei Volkswirtschaften lediglich die unterschiedlichen Preissteigerungsraten zwischen Inund Ausland aus. Nicht die Preise gehandelter Güter müssen sich zwingend entsprechen, sondern die Preisentwicklungen gehandelter Güter zwischen In- und Ausland. Verändert sich diese Relation, muß der Wechselkurs für die Wiederherstellung des Status quo ante sorgen. Für die Gültigkeit der relativen Kaufkraftparität bezüglich der Transaktionskosten ist lediglich die Konstanz derer erforderlich (vgl. Thießen 1995, S. 166f.). Formal gilt: 11 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) P€1/P€0 = P$1/P$0*e1/e0 (II.A.1.2) P€1/P€0 = Inflationsrate Inland P$1/P$0 = Inflationsrate Ausland e1/e0 = Wechselkursentwicklung (vgl. Borchert 1999, S. 202ff.) Eine reale Aufwertung der Inlandswährung würde die Gleichungen (II.A.1.1) und (II.A.1.2) in Ungleichungen transformieren, wobei die jeweils linke Gleichungsseite die rechte übersteigt et vice versa. Ex-ante Kaufkraftparität Eine modifizierte Form der relativen Kaufkraftparität bildet die ex-ante Kaufkraftparität. Diese unterstellt, daß sich der Wechselkurs innerhalb einer Periode so verändert, daß er die erwarteten Inflationsdifferenzen zwischen zwei Volkswirtschaften während dieses Zeitraums genau ausgleicht. Anstelle von definitiven Inflationsraten treten Erwartungen über selbige als Determinante der Wechselkursentwicklung (vgl. Thießen 1995, S. 167f.). Bei Veröffentlichung der definitiven Inflationszahlen ist nur dann noch von einer Wechselkursreaktion auszugehen, sofern die definitive Inflationsrelation von der erwarteten abweicht. Realer Wechselkurs Ihren Niederschlag findet die Kaufkraftparität auch im realen Wechselkurs, der sich in Anlehnung an die Termini in Gleichung (II.A.1.1) wie folgt definieren läßt: 2 q = e*P$/P€ q (II.A.1.3) = realer Wechselkurs Sofern zumindest die relative Kaufkraftparität erfüllt ist, bleibt der reale Wechselkurs (q) der Theorie zufolge konstant (vgl. Lothian/McCarthy 2000, S. 3). Kommt es zu einer realen Aufwertung der Inlandswährung, verringert sich der Wert (q) in Gleichung (II.A.1.3) et vice versa. 2 Gründe für eine reale Aufwertung 2.1 Hohe Inflationsraten Eine reale Überbewertung einer Währung kann nach obiger Formel durch zwei Faktoren hervorgerufen werden. Zum einen durch eine positive Inflationsdifferenz zum 2 In der neueren Literatur wird der reale Wechselkurs auch oft als Preisverhältnis zwischen handelbaren und nicht-handelbaren Gütern multipliziert mit dem nominalen Wechselkurs definiert. 12 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Ausland bzw. zum Rest der Welt und zum anderen durch eine nominale Aufwertung der inländischen Währung. Die meisten Entwicklungs- und Schwellenländer weisen deutlich höhere Preissteigerungsraten als entwickelte Staaten auf (vgl. Fry et al. 1996, S. 4). Besonders in einigen lateinamerikanischen Staaten zeigten sich in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts extrem hohe Inflationsraten (vgl. Woll 1993, S. 500f.). Zwar wiesen auch Industriestaaten divergierende Preissteigerungsraten auf, allerdings waren diese Unterschiede weit weniger ausgeprägt. Für sich genommen bedeuten relativ höhere Inflationsraten im Inland gegenüber dem Ausland noch nicht zwingend eine reale Währungsaufwertung. Zusätzliche Voraussetzung für eine Aufwertung ist, daß die Inflationsdifferenzen nicht durch nominale Währungsabwertungen ausgeglichen werden. Hier liegt jedoch sehr häufig das Problem. Vor allem Emerging Markets verfügen häufig über rigidere Wechselkurssysteme als Industriestaaten (vgl. Diehl/Schweickert 1998, S. 6). Durch die gewählten Wechselkursarrangements lassen sich bestehende Inflationsdifferenzen zum Ausland oft nicht vollständig ausgleichen,3 wodurch es zu einer realen Aufwertung kommt (vgl. Kaminsky/Reinhart 1996, S. 10). 2.2 Nominale Währungsaufwertungen Die nominale Aufwertung der heimischen Währung kann nur in solchen Ländern eine nennenswerte reale Aufwertung herbeiführen, in denen der Wechselkurs über eine hinreichende Flexibilität verfügt. Häufiger Grund für nominale Aufwertungen sind massive Kapitalzuflüsse aus dem Ausland, die zu einem Überschußangebot an Fremdwährung und so zu einer nominalen Aufwertung führen. In Emerging Market Economies wiesen vorwiegend einige ostasiatische Volkswirtschaften genügend flexible Wechselkurssysteme auf, um eine reale Aufwertung primär durch nominale Aufwertungen zu realisieren. Zwischen Industriestaaten bestanden ebenfalls meistens flexible Wechselkurse bzw. Wechselkursarrangements, welche eine relativ hohe Flexibilität aufwiesen (vgl. Schnatz 1998, S.78). Es ist zwar festzuhalten, daß auch Industriestaaten Wechselkursbindungen eingingen. Hier ist vor allem das Europäische Währungssystem zu nennen. Allerdings war es in diesem System durchaus möglich und auch üblich, die Währungsparitäten den Inflationsdifferenzen entsprechend anzupassen, also immer wieder diskretionär nominale Wechselkursanpassun- 3 Bei wechselkursbasierter Stabilisierungspolitik ist dies oft auch gar nicht gewünscht (vgl. Dornbusch 1985, S. 27). 13 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) gen vorzunehmen (vgl. Ungerer 1994, S. 1). Allein zwischen Gründung des EWS 1979 und Januar 1987 wurden 11 Leitkursänderungen vorgenommen, um dem Anpassungsbedarf der Wechselkurse gerecht zu werden (Caspers 2002, S. 188). 3 Gründe und Problematik einer Wechselkursanbindung Warum versuchen Volkswirtschaften und speziell Schwellenländer trotz der mit Fixkurssystemen verbundenen Probleme ihre Währungen an internationale Währungen zu binden? Dafür sollen beispielhaft einige Gründe angeführt werden. 1. Reduzierung hoher Preissteigerungsraten 2. Stimulierung des Außenhandels 3. In Verbindung mit hohen Inlandszinsen Stimulierung von Kapitalzuflüssen Ein Ziel ist die Verringerung der oft hohen heimischen Preissteigerungsraten mit Hilfe fixer Wechselkurse oder eines Crawling-peg Systems4, da hohe Inflationsraten mit enormen gesamtwirtschaftlichen Kosten verbunden sind. Preisstabilität soll dadurch „importiert“ werden, daß der Staat eine eigenständige Geldmengensteuerung aus der Hand gibt. Somit verliert die Regierung die Möglichkeit, die Geldpolitik mißbräuchlich zur Erreichung anderer Ziele unter Inkaufnahme hoher Inflationsraten einzusetzen. Sofern diese Wechselkursbindung als glaubhaft erachtet wird, kann die Inflationserwartung der Wirtschaftssubjekte erheblich sinken. Die Rückführung der Inflationserwartungen in der Bevölkerung ist für die Realisierung niedrigerer Preissteigerungsraten von erheblicher Relevanz. Allerdings braucht der Prozeß der Inflationssenkung durch die Fixierung des nominalen Wechselkurses Zeit (vgl. Schnatz 1998, S. 153f.). Während dieser Phase können die Preissteigerungsraten im Inland zunächst noch deutlich über denen des Auslands liegen. Kann diese Diskrepanz nicht durch das Wechselkurssystem ausgeglichen werden, kommt es zu einer realen Aufwertung der inländischen Währung, die langfristig das Fortbestehen des Wechselkursmechanismus gefährden kann (vgl. Schnatz 1998, S. 86f.). 4 Unter einem Crawling-peg System versteht man ein Wechselkurssystem, bei dem eine Währung gegenüber einer ausländischen Währung täglich um ein vorher festgelegtes Maß ab- oder auch aufgewertet wird. In dieser Arbeit soll dieses System unter fixen Wechselkursen subsumiert werden (vgl. Brand/Röhm 1995, S. 20). 14 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Ferner dienen fixe Wechselkurse dazu, den Außenhandel zu stimulieren. Das hochvolatile Wechselkurse einen negativen Einfluß auf den internationalen Handel haben können, ist nichts Neues. Besonders in Ländern mit unterentwickelten Kapitalmärkten besitzen Ex- und Importeure oft nicht (oder nicht zu annehmbaren Konditionen) die Möglichkeit, Ein- oder Ausfuhren gegen Wechselkursschwankungen abzusichern. Wären die Wechselkurse flexibel und großen Volatilitäten ausgesetzt, so sähen sich die Außenhändler einem unkalkulierbaren Wechselkursrisiko ausgesetzt. Damit einhergehen würde vermutlich ein Umsatzrückgang im Ex- und Importbereich (vgl. Calvo/Reinhart 2000, S. 16ff.). Ein weiteres Ziel kann die Stimulierung ausländischer Kapitalzuflüsse sein. Durch den fixierten Wechselkurs wird das Risiko von Wechselkursschwankungen für internationale Investoren deutlich reduziert. Hält zudem die Zentralbank mittels einer restriktiven Geldpolitik die inländischen Zinsen relativ hoch, übersteigen die zu erwartenden Erträge im Inland vergleichbare Anlagen im Ausland. Diese Konstellation ermöglicht es häufig, erhebliche Kapitalzuflüsse zu generieren, welche besonders in den sogenannten „Newly Industrializing Countries (NIC)“ eine notwendige Ergänzung der inländischen Sparleistung darstellen (vgl. Schrooten 1999, S. 322). Der Zufluß von Auslandskapital ist zwar gewünscht, kann jedoch zu erheblichen Problemen führen. In bezug auf den realen Wechselkurs können massive Kapitalzuflüsse, welche den ursprünglichen Finanzierungsbedarf der Außenhandelstransaktionen deutlich übersteigen, nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten für die Volkswirtschaft mit sich bringen. Beispielsweise verursacht das zufließende Kapital einen Nachfrageüberschuß nach einheimischer Währung. Sofern der Wechselkurs fixiert ist, muß die Zentralbank die überschüssigen Devisen aufkaufen um eine nominale Aufwertung zu vermeiden. Bleiben Sterilisierungsversuche5 der Notenbank erfolglos, kommt es aufgrund der Devisenmarktinterventionen derselben zu einer Ausweitung der inländischen Geldmenge, zu einer Beschleunigung der Preissteigerungsraten und letztlich zu einer realen Währungsaufwertung. Sieht man diesen Punkt in Verbindung mit dem Ziel der Inflationsminderung, so zeigt sich die Wirkung darin, daß 5 Unter Sterilisierung von Kapitalzuflüssen wird der Verkauf von inländischen Wertpapieren (meist kurzfristigen Rentenpapieren) seitens der Notenbank an Geschäftsbanken verstanden. Damit soll die aus dem Ausland zufließende Liquidität wieder aus dem Bankensystem abgeschöpft werden, um so einen Anstieg der Kredite und der Geldmenge zu vermeiden. 15 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) sich der Zeitraum verlängert, den das Inland benötigt, um seine Preissteigerungsraten auf internationales Niveau zu drosseln (vgl. Schnatz 1998, S. 152f.). Entsprechend verstärken sich die reale Aufwertung der Währung und die Verringerung der Wettbewerbsfähigkeit inländischer Anbieter. Bei flexiblen Wechselkursen wertet die Inlandswährung sowohl nominal als auch real auf. Allerdings könnte die Inlandswährung unmittelbar wieder nominal abwerten, sollten die Kapitalzuflüsse abebben (vgl. Lothian/McCarthy 2000, S. 5). Diese führen auch dazu, daß sich i.d.R. nur ein geringerer Anpassungsbedarf der Inlandswährung aufbaut, als dies unter fixen Wechselkursen der Fall wäre (vgl. Kapitel II.A.4). 4 Reale Aufwertung der Inlandswährung und Verlauf einer Währungskrise 4.1 Flexible Wechselkurse Besonders die relative Kaufkraftparität dient oft als recht einfaches Instrument zur Wechselkursprognose bei flexiblen Wechselkursen (Konrad 1998, S. 494). Ausgangspunkt ist die zentrale Aussage der relativen Kaufkraftparität über die Konstanz der relativen Preise bzw. die Konstanz des realen Wechselkurses. Bei im internationalen Vergleich unterschiedlichen Preissteigerungsraten gilt nach Formel (II.A.1.2) z.B. P$1/P$0 < P€1/P€0. (II.A.4.1) Ändert sich der Wechselkurs (e) zunächst noch nicht, ergibt sich bezogen auf die relative Kaufkraftparität P€1/P€0 > P$1/P$0*e1/e0 mit e1 = e0 (II.A.4.2) Entsprechend wertet die inländische Währung real auf (Sinken des realen Wechselkurses). Daraus resultiert eine Veränderung der relativen Preise zwischen in- und ausländischen Gütern. Für die Verbraucher im In- und Ausland sind ausländische Güter relativ zu inländischen Gütern kostengünstiger geworden. Heimische Produzenten müssen durch die reale Aufwertung ihrer Heimatwährung preisliche Wettbewerbsnachteile hinnehmen, welche nur durch Preissenkungen ausgeglichen werden können. Dies ist jedoch oft aus Ertragsgesichtspunkten der Unternehmen nicht mög16 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) lich. Ist ferner die Entscheidung, wo ein Gut gekauft wird, lediglich vom relativen Preisverhältnis zwischen In- und Ausland abhängig (was die Kaufkraftparität unterstellt), werden sowohl vom Ausland als auch vom Inland vermehrt ausländische und weniger inländische Produkte nachgefragt (vgl. Krugman/Obstfeld 2000, S. 395). Diese Entwicklung spiegelt sich dann auch in sich verschlechternden Handels-, Dienstleistungs- und Leistungsbilanzsalden wider. Da ausländische Güter i.d.R. auch in ausländischer Währung gezahlt werden müssen, wird von seiten des Inlands mehr ausländische Währung nachgefragt.6 Ausländische Konsumenten werden weniger inländische Währung nachfragen, da sie weniger inländische Produkte beziehen. Beides bewirkt einen Angebotsüberschuß der inländischen Währung am Devisenmarkt. Dieser kann nur durch eine Währungsabwertung der inländischen Währung ausgeglichen werden (e1>e0). Diese Entwicklung wird sich im Idealfall solange fortsetzen, bis die inflationsbedingte Veränderung des realen Wechselkurses zwischen In- und Ausland wieder ausgeglichen ist. Dadurch wird der preisliche Wettbewerbsvorteil ausländischer Produzenten wieder rückgängig gemacht und die Leistungsbilanz des Inlands positiv beeinflußt. Der Angebotsüberschuß an Inlandswährung am Devisenmarkt verschwindet. Diese Anpassungsprozesse zur Revidierung der realen Aufwertung können als Grundlage für eine Wechselkursprognose auf Basis der Kaufkraftparitäten dienen (vgl. Konrad 1998, S. 496). 4.2 Fixe Wechselkurse Bei fixen Wechselkursen fällt der nominale Wechselkurs als Ausgleichsmechanismus zunächst einmal weg. Ist die Inflationsrate im Inland höher als im Ausland, so kommt es wie bei flexiblen Wechselkursen zu einer realen Aufwertung der Währung. Entsprechend verschlechtert sich die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Produzenten und es kommt zu einer Passivierung der Handels-, Dienstleistungs- und Leistungsbilanz. Da bei fixierten Wechselkursen häufige diskretionäre Abwertungen vom Prinzip her ausgeschlossen sind, kann eine solche Entwicklung anders als bei flexiblen Wechselkursen i.d.R. nicht zügig durch eine nominale Währungsabwertung ausgeglichen werden. Vielmehr wird die aus dem Importüberschuß resultierende Überschußnachfrage nach Fremdwährung aus den Devisenreserven der Zentralbank 6 Selbst wenn dies nicht der Fall ist, implizieren Exporte ein Angebot, Importe eine Nachfrage nach Devisen. 17 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) oder durch Kapitalimporte befriedigt. Eine bestehende reale Überbewertung der Währung kann so nur durch im internationalen Vergleich langsamer steigende Preise nach und nach abgebaut werden (vgl. Siebert 1999, S. 131). Dies ist jedoch kurzbzw. mittelfristig besonders für Emerging Market Economies kaum zu erreichen, da diese im Regelfall höhere Inflationsraten als Industriestaaten aufweisen (vgl. Sachs et al. 1996, S. 149). Bestehen die höheren Preissteigerungsraten im Inland in Relation zum Ausland fort, wertet die heimische Währung real weiter auf. Folglich müssen inländische Produzenten weitere Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen und werden immer weniger ausländische Nachfrage anziehen können. Außerdem wird sich der Importsubstitutionsgütersektor7 verstärkt ausländischer Konkurrenz gegenüber sehen. Der Importüberschuß vergrößert sich. Zur Aufrechterhaltung des Wechselkursniveaus müssen immer mehr Währungsreserven herangezogen bzw. immer mehr Auslandsschulden in Kauf genommen werden. Diese Entwicklung kann über längere Zeiträume persistieren. Da die Zentralbank jedoch nur begrenzt über Devisenreserven verfügt und auch das Ausland nicht ewig bereit sein dürfte, der heimischen Volkswirtschaft Kredite zu gewähren, ist diese Entwicklung nicht immerfort durchzuhalten. Irgendwann muß die Notenbank den Wechselkurs mangels Devisenreserven und weiterer Verschuldungsmöglichkeiten freigeben, was meist den Ausbruch einer Währungskrise markiert. Zu diesem Zeitpunkt sind die Währungen oft schon deutlich real überbewertet. Der Anpassungsdruck für den Wechselkurs ist entsprechend hoch und wird dann meistens sehr abrupt freigesetzt (vgl. BIZ 1997, S. 39). Theoretisch wird die Währung wie bei flexiblen Wechselkursen in gleichem Maße abwerten, wie die Währung vorher real aufgewertet hat. Auch hier kann die reale Aufwertung des Wechselkurses zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Währungskrise als Indiz für die zu erwartende Abwertungsrate herangezogen werden (Schnabl 1999, S. 3). Wurde der Importüberschuß über einen längeren Zeitraum durch eine Erhöhung der Auslandsverschuldung finanziert, so ist sogar damit zu rechnen, daß der Wechselkurs stärker als bis zur Kaufkraftparität ansteigen muß, um aus den resultierenden Exportüberschüssen den Schuldendienst leisten zu können. Es ist festzuhalten, daß 7 Unter Importsubstitutionsgütern werden solche Güter verstanden, welche in Konkurrenz zu Importgütern um die inländische Nachfrage konkurrieren. 18 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) die Anpassungsprozesse an international divergierende Inflationsraten bei fixen Wechselkursen deutlich langsamer ablaufen als bei flexiblen Wechselkursen. Folglich sollten Abweichungen des realen Wechselkurses vom realen Gleichgewichtswechselkurs nach dieser Argumentation bei fixierten Wechselkursen tendenziell länger andauern als bei flexiblen. Folglich müßten die aufkumulierten Salden der Leistungsbilanz für eine Volkswirtschaft bei fixen Wechselkursen c.p. größer ausfallen als wenn die Volkswirtschaft über einen flexiblen Wechselkurs verfügen würde.. Abbildung 1: Ablauf der Wechselkursanpassung an international divergierende Inflationsraten Fixe W echselkurse Flexible W echselkurse Reale Aufwertung der Inlandswährung W ettbewerbsnachteile heim ischer P roduzenten gegenüber dem Ausland Handelsbilanz ! Überschussnachfrage nach D evisen Fixe W echselkurse Flexible W echselkurse Überschussnachfrage nach Fremdwährung wird durch den Verkauf von Devisenreserven der Zentralbank (oder durch Kapitalim porte) ausgeglichen. Überschussnachfrage nach Fremdwährung sorgt für eine nom inale Abwertung der inländischen W ährung. Die reale Aufwertung und die entstandenen W ettbewerbsnachteile werden revidiert, die Handelsbilanz verbessert. Sofern das inländische Preisniveau weiter stärker steigt als das Preisniveau im Ausland, wertet die Inlandswährung weiter real auf. W enn die Devisenreserven der Zentralbank verbraucht sind und auch keine Kapitalim porte m ehr zur Deckung der Überschussnachfrage nach Devisen zur Verfügung stehen wird der W echselkurs freigegeben. W echselkursfreigabe und W ährungsabw ertung Quelle: Eigene Darstellung 5 Reagibilität der Inflation auf Veränderungen des Wechselkurses Verläßt man die statische Betrachtungsweise, so muß nicht nur die Wirkung der nominalen Abwertung auf den realen Wechselkurs der Währung, sondern auch diejenige auf die inländische Inflationsrate mit in Betracht gezogen werden. Ein drastischer Wertverlust der Binnenwährung bleibt nicht ohne Folgen für das inländische Preisniveau. Importgüterpreise gehen in einem bestimmten Verhältnis in den Konsumentenpreisindex ein. Darüber hinaus dienen Importgüter oft als Vorleistung für andere Güter, u.a. auch Exportgüter. Ein Anstieg der Importgüterpreise führt so auch bei Exportgütern zu Preissteigerungen. Die reale Abwertung wird teilweise wieder rückgän19 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) gig gemacht. Um langfristig eine reale Aufwertung auszugleichen, reicht es unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts nicht aus, die anfänglich bestehende Überbewertung durch eine entsprechende nominale Abwertung auszugleichen. Vielmehr muß die nominale Abwertung auch die nachfolgenden, abwertungsbedingt ansteigenden Inflationsraten kompensieren, um die bestehende reale Aufwertung der inländischen Währung vollständig abzubauen. Da sich der Wechselkurs schneller verändern kann als Güterpreise, ist davon auszugehen, daß die inländische Währung kurzfristig eine reale Unterbewertung aufweisen muß, bis die abwertungsbedingten höheren Inflationsraten den realen Wechselkurs wieder bis zum Erreichen der Kaufkraftparität ansteigen lassen. Voraussetzung ist jedoch, daß die Marktteilnehmer einen Anstieg der Inflation antizipieren. Ähnlich argumentiert auch das sogenannte Dornbusch-Modell zur Erklärung von Wechselkursschwankungen (vgl. MacDonald 1988, S. 59ff.). Geschieht dies nicht, müßten die zunehmenden Inflationsraten nach dem ersten Abwertungsschub zu weiteren Abwertungen der Inlandswährung führen. Offensichtlich ist die Wechselkursreagibilität der Inflation in Schwellenländern deutlich stärker ausgeprägt als in Industriestaaten. Dies gilt insbesondere für Lateinamerika. Dort stieg die Inflation zwischen 1970 und 1996 bei einer Reduktion des realen Außenwertes8 der Währung um einen Prozentpunkt im Schnitt um fast 0,4 Prozentpunkte an. In Asien betrug dieser Wert knapp 0,2 Prozentpunkte, in entwickelten Volkswirtschaften dagegen nur etwa 0,1 Prozentpunkte (vgl. BIZ 1997, S. 55f.). Auffällig ist, daß Volkswirtschaften, in denen in der Vergangenheit hohe Preissteigerungsraten auftraten, mit einem deutlich stärkeren Anstieg der Inflationsrate auf eine gegebene Abwertungsrate der Inlandswährung reagierten. Dies mag u.a. an den Erfahrungen der inländischen Wirtschaftssubjekte mit Währungsabwertungen in der Vergangenheit liegen. Auf die Auswirkungen von Erfahrungen auf die Verhaltensweise von Wirtschaftssubjekten wird in Kapitel V.A.2 noch genauer eingegangen. Gemäß der oben erwähnten Definition des realen Wechselkurses müßte die Währung zum Ausgleich einer bestehenden realen Überbewertung um so stärker nominal abwerten, je mehr die inländischen Preissteigerungsraten auf Wechselkursveränderungen reagieren (vgl. BIZ 1997, S. 56f.). 8 Unter dem Außenwert einer Währung wird der Kehrwert des Wechselkurses verstanden. 20 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) 6 Einschränkungen 6.1 Überblick Die Kaufkraftparitätentheorie besitzt von theoretischer und empirischer Seite her einige Unzulänglichkeiten, weshalb die Kaufkraftparität meist nur angenähert meßbar ist und allein als Begründung für unterschiedlich hohe Abwertungsraten während Währungskrisen kaum ausreichend erscheint. Es kann also durchaus zu Abweichungen kommen. Übersicht. 2: Theoretische und empirische Einschränkungen der Kaufkraftparität Theoretische Einschränkungen Keine Berücksichtigung von reinen Kapitaltransaktionen Gesamtwirtschaftliche Produktivitätsunterschiede zwischen Volkswirtschaften Inhomogene Güter Rationalität der Marktteilnehmer nicht immer gegeben Abstraktion von Marktmacht Empirische Einschränkungen Meß- und Adäquationsprobleme (z.B. Balassa/Samuelson-Theorem) Quelle: Eigene Darstellung 6.2 Theoretische Einschränkungen Die Kaufkraftparitätentheorie bezieht sich lediglich auf den Warenhandel. Kapitaltransaktionen inkl. Verschuldungsaspekte werden komplett außen vor gelassen (vgl. Shams 1985, S. 32). Dies mag in Zeiten mit geringem internationalen Kapitalverkehr zumindest einigermaßen vertretbar gewesen sein. Die Kapitalmärkte sind seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts weltweit deutlich liberalisiert worden. Mittlerweile übersteigen reine Kapitaltransaktionen, d.h. Kapitaltransaktionen, denen kein Waren- und Dienstleistungshandel zugrunde liegt, handelsinduzierte Transaktionen um ein Vielfaches (vgl. Reszat 2002, S. 10). Außerdem läßt sich Finanzkapital deutlich schneller von einem Punkt des Erdballs an einen anderen schicken, als Waren und Dienstleistungen. Besonders in Extremphasen, zu denen Währungskrisen zweifellos gehören, dürften das hohe Volumen und die hohe Geschwindigkeit von reinen Kapitaltransaktionen den Wechselkursverlauf bestimmen. Kurzfristig sind Kapitalbewegungen jedoch eher von Rendite-Risiko-Erwägungen abhängig. Längerfristig wäre eine Orientierung der Kapitalströme an einem Wechselkurs, der die Kaufkraftparität in etwa widerspiegelt, jedoch durchaus möglich (vgl. Schnabl 1999, S.3). 21 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Außerdem beachtet die Kaufkraftparität realwirtschaftliche Veränderungen überhaupt nicht. Krugman/Obstfeld (2000) führen für eine Abweichung von der Kaufkraftparität Produktivitätsunterschiede zwischen Volkswirtschaften an. Sie gehen von einem inländischen Produktivitätsfortschritt sowohl bei den gehandelten als auch bei den nicht-gehandelten Gütern aus. Da sich die Löhne ebenfalls an der Produktivität orientieren, steigen die Einkommen. Diese werden jedoch zum Teil auch für ausländische Güter ausgegeben. Die zusätzliche Nachfrage nach ausländischer Währung verursacht in Anlehnung an den keynes´schen Einkommensmechanismus des Wechselkurses9 eine Abwertung der inländischen Währung. Da Inländer auch ausländische Waren beziehen, kann das gestiegene inländische Güterangebot zudem nur dann abgesetzt werden, wenn als Folge der nominalen Abwertung das Ausland einen Teil des zusätzlichen Güterangebots nachfragt. Durch das gestiegene Einkommen steigt auch die Nachfrage nach inländischem Geld als Transaktionsmittel. Bei gleichbleibendem Geldangebot entsteht ein Druck auf das inländische Preisniveau. Die reale Abwertung der Währung wird so durch einen Rückgang der Inflation begünstigt (Krugman/Obstfeld 2000 S. 420ff.). Trotz der realen Abwertung besteht für den Wechselkurs (mit Ausnahme des reduzierten Preisniveaus) kein Grund, zur ursprünglichen Kaufkraftparität zurückzukehren. Auf der Nachfrageseite dürfte die Annahme der Homogenität der Güter sehr problematisch sein. Heterogene Produkteigenschaften können dazu führen, daß Konsumenten ein Produktbündel aus einem Land gegenüber einem sehr ähnlichen Produktbündel aus einem anderen Land auch bei gleichen Preisen vorziehen. Präferenzen können unter anderem durch Modeerscheinungen oder bestimmte spezifische Produkteigenschaften auftreten. Für ein bevorzugtes Produkt sind Verbraucher auch bereit, einen etwas höheren Preis zu zahlen (z.B. in der Automobilindustrie). Ist dies der Fall, so entsteht zum existierenden Preisniveau eine Überschußnachfrage nach den präferierten Gütern. Dies führt dazu, daß die Währung der entsprechenden Volkswirtschaft aufwertet. Zusätzlich erhöht sich oft noch das inländische Preisniveau, da eine Ausweitung der Produktionskapazitäten nur zu höheren Preisen möglich ist. Es kommt nochmals zu einer realen Aufwertung der inländischen Währung (vgl. Krugman/Obstfeld 2000, S. 419ff.). 9 Dieser wird in Kapitel II.B.4 noch näher darzulegen sein. 22 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Weiter unterstellt die Kaufkraftparität – wie viele ökonomische Ansätze – die strenge Rationalität der Marktteilnehmer sowie viele Marktteilnehmer auf beiden Seiten. Beide Annahmen treffen vor allem für die Devisenmärkte in Schwellenländern nur bedingt zu. Reszat (2002, S. 18f.) gibt beispielsweise an, daß der Devisenmarkt in vielen Emerging Markets von einem kleinen Kreis amerikanischer und europäischer Banken klar dominiert wird. Die quantitative Voraussetzung eines effizienten Marktes wäre somit kaum noch gegeben. Außerdem haben zahlreiche Studien aus dem Bereich des Behavioral Finance ergeben, daß das Verhalten der Marktteilnehmer nicht immer als rational bezeichnet werden kann. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß Anleger aus Launen wie Panik oder Euphorie heraus handeln. Auch werden manche Sachverhalte über Gebühr vereinfacht (Heuristiken). So kommen Marktteilnehmer unter Umständen zu Ergebnissen, die unter Einbeziehung aller Aspekte anders ausgefallen wären (vgl. von Nitzsch/Friedrich 1999, S. 497f.). Näheres dazu wird noch in Kapitel V.A.2 auszuführen sein. 6.3 Empirische Einschränkungen Vermeintliche Abweichungen des Wechselkurses von der Kaufkraftparität können auch aus einem Mangel an adäquaten Daten entstehen. Ein bedingtes Beispiel hierfür ist das sogenannte Balassa/Samuelson-Theorem. Balassa/Samuelson (1964) argumentieren wie Krugman/Obstfeld (2000) mit unterschiedlichen Wachstumsraten der Produktivitäten zwischen In- und Ausland. Sie treffen jedoch eine Unterscheidung zwischen gehandelten und nicht-gehandelten Gütern in einer Volkswirtschaft. Beide Güterarten werden nur durch den Produktionsfaktor Arbeit hergestellt, der innerhalb eines Landes vollkommen mobil ist. Ferner werden eine Entlohnung gemäß der Produktivität und vollständige Konkurrenz angenommen. Die Preise der gehandelten Güter gleichen sich über den Wechselkurs aneinander an. Kommt es in einem Land zu einem Produktivitätsfortschritt im Sektor der gehandelten Güter, werden die Löhne dieses Sektors steigen. Da der Faktor Arbeit mobil ist, wird es auch im Sektor der nicht-handelbaren Güter zu Lohnerhöhungen kommen, da sonst alle Arbeitskräfte aus diesem Sektor abwandern. Die Lohnerhöhungen im Sektor der nichthandelbaren Güter beruhen allerdings nicht auf Produktivitätssteigerungen. Das führt dazu, daß die Preise dieser Güter ansteigen. Stünden adäquate Außenhandelspreisindizes zur Berechnung des realen Wechselkurses zur Verfügung, würde aus dieser Entwicklung keine Abweichung des realen Wechselkurses von der Kaufkraft23 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) parität resultieren. Da Außenhandelspreisindizes international kaum vergleichbar sind und oft auch nicht zeitnah zur Verfügung stehen (vgl. Shams 1985, S. 11), wird in der empirischen Analyse oft auf Großhandelspreis- oder Verbraucherpreisindizes zurückgegriffen. Diese beinhalten jedoch auch nicht-handelbare Güter. Deren Preis ist angestiegen und so zeigen Großhandels- und Verbraucherpreisindizes einen Anstieg des Preisniveaus und so eine vermeintliche reale Währungsaufwertung an (vgl. Schnabl 1999, S. 7f.). Damit kommt man mit diesem Modell zum genau gegenteiligen Schluß wie mit dem Modell von Krugman/Obstfeld (2000), nämlich daß ein Produktivitätsfortschritt im Inland zu einer realen Aufwertung der inländischen Währung führt. Da der Preisniveauanstieg zunächst nur auf einem Preisanstieg nichthandelbarer Güter beruht, gibt es aus Wettbewerbsgesichtspunkten für den Wechselkurs keinen Grund, die vermeintliche reale Aufwertung rückgängig zu machen. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß nicht-gehandelte Güter als Vorleistungen sehr wahrscheinlich in die Produktion von gehandelten Gütern eingehen. Dies würde die Kosten und somit die Preise der handelbaren Güter erhöhen und eine Aufwertung der heimischen Währung verursachen (selbst wenn Außenhandelspreisindizes zur Verfügung stünden). Aus diesem Umstand würde dann aus Wettbewerbsgründen eine nominale Abwertung der inländischen Währung nötig werden. Für die konkrete Berechnung des realen Wechselkurses stellen sich weitere Probleme dar. Je nach gewähltem Basisjahr kann die Entwicklung des realen Wechselkurses stark differieren. Fraglich für eine detaillierte Berechnung ist daher, ab welchem Zeitpunkt mit der Berechnung des realen Wechselkurses begonnen werden soll. Dafür ist festzulegen, zu welchem Zeitpunkt der Wechselkurs real weder über- noch unterbewertet war, was kaum möglich ist (vgl. Shams 1985, S. 75). Weiter stellt sich die Frage, ob der reale Wechselkurs der Inlandswährung gegenüber einer einzelnen Währung oder gegenüber mehreren ausländischen Währungen berechnet werden soll. Letzteres mag zwar unter dem Aspekt der Messung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft wünschenswert sein, wirft jedoch weitere Probleme auf. So muß definiert werden, welche Auslandswährungen und in welcher Gewichtung diese in die Berechnung des realen Wechselkurses mit einfließen sollen, was nur durch ein gewisses Maß an Willkür lösbar ist (vgl. Shams 1985, S. 7ff.). 24 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) 7 Zusammenfassung und Indikatoren Geht man davon aus, daß nach einer Währungskrise die Kaufkraftparität als Grundlage für einen neuen auf längere Sicht eintretenden Wechselkurs dient, so müssen Währungen vor einer starken Währungsabwertung deutlicher real aufgewertet haben, als vor einer schwachen Abwertung. Ist dies nicht der Fall, so muß die inländische Inflation zumindest deutlich stärker auf eine gegebene Abwertung der inländischen Währung reagieren. Ansonsten wären die verschieden hohen Abwertungsraten einzelner Währungen im Fall einer Währungskrise mit Hilfe der Kaufkraftparität nicht nachvollziehbar. Entsprechend soll im empirischen Teil der Arbeit die Entwicklung des realen Wechselkurses der Krisenvolkswirtschaften vor der jeweiligen Krise untersucht werden. Auch die inländischen Inflationsraten im Verlauf der jeweiligen Krise als Indikator für die Wechselkursreagibilität sollen in die weitere Untersuchung in Kapitel VI miteinbezogen werden. Übersicht 3: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen einer realen Aufwertung der Inlandswährung vor Krisenausbruch und dem Verlauf einer Währungskrise - Eine reale Währungsaufwertung verschlechtert die Wettbewerbsposition heimischer Produzenten. Zum Ausgleich muß die Inlandswährung nominal abwerten. Je höher die reale Aufwertung vor der Krise, desto stärker muß die nominale Abwertung ausfallen, um den entstandenen Wettbewerbsnachteil wieder auszugleichen. Die Wechselkursreagibilität der Inflation behindert den Abbau einer realen Währungsaufwertung durch eine nominale Abwertung. Je größer die Wechselkursreagibilität der Inflation, desto höher muß eine nominale Währungsabwertung ausfallen, um eine gegebene reale Aufwertung auszugleichen. II.B Leistungsbilanzdefizite 1 Die Leistungsbilanz als Teil der Zahlungsbilanz Ob der genannten Defizite bei der Betrachtung der realen Wechselkursentwicklung empfiehlt sich zudem die Berücksichtigung der Leistungsbilanzentwicklung. Probleme wie differente Produktivitäten zwischen den Volkswirtschaften, inhomogene Güter oder Berechnungsprobleme des realen Wechselkurses spielen hier keine Rolle. Im 25 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Leistungsbilanzsaldo spiegelt sich bis zu einem gewissen Grad die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft wider. Die Leistungsbilanz als eine der drei großen Teilbilanzen der Zahlungsbilanz umfaßt primär den Waren- und Dienstleistungshandel einschließlich Lizenzhandel und Zinszahlungen einer Volkswirtschaft mit dem Rest der Welt. Darüber hinaus werden in der Leistungsbilanz laufende Transferleistungen ohne direkte Gegenleistung und Erwerbs- und Vermögenseinkommen verbucht. Vernachlässigt man die beiden letzten Positionen, so ergibt sich ein Überschuß in der Leistungsbilanz als positive Differenz zwischen Exporten und Importen. Umgekehrt übersteigt bei einem Leistungsbilanzdefizit der Wert der Importe den der Exporte. Das Land lebt über seine Verhältnisse. Es verbraucht mehr Güter und Dienstleistungen als es selbst produziert (vgl. Deutsche Bank 1998, S. 286). Finanziert werden kann ein Leistungsbilanzdefizit entweder durch eine Verringerung der Devisenbestände der Notenbank oder durch Kapitalimporte. Allerdings bedeuten Kapitalimporte meist nichts anderes als eine Erhöhung der Auslandsverschuldung (Ausnahmen hiervon sind Direktinvestitionen und die Veräußerung von Aktien an Ausländer). Auf jeden Fall verlangen ausländische Investoren dafür irgendwann eine Gegenleistung. Im einfachsten Fall besteht diese in Form von Dividenden, Zins- und Tilgungszahlungen (vgl. Siebert 1994, S. 200). Persistieren Leistungsbilanzdefizite über einen längeren Zeitraum, so akkumuliert eine Volkswirtschaft i.d.R. Auslandsschulden (vgl. Siebert 1994, S. 371). Ab einem bestimmten Punkt werden ausländische Gläubiger nicht mehr bereit sein, der inländischen Volkswirtschaft einen neuerlichen Kredit zu finanzieren. Dieser Umstand wird c.p. um so wahrscheinlicher, je höher das auszugleichende Defizit in der Leistungsbilanz ist. Vergleichbar ist die Abhängigkeit der Kreditgewährung einer Bank bei sonst gleichen Bedingungen von der Kredithöhe. 2 Gründe für Leistungsbilanzdefizite 2.1 Mangel an Sparkapital (Entwicklungsökonomischer Ansatz) In Emerging Markets existieren meist höhere Leistungsbilanzdefizite als in Industriestaaten (vgl. Siebert 1999, S. 2f.). Daß die meisten Emerging Markets eine passive Leistungsbilanz aufweisen, ist aus entwicklungstheoretischer Sicht recht einfach begründbar. In diesen Volkswirtschaften reicht das inländische Sparkapital nicht aus, 26 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) um alle Investitionswünsche zu befriedigen. Um mehr Investitionen finanzieren zu können, muß Kapital aus dem Ausland importiert werden. Bei flexiblen Wechselkursen steht einem Kapitalbilanzüberschuß zwingend ein Leistungsbilanzdefizit gegenüber, da die Zahlungsbilanz als Ganzes saldenmechanisch ausgeglichen ist. Das Leistungsbilanzdefizit wird wie folgt erzwungen: Ein Kapitalbilanzüberschuß sorgt c.p. für einen Angebotsüberschuß an Devisen. Folglich sinkt der Wechselkurs und die Inlandswährung wertet auf. Der heimischen Industrie entstehen so internationale Wettbewerbsnachteile (vgl. Kapitel II.A.4), was unter normalen Gegebenheiten zu einem sich verschlechternden Leistungsbilanzsaldo führt (vgl. Homburg 1990, S. 116). Bei fixen Wechselkursen geschieht die reale Aufwertung durch inländische Preisniveausteigerungen, welche durch die Devisenmarktinterventionen der Zentralbank ausgelöst werden. Unabhängig davon kommt hinzu, daß Schwellenländer Kapitalgüter vorwiegend importieren müssen, was ebenfalls einen Grund für Leistungsbilanzdefizite in entwicklungstheoretischer Sicht ist. Im Zuge der weiteren Entwicklung und eines Anstiegs des Pro-Kopf-Einkommens steht immer mehr inländisches Sparkapital zur Verfügung. Weniger Kapitalimporte werden benötigt. Die Leistungsbilanzdefizite gehen trotz des zu leistenden Schuldendienstes zurück. Nachfolgend dürften sogar Leistungsbilanzüberschüsse erzielt werden (vgl. Lachmann 1997a, S. 214). Festzustellen ist jedoch, daß auch in einigen Industriestaaten die inländische Sparleistung nicht ausreicht, um alle Investitionsvorhaben zu finanzieren. 2.2 Hohe Inflationsraten bei fixen Wechselkursen und Öffnung der Kapitalmärkte bei schwachen internen Kapitalmärkten Allerdings ist der Mangel an Sparkapital nicht der einzige Erklärungsansatz für negative Leistungsbilanzsalden. In Anlehnung und Erweiterung an eine Darstellung von Schweickert (2000, S. 109) lassen sich fünf weitere Ursachen für Leistungsbilanzdefizite ausmachen: 1. Inflation in Verbindung mit fixiertem Wechselkurs 2. Öffnung der Kapitalmärkte in Verbindung mit schwachen internen Kapitalmärkten 3. Hohes Wirtschaftswachstum und hohe Haushaltsdefizite 4. Externe Schocks 5. Erwartungsirrtümer 27 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Übersicht 4: Ursachen von Leistungsbilanzdefiziten Reale Aufwertung Aberforderlich hängigkeit vom Wechselkurssystem Ja Nein Ja Nein - hohe Inflation bei fixem Wechselkurs Entwicklungsökonomischer Ansatz - Öffnung der Kapitalmärkte bei schwachen internen Kapitalmärkten - Hohes Wirtschaftswachstum und hohe Haushaltsdefizite - externe Schocks - Erwartungsirrtümer Quelle: In Anlehnung an Schweickert 2000, S. 109, eigene Darstellung Die ersten beiden Ursachen basieren vollständig auf einer realen Aufwertung der heimischen Währung (im Kapitel zuvor schon erläutert). Erstere setzt fixe Wechselkurse voraus und wurde im vorigen Kapitel II.A.4.2 bereits dargestellt, so daß auf eine nochmalige Ausführung verzichtet werden kann. Im Gegensatz dazu ist letztere unabhängig vom Wechselkurssystem. Sofern es dem Staat, inländischen Banken und Unternehmen möglich ist, an den internationalen Kapitalmärkten Kapital aufzunehmen, kann es bei unzureichender Regulierung oder hohen Haushaltsdefiziten zu einem exorbitanten Anstieg v.a. der kurzfristigen Auslandsverschuldung kommen. Warum diese Gefahr besteht, wird in den Kapiteln II.C und II.F noch ausführlicher darzulegen sein. Dieser Anstieg kann weit über das Maß hinausgehen, das aus Sicht der wirtschaftlichen Entwicklung nötig wäre. Durch die massiven Kapitalimporte wertet die Inlandswährung – wie schon erläutert – real auf mit negativen Konsequenzen für heimische Exporteure, den heimischen Importsubstitutionssektor und die Leistungsbilanz (vgl. Kobayashi 1997, S. 11ff.). 2.3 Anhaltend hohes Wirtschaftswachstum und/oder hohe Haushaltsdefizite Ein anhaltend hohes Wirtschaftswachstum kann unabhängig von der Entwicklung des realen Wechselkurses und des Wechselkurssystems die Ursache hoher Leistungsbilanzdefizite sein.10 Geht man davon aus, daß ein Teil des Volkseinkommens in einer Volkswirtschaft für Einfuhren verwendet wird, ergibt sich bei hohen Wachstumsraten der heimischen Wirtschaft ein schneller Anstieg der Importvolumina. Sind die Importpreise konstant, so erhöht sich der Importwert. Auf der anderen Seite verringert die erhöhte inländische Absorption die für den Export zur Verfügung stehende 10 Allerdings ist es möglich, daß ein hohes Wirtschaftswachstum massiv Auslandskapital anlockt, was zu einer realen Aufwertung führen kann. 28 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Gütermenge. Unter Absorption wird die Summe aus privatem und staatlichem Konsum und privaten und staatlichen Investitionen verstanden. Bei konstanten Exportpreisen sinkt der Exportwert. Beide Gesichtspunkte führen zu einer Passivierung der Leistungsbilanz (vgl. Rohwedder 1969, S. 20f.). Im gewissen Sinne sind hier auch Haushaltsdefizite des Staates zu subsumieren, sofern davon ausgegangen wird, daß sie die Importvolumina erhöhen und die Exportvolumina verringern. 2.4 Externe Schocks und/oder Erwartungsirrtümer Die beiden letzten Ursachen können ebenfalls unabhängig vom Wechselkurssystem und von der Entwicklung des realen Wechselkurses zu Leistungsbilanzdefiziten führen. Unter externen Schocks werden vorwiegend starke Zinsveränderungen auf internationaler Ebene sowie Preisschocks bei Ex- oder Importgütern verstanden. Beispielsweise begannen die USA nach der zweiten Ölpreiskrise Anfang der 1980er Jahre eine sehr restriktive Geldpolitik zu verfolgen, womit die dortige Inflation eingedämmt werden sollte. Ob der ökonomischen Bedeutung der Vereinigten Staaten für die internationalen Finanzmärkte stieg auch das internationale Zinsniveau binnen kürzester Zeit erheblich an. Vor allem Emerging Market Economies waren in großem Umfang bei ausländischen Banken in Fremdwährung verschuldet. Da diese Verbindlichkeiten zudem vorwiegend mit variablen Zinssätzen ausgestattet waren, mußten plötzlich erheblich mehr Mittel zur Bedienung des Schuldendienstes aufgewendet werden. Dieser Aspekt stellte eine enorme Zusatzbelastung der Leistungsbilanzen der betroffenen Staaten dar. Zudem bewirkte der Zinsanstieg eine deutliche konjunkturelle Abkühlung in den Industriestaaten und damit einen entsprechenden Rückgang der Ausfuhren der Schwellenländer dorthin (vgl. Dooley 1994, S. 13f.). Auch Preisschocks bei Ein- oder Ausfuhrgütern können die Leistungsbilanz erheblich belasten (z.B. Ölpreisschock). Durch die massive Verbilligung // Verteuerung der Exportgüter // Importgüter ergibt sich c.p. ein erheblicher Einbruch // Anstieg des Exportwertes // Importwertes. Diese Effekte könnten nur durch eine erhöhte Exportmenge oder eine verringerte Importmenge kompensiert werden. Besonders letzteres könnte sich jedoch negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung der Volkswirtschaft auswirken, zumal, wenn es sich um Investitionsgüter handelt. Viele Volkswirtschaften waren in der Vergangenheit nicht bereit, diese für die wirtschaftliche Entwicklung wichtigen Einfuhren zu drosseln. Statt dessen wurden höhere Leistungsbilanzdefizite 29 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) und ein damit verbundener drastischer Anstieg der Auslandsverschuldung in Kauf genommen (vgl. Schweickert 2000, S. 110). Erwartungsirrtümer stehen in engem Zusammenhang mit den anderen Ursachen. Erwartungsirrtümer können in vielfältiger Art zu Leistungsbilanzdefiziten führen. Sei es, daß die Wirkung der Kapitalzuflüsse unterschätzt wird oder der inländische Produktivitätsfortschritt, welcher die inländische Aufwertung für die inländische Wirtschaft kompensiert, zu hoch eingeschätzt wird. Bei Preisschocks haben Erwartungsirrtümer ebenfalls zu hohen Leistungsbilanzdefiziten geführt. Erstaunlicherweise resultierte aus dem Ölpreisschock teilweise auch ein Ansteigen der Leistungsbilanzdefizite in erdölexportierenden Volkswirtschaften (z.B. Mexiko, Malaysia). Die Gründe hierfür waren jedoch Erwartungsirrtümer. Diese Länder extrapolierten die durch die Ölpreisschocks stark gestiegenen Ölpreiseinnahmen in die Zukunft. Ein nur temporärer Anstieg wurde nicht in Erwägung gezogen, so daß die Staaten ihre Ausgaben drastisch erhöhten. Der Rückgang des Ölpreises auf „Normalniveau“ führte in den betroffenen Staaten wieder zu einem Rückgang der Exporterlöse. Die Staatsausgaben konnten nicht in gleichem Maße zurückgeführt werden, wodurch erhebliche Leistungsbilanzdefizite entstanden (vgl. Schweickert 2000, S. 110). 3 Leistungsbilanzdefizit und Verlauf einer Währungskrise 3.1 Zusammenhang zwischen Leistungsbilanzdefizit und Wechselkurs Die Auswirkungen von Leistungsbilanzdefiziten auf den Wechselkurs können im einfachsten Fall durch die Zahlungsbilanztheorie des Wechselkurses verständlich gemacht werden. Wird die Kapital- und Devisenbilanz nicht berücksichtigt, so hat ein Leistungsbilanzdefizit auf dem Devisenmarkt einen Nachfrageüberschuß nach ausländischer Währung zur Folge (siehe Kapitel II.A.4.1 und vgl. MacDonald 1988, S. 26f.). So entsteht ein Abwertungsdruck auf die inländische Währung. Dieser kann sich im Wechselkurs jedoch nur niederschlagen, wenn der Wert der Währung von den Marktkräften bestimmt wird, also ein flexibler Wechselkurs herrscht. Je höher das Leistungsbilanzdefizit ist, desto höher ist c.p. der Angebotsüberschuß der heimischen Währung am Devisenmarkt. Entsprechend größer muß die Abwertungsrate der heimischen Währung ausfallen, um den Devisenmarkt wieder auszugleichen. 30 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Man kann die Betrachtung noch etwas weiter führen. Da die Zahlungsbilanz als Ganzes immer ausgeglichen ist, muß eine defizitäre Leistungsbilanz entweder durch andere Teilbilanzen ausgeglichen werden oder das Leistungsbilanzdefizit selbst muß verringert werden. Im Vorfeld einer Währungskrise kommt es meist zu einem kontinuierlichen Verlust an Währungsreserven. Bei Ausbruch der jeweiligen Krise sind die Devisenbestände oft auf einem sehr niedrigen Niveau, so daß die Devisenbilanz nur noch in geringem Rahmen zum Ausgleich der Zahlungsbilanz beitragen kann (vgl. Milesi-Ferretti/Razin 1998, S. 36). Daher soll diese Möglichkeit zunächst außer acht gelassen werden. Die Kapitalbilanz ist bei Ausbruch einer Währungskrise oft negativ, da ein Ausbleiben der Kapitalzuflüsse bzw. ein Nettokapitalexport meist erst zum Ausbruch der Währungskrise führt. Es ist damit zu rechnen, daß der Kapitalbilanzsaldo die Zahlungsbilanzsituation eher ver- als entschärft. Zum Ausgleich der Zahlungsbilanz bedarf es so meist einer drastischen Verringerung des Leistungsbilanzdefizits innerhalb kürzester Zeit. Oft muß sogar ein Leistungsbilanzüberschuß erreicht werden (vgl. Krugman 1999, S. 9). Es ist daher zu untersuchen, inwieweit die erzwungene Anpassung einer passiven Leistungsbilanz auf die Abwertungsrate des heimischen Wechselkurses einwirkt. 3.2 Elastizitätsansatz 3.2.1 Außenhandelselastizitäten Bei Ausbruch einer Währungskrise wird sowohl eine nominale als auch eine reale Währungsabwertung erzwungen. Als Folge davon werden Importe c.p. für das Inland teurer und Exporte des Inlands c.p. für das Ausland preiswerter. Sofern die Preiselastizitäten der Nachfrage der Aus- und Einfuhren in der Summe größer als Eins sind, ist mit einer Verbesserung der Leistungsbilanz zu rechnen (Marshall-Lerner Bedingung). Allerdings geht die Marshall-Lerner Bedingung davon aus, daß die Angebotselastizitäten sowohl auf der Export- als auch auf der Importseite unendlich hoch sind. Diese Annahme ist jedoch als äußerst fraglich anzusehen (vgl. Caspers 2002, S. 216f.). Es wird darauf hingewiesen, daß die Importangebotselastizitäten seitens der restlichen Welt zwar durchaus als unendlich angenommen werden können, daß aber eine derartige Annahme für die Exportangebotselastizität des Inlandes nur in Ausnahmefällen angebracht ist. 31 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Um diesem Problem Rechnung zu tragen, versucht Jacob (1972, S. 26) in Anlehnung an J. Robinson (1947) auch die Auswirkungen eingeschränkter Angebotselastizitäten anhand zweier Reaktionsgleichungen zu berücksichtigen. Die prozentuale Veränderung des Exportwertes ausgedrückt in ausländischer Währung in Abhängigkeit einer Wechselkursänderung von einem Prozent läßt sich formal wie folgt darstellen: Exa,w = -ex*(nx+1)/(ex-nx) Exa,w ex nx (II.B.3.1) = Exportwertelastizität in Auslandswährung in Abhängigkeit vom Wechselkurs = Preiselastizität des inländischen Exportangebots = Preiselastizität der ausländischen Importnachfrage mit ex = dXSI/dPi*Pi/XSI (II.B.3.2) nx = dMDA/dPa*Pa/MDA (II.B.3.3) XSI MDA Pi // Pa = Exportangebot Inland = Importnachfrage Ausland 11 = Preis in inländischer // ausländischer Währung Die prozentuale Veränderung des Importwertes ausgedrückt in ausländischer Währung in Abhängigkeit einer Wechselkursänderung von einem Prozent ergibt sich wie folgt: Nma,w = nm*(em+1)/(em-nm) Nma,w nm em (II.B.3.4) = Importwertelastizität in Auslandswährung in Abhängigkeit vom Wechselkurs = Preiselastizität der inländischen Importnachfrage = Preiselastizität des ausländischen Exportangebots mit nm = dMDI/dPi*Pi/MDI (II.B.3.5) em = dXSA/dPa*Pa/XSA (II.B.3.6) MDI XSA Pi // Pa = Importnachfrage Inland = Exportangebot Ausland = Preis in inländischer // ausländischer Währung 11 Wobei unter Preisänderungen im Modell ausschließlich wechselkursbedingte Preisänderungen zu verstehen sind. Implizit wird davon ausgegangen, daß die Wechselkurselastitzität der in- und ausländischen Preise (dPi/dw*w/Pi) bzw. (dPa/d(1/w)*1/w/Pa), wobei w für den Wechselkurs steht, eins beträgt. D.h. Wechselkursveränderungen um x% lösen prozentual ebenso hohe Preisveränderungen im In- bzw. Ausland aus. 32 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Für die Nachfrageelastizitäten (nm, nx) ist von einem negativen, für die Angebotselastizitäten (em, ex) von einem positiven Vorzeichen auszugehen. Aus den Gleichungen ergeben sich in Übersicht 5 und 6 dargestellte Schlußfolgerungen: Übersicht 5: Zusammenhang12 zwischen... und Exportwertelastizität (Exa,w)13 „....“ Zusammenhang ausländi- Negativ Preiselastizität der schen Importnachfrage (nx) Angebotselastizität für ausländi- Positiv sche Importsubstitutionsgüter in Abhängigkeit des Preises Preiselastizität des inländischen ??? Exportangebots (ex) Preiselastizität der heimischen ??? Nachfrage bezogen auf Güter, deren Produktionsüberschuß exportiert wird Erläuterung Je stärker die ausländische Importnachfrage auf Preisänderungen reagiert, desto stärker reagiert die Entwicklung des Exportwertes. Die Importnachfrage des Auslands (nx) verändert sich um so stärker, je stärker das Angebot der Importsubstitutionsgüter im Ausland auf Preisveränderungen reagiert. Positiv, sofern ausländische Importnachfrage (nx) preiselastisch ist (<-1), sonst negativ. Negativ, sofern ausländische Importnachfrage (nx) preiselastisch ist (<-1), sonst positiv. Bei einer Abwertung der Inlandswährung kommt es zu einer vermehrten Auslandsnachfrage, welche bei nicht völlig elastischem inländischen Güterangebot zu Preissteigerungen im Inland führt. Die inländische Güternachfrage wird verdrängt. Der exportierbare Überschuß an Gütern ist folglich höher. Übersicht 6: Zusammenhang zwischen... und Importwertelastizität (Nma,w) „....“ Zusammenhang Preiselastizität der inländischen Positiv Importnachfrage (nm) Angebotselastizität für inländi- Negativ sche Importsubstitutionsgüter in Abhängigkeit des Preises Preiselastizität des ausländi- ??? schen Exportangebots (em) Preiselastizität der ausländi- ??? schen Nachfrage bezogen auf Güter, deren Überschuß exportiert wird Erläuterung Je stärker die inländische Importnachfrage auf Preisänderungen reagiert, desto stärker reagiert die Entwicklung des Importwertes. Die Importnachfrage des Inlands verändert sich um so stärker, je stärker das Angebot der Importsubstitutionsgüter im Inland auf Preisveränderungen reagiert. Negativ, sofern inländische Importnachfrage (nm) preiselastisch ist (<-1), sonst positiv. Positiv, sofern inländische Importnachfrage (nm) preiselastisch ist (<-1), sonst negativ. Bei einer Abwertung der Auslandswährung kommt es zu einer erhöhten Inlandsnachfrage nach ausländischen Gütern, welche bei nicht völlig elastischem ausländischen Güterangebot zu Preissteigerungen im Ausland führt. Die ausländische Güternachfrage wird verdrängt. Der exportierbare Überschuß an Gütern ins Inland ist folglich höher. Quelle: In Anlehnung an Jacob 1972, S. 26ff. 12 Ein positiver Zusammenhang entsteht dann, sofern eine steigende (sinkende) Elastizität zu einer steigenden (sinkenden) Ex- oder Importwertelastizität führt et vice versa. 13 Es sei daran erinnert, daß eine elastische Reaktion nicht immer mit hohen Kardinalzahlen verbunden sein muß. Eine Elastizität von -10 ist kleiner als eine Elastizität von -2. Trotzdem ist bei der ersten Elastizität von einer stärkeren Reaktion auszugehen. 33 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Theoretisch wäre zu vermuten, daß die Preiselastizitäten des Außenhandels in Schwellenländern aufgrund der Außenhandelsstruktur (höherer Anteil an Rohstoffen und Halbfertigprodukten bei den Ausfuhren, teilweise schwer substituierbare Kapitalgüter bei den Einfuhren, geringere Einbindung einiger Volkswirtschaften in den Welthandel) geringer sind als in Industriestaaten. Die Folge davon wäre, daß die Währung stärker an Wert verlieren müßte, um die gleiche Mengensteigerung der Exporte und Mengeneinschränkung der Importe zu erreichen. Diese Vermutung läßt sich jedoch aufgrund vorliegender Schätzungen weder für Angebots-, noch für Nachfrageelastizitäten generell bestätigen. Lediglich eine gewisse Tendenz dahingehend ist feststellbar (vgl. Zini 1990, S. 38ff.). Jedoch variieren die Schätzungen je nach Untersuchung und Zeitraum erheblich und sind daher mit einer hohen Unsicherheit behaftet (vgl. Sawyer/Sprinkle 1999). Daraus ergibt sich, daß Preiselastizitäten der Einund Ausfuhren aus Gründen der Außenhandelsstruktur – wenn überhaupt – nur eingeschränkt als Begründung für unterschiedlich hohe Abwertungsraten in Industrieländern und in Emerging Market Economies herangezogen werden können. Ein weiterer Grund für unterschiedliche Außenhandelselastizitäten könnte in der notwendigen Anpassungsgeschwindigkeit der Leistungsbilanz während einer Währungskrise liegen. Es ist allgemein anerkannt, daß Außenhandelselastizitäten auf kurze Sicht meist geringer sind als auf lange Sicht (vgl. Krugman/Obstfeld 2000, S. 483f.). Dies rührt daher, daß sowohl Produzenten als auch Konsumenten sich auf die veränderten Gegebenheiten einstellen müssen. Oftmals existieren zum Zeitpunkt der Währungskrise noch Lieferverträge mit festen Lieferkonditionen, die noch erfüllt werden müssen, bevor neue Bedingungen ausgehandelt werden können. Darüber hinaus dauert es v.a. bei langlebigen Gütern (z.B. Fahrzeuge) einige Zeit, bis die Nachfrager vermehrt billiger gewordene Produkte nachfragen (vgl. Homburg 1990, S. 117). Diese Anpassungsprozesse nehmen eine gewisse Zeit in Anspruch und können so den sogenannten J-Kurven-Effekt14 verursachen (vgl. Caspers 2002, S. 217f.). Bei Währungskrisen in Emerging Market Economies muß der Abbau des Leistungsbilanzdefizits meist schneller vonstatten gehen als in Industriestaaten. Dies resultiert daraus, daß Schwellenländer im Gegensatz zu Industriestaaten mit Aus- 14 Unter dem J-Kurven-Effekt wird ein anomaler temporärer Leistungsbilanzeffekt als Resultat einer Wechselkursveränderung verstanden. Bei einer Abwertung der Inlandswährung nehmen die Exporte (Importe) zunächst ab (zu). Erst mittelfristig reagiert die Leistungsbilanz „normal“ auf die Abwertung der Inlandswährung et vice versa. 34 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) bruch der Währungskrise wesentlich eher den Zugang zu internationalen Kapitalmärkten verlieren (vgl. Calvo/Reinhart 2000, S. 11). Näheres dazu wird in Kapitel II.E und Kapitel V.B noch darzulegen sein. Um die erheblichen Kapitalabflüsse auszugleichen, stehen außer den eigenen Fremdwährungsreserven kaum weitere Mittel zur Verfügung. Wie erwähnt sind diese bei Ausbruch der Krise meist so gering, daß die Leistungsbilanz allein die Anpassungslast zum Ausgleich der Zahlungsbilanz tragen muß. Um sehr kurzfristig trotzdem die benötigte Verbesserung des Leistungsbilanzsaldos zu erreichen, bedarf es aufgrund der erwähnten Trägheit der Außenhandelsströme einer deutlich stärkeren Abwertung der Inlandswährung als im Fall einer Rückführung des Leistungsbilanzdefizits über einen längeren Zeitraum (vgl. Homburg 1990, S. 117). 3.2.2 Leistungsbilanzdefizithöhe Über die Elastizitäten hinaus bleibt als Begründung für differierende Abwertungsraten – auf das beschriebene Modell bezogen – die Höhe der Leistungsbilanzdefizite selbst. Die oben dargestellten Außenhandelselastizitäten sollen nun mit der Leistungsbilanz verbunden werden. Sofern von laufenden Übertragungen und von Erwerbs- und Vermögenseinkommen abgesehen wird, hängt der Leistungsbilanzsaldo von den Ein- und Ausfuhren ab. B = X-M B X M (II.B.3.7) = Leistungsbilanzsaldo (in Auslandswährung) = Ausfuhren (in Auslandswährung) = Einfuhren (in Auslandswährung) Die absolute Veränderung des Leistungsbilanzsaldos läßt sich unter Einbeziehung der Gleichungen (II.B.3.1) und (II.B.3.4) wie folgt darstellen: dB = Exa,w*X*dw/w-Nma,w*M*dw/w dw/w (II.B.3.8) = Veränderung des Wechselkurses in Preisnotierung Wird der anfängliche Wechselkurs (w) auf eins normiert, ergibt sich in Auslandswährung: dB = Exa,w*X*dw-Nma,w*M*dw (II.B.3.9) 35 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Wird nun zunächst eine ausgeglichene Leistungsbilanz (X=M) angenommen, vereinfacht sich die Gleichung folgendermaßen: dB = X*(Exa,w -Nma,w)*dw (II.B.3.10) Positiv reagiert die Leistungsbilanz auf eine Währungsabwertung (w nimmt zu), sofern: Exa,w -Nma,w > 0 (II.B.3.11) Nach Einsetzen von Gleichung (II.B.3.1) und (II.B.3.4) in Ungleichung (II.B.3.11) ergibt sich: -ex*(nx+1)/(ex-nx)-nm*(em+1)/(em-nm) > 0 (II.B.3.12) Diese wird als Robinson-Bedingung bezeichnet.15 Geht man von einem Leistungsbilanzdefizit in der Ausgangssituation aus, müssen Im- und Exporte gesondert berücksichtigt werden. Dann muß auf Gleichung (II.B.3.9) zurückgegriffen werden, die nunmehr folgendermaßen geschrieben werden soll: dB = (Exa,w*X-Nma,w*M)*dw (II.B.3.13) Der Saldo der Leistungsbilanz wird sich durch eine Abwertung unter folgender Bedingung verbessern: Exa,w*X-Nma,w*M > 0 (II.B.3.14) Wird Gleichung (II.B.3.14) analog zu Gleichung (II.B.3.12) erweitert, resultiert daraus: -ex*(nx+1)/(ex-nx)*X-nm*(em+1)/(em-nm)*M > 0 15 (II.B.3.15) Es sei darauf hingewiesen, daß sich die eigentliche Robinson-Bedingung nur auf die Leistungsbilanzentwicklung in Inlandswährung bezieht (vgl. Jacob 1972, S.33f.). 36 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) J. Robinson (1947) gelingt somit der Nachweis, daß ein bestehendes Leistungsbilanzdefizit – ausgedrückt in Auslandswährung – zum einen die Wahrscheinlichkeit einer normalen Leistungsbilanzreaktion auf eine Abwertung erhöht und zum anderen in geringem Umfang bei gegebener Abwertungsrate und gegebenen Export- und Importwertelastizitäten dazu beiträgt, sich selbst zu verringern. Allerdings ist dieser Effekt erheblich geringer als der Umstand, daß ein höheres Leistungsbilanzdefizit im Fall einer Währungskrise durch eine höhere Abwertung ausgeglichen werden muß (vgl. Jacob 1972, S. 33ff.). Die eben erfolgten Ausführungen sollen an einem Beispiel nochmals verdeutlicht werden. Angenommen sei zunächst ein Exportwert eines Landes von 80 Mrd. US-$ und ein Importwert von 85 Mrd. US-$. Daraus ergibt sich ein Leistungsbilanzdefizit von 5 Mrd. US-$ bzw. ein Verhältnis von Importen zu Exporten von 1,0625. Als Export- und Importwertelastizitäten werden fiktiv -0,08 und -0,76 angenommen. Das bedeutet eine 0,08% // 0,76% Reduktion der Exportsumme // Importsumme ausgedrückt in Fremdwährung, sofern die heimische Währung um 1% abwertet. Um die Leistungsbilanz auszugleichen, wäre unter den gemachten Annahmen eine Abwertung der Währung um ca. 8,6% notwendig. Nimmt man hingegen den Importwert mit 90 Mrd. US-$ an (Leistungsbilanzdefizit 10 Mrd. US-$, Elastizitäten konstant), so reicht, wie zu erwarten, eine 8,6% Abwertung nicht aus, um die passive Leistungsbilanz auszugleichen. Dies zeigt, daß die angesprochene Eigenschaft der Leistungsbilanz, auf Wechselkursänderungen bei höheren Defiziten entsprechend stärker zu reagieren, bei weitem nicht ausreicht, ein höheres Minus in der Leistungsbilanz mit gleicher Abwertungsrate auszugleichen. Allerdings läßt sich an diesem Beispiel auch zeigen, daß ein Leistungsbilanzdefizit dazu tendiert, sich selbst zu verringern. Die Währungsabwertung von 8,6% würde den Fehlbetrag in der Leistungsbilanz von 10 Mrd. US-$ auf weniger als 5 Mrd. US-$ (4,67 Mrd. US-$) verringern. 3.3 Erklärungsmodelle für die Höhe eines nachhaltigen Leistungsbilanzdefizits 3.3.1 Modell von Corsetti et al. (1998) Bis jetzt wurde über den Elastizitätsansatz ein Wirkungsmechanismus dargestellt, wie eine Abwertung der Inlandswährung auf die Leistungsbilanz einwirkt. Aus diesem Ansatz geht jedoch nicht hervor, wie stark ein Leistungsbilanzdefizit langfristig zurückgeführt werden muß, so daß ein nachhaltiges Niveau erreicht wird. Bemerkens37 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) werte Einsichten können in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Corsetti et al. (1998, S. 8ff.) und Edwards et al. (1996) liefern. Beide befassen sich mit der Frage, welche Höhe eines Leistungsbilanzdefizits langfristig tragbar ist. Sieht man dieses als Zielgröße, welche sich zum Ende einer Währungskrise einstellen sollte, so lassen sich aus der Differenz des aktuellen und des langfristig tragbaren Leistungsbilanzdefizits in Verbindung mit dem geschilderten Elastizitätsansatz erste Rückschlüsse auf die langfristig zu erwartende Währungsabwertung ziehen. Corsetti et al. (1998, S. 8ff.)16 geben als Faustformel an, daß ein Leistungsbilanzdefizit dann langfristig tragbar ist, sofern es dazu führt, daß die Relation zwischen Auslandsverschuldung und inländischer Wirtschaftsleistung zumindest nicht ansteigt. Formal muß also gelten: Dt+1/Yt+1 = Dt/Yt D Y t (II.B.3.16) = Auslandsverschuldung = Bruttoinlandsprodukt = laufende Periode Bei Nettoschuldnern wie den meisten Emerging Market Economies muß die aus der Verschuldung resultierende reale Zinsbelastung als Negativposten in der Leistungsbilanz berücksichtigt werden. Für die Veränderung der Auslandsverschuldung als Absolutwert ergibt sich: Bt+1 = (1+r)*Bt-Tt. B r T (II.B.3.17) = Verschuldung der jeweiligen Periode = realer Zinssatz = Handelsbilanzsaldo der jeweiligen Periode (T > 0 entspricht einem Handelsbilanzüberschuß) Um die Veränderung des Verhältnisses der Auslandsverschuldung zur Wirtschaftsleistung zu erhalten, muß Gleichung (II.B.3.17) durch das BIP dividiert werden: Bt+1/Yt+1 = (1+r)*Bt/Yt-Tt/Yt (II.B.3.18) Gleichung (II.B.3.18) läßt sich auch schreiben als: bt+1 = (1+r)*bt-at bt at (II.B.3.19) = Bt/Yt = Tt/Yt 16 Ein ähnlicher Ansatz findet sich auch bei Milesi-Ferretti/Razin (1998). 38 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Unterstellt wird ferner, daß das BIP langfristig mit einer konstanten Rate wächst. Daraus folgt: bt+1 = ((1+r)*bt-at)/(1+g) (II.B.3.20) (1+g)*b t+1 = (1+r)*bt-at (II.B.3.21) g = langfristige Wachstumsrate des BIP (konstant) Um das Verhältnis zwischen Auslandsverschuldung und jährlicher Wirtschaftsleistung konstant zu halten (b t+1=bt), muß der Handelsbilanzsaldo/BIP (a) die Differenz aus Realzins und dem jährlichen realen Wirtschaftswachstum (r-g) multipliziert mit der Auslandsverschuldung/BIP ausgleichen: at = (1+r)*bt-(1+g)*bt (II.B.3.22) at = (r-g)*bt (II.B.3.23) Da die inländischen Realzinsen langfristig das reale Wirtschaftswachstum normalerweise übersteigen, folgt daraus, daß die Handelsbilanz bei Nettoschuldnern einen positiven Saldo ausweisen muß, um eine Stabilisierung der Verschuldung zu erreichen.17 Die Verbesserung der Handelsbilanz muß um so höher ausfallen, je höher das Defizit derselben im Verhältnis zum BIP in der Ausgangssituation und je höher das Verhältnis zwischen Außenverschuldung und Bruttoinlandsprodukt ist. Auch eine höhere Differenz zwischen dem langfristigen Realzins und dem langfristigen Wirtschaftswachstum erhöht den Anpassungsbedarf der Handelsbilanz. Zu berücksichtigen ist ferner, daß während einer Währungskrise die inländische Wirtschaftsleistung ausgedrückt in Auslandswährung meist stark zurückgeht. Da dies nicht in gleichem Maße für den Stand der Außenverschuldung gilt, erhöht sich die Relation zwischen Außenverschuldung und dem BIP (vgl. Corsetti et al. 1998, S. 8ff.). Aus der Differenz zwischen dem aktuellen und dem langfristig nachhaltigen Handelsund evtl. auch Dienstleistungsbilanzsaldo läßt sich in Verbindung mit den Außenhandelselastizitäten die langfristig notwendige Abwertungsrate der Währung prognostizieren. 17 Für Nettogläubiger ist dieser Ansatz nur schwer anwendbar. Man müßte davon ausgehen, daß die positive Nettoauslandsposition in Relation zum BIP gehalten werden soll. Unter den genannten Voraussetzungen dürfte so ein Handelsbilanzdefizit realisiert werden. 39 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) 3.3.2 Modell von Edwards et al. (1996) Einen etwas anderen Ansatz wählen Edwards et al. (1996). Sie unterstellen in ihrer Arbeit, daß das langfristig nachhaltige Niveau der Leistungsbilanz von zwei Faktoren abhängt. Zum einen vom langfristigen realen Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft und zum anderen von der Höhe der Verbindlichkeiten in Relation zum BIP, die Gebietsfremde zu halten bereit sind. Das nachhaltige Defizit der Leistungsbilanz im Verhältnis zum BIP ergibt sich aus: LBD/Y = k*g*Y LBD Y g k (II.B.3.24) = nachhaltiges Leistungsbilanzdefizit = Bruttoinlandsprodukt = Rate des langfristigen Wirtschaftswachstums = Höhe der Verbindlichkeiten, die Gebietsfremde zu halten bereit sind im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt Wird k beispielsweise mit 0,6 (60%) und g*Y beispielsweise 0,05 (entspräche 5% Wachstum) angenommen, beträgt das nachhaltige Minus der Leistungsbilanz 3%. Die Diskrepanz zwischen dem aktuellen Leistungsbilanzdefizit und dem langfristig tragbaren kann wiederum entsprechend dem vorgestellten Modell von Jacob (1972) als Grundlage für die Berechnung des langfristigen Abwertungsbedarfs der Inlandswährung unter Berücksichtigung des Schuldendienstes dienen. Allerdings weisen Edwards et al. (1996) darauf hin, daß g*Y, aber vor allem auch k im Zeitablauf schwanken. Besonders während und nach einer Währungskrise ist davon auszugehen, daß k gegenüber seinem längerfristigen Trend stark absinkt. Entsprechend wird auch die Höhe des tragbaren Leistungsbilanzdefizits deutlich zurückgehen (vgl. Edwards et al. 1996, S. 89ff.). 4 Einschränkungen Problematisch an dem in Kapitel II.B.3.2 geschilderten Ansatz ist neben schwer zu schätzenden Elastizitäten die Gleichsetzung des Saldos der Handels- und Dienstleistungsbilanz mit dem Saldo der Leistungsbilanz. Außer acht gelassen werden dadurch zu leistende Zins- und Dividendenzahlungen. Bei Staaten, die Nettogläubiger sind, würde ein Leistungsbilanzsaldo ohne Berücksichtigung von Zins- und Dividendenzahlungen negativer ausfallen, als wenn diese mit einflößen. Umgekehrt ist es bei Nettoschuldnern. Dort würde das Leistungsbilanzdefizit und damit die zu erwartende Abwertung durch die Betrachtung des Handels- und Dienstleistungsbilanzsaldos systematisch unterschätzt. Die Besonderheit der Schuldendienstzahlungen (sofern in Fremdwährung denominiert) ist, daß deren realer Wert bei einer Abwertung 40 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) der Inlandswährung kaum beeinflußt werden kann. Eine Abwertung kann so nur den Handels- und zu einem geringeren Grad auch den Dienstleistungsbilanzsaldo beeinflussen. Daraus resultiert, daß zum Ausgleich der Leistungsbilanz ein positiver Saldo der beiden Unterbilanzen erreicht werden muß, der den zu leistenden Schuldendienst bzw. die zu zahlenden Dividenden ausgedrückt in Fremdwährung kompensiert. Demnach muß die Währung um so stärker abwerten, je höher die Schuldendienst- und Dividendenzahlungen ausfallen. Dies ließe sich teilweise durch Berücksichtigung des Modells von Corsetti et al. (1998) beseitigen. Weiter setzt der Elastizitätsansatz voraus, daß die wechselkursbedingten Preisänderungen auch vollständig an die Nachfrager weitergegeben werden (vgl. Caspers 2002, S. 213). Diese Annahme ist zumindest nicht unproblematisch, ein empirischer Nachweis würde den Rahmen der Arbeit jedoch sprengen (vgl. Schnabl 1999, S. 14ff.). Zudem wird die Leistungsbilanzentwicklung im Verlauf einer Währungskrise nicht allein durch den realen Wechselkurs determiniert. Daneben ist während einer Währungskrise auch die Entwicklung der inländischen Konjunktur von Bedeutung (vgl. Schweickert 2000, S. 44). Dies wird jedoch von dem geschilderten elastizitätsorientierten Ansatz vollständig vernachlässigt. Die inländische Endnachfrage ist beispielsweise negativ von den Inlandszinsen abhängig (vgl. Schießl 1988, S. 138). Gerade im Verlauf von Währungskrisen ist häufig ein enormes Ansteigen der inländischen Zinsen zu beobachten. Dieser Umstand zieht die Binnenkonjunktur oft schwer in Mitleidenschaft. Durch den konjunkturellen Einbruch ist – in Anlehnung an die Keynesianische Zahlungsbilanztheorie – eine Verbesserung der Leistungsbilanzsituation zu erwarten. Da ein Teil der Binnennachfrage aus dem Import von Gütern befriedigt wird, führt eine verringerte Binnennachfrage bei konstantem Importanteil zu einem verringerten Importwert und zu einer Entlastung der Leistungsbilanz. Wie stark dieser Effekt ausfällt, ist wiederum abhängig vom Rückgang der Wirtschaftstätigkeit und dem Anteil der Binnennachfrage, welcher für Einfuhren aufgewendet wird (vgl. Woll 1993, S. 583ff.). Jacob (1972, S. 44ff.) weist zudem darauf hin, daß auch die Änderung der Währungsrelationen die Konjunktur beeinflußt. Auch so ist es möglich, daß eine Währung entweder stärker oder schwächer abwertet, als dies durch die Außenhandelselastizitäten zu erwarten wäre. 41 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.B) Schließlich werden, wie oben schon angedeutet, die beiden anderen großen Bestandteile der Zahlungsbilanz vernachlässigt. So besteht für die Zentralbank auch nach Freigabe des Wechselkurses die Möglichkeit, verbliebene oder geliehene Devisenreserven für die Rückzahlung von Auslandsverbindlichkeiten zu nutzen und so den Devisenmarkt zu entlasten. Außerdem determiniert oft genug die Kapitalbilanz die Anpassungslast der Leistungsbilanz bei Ausbruch einer Währungskrise. Daraus läßt sich schließen, daß zumindest zu Beginn der Krise die Höhe der Währungsabwertung erheblich durch die Entwicklung der Kapitalbilanz und der Devisenreserven bestimmt sein dürfte. 5 Zusammenfassung und Indikatoren Maßgeblich für die Höhe der Währungsabwertung ist nach dem in Kapitel II.B.3.2 geschilderten Ansatz neben den Elastizitäten das Verhältnis zwischen Ein- und Ausfuhren (vgl. Jacob 1972, S. 34). Dies ist in sofern von Vorteil, als absolute Leistungsbilanzdefizite relativiert werden. Außerdem wird dem Offenheitsgrad einer Volkswirtschaft Rechnung getragen. Es erscheint unmittelbar einleuchtend, daß ein Fehlbetrag in der Leistungsbilanz von 5 Mrd. US-$ einen ganz anderen Charakter aufweist, wenn eine Volkswirtschaft Waren im Wert von 10 Mrd. US-$ // 15 Mrd. US-$) exportiert // importiert, als bei 100 Mrd. US-$ Ausfuhren und 105 Mrd. US-$ Einfuhren. Trotzdem sollte neben der Import/Exportrelation auch das Verhältnis zwischen Leistungsbilanz und inländischer Wirtschaftsleistung als Parallelindikator in der empirischen Analyse verwendet werden, da dieses besonders an den Finanzmärkten immer wieder kritisch beäugt wird. Es besteht das Risiko, daß mit zunehmenden Leistungsbilanzdefiziten im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt auch die Kapitalabflüsse während einer Währungskrise höher ausfallen und damit die jeweilige Währung stärker abwerten muß. Ferner ist in der empirischen Untersuchung auch der Saldo der sogenannten „Income-balance“ als Indikator für Zins- Dividendenzahlungen zu berücksichtigen, um den im vorherigen Kapitel dargelegten Problemen gerecht werden zu können. 42 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) Übersicht 7: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Leistungsbilanzdefiziten und dem Verlauf einer Währungskrise - Leistungsbilanzdefizite stellen einen handelsseitig generierten Nachfrageüberschuß nach Fremdwährung dar, welcher direkt Druck auf den Wechselkurs ausübt. Darüber hinaus gehen Leistungsbilanzdefizite i.d.R. mit einer Passivierung der Nettoauslandsposition einer Volkswirtschaft einher (vgl. Kapitel II.C). Ist eine weitere Verschlechterung der Nettoauslandsposition nicht mehr möglich, muß das Leistungsbilanzdefizit reduziert werden. Diese Reduktion wird oft durch eine Währungsabwertung herbeigeführt, da dadurch Importe für das Inland teurer und Exporte für das Ausland billiger werden. Je größer das Leistungsbilanzdefizit, desto höher ist c.p. die nötige Währungsabwertung, um zu einer ausgeglichenen Leistungsbilanz zu kommen. Je schneller die Verminderung des Leistungsbilanzdefizits erzwungen wird, desto stärker dürfte die verbundene Währungsabwertung ausfallen, da die Außenhandelselastizitäten kurzfristig deutlich geringer sind als auf lange Sicht. II.C Kapitalimporte und Auslandsverschuldung 1 Die Kapitalbilanz als Teil der Zahlungsbilanz In der Kapitalbilanz (auch Kapitalverkehrsbilanz genannt) als zweite große Teilbilanz der Zahlungsbilanz werden Kapitalex- und –importe, wie beispielsweise der Kauf ausländischer Wertpapiere durch Inländer oder Direktinvestitionen verbucht (vgl. Caspers 2002, S. 256).18 Ein plötzlicher Kapitalabfluß großen Ausmaßes und eine sich damit drastisch verschlechternde Kapitalbilanz ist häufig Auslöser einer Währungskrise. Grund hierfür ist die deutlich höhere Anpassungsgeschwindigkeit der Kapitalströme in Relation zu Güterströmen. Je negativer die Kapitalbilanz während einer Währungskrise wird, desto mehr Anpassungslasten des Zahlungsbilanzausgleiches müssen durch Devisenbestände und v.a. durch die Leistungsbilanz getragen werden (vgl. Rodrik/Velasco 1999, S. 21). Dies hat die schon in Kapitel II.B beschriebenen Auswirkungen auf den Wechselkurs zur Folge. Im weiteren Verlauf sollen Faktoren vorgestellt werden, die über die Kapitalbilanz die Abwertungsrate der inländischen Währung (mit-)determinieren können. 18 Angemerkt sei an dieser Stelle, daß der Begriff Kapitalbilanz – ähnlich wie der Begriff der Zahlungsbilanz – irreführend ist. Es werden nicht wie bei einer Bilanz üblich Bestände verbucht, sondern Kapitalströme. Der Ausdruck Kapitalverkehrsbilanz wäre also passender. Trotzdem soll der Begriff Kapitalbilanz im Anschluß an die Bundesbank nachfolgend beibehalten werden. 43 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) Hierbei sollen ebenfalls Wege aufgezeigt werden, auf welchen die dargestellten Faktoren nach Ausbruch einer Währungskrise den weiteren Verlauf des Wechselkurses über die Kapitalbilanz beeinflussen. Von erheblicher Relevanz für die Veränderung des Wechselkurses dürfte insbesondere auch der Zeitraum sein, in dem die angesprochene Entwicklung stattfindet. Über einen längeren Zeitraum hinweg können auch vergleichsweise große Volumina an Devisennachfrage durch ein entsprechendes Devisenangebot (z.B. durch Exporte) absorbiert werden, ohne daß es zu erheblichen Verwerfungen auf dem Devisenmarkt kommt. Folglich sind besonders Faktoren von Interesse, welche kurzfristig zu erheblichen Kapitaltransfers führen können. 2 Abgrenzung zwischen kurzfristigen und langfristigen Kapitalimporten Kapitalimporte können theoretisch nach ihrer Laufzeit in kurz- und langfristige Kapitalimporte unterschieden werden. Zu den langfristigen Kapitalimporten zählen z.B. Beteiligungen jeglicher Art, sei es in Form von Direktinvestitionen oder durch den Kauf von inländischen Aktien durch Ausländer, da dieses Kapital den Empfängern langfristig zur Verfügung steht. Auch die Aufnahme von Krediten im Ausland sowie die Emittierung von Anleihen, Schuldverschreibungen oder anderer Gläubigerpapiere im Ausland können in Abhängigkeit von der gewählten Laufzeit als langfristige Kapitalimporte bezeichnet werden (Chuhan et al. 1996, S. 4). Im Fall einer Währungskrise dürften langfristige Kapitalimporte weniger Probleme aufwerfen, da diese (zumindest theoretisch) nicht binnen kürzester Zeit wieder revidiert werden können (vgl. Chuhan et al. 1996, S. 1). Allerdings darf nicht übersehen werden, daß z.B. auf langfristige Auslandsschulden regelmäßige Zinszahlungen zu leisten sind, die in der Vergangenheit bei einigen Volkswirtschaften ein enormes Volumen erreicht haben. Bei Auslandskrediten und Gläubigerpapieren wird die Grenze zwischen kurz- und langfristigen Kapitalimporten bei einer Laufzeit von einem Jahr gezogen. Entsprechend gelten alle Schuldtitel eines Landes – verbrieft oder unverbrieft – , die von NichtGebietsansässigen gehalten werden, soweit sie eine Laufzeit von mehr als einem Jahr besitzen als langfristige, bei kürzerer Laufzeit als kurzfristige Auslandsverschuldung. In wie weit ausgerechnet diese Laufzeit als Abgrenzungsmerkmal geeignet ist, kann hier nicht näher diskutiert werden. Doch schon bei der rechtlichen Unterscheidung gibt es bei den beiden bedeutendsten Quellen für die statistische Erfassung der kurzfristigen Auslandsverbindlichkeiten (Weltbank und Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) unterschiedliche Definitionen. Die Weltbank definiert die Auslands44 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) verschuldung als kurzfristig, wenn die ursprüngliche Laufzeit bis zu einem Jahr beträgt. Im Unterschied dazu definiert die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich die Auslandsverschuldung als kurzfristig, deren Restlaufzeit ein Jahr nicht übersteigt (vgl. Dadush et al. 2000, S. 54). Somit scheint diese zweite Definition für die vorhandene Problemstellung zweckmäßiger. Vernachlässigt werden in den Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich jedoch kurzfristige Auslandsverbindlichkeiten gegenüber Nichtbanken und Staaten (vgl. Bussiere/Mulder 1999, S. 10). Folglich ist es geboten, auch die Weltbankdaten mit in Betracht zu ziehen. Auf Probleme bei einer de facto Unterscheidung wird im weiteren Verlauf noch eingegangen. Ferner sei hier auf die Unterscheidung zwischen Auslandsverschuldung, welche auf ausländische, und solche, welche auf inländische Währung lautet, hingewiesen. Die Besonderheiten der jeweiligen Denominierung der Auslandsverschuldung werden Teil dieses Kapitels sein. 3 Gründe für die Mittelaufnahme im Ausland Die Gründe für die Mittelaufnahme im Ausland sind vielfältiger Natur. Beispielhaft seien drei aufgeführt: 1. Eingeschränkter Zugang zu anderen Finanzmitteln 2. Vergleichsweise geringe Zinskosten in Verbindung mit einem fixierten Wechselkurs oder staatlichen Garantien 3. Absicherung von Fremdwährungserlösen Besonders Emerging Markets haben aufgrund eingeschränkten Zugangs zum internationalen Kapitalmarkt kaum die Möglichkeit, sich international langfristig und in Inlandswährung zu verschulden. Auch die Finanzierungsmöglichkeiten im Inland sind oft sehr begrenzt (vorwiegend auf kurzfristige Finanzierungen). Beides gilt besonders für Staaten, die in der Vergangenheit mit hohen und volatilen inländischen Preissteigerungsraten und mit den daraus resultierenden hohen Abwertungsraten der Währung zu kämpfen hatten. Inländische Kapitalgeber sind nicht bereit, langfristig Kapital zur Verfügung zu stellen, da die Inflationsraten und damit die Kalkulationsgrundlage für die Berechnung der Nominalzinssätze über einen längeren Zeitraum nicht abschätzbar sind. Ähnlich verhält es sich, sofern ein Schwellenland versucht, sich in eigener Währung international zu verschulden. So besteht für Emerging Markets oft nur eine Wahlmöglichkeit zwischen zwei Übeln – einer langfristigen Fremdwährungs45 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) verschuldung oder einer kurzfristigen Verschuldung, welche in Inlandswährung denominiert ist (vgl. BIZ 2000, S. 8). Aber selbst wenn die Möglichkeit bestünde, sich langfristig und in Inlandswährung zu finanzieren, hat eine kurzfristige Verschuldung und in Fremdwährung ganz pragmatische Vorteile. Ein Grund ist, daß die zu zahlende Zinslast bei der kurzfristigen Verschuldung in Fremdwährung teils deutlich geringer ist (vgl. Keloharju/Niskanen 2001, S. 482). Dies trifft besonders für Schwellenländer zu, da dort das Nominalzinsniveau u.a. aufgrund von höheren Inflationsraten und geringer Sparleistung normalerweise deutlich über dem am internationalen Kapitalmarkt liegt. Hinzu kommen oft recht hohe Mindestreservesätze, welche wie eine implizite Steuer wirken und das Zinsniveau im Inland hoch halten (vgl. Lopez-Mejia 1999, S. 36). Finanziert sich ein solches Land in Fremdwährung, wird einem Investor das Wechselkursrisiko abgenommen. Entsprechend ist eine Finanzierung mit geringerer Risikoprämie – also niedrigerem Zins – möglich. Begünstigend wirkt ein fixierter Wechselkurs oder ein Crawling-peg System, was als vermeintlich sichere Planungsgrundlage für den Schuldner dient. D.h., das Risiko von Wechselkursbewegungen und damit einer schwankenden Zinsbelastung in Inlandswährung erscheint gering. Folglich unterbleibt in vielen Fällen eine Wechselkursabsicherung seitens des Schuldners (vgl. Corbett/Vines 1999, S. 157).19 Dieser Anreiz dürfte in Industriestaaten weniger ausgeprägt sein, da dort die Differenz zwischen inländischen Nominalzinsen und internationalen Kapitalmarktzinsen normalerweise geringer ausfällt. Auch besitzen Industriestaaten oft flexiblere Wechselkurssysteme, was ein Absichern des Wechselkursrisikos erfordert (vgl. BIZ 1998, S. 139). Dieser Aspekt reduziert die Attraktivität der Verschuldung in Fremdwährung zusätzlich. Allerdings bedeutet das nicht, daß dieser Aspekt in entwickelten Volkswirtschaften überhaupt nicht von Bedeutung wäre. Eine weitere Reduktion der Zinslast kann, eine normale Zinsstruktur vorausgesetzt, durch eine Laufzeitverkürzung erreicht werden. Bei einer normalen Zinsstruktur sind die langfristigen Zinsen höher als die kurzfristigen. Entsprechend läßt sich eine kurzfristige Verschuldung im Vergleich zu einer längerfristigen günstiger finanzieren. 19 Oft ist eine Wechselkursabsicherung in Emerging Markets aufgrund nicht oder unzureichend vorhandener Terminmärkte auch gar nicht möglich (vgl. Calvo/Reinhart 2000, S. 17f.). 46 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) Greenspan (1999, online, S. 4) weist jedoch auf die Ignorierung der Versicherungsfunktion langfristiger Schulden durch die Schuldner hin. Aber auch wenn private Wirtschaftssubjekte die Versicherungsfunktion langfristiger Schulden zur Kenntnis nehmen, wäre es möglich, daß von deren Seite kein Interesse daran besteht. Dies ist dann wahrscheinlich, wenn die „Versicherung“ seitens staatlicher Stellen in Form von staatlichen Garantien gewährt oder vermeintlich gewährt wird (vgl. Rodrik/Velasco 1999, S. 9). Außerdem verschulden sich Unternehmen und Banken oft deswegen in Fremdwährung, um Umsätze und Anlagen in Fremdwährung abzusichern. Sofern die eigene Währung aufwertet, verringern sich zwar die Auslandsumsätze ausgedrückt in Inlandswährung. Gleiches gilt aber auch für die Fremdwährungsverschuldung (vgl. Keloharju/Niskanen 2001, S. 481). 4 Hohe Bestände an Kapitalimporten und Verlauf einer Währungskrise 4.1. Direkter Einfluß auf den Wechselkurs 4.1.1 Kurzfristige Auslandsverschuldung In der neueren Literatur zu Währungskrisen wird immer häufiger auf die kurzfristige Auslandsverschuldung als eine wichtige Determinante für die Anfälligkeit für Währungskrisen hingewiesen. Als Beispiel können Frankel/Rose (1996, S. 15), Radelet/Sachs (1998, S. 28f.) und Bussiere/Mulder (1999, S. 14) dienen. Kann der Bestand der kurzfristigen Auslandsverschuldung den Wechselkursverlauf im Fall von Turbulenzen am Devisenmarkt zudem negativ beeinflussen? Nachfolgend soll versucht werden, einige Kausalzusammenhänge im Fall einer Währungskrise darzustellen. Kurzfristige Auslandsverschuldung kann binnen kürzester Zeit durch ausländische Gläubiger eingefordert werden. Oft ist Auslandsverschuldung sogar tagesfällig (z.B. bei Sichteinlagen), d.h., das Kapital kann sprichwörtlich von Heute auf Morgen abgezogen werden. Dies ist besonders problematisch, sofern es sich um Fremdwährungsverschuldung handelt, da dann die nachgefragte Devisenmenge unabhängig von der Wechselkursentwicklung ist. 47 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) Übersicht 8: Übersicht entstehender Probleme während einer Währungskrise in Abhängigkeit von der Art der Kapitalzuflüsse (AV = Auslandsverschuldung) in Inlandswährung Kurzfristige AV direkte Wirkung Solvenzbelastung Liquiditätsbelastung Entscheidungsproblematik Langfristige AV X 1 2 X 2 X X 3 X X 4 Kurzfristige AV Langfristige AV X X X X X X X X Aktien X in Auslandswährung Direkte Wirkung Solvenzbelastung Liquiditätsbelastung Entscheidungsproblematik 1 Aktien X 3 1 durch Zinszahlungen, aber v.a. durch Hedging, Rückgabe oder Verkauf von verbrieften Verbindlichkeiten 2 bei indexierter Verschuldung 3 bei mit Rückgaberechten ausgestatteten Verbindlichkeiten 4 bei variabler Verzinsung Quelle: Eigene Darstellung Die Auslandsverschuldung der Emerging Markets lautet fast immer auf Fremdwährung.20 Aber selbst wenn dies nicht der Fall ist, kann das abgerufene Kapital auf dem Devisenmarkt vom Gläubiger gegen Devisen getauscht werden. So kann binnen kürzester Zeit eine immense Nachfrage nach Devisen entstehen. Der Kapitalbilanzsaldo einer Volkswirtschaft verschlechtert sich in kurzer Zeit erheblich (vgl. Dadush et al. 2000, S. 54). Bei fixen Wechselkursen wird die Devisennachfrage zunächst noch aus den Beständen der Zentralbank befriedigt. Handelt es sich um einen flexiblen Wechselkurs oder wurde der Wechselkurs aufgrund zu geringer Devisenreserven der Notenbank bereits freigegeben, muß die Devisennachfrage auf dem freien Devisenmarkt befriedigt werden. Um den sprunghaften Anstieg der Fremdwährungsnachfrage mit dem Angebot an Devisen auf dem Devisenmarkt auszugleichen, muß der Preis der ausländischen Währung steigen, die heimische Währung entsprechend abwerten. Je höher die kurzfristige Auslandsverschuldung, desto mehr Nachfrage 20 Dies gilt nur eingeschränkt für Industriestaaten, da diese oft auch Schuldtitel im Ausland begeben können, die auf heimische Währung lauten. 48 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) nach Fremdwährung kann kurzfristig auftreten. Entsprechend höher wird c.p. die Abwertung ausfallen (vgl. Rodrick/Velasco 1999, S. 19). Verschärft wird die Situation weiter, sofern ein handelsseitig generierter Angebotsüberschuß an heimischer Währung besteht und/oder hohe Zinszahlungen für langfristige Auslandsverbindlichkeiten an das Ausland zu leisten sind (vgl. Corsetti et al. 1998, S. 32). 4.1.2 Verkauf verbriefter Forderungen und Beteiligungspapiere Druck auf den Wechselkurs kann jedoch nicht nur aus hohen kurzfristigen Auslandsverbindlichkeiten oder Zinszahlungen entstehen. Handelt es sich um verbriefte Kapitalimporte (z.B. Aktien- oder Anleihekäufe durch Ausländer), haben ausländische Anleger jederzeit die Möglichkeit, diese am Sekundärmarkt zu verkaufen.21 Konkret bedeutet dies, daß jegliche Portfolioinvestitionen wie festverzinsliche Wertpapiere (Bonds) oder Aktien durch Ausländer binnen kurzer Zeit rückgängig gemacht werden können, obwohl sie theoretisch oft langfristige Finanzierungsinstrumente sind (vgl. BIZ 1998, S. 144f.). Dies ist natürlich besonders im Fall von Währungskrisen wahrscheinlich, denn in diesem Fall müssen Anleger mit einem Vermögensverlust aufgrund der Währungsabwertung oder bedingt durch Zahlungsprobleme rechnen (vgl. Lopez-Mejia 1999, S. 4). Die nun freien Mittel können am Devisenmarkt wiederum das Angebot an heimischer Währung erhöhen und zu einem weiteren Kursverfall führen. Emissionsbanken fungieren meistens als „Market Maker“ für ein bestimmtes Wertpapier. Das bedeutet, daß die Banken, welche ein Wertpapier an einer Börse plaziert haben, i.d.R. auch jederzeit An- und Verkaufskurse dafür stellen (vgl. Wolgast 1997, S. 49). Damit soll der Handel an den sonst oft illiquiden Sekundärmärkten unterstützt werden (vgl. Reddy 2002, online, S. 7). Wenn Aktien oder Rentenpapiere im Inland und damit häufig über inländische Banken plaziert wurden, ist zu unterscheiden, ob die betroffenen Wertpapiere in inländischer oder Fremdwährung denominiert sind. Handelt es sich um ein Wertpapier, welches auf Fremdwährung lautet, so muß die inländische Bank dem Verkäufer den Preis in Fremdwährung auszahlen. Um die Fremdwährung auszahlen zu können, muß sich die Bank am Devisenmarkt bzw. bei der Notenbank mit Devisen eindecken. Dies verursacht zusätzlichen Druck auf die 21 Dies setzt allerdings voraus, daß die Sekundärmärkte ein gewisses Maß an Liquidität aufweisen, was in Schwellenländern besonders für die Rentenmärkte nicht immer vorausgesetzt werden kann. 49 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) inländische Währung. Lautet ein Wertpapier auf inländische Währung, so erhält der Verkäufer aus dem Verkauf des Wertpapiers inländisches Geld, was wie schon beschrieben in Fremdwährung transferiert werden kann. Dies würde die heimische Währung ebenfalls weiter unter Druck bringen (vgl. UNCTAD 1998, S. 84). Allerdings verbleiben bei beiden Varianten gegenüber kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten Unterschiede. Lautet das Wertpapier auf fremde Währung, was v.a. bei Rentenpapieren vorkommt, so ist davon auszugehen, daß Anleger im Falle eines massiven Kapitalabzugs einen Kursverlust verbuchen.22 Entsprechend zahlt die inländische Emissionsbank, wenn überhaupt, nur noch einen deutlich geringeren Betrag an die Verkäufer aus. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Betrachtet werde eine Anleihe Mexikos. Der Zinskupon bleibt außen vor, die Anleihe laute auf US-$. Angenommen werden weiter 100 internationale Anleger, die ihr Vermögen zum Zeitpunkt x in jeweils eine dieser Anleihen (Nominalwert 1 Mio. US-$) beim Kurs von 100% investieren. Zum Zeitpunkt y kommt es zu einer Währungskrise. Alle Anleger versuchen die Anleihe zu verkaufen und ihr Kapital abzuziehen. Umgekehrt dürften sich auf der Käuferseite kaum Interessenten für die Wertpapiere finden. Folglich wird die inländische Emissionsbank v.a. den Ankaufskurs deutlich herunternehmen, um nicht selbst Wertpapierbestände zu akkumulieren. Angenommen, die ersten 20 Investoren erhalten noch 100% für ihre Anleihe, die nächsten 20 bekommen noch 90%, die nachkommenden 20 noch 80% und so weiter. Die gesamten Kapitalabflüsse, die den Wechselkurs belasten, beliefen sich im Beispiel auf 80 Mio. US-$. Hätte es sich dagegen um eine kurzfristige Auslandsverschuldung gehandelt, so wären bei Endfälligkeit bis zu 100 Mio. US-$ ins Ausland abgeflossen. Eine gewisse Schutzfunktion hat die Tatsache, daß die Verschuldung langfristig ist, insoweit dennoch (vgl. UNCTAD 1998, S. 86). Lauten Wertpapiere auf inländische Währung, ist neben dem gerade beschriebenen Effekt der Kursrückgänge noch der Effekt der stattfindenden Währungsabwertung auf dem Devisenmarkt zu berücksichtigen. Mit anderen Worten, der Druck auf dem Devisenmarkt verringert sich gegenüber einer Anleihe in Fremdwährung, da pro Einheit 22 Ein Problem, welches sich aus den umfangreichen Wertpapierverkäufen und den daraus resultierenden Kursverlusten für Unternehmen ergeben kann, wird in Kapitel IV.A angesprochen. 50 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) ausländischer Währung mit zunehmender Abwertung weniger inländische Geldeinheiten bezahlt werden müssen. Das obige Beispiel wäre wie folgt zu modifizieren: Alles bleibt gleich, allerdings lautet das Wertpapier auf Mexikanische Peso. Der Ausgangswechselkurs wird mit 1:1 angenommen. Bedingt durch die beschriebenen Kursverluste am Rentenmarkt kommt es zu einem Kapitalabfluß von 80 Mio. Peso. Diese Summe entspricht nun aber nicht mehr dem selben Betrag in Fremdwährung. Die ersten 10 Anleger erhalten noch den Wechselkurs 1:1, die nächsten 10 bekommen pro Peso noch 0,95 US-$, die nächsten noch 0,9 US-$ und so weiter. Die Dollarnachfrage beliefe sich im Beispiel nur noch auf 62 Mio. US-$ (vgl. UNCTAD 1998, S. 85). Dies läßt sich auch anhand von Abbildung 2 aufzeigen. Abbildung 2: Devisenabfluß bei der Revidierung verschiedener Arten von Kapitalimporten kurzfristige Kapitalimporte 100 Mio. Fremdwährung Inlandswährung 100 Mio. US-$ 100 Mio. Peso 100 Mio. US-$ 100 Mio. Peso 100 Mio. US-$ 77,5 Mio. US-$ langfristige (verbriefte) Kapitalimporte Fremdwährung Inlandswährung Kursentwicklung 100 Mio. US-$ 100 Mio. Peso Wechselkursentwicklung 80 Mio. US-$ 80 Mio. Peso 80 Mio. US-$ 62 Mio. US-$ Quelle: Eigene Darstellung Voraussetzung für die geschilderten Abläufe ist allerdings, daß sich kein anderer ausländischer Investor findet, der die Wertpapiere kaufen möchte, denn dies würde den beschriebenen Kapitalabfluß absorbieren. In einer Krisensituation ist dies jedoch 51 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) eher unwahrscheinlich. Im Zuge der mexikanischen Währungskrise 1994/95 reduzierte sich beispielsweise der Nettozufluß an Portfoliokapital von fast 29 Mrd. US-$ 1993 auf etwa 8 Mrd. US-$ im Jahr 1994. 1995 kam es sogar zu einem Nettoabfluß von Portfoliokapital von fast 10 Mrd. US-$ (IMF 1997b, S. 510). Anders verhält es sich bei der Plazierung von Wertpapieren an den internationalen Finanzmärkten (z.B. bei Euro-Anleihen). In diesen Fällen bilden für Schwellenländer häufig ausländische Banken Emissionskonsortien. Kommt es zu Krisen, werden diese die Wertpapiere zurücknehmen, wenn auch mit hohen Kursabschlägen. Da diese Wertpapiere zumindest in Emerging Markets fast immer auf Auslandswährungen wie US-$ oder € lauten und sofern keine Inlandsbanken beteiligt sind, wird der Devisenmarkt der Inlandswährung nicht belastet. 4.1.3 Hedging An dieser Stelle soll noch ein weiterer Aspekt angeführt werden. Das sogenannte Hedging von Anlagen gegen Wechselkursschwankungen. Von diesen Kurssicherungsaktivitäten können erhebliche krisenverschärfende Momente ausgehen (vgl. Krüger 1998, S. 9). Dies geschieht dann, wenn bestehende Auslandsschulden vor Beginn der Währungskrise nicht gegen Währungsschwankungen abgesichert wurden. Kommt es nun zu einer Krise, sehen sich die Marktteilnehmer zum Handeln gezwungen. Beim Hedging wird die Anlage selbst nicht aufgelöst. Vielmehr werden die Anleger Kredite, Aktien oder Anleihen gegen Wechselkursverluste absichern. Lautet die Auslandsverschuldung auf Fremdwährung, ist es für inländische Schuldner rational, sich gegen eine drohende Währungsabwertung der Inlandswährung abzusichern, um den gleich noch näher darzustellenden „Bilanzeffekt“ zu vermeiden. Zu diesem Zweck gehen sie einen Terminkontrakt ein, die inländische Währung zu einem bereits festgelegten Zeitpunkt zu einem bereits festgelegten Kurs gegen die ausländische Währung verkaufen zu dürfen. Wertet die inländische Währung ab, ist der Schuldner trotzdem berechtigt, Fremdwährung zum Wechselkurs vor Ausbruch der Krise zu beziehen. Umgekehrt besitzen ausländische Gläubiger bei Denominierung der Verschuldung in Inlandswährung einen Anreiz, sich gegen einen Wertverlust der Forderung, ausgedrückt in Auslandswährung, abzusichern. Auch die ausländischen Gläubiger verkaufen die inländische und kaufen die ausländische Währung zu einem vorher festgelegten Kurs und Zeitpunkt, d.h., sie gehen in der Inlandswäh52 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) rung „short“ (vgl. Krüger 1998, S. 24). Beide Verhaltensweisen haben den Effekt, daß der Terminkurs23 der Inlandswährung unter Abwertungsdruck gerät. Durch den Zinszusammenhang und den damit verbundenen Arbitragegeschäften zwischen Devisentermin- und Kassamarkt kommt auch der Kassawechselkurs unter Druck (vgl. Krüger 1998, S. 29/32). Besonders wenn vor Ausbruch einer Währungskrise große Positionen von Auslandsverschuldung nicht wechselkursgesichert waren, ist damit zu rechnen, daß durch überstürztes Hedging während einer Währungskrise die inländische Währung noch weiter abwertet, als dies ohnehin schon der Fall wäre (vgl. BIZ 1998, S. 121). Sind die Devisenterminmärkte gut ausgebaut, kann durch Hedging auch eine langfristige nicht-verbriefte Auslandsverschuldung (unabhängig von der Währungsdenominierung) fast die gleichen Effekte auf dem Devisenmarkt auslösen, wie die kurzfristige Auslandsverschuldung. 4.2 Solvenzbelastung der inländischen Wirtschaftssubjekte 4.2.1 Solvenzbelastung aus ausländischer Fremdwährungsverschuldung Ein anderer Aspekt der Auslandsverschuldung unabhängig, von der Laufzeit, liegt in der enormen finanziellen Belastung der inländischen Wirtschaftssubjekte im Fall einer Währungsabwertung. Da dieser Effekt nur auftritt, sofern die Verschuldung auf ausländische Währung lautet, betrifft er v.a. Emerging Market Economies, da dort – wie schon erwähnt – im Gegensatz zu Industriestaaten ein wesentlich höherer Prozentsatz der Auslandsverschuldung in Fremdwährung denominiert ist (vgl. BIZ 2000, S. 7). Durch die Abwertung der heimischen Währung müssen die inländischen Wirtschaftssubjekte immer mehr inländische Währungseinheiten aufbringen, um die benötigte Menge an Devisen zur Bedienung der Schulden zu erhalten (vgl. Theurl 1999, S. 248).24 Dieser Effekt wird auch als „Bilanzeffekt“ bezeichnet. Folglich ist die Solvenzbelastung für ein Unternehmen oder Finanzinstitut um so größer, je höher der Bestand an Fremdwährungsschulden ist. Die Notenbank kann in derartigen Fällen aufgrund geringer Devisenbestände nur noch beschränkt Devisen zur Verfügung stellen. Die Solvenzbelastung betrifft so sowohl private Unternehmen als auch den öffentlichen Sektor. Viele Unternehmen und 23 Der Devisenmarkt unterteilt sich in einen Devisenkassa- und Devisenterminmarkt. Auf dem Devisenkassamarkt werden Devisengeschäfte getätigt, die binnen 2 Tagen abgewickelt werden. Auf dem Devisenterminmarkt werden Devisengeschäfte getätigt, welche erst nach dieser Frist abgewickelt werden. Der Devisenkurs auf dem Terminmarkt wird als Devisentermin-, der auf dem Kassamarkt als Devisenkassakurs bezeichnet. 24 Von einer eventuell möglichen Währungsabsicherung wurde vor Ausbruch der Währungskrise aufgrund eines fixen Wechselkurses häufig kein Gebrauch gemacht. 53 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) Banken können diese zunehmende Belastung aus steigendem Schuldendienst und konjunkturell bedingtem Erlösrückgang nicht mehr verkraften und werden zahlungsunfähig (vgl. Krugman 1999, online, S. 10).25,26 Das gilt um so eher, desto höher die Differenz zwischen Fremdwährungsverschuldung und den Devisenerlösen eines Unternehmens ist (Currency Mismatch). Unternehmen, die ihre Umsatzerlöse vorwiegend im Ausland generieren, dürften so von diesem Problem tendenziell weniger betroffen sein (vgl. UNCTAD 1998, S. 86). Entsprechendes gilt auch für die gesamten Volkswirtschaften (vgl. Berg/Pattillo 1999, S. 124). Unter diesem Aspekt dürften zumindest mittel- und längerfristig stark exportorientierte Volkswirtschaften im Vorteil sein. Ein auf breiter Front von Illiquidität und Insolvenz bedrohter Unternehmens- und Finanzsektor wird vermutlich weitere Kapitalabflüsse durch internationale Investoren auslösen, da diese in einer solchen Situation erhebliche Vermögensverluste fürchten müssen (vgl. Meinert 1999, S. 15). Dies wird zwangsläufig die inländische Währung weiter unter Druck bringen. Aus dieser Darstellung ergibt sich, daß so sich selbst verstärkende Effekte auftreten können (vgl. Corbett/Vines 1999, S. 168f.). 4.2.2 Solvenzbelastung aus indexierter Verschuldung und/oder inländischer Fremdwährungsverschuldung Auch aus auf inländische Währung lautender Verschuldung können durch eine Abwertung Solvenzprobleme resultieren. Besonders Schuldkontrakte, die zwar in inländischer Währung denominiert sind, deren Zins- und Tilgungsleistungen jedoch an einen Wechselkurs gebunden sind, werfen im Fall einer Währungskrise für den Schuldner letztendlich die gleichen Schwierigkeiten auf wie Fremdwährungsverbindlichkeiten.27 Diese Wertpapiere dienen häufig dazu, den inländischen Rentenmarkt trotz hoher Inflationsraten in seiner Entwicklung voranzutreiben, indem man den Käufern einen Ertrag unabhängig von der Wertentwicklung der inländischen Währung zusichert. Ein eventueller Wertverfall der Währung wird durch proportional steigende Erträge in Inlandswährung ausgeglichen. Besonders in Lateinamerika waren 25 Der öffentliche Sektor kann diesem Problem bei abhängiger Zentralbank theoretisch immer ausweichen, da sich genug inländisches Geld drucken läßt. Allerdings würde dies unausweichlich in noch schwerere Abwertungen der heimischen Währung führen und würde die Privatwirtschaft noch härter treffen. 26 Auf die besondere Problematik bezogen auf den Finanzsektor wird in Kapitel III.A noch genauer eingegangen. 27 Prominentestes Beispiel waren die sogenannten Tesobonos. Diese mexikanischen Anleihen lauteten auf Mexikanische Peso, waren jedoch an die Entwicklung des Wechselkurses zum US-$ indexiert (vgl. Ötker/Pazarbasioglu 1995, S. 3). 54 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) Anleihen dieser Art nicht unüblich (vgl. Turner 2002, S. 4). In Mexiko machten dollarindexierte Anleihen (Tesobonos) kurz vor Ausbruch der Tequila-Krise 1994 etwa 70% aller ausstehenden Anleihen aus (vgl. Schnatz 1998, S. 132). In vielen Emerging Markets lautet darüber hinaus auch ein Teil der Inlandsverschuldung auf ausländische Währung. In diesem Fall tritt die Solvenzproblematik für die betroffenen Schuldner mit dem gleichen Mechanismus auf, wie bei der schon beschriebenen Auslandsverschuldung, welche in Fremdwährung denominiert ist. 4.3 Liquiditätsbelastung 4.3.1 Liquiditätsbelastung aus kurzfristiger Auslandsverschuldung Wie schon gesagt, sind kurzfristige Auslandsschulden binnen eines Jahres, im Normalfall jedoch noch viel kurzfristiger, zu Lasten des Schuldners einforderbar. Im Regelfall ist es problemlos möglich, die zu tilgende Schuld am Kapitalmarkt oder durch Bankkredite zu refinanzieren (vgl. Radelet/Sachs 1998, S. 30). Die Vergangenheit hat gezeigt, daß dies im Fall einer Währungskrise für Emerging Market Economies im Gegensatz zu Industriestaaten kaum noch bis gar nicht mehr möglich ist. Die schon bestehende kurzfristige Auslandsverschuldung wird jedoch binnen kürzester Zeit fällig (vgl. Rodrik/Velasco 1999, S. 18). Die Liquiditätsbelastung inländischer Wirtschaftssubjekte bzw. der gesamten Volkswirtschaft tritt prinzipiell unabhängig von der Denominierung der Verschuldung auf. Allerdings kann die Notenbank bei kurzfristiger Verschuldung in Inlandswährung liquide Mittel zur Verfügung stellen, um diese Problematik zu entschärfen. Dies ist bei Fremdwährungsverbindlichkeiten nur im Rahmen der verfügbaren Währungsreserven möglich. Entsprechend steigt die Gefahr der Illiquidität der Volkswirtschaft und damit die Gefahr, daß Schulden nicht mehr bedient werden können. Der schon angesprochene Bilanzeffekt wird so noch weiter verschärft, da das Mehr an Mitteln zur Schuldenbedienung auch noch binnen kürzester Zeit aufgebracht werden muß. 4.3.2 Liquiditätsbelastung aus langfristiger Auslandsverschuldung Auch bezüglich der Liquiditätsbelastung soll hier noch auf einen Punkt verwiesen werden. Die geschilderte Belastung der Liquidität wird primär durch kurzfristige Verschuldung verursacht. De jure langfristige Kapitalzuflüsse können jedoch durch bestimmte Mechanismen de facto den Charakter kurzfristiger Verbindlichkeiten aufweisen. Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich weist beispielsweise auf einen 55 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) Gesichtspunkt, die langfristigen Auslandsschulden in Schwellenländern betreffend, hin. So enthalten beispielsweise Anleihen mit einer längeren Laufzeit teilweise Klauseln (Covernants), die das Wertpapier unter bestimmten Umständen binnen kürzester Zeit fällig werden lassen, sollte der Schuldner bestimmte Bedingungen nicht mehr erfüllen (z.B. Investment-Grade Rating). Auch Kreditverträge sehen für den Gläubiger zum Teil die Möglichkeit vor, Kredite kurzfristig zu kündigen und fällig zu stellen. Eine Unterscheidung zwischen kurz- und langfristiger Verschuldung wird somit auf aggregierter Ebene schwieriger (vgl. BIZ 1998, S. 140). Greenspan (1999, online, S. 5) führt in diesem Zusammenhang an, daß der Internationale Währungsfond Schuldkontrakte in Emerging Markets von etwa 30 Mrd. US-$ jedweder Art ermittelt hat, die mit oben erwähnten Klauseln ausgestattet sind. Dies entspricht in etwa 2% der gesamten 1998 ausstehenden langfristigen Auslandsverschuldung von Schwellenländern (vgl. Weltbank 2001). Außerdem können solche Rückgaberechte auch bei unverbrieften Krediten den direkten Druck auf die inländische Währung noch erhöhen, da zusätzlich Devisen zur Bedienung der Verbindlichkeiten nachgefragt werden. 4.4 Entscheidungsproblematik Schließlich generiert eine hohe Auslandsverschuldung ein Entscheidungsproblem für die Verantwortlichen im Bereich der Geld- und Währungspolitik. Dies tritt ausschließlich bei in Inlandswährung denominierter Verschuldung – unabhängig davon, ob es sich um Auslands- oder Inlandsverschuldung handelt – auf (vgl. BIZ 2000, S. 10). Die Notenbank kann während einer Währungskrise versuchen, die Zinsen anzuheben. Damit sollen inländische Anlagen relativ zum Ausland attraktiver gemacht und Kapitalabflüsse abgemildert werden. Außerdem wird so die Spekulation gegen die Inlandswährung deutlich teurer. So ließe sich der Wechselkurs u.U. stabilisieren. Allerdings müssen Schuldner durch die Zinsanhebung mehr an Zinsen aufbringen, sofern sie überhaupt noch Fremdmittel erhalten können. Dieser Effekt schlägt um so schneller zu Buche, je mehr die Schuldner kurzfristig oder mit variablen Zinssätzen verschuldet sind (vgl. Radelet/Sachs 1998, S. 51). Diese Maßnahmen können für viele Unternehmen und Banken das finanzielle Aus bedeuten, was zu verstärkten Kapitalabflüssen führen dürfte (vgl. Theurl 1999, S. 248). Genaueres hierzu wird in den Kapiteln III.A und III.B noch ausführlicher aufzuzeigen sein. Versucht die Zentralbank hingegen, dieses Szenario zu vermeiden, weil sie über den hohen Verschul56 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) dungsgrad inländischer Banken und Unternehmen informiert ist, wird sie die Zinsen nicht oder nur geringfügig anheben. Damit riskiert sie jedoch weitere Kapitalabflüsse und so auch eine stärkere Abwertung der Inlandswährung. Dieses Dilemma mag ein Grund dafür sein, warum die kurzfristigen Zinsen einiger asiatischer Staaten inflationsbereinigt, trotz drohendem Währungsverfall, kaum angehoben wurden (vgl. BIZ 1998, S. 154f.). 4.5 Modell von Rodrik/Velasco (1999) Um das oben Gesagte für die kurzfristige Auslands- bzw. Fremdwährungsverschuldung theoretisch zu untermauern, soll an dieser Stelle ein Modell von Rodrik/Velasco (1999) angeführt werden. Es wird eine kleine offene Volkswirtschaft angenommen, in der ein repräsentativer Investor lebt. Das Modell umfaßt drei Perioden (0 [Startperiode];1;2). Investiert werden kann eine bestimmte Summe in ein bestimmtes Projekt in Periode 0. Das Investitionsprojekt ist langfristig ausgelegt, d.h. der Anlagewert pro Investitionseinheit ist nach Periode 1 (kurzfristig) deutlich geringer als der in Periode 2 (langfristig) und auch geringer als in Periode 0 (Startwert), wo der Anlagewert pro Investitionseinheit =1 gesetzt wird. In Periode 2 liegt der Anlagewert pro Investitionseinheit dagegen über dem in Periode 0. Ein Abbruch des Projektes ist jedoch auch in Periode 1 möglich. Der Nettoertrag aus den Investitionen wird durch den Investor konsumiert, was allerdings nur am Ende von Periode 2 möglich ist. Es wird eine lineare Nutzenfunktion unterstellt. Formal gilt: R>1 (II.C.4.1) p<1 (II.C.4.2) p // R = Anlagewert pro Investitionseinheit nach Periode 1 // 2 Folglich ist der Gesamtwert der Investitionen nach Periode 2: Rk > k k (II.C.4.3) = Investitionssumme bzw. für Teilauflösungen von Investitionen in Periode 1 gilt: 57 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) p*L < k*L L (II.C.4.4) = Menge der in Periode 1 aufgelösten Investitionseinheiten Umgekehrt ist der gesamte Anlagewert nach Periode 1 (pk) geringer als die eingesetzte Investitionssumme (k). Zur Projektfinanzierung ist es dem Investor möglich, sich im Ausland zu verschulden. Ausländische Schuldner sind risikoneutral und gewillt, die Investitionen zu finanzieren. Sie offerieren Finanzierungen mit kurzer Laufzeit (endend in Periode 1 mit Refinanzierungserfordernis) und langer Laufzeit (endend in Periode 2). Der Zins für beide Finanzierungen entspricht dem risikolosen Weltmarktzins und wird gleich 0 gesetzt. Weiter sei angenommen, daß die Verschuldung nur zu Investitionszwecken genutzt werden kann. Der Investor finanziert seine Investitionssumme teilweise durch kurzfristige Verbindlichkeiten. Für diese Arbeit wird dieser als gegeben betrachtet. Der Rest der Investitionssumme wird langfristig finanziert. Sobald der Anteil kurzfristiger Finanzierung größer 0 ist, besteht die Gefahr, daß sich die internationalen Gläubiger weigern, die kurzfristigen Auslandsschulden zu verlängern. Statt dessen ziehen sie ihr Kapital nach Periode 1 ab. Durch die beschriebene Konstruktion besitzt das Modell multiple Gleichgewichte. Positives Gleichgewicht Eines der Gleichgewichte besteht dann, wenn die kurzfristigen Verbindlichkeiten in Periode 1 wie vorgesehen refinanziert werden. Daraus folgt: L = 0. (II.C.4.5) Entsprechend beträgt der Anlagewert nach der letzten Periode (Rk). Zu diesem Zeitpunkt wird der Investor die getätigten Investitionen auflösen, die eingegangen Verbindlichkeiten d+(k-d) = k d // k-d (II.C.4.6) = Anteil der Investitionssumme der kurzfristig // langfristig finanziert ist zurückzahlen und den Nettoertrag (R-1)*k (II.C.4.7) 58 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) konsumieren. Negatives Gleichgewicht Sofern die kurzfristigen Verbindlichkeiten jedoch nicht sehr klein sind, besteht auch noch ein anderes, ein „negatives“ Gleichgewicht. Das negative Gleichgewicht entsteht dann, wenn die kurzfristigen Verbindlichkeiten nicht refinanziert werden, da die Gläubiger befürchten, in Periode 2 keine Rückzahlung zu erhalten. Ohne Verlängerung der kurzfristigen Verschuldung in Periode 1 muß der Investor zur Bedienung der fälligen Schulden einen Teil seiner Investitionsprojekte in Periode 1 liquidieren. Die Menge (L) der zwangsweise aufzulösenden Investitionen ergibt sich aus der Relation der kurzfristigen Verbindlichkeiten (d) zu den Investitionserträgen am Ende der Periode 1 (p). L = d/p (II.C.4.8) Da p < 1 gilt: L>d (II.C.4.9) Die verbleibende Verschuldung in Periode 2 ist ausschließlich langfristiger Natur und ergibt sich als: k-d (II.C.4.10) Der Gesamtwert der verbliebenen Investitionsprojekte beläuft sich am Ende der zweiten Periode auf: R*(k-L) (II.C.4.11) R*(k-d/p) (II.C.4.12) Sofern die Verschuldung in der letzten Periode (k-d) den Erlös aus dem Verkauf der verbliebenen Investments übersteigt, ist der Investor nicht mehr in der Lage, seine langfristigen Schulden zu begleichen. Dies ist der Fall, wenn gilt: 59 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) k-d > R*(k-d/p) (II.C.4.13) d > (R-1)/(R-p)*p*k (II.C.4.14) Aus dem Modell lassen sich soweit folgende Schlußfolgerungen ziehen: • Je höher die kurzfristige Verschuldung, desto gravierender sind die Auswirkungen einer Refinanzierungsverweigerung der ausländischen Gläubiger. Anders ausgedrückt: desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Schuldner (z.B. Unternehmen) nicht mehr in der Lage sind, die finanziellen Verpflichtungen zu bedienen (vgl. Rodrik/Velasco 1999, S. 4ff.). • Je geringer die kurz- und langfristige Rendite der Investitionsprojekte, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für den finanziellen Zusammenbruch des Schuldners. Auswirkungen auf den Devisenmarkt Das obige Modell beschreibt nicht explizit Auswirkungen auf den Devisenmarkt. Allerdings sind diese recht einfach vorstellbar. Der im Modell beschriebene finanzielle Zusammenbruch des Unternehmens (Wirtschaftssubjekt) führt i.d.R. zu Kapitalabflüssen wie oben beschrieben. Aber auch die Auswirkungen der Verweigerung der Kreditverlängerung in Periode 1 führt schon zu diesem Zeitpunkt zu einem erheblichen Nachfrageanstieg nach ausländischer Währung auf dem Devisenmarkt und zu entsprechender Wirkung auf den Wechselkurs. Dafür soll eine Erweiterung des Modells von Rodrik/Velasco (1999) für einen Zwei-Länder-Fall durchgeführt werden. Auf dem Devisenmarkt ergibt sich der Wechselkurs zweier Währungen in Preisnotierung durch das Verhältnis zwischen der Nachfrage nach ausländischer und inländischer Währung28. Zu Beginn der Periode 1 beträgt der Wechselkurs in Preisnotierung entsprechend: Ea = N/A Ea N A (II.C.4.15) = Wechselkurs in Preisnotierung zu Beginn der Periode 1 = Nachfrage nach ausländischer Währung = Nachfrage nach inländischer Währung 28 Die Nachfrage nach inländischer Währung bedeutet gleichzeitig ein Angebot an Fremdwährung, da lediglich ein Währungspaar betrachtet wird. 60 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) Unterstellt sei, daß die kurzfristige Verschuldung (d) auf ausländische Währung lautet (Fremdwährungsverschuldung)29. Da beim negativen Gleichgewicht die kurzfristigen Verbindlichkeiten nicht refinanziert werden und somit Kapital in Periode 1 abfließt, beträgt die zusätzliche Nachfrage nach ausländischer Währung d. Entsprechend erhöht sich am Ende von Periode 1 N um d. Für den Wechselkurs hat dies folgende Konsequenzen: Ee = (N+d)/A Ee (II.C.4.16) = Wechselkurs in Preisnotierung am Ende von Periode 1 und da d>0, ist: Ee > Ea (II.C.4.17) Abbildung 3: Auswirkungen einer Refinanzierungsverweigerung kurzfristiger Auslandsverbindlichkeiten auf den Wechselkurs E (N + d ) A N E e E a V o l.1 V o l.2 V o l. Quelle: Eigene Darstellung Daraus ergibt sich, daß – sofern die Währungskrise bereits ausgebrochen ist – die Abwertung der inländischen Währung um so größer ausfällt, je größer die kurzfristige Auslandsverschuldung ist. 29 Würde die Verschuldung auf inländische Währung lauten, würde sich die Nachfrage nach ausländischer Währung ebenfalls erhöhen. Allerdings müßte bei den kurzfristigen Mittelabflüssen auch die Wechselkursentwicklung mit berücksichtigt werden. 61 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) 5 Zusammenfassung und Indikatoren 5.1 Liquiditätsindikatoren Um eine internationale Vergleichbarkeit des Ausmaßes der kurzfristigen Auslandsverschuldung zu erreichen, sollte diese durch andere Größen relativiert werden. Große Bedeutung hat die Relation der kurzfristigen Auslandsverschuldung zu den Devisenreserven einer Volkswirtschaft (vgl. Rodrik/Velasco 1999, S. 19). Diese Kenngröße sagt aus, inwieweit ein Land in der Lage ist, seine kurzfristigen Auslandsverbindlichkeiten allein durch Devisenreserven zu decken. Je geringer der Quotient, desto eher ist es der Notenbank möglich, stabilisierend am Devisenmarkt zu intervenieren bzw. Kapitalabflüsse ohne Auswirkungen auf den Wechselkurs zu absorbieren. Die Währungsabwertung dürfte somit mit sinkender Relation geringer ausfallen. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich empfiehlt in Anlehnung an die sogenannte Guidotti-Regel, daß die gesamte kurzfristige Auslandsverschuldung durch Devisenreserven gedeckt sein sollte. So sollen trotz Mangel an neuen Verschuldungsmöglichkeiten alle kurzfristig einforderbaren Verbindlichkeiten bedient werden können (vgl. BIZ 2000, S. 34). Zuzüglich zu den kurzfristigen Auslandsschulden sind auch die Zinszahlungen für langfristige Auslandsschulden im Zähler zu berücksichtigen. Bei Währungskrisen impliziert der Schuldendienst aus den langfristigen Auslandsschulden eine zusätzliche Devisennachfrage und einen entsprechenden Druck auf den Wechselkurs (vgl. Corsetti et al. 1998, S. 32). Parallel hierzu läßt sich die kurzfristige Auslandsverschuldung (inkl. Zinszahlungen auf langfristige Auslandsschulden) auf den Umsatz am jeweiligen Devisenmarkt beziehen. Somit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß eine Volkswirtschaft zwar den größten Teil ihrer kurzfristig fälligen Auslandsverbindlichkeiten aus den Devisenreserven decken kann. Der verbliebene Rest, wofür Devisen vom freien Devisenmarkt benötigt werden, jedoch aufgrund des geringen Umsatzes nur zu einem wesentlich höheren Preis – ausgedrückt in Inlandswährung – zu beziehen ist. Ferner zu berücksichtigen ist der Gesamtbestand der Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den Devisenreserven und den Devisenumsätzen, um der Möglichkeit des Hedgings und des vorzeitigen Verkaufs von Bonds Rechnung zu tragen. In einem weiteren Indikator muß der Zähler um die Aktienbestände inländischer Unternehmen in den Händen von NichtGebietsansässigen miteinzubeziehen, um auch die Möglichkeit einer Veräußerung der Aktienbestände zu berücksichtigen. Schließlich ist in einem gesonderten Indika- 62 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.C) tor auch die Einbeziehung inländischer Fremdwährungsschulden und indexierter Schulden sowie die Erfassung von Rückgaberechten wünschenswert. 5.2 Solvenzindikatoren Zwei Indikatoren, die primär die Solvenz von Volkswirtschaften messen sollen, sind die Schuldendienstquote und das Verhältnis der gesamten Auslandsverschuldung zu den Exporten. Die Belastung der Volkswirtschaft durch die Zins- und Tilgungszahlungen der Auslandsverschuldung soll durch die Schuldendienstquote (Debt-ServiceRatio) gemessen werden. Die Schuldendienstquote setzt die zu leistenden Zins- und Tilgungszahlungen zu den Exporteinnahmen einer Periode ins Verhältnis. Je höher die Quote, desto mehr Deviseneinnahmen aus Exporten müssen für den Schuldendienst aufgewendet werden (vgl. Stockner 1984, S. 81). Diese Einnahmen stehen dann nicht mehr für nötige Importe bzw. Wechselkursstabilisierungen zur Verfügung. Außerdem könnte eine hohe Schuldendienstquote höhere Kapitalabflüsse provozieren, da sich Investoren nicht mit einer vorübergehenden Illiquidität der Volkswirtschaft, sondern mit einer langfristigen Zahlungsunfähigkeit derselben konfrontiert sehen. Daraus dürfte eine noch stärkere Abwertung der Inlandswährung resultieren. Allerdings weist die Schuldendienstquote einige Schwächen auf. So wird z.B. nur der tatsächlich geleistete Schuldendienst beachtet. Eventuelle Zahlungsverzögerungen würden die Quote reduzieren, eine vorzeitige Tilgung hätte einen Anstieg zu Folge (vgl. Stockner 1984, S. 81f.). Hier könnte es sich empfehlen, anstelle der tatsächlich geleisteten, den regulär zu leistenden Schuldendienst für die Berechnung heranzuziehen. Das Verhältnis von Auslandsverschuldung zu den Exporterlösen ist ein bestandsorientierter Indikator, der wie die Schuldendienstquote auf die Messung der langfristigen Zahlungsfähigkeit abzielt. Je höher der Wert, desto wahrscheinlicher ist ein Zahlungsausfall (vgl. Evertz 1992, S. 73). Im Gegensatz zur oft genutzten Relation Auslandsverschuldung/BIP wird bei diesem Indikator der Offenheitsgrad einer Volkswirtschaft berücksichtigt. Der Wirkungsmechanismus auf den Wechselkurs ist wie bei der Schuldendienstquote die Tatsache, daß sich internationale Investoren im 63 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) Falle einer hohen Relation nicht einer nur vorübergehenden Illiquidität, sondern einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Volkswirtschaft gegenüber sehen und die Kapitalabflüsse größer und nachhaltiger ausfallen. Zudem ist bei einer hohen Relation davon auszugehen, daß die Währung stark abwerten muß, um die Exporte deutlich ausweiten zu können. Übersicht 9: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Kapitalimporten bzw. Auslandsverschuldung und dem Verlauf einer Währungskrise - - - - - Hohe Bestände an kurzfristigen Auslandsschulden, verbrieften Verbindlichkeiten und Beteiligungspapieren sowie ein immenser Schuldendienst auf langfristige Auslandsschulden können im Krisenfall binnen kurzer Zeit zu einem erheblichen Anstieg der Devisennachfrage führen. Das Gleiche gilt bei massivem Hedging am Terminmarkt. Kurzfristige Auslandsschulden können meist binnen weniger Tage von den Gläubigern fällig gestellt werden. Unternehmen, Banken und öffentliche Haushalte sind oft nicht schnell genug in der Lage, diese Verbindlichkeiten zu refinanzieren und werden zahlungsunfähig. Dies verursacht Kapitalabflüsse, was den Wechselkurs weiter unter Druck bringt. Ein hoher Bestand an Fremdwährungsverbindlichkeiten oder indexierten Schulden kann durch eine Währungsabwertung ebenfalls zu einer enormen Belastung inländischer Banken, Unternehmen und öffentlicher Haushalte führen (Bilanzeffekt). Wie die Illiquidität der Volkswirtschaft, führt auch die drohende Insolvenz aus Angst vor Vermögensverlusten zu massiven Kapitalabflüssen und Währungsabwertungen. Hohe Auslandsschulden, in Inlandswährung denominiert, stellen die Notenbank bei der Verteidigung eines Wechselkurses vor ein Dilemma, inwieweit die inländischen Zinsen angehoben werden können, ohne die Volkswirtschaft zu stark zu belasten. Über die genannten Kanäle führt ein höherer Bestand an (kurzfristigen) Auslandsschulden und verbrieften Verbindlichkeiten bzw. Gläubigerpapieren in Händen von Ausländern c.p. zu einer stärkeren Währungsabwertung. II.D Kapitaltransfers inländischer Wirtschaftssubjekte und Kapitalflucht 1 Kapitalexportpotential 1.1 Kapitalexporte inländischer Wirtschaftssubjekte und Verlauf einer Währungskrise Bis jetzt wurden vorwiegend die Auswirkungen des Kapitalabflusses durch Gebietsfremde dargestellt. Jedoch besitzen auch inländische Wirtschaftssubjekte die Möglichkeit, auf inländische Währung lautendes Finanzkapital ganz oder teilweise in ausländische Währung zu transferieren. Dies erfordert lediglich, daß die inländische 64 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) Währung frei oder zumindest eingeschränkt konvertierbar ist (vgl. Deutsche Bank 1998, S. 273). Machen Inländer vor oder während einer Währungskrise von dieser Möglichkeit Gebrauch, kann dies die Inlandswährung auf dem Devisenmarkt noch stärker unter Abwertungsdruck bringen. Besonders in sich entwickelnden Volkswirtschaften und deren instabilem makroökonomischen Umfeld neigen Inländer dazu, ihre Ersparnisse aus Angst vor Vermögensverlusten in vermeintlich sicherere Devisen zu tauschen (vgl. Schnatz 1998a, S. 18). Daß nicht nur ausländische Investoren ihr Kapital vor oder während einer Währungskrise abziehen, zeigt u.a. die TequilaKrise in Mexiko. Dort transferierten Inländer noch vor den ausländischen Kapitalgebern ihr Kapital ins Ausland (vgl. Kant 2002, S. 353). In den Jahren 1994/95 registrierte der Internationale Währungsfonds insgesamt 11,6 Mrd. US-$ an Kapitalexporten inländischer Wirtschaftssubjekte aus Mexiko heraus. Dies entsprach fast der Hälfte der mexikanischen Devisenreserven Ende 1993 (vgl. IWF 1997, S. 466ff.). In Brasilien betrugen die registrierten Kapitalexporte inländischer Wirtschaftssubjekte von Januar 1998 bis Dezember 1999 15,1 Mrd. US-$, was fast einem Drittel der brasilianischen Währungsreserven zu Beginn des Jahres 1998 gleichkam (vgl. IWF 2002, S. 184ff.). Insofern muß auch der Möglichkeit des Kapitalexports durch Gebietsansässige in dieser Arbeit Rechnung getragen werden. 1.2 Indikatoren Versucht man – analog zur kurzfristigen Auslandsverschuldung bei NichtGebietsansässigen – eine Größe für kurzfristig mögliche Kapitaltransfers der heimischen Bevölkerung zu finden, so bietet sich ein Geldmengenaggregat an. Die Geldbasis30 stellt beispielsweise eine kurzfristige Forderung gegenüber der Notenbank eines Landes dar. Sie ist binnen kürzester Zeit bei der Notenbank oder am freien Devisenmarkt gegen Fremdwährung eintauschbar (vgl. Cooper 1996, S. 205f.). Theoretisch wäre es möglich, daß die Zentralbank bzw. der Devisenmarkt die komplette inländische Geldbasis als Angebot an heimischer Währung absorbieren muß (Kaminsky/Reinhart 1996, S. 11). Im Fall eines plötzlichen und massiven Kapitalexports kann zudem das heimische Bankensystem in Mitleidenschaft gezogen werden, sofern inländische Nichtbanken sehr kurzfristig ihre Einlagen auflösen. 30 Unter der Geldbasis werden der komplette Bargeldumlauf sowie die Guthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank verstanden (vgl. Issing 1995, S. 4f.). 65 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) Können die Kreditinstitute diesen Mittelabfluß nicht durch Kapitalaufnahme an den Finanzmärkten oder durch schnelle Liquidation von Aktiva kompensieren, geraten sie in Liquiditätsprobleme. Im schlimmsten Fall kann dadurch der finanzielle Zusammenbruch von Banken oder sogar des gesamten Bankensystems heraufbeschworen werden.31 Notenbanken neigen in solchen Fällen häufig dazu, die betroffenen Banken mit Liquiditätsspritzen zu stützen (vgl. Kapitel III.A.5.4). Mit der Möglichkeit der inländischen Banken, allen Auszahlungswünschen ihrer Kunden nachzukommen, erhöht sich jedoch gleichzeitig die Menge inländischen Geldes, welches problemlos gegen Devisen getauscht werden kann. Daher sollte parallel zur Geldbasis ein weites Geldmengenaggregat (Bargeld zzgl. Sicht-, Spar- und Termineinlagen) als wichtige Größe für das potentielle Angebot an heimischer Währung auf dem Devisenmarkt Beachtung finden. Um eine länderübergreifende Vergleichbarkeit zu ermöglichen, werden die Geldmengenaggregate oft ins Verhältnis zu den Währungsreserven gesetzt. Je höher der Quotient, desto geringer ist der Anteil der inländischen Geldmenge, der zum herrschenden Wechselkurs durch die Notenbank in Fremdwährung getauscht werden kann. Folglich gelangt bei gegebenem Anteil der inländischen Geldmenge, welcher in Fremdwährung transferiert wird, gegebenenfalls ein größeres Fragment an heimischer Währung auf den freien Devisenmarkt. Somit verstärkt sich der Druck auf die inländische Währung (vgl. Schnatz 1998a, S. 18). Die inländische Geldmenge läßt sich analog zur kurzfristigen Auslandsverschuldung auch auf die gehandelten Volumina der Inlandswährung am Devisenmarkt beziehen. Ist die Relation von inländischer Geldmenge zu den Devisenumsätzen relativ hoch, dürfte sich bei einem gegebenen Anteil der inländischen Geldmenge, welche in Fremdwährung umgetauscht wird, eine höhere Abwertungsrate der inländischen Währung ergeben. Grund dafür ist die geringere Absorptionsfähigkeit „seichter“ Devisenmärkte.32 Geldmengenaggregate geben jedoch nur das Potential für Kapitalexporte inländischer Wirtschaftssubjekte an. Das bedeutet, daß dieses Potential im Fall einer Währungskrise nicht zwangsläufig voll ausgeschöpft wird. De Beaufort Wijnholds/Kapteyn (2001, S. 20f.) sind der Überzeugung, daß die Geldmengenaggregate nicht komplett durch Devisenreserven gedeckt sein müssen. Um eine Währungskrise zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen, schlagen sie abhängig vom Wechselkurssystem eine 31 Siehe dazu auch Kapitel III.A. Siehe dazu auch Kapitel IV.B. 32 66 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) Deckung der Geldmenge M233 zwischen 5% und 20% vor. Von großer Bedeutung ist jedoch, welche Gegebenheiten die Ausschöpfung dieses Potentials beeinflussen. 2 Kapitalflucht vor Ausbruch einer Krise 2.1 Definition von Kapitalflucht Obwohl in der Literatur weitgehend Einigkeit darüber besteht, daß es sich bei Kapitalflucht um Kapitalexporte privater inländischer Wirtschaftssubjekte handelt,34 gibt es Differenzen vor allem bezüglich der Abgrenzung zu „normalen“ Kapitalbewegungen (vgl. Büntjen 1994, S. 7). Diese Abgrenzungsproblematik ist ein Grund, warum viele Arbeiten zu diesem Thema eine klare Abgrenzung vermissen lassen. So findet sich z.B. bei Abalkin/Whalley (1999, S. 423) eine Definition, in der Kapitalflucht als ein Phänomen definiert wird, welches den über das Normalmaß hinausgehenden Transfer von in Inlandswährung denominierten Aktiva gegen auf ausländische Währung lautende beschreibt. Abbildung 4: Definitionskriterien für Kapitalflucht D e fin itio n d e r K a p ita lflu c h t M o tiv a tio n s o r ie n t ie r t e A n s ä tz e G e h e im h a lt u n g s m o t iv W o h lfa h r t s o r ie n t ie r t e A n s ä tz e R is ik o v e r m e id u n g s m o tiv Quelle: In Anlehnung an Büntjen 1995, S. 8 33 Die Geldmenge M2 umfaßt nach Definition des Internationalen Währungsfonds den Bargeldumlauf zzgl. der Sicht-, Termin- und Sparguthaben. 34 öffentliche Kapitalexporte dienen dem Aufbau von Devisenreserven und werden daher nicht unter Kapitalflucht subsumiert. 67 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) Die Ansätze zur Definition von Kapitalflucht lassen sich nach Büntjen (1994, S. 8ff.) grob in zwei Gruppen aufteilen. Zum einen dienen die Auswirkungen der Kapitalexporte auf die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt eines Landes als Definitionskriterium der Kapitalflucht (wohlfahrtsorientierte Ansätze). Zum anderen wird versucht, Kapitalflucht über ihre Ursachen zu definieren (motivationsorientiere Ansätze). Erstgenannte Abgrenzungsversuche definieren Kapitalflucht als Kapitalexporte, die zu einer Verringerung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt führen. Diese würde sich z.B. dadurch verringern, daß Kapital exportiert wird, statt im Inland für Investitionen verwendet zu werden. Investitionen hätten sich positiv auf Beschäftigung und Lohnhöhe auswirken sowie in einer Verbesserung der Produkteigenschaften niederschlagen können (vgl. Lessard/Williamson 1987, S. 225). Dies führt dazu, daß alle Kapitalexporte, die sonst zu Investitionen geführt hätten, als Kapitalflucht zu definieren wären (vgl. Gordon/Levine 1988, S. 6).35 Da diese Voraussetzungen nur schwer überprüfbar sind, erweist sich eine Charakterisierung von Kapitalflucht anhand dieser Definition für eine empirische Untersuchung ungeeignet. Definitionen, welche Kapitalflucht durch die jeweilige Motivation für Kapitaltransfers von normalen Kapitalabflüssen separieren, versuchen dies entweder anhand des Motivs der Geheimhaltung oder anhand der Risikovermeidung (z.B. Enteignung, hohe Steuern auf Kapitalerträge, abwertungsbedingte Vermögensverluste). Ein Vertreter der ersten Gruppe ist Dooley (1988, S. 422), welcher Kapitalflucht als den Teil der Kapitalexporte bezeichnet, der aus dem Wunsch der Geheimhaltung heraus getätigt wird.36 Zur zweiten Gruppe zählt beispielsweise Kant (1999, S. 344), welcher Kapitalabflüsse aus Unsicherheit über zukünftige Ereignisse im Inland als Kapitalflucht bezeichnet. Auch Kindleberger (1937, S. 158) kann unter dieser Kategorie eingeordnet werden, wenn er Kapitalflucht sinngemäß als „unnormale“ Kapitalströme definiert, ausgelöst durch eine komplexe Reihe von Ängsten und Vermutungen. Krämer (1969, S. 33ff.) definiert Kapitalflucht als Umschichtung der Aktiva, bedingt durch Verschlechterungen des Rendite/Risiko-Profils eines Landes gegenüber dem Ausland. 35 Einschränkend sei zu erwähnen, daß dies voraussetzt, daß im Ausland geringere Zinsen vorherrschen als durch inländische Investitionen erwirtschaftet werden können. 36 Allerdings ist zu hinterfragen, inwieweit das Motiv der Geheimhaltung nicht aus bestimmten Risiken entspringt. 68 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) Diese Definition wirft allerdings die Frage auf, ob sich die Masse des Fluchtkapitals überhaupt von Portfolioumschichtungen aufgrund von veränderten Rendite/RisikoStrukturen und damit von den restlichen Kapitalexporten unterscheiden läßt. Ist der Risikobegriff nur weit genug gefaßt, so dürfte dies selbst vom theoretischen Standpunkt her kaum noch möglich sein. Auch andere Vorgänge, die nicht in der Kapitalbilanz erfaßt werden (z.B. Falschfakturierung von Ein- und Ausfuhren), beruhen vorwiegend auf vergleichsweise hohen Risiken der inländischen Geldhaltung oder der Anlagen in Inlandswährung bei relativ geringer Rendite und dienen daher im weitesten Sinne der Rendite/Risiko-Optimierung. 2.2 Kapitalflucht im Vorfeld einer Krise als Zeichen mangelnden Vertrauens in die Währung Ein Aspekt, der Aufschlüsse über die im Krisenfall zu erwartende Ausschöpfung des Kapitalexportpotentials und damit über das Ausmaß der Abwertung liefern könnte, ist die Höhe der Kapitalflucht in ruhigen Zeiten. Kapitalflucht ist ein Indiz für mangelndes Vertrauen der heimischen Bevölkerung in die eigene Währung bzw. in die eigene Regierung, oder mit anderen Worten für eine relativ ungünstige „Rendite/Risikokombination“ inländischer oder auf inländische Währung lautender Anlagen (Wertpapiere, Einlagen bei Banken usw.). Wo Kapitalflucht sogar in Phasen relativer Währungsstabilität auftritt, ist es leicht vorstellbar, daß die Bevölkerung vor oder während einer Währungskrise erst recht versuchen wird, ein hohes Maß der eigenen Ersparnisse in Fremdwährung zu tauschen. Neben den direkten Auswirkungen auf den Wechselkurs kann Kapitalflucht auch andere, eher indirekte Auswirkungen auf den Verlauf einer Währungskrise haben. 2.3 Ursachen von Kapitalflucht 2.3.1 Renditeaspekte Kapitalflucht entsteht – wie schon angedeutet zumindest hauptsächlich – durch eine im Vergleich zum Ausland ungünstige Rendite/Risiko-Struktur im Inland. Zu geringe inländische Realrenditen resultieren beispielsweise aus administrativ festgelegten Höchstzinsen im Inland in Kombination mit hohen Inflationsraten oder aus extremen Kapitalsteuern. Dadurch herrschen teilweise nur geringe oder gar negative Realzinsen im Inland vor. Diese Konstellation kann bereits Kapitalflucht durch inländische Wirtschaftssubjekte hervorrufen (vgl. Pastor 1990, S. 7). Pastor (1990) belegt dies 69 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) anhand einer empirischen Untersuchung für Lateinamerika zwischen 1973 und 1986. Dort waren die Realrenditen in den einzelnen Volkswirtschaften von signifikanter Aussagekraft für das Ausmaß der Kapitalflucht (vgl. Pastor1990, S 8ff). Abbildung 5: Ursachen von Kapitalflucht Ursachen von Kapitalflucht Risikoaspekte Renditeaspekte Ökonomische Risken v.a. Realzinsen, Wirtschaftswachstum z.B. zukünftige Zahllungsfähigkeit der Unternehmen, Banken und des Staates, überbewertete Währungen Institutionelle/ Politische Risken z.B. Rechtssicherheit, politische Stabilität, fragile Bankensysteme K a p i t a l f l u c h t Quelle: Eigene Darstellung 2.3.2 Risiken 2.3.2.1 Ökonomisches Risiko Die Risikodeterminanten einer Anlage im Inland sind sehr vielfältig. Das ökonomische Risiko ist nur ein Teilbereich, welchen die inländischen Wirtschaftssubjekte bei der Distribution ihrer Ersparnisse beachten müssen. Das ökonomische Risiko wird wiederum von einer Vielzahl von Einzelrisiken bestimmt, wie beispielsweise der Geschäftsentwicklung eines Unternehmens, der zukünftigen Zahlungsfähigkeit des Staates oder des Risikos einer Währungsabwertung. Eine wichtige Bestimmungsgröße des wirtschaftlichen Risikos und so der Kapitalflucht ist nach einer Untersuchung von Schineller (1997, S. 15) das laufende Defizit der öffentlichen Haushalte. Höhere Budgetdefizite des Staates verstärken Tendenzen zu Kapitaltransfers der inländischen Wirtschaftssubjekte ins Ausland. Theoretisch wäre dies damit zu erklären, daß Inländer die Finanzierung der Fehlbeträge be70 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) reits in Form von zukünftig höheren Steuern oder Geldmengenausweitungen antizipieren. Die Erwartung steigender Steuerbelastungen kann dazu führen, daß steigende Auslandsschulden bzw. der daraus resultierende zunehmende Schuldendienst Kapitalflucht verursachen (vgl. Büntjen 1994, S. 78ff.). Ketkar/Ketkar (1989) weisen für Lateinamerika zwischen 1977 und 1986 nach, daß überbewertete Währungen eine wichtige Determinante für Kapitalflucht darstellen. Je weiter eine reale Überbewertung fortgeschritten ist, desto eher dürften Inländer dazu neigen, ihre Ersparnisse in ausländischer Währung anzulegen. Begründet wird dieses Verhalten damit, daß Gebietsansässige eine Abwertung der heimischen Währung befürchten. Diese würde über die abwertungsbedingt einsetzenden Preissteigerungen das Finanzvermögen der Inländer real mindern. Zusätzlich könnten auch Opportunitätskosten einer Inlandsanlage in Form von nicht realisierten Währungsgewinnen mit einbezogen werden (vgl. Ketkar/Ketkar 1989, S. 15ff.). 2.3.2.2 Politische/institutionelle Risiken Neben den wirtschaftlichen Risiken gibt es politische und institutionelle Risiken. So ist in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern das Privateigentum keinesfalls vor willkürlichem staatlichen Zugriff in Form von Enteignungen sicher. Auch schwelen in einigen Ländern politische Unruhen, welche die Risiken einer inländischen Anlage erhöhen. Besonders in bezug auf zu erwartende oder bereits stattfindende Währungsabwertungen kann die Befürchtung einer Einführung von Devisenkontrollen das Risiko von Inlandsinvestitionen deutlich erhöhen und so zu Kapitalflucht führen (vgl. Kant 2002, S. 344). Fragile Bankensysteme, wie sie in vielen Emerging Markets anzutreffen sind, stellen ein zusätzliches Risiko v.a. für Bankeinlagen dar und können so Kapitalexporte privater Wirtschaftssubjekte ins Ausland und in Fremdwährung fördern (vgl. Loungani/Mauro 2000, S. 8). 2.4 Kapitalflucht und Verlauf einer Währungskrise 2.4.1 Erhöhung der Abhängigkeit vom Ausland Die direkten Auswirkungen der Kapitalflucht bzw. der Kapitalexporte auf den Devisenmarkt und den Wechselkurs wurden zu Beginn dieses Kapitels bereits dargestellt. Allerdings hat Kapitalflucht selbst in ruhigen Zeiten negative Konsequenzen für die Volkswirtschaft, welche den Wechselkursverlauf während einer Währungskrise erheblich beeinflussen können. So verringert sich durch Kapitalflucht das im Inland für 71 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) Investitionszwecke zur Verfügung stehende Sparkapital. Gerade in Entwicklungsund Schwellenländern reichen die originär im Inland vorhandenen Ersparnisse nicht aus, um alle geplanten Investitionen durchzuführen, seien sie auch noch so profitabel. Exportieren Inländer ihre Ersparnisse ins Ausland, statt sie im Inland für Investitionszwecke zur Verfügung zu stellen, verringert sich der „Pool“ der gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse weiter. In einer geschlossenen Volkswirtschaft erzwingt dies eine Verringerung der inländischen Investitionen und somit des inländischen Wirtschaftswachstums (vgl. El-Labbad 1995, S. 36). Abbildung 6: Folgen von Kapitalflucht K a p a l f l u c h e c h s e l k t N a c h fra g e rü c k g a n g n a c h in lä n d is c h e m G e ld V e r r in g e r u n g d e r S ta a t s e in n a h m e n e r h ö h te A b h ä n g ig k e it v o m A u s la n d W i t u r s Quelle: Eigene Darstellung Offene Volkswirtschaften besitzen prinzipiell die Möglichkeit, die Differenz zwischen inländischer Spar- und Investitionssumme durch Kapitalimporte auszugleichen. Eine kapitalfluchtbedingte Verringerung der Ersparnisse kann durch Kapitalimporte neutralisiert werden. Kapitalimporte können, wie schon erwähnt, entweder durch Direktinvestitionen, Portfoliobeteiligungskapital (Aktien) oder durch Gläubigerkapital erfolgen. Gelingt es einer Volkswirtschaft, Kapitalzuflüsse in Form von ausländischen Direktinvestitionen ins Land zu holen, kann der inländische Kapitalstock ohne eine direkte Gegenleistung des Inlands erweitert werden. Allerdings ist davon auszugehen, daß die gleichen Determinanten, die eine Kapitalflucht verursachen, ebenfalls negativ auf ausländische Direktinvestitionen einwirken (vgl. Loungani/Mauro 2000, S. 12). Auch Kapitalimporte, als Folge einer Erhöhung der Auslandsverschuldung oder be72 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) dingt durch den Verkauf inländischer Aktien an Nicht-Gebietsansässige, wirken sich tendenziell positiv auf das inländische Investitionsvolumen aus. Voraussetzung ist allerdings, daß sich im Ausland Kapitalgeber finden, die bereit sind, dem Land Kapital zur Verfügung zu stellen. Kapitalflucht führt so jedoch zu einer noch stärker steigenden Abhängigkeit vom Ausland. Die Auswirkungen einer zunehmenden Auslandsverschuldung bzw. hoher Finanzierung durch verbriefte Wertpapiere im Fall einer Währungskrise wurden bereits in Kapitel II.C.4 skizziert. Kapitalflucht führt somit entweder zu einer Verringerung des Investitionsvolumens oder zu einem Anstieg der Abhängigkeit vom Ausland (vgl. El-Labbad 1995, S. 36). Besonders vor Ausbruch der Schuldenkrise 1982 und vor allem in Lateinamerika ist eine Situation von Kapitalflucht und parallelen Kapitalimporten zu beobachten. Die Literatur versucht diese gegenläufigen Entwicklungen z.B. damit zu erklären, daß Inländer einen besseren Zugang zu Informationen haben (vgl. Varman 1989, S. 37) oder eher einem Enteignungsrisiko seitens der eigenen Regierung unterliegen (vgl. Büntjen 1994, S. 54ff.). Auch wenn das Ausmaß von Kapitalflucht stark von der gewählten Meßmethodik abhängt, so kann doch festgehalten werden, daß Kapitalflucht nicht unerheblich zur Verschuldung einiger Länder beigetragen hat. Pastor (1990, S. 3) zeigt, daß in den meisten lateinamerikanischen Staaten zwischen 1973 und 1987 die jährliche Kapitalflucht gemäß seiner gewählten Meßmethode mindestens 15% (teilweise auch deutlich mehr) des Anstieges der Auslandsverschuldung ausmachte. 2.4.2 Folgen für die Staatseinnahmen 2.4.2.1 Verkleinerung der Steuerbasis Eine weitere Folge der Kapitalflucht ist die Verkleinerung der Steuerbasis im Inland. Dadurch verringern sich bei gleichen Steuersätzen automatisch die Einnahmen des Staates. Das ausländische Kapitalvermögen der inländischen Bevölkerung ist steuerlich schwer zu belangen. Zum einen bedarf es häufig der Mithilfe ausländischer Depotstellen (z.B. Banken), um Informationen über im Ausland lagerndes Vermögen von Inländern zu erlangen, welches besteuerbar wäre. Diese kann jedoch keinesfalls vorausgesetzt werden. Einige Finanzzentren verdanken ihren guten Ruf sogar der Verschwiegenheit gegenüber staatlichen Behörden. In vielen Staaten, v.a. in Lateinamerika, gilt zum anderen das sogenannte Ursprungsprinzip für die Besteuerung von 73 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) Kapitaleinkommen. Das bedeutet, daß Kapitalvermögen und Einkünfte aus ausländischen Kapitalanlagen keiner Besteuerung im Inland unterliegen. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Anreiz, Kapital im Ausland anzulegen. Pastor (1990) führt aus, daß in Argentinien und Mexiko in den 1980er Jahren allein durch die Besteuerung der Zinseinnahmen aus der Kapitalflucht die Budgetdefizite des Staates um jeweils 1% des BIP hätten reduziert werden können (vgl. Pastor 1990, S. 6). 2.4.2.2 Verringerung der Seigniorage Kapitalflucht führt zu einer verringerten Seigniorage, was ebenfalls zu einer Belastung des Staatshaushalts beiträgt. Unter Seigniorage versteht man die realen Erträge, welche seitens der Notenbanken dadurch erzielt werden können, daß Wirtschaftssubjekte Zentralbankgeld freiwillig zinslos halten (vgl. Issing 1995, S. 235). Darüber hinaus entsteht Seigniorage durch die Differenz zwischen Nominalwert der Banknoten und den Herstellungskosten inkl. der laufenden Aufwendungen (vgl. Hohlstein et al. 2000, S. 512f.). Geht nun die Nachfrage nach heimischem Geld als Folge von Kapitalflucht zurück, wird auch die Seigniorage abnehmen (vgl. Giovannini/Turtelboom 1993, S. 17). In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern macht die Seigniorage einen hohen Anteil der Staatseinnahmen aus (vgl. Selcuk 1994, S. 511). Ein Rückgang der Seigniorage kann so einen deutlichen Einnahmerückgang der öffentlichen Haushalte verursachen. 2.4.3 Rückgang der Geldnachfrage Sawada/Yotopoulos (2001) zeigen modelltheoretisch, daß Kapitalflucht auch über einen Rückgang der Geldnachfrage Abwertungsdruck auf die inländische Währung ausübt. Zwar ist dieses Modell eigentlich zur Darstellung der Auswirkungen von Währungssubstitution auf den Wechselkurs ausgelegt, jedoch ist es gleichfalls auf die Beziehung zwischen Kapitalflucht und Wechselkurs anwendbar (vgl. Sawada/Yotopoulos 2000, S. 4). Unterstellt wird eine kleine offene Volkswirtschaft. Die Geldnachfragefunktion ist in Anlehnung an Keynes abhängig vom Zins und vom Volkseinkommen. Darüber hinaus wird die Geldnachfragefunktion um einen Faktor, der das Ausmaß der Kapitalflucht angibt, erweitert. Das Geldangebot wird durch die Zentralbank autonom festgelegt. So ergibt sich für das Geldmarktgleichgewicht: 74 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) Mt/Pt = (1-a)*Lt(Yt, it+1); Y =Y; 0≤a≤1 (II.D.2.1) pt = et+p°t; p° = p° (II.D.2.2) it+1 = i°t+1+EΔet+1 ; i° = i° (II.D.2.3) M/P Y a p // p° i // i° e EΔet+1 L t t+1 = reales Geldangebot = Volkseinkommen = Ausmaß der Kapitalflucht = inländisches // ausländisches Preisniveau (logarithmiert) = inländischer // ausländischer Zins (logarithmiert) = Wechselkurs in Preisnotierung (logarithmiert) = erwartete Wechselkursveränderung für die folgende Periode (logarithmiert) = reale Geldnachfrage = laufende Periode = Folgeperiode Dabei ist a ist als Wert zwischen 0 (keine Kapitalflucht) und 1 (Sparkapital wird vollständig in ausländischer Währung transferiert) definiert.37 Weiter wird angenommen, daß die Kaufkraftparität und die Zinsparität gegeben sind. Werden die reale Geldmenge und das Volkseinkommen aus Gleichung (II.D.2.1) zu y bzw. m-p logarithmiert, läßt sich für das Geldmarktgleichgewicht auch schreiben: mt-pt = log(1-a)+Lt(yt;it+1) (II.D.2.4) Da eine linear-homogene Geldnachfragefunktion unterstellt wird, gilt vermutlich unter Verwendung der Euler´schen Homogenitätsrelation: Lt = φ*yt-η*it+1 (II.D.2.5) Somit gilt: mt-pt = log(1-a)+φ*yt-η*it+1 φ η y m (II.D.2.6) = partieller Differentialquotient der Geldnachfrage in Abhängigkeit der Einkommensveränderung = partieller Differentialquotient der Geldnachfrage in Abhängigkeit der Zinsveränderung = Volkseinkommen (logarithmiert) = nominale Geldmenge (logarithmiert) Setzt man die Gleichungen (II.D.2.2) und (II.D.2.3) in (II.D.2.6) ein, so erhält man: 37 Im Gegensatz zur vollständigen Währungssubstitution bleibt die Geldnachfrage nach inländischer Währung für Transaktionszwecke auf jeden Fall erhalten. Da dies jedoch die wesentlichen Aussagen des Modells nicht beeinflußt, wird in weiterem Verlauf von der Unterscheidung in Transaktions- und Spekulationskasse abgesehen. 75 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) mt-et-pt° = log(1-a)+φ*yt -η*(i°t+1+EΔet+1) (II.D.2.7) mt-φ*yt-et+η*it+1°-pt° = log(1-a)-η*EΔet+1 (II.D.2.8) Unter der gemachten Annahme einer kleinen offenen Volkswirtschaft können die ausländischen Variablen als gegeben betrachtet werden. Daher setzen Sawada/Yotopoulos it+1°= pt°=0. Auch für φ*yt wird der Wert 0 angenommen. Somit ergibt sich die Wechselkursentwicklung unter vollkommener Voraussicht der Marktteilnehmer als: mt-et = log(1-a) -η*EΔet+1 (II.D.2.9) Nach einer weiteren Umformung ergibt sich für den Wechselkurs: et = mt-log(1-a)+η* EΔet+1; ∂et/∂a > 0 (II.D.2.10) Im Ergebnis wird klar, daß die Währungsabwertung unter sonst gleichen Bedingungen sowie unter der Modellprämisse vollkommener Voraussicht mit zunehmender Kapitalflucht höher ausfällt (vgl. Sawada/Yotopoulos 2001, S. 10ff.). 2.5 Meßverfahren für Kapitalflucht und Indikatoren Da die Definitionen des Begriffs der Kapitalflucht – wie dargelegt – erhebliche Differenzen beinhalten und oft recht unklar bleiben, ist es nicht weiter überraschend, daß auch die Meßmethodiken der Kapitalflucht deutliche Unterschiede aufweisen. Eggerstedt et al. (1993) und Büntjen (1994) unterscheiden drei Gruppen von Schätzmethoden: 1. Motivationsorientierte Schätzmethoden Diese Schätzmethoden basieren auf den oben schon angesprochenen motivationsorientierten Definitionsversuchen. Als Beispiel kann wiederum Dooley (1988) dienen. Dieser schätzt Kapitalflucht aus der Diskrepanz zwischen der Gesamtheit an Kapitalexporten und den Kapitalexporten, die aus den in der Zahlungsbilanz registrierten Zinseinnahmen geschätzt werden können. Dazu werden zunächst die Bruttokapitalexporte einer Volkswirtschaft abzüglich der Direktinvestitionen errechnet. Von den in der Zahlungsbilanz erfaßten Zinseinkünften wird mittels gewichteter 76 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) Marktzinssätze auf die „normalen Kapitalexporte“ geschlossen. Aus der Differenz der gesamten Bruttokapitalexporte und der „normalen Kapitalexporte“ ergibt sich die Höhe der Kapitalflucht. Problematisch ist hierbei jedoch die Berechnung des gewichteten Marktzinses, da dieser nur annähernd geschätzt werden kann. Zudem werden Zinseinkünfte in verschiedenen Ländern unterschiedlich erfaßt (vgl. Büntjen 1994, S. 32). 2. Direkte Messung von Kapitalflucht Hierbei bildet die Veränderung der ausländischen Vermögensbestände inländischer Wirtschaftssubjekte die Grundlage für die Schätzung von Kapitalflucht. Mehrere Autoren, die diesen Ansatz verfolgen, berücksichtigen zusätzlich noch den Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Positionen. So werden auch nicht registrierte Kapitalabflüsse als Kapitalflucht deklariert. Dies wird damit begründet, daß Kapitalexporte häufig auf nicht legalem Wege geschehen und daher auch nicht gesondert erfaßt werden (siehe Kapitel IV.C.3). Sie tauchen als Differenzbetrag auf und können nur durch Hinzunahme der Restposten erfaßt werden. Allerdings werden in dieser Teilbilanz auch andere Vorgänge verbucht, die dann fälschlicherweise als Kapitalflucht deklariert werden. Mehrere Arbeiten mit diesem Ansatz versuchen einige Modifikationen vorzunehmen (vgl. Eggerstedt et al. 1993, S. 4ff.). Cuddington (1986) beschränkt Kapitalflucht beispielsweise nur auf kurzfristige Kapitalexporte, um dem seiner Meinung nach kurzfristigen Charakter von Kapitalflucht gerecht zu werden. Dieser Ansatz übersieht jedoch, daß auch de jure langfristige Kapitalexporte durch Handelbarkeit de facto kurzfristig reversibel sind.38 3. Indirekte Methode zur Messung von Kapitalflucht Bei dieser Verfahrensweise wird Kapitalflucht nicht direkt, sondern als Residuum aus verschiedenen anderen Komponenten gemessen. Grundlage dieser Berechnung ist die Annahme, daß ein Anstieg der Auslandsverschuldung und der Zufluß von Nettodirektinvestitionen nur zur Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten oder zum Aufbau von Währungsreserven dienen können. Kapitalzuflüsse, die nicht dazu genutzt werden, dienen definitionsgemäß der Kapitalflucht (Eggerstedt et al. 1993, S. 7). Dieser Ansatz wird mit unterschiedlichen Ausgestaltungen z.B. von Erbe (1985), der Weltbank (1985), der Morgan Guaranty Trust Company (1986), Duwendag (1986) 38 Siehe Unterscheidung zwischen kurz- und langfristigen Kapitalzuflüssen in Kapitel II.C.2. 77 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.D) und Cline (1986) verwendet. Als Beispiel soll die Berechnungsmethode der Weltbank skizziert werden. Übersicht 10: Indirekte Berechnung von Kapitalflucht Veränderung der Auslandsverschuldung + Nettodirektinvestitionen (Zuflüsse aus Direktinv.–Abflüsse aus Direktinv.) ./. Leistungsbilanzdefizit ./. Veränderung der Währungsreserven = Kapitalflucht Quelle: In Anlehnung an Büntjen 1994, S. 22 Diese Methodik wird häufig verwendet. Allerdings bestehen auch einige Nachteile. Beispielsweise werden Kapitalzuflüsse in Form von Portfoliobeteiligungskapital (Kauf inländischer Aktien durch Ausländer) nicht berücksichtigt. Auch Falschfakturierungen von Ex- und Importen sowie Änderungen der Wechselkursrelationen zwischen den einzelnen Währungen, in denen die Verschuldung denominiert ist (z.B. US-$, DM, JPY usw.) können nicht erfaßt werden. Dies kann v.a. bei einzelnen Industriestaaten, deren Auslandsverschuldung in inländischer Währung denominiert, ist zu Verzerrungen führen. Ebenso wie bei der direkten Meßmethode, werden sämtliche Restposten der Zahlungsbilanz als Kapitalflucht dargestellt. Modifizierte Ansätze versuchen diesen Problematiken teilweise gerecht zu werden (z.B. Vos 1992 und Cumby/Levich 1987) Da sich jedoch neben der Weltbank auch die Economist Intelligence Unit (EIU) der indirekten Meßmethode für Kapitalflucht bedient, soll das in Übersicht 10 geschilderte Verfahren auch in dieser Arbeit Verwendung finden. Jedoch wird darüber hinaus eine Bereinigung um die in der Zwischenzeit stark angestiegenen Aktienkapitalströme durchgeführt (+/- Nettozufluß aus Aktientransaktionen). Um eine internationale Vergleichbarkeit zu erreichen, wird die ermittelte Kapitalflucht zum BIP ins Verhältnis gesetzt. 78 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.E) Übersicht 11: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Kapitaltransfers inländischer Wirtschaftssubjekte, Kapitalflucht und dem Verlauf einer Währungskrise - Höhere Fremdwährungsnachfrage resultiert nicht nur aus Auslandsschulden oder Wertpapierverkäufen von Ausländern. Inländer können bei einer Krise ihre Ersparnisse gleichfalls in Devisen transferieren und die Inlandswährung erblich schwächen. Je höher die inländische Geldmenge ist, desto eher sind inländische Wirtschaftssubjekte in der Lage, ihre Ersparnisse in Fremdwährung zu transferieren und eine Abwertung zu verschärfen. Die Kapitalflucht vor einer Krise kann als Indikator für die zu erwartenden Kapitalexporte inländischer Wirtschaftssubjekte während einer Krise dienen, da das Ausmaß von Kapitalflucht als ein Vertrauensmaßstab in die eigene Währung gewertet werden kann. Je höher die Kapitalexporte vor der Krise sind, desto geringer ist das Vertrauen der heimischen Wirtschaftssubjekte in die Währung, und desto höher werden die Kapitalexporte seitens der Inländer während einer Krise ausfallen. II.E Geringe Devisenreserven 1 Die Devisenbilanz als Teil der Zahlungsbilanz In der Devisenbilanz werden sämtliche Veränderungen der Nettoauslandsaktiva bzw. der Devisen- (Währungs-)reserven der Notenbank verbucht. Dazu zählen Goldbestände, Devisen und Sorten, Sonderziehungsrechte und die Reservepositionen beim Internationalen Währungsfonds (vgl. Deutsche Bank 1998, S. 117). Bei vollständig flexiblen Wechselkursen und sofern der Staat nicht im Ausland verschuldet ist, muß die Notenbank nicht am Devisenmarkt intervenieren und keine Devisen für staatliche Zins- und Tilgungszahlungen an das Ausland zur Verfügung stellen. Entsprechend verändern sich die Nettoauslandsaktiva der Zentralbank nicht. Die Devisenbilanz weist in diesem Fall immer einen ausgeglichenen Saldo aus. Dieser Fall tritt in der Realität jedoch so gut wie nie auf. In der Regel weist ein Staat international eine Nettoschuldner- oder eine Nettogläubigerposition auf, wodurch der Staat bzw. die Notenbank entweder Devisenreserven per Saldo bereitstellen muß oder erhält. Außerdem verfügen die meisten Staaten und insbesondere Emerging Market Economies nur über einen eingeschränkt flexiblen Wechselkurs gegenüber internationalen Schlüsselwährungen (vgl. Calvo/Reinhart 2000, S. 20). Da die Notenbanken somit verpflichtet sind, die vorgegebene Wechselkursrelation am Markt 79 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.E) durchzusetzen, müssen Mengendifferenzen zwischen Fremdwährungsangebot und -nachfrage durch Devisenmarktinterventionen ausgeglichen werden. Daraus resultiert gewöhnlich ein Devisenbilanzsaldo und damit eine Veränderung der Währungsreserven (vgl. Hohlstein et al. 2000, S. 118). Normalerweise sind diese Vorgänge unproblematisch. Anders ist dies jedoch, wenn die Salden extrem groß werden oder über einen längeren Zeitraum immer auf der gleichen Seite der Devisenbilanz entstehen. Problematisch ist insbesondere der Fall, bei dem die Devisenbestände stark oder permanent abnehmen. Eine solche Entwicklung ist häufig geraume Zeit vor Währungsabwertungen zu beobachten. Die Zentralbank versucht, einen fixierten Wechselkurs trotz wachsender Nettokapitalabflüsse u.a. durch Devisenverkäufe weiter aufrecht zu erhalten bzw. bei flexiblen Wechselkursen ein übermäßiges Abwerten der Währung zu verhindern (vgl. Deutsche Bundesbank 1999, S. 21). Oftmals reichen diese Maßnahmen jedoch nicht aus, um eine deutliche Währungsabwertung zu vermeiden. Nachfolgend soll untersucht werden, ob und wie vorhandene Devisenbestände und sonstige liquide Mittel die Abwertungsrate einer Währung während einer Krise beeinflussen können. Die Ursachen geringer Devisenbestände sind derart vielfältiger Natur, daß sie hier nicht erörtert werden können. Daher sollen nachfolgend direkt die Zusammenhänge zwischen geringen Devisenbeständen und dem Verlauf einer Währungskrise dargelegt werden. 2 Geringe Devisenreserven und Verlauf einer Währungskrise 2.1 Direkte Wirkung Devisenreserven stellen den Kern der Interventionsmöglichkeiten der Zentralbank im Fall einer Währungskrise dar. Durch den Verkauf von Währungsreserven ist es möglich, fällig werdende Fremdwährungsschulden zu bedienen, Wünschen nach Kapitalexporten von Inländern nachzukommen sowie Devisenmarktspekulationen entgegenzutreten (vgl. Deutsche Bank 1998, S. 415). Je mehr Reserven einer Notenbank zur Verfügung stehen, desto eher ist sie in der Lage, bei Bedarf die herrschende Devisennachfrage zu befriedigen und den Wechselkurs in Krisensituationen zu stabilisieren. Anders ausgedrückt: Je mehr Währungsreserven vorhanden sind, desto höher ist c.p. der Anteil der Fremdwährungsnachfrage, welcher daraus gedeckt werden kann. Damit werden die Devisennachfrage, welche nur noch über den freien Devi80 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.E) senmarkt gedeckt werden kann, und c.p. auch die Währungsabwertung geringer ausfallen (vgl. Calvo/Reinhart 1999, S. 8). De Beaufort Wijnholds/Kapteyn (2001, S. 10) und Schweickert (2000, S. 17ff.) bestätigen empirisch, daß Volkswirtschaften mit hohen Devisenbeständen Währungskrisen in der Vergangenheit glimpflicher überstanden.39 Abbildung 7: Auswirkungen der Devisenreserven auf die Entwicklung des Wechselkurses Notenbank beeinflußt Marktteilnehmer (Devisenreserven) stellt Devisenangebot dar Marktteilnehmer Devisennachfrage Wechselkurs Quelle: Eigene Darstellung Eine interessante und erweiterte Darstellung des Zusammenhangs zwischen den Devisenreserven und dem Ausmaß des Wertverlustes der inländischen Währung findet sich bei Goldfajn/Valdés (1997). Deren Modell dient primär zur Veranschaulichung der Beziehung zwischen einer Bankenkrise und der Wechselkursentwicklung und wird daher in Kapitel III.A ausführlicher beschrieben. Dem Modell zufolge ergibt sich der Wechselkurs nach Freigabe durch die Notenbank in Abhängigkeit von den Kapitalabflüssen40 sowie dem Bestand der Devisenreserven einer Volkswirtschaft und vor allem aus der Freigabegrenze der Devisenreserven. Die Freigabegrenze gleicht dem Betrag an Währungsreserven, den die jeweilige Notenbank maximal bereit ist, für Stützungskäufe der eigenen Währung aufzuwenden. Wird selbige überschritten, gibt die Zentralbank den Wechselkurs frei. Die restlichen Devisenbestände 39 Allerdings findet sich in der Untersuchung von Schweickert (2000) nicht der absolute Bestand an Devisenreserven, sondern selbige werden in Relation zu anderen Größen gesetzt, um eine internationale Vergleichbarkeit zu erreichen. 40 Unter Berücksichtigung einer oft passiven Leistungsbilanz verringert sich auch bei einer ausgeglichenen Kapitalbilanz der Bestand an Devisenreserven. 81 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.E) werden zu dem Wechselkurs verkauft, der die noch übrige Devisennachfrage befriedigt. Formal läßt sich dieser Sachverhalt sehr einfach anhand der nachfolgenden Definitionsgleichung darstellen: D = (F-RX)/(RX-RXlim)*100 D F RX RXlim (II.E.2.1) = Abwertungsrate in % = Devisennachfrage = Gesamtbestand an Währungsreserven = Höchstgrenze, bis zu welcher die Notenbank Währungsreserven verkauft, um den Wechselkurs konstant zu halten Übersteigt die Devisennachfrage (F) den Devisenbestand (RX) um einen bestimmten Betrag, hängt der Anstieg des Wechselkurses in Preisnotierung von der Differenz zwischen dem ursprünglichen Devisenbestand (RX) und der festgelegten Höchstgrenze ab, bis zu der die Notenbank Devisenreserven verkauft, um den Wechselkurs konstant zu halten (RXlim). Anders ausgedrückt: Nicht nur der ursprüngliche Bestand an Währungsreserven ist von Bedeutung, sondern auch der Bestand an Devisenreserven zum Zeitpunkt der Wechselkursfreigabe. Je mehr Reserven eine Zentralbank zum Zeitpunkt der Abwertung noch zur Verfügung hat, desto geringer wird die Abwertung ausfallen. Je eher sie also erkennt, daß eine Währungsabwertung nicht zu vermeiden ist, und je geringer der Anteil der Währungsreserven, welchen sie noch zur Verteidigung des ursprünglichen Wechselkurses einsetzt, desto geringer kann sie die Abwertungsrate der heimischen Währung halten (vgl. Goldfajn/Valdés 1997, S. 11f.). Dazu muß man sich vor Augen halten, daß Notenbanken auch nach Freigabe des Wechselkurses noch am Devisenmarkt intervenieren können. Damit kann bei einer im Regelfall passiven Kapitalbilanz der Anpassungsdruck der Leistungsbilanz zum Ausgleich der Zahlungsbilanz etwas abgemildert und mithin ein noch erheblicherer Wertverlust der Währung vermieden werden. Je mehr Währungsreserven die Zentralbank nach der Freigabe des Wechselkurses noch zur Verfügung hat, desto eher ist sie dazu in der Lage (vgl. Calvo/Reinhart 1999, S. 8). Mit zunehmender Abwertung der Inlandswährung besteht im Gegensatz zum ursprünglichen Umtauschkurs der „Vorteil“, daß für den Kauf einer Einheit inländischen Geldes am Devisenmarkt immer weniger Währungsreserven benötigt werden. Davon unberührt bleiben jedoch Fremdwährungsverbindlichkeiten, da eine Einheit Fremdwährungsverbindlichkeiten auch nach einer Abwertung durch eine Einheit an Devisenreserven bezahlt werden muß. 82 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.E) 2.2 Indirekte Wirkung Die Höhe der Währungsreserven stellt jedoch nicht nur das Devisenangebot dar, auf welches die Notenbank während einer Währungskrise zurückgreifen kann. Darüber hinaus können die verfügbaren Reserven die Fremdwährungsnachfrage beeinflussen. Dieser Zusammenhang ergibt sich folgendermaßen: Ein Großteil der Devisennachfrage resultiert während einer Währungskrise entweder aus der Angst, daß die Forderungen eines Anlegers mangels Devisenreserven nicht mehr bedient werden können, oder aus dem Versuch, aus einer Abwertung der inländischen Währung Kapital zu schlagen (auch in Form vermiedener Währungsverluste). Sind die Währungsreserven sehr umfangreich, besteht für Spekulanten kaum ein Anreiz, gegen die Währung zu spekulieren, da die Wahrscheinlichkeit einer Abwertung gering ist. Auch für Anleger besteht weniger Bedarf, Kapital abzuziehen, da die Gefahr, daß die Forderungen aus Devisenmangel nicht mehr bedient werden können, vergleichsweise klein ist. Darum dürfte die Höhe der Devisennachfrage auch von der Höhe der Währungsreserven abhängig sein (vgl. Kindleberger 2002, S. 204). 3 Devisenreserven und Liquiditätsposition einer Volkswirtschaft 3.1 Devisenreserven als eine Komponente der Liquiditätsposition einer Volkswirtschaft Die Fähigkeit einer Zentralbank, während einer Währungskrise am Devisenmarkt zu intervenieren und Schulden zu bedienen, darf jedoch nicht nur an den verbliebenen Devisenreserven festgemacht werden. Zu berücksichtigen ist ebenfalls die Möglichkeit, sich falls nötig Devisen von „Dritten“ zu beschaffen und damit andere Fremdwährungsschulden und sonstige Devisennachfrage zu befriedigen. Außerdem bestehen teilweise Abkommen unter den Zentralbanken, sich im Fall von Liquiditätsproblemen kurzfristig mit Devisen auszuhelfen (Obstfeld/Rogoff 1995, S. 9). Auch mit diesen Hilfen kann versucht werden, den Nachfrageüberschuß nach Fremdwährung auf dem Devisenmarkt zu verringern, um eine Abwertung einzudämmen. Ferner bleiben internationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds, von denen Liquiditätsspritzen kommen können. Theoretisch wäre es sogar möglich, auf Auslandsaktiva von privaten inländischen Wirtschaftssubjekten zuzugreifen (vgl. BIZ 1988, S. 25). 41 41 Praktisch ist dies jedoch mangels Zugriffsmöglichkeiten oder aus Glaubwürdigkeitsgründen zumindest äußerst zweifelhaft. 83 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.E) 3.2 Weitere Liquiditätskomponenten 3.2.1 Zugang zu Bankkrediten und zum Kapitalmarkt Hier unterscheiden sich Länder sehr stark danach, ob es sich um Industriestaaten oder Schwellenländer handelt. Letztere unterliegen der Gefahr, auf internationaler Ebene zahlungsunfähig werden können, da sie meist Nettoauslandsschuldner sind.42 Entsprechend geringer sind auch die Verfügbarkeit von Bankkrediten und die Plazierungschancen von Anleihen am internationalen Kapitalmarkt. Zwar kann auf verschiedene Arrangements hingewiesen werden, die einige Emerging Market Economies ausgehandelt haben. Beispielsweise ist es Argentinien seit 1996 möglich, im Bedarfsfall bis zu 7,1 Mrd. US-$ von 16 internationalen Banken zu leihen.43 Auch Indonesien konnte während der Asienkrise auf mehrere Bankkredite von jeweils 500 Mio. US-$ zurückgreifen (vgl. BIZ 2000, S. 38f.). Allerdings führt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich an, daß viele Entwicklungs- und Schwellenländer – im Gegensatz zu Industriestaaten – nach der Schuldenkrise zu Beginn der 1980er Jahre generell Probleme haben, Bankkredite zu erhalten (vgl. BIZ 1988, S. 62f.), was im besonderen in neuen Krisensituationen gilt (vgl. Kim et al. 2000, S.37). Ähnliches gilt auch für die Verschuldungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt. Durch die schlechteren Länderratings führender Ratingagenturen können sich Schwellenländer generell nur zu schlechteren Konditionen verschulden (vgl. Cantor/Packer 1996, S. 38). Währungskrisen führen durch Ratingabstufungen häufig dazu, daß die betroffenen Länder – zumindest vorübergehend – überhaupt nicht mehr in der Lage sind, Anleihen am internationalen Kapitalmarkt zu platzieren (siehe Kapitel V.B). Entsprechend können auf diesem Weg keine Devisen für Interventionen oder internationale Zahlungsverpflichtungen generiert werden (vgl. Schnatz 1998a, S. 1). Selbst bei der vergleichsweise glimpflichen Krise 1999 in Brasilien konnte das Land erst etwa drei Monate nach der Freigabe des Wechselkurses wieder eine Anleihe an den Finanzmärkten platzieren (3 Mrd. US-$) (vgl. Franco 2000, S. 75). Die Türkei war hingegen erst etwa 1 Jahr nach Ausbruch der 1994er Währungskrise wieder fähig, sich Mittel (1,5 Mrd. US-$) am internationalen Kapitalmarkt zu beschaffen. Im Gegensatz dazu waren Industriestaaten während deren Finanzkrisen immer in der Lage, sich 42 Bemerkenswerterweise gilt dies nicht für Industriestaaten, welche eine Nettoschuldnerposition ausweisen. 43 Inwieweit diese Mittel dann auch während einer Krisensituation zur Verfügung stehen, ist jedoch äußerst fraglich. 84 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.E) auf internationalem Parkett zu refinanzieren. Auf diese Wiese gelang es beispielsweise Schweden, die Stabilisierung des heimischen Bankensystems durch Aufnahme von Auslandsverschuldung zu finanzieren (vgl. Calvo/Reinhart 2000, S. 25f.). Die eingeschränkte Kreditwürdigkeit und der Verlust des Kapitalmarktzugangs der meisten Emerging Markets zeigen sich auch darin, daß die Leistungsbilanzen in diesen Staaten deutlich höhere Anpassungslasten in kürzerer Zeit zum Zahlungsbilanzausgleich zu tragen haben. Calvo/Reinhart (2000, S. 11f.) führen an, daß die Veränderung des Leistungsbilanzsaldos in Relation zum BIP während Währungskrisen in Schwellenländern fünfmal so hoch ausfiel wie bei Krisen in entwickelten Volkswirtschaften. Um diese Anpassung erreichen zu können, ist i.d.R. jedoch eine höhere Abwertungsrate der Währung oder ein stärkerer Rückgang der Inlandsnachfrage erforderlich (siehe Kapitel II.B). 3.2.2 Kooperationen zwischen den Zentralbanken Eine weitere Möglichkeit, sich im Fall einer Währungskrise zur Begrenzung derselben kurzfristig zu verschulden, sind Abkommen unter den Notenbanken. Bei Bedarf kann sich eine Zentralbank kurzzeitig bei anderen Notenbanken Devisen leihen. Diese Kooperation war bis zur Asienkrise in Emerging Market Economies nur bedingt vorhanden und ist auch heute in diesen Volkswirtschaften noch nicht weit verbreitet. Zwar verfügten auch einige Schwellenländer über derartige Beistandsabkommen, deren Bedeutung war jedoch unerheblich. Ein solches Abkommen war beispielsweise das ASEAN Swap Arrangement. Dieses wurde 1977 zwischen den 5 ASEANMitgliedsstaaten44 eingerichtet. Es sieht vor, daß sich ein Mitgliedsland vorübergehend bis zu 80 Mio. US-$ Devisen bei den anderen Staaten borgen kann. Dieser Betrag war während der Asienkrise 1997/98 allerdings schon an sich viel zu gering, um wirklich von größerem Nutzen im Krisenfall sein zu können. Außerdem war das Abkommen wirkungslos, als alle fünf Staaten von der Asienkrise erfaßt wurden. Es kann daher nicht verwundern, daß von diesem Instrument bei der Asienkrise kein Gebrauch gemacht wurde (vgl. Kim et al. 2000, S. 29f.). Ganz anders in Industrieländern: Seit den 1960er Jahren bestehen zahlreiche SwapAbkommen zwischen vielen Industriestaaten, die einer Zentralbank kurzfristig Zugriff auf Fremdwährungskredite ausländischer Notenbanken ermöglichen (vgl. Kim et al. 44 Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur und Thailand. 85 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.E) 2000, S. 35f.). Eine besonders enge Kooperation unter den Zentralbanken existierte im Europäischen Währungssystem (EWS). Dort wurden zur Verteidigung des Wechselkursbandes sogenannte Kreditfazilitäten eingerichtet. Diese sollten dazu dienen, daß die Zentralbanken, die zur Stabilisierung der eigenen Währung am Devisenmarkt intervenierten, nicht nur über eigene Devisenreserven, sondern auch über zusätzliche Fremdwährungskredite anderer EWS-Notenbanken verfügen konnten. Die Kreditfazilitäten unterteilten sich in mehrere Einzelfazilitäten: Die bedeutendste war die sogenannte „sehr kurzfristige Finanzierung“. Die „sehr kurzfristige Finanzierung“ sollte es Notenbanken ermöglichen, auf Währungen der anderen EWS-Mitgliedsstaaten zurückzugreifen, um die eigene Währung bei Erreichen der Interventionsgrenzen zu stützen. Sie war das zentrale Element, um die beidseitige Interventionsverpflichtung der Zentralbanken zu gewährleisten. Die Verpflichtung der Zentralbanken, über die „sehr kurzfristige Finanzierung“ anderen Notenbanken der EWS-Mitglieder Kredite zur Verfügung zu stellen, galt in unbegrenzter Höhe (vgl. Wilhelmy 1992, S. 22). Diese Kreditfazilität wurde auch während der Krise des EWS 1992/93 erheblich in Anspruch genommen. Allein im September 1992 wurden von der Deutschen Bundesbank 93 Mrd. DM an sehr kurzfristigen Finanzierungskrediten bereitgestellt (vgl. Kim et al. 2000, S. 26ff.). Daneben existierten noch der „kurzfristige Währungsbeistand“ und der „mittelfristige finanzielle Beistand“ (vgl. Kim et al. 200, S. 24ff.). Diese wurden während der Krise des EWS 1992/93 jedoch nur von Italien in größerem Umfang genutzt (8 Mrd. ECU, vgl. o.V. 1993, S. 165). 3.2.3 Internationale Organisationen Für Emerging Markets verbleiben bei Währungskrisen oft nur Internationale Organisationen als Kreditgeber. Hier ist besonders der Internationale Währungsfonds zu nennen. Dieser vergibt Kredite an Volkswirtschaften, die unter akuten Zahlungsbilanzproblemen leiden. Um in den Genuß dieser Kredite zu gelangen, muß ein Land zunächst einmal Mitglied beim Internationalen Währungsfonds sein. Entsprechend seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hat es eine bestimmte Geldsumme (seine Quote) zu hinterlegen, welche die Grundlage für die mögliche Kredithöhe bildet (vgl. 86 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.E) Caspers 2002, S. 169). Ende 1998 betrug diese z.B. für Mexiko 1,8 Mrd. SDR45 (ca. 2,4 Mrd. US-$), für Argentinien und Indonesien 1,5 Mrd. SDR (ca. 2 Mrd. US-$) und für Malaysia 0,8 Mrd. SDR (1,1 Mrd. US-$, vgl. IMF 2001a). Sofern Zahlungsbilanzprobleme auftreten, kann eine Volkswirtschaft bis zu 25% seiner Quote ohne Begründung und ohne Bedingungen als sogenannte Reservetranche erhalten (in besonderen Fällen sind auch Abweichungen möglich). Diese Form stellt keinen eigentlichen Kredit dar. Bei Währungskrisen reichen diese Beträge jedoch i.d.R. nicht aus, um eine deutliche Verbesserung der Situation am Devisenmarkt zu erreichen. Um die verfügbaren Devisenreserven zu erhöhen und eine Verringerung der Anpassungslast der sogenannten „Overall-Balance“46 zu erreichen, können sogenannte Kredittranchen in Anspruch genommen werden (vgl. Caspers 2002, S. 169f.). Diese Kredittranchen werden meistens in Form von sogenannten Stand-byarrangements vereinbart, und die Auszahlung der Kredite ist an die Erfüllung bestimmter Auflagen gebunden (Konditionalität). Die maximale Kreditsumme, die ein Land normalerweise vom Internationalen Währungsfonds erhalten kann, beläuft sich auf 300% seiner Quote. In Ausnahmefällen können auch höhere Kreditsummen bewilligt werden (vgl. Mussa 2002, online, S. 12). So wurden Mexiko 1994/95 fast 700%, Thailand und Indonesien während der Asienkrise ca. 500% und Südkorea fast 2.000% der jeweiligen Quote an Finanzhilfen zugesagt (vgl. BIZ 1998, S. 151). Konkret wurden unter Führung des Internationalen Währungsfonds für Währungskrisen in Emerging Market Economies u.a. die in Tabelle 1 (S. 88) ersichtlichen Kreditlinien gewährt. Entsprechend ist die internationale Liquiditätsposition einer Volkswirtschaft um die bewilligten Mittel aufzustocken. Tendenziell ist davon auszugehen, daß höhere Kreditlinien beim Währungsfonds bzw. Finanzhilfen seitens internationaler Organisationen im Fall einer Währungskrise den Druck auf die inländische Währung verringern. Mit diesen Mitteln lassen sich Auslandsverbindlichkeiten bedienen, und den Finanzmarktteilnehmern wird eine höhere Sicherheit ihrer Anlage signalisiert. Da dann aufgrund des geringeren Risikos von Inlandsanlagen häufig auch die Devisennachfrage zurückgeht, werden die gewährten Kreditlinien oft nicht vollständig ausgeschöpft. Die 45 Sonderziehungsrechte. Die Overall-balance setzt sich im wesentlichen aus der Leistungsbilanz, der Kapitalbilanz und dem Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Positionen zusammen (vgl. IMF 1997b). 46 87 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.E) Problematik von Währungsfondskrediten liegt darin, daß Emerging Markets aufgrund ihrer geringeren Quote Probleme haben, ausreichende Mittel zu erhalten, sofern das 3-fache der Quote nicht überschritten werden soll. Dies galt insbesondere für die ostasiatischen Staaten während der Asienkrise (vgl. IMF 1999). Industriestaaten besitzen durchweg höhere Länderquoten und könnten sich so auch mehr Mittel beim Internationalen Währungsfonds beschaffen. Allerdings waren diese i.d.R. nicht auf Hilfen des Fonds angewiesen, da, wie schon gesagt, durchgehend Finanzierungsmöglichkeiten von anderer Seite bestanden (vgl. Kim et al. 2000, S. 18). Tabelle 1: Kredite internationaler Organisationen während ausgewählter Währungskrisen Land Jahr Summe Argentinien 2001/2002 39,7 Mrd. US-$ Brasilien 1998/1999 41,5 Mrd. US-$ Bulgarien 1996/1997 1,4 Mrd. US-$ Indonesien 1997 40,0 Mrd. US-$ Südkorea 1997 57,0 Mrd. US-$ Mexiko 1994/1995 52,0 Mrd. US-$ Philippinen 1997 1,1 Mrd. US-$ Rußland 1998 22,0 Mrd. US-$ Thailand 1997 20,0 Mrd. US-$ Türkei 2000/2001 19,0 Mrd. US-$ Quelle: In Anlehnung an Calvo/Reinhart 1999, S. 8 und IMF online, 2004a 3.2.4 Terminverkauf von Devisen durch Zentralbanken Bis jetzt wurden Faktoren erläutert, die den Bestand an Währungsreserven im Fall einer Krise ergänzen können. Zu berücksichtigen ist aber auch, daß die ausgewiesenen Devisenreserven nicht zwangsläufig auch zur Befriedung von Devisennachfrage verwendet werden können. So ist es beispielsweise möglich, daß Währungsreserven auf Terminmärkten verkauft werden (z.B. über Forwards oder Swaps). Dadurch werden die ausgewiesenen Reservebestände zwar nicht tangiert, jedoch müssen die Termingeschäfte früher oder später erfüllt werden, und die entsprechenden Reserven stehen somit nicht mehr zu Interventionszwecken bereit. Die offiziellen Reserven Thailands wurden beispielsweise kurz vor Ausbruch der Währungskrise mit 32 Mrd. US-$ angegeben. Zum Eingriff auf dem Devisenmarkt standen der thailändischen Zentralbank zu diesem Zeitpunkt nach Abzug der Terminverbindlichkeiten hin88 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.E) gegen nur 3 Mrd. US-$ zur Verfügung. Ähnliches gilt für Südkorea. Dort wurden im November 1997 Devisenbestände von 24 Mrd. US-$ ausgewiesen. Effektiv verfügbar waren jedoch nur 8 Mrd. US-$, da die Differenz bei ausländischen Niederlassungen südkoreanischer Banken zur Begleichung von deren Fremdwährungsverschuldung hinterlegt waren (vgl. Working Group on Transparency and Accountability 1998, S. 15f.). Übersicht 12: Verfügbare Liquidität einer Volkswirtschaft Offizielle Devisenreserven + Verschuldungsmöglichkeit bei internationalen Banken + Verschuldungsmöglichkeiten am internationalen Kapitalmarkt + Umfang verfügbarer Liquiditätshilfen anderer Notenbanken + Finanzierungsmöglichkeiten bei internationalen Organisationen (v.a. beim Internationalen Währungsfonds) ./. auf Termin verkaufte Devisenbestände = verfügbare Liquidität Quelle: Eigene Darstellung 4 Indikatoren In der Realität ist die Devisennachfrage während einer Währungskrise von Land zu Land verschieden. Entsprechend ist der absolute Bestand an Fremdwährungsreserven nicht sonderlich aussagefähig. Wie schon erwähnt, müssen die Devisenreserven zu anderen Größen ins Verhältnis gesetzt werden, um sie international vergleichbar zu machen. Dazu werden in der Literatur häufig ein inländisches Geldmengenaggregat oder die kurzfristigen Auslandsschulden herangezogen. Beide Relationen wurden schon in den Kapiteln II.C.5.1 und II.D.1.2 erörtert. Zudem wird häufig das Importvolumen verwendet. Im Gegensatz zu den beiden anderen Indikatoren setzt dieser Indikator (die sogenannte Importdeckungsquote) von der Handelsseite her an. Die Importdekkungsquote ist ein klassischer Indikator, um das Risiko des Auftretens einer Währungskrise abschätzen zu können. Sie mißt, in Monaten ausgedrückt, wie lange ein Land in der Lage ist, seine Einfuhren nur aus Devisenreserven zu decken. Je höher die Quote, desto unwahrscheinlicher ist das Auftreten einer Währungskrise (vgl. Evertz 1992, S. 74). Das Ausmaß der Währungsabwertung könnte durch die Importdeckungsquote wie folgt beeinflußt werden: Auch während einer Währungskrise importiert eine Volkswirtschaft noch Güter und Dienstleistungen, die mit Devisen be89 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.E) zahlt werden müssen. Je geringer die Importdeckungsquote, desto höher ist der Anteil an Devisen, die für Einfuhren aufgewendet werden müssen. Folglich stehen diese nicht mehr zur Deckung anderer Arten der Devisennachfrage zur Verfügung und erhöhen so den Druck auf die Inlandswährung. Die Problematik dieses Indikators liegt jedoch neben einer kompletten Vernachlässigung der Exporterlöse darin, daß Importe während einer Währungskrise oft sehr stark rückläufig sind und damit die Quote erhöhen. Die Kapitalbilanz bleibt ebenfalls außen vor. Daher erscheint die Importdeckungsquote als Indikator für das Ausmaß einer Währungskrise ungeeignet und wird auch im weiteren Verlauf der Arbeit nicht weiter berücksichtigt. In der empirischen Analyse müssen die schon in den Kapiteln II.C.5.1 und II.D angesprochenen Indikatoren um die Verschuldungsmöglichkeiten beim IWF bzw. – soweit Daten vorhanden – um Kreditzusagen internationaler Organisationen erweitert werden. Die Verschuldungsmöglichkeiten einzelner Volkswirtschaften bei Banken und am internationalen Kapitalmarkt sind sehr stark vom jeweiligen Länderrating führender Agenturen abhängig, so daß dieses ebenfalls in die Analyse einbezogen werden muß. Auch Daten über den Umfang von Liquiditätshilfen zwischen einzelnen Notenbanken müssen berücksichtigt werden. Gleiches gilt für den Verkauf von Devisenreserven auf Termin. Daten über die schon angesprochene Freigabegrenze der Notenbanken sind öffentlich nicht zugänglich. Außerdem kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, daß jede Zentralbank über eine derartige Grenze verfügt. Approximativ kann diese jedoch über den Bestand an Devisenreserven zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Währungskrise ermittelt werden. 90 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) Übersicht 13: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen geringen Devisenreserven und dem Verlauf einer Währungskrise - - Die Devisenreserven der Notenbank stellen den Hauptanteil der volkswirtschaftlichen Liquiditätsreserve dar. Sind die Devisenreserven relativ gering, hat die Notenbank vergleichsweise wenig Möglichkeiten, einen Wechselkurs mit Devisenverkäufen zu stützen oder fällige Auslandschulden zu bedienen (sofern nicht andere Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen). Geringe Devisenreserven provozieren darüber hinaus eine höhere Fremdwährungsnachfrage, da sich Wirtschaftssubjekte der weiteren Zahlungsfähigkeit der Volkswirtschaft nicht sicher sein können und deswegen Kapital abziehen. Spekulationen am Devisenmarkt sind ebenfalls Tür und Tor geöffnet, da mit einer Gegenwehr der Notenbank zur Aufrechterhaltung des Wechselkurses kaum gerechnet werden muß. II.F Budgetdefizite des Staates 1 Definition und Bedeutung von Budgetdefiziten Der Staat nimmt in Volkswirtschaften verschiedenste investive und konsumtive Funktionen war. Zur Erfüllung dieser Aufgaben verbraucht der Staat Ressourcen, welche er nicht zum „Nulltarif“ bekommt. Um seine Ausgaben tätigen zu können, erhebt der Staat Steuern, Gebühren und finanziert sich durch Seigniorage. Budgetdefizite des Staates entstehen, wenn der Staat als Wirtschaftssubjekt mehr Geld ausgibt, als er einnimmt (vgl. Kharas/Mishra 1999, S. 5). Mit anderen Worten: Der öffentliche Sektor besitzt einen Finanzierungsbedarf in Höhe des vorliegenden Budgetdefizits. Eine genauere Analyse der Ursachen kann hier ähnlich wie in Kapitel II.E unterbleiben. Persistieren hohe Haushaltsdefizite über einen längeren Zeitraum, so kann dies als ein Indiz für Probleme in der heimischen Wirtschaftspolitik gewertet werden (vgl. Evertz 1992, S. 93). Außerdem geben sie einen Anhaltspunkt für mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der Regierung, die Finanzpolitik und insbesondere die Staatsausgaben derart zu gestalten, daß Fehlbeträge der öffentlichen Haushalte nicht in großem Umfang über einen größeren Zeitraum fortbestehen (vgl. Mussa 2002, online, S. 13). Zu berücksichtigen ist jedoch, daß Budgetdefizit nicht gleich Budgetdefizit ist. Der öffentliche Sektor besteht aus verschiedenen Bereichen. Im Zentrum stehen die Zentralregierung und ihre untergeordneten Behörden. Hinzu kommen meist Provinzregierungen sowie deren untergeordnete Behörden. Daneben sind jedoch auch die 91 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) Zentralbank, Staatsunternehmen oder – sofern vorhanden – die staatliche Sozialversicherung zu nennen. Es dürfte unmittelbar einleuchten, daß ein ausgeglichener Haushalt des Zentralstaates für sich genommen erfreulich ist. Jedoch besitzt dieser keine große Aussagekraft für den kompletten öffentlichen Sektor, sofern sich der Zentralstaat auf Kosten der Zentralbank, öffentlicher Unternehmen oder der Sozialversicherung „gesund rechnet“. Vielmehr gilt es, alle Komponenten – soweit möglich – zu erfassen. Hinzu kommt, daß Staatsausgaben nicht gleich Staatsausgaben sind. Wichtig ist hierbei die Unterscheidung, ob die Ausgaben für konsumtive oder investive Zwecke getätigt wurden. Wurden die Schulden primär dazu aufgenommen, staatliche Investitionen zu tätigen, wird die Volkswirtschaft durch den verbundenen Kapazitätsaufbau auf einen höheren Wachstumspfad überführt. Staatliche Investitionen dienen dazu, privaten Unternehmen höhere Gewinne oder Privathaushalten höhere Einkommen zu ermöglichen. Diese werden im Idealfall durch steigende Steuereinnahmen zumindest partiell an den Staat zurückgegeben. Beste Beispiele sind Infrastrukturprojekte. Werden mit Budgetdefiziten konsumtive Ausgaben getätigt (z.B. Bezahlung der Staatsbediensteten), bleibt der geschilderte Kapazitätseffekt aus. Folglich ist auch nicht mit steigenden Einnahmen des Staates in Zukunft zu rechnen (vgl. Sachverständigenrat 2002, S. 210/230). Unter diesem Aspekt ist es durchaus möglich, daß ein geringer Fehlbetrag öffentlicher Haushalte – zu konsumtiven Zwecken – eingesetzt, problematischer sein kann als ein höheres Defizit, bei dem die Staatsausgaben zu einem sehr hohen Bestandteil für Investitionen genutzt wurden. Nichtsdestotrotz ist ein hohes Budgetdefizit unabhängig vom Verwendungszweck auf Dauer nicht tragbar. 92 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) Abbildung 8: Auswirkungen von Budgetdefiziten auf den Wechselkurs B u d g e t d e f i z i t Auswirkungen des Budgetdefizits an sich Auswirkungen des Budgetdefizits in Abhängigkeit von der Finanzierung Steigende Gesamtnachfrage Erhöhung // Verringerung) der Importnachfrage // des Exportangebots Inflation Gefahr der realen Währungsaufwertung Siehe Abb. 10 (S. 96) Belastung der Leistungsbilanz W ä h r u n g s a b w e r t u n g Quelle: Eigene Darstellung 2 Budgetdefizite und Verlauf einer Währungskrise 2.1 Erhöhung der Gesamtnachfrage als direkte Folge von Budgetdefiziten Bei Budgetdefiziten entsteht u.U. das Problem, daß die höheren Staatsausgaben auch die inländische Gesamtnachfrage (Staatsausgaben + private Nachfrage) erhöhen. Voraussetzung dafür ist, daß die steigende öffentliche Nachfrage nicht völlig durch eine sinkende Nachfrage privater Wirtschaftssubjekte kompensiert wird, die sogenannte „Ricardo´sche Äquivalenz“47 also nicht gilt (vgl. Rodriguez 1989, S. 1). In der Literatur finden sich dazu widersprüchliche Angaben. Die Mehrheit hält die Ricardo´sche Äquivalenz jedoch zumindest temporär für unwahrscheinlich (vgl. Ball/Mankiw 1995, S. 97 sowie Rodriguez 1990, S. 1). Der Teil der durch das Budgetdefizit gestiegenen Gesamtnachfrage, welcher für Einfuhren verwendet wird, passiviert direkt die Leistungsbilanz. Daraus ergibt sich ein Abwertungsdruck auf die inländische Währung (siehe Kapitel II.B., vgl. Caspers 2002, S. 219f.). Der Teil der höheren Gesamtnachfrage, mit dem inländische Güter und Dienstleistungen nachgefragt werden, sorgt neben einer evtl. Verringerung der 47 Die Ricardo´sche Äquivalenz unterstellt, daß schuldenfinanzierte Steuersenkungen des Staates nicht zu einer Erhöhung der privaten Nachfrage führen, da die privaten Wirtschaftssubjekte zukünftige Steuererhöhungen zur Finanzierung der entstandenen Staatsschulden antizipieren und lediglich die private Ersparnis erhöhen (vgl. Elmendorf/Mankiw 1998, S. 27). 93 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) Exporte für eine stärkere Auslastung der inländischen Produktionskapazitäten. Sind diese nicht vollkommen elastisch, ist neben einer Ausweitung des realen Volkseinkommens auch ein Anstieg des inländischen Preisniveaus die Folge. Je unelastischer das Angebot in den einzelnen Sektoren der Volkswirtschaft auf die steigende Nachfrage reagiert, desto mehr werden Preissteigerungen auftreten und desto weniger wird sich das reale Volkseinkommen erhöhen (vgl. Lachmann 1997a, S. 244). Ströbele (1994, S. 58f.) weist explizit darauf hin, daß für einen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus im Inland keineswegs in jedem Sektor der Volkswirtschaft die Kapazitätsauslastung hoch und daher die Möglichkeit einer problemlosen Angebotsausweitung gering sein muß. Vielmehr reichen schon sektorale Nachfrageüberhänge, um in diesen Branchen Preiserhöhungen auszulösen. Diese dienen in vielen Fällen als Grund für allgemein höhere Lohnforderungen, die auch unterausgelastete Sektoren aufgrund der gestiegenen Faktorkosten zu Preiserhöhungen zwingen. Der Grund hierfür ist folgender: Der Faktor Arbeit ist inflexibel und kann nicht beliebig zwischen Sektoren wandern. Entsprechend können Arbeiter aus unterausgelasteten Sektoren nicht in überausgelasteten eingesetzt werden. Hinzu kommt, daß Preise und Löhne nach unten rigide sind. Unterstellt man auf lange Sicht die Gültigkeit der Kaufkraftparität, erzeugen höhere Preissteigerungsraten c.p. einen Abwertungsdruck auf die heimische Währung. Diese Wirkung wird c.p. umso stärker zutage treten, je höher das staatliche Budgetdefizit und damit die Gesamtnachfrage ausfällt. Lachmann (1997b S. 248) gibt demgegenüber zu bedenken, daß v.a. in Emerging Market Economies und Entwicklungsländern die Staatsausgaben dazu beitragen, das gesamtwirtschaftliche Güterangebot auszuweiten und damit den Inflationsdruck zu verringern. Daneben ist zu berücksichtigen, daß für die längerfristige Aufrechterhaltung eines Inflationsprozesses eine Alimentierung durch eine expansive Geldpolitik unbedingt erforderlich ist (vgl. Ströbele 1994, S. 48). Graphisch lassen sich die Auswirkungen einer gestiegenen Gesamtnachfrage wie folgt erläutern: 94 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) Abbildung 9: Auswirkungen einer gestiegenen Gesamtnachfrage auf Volkseinkommen und Preisniveau P P2 P1 S1 D2 P0 D1 S0 S2 D0 Y Quelle: In Anlehnung an Ströbele 1994, S. 47 Die Nachfragekurve wird durch D0, die Angebotskurve durch S0 dargestellt. Erhöht der Staat nun seine Ausgaben, verschiebt sich die Nachfragekurve von D0 auf D1. Da das Angebot nicht total elastisch ist, läßt sich die Deckung der zusätzlichen Nachfrage nur durch Importe und/oder steigende Preise erreichen. Die Graphik läßt sich analog auch auf dem Arbeitsmarkt anwenden. Durch die steigenden Staatsausgaben werden verstärkt Arbeitskräfte nachgefragt. Die zusätzliche Nachfrage kann nur um den Preis steigender Reallöhne befriedigt werden, welche wiederum Auswirkungen auf die Kostenstruktur der Unternehmen und damit auf den Gütermarkt haben. Auf dem Gütermarkt verschieben sich sowohl die Angebotskurve von S0 auf S1 als auch die Nachfragekurve auf D2 (beides bedingt durch Lohnsteigerungen). Sofern staatliche Ausgaben dazu dienen, Produktionskapazitäten zu erweitern, drückt sich dies in einer Rechtsverschiebung der S-Kurve von S0 auf S2 aus48 (vgl. Ströbele 1994, S.47f.). Von besonderem Interesse für die Entwicklung des Wechselkurses im Fall einer Währungskrise ist nicht nur die Höhe des Defizits in Relation zur gesamten Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft. Ferner ist auch die Form der Defizitfinanzierung vor der Krise von großer Bedeutung. Dies rührt daher, daß die differenten Finanzierungsformen teilweise über unterschiedliche Wirkungskanäle auf den Wechselkurs einwirken und sich die Wirkungsintensität auf den Wechselkurs im Krisenfall deutlich 48 Zumindest wird jedoch die Verschiebung der Angebotskurve von S0 auf S1 abgeschwächt. 95 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) unterscheiden kann. Prinzipiell hat der Staat neben der Vermeidung von Defiziten durch höhere Einnahmen bzw. geringere Ausgaben drei Möglichkeiten ein bestehendes Defizit zu decken.49 Dies kann durch eine Geldmengenausweitung oder Verschuldung im In- oder Ausland geschehen (vgl. Soydan 2001, S. 5). Abbildung 10: Auswirkungen von Budgetdefiziten auf den Wechselkurs in Abhängigkeit von der Finanzierung Budgetdefizit finanziert durch: Geldmengenausweitung steigende Inflation fallende Realrenditen steigende Verschuldung siehe Abb. 11 (S. 101) Wechselkursabwertung während einer Krise Quelle: Eigene Darstellung 2.2 Auswirkungen von Budgetdefiziten auf den Wechselkurs in Abhängigkeit von der Finanzierung 2.2.1 Defizitfinanzierung durch Geldmengenausweitung 2.2.1.1 Auswirkungen von geldmengenfinanzierten Budgetdefiziten auf den Wechselkurs Die Möglichkeit einer Defizitfinanzierung über eine Geldmengenausweitung seitens der Zentralbank besteht, wie schon erwähnt, vorwiegend dann, wenn die Notenbank von der Regierung nicht unabhängig agieren kann. Praktisch geht dies von statten, indem die Notenbank entweder direkt Kredite an den Staat vergibt oder Staatsanleihen aufkauft. Dadurch erhöht sich jedoch gleichzeitig die umlaufende Geldmenge 49 Von der Möglichkeit einer Defizitverringerung durch höhere Einnahmen bzw. geringere Ausgaben wird hier abgesehen. 96 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) und damit das Angebot auf dem Geldmarkt. Das Geldmarktgleichgewicht ergibt sich wie folgt: M/P = L(Y,i) M/P L Y i ∂L/∂Y > 0, ∂L/∂i < 0 (II.F.2.1) = reales Geldangebot = Geldnachfrage = Volkseinkommen = inländischer Zins Da Volkseinkommen und Preisniveau kurzfristig konstant sind, müßte der Inlandszins fallen, um die Geldnachfrage zu erhöhen und das Geldmarktgleichgewicht wieder herzustellen. Dies könnte jedoch Kapitalabflüsse heraufbeschwören. Um dies zu vermeiden, kann die Notenbank im Krisenfall versuchen, die Zinsen zumindest konstant zu halten. Erhöht sich die Geldnachfrage durch einen Anstieg des Volkseinkommens nicht in gleichem Maße wie die Geldmenge, muß bei konstanten Zinsen das Preisniveau steigen, um den Geldmarkt wieder auszugleichen. Dadurch verschlechtern sich bei konstanten Nominalzinsen die Realrenditen im Inland. Die Folge ist eine Verschlechterung des schon mehrfach erwähnten Rendite/Risiko-Profils einer Volkswirtschaft. Diese Entwicklung dürfte von in- und ausländischen Investoren durch den engen empirisch nachweisbaren Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Inflation antizipiert werden. Darauf werden Investoren mit der Auflösung ihrer inländischen Anlagen reagieren (vgl. Rodriguez 1990, S. 5). Als Ausgleich für die zu erwartenden höheren Preissteigerungsraten könnte die Notenbank die Zinsen anheben. Jedoch wird dies zu einem neuerlichen Rückgang der Geldnachfrage und zu weiteren Preissteigerungen führen, wodurch der Zinsvorteil wieder neutralisiert würde. Je höher das durch eine Geldmengenausweitung finanzierte Budgetdefizit ist, desto höher dürften die Kapitalabflüsse ins Ausland und damit auch die Abwertungsrate des Wechselkurses ausfallen. Längerfristig verursacht die Geldmengenfinanzierung des Haushaltsdefizits – in Anlehnung an die Quantitätstheorie des Geldes – einen Anstieg des Preisniveaus im Inland (vgl. Ströbele 1994, S. 71ff.). Sind die Preissteigerungsraten im Ausland geringer, so entsteht auch über die realwirtschaftliche Seite (Kaufkraftparität) ein Anpassungsdruck auf den Wechselkurs, um eine reale Aufwertung der einheimischen Währung und den damit verbundenen Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit auszugleichen bzw. zu verhindern. Auch hier gilt: Je höher die staatlichen Defizite 97 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) sind, welche über die „Notenpresse“ finanziert werden, desto ausgeprägter werden c.p. die geschilderten Effekte auftreten. Die Finanzierung von Staatsdefiziten durch eine Geldmengenausweitung ist i.d.R. diejenige Variante, die in größerem Umfang erst dann gewählt wird, sofern eine Verschuldung an den Kapitalmärkten nicht mehr möglich ist. Allerdings soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, daß die „Inflationssteuer“ auch gewisse Vorteile bietet. Zum einen spart sie dem Staat administrative Kapazitäten ein, die sonst entweder die Verschuldung am Kapitalmarkt organisieren oder für die Eintreibung anderer Steuerarten sorgen müßten. Zum anderen verringert eine Inflationssteuer das Risiko von politischen Unruhen, weil sie dem Staat nicht direkt angerechnet wird (vgl. Lachmann 1997a, S. 249f.). Trotzdem spielte diese Finanzierungsform auch in vielen Schwellenländern eine immer geringere Rolle (vgl. Mihaljek et al. 2002, S. 18). Bedeutend war diese Art der Defizitfinanzierung in Emerging Markets v.a. in den 1970/80er Jahren. In Argentinien wurden 1983 beispielsweise über 70% der staatlichen Ausgaben durch die „Inflationssteuer“ finanziert (vgl. Lachmann 1997a, S. 249). 2.2.1.2 Modell von Krugman (1979) Das Modell von Krugman (1979) ist v.a. dadurch bekannt geworden, daß es spekulative Attacken auf Fixkurssysteme aufgrund einer geldmengenfinanzierten expansiven Fiskalpolitik erklären konnte. Ferner findet sich bei Krugman (1979) auch eine Modellierung der Auswirkungen von notenbankfinanzierten Budgetdefiziten auf flexible Wechselkurse, welche für die vorliegende Arbeit von größerem Interesse ist. In diesem Modell wird eine kleine offene Volkswirtschaft unterstellt, welche ein handelbares Gut produziert. Preise und Löhne sind vollständig flexibel, wodurch die maximal mögliche Güterproduktion gewährleistet wird.50 Der Preis des Gutes bildet sich auf dem Weltmarkt, wodurch die Kaufkraftparität gilt. Das ausländische Preisniveau wird als gegeben betrachtet und im Modell gleich eins gesetzt. Entsprechend verursacht ein Anstieg des inländischen Preisniveaus eine proportionale Währungsabwertung. Die Handelsbilanz wird im Modell mit der Leistungsbilanz gleichgesetzt und 50 Dies mag für viele Emerging Markets unrealistisch erscheinen, allerdings sind die Angebotselastizitäten kurzfristig oft so gering, daß es trotz Unterbeschäftigung kurzfristig kaum möglich ist, das reale Volkseinkommen deutlich auszudehnen. Selbst wenn es zu einer Ausdehnung der realen Produktion kommt, sind Preissteigerungen wahrscheinlich. 98 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) ergibt sich aus der Differenz zwischen Güterproduktion und -verbrauch. Das reale Geldangebot wird durch das Staatsdefizit determiniert, welches die Zentralbank finanziert. Somit gilt: P = s*P° (II.F.2.2) B = Y-G-C(Y-T, W) ∂C/∂(Y-T) > 0; ∂C/∂W >0 (II.F.2.3) ∆F = B = Y-G-C(Y-T, W) ∂C/∂(Y-T) > 0; ∂C/∂W >0 (II.F.2.4) ∆M/P = G-T (II.F.2.5) P° = P° = 1 (II.F.2.6) P // P° s Y B G C T W M/P F = inländisches // ausländisches Preisniveau = nominaler Wechselkurs ausgedrückt in Preisnotierung = Güterproduktion = Handelsbilanz = Staatsausgaben = privater Konsum = Staatseinnahmen (real) = Privatvermögen inländischer Investoren = realer Wert des gehaltenen inländischen Geldes bzw. inländisches Geldangebot = Fremdwährungsbestände der inländischen Investoren Aus- und inländisches Geld bilden die beiden einzigen Möglichkeiten der Geldanlage. Auf beide werden keine Zinsen gezahlt. Entsprechend besteht für die Notenbank keine Möglichkeit, den Wunsch nach inländischer Geldhaltung durch Zinsveränderung zu beeinflussen. Weiter wird angenommen, daß ausländische Investoren kein inländisches Geld halten und Inländer die Nachfrage nach inländischem Geld proportional zur Veränderung ihres Vermögens (W) adjustieren. Das Privatvermögen inländischer Investoren setzt sich aus dem realen Wert der inländischen Geldmenge (M/P) und den gehaltenen Fremdwährungsbeständen (F) zusammen: W = M/P+F (II.F.2.7) Das Verhältnis von realer inländischer Geldmenge (M/P) und ausländischem Geld (F), das die inländischen Investoren halten möchten (Vermögenszusammensetzung), wird von der Inflationserwartung für das Inland seitens der heimischen Investoren bestimmt. Es gilt also: ((M/P)/F) (π), d((M/P)/F)/dπ < 0 π (II.F.2.8) = Inflationserwartung inländischer Investoren für das Inland 99 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) Daraus folgt, daß mit steigenden Inflationserwartungen der inländischen Investoren selbige gerne im Verhältnis mehr ausländisches Geld halten möchten. Für das Portfoliogleichgewicht ergibt sich: M/P = L(π)*W L ∂L/∂π < 0 (II.F.2.9) = Geldnachfrage nach inländischem Geld wobei gilt: ΔP/P = π (ΔM/P)/F, dπ/d((ΔM/P)/F) > 0 (II.F.2.10) Bei einem flexiblen Wechselkurs handeln weder ausländische Investoren, noch die inländische Zentralbank inländisches gegen ausländisches Geld. Folglich besitzen inländische Investoren als Gruppe nicht die Möglichkeit, ihre Vermögenszusammensetzung zu verändern. Versuchen sie es dennoch, resultiert daraus eine Veränderung des inländischen Preisniveaus und damit des Wechselkurses. Krugman (1979) führt an, daß in diesem Modell Veränderungen des inländischen Preisniveaus und damit auch des Wechselkurses aus drei Gründen möglich sind: - Veränderung der inländischen Geldmenge, - Veränderung der Menge ausländischen Geldes, die Inländer halten möchten, - Veränderung der Inflationserwartungen im Inland. Wie schon erwähnt, hängt die Höhe der Geldmengenausdehnung ausschließlich vom Defizit der öffentlichen Haushalte ab, welches durch die Zentralbank finanziert wird. Ein Budgetdefizit und der damit verbundene Anstieg der inländischen Geldmenge stören das Vermögensgleichgewicht der Inländer. Verstärkt wird dies noch dadurch, daß sich durch ein Budgetdefizit die Handelsbilanz verschlechtert (vgl. Formel II.F.2.3), was zu einer Abnahme bzw. zu einer geringeren Zunahme der Fremdwährungsbestände führt. Um dieses wieder herzustellen, werden sie versuchen, inländisches Geld in Fremdwährung zu transferieren. Folglich wird das Wachstum der Geldnachfrage nach Inlandswährung hinter dem Wachstum der Geldmenge zurückbleiben. Daher müssen das inländische Preisniveau sowie der 100 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) Wechselkurs steigen, um das reale inländische Geldangebot soweit zu reduzieren, daß es wieder der Geldnachfrage gleicht (vgl. Krugman 1979, S. 313ff.). Abbildung 11: Zusammenhang zwischen schuldenfinanzierten Budgetdefiziten und dem Wechselkurs S c h u ld e n fin a n z ie rte B u d g e td e fiz ite U n a b h ä n g ig k e it v o n d e r A rt d e r V e rs c h u ldung E rh ö h u n g d e r B in n e n v e rs c h u ld u n g E rh ö h u n g d e r A u ß e n v e rs c h u ld u n g Z w e ife l a n d e re n la n g fris tig e r D u rc h h a ltb a rk e it (v .a . b e i h o h e n u n d la n g a n h a lte n d e n D e fiz ite n ) E in s c h rä n k u n g d e r H a n d lu n g s fä h ig k e it d e r N o te n b a n k w ä h re n d e in e r W ä h ru n g s k ris e (s ie h e K a p ite l II.C .2 .2 .4 ) S te ig e n d e A u s la n d s v e rs c h u ld u n g u n d G e fa h r e in e r re a le n W ä h ru n g s a u fw e rtu n g (s ie h e K a p ite l II.C .2 u n d II.A ) K a p ita la b flü s s e a u s A n g s t v o r G e ld m e n g e n fin a n z ie ru n g z u k ü n ftig e r B u d g e td e fiz ite W e c h s e lk u rs a b w e rtu n g w ä h re n d e in e r K ris e Quelle: Eigene Darstellung 2.2.2 Defizitfinanzierung durch Außen- und Binnenverschuldung 2.2.2.1 Zweifel an langfristiger Durchhaltbarkeit hoher staatlicher Defizite Neben der Finanzierung durch eine Erhöhung der Geldmenge besitzt der Staat die Möglichkeit, Haushaltsdefizite durch eine Erhöhung der Staatsverschuldung zu bezahlen. Permanent hohe Haushaltsdefizite, egal ob durch Verschuldung am heimischen oder ausländischen Kapitalmarkt finanziert, können Zweifel an der langfristigen Durchhaltbarkeit der Fehlbeträge hervorrufen. Dies kann die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, neues Kapital aufzunehmen, vermindern, oder gar zu immensen Kapitalabflüssen führen. Je höher die Budgetdefizite der öffentlichen Haushalte ausfallen, desto mehr Marktteilnehmer dürften für solche Meinungen empfänglich sein und entsprechend reagieren (vgl. Ball/Mankiw 1995, S. 113). Bei Verschuldung in inländischer Währung besteht für die Kapitalgeber zudem die Gefahr, daß die Regierung zur Finanzierung weiterer Schulden doch zur Notenbankfinanzierung greift und damit über steigende Inflationsraten den realen Wert der schon ausgegebenen Rentenpa101 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) piere reduziert (vgl. Mendoza 2003, online, S. 8). Während einer Währungskrise können v.a. staatliche Garantien für das Bankensystem und wichtige Unternehmen zu einer immensen Belastung für den Staatshaushalt werden, sofern diese Sektoren von der Krise ebenfalls hart getroffen werden. In einigen Ländern Südostasiens erreichten die Problemkredite der Banken während der Asienkrise die Höhe der kompletten Staatseinnahmen des Jahres 1997 (vgl. Burnside et al. 1999, S. 31f.). Burnside et al. (1999, S. 31f.) argumentieren, daß der Zusammenbruch der asiatischen Währungen zum Teil auch auf die Erwartung der Markteilnehmer zurückzuführen war, daß die immensen Restrukturierungskosten partiell durch Geldmengenausweitungen finanziert würden. Beschriebenes gilt im besonderen, wenn den betroffenen Regierungen seitens der Märkte nur wenig Chancen eingeräumt werden, durch politische Maßnamen (Anhebung von Steuern, Verringerung von Ausgaben) mittelfristig eine deutliche Korrektur des Fehlbetrags zu erreichen. Gray (1998, online, S. 1/5f.) verweist darauf, daß für die Nachhaltigkeit eines staatlichen Budgetdefizits, bzw. für die Marktmeinung darüber, die Relationen zwischen Steuereinnahmen und Wirtschaftsleistung sowie Zinsaufwendungen des Staates und allen Staatsausgaben entscheidende Bedeutung haben können. Beide Relationen geben Hinweise zu den wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten des Staates: Je höher die Werte, welche die zwei Kennzahlen ausweisen, desto weniger ist der Staat in der Lage, einen langfristig durchhaltbaren Staatshaushalt zu erreichen. Machen Steuereinnahmen beispielsweise 1% des Bruttoinlandsprodukts aus, so ist eine Verdopplung der Steuereinnahmen eher möglich, als wenn die Steuereinnahmen des Staates sowieso schon 20% der jährlichen Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft betragen. Auf der anderen Seite stellen Zinszahlungen fixe Ausgaben für den Staat dar. Ein hohes Verhältnis derselben zu den gesamten Staatsausgaben bedeutet, daß der Staat bei anderen Ausgaben stärker kürzen muß, um einen nachhaltigen Staatshaushalt erreichen zu können. 2.2.2.2 Finanzierung durch Erhöhung der Binnenverschuldung Die Finanzierung der öffentlichen Defizite über eine Erhöhung der Schulden kann u.a. durch eine Erhöhung der Binnenverschuldung des Staates, sei es durch Kredite oder verbriefte Schulden, erfolgen. Speziell für viele Emerging Market Economies sind die Möglichkeiten der Binnenverschuldung (siehe Kapitel IV.A) aufgrund unter102 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) entwickelter Finanzmärkte recht begrenzt.51 Soweit diese aber möglich ist, läßt sich die Verschuldung in Fremdwährung tendenziell begrenzen und die in Kapitel II.C geschilderte Problematik zumindest einzudämmen. Allerdings kann es durch eine übermäßige Beanspruchung des heimischen Kapital- und Kreditmarktes zu einem Anstieg der Inlandszinsen kommen. Dies wiederum kann die Investitionstätigkeit privater Wirtschaftssubjekte bzw. deren Rentabilität erheblich beeinträchtigen (crowding-out, vgl. Soydan 2001, S. 5). Werden Budgetdefizite durch Inlandsverschuldung finanziert, steigt letztere an. Hat die Inlandsverschuldung (in inländischer Währung denominiert) bereits ein nicht unerhebliches Niveau erreicht, entsteht für die Zentralbank im Fall von Währungskrisen ein Entscheidungsproblem hinsichtlich der inländischen Zinsen. Erhöht die Zentralbank die Zinsen, steigt die Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte oft drastisch an, wodurch die Gefahr eines Zahlungsausfalls wahrscheinlicher wird. Beläßt die Zentralbank die Zinsen dagegen auf niedrigem Niveau, riskiert sie, die Kapitalabflüsse und Spekulationen gegen die inländische Währung nicht unter Kontrolle bringen zu können (vgl. Kapitel II.C.4.4 sowie V.C.1). 2.2.2.3 Finanzierung durch Erhöhung der Auslandsverschuldung Die letzte Form der Defizitfinanzierung besteht in einer Erhöhung der Auslandsverschuldung durch Kreditaufnahme bei Auslandsbanken oder Emission von Auslandsanleihen (vgl. Rodriguez 1989, S. 4). Der Vorteil gegenüber der Finanzierung am heimischen Kapitalmarkt liegt in der Vermeidung der Gefahr eines Zinsanstieges im Inland. Eine Verdrängung privater Investitionen wird so umgangen (vgl. BIZ 2000, S.18). Allerdings ist bei der Verschuldung auf Auslandsmärkten zu berücksichtigen, daß diese besonders für Emerging Markets fast nur in Fremdwährung möglich ist. Die daraus resultierenden Probleme wurden bereits in Kapitel II.C.4 dargelegt. Durch den Kapitalzufluß aus dem Ausland besteht ferner das Risiko, daß die inländische Währung real aufwertet (siehe auch Kapitel II.A.3), was sich mittelfristig negativ in der Leistungsbilanz der betroffenen Volkswirtschaft (siehe Kapitel II.B) niederschlagen dürfte (vgl. Schnatz 1998, S .77f.). Dies gilt umso mehr, je größer das Budgetdefizit ist, welches durch einen Anstieg der Auslandsverschuldung finanziert wird. 51 Selbst wenn die Rentenmärkte einigermaßen entwickelt sind, ist es aufgrund etwaiger hohen Inflationsraten oder anderer makroökonomischen Instabilitäten möglich, daß nur an den Wechselkurs oder die Inflationsrate gebundene Bonds begeben werden können, wodurch das Wechselkursrisiko seitens des Schuldners bestehen bleibt. 103 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) 3 Die Problematik der „Hidden Deficits“ Nach der Mexiko-Krise 1994/95 und besonders nach der Asienkrise 1997 wurden Zweifel an der Verbindung von hohen Budgetdefiziten und Währungskrisen laut. In beiden Fällen herrschten entweder staatliche Budgetüberschüsse oder nur moderate Defizite vor (vgl. Kharas/Mishra 1999, S. 1). So würde sich schlußfolgern lassen, daß die Vermeidung von hohen Haushaltsdefiziten lediglich eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung zur Prävention von Währungskrisen und hohen Abwertungsraten darstellt. Easterly (1998, S. 2/7) verweist jedoch darauf, daß in vielen Volkswirtschaften die ausgewiesenen Budgetdefizite nicht die tatsächliche Haushaltssituation widerspiegeln. Beispielsweise wurden Eventualverbindlichkeiten, die nur im Fall einer Finanzkrise sichtbar werden (Bail-out-Kosten von insolventen Banken und Großunternehmen mit ex- oder impliziten staatlichen Garantien) nicht als solche erfaßt (vgl. Daniel et al. 1997, S. 3). Auch Notenbankverluste aus der Sterilisierung von Kapitalzuflüssen wurden häufig nicht in den Staatshaushalt eingerechnet, sondern unter „Kapitalbilanzausgaben“ kategorisiert, die jedoch nicht als Staatsausgaben verbucht wurden (vgl. Kharas/Mishra 1999, S. 6). Daniel et al. (1997) bemühen sich, die oben aufgeführten Mängel zumindest teilweise explizit zu erfassen. Sie versuchen, die verstecken Belastungen aus einer Restrukturierung des Finanzsektors zu quantifizieren. Diese werden zu den normalen Staatsausgaben zum „erweiterten Budgetsaldo“ des Staates hinzu addiert. Darunter fallen z.B. neue Kredite an angeschlagene Banken oder Schuldenübernahmen durch den Staat. Kharas/Mishra (1999) versuchen in einem breiteren Ansatz, der alle Aufwendungen des Staates (auch die der Zentralbank und der öffentlichen Unternehmen) erfaßt, das „wahre Budgetdefizit“ zumindest annähernd anhand verschiedener Kennzahlen zu ermitteln. Dazu wird zunächst der komplette Bestand an in- und ausländischer Verschuldung des öffentlichen Sektors ermittelt (Staat, Zentralbank und öffentlichen Unternehmen). Das „wahre Defizit“ der öffentlichen Haushalte in einer Periode ergibt sich nach dieser Berechnungsmethode aus der Veränderung des öffentlichen Schuldenstandes und der Veränderung der inländischen Geldbasis in der betrachteten Periode. Die Untersuchung kann nachweisen, daß besonders in den ostasiati- 104 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) schen Staaten eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem offiziell ausgewiesenen und dem „tatsächlichen“ Budgetsaldo vorlag (vgl. Kharas/Mishra 1999, S. 6f.). 4 Indikatoren Als Indikatoren für den empirischen Teil soll das „normale“ Budgetdefizit in Relation zur Wirtschaftsleistung Verwendung finden, um der Bedeutung des eigentlichen Staatsdefizits Rechnung zu tragen. Da aufgrund von in Kapitel II.F.3 erwähnten Gründen die Veränderung der Gesamtverschuldung des Staates (inländische und ausländische) nicht dem Defizit der öffentlichen Haushalte gleichen muß, wird auch die Veränderung dieser Verschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt herangezogen. Parallel dazu sind beide Zählergrößen jeweils um die staatlichen Investitionen zu korrigieren. Da die Finanzierung der Haushaltsdefizite durch die Notenbank besondere Probleme für die Volkswirtschaft aufwirft, wird der Finanzierungsbeitrag der Zentralbank in Relation zur inländischen Wirtschaftsleistung ebenfalls erfaßt. Um die Handlungsfreiheit des Staates zu erfassen, wird zudem auf das Verhältnis zwischen Steuereinnahmen und Bruttoinlandsprodukt sowie auf den Anteil der Zinsaufwendungen des Staates an den gesamten Staatsausgaben zurückgegriffen. Von einer empirischen Untersuchung der „Hidden Deficits“ in Anlehnung an Kharas/Mishra (1999) soll aufgrund von Überschneidungen mit Kapitel II.D und III.A an dieser Stelle abgesehen werden. Bis jetzt wurden primär makroökonomische Gesichtspunkte erläutert, welche eine Währungskrise in ihrem Fortgang beeinflussen können. In Kapitel III soll der Fokus nun auf der Situation des Banken- und des Unternehmenssektors liegen. Zu untersuchen ist, inwieweit es diesbezüglich Unterschiede in Emerging Market Economies und Industriestaaten gibt und inwieweit die Stabilität bzw. Instabilität des Finanz- und des Unternehmenssektors den Verlauf einer Währungskrise beeinflussen kann. 105 II Makroökonomische Ungleichgewichte (II.F) Übersicht 14: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Budgetdefiziten des Staates und dem Verlauf einer Währungskrise - - - - Budgetdefizite wirken sich negativ auf die Leistungsbilanz einer Volkswirtschaft aus. Dies geschieht entweder direkt, indem der Staat seine erhöhte Nachfrage entweder aus Importen oder aus Gütern, welche sonst exportiert werden könnten, befriedigt. Oder es passiert indirekt, wobei durch die staatlichen Mehrausgaben die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit auch das Preisniveau steigt. Das gestiegene Preisniveau bewirkt eine reale Aufwertung und so ein Leistungsbilanzdefizit. Leistungsbilanzdefizite stellen wie erwähnt einen Nachfrageüberschuß nach Fremdwährung dar, wodurch ein Abwertungsdruck auf die inländische Währung entsteht (vgl. Kapitel II.B). Werden Budgetdefizite über Geldmengenausweitungen finanziert, resultiert daraus u.U. eine Reduktion der inländischen Zinsen, was unmittelbar Kapitalabflüsse zur Folge haben kann. Wahrscheinlicher werden Kapitalabflüsse noch durch die mittelfristig zu erwartenden höheren Preissteigerungsraten, welche den realen Wert von Inlandsanlagen mindern. Übermäßige Defizitfinanzierungen über eine Erhöhung der Verschuldung können Zweifel an der langfristigen Zahlungsfähigkeit einer Volkswirtschaft hervorrufen, was Kapitalabflüsse ebenfalls begünstigt. Eine dauerhafte Finanzierung hoher Budgetdefizite über eine steigende Binnenverschuldung schränkt evtl. die Handlungsfähigkeit der Notenbank, die Zinspolitik betreffend, während einer Krise ein. Die Finanzierung über eine Erhöhung der Auslandsschulden steigert die Wahrscheinlichkeit einer realen Währungsaufwertung, die zu steigenden Leistungsbilanzdefiziten und steigendem Abwertungsdruck auf die Inlandswährung führt. Je höher die Budgetdefizite sind, desto höher wird c.p. das Ausmaß der Währungsabwertung ausfallen. 106 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor III.A Mangelnde Stabilität des Finanzsektors und Verlauf einer Währungskrise 1 Die Bedeutung der Finanzintermediäre für den Entwicklungsprozeß Die Tätigkeit von Finanzintermediären52 wird mit steigendem Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft immer wichtiger. Befindet sich eine Volkswirtschaft noch auf einem sehr niedrigen Entwicklungsstand, wird die Person des Sparers oft gleichzeitig auch Investor sein. Investiert werden vorwiegend sehr kleine Beträge zur Erzeugung von einfachen Geräten oder zum Eigenbau von einfachen Häusern. Mit höherem Entwicklungsniveau findet zunehmend eine personelle Trennung zwischen Sparer und Investor statt. Das inländische Sparvolumen ist primär abhängig von der Höhe der Inflationsrate, von der Einkommenshöhe und vom Entwicklungsstand der finanziellen Infrastruktur (vgl. Hemmer 1988, S. 172). Der Wunsch zu investieren rührt von unternehmerischem Talent, technischem Wissen, Renditeerwartungen und Risikobereitschaft her (vgl. Lachmann 1997, S. 119). Der Zins stellt gemäß keynesianischer Argumentation nicht den gemeinsamen zentralen Bestimmungsgrund für Investition und Sparen dar. Um Sparern eine Verzinsung ihres Kapitals und Investoren Zugang zu fremden Kapital zu ermöglichen, müssen beide Seiten zusammengebracht werden. Dies kann einmal auf direktem Weg geschehen. Hierbei transferiert die sparende Wirtschaftseinheit die Ersparnisse direkt ohne Zwischenschaltung einer weiteren Stelle zur investierenden Wirtschaftseinheit. Problematisch ist dieser Weg aber aufgrund der hohen Suchkosten. Es dürfte sich für einen Investor als sehr aufwendig herausstellen, einen Sparer zu finden, der genau die benötigte Geldsumme für die benötigte Zeit und zu annehmbaren Konditionen zur Verfügung stellen möchte bzw. kann (vgl. Hemmer 1988, S. 172). Der andere Weg führt über die Zwischenschaltung einer Schnittstelle zwischen Kapitalanbieter und Kapitalnachfrager. Hier setzt die hauptsächliche Tätigkeit der Finanzintermediäre an, und insbesondere diejenige der Banken, deren Funktionen im 52 Unter Finanzintermediären werden in Anlehnung an Hartmann-Wendels et al. (2000, S. 3) all diejenigen Institutionen verstanden, die Kapital von Kapitalgebern entgegen nehmen und an Kapitalnehmer weitergeben (z.B. inländisches Bankensystem, Versicherungen). Darüber hinaus können darunter Institutionen verstanden werden, die den Handel zwischen Kapitalgebern und Kapitalnehmern erleichtern (Börsen, Ratingagenturen usw.). 107 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Verlauf dieser Arbeit noch ausführlicher erläutert werden. Finanzintermediäre haben sich in irgendeiner Form darauf spezialisiert, Investoren und Sparer zusammenzubringen. Diese Spezialisierung ist mit erheblichen Effizienzvorteilen für die Volkswirtschaft verbunden. So nehmen Banken beispielsweise Einlagen von Sparern in Form von Sicht-, Spar- und Termineinlagen entgegen, die sie an potentielle Investoren weiterverleihen. Die Suchkosten für Sparer und Investor verringern sich. Außerdem verweist Hemmer (1998, S. 173f.) darauf, daß sich durch den Ausbau der Finanzintermediation vorhandene Ersparnisse nicht nur effizienter nutzen, sondern auch erweitern lassen. Grund hierfür ist die Kombination von positiver Realrendite und kurzfristiger Verfügbarkeit. So werden zusätzliche Investitionen ermöglicht. Wie schon ausgeführt, nimmt der Finanzsektor ob seiner spezifischen Funktionen eine Sonderrolle in einer Volkswirtschaft ein. Demzufolge kann es kaum überraschen, daß eventuelle Störungen innerhalb dieses Sektors erheblichere Auswirkungen auf die Volkswirtschaft haben als Störungen in anderen Sektoren. Treten Krisen im Finanzsektor auf, so ist deren Behebung für die Volkswirtschaft i.d.R. sehr kostspielig. Goldstein/Turner (1996, S. 5) geben an, daß sich die Kosten der U.S. Savings & Loan Bankenkrise auf etwa 3% des gesamten amerikanischen Bruttoinlandsprodukts und die Kosten der Bankenkrise in den skandinavischen Staaten (Norwegen 1987-89, Schweden 1991, Finnland 1991-93) auf 4%-8% des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts belaufen haben. Die Krise des mexikanischen Bankensystems soll Gesamtkosten von 12%-15% des inländischen Bruttoinlandsprodukts verursacht haben. In Bulgarien werden die Kosten der Bankenkrise 1996/97 sogar mit 42% des BIP beziffert (vgl. Berlemann et al. 2002, S. 39). Es handelt sich unzweifelhaft um astronomische Summen. Die Kosten in Emerging Markets scheinen insgesamt – zumindest in Relation zur Wirtschaftsleistung – höher auszufallen (vgl. Goldstein/Turner 1996, S. 6). Nachfolgend soll daher untersucht werden, welche Faktoren für das Auftreten bzw. das Ausmaß einer Bankenkrise von Bedeutung sein können. Außerdem muß die enge Verbindung zwischen Währungs- und Bankenkrisen Anlaß sein, über die Konsequenzen einer Bankenkrise für das Ausmaß simultan auftretender Währungskrisen nachzudenken. Nachfolgend sollen die Funktionen des Finanzsektors – und insbesondere des Bankensektors – in einer Volkswirtschaft beschrieben werden. Daran schließt sich eine 108 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Darstellung von Problemen im Umfeld der Banken an, denen sich Banken besonders in Emerging Markets gegenüber sehen. Im vierten Teil dieses Kapitels sollen Faktoren beschrieben werden, die als Indikatoren für existierende oder potentielle Bankenkrisen dienen können. Im fünften Teil sollen die Folgen und die Übertragungskanäle von Bankenkrisen im Hinblick auf Währungskrisen dargestellt werden. Der letzte Teil bildet eine Zusammenfassung der Indikatoren, welche später in der empirischen Analyse untersucht werden sollten. 2 Aufgaben der Banken 2.1 Risikotransformation Mittels der Risikotransformation schafft das Kreditinstitut einen Risikoausgleich zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer. Die kapitalgebende Seite hat Interesse an sicheren Anlagen, d.h. an einem Investment mit nur geringem bis gar keinem Risiko (Sparbrief etc.). Die Kapitalnehmer können im Gegenzug nur risikobehaftete Investitionen bieten, deren Erträge und damit die Rückzahlungen der Kredite unsicher sind. Bestünde keine Finanzintermediation, so ist bedingt durch die Suchkosten nicht davon auszugehen, daß ein Sparer seine überschüssige Liquidität deutlich mehr als einem Investor zur Verfügung stellen kann. Dadurch unterliegt der Kapitalgeber dem Insolvenzrisiko seines einzigen Kreditnehmers. Der Kapitalgeber wird sein Geld nur dann zur Verfügung stellen, wenn die Wahrscheinlichkeit der Insolvenz seines Kapitalnehmers einen bestimmten Wert nicht übersteigt. Besonders kleinere und mittelständige Betriebe sowie junge Unternehmen, deren Finanzkraft oft nicht besonders hoch ist, würden unter diesen Umständen kaum in den Genuß externen Kapitals kommen (vgl. Becker 1992, S. 19). Das Kreditinstitut schafft es durch Risikotransformation beiden Seiten gerecht zu werden. Durch die Bündelung vieler Einlagen und das Verteilen auf mehrere Investitionsprojekte kann das Risiko für den Anleger stark reduziert werden. Durch die Zwischenschaltung des Haftungsvermögens der Bank und anderer Institutionen kann dem Anleger, sofern er es wünscht, eine risikolose Anlage geboten werden. Dem Kreditnehmer kann hingegen das nötige Investitionskapital zur Verfügung gestellt werden. Fällt der Kreditnehmer aus, so wird der Anleger aus dem Haftungsvermögen der Bank bedient. Eine Anlage unabhängig vom Risiko des Kreditnehmers wird somit möglich. Die Bank ihrerseits erhält für die Übernahme dieses Risikos einen finanziellen Ausgleich (vgl. Hartmann-Wendels 2000, S. 17). 109 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Gegenüber ihren Kreditnehmern haben Banken die Möglichkeit, durch aufwendige Kreditprüfungen das Kreditausfallrisiko deutlich geringer zu halten, als es einzelnen Anlegern möglich wäre. Außerdem besteht für Banken die Möglichkeit die Kreditrisiken zu diversifizieren. Diese Maßnahmen tragen zur Verringerung des Risikos geballter Kreditausfälle bei (vgl. Büschgen 1993, S. 19). Zwar unterliegt nach wie vor jedes einzelne Investitionsprojekt seinen individuellen Risiken, jedoch ist die Ausfallwahrscheinlichkeit aller von einem Kreditgeber unterstützten Investitionsprojekte deutlich geringer als die eines Investitionsprojektes. Dies beruht auf der Tatsache, daß die Entwicklungen der einzelnen Projekte untereinander i.d.R. keinen Korrelationskoeffizienten von +1 (vollständige Abhängigkeit) aufweisen. Mathematisch läßt sich das Kreditrisiko des Portfolios, aber auch das Risiko des Kapitalabzuges durch die Einleger gemäß der Portfoliotheorie für ein zwei Einlagen- bzw. zwei KreditePortfolio wie folgt darstellen: Sp² = x1²*S1²+x2²*S2²+2*x1*x2*S1*S2*k1/2 (III.A.2.1) Sp² = Portfoliovarianz x1 = Anteil des Kredites/der Einlage 1 an den gesamten Krediten/Einlagen = Anteil des Kredites/der Einlage 2 an den gesamten Krediten/Einlagen x2 = Varianz des Kredites/der Einlage 1 S1² S2² = Varianz des Kredites/der Einlage 2 = Korrelationskoeffizient zwischen den beiden Krediterträgen bzw. dem Ausmaß der Einlagenabzüge k1/2 (vgl. Steiner/Bruns 2000, S. 10) Nach dem Gesetz der großen Zahl werden die meisten Projekte gut und einige schlecht verlaufen bzw. fehlschlagen. Daraus bildet sich eine Durchschnittsrendite mit relativ geringer Schwankungsbreite. Mit anderen Worten: Der Anleger erhält eine Rendite, die sich als Durchschnitt aus vielen Investitionsprojekten ergibt und im Normalfall keine starken Schwankungen aufweist (vgl. Steiner/Bruns 2000, S. 6ff.). Dadurch wird die Sparbereitschaft der Kapitalgeber gestärkt. Der zu erbringende Eigenkapitalanteil seitens des Kreditnehmers wird reduziert (vgl. Schwiete 1997, S. 53ff.). 2.2 Fristentransformation Fristentransformation bedeutet die Schaffung eines Ausgleichs zwischen unterschiedlichen Fristenstrukturen der Ersparnisse und der Kreditnachfrage (vgl. Becker 1992, S. 18). Sparer sind in der Regel an einer hohen Rendite, einem geringen Risiko und einer schnellen Verfügbarkeit der Ersparnisse interessiert. Beachtet man v.a. den letzten Punkt, so resultiert daraus, daß Anleger vorwiegend an kurzfristigen An110 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) lagen wie Sichteinlagen und kurzfristigen Termineinlagen interessiert sind. Grund ist die Ungewißheit über zukünftige Ereignisse, die kurzfristig einen zusätzlichen Liquiditätsbedarf für den Anleger mit sich bringen können. Dem gegenüber stehen Investoren, deren Finanzierungsbedarf für langfristige Objekte z.B. Immobilien oder Maschinen im Normalfall langfristig ist, d.h. daß das Finanzkapital über einen längeren Horizont zur Verfügung stehen muß. Der Grund ist, daß langlebige und oft kostenintensive Investitionsgüter die Erträge zur Entschädigung des Gläubigers oft nur über einen längeren Zeitraum erbringen können. Darüber hinaus ist es oft erforderlich, daß sich die Konditionen entweder nicht oder nur geringfügig verändern, um eine sichere Kostenplanung seitens des Investors durchführen zu können (vgl. HartmannWendels et al. 2000, S. 6). Ohne Zwischenschaltung eines Finanzintermediärs müßte ein Unternehmen seine Investitionen grundsätzlich kurzfristig und durch wenige (im Extremfall nur einen) Sparer finanzieren. Sollte ein Sparer seine Ersparnisse aufgrund eines höheren Liquiditätsbedarfs kurzfristig abziehen müssen, müßte das Unternehmen seine Investition abbrechen. Dies ist jedoch oft nur mit großen Verlusten möglich und kann das Unternehmen sogar in seiner Existenz gefährden. Um eine derartige Konstellation zu vermeiden, werden die Unternehmen einen Teil des Sparkapitals in Reserve halten. Diese Reserven können im Fall eines Kapitalabzuges anstelle der Investition aufgelöst werden. Die Liquiditätsreserve kann jedoch keiner produktiven Verwendung zugeführt werden. Es entstehen Opportunitätskosten (vgl. Schwiete 1997, S. 49f.). Um nun die Interessen beider Seiten – Sparer und Investor – zu berücksichtigen, bedarf es eines Finanzmarktes oder der Zwischenschaltung eines Finanzintermediärs. Die Fristentransformation seitens des Finanzmarktes kann über den Aktienoder den Rentenmarkt erfolgen. Am Aktienmarkt erhält der Investor gegen Ausgabe von Aktien unbefristet Eigenkapital. Der Sparer erwirbt die Aktien und kann sie bei plötzlich auftretendem eigenen Geldbedarf am Sekundärmarkt normalerweise relativ einfach weiterveräußern. Ähnliches gilt für den Rentenmarkt, nur daß dort kein Eigenkapital unbefristet, sondern Fremdkapital (teilweise relativ langfristig) aufgenommen werden kann. Die Baufinanzierung privater Haushalte läßt sich so jedoch nicht bewerkstelligen. Und auch die Unternehmensfinanzierung mittels Aktien oder Anleihen kann vorwiegend nur für größere Unternehmen und/oder Aktiengesellschaften in 111 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Frage kommen. Kleinere Unternehmen und Haushalte sind vorwiegend auf die Finanzierung über ihre Hausbank angewiesen. Noch problematischer ist die Situation in Entwicklungs- und Schwellenländern. Nach einer Untersuchung von Fry et al. (1996, S. 70 ff.) sind vor allem die Rentenmärkte, aber auch die Aktienmärkte oft noch nicht vollständig entwickelt und erfüllen damit die Fristentransformation nur unzureichend.53 Daher bleibt oft nur die Zwischenschaltung einer Bank, um einen Ausgleich zwischen Sparer und Investor zu erreichen. Banken nehmen kurzfristige Einlagen seitens der Anleger an und vergeben langfristige Kredite an Unternehmen, Haushalte und den Staat (vgl. Büschgen 1993, S. 19). Damit verstoßen Banken jedoch gegen das Prinzip der Fristenkongruenz. Die Möglichkeit des Abweichens von der Fristenkongruenz ergibt sich aus einer Diskrepanz zwischen der rechtlichen Einordnung von Einlagen und der tatsächlichen Verfügbarkeit der Mittel. So wird beispielsweise ein Gehaltseingang in den seltensten Fällen sofort vollständig vom Girokonto abgehoben, obwohl diese Einlage rechtlich eine kurzfristige ist (vgl. Becker 1992, S. 18). Diese Beobachtungen sind auf die vielen Kunden, welche ein Kreditinstitut betreut, zu projizieren. Die breite Diversifikation sorgt dafür, daß die Banken durch ein weit gestreutes Einlagengeschäft das Risiko eines plötzlichen Kapitalabzuges für ihre Kreditnehmer deutlich mindern können. Jenes ergibt sich daraus, daß ein erhöhter Liquiditätsbedarf in der Regel nicht bei allen Einlegern gleichzeitig auftritt.54 Es wird zu jedem Zeitpunkt Kapitalgeber geben, deren eigener Liquiditätsbedarf eher hoch ist und Kapitalgeber, deren Liquiditätsbedarf relativ gering ist. Die Gesamtanlagesumme, die für langfristige Ausleihungen zur Verfügung steht bleibt, relativ konstant (Bodensatztheorie, vgl. Hartmann-Wendels et al. 2000, S. 335 f.). Die Fristentransformation ist für eine Bank in der Regel problemlos möglich. Probleme können sich jedoch unter folgenden Gesichtspunkten ergeben: 1. Die Gesamtwirtschaft unterliegt einem Schrumpfungsprozeß. In diesem Fall wird die Gesamthöhe der Einlagen zurückgehen und damit die Gefahr einer Illiquidität bedingt durch Fristentransformation auftreten. 53 Näheres dazu wird in Kapitel IV.A noch darzulegen sein. Mathematisch gilt analog ebenfalls Gleichung (III.A.2.1). 54 112 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) 2. Es liegt eine inverse Zinsstruktur vor (z.B. bei sehr restriktiver Geldpolitik). Im Normalfall sind kurzfristige Zinsen gemäß der Liquiditätspräferenz niedriger als die langfristigen. Bei einer inversen Zinsstruktur ist es umgekehrt. Die Banken müssen nun auf die Einlagen mehr Zinsen zahlen, als sie von ihren Kreditkunden Zinszahlungen erhalten. Für die Bank entsteht ein Verlust (vgl. Becker 1992, S. 18f.). 3. Es herrschen Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Bank. In diesem Fall gilt die oben dargestellte Bodensatztheorie nicht mehr. Es kommt zu einem Bank-Run und dadurch zur Abrufung sämtlicher kurzfristiger Einlagen. Die langfristigen Kredite können in diesem Fall entweder nicht, oder nur unter großen Verlusten kurzfristig in Liquidität umgewandelt werden (vgl. Hartmann-Wendels et al. 2000, S. 336). Abbildung 12: Transformationsfunktionen der Banken Ohne Banken: Jeder Sparer investiert in ein Projekt Jeder Unternehmer wird nur von einem Sparer finanziert oder hat große Mühen, mehrere Investoren zu finden Sparer 1 Sparer 2 Unternehmer 1 kurzfristige Mittel Unternehmer 2 Sparer n langfristige Investitionen Unternehmer n Probleme: • Refinanzierung der Investitionen durch Unternehmer • Hohe Ausfallwahrscheinlichkeit des vollständigen Kreditengagements • Sparer bieten in Relation zum benötigten Kredit oft nur geringe Kreditbeträge Mit Banken: Bank sammelt Ersparnisse und verteilt diese auf mehrere Investitionen Sparer 1 Sparer 2 Unternehmer 1 kurzfristige Mittel Bank Sparer n Unternehmer 2 langfristige Investitionen Unternehmer n Bank sammelt Investitionserträge und verteilt diese auf die Sparer Quelle: Eigene Darstellung 2.3 Losgrößentransformation Losgrößentransformation bedeutet eine quantitative Anpassung der Einlagebeträge an die Erfordernisse der Kreditbeträge. In der Regel liegen die Durchschnittsbeträge im Passivgeschäft deutlich niedriger als im Aktivgeschäft. Durch Losgrößentransformation werden viele kleine Einlagenbeträge gebündelt und in einem großen Kreditbetrag an Investoren vergeben. Auf der anderen Seite können große Sparbeträge 113 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) auf einzelne kleine Investitionsprojekte, vorwiegend für „Haushaltsinvestitionen”, aufgesplittet werden (vgl. Becker 1992, S. 18). Die Gefahr aus der Losgrößentransformation ist ein eventuelles Entstehen von Großkrediten, die das wirtschaftliche Überleben des Kreditinstitutes gefährden können, sofern ein Großkreditnehmer in Zahlungsschwierigkeiten gerät (vgl. Büschgen 1993, S. 20). 2.4 Verringerung der Informationsasymmetrie, Modell von Diamond (1984) Schwiete (1997, S. 89) sieht die Reduktion der Informationsasymmetrie zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber als eine weitere Funktion von Finanzintermediären. Informationsasymmetrie kann analog zum Principal-Agent-Problem infolge mangelnder Kontrollmöglichkeiten für eine Vertragsseite entstehen. Der Kreditnehmer könnte beispielsweise den Investitionsertrag zu gering ausweisen, um eine geringere Rückzahlung leisten zu müssen. Er könnte den zu erwartenden Investitionsertrag jedoch auch zu hoch ansetzen, um den eigenen Konkurs zu verzögern. Im ersten Fall würde der Gläubiger um einen Teil seines Zinsanspruches gebracht, im zweiten Fall wäre das Geld des Schuldners komplett verloren. Durch die Zwischenschaltung einer Bank könnte hier zumindest teilweise Abhilfe geschaffen werden. Schwiete (1997, S. 126ff.) führt an, daß v.a. in bankorientierten Finanzsystemen langfristige Beziehungen zu den Investoren zu einer Reduktion der Informationsasymmetrie bei der Kreditvergabe führen (Einblick in die Fähigkeiten des Managements, Investitionen richtig zu beurteilen; Gespür für Zahlungsgewohnheiten etc.). Außerdem ist davon auszugehen, daß infolge Spezialisierung bei einer Bank für die Informationsgewinnung weniger Kosten anfallen (bei gleichen Informationsmöglichkeiten) als für die Informationsbeschaffung durch jeden einzelnen Gläubiger (vgl. Baltensperger 1996, S. 273). Konkret soll die Funktion der Bank an einem Modell von Diamond (1984) erläutert werden. Das Modell von Diamond (1984) Das Modell von Diamond (1984) konzentriert sich auf das Aktivgeschäft der Banken. Es sieht die Hauptaufgabe des Finanzintermediärs in der Überwindung der zuvor vorhandenen Informationsasymmetrie zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer zu Lasten des Kreditgebers. Der Finanzintermediär überwacht den Kreditnehmer, so daß dieser nicht die Möglichkeit besitzt, den Kreditgeber zu benachteiligen. Diamond geht von folgender Situation aus: 114 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Es existieren risikoneutrale Unternehmer ohne eigene Finanzmittel. Jeder Unternehmer plant eine Investition mit einem zufallsbedingten Bruttoertrag. Zur Durchführung dieser Investition benötigt jeder Unternehmer Kredite von den ebenfalls existierenden Kapitalgebern. Diese seien ebenfalls risikoneutral. Sie sind jedoch nicht in Besitz des technologischen Wissens der Unternehmer. Jeder Anleger verfügt über begrenzte Mittel mit: 1/m < 1 m N und N/m < 1 (III.A.2.2) = Anzahl der Kapitalgeber = Anzahl der Unternehmer Kein Anleger kann allein eine Investition finanzieren. Jeder Unternehmer versucht nun, die Kapitalgeber für seine Investition zu gewinnen, indem er eine Rendite in Höhe des Marktzinses verspricht. Dabei gilt: E(y) > R R E(y) (III.A.2.3) = Marktzins = Erwartungswert des Investitionsertrages (y) Der Investitionsertrag bewegt sich zwischen 0<y<Y Y y (III.A.2.4) = maximaler Investitionsertrag = Investitionsertrag Die Verteilung von y ist bekannt. Der tatsächliche Investitionsertrag ist ex-post nur vom Unternehmer ohne Probleme beobachtbar. Dadurch zeigt sich die Informationsasymmetrie zwischen Kreditgeber und -nehmer. Da den Kreditgebern diese Problematik bewußt ist, kommt es zu keiner Kreditvergabe an die Unternehmer, sondern alternativ zu einer sicheren Anlage zu Marktzinsen. Es liegt also im Interesse des Unternehmers, durch die Vertragsgestaltung dem Anreiz, die Kreditgeber zu benachteiligen, zu widerstehen bzw. den realisierten Wert y in jedem Fall korrekt anzugeben. Vertragsabschluß mit Straffunktion Diamond plädiert für eine nichtmonetäre Bestrafung des Unternehmers als Möglichkeit, welche von einer von jedermann beobachtbaren Größe abhängig ist (tatsächli115 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) che Zahlung an Kreditgeber). Trotz der Hypothese, daß die Sanktionen nichtmonetärer Art sind (z.B. Haftstrafe), geht Diamond für die weitere Betrachtung von einem monetären Äquivalent aus. Da die Strafe den Unternehmer belastet, den Gläubigern aber nicht in gleichem Maße zugute kommt, entsteht ein Wohlfahrtsverlust. Diamond zeigt, daß sich der anreizkompatible Kontrakt aus einem Rückzahlungsversprechen und einer Strafzahlung zusammensetzt. Die Strafzahlung ist wiederum abhängig von der tatsächlichen Rückzahlung. Es gilt: h 0 z z≥h 0=0 (III.A.2.5) z<h 0 = h-z (III.A.2.6) = Rückzahlungsversprechen = Strafzahlung = tatsächliche Rückzahlung Dies bewirkt, daß der Schuldner, solange er kann (y≥h), das Rückzahlungsversprechen erfüllen wird und anderenfalls den Investitionsertrag (y) den Gläubigern komplett überlassen wird. Die Höhe des Rückzahlungsversprechens (h) ist so zu wählen, daß gilt: E(z(y)) = R. E(z(y)) (III.A.2.7) = Erwartungswert der tatsächlichen Zahlung in Abhängigkeit vom Investitionsertrag y Ist dies nicht der Fall (h zu gering), werden die Kapitalgeber lieber in die sichere Anlage mit dem Ertrag R investieren. Umgekehrt entstünde ein unnötig verminderter Gewinn für den Unternehmer. Da eine positive Wahrscheinlichkeit für ein Nichteinhalten des Rückzahlungsversprechens vorliegt, muß gelten: h>R (III.A.2.8) damit: E(z(y)) = R (III.A.2.9) Unter Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeiten läßt sich Gleichung (III.A.2.9) auch wie folgt schreiben: 116 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) P(y < h)*E(y|y < h)+P(y ≥ h)*h = R (III.A.2.10) P(y<h) = Wahrscheinlichkeit für y<h E(y|y<h) = bedingter Erwartungswert der Rückzahlung unter der Maßgabe y<h P(y>h) = Wahrscheinlichkeit für y>h P(y<h)*E(y|y<h) entspricht der Wahrscheinlichkeit, daß y<h. In diesem Fall wird die Rückzahlung durch den bedingten Erwartungswert (E(y|y<h)) determiniert. P(y≥h)*h ist der volle Rückzahlungsbetrag (h), multipliziert mit dessen Eintrittswahrscheinlichkeit (P(y≥h)). Diese Differenz zwischen der Höhe des Rückzahlungsversprechen (h) und dem Marktzins (R) ist als Risikoprämie zu verstehen. Je höher die Wahrscheinlichkeit ist, daß der Investitionsertrag geringer ausfällt, als die Höhe des Rückzahlungsversprechens (y<h), desto höher muß die Spanne zwischen der Höhe des Rückzahlungsversprechens und dem Marktzins ausfallen. Bei einer sicheren Anlage entspräche die Höhe des Rückzahlungsversprechens der des Marktzinses (h=R). Monitoring Dieser Kontrakt bringt – wie schon erwähnt – Wohlfahrtsverluste mit sich. Gegenüber der Informationssymmetrie bietet diese Variante also nur eine second-best Lösung. Um Informationssymmetrie künstlich herzustellen, besitzt der Unternehmer die Möglichkeit, die Kreditgeber in die Lage zu versetzen, den Projektertrag mit einem gewissen Aufwand zu beobachten. Dafür gilt: K>0 K (III.A.2.11) = Aufwand zur Ermöglichung des Monitoring Dabei muß der Unternehmer jedem einzelnen Kreditgeber dessen Aufwand durch Zahlung von K vergüten. Er erreicht damit, daß für einen Kreditgeber der Investitionsertrag (y) sichtbar wird (Kreditmonitoring). Dafür kann er Verträge ohne Straffunktion abschließen. Da es jedoch m Kreditgeber gibt, entstehen Gesamtkosten des Monitoring von m*K. Sofern viele Kreditgeber beteiligt sind, ist die Kreditüberwachung kostspielig. Welche der beiden Lösungen effizienter ist, hängt von der Anzahl der Kreditgeber und dem Projektrisiko ab. Der Einsatz eines Finanzintermediärs Die Kosten des Monitoring können beträchtlich reduziert werden, wenn alle Kreditgeber ihre Kreditüberwachung auf einen Finanzintermediär verlagern. Dieser führt 117 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) das Monitoring stellvertretend durch und leitet eingehende Zahlungen an die Kreditgeber weiter. Die Gesamtkosten betragen nun K wobei: K < m*K (III.A.2.12) Jedoch ist hierbei zu beachten, daß nun auch zwischen dem Finanzintermediär und den Kreditgebern Anreizprobleme auftreten können. Die Kreditgeber kennen lediglich die Zahlungen der Bank an sie selbst, nicht jedoch die Transaktionen zwischen Unternehmern und der Bank. Diese Problematik muß wieder durch eine Kontraktgestaltung inkl. Strafe aufgefangen werden. Der Erwartungswert dieser Kosten wird von Diamond als Delegationskosten bezeichnet. Die Finanzintermediation ist dann vorteilhaft, wenn: K+D < min(E(0); m*K) E(0) D (III.A.2.13) = Erwartungswert der Strafzahlung = Delegationskosten Die Kreditüberwachungskosten der Bank gegenüber dem Unternehmer (K) sind relativ gering. Interessanter sind die Kosten zwischen Kapitalgebern und der Bank (D). Die Vertragsgestaltung kann nur auf Basis eines Vertrages mit Straffunktion erfolgen. Monitoring durch jeden einzelnen Kreditgeber würde zu hohe Kosten verursachen. Die Bank leistet eine Zahlung an die Kapitalgeber mit einem Erwartungswert N*R. Darüber hinaus gibt sie ein Rückzahlungsversprechen zugunsten der Kreditgeber ab. Die Zahlungen der Bank ergeben sich wie folgt: H Z Z≥H H (III.A.2.14) Z<H Z + 0(Z) (III.A.2.15) = Zahlungsversprechen der Bank an die Kapitalgeber = tatsächliche Zahlung der Bank an die Kapitalgeber Sofern die Einnahmen geringer als H ausfallen, überläßt die Bank die gesamten Einnahmen den Kapitalgebern. Hinzu kommen Strafkosten. Die optimalen Strafkosten (0(Z)) errechnen sich wie oben. Wie beschrieben hängen die Kosten für den Unternehmer bei einem Schuldvertrag mit Straffunktion von der Unsicherheit über den Projektertrag ab. Der Finanzintermediär, i.d.R. eine Bank, kann, wie in Kapitel III.A.2.1.1 beschrieben, das Risiko von Kreditausfällen in größerem Stil durch Diversifikation stark mindern, sofern Projektrisiken nicht vollständig positiv korreliert sind. 118 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Dadurch verringert sich mit zunehmender Anzahl der Unternehmer (N) auch die Wahrscheinlichkeit, daß die Projekterträge im Durchschnitt unter dem Marktzins bleiben. So reduziert sich die Differenz zwischen der Höhe des Rückzahlungsversprechens und der des Marktzinses und damit die Höhe der Delegationskosten (D). Im Extremfall werden sie eine vernachlässigbare Größe. Durch diese Umstände ergibt sich aus Gleichung (III.A.2.13): K < E(0) (III.A.2.16) Damit zeigt Daimond (1984), daß ein Finanzintermediär Schuldner und Gläubiger kostengünstiger zusammenzubringen kann, als dies direkt möglich wäre, sofern die Kosten des Monitoring geringer ausfallen als die Kosten des Schuldkontraktes mit Straffunktion. Dies dürfte normalerweise der Fall sein. Der Nachteil dieses Modells liegt jedoch darin, daß Kredit- und Einlagenkontrakte den gleichen Zeithorizont aufweisen. Außerdem werden durch die Einperiodigkeit dieses Modells Faktoren wie Reputation oder langfristige Bindungen vollständig vernachlässigt (vgl. Baltensperger 1996, S. 272ff. sowie Hartmann-Wendels et al. 2000, S. 119ff.). 2.5 Aufbau und Management von Zahlungssystemen Eine weitere Funktion von Banken betrifft den Aufbau und das Management des Zahlungssystems. Dazu zählen Überweisungen, Gutschriften, Belastungen, Kontoführungen etc. (vgl. Baltensperger 1996, S. 283 f.). Bei der Abwicklung des gesamten Zahlungsverkehrs in einer Volkswirtschaft fällt der Vorteil der Spezialisierung vermutlich am meisten ins Gewicht. Da die Abwicklung des Zahlungsverkehrs einem hohen Maß an Unteilbarkeit unterliegt, dürften sich durch die Finanzintermediäre hohe Effizienzsteigerungen für die Volkswirtschaft erzielen lassen. Die eingesparten Ressourcen können so anderweitig produktiv eingesetzt werden (vgl. Baltensperger 1996, S. 283f.). 3 Probleme im Umfeld der Banken 3.1 Eingeschränkte Funktionsfähigkeit vieler Bankensysteme Nachdem die Funktionen des Finanzsektors aufgezeigt wurden, sollen in diesem und im nächsten Abschnitt Ursachen von Bankenkrisen dargelegt werden und Möglichkeiten aufgezeigt werden, anhand welcher Indikatoren sich der Zustand des kom119 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) pletten Finanzsektors ablesen läßt. Die Finanzsysteme in den meisten Emerging Market Economies sind bankendominiert (vgl. Theurl 1999, S. 240). Das bedeutet, daß den Banken bzw. der Erfüllung der Bankfunktionen eine Schlüsselrolle in den Volkswirtschaften zufällt. Zur Erfüllung der in Kapitel III.A.2 genannten Funktion ist ein finanziell gesundes Bankensystem erforderlich. Diese Voraussetzung ist jedoch in vielen Volkswirtschaften nicht oder nur teilweise gegeben. Wie vor allem das Beispiel der ostasiatischen Schwellenländer gezeigt hat, können von einem fragilen Bankensystem sogar krisenauslösende Impulse auf die Gesamtwirtschaft ausgehen, sofern weitere Faktoren hinzukommen. Zunächst soll ein kleiner Einblick in das Umfeld, in dem sich Banken in vielen Emerging Markets bewegen, gegeben werden. 3.2 Finanzieller Dualismus Dualistische Strukturen sind ein verbreitetes Phänomen in Entwicklungs- aber auch in Schwellenländern. In der Entwicklungstheorie wird darunter die Existenz von verschiedenartigen – oft gegensätzlichen – Strukturen in einer Volkswirtschaft verstanden, die nicht oder kaum miteinander verbunden sind. Diese Gegensätze beziehen sich i.d.R. auf die Sozial-, die Regional- und die Wirtschaftsstruktur (vgl. o.V. 2002, online, S. 1). Unter einer dualistischen Wirtschaftsstruktur versteht man eine Volkswirtschaft, deren Wirtschaftsstruktur in einen modernen und einen traditionellen Wirtschaftsbereich geteilt ist.55 Beide Bereiche existieren weitgehend isoliert nebeneinander, da sie nur schwach über verschiedene Märkte in Verbindung stehen. Ein Ausgleich von Güter- und Faktorpreisen ist daher kaum möglich, wodurch in beiden Bereichen höchst unterschiedliche Gegebenheiten (z.B. bei der Entlohnung oder der Produktionsweise) persistieren können. Mit anderen Worten, es fehlt ein einheitlicher Allokationsmechanismus (vgl. Hemmer 1988, S. 188). Ein Teilbereich des wirtschaftlichen Dualismus ist der Finanzdualismus. Finanzdualismus bezeichnet eine Aufspaltung des Finanzsystems in einen formellen und einen informellen Sektor. Der formelle Sektor ist vorwiegend in den Städten und Zentren zu 55 Aufgrund des außerordentlichen Wachstums der Armenviertel um die Zentren vieler Großstädte in Entwicklungsländern mit ihrer Schattenwirtschaft ist zu überlegen, ob diese mittlerweile nicht als eine Art dritter Sektor angesehen werden können und somit von trialistischen Strukturen gesprochen werden sollte. Vermutlich weil es sich eher um eine Leitidee bzw. ein Leitmuster – also einen holistischen Ansatz handelt – und nicht um eine operationale Theorie, finden sich zu diesem Thema keine neueren Ansätze. Für diese Arbeit ist dieser Aspekt jedoch auch von geringerer Bedeutung, da diese Umstände eher für Entwicklungsländer als für die weiter vorangeschrittenen Emerging Markets relevant sind. 120 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) finden. Zum formellen Finanzsektor zählen die Zentralbank, Geschäftsbanken, staatliche Institute, Genossenschafts- und Entwicklungsbanken. Zugang zum formellen Finanzsektor haben meistens nur große und mittelständige Unternehmen (vgl. Lachmann 1997, S. 111f.). Unternehmen des traditionellen Sektors (kleine Handwerksbetriebe, Kleinbauern, Kleinindustrie) sind von Bankkrediten und Einlagen in vielen Fällen ausgeschlossen (vgl. Zeitinger/Schmidt 1995, S. 164). Oft finden sich im formellen Finanzsektor subventionierte Kredite oder administrativ festgelegte Höchstzinsen (vgl. Lachmann 1997, S. 112). Wichtig für eine Kreditgewährung ist neben Kontakten zu Behörden meistens eine Kreditbesicherung durch Realkapital. Eine Projektbeurteilung seitens der Finanzinstitute findet in aller Regel nicht statt (vgl. Lachmann 1997, S. 121). Im Gegensatz dazu wird der informelle Sektor von privaten Geldverleihern, Händlern, Kaufleuten und Großgrundbesitzern dominiert. Die Sollzinsen liegen deutlich über denen des formellen Sektors und erreichen auf diesen Märkten astronomische Höhen (teilweise über 100%). Sie werden v.a. bedingt durch eine hohe Risikoprämie für Kreditausfälle und durch Monopolprofite, denn die einzelnen Verleiher haben oft eine monopolähnliche Stellung inne (vgl. Lachmann 1997, S. 77). Die Habenzinsen auf diesen informellen Kreditmärkten sind sehr niedrig. Dadurch lassen sich die potentiellen Ersparnisse aus dem traditionellen Bereich der Volkswirtschaft kaum mobilisieren. Das inländische Sparpotential wird nicht effizient ausgenutzt. Außerdem ist es keinesfalls üblich, daß im informellen Finanzsektor von Geldverleihern Einlagen angenommen werden (vgl. Hemmer 1988, S. 367). Der finanzielle Dualismus bewirkt, daß auf dem formellen Kreditmarkt auch Kredite für Investitionsprojekte vergeben werden, deren Rentabilität eher gering ist. Umgekehrt verhindern die extrem hohen Kreditzinsen auf dem informellen Kreditmarkt hocheffiziente Investitionsprojekte. Das bedeutet, daß der traditionelle Sektor real kaum Wachstum generieren kann und die Diskrepanz zwischen den beiden Bereichen der Wirtschaft eher noch größer wird. Durch die unterschiedlich hohen Kreditzinsen auf den beiden Finanzsektoren ergeben sich sektorspezifische Grenzwertprodukte des Faktors Kapital. Es gilt: 121 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) GWPKIFS > GWPKFS GWPKIFS GWPKFS (III.A.3.1) = Grenzwertprodukt des Faktors Kapital im informellen Finanzsektor = Grenzwertprodukt des Faktors Kapital im formellen Finanzsektor Das Grenzwertprodukt des Faktors Kapital ist im informellen Finanzsektor höher als im formellen Finanzsektor. Das hat zur Folge, daß gesamtwirtschaftlich nicht unbedingt die rentabelsten Investitionen durch Kredite ermöglicht werden. Der finanzielle Dualismus birgt also einen ineffizienten Kapitaleinsatz und damit Wachstumseinbußen für die Volkswirtschaft in sich, da ein einheitlicher Allokationsmechanismus für Kapital fehlt (vgl. Hemmer 1988, S. 190ff.). Wie zuvor dargestellt, zeigt sich der finanzielle Dualismus durch segmentierte Kredit- und Einlagemärkte. Die Fristen- und Risikotransformationsfunktion der Banken kann dadurch deutlich eingeschränkt werden, da die wünschenswerte Diversifikation des Einlage- und Kreditgeschäfts nur noch bedingt vorgenommen werden kann (vgl. Fischer/Reisen 1992, S. 26). 3.3 Finanzielle Repression und hohe Inflationsraten In Entwicklungs- und Schwellenländern werden weitaus häufiger finanzielle Repressionen angewandt als in Industrieländern (vgl. Dooley 1997, S. 24). Unter finanziellen Repressionen sind sämtliche staatlichen Maßnahmen zur Behinderung eines freien Finanzwesens zu verstehen (vgl. o.V. 1997). Als Beispiele seien hier extrem hohe Mindestreservesätze für Bankeinlagen, bevorzugte Kreditvergabe an bestimmte Wirtschaftszweige oder administrativ festgelegte Höchstzinsen bei der Kreditvergabe genannt (vgl. Fry et al. 1996, S. 36). Nachfolgend sei die Wirkung einiger Maßnahmen kurz umrissen. Durch eine Festsetzung von (Höchst-)zinsen für Kredite bzw. Zinssubventionierung sollen Investitionen angeregt werden. Der Zusammenhang ergibt sich wie folgt: Vor jeder Investition wird ein Unternehmer eine Kosten-Nutzen-Analyse der Investition anstellen. Mit anderen Worten: Wieviel kostet die Investition und wie hoch ist der zu erwartende Ertrag? Betrachtet man die Ertragserwartungen als gegeben, so hängt die Entscheidung über die Durchführung der Investition von der Höhe der Kosten ab. Wird eine vollständige Kreditfinanzierung unterstellt, werden die Kosten des Kredites durch den Zins determiniert. Je geringer der Zins ist, desto geringer sind die Kreditkosten und desto höher ist bei gegebenem Ertrag der Gewinn. Geht man davon aus, daß Investitionen nur dann getätigt werden, wenn die erwarteten Erträge die Kreditkosten 122 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) übersteigen, ergibt sich ein größeres Investitionsvolumen bei geringerem Zins (vgl. Rittenbruch 1998, S. 8f.). Außerdem sollen Höchstzinsen vor Wucher schützen. In der Wirkungsweise entspricht die Festlegung von Höchstzinsen der Festsetzung von Höchstpreisen, da der Zins den Preis für Geld darstellt. Die Konsequenz von staatlich festgelegten Höchstzinsen auf der Sollseite sind auch extrem niedrige Habenzinsen, denn die Banken werden versuchen, eine positive Marge zwischen Kredit- und Einlagenzinsen zu halten. Schließlich ist es für Banken wichtig, mit ihrer primären volkswirtschaftlichen Funktion auch wirtschaftliche Vorteile zu erlangen. Sonst bestünde für Banken kein Grund, als Finanzvermittler tätig zu werden. Berücksichtigt man die z.T. exorbitant hohen Inflationsraten in Emerging Markets, so ergeben sich oft negative Realzinsen für Ersparnisse. Da sich somit kaum attraktive Anlagemöglichkeiten im Inland bieten, bleibt das im Inland verfügbare Sparvolumen (Kapitalangebot) gering. Stattdessen werden bestimmte traditionelle „Sparformen”, wie der Erwerb von Grund und Boden, beibehalten. Eine weit verbreitete Option ist ferner der Transfer von Sparkapital ins Ausland. Diese Sparformen stehen Investitionen im Inland jedoch nicht als Finanzierungskapital zur Verfügung. Somit ist nicht für jede beim herrschenden Zinssatz geplante Investition genügend Sparkapital vorhanden. Sofern das fehlende Kapital nicht im Ausland um den Preis einer steigenden Auslandsverschuldung aufgenommen werden kann, müssen die knappen Ersparnisse rationiert werden. Dies hat zur Folge, daß auch das Investitionsvolumen unter dem Strich geringer ausfällt als bei freien Kreditmärkten. Damit verringert sich das gesamt-ökonomische Wachstumstempo (vgl. Lachmann 1997, S. 76 f.). Finanzielle Repressionen haben also in der Regel negative Auswirkungen auf das im Inland zu Investitionszwecken zur Verfügung stehende Sparvolumen und damit auf das Investitionsvolumen. Hohe Mindestreservesätze bieten eine günstige Verschuldungmöglichkeit für staatliche Stellen. Sie zielen somit auf den gleichen Effekt ab wie die Festsetzung von Höchstzinssätzen für die staatliche Kreditaufnahme. Der Unterschied hierbei ist lediglich, daß die Mittel in der Regel zinslos zur Verfügung stehen und die Verschuldung des Staates nicht auf dem Kapitalmarkt finanziert wird, sondern direkt über die Notenbank. Nach Fry et al. (1996) können Mindestreservesätze für Einlagen in einer Größenordnung ab etwa 15% nur schwer mit anderen Zielsetzungen erklärt werden (vgl. Fry et al. 1996, S. 29). Nach einer Studie, die sich auf über 25 Entwicklungs123 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) und Schwellenländer bezieht, haben die Regierungen dieser Staaten aufgrund von finanziellen Repressionen zwischen 1979 und 1993 einen Finanzvorteil von durchschnittlich etwa 2,2% des BIP erzielt (Fry et al. 1996, S. 35 f.). Allerdings weisen Goldstein/Turner (1996, S. 38) darauf hin, daß eine hohe Mindestreserve im Fall von Bank-Runs als zusätzliche Liquiditätsreserve zur Verfügung steht, sofern dann eine Absenkung der Mindestreservesätze von der Zentralbank vorgenommen wird. 3.4 Unzureichende Bankenaufsicht und Überkreuzbeteiligungen Banken erfüllen, wie schon dargestellt, vielfältige Aufgaben in einer modernen Volkswirtschaft. Sie wickeln den Zahlungsverkehr ab, nehmen Einlagen von Sparern an und geben diese als Kredite an investitionswillige Unternehmen weiter. Dadurch weisen Banken eine sehr hohe Verflechtung zu allen anderen Wirtschaftssubjekten – sei es als Gläubiger oder Schuldner – auf. Darüber hinaus bedienen sich die nationalen Zentralbanken der Geschäftsbanken, um ihre geld- und währungspolitischen Ziele für die Gesamtwirtschaft durchzusetzen (vgl. Krumnow/Gramlich 1999, S. 140). Allerdings hängt die Existenz eines Kreditinstitutes aufs äußerste vom Vertrauen der Geldgeber (Sparer) ab. Wird durch die Insolvenz einer Bank das Vertrauen der Einleger erschüttert, so besteht die Gefahr von Ansteckungseffekten für das gesamte Bankensystem, die sich in Form von enormen Einlagenabhebungen äußern (BankRuns). Unter Umständen folgt der Zusammenbruch des gesamten Banken- und Finanzsystems mit allen negativen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Daß diese Darstellungen keine Fiktion sind, ist spätestens seit der großen Depression von 1929 bekannt. Außerdem haben sie auch nichts von ihrer Aktualität verloren, wie das Beispiel Argentiniens 2001/02 zeigt. Um solche Lawinen erst gar nicht ins Rollen kommen zu lassen, muß einerseits das Insolvenzrisiko eines einzelnen Kreditinstitutes in bestimmten Grenzen gehalten werden. Und andererseits muß bei Insolvenz einer Bank ein Vertrauensverlust in das Finanzsystem als Ganzes unbedingt vermieden werden. Zu diesem Zweck werden die Banken von einer staatlichen Institution überwacht. Die Überwachungsfunktionen sind vielschichtig. In der Bundesrepublik Deutschland beispielsweise beziehen sie sich vorwiegend auf die Eigenmittelausstattung der Finanzinstitute und bestimmte Liquiditätsgrundsätze, Kontrolle von Zweigstellen ausländischer Banken sowie auf besondere Vorschriften bei Groß- und Organkrediten. Darüber hinaus wird auch die 124 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) personelle Qualifikation der Bankführung überprüft. Besonders beim Verhältnis des haftenden Eigenkapitals zu den gewichteten Risikoaktiva entsprechen die Vorschriften in der Bundesrepublik Deutschland den internationalen Bestimmungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Verstößt ein Kreditinstitut gegen die Bestimmungen, kann die Bankenaufsicht das Institut vorübergehend schließen und unter Umständen sogar liquidieren (vgl. Krumnow/Gramlich 1999, S. 139ff.). Nach einer Umfrage von Fry et al. (1996) unter mehr als 40 Entwicklungs- und Schwellenländern obliegt die Bankenaufsicht dort i.d.R. der Zentralbank eines Landes. Trotz geringer Personalkapazitäten für die Bankenaufsicht hat etwa ein Drittel der befragen Notenbanken angegeben, im Umfragezeitraum (1985-1993) keine Probleme mit Bankinsolvenzen gehabt zu haben. Und nur in 7 der befragten Volkswirtschaften mußten die Zentralbanken mehr als zweimal in diesem Zeitraum zur Stützung, Schließung oder Fusionierung insolventer Banken eingreifen. Fry et al. (1996) führen aus, daß die Probleme mit Bankzusammenbrüchen und Finanzsysteminstabilitäten in den untersuchten Ländern geringer waren als in den OECD-Ländern (vgl. Fry et al. 1996, S. 88). Theurl (1999, S. 241) und Berensmann (1999, S. 18f.) deuten im Gegensatz zu Fry et al. Probleme bei der Beaufsichtigung von Finanzinstituten in den ostasiatischen Volkswirtschaften und in Rußland im Vorfeld der jeweiligen Finanzkrise an. Diese Staaten könnten durchaus stellvertretend für die meisten Emerging Market Economies stehen (vgl. Sachs 1997, S. 11). Obendrein wurde die Beaufsichtigung des Bankensektors noch durch bestimmte Umstände erschwert. Probleme ergaben sich beispielsweise aus der Vergabe von „Systemkrediten", bei denen sich die Kreditvergabe nicht nach ökonomischen Gesichtspunkten richtet, sondern primär auf politischen Wunsch oder Druck hin erfolgt (vgl. Berensmann 1999, S. 18). Ebenso problematisch waren sogenannte Überkreuzbeteiligungen. Kreditinstitute und Industriekonzerne waren über diese Verflechtungen miteinander verbunden und hatten entsprechend gegenseitigen Einfluß. In vielen Fällen waren Banken Teil eines Industriekonzerns. Trotz ökonomischer Schieflage des jeweiligen Industrieunternehmens oblag der Bank die Aufgabe, weiter Kredite an selbiges zu vergeben. Der Zusammenbruch des Mutterkonzerns konnte dadurch normalerweise nur hinausgezögert werden. Daraus ergab sich früher oder später ein drastischer Anstieg der notleidenden 125 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Kredite (vgl. Goldstein/Turner 1996, S. 20 und Sachs 1997 S. 11). In Südkorea gingen die Verflechtungen sogar soweit, daß hohe Beamte der Finanzaufsicht nach ihrer Pensionierung nicht selten Vorstandsmitglied eines Finanzunternehmens wurden (vgl. Kuo 1998, S. 18). Durch die weiter bestehenden persönlichen Beziehungen dieser Personen zu den aktuellen Regierungsbehörden konnte die Bankenaufsichtstätigkeit ausgehebelt werden. Weiter fehlte es besonders in der Zeit unmittelbar nach Liberalisierungsschritten im Finanzbereich oft an qualifiziertem Personal, um eine adäquate Aufsicht des Bankensektors zu gewährleisten (vgl. Edwards et al. 1996, S. 113 f.). Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich führt noch einen weiteren Grund für die unzureichende Bankenaufsicht an. Besonders bei einem hohen Anteil öffentlicher Banken war die Bankenaufsicht oft politischem Druck ausgesetzt, „doch nicht so genau hinzusehen“ (vgl. Goldstein/Turner 1996, S. 30). Erst durch diese Mängel der Bankenaufsicht waren die enormen Kreditausweitungen ohne adäquate Risikobeurteilung und -vorsorge möglich. Die nachfolgenden massiven Kreditausfälle trafen ein fragiles Bankensystem und haben so zu beträchtlichen ökonomischen Schieflagen in den betroffenen Ländern geführt. 3.5 Fehlende Einlagensicherung Bank-Runs treten wie erwähnt dann auf, wenn Einleger aus Angst vor finanziellen Verlusten ihre Guthaben in großem Stil auflösen. Da die Fristigkeitsstruktur der Bankaktiva fast immer längerfristiger ist als die der Bankpassiva, kann die Bank durch massierte Kontoauflösungen illiquide werden. Banken können Guthaben nur so lange auszahlen, wie sie über liquide Mittel verfügen. Diese werden nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, malt zuerst“ ausgeben und so sind sie anfällig für Panik unter den Einlegern. Die Gefahr ist groß, daß der Zusammenbruch einer Bank zu Bank-Runs und Illiquidität bei anderen an und für sich finanziell gesunden Banken führen kann. Und dies nur, weil Sparer aus Angst vor einem finanziellen Zusammenbruch der eigenen Bank ihre Ersparnisse abziehen (vgl. Diamond/Dybvig 1983, S. 401ff.). Eine Einlagensicherung soll dem Sparer sein Guthaben garantieren, unabhängig davon, ob seine Bank zahlungsunfähig wird oder nicht. Unter diesen Umstände hat nur der Sparer einen Grund, sein Vermögen abzuheben, der anderweitig daraus Nutzen ziehen kann. So wird die Wahrscheinlichkeit von Bank-Runs und da126 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) mit die Gefahr von Systemkrisen reduziert (vgl. Baltensperger 1996, S. 295). Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß eine Einlagenversicherung auch Nachteile aufweist (vgl. Baltensperger 1996, S. 295f.). Bei den gängigen Versicherungen sind die Prämien unabhängig von den eingegangen Risiken einer Bank. Macht eine Bank mit riskanten Geschäften Gewinne, kann sie diese für sich verbuchen. Bricht die Bank aufgrund riskanter Geschäfte zusammen, müssen die Folgen nicht von der Bank allein, sondern auch von der Versicherung getragen werden. So entstehen Anreize für das Bankmanagement, höhere Risiken einzugehen. Fry et al. (1996, S. 86f.) führen an, daß die meisten von ihnen befragten Entwicklungs- und Schwellenländer nicht über eine Einlagensicherung verfügen. Auch in einigen Staaten Ostasiens bestand zum Zeitpunkt der Asienkrise noch keine Einlagensicherung. Radelet/Sachs (1998, S. 44) weisen in diesem Zusammenhang z.B. auf die Situation in Thailand und Indonesien im Verlauf der Asienkrise hin. Dort hat die Schließung einzelner Banken ohne eine entsprechende Einlagensicherung einen Bank-Run auf das gesamte Bankensystem ausgelöst und die Finanzkrise zusätzlich verschlimmert. 3.6 Erschwerter Zugang für ausländische Banken Honohan macht darauf aufmerksam, daß in vielen Schwellenländern der Zugang für ausländische Banken stärker als in Industriestaaten erschwert wird. Grund ist oft die Sorge, ein bestimmtes Maß an nationaler Souveränität aufzugeben (vgl. Honohan 1997, S. 24f.). Der Internationale Währungsfonds bestätigt diese Einschränkungen für ausländische Banken in den ostasiatischen Staaten. Eine gewisse Ausnahme bildet lediglich Thailand (vgl. Lindgren et al. 1999, S. 55/80/87). Ausländische Banken erhöhen zwar die Konkurrenz für inländische Banken, allerdings verleihen sie dem inländischen Bankensystem mehr Stabilität. Mit einem steigenden Anteil ausländischer Banken am inländischen Kredit- und Einlagengeschäft dürften auch mehr Sparer und Kreditnehmer von diesen betreut werden. Die Geschäftsentwicklung und Geschäftstätigkeit (inkl. Eigenkapitalausstattung) ausländischer Banken sind aufgrund höherer internationaler Diversifikation weniger anfällig für makroökonomische Schocks im Inland. Außerdem haben ausländische Banken häufig einen besseren Zugang zu internationaler Liquidität. Somit kann ein leichterer Zugang ausländischer Banken, inkl. dem damit verbundenen steigenden Anteil ausländischer Banken am Kredit- und Einlagengeschäft, eine Stabilisierung für das inländische Bankensystem bedeuten (vgl. Gavin/Hausmann 1998, S. 16). 127 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) 4 Bilanzsituation der Banken 4.1 Die Bilanz der Banken Nachdem einige Gegebenheiten im Umfeld der Banken v.a. in Emerging Markets aufgezeigt wurden, soll nun das Bankensystem selbst ins Blickfeld gerückt werden. Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Zusammenhänge sei in Anlehnung an Sell (1988) eine zusammengefaßte Bankbilanz dargestellt. Übersicht 15: Grobbilanz des Geschäftsbankensektors A k tiv a P a s s iv a K re d ite a n U n te rn e h m e n E in la g e n v o n U n te rn e h m e n K re d ite a n d e n S ta a t E in la g e n v o n H a u s h a lte n K re d ite a n H a u s h a lte K re d ite d e r Z e n tra lb a n k A n d e re A k tiv a N e tto a u s la n d s v e rs c h u ld u n g R e s e rv e -E in la g e n b e i d e r Z e n tra lb a n k N e tto -V e rm ö g e n (E ig e n k a p ita l + R e s e rv e n ) Quelle: In Anlehnung an Sell (1988) 4.2 Probleme der Aktivseite 4.2.1 Non-Performing Loans Ein Problem vieler Kreditinstitute ist ein hoher Anteil notleidender Kredite an den gesamten gewährten Krediten. Unter diesen sogenannten „Non-Performing Loans“ werden uneinbringliche oder zumindest problembehaftete Kreditforderungen eines Kreditinstituts gegenüber einem Unternehmen oder einem anderen Finanzunternehmen verstanden (vgl. Investopia 2004, online, S. 1). Ist eine Kreditforderung uneinbringlich, so muß diese normalerweise ganz oder teilweise abgeschrieben werden, d. h. der Forderungsbestand wird vermindert. Für Problemkredite müßten zumindest Rückstellungen gebildet werden. Beides wirkt sich negativ auf das Ergebnis eines Kreditinstitutes aus. Je höher der Anteil der notleidenden Kredite ist, desto höher ist die Belastung für die Bank. Ein hoher Bestand an Non-Performing Loans kann über 128 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) die Verringerung des Eigenkapitals die Insolvenz der Bank bewirken. Weist die Summe aller Kreditinstitute im Durchschnitt einen hohen Anteil an notleidenden Krediten auf, kann so die Stabilität des gesamten Finanzsektors ausgehebelt und eine Bankenkrise ausgelöst werden. Der Anteil der Non-Performing Loans an den gesamten ausstehenden Krediten bzw. am gesamten Bruttoinlandsprodukt ist ein recht guter Indikator für die Gesundheit des Bankensystems von der Aktivseite der Bilanz her (Sell 1999, S. 16ff.). Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß dieser Indikator oft in der Literatur zu Bankenkrisen verwendet wird (vgl. Randelet/Sachs 1998, S. 11). Während eine hohe Quote der Non-Performing Loans auf eine Schwäche des Bankensystems schließen läßt, gilt der Umkehrschluß nicht unbedingt. Oft ist die wahre Belastung für das Bankensystem durch notleidende Kredite erst dann in vollem Ausmaß zu erkennen, wenn es zu einer Krise kommt (vgl. Gavin/Hausmann 1998, S. 15). In diesem Fall ist mit einem deutlichen Zuwachs der Non-Performing Loans zu rechnen, da bei Abwertungen und den verbundenen Zinsanstiegen auch der Unternehmenssektor einer Volkswirtschaft stark in Mitleidenschaft gezogen werden kann (vgl. Gavin/Hausmann 1998, S. 4). Hinzu kommt ein Anstieg der Inlandszinsen, was der Bank aufgrund der kürzeren Laufzeiten auf der Passivseite Verluste zufügt. Außerdem unterscheidet sich die Definition von notleidenden Krediten von Volkswirtschaft zu Volkswirtschaft teils erheblich. Dies gilt insbesondere für Emerging Markets.56,57 Berensmann (1999, S. 20) gibt für Rußland die Relation der notleidenden Kredite zu den gesamten ausstehenden Krediten kurz vor Ausbruch der Krise mit 17% an. Für Mexiko geben Edwards et al. (1996, S. 105) an, daß der Anteil der notleidenden Kredite zwischen 1990 und Ende März 1994 von ca. 2% auf 8,3% zunahm. In Indonesien lag die Quote 1994/95 im Durchschnitt bei 11,2%. Zum Vergleich: Die Quote der Non-Performing Loans in den USA betrug zwischen 1994 und 1995 im Schnitt 1,6% (vgl. Goldstein/Turner 1996, S. 48). 56 In Südkorea beläuft sich der Anteil der notleidenden Kredite je nach Definition zwischen 5,5% und 16% (vgl. Su/Lien 1998, S. 50). 57 Goldstein/Turner (1996) weisen 1996 darauf hin, daß in einem ostasiatischen Land ein Kredit auch dann noch nicht als notleidend gilt, wenn schon seit drei Jahren keine Zins- und Tilgungszahlungen mehr eingegangen sind (vgl. Goldstein/Turner 1996, S. 46). 129 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Etwa ein Jahr nach Ausbruch der Asienkrise erreichten die Non-Performing Loans in Indonesien ein Niveau von etwa 38% an den gesamten ausstehenden Krediten (vgl. Abdulla/Santoso 2000, S. 92). Auch in den meisten anderen ostasiatischen Staaten waren massive Probleme mit Kreditausfällen vorhanden. In Mexiko stieg die Quote 1995 auf über 12% an. Nach der Einführung von neuen Bilanzierungsgrundsätzen 1997 ergab sich sogar eine Quote von über 20% (vgl. Yacaman 2000, S. 104). In Chile nahmen die notleidenden Kredite durch den Ausbruch der Schuldenkrise von 2,4% (1981) auf 18,7% (1983) zu. (Zum Vergleich: Während der Bankenkrise in Schweden und Finnland in den 1990er Jahren betrugen die Non-Performing Loans 11% bzw. 9,3% an allen ausstehenden Krediten, vgl. Kroszner 2002, S. 6ff.). Aus diesem Grund empfiehlt Honohan (1997, S. 32) das Wachstum des Anteils der notleidenden Kredite als Parallelindikator. Danach ist schon ein Anstieg des offiziell angegebenen Anteils der Non-Performing Loans von 2%-Punkten als besorgniserregend einzustufen. Aber welche Ursachen kann ein hoher Bestand an NonPerforming Loans haben? Nachstehend seien einige Gründe genannt, welche zu einer Erhöhung der Ausfallquoten beitragen können. 4.2.2 Gründe für hohe Kreditausfallquoten 4.2.2.1 Mangelndes Risikobewußtsein Eine hohe Quote von Non-Performing Loans ist oft das Ergebnis fehlenden Risikobewußtseins. Im Zuge einer zunehmenden Liberalisierung des inländischen Finanzsystems beginnt auch der Wettbewerb unter den einzelnen Banken um Kunden. In dem Versuch, möglichst viele Kapitalgeber anzuziehen, bieten Finanzintermediäre Konditionen an, die nur durch riskante Investments seitens der Finanzinstitute noch einen Gewinn abwerfen. Im Gegenzug werden risikoreiche Projekte auch deswegen finanziert, um auf Kapitalnehmerseite möglichst viele Kunden zu gewinnen, die obendrein noch mehr Zinsen zu zahlen bereit sind. Wachstum geht vor Rentabilität (vgl. Sachs et al. 1996, S. 191). In diesem Zusammenhang ist noch darauf zu verweisen, daß sich durch die Liberalisierung des Finanzsektors auch ganz neue Geschäftsfelder für Banken bzw. Finanzintermediäre auftun. Jedoch besteht v.a. anfänglich weitgehende Unwissenheit über die neu entstandenen Risiken und deren Ausmaß. Die Folge ist, daß die Risiken eigener Finanzspekulationen seitens der Bank häufig nicht richtig wahrgenommen werden. Es werden einem positiven Inve- 130 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) stitionsergebnis zu hohe Eintrittswahrscheinlichkeiten zugerechnet. Theurl führt dies für die ostasiatischen Staaten an (vgl. Theurl 1999, S. 241). Auch bei Meinert (1999, S. 18/21) findet sich diese Argumentation u.a. für die asiatischen Tigerstaaten58 und für Mexiko. 4.2.2.2 Starke Zunahme von Krediten an den privaten Sektor Ein Punkt, der mit dem vorangegangenen in engem Zusammenhang steht, ist ein massives Kreditwachstum an den privaten Sektor. Dies rührt daher, daß es v.a. in aufstrebenden Volkswirtschaften in Phasen wirtschaftlicher Prosperität oft zu einem sogenannten „Lending Boom“ kommt. D.h., daß Banken ihre Kreditvergabe an den Privatsektor enorm ausweiten. Dieses Verhalten ist häufig nach grundlegenden Liberalisierungsschritten im Bankensektor zu beobachten. Das Bewußtsein über die neu entstandenen Risiken und die Risikobeurteilung sind noch unterentwickelt und Kapital aus dem Ausland steht in großem Ausmaß zur Verfügung (vgl. Lindgren et al. 1999, S. 9). Darüber hinaus können staatliche Kreditgarantien, wie noch darzulegen sein wird, einen Kreditboom begünstigen. Auch die Kreditnachfrage ist aufgrund der meist moderaten Zinsen und guten Investitionsaussichten sehr hoch. Letztlich ist bei einer immensen realen Kreditausweitung kaum damit zu rechnen, daß die Empfänger bzw. deren Investitionsprojekte einer genauen Kreditwürdigkeitsprüfung unterzogen werden. Das Risiko eines Kreditausfalls ist somit höher. Eine enorme Kreditausweitung (auf realer Basis) an den privaten Sektor kann somit als Präindikator der Non-Performing Loans und damit einer Bankenkrise verstanden werden. Honohan (1997, S. 29) gibt eine Wachstumsrate der Kredite an den privaten Sektor von real mehr als 20%59 pro Jahr als kritische Grenze an. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Mittel zum Kauf von Immobilien oder Aktien eingesetzt werden. Nach Honohan muß dieser Wert in mindestens 2 aufeinander folgenden Jahren erreicht werden, um Zufallseinflüsse weitestgehend auszuschließen. Im Vorfeld der Asienkrise konnte in Malaysia, den Philippinen und in Thailand die von Honohan angesprochene Entwicklung beobachtet werden. Im Vorfeld der Tequila-Krise in Mexiko (1994/95) und der Verschuldungskrise in Chile (1982) zeigten sich gleichfalls exorbitant hohe reale Wachstumsraten der Kreditvergabe (weit über 20%) an den priva- 58 Hongkong, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Südkorea, Thailand. Andere Quellen nehmen ein reales Kreditwachstum von 10%. 59 131 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) ten Sektor. Für Südkorea und Indonesien war diese Entwicklung jedoch nicht zu beobachten. Die Steigerung der realen Kreditvergabe an den privaten Sektor in den skandinavischen Staaten war im Vorfeld der jeweiligen Bankenkrise ebenfalls relativ moderat. In Schweden und Finnland wurde die 20%-Grenze nur in einem Jahr und nur leicht überschritten. Sonst blieben die realen Wachstumsraten mit max. 13% deutlich darunter (vgl. IMF 1997). Um der unterschiedlichen Wirtschaftsentwicklung Rechnung zu tragen, empfiehlt sich auch die Berücksichtigung der Differenz des Wachstums der realen Kreditvergabe zum inländischen Wirtschaftswachstum. Eine höhere Differenz als 5%-8% sind als Warnsignal zu betrachten (vgl. Mayer 2004). Capri/Klingebiel (1996, S. 9) schlagen analog dazu das 2,5-fache des realen Wirtschaftswachstums als kritische Grenze vor. 4.2.2.3 Staatliche Direktiven zur Kreditvergabe In den Industriestaaten wurden im Laufe der 1970er Jahre die Finanzsysteme umfassend liberalisiert. Im Gegensatz dazu wurde dieser Schritt in Schwellenländern bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts oft nur eingeschränkt vollzogen. So wurden Banken im Zuge der oben erwähnten finanziellen Repression für industriepolitische Zwecke mißbraucht. Dies äußerte sich auch in einer staatlich beeinflußten Kreditvergabe an Unternehmen und Branchen, deren (Weiter-)Entwicklung Priorität seitens staatlicher Stellen eingeräumt wurde. Lachmann gibt an, daß Anfang der 1980er Jahre in der Türkei 75% aller Kredite aufgrund staatlicher Anweisungen gegeben wurden (vgl. Lachmann 1997, S. 116 f.). Nach einer Befragung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat der Staat in den meisten Emerging Market Economies noch großen Einfluß auf die Kreditallokation. Dieser rührt nicht nur von dem hohen Anteil an staatlichen Banken her (vgl. Goldstein/Turner 1996, S. 18). Durch die Ausrichtung der Kreditvergabe nach politischen und nicht nach ökonomischen Kriterien sind dem inländischen Bankensektor und der gesamten Volkswirtschaft erhebliche Belastungen entstanden. Kredite an privilegierte Unternehmen ermöglichen diesen – wie bereits dargelegt – auch Investitionen in weniger rentable Projekte. Andere, hocheffiziente Investitionen unterbleiben nur deswegen, weil sie weniger privilegierte Bereiche oder junge Unternehmen, die nicht ausreichend über dingliche Sicherheiten verfügen, betreffen. Auf dem offiziellen Kreditmarkt erhalten sie kaum oder gar keine Finanzmittel. Statt des132 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) sen müßte zur Finanzierung auf den informellen Kreditmarkt ausgewichen werden. Hier herrschen jedoch – wie oben schon angesprochen – extrem hohe Kreditzinssätze vor, die jedwede Investitionstätigkeit lähmen (vgl. Lachmann 1997, S. 125). Ein weiteres Problem bei staatlichen Kreditlenkungsprogrammen ist die permanente Gefahr der Willkür und der Anfälligkeit für Korruption (vgl. Lachmann 1997, S. 77). Letztlich verzichtet die Volkswirtschaft dadurch in der Regel auf ein höheres Wirtschaftswachstum. Abbildung 13: Unterschiedliche Ursachen einer Bankenkrise z u e in s e itig e P o r tfo lie n m a n g e ln d e s R is ik o b e w u s s ts e in hoh es K re d itw a c h s tu m s ta a tlic h g e le n k te K re d itv e rg a b e B ankenk ris e hohe K re d ita u s fä lle hohe k u rz fris tig e Frem dw ä h ru n g s v e r s c h u ldung m a n g e ln d e B ila n zie ru n g s v o rs c h rifte n s ta a tlic h e K re d itg a ra n tie n z u g e rin g e E ig e n k a p ita la u s s ta ttu n g Quelle: Eigene Darstellung Auch dem Bankensektor werden dadurch oft unnötige Belastungen der Aktivseite der Bilanz zugemutet. Durch die Kreditvergabe für weniger rentable Investitionen steigt das Risiko, daß die Erträge aus einer Investition nicht ausreichen, um den Schuldendienst aus der Kreditvergabe zu leisten. Sofern Unternehmen nicht über andere finanzielle Mittel verfügen oder der Staat den Schuldendienst übernimmt, kommt es zumindest zu Verzögerungen beim Schuldendienst. Im schlimmsten Fall fällt die Kreditrückzahlung ganz aus. Dadurch steigt die Anzahl der unsicheren oder uneinbringlichen Kreditforderungen in der Bankbilanz deutlich an und belastet Liquidität und Eigenkapitalausstattung des Kreditinstitutes (vgl. Müller 1998, S. 178). 133 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) 4.2.2.4 Mangelnde Publizitäts-, Konkurs- und Bilanzierungsvorschriften Selbst wenn Kreditinstitute frei über ihre Kreditvergabe entscheiden können, haben diese nur bedingte Möglichkeiten, die Kreditvergabe an eigentlich schon insolvente Kreditnehmer zu vermeiden. Gründe hierfür sind ein Mangel an klaren und genau geregelten Bilanzierungs- und Publizitätsvorschriften sowie fehlende Marktaustrittsregeln. Gesetzt den Fall, es kommt überhaupt zu einer Kreditprüfung, sollte diese zum großen Teil auf Grundlage von Bilanzen und Erfolgsrechnungen durchgeführt werden. Diese sind jedoch wenig aussagekräftig, da entsprechende Bilanzierungsvorschriften fehlen. Darüber hinaus ist besonders in Schwellenländern oft nicht genau geklärt, bei welcher wirtschaftlichen Konstellation ein Unternehmen in Konkurs gehen muß und damit auch von der Kreditvergabe auszuschließen ist. Dies hat zur Folge, daß es selbst bei Ausrichtung der Kreditvergabe an ökonomischen Kriterien zu einer vermehrten Kreditvergabe in unrentable Investitionsprojekte kommen kann. Außerdem werden so u.U. Kredite an Unternehmen vergeben, die nach internationalen Standards schon lange insolvent sind. Beides führt in der Regel zu einer erhöhten Kreditausfallquote seitens der Banken. In diesen Fällen kann lediglich über langfristige Beziehungen zwischen Banken und Unternehmen u.U. eine gewisse Rückzahlungssicherheit für die Kreditvergabe erreicht werden (vgl. Theurl 1999, S. 241). Außerdem ist es für die Bankenaufsicht durch die unklaren Definitionen von notleidenden Krediten60 sehr schwer festzustellen, ob eine Bank durch faule Kredite vor einem Solvenzproblem steht (vgl. Goldstein/Turner 1996, S. 23). 4.2.2.5 Staatliche Kreditgarantien 4.2.2.5.1 Die Problematik staatlicher Kreditgarantien Ein weiterer Grund für die hohe Anzahl der notleidenden Kredite sind die in einigen Ländern (v.a. Thailand, Südkorea und Chile) verbreiteten staatlichen Kreditgarantien (vgl. Krugman 1998, S. 2f. und Goldstein/Turner 1996, S. 43). Diese können explizit oder auch implizit bestehen. Das bedeutet in beiden Fällen, daß im Fall eines Kreditausfalls staatliche Stellen die Kreditrückzahlung ganz oder zumindest teilweise übernehmen. Dies soll die Kreditvergabe für Investitionszwecke ankurbeln. Diese gut gemeinte Maßnahme hat jedoch bedenkliche Nebenwirkungen. Durch Kreditgarantien wird ein Moral-Hazard Verhalten seitens der Banken provoziert. Dies äußert sich darin, daß nicht mehr nur dann Kredite vergeben werden, wenn der mit den Eintritts60 Hier sei nochmals auf Goldstein/Turner (1996, S. 46) verwiesen. 134 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) wahrscheinlichkeiten gewichtete Erwartungswert bzw. die gewichtete Rentabilität einer Investition mindestens den Kreditkosten (Kapitalrückzahlung zuzüglich Kreditzinsen) gleicht. Besteht für die Kreditvergabe eine Haftungsbeschränkung für die Bank – mit anderen Worten eine staatliche Garantie auf Kreditrückzahlung – so werden Banken bei streng rationalem Verhalten mehr Kredite vergeben. Eine Kreditwürdigkeitsprüfung der Kreditnehmer wird zu einem Kostenfaktor, dem kein entsprechender Nutzen mehr gegenübersteht. Sollte ein Kreditnehmer nicht mehr zahlen können, springt (vermeintlich) der Staat ein. Dadurch werden auch risikoreichere Projekte durch Bankkredite finanziert. Entscheidend für die Kreditgewährung ist nun nicht mehr, daß die mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichtete Rentabilität den Kreditkosten zumindest gleicht, sondern ob es überhaupt eine Möglichkeit gibt (best case), daß die Erträge aus der Investition die Kreditkosten erbringen. Je mehr Mittel eine Bank vergeben kann, desto höher wird c.p. der Gewinn ausfallen. Ob die Kreditrückzahlung letztlich seitens des Unternehmens erfolgt, das den Kredit in Anspruch genommen hat, oder von staatlicher Seite, kann der kreditgewährenden Institution im Extremfall gleich sein (vgl. Sell 1999, 34). Früher oder später wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu ersten Kreditausfällen kommen, da der best case Fall eben keinen Normalfall darstellt und Unternehmen u.U. die finanziellen Rücklagen nicht besitzen, um die Kreditkosten anderweitig aufzubringen. An diesem Punkt muß der Staat seiner Verpflichtung nachkommen und die Begleichung der Kreditschuld vornehmen. Besonders bei impliziten Kreditgarantien oder bei einem massierten Eintritt des Garantiefalls kann es sein, daß der Staat wider Erwarten nicht für den Kreditausfall aufkommen will oder kann. In vielen Fällen ist bereits eine hohe Anzahl an Krediten nur unter Annahme staatlicher Garantien vergeben worden. Die Einbringlichkeit der Kredite ist oft als fraglich einzustufen, was die Aktivseite der Bankbilanz belastet. Krugman (1998) hat diese Problematik formal dargestellt. 4.2.2.5.2 Modell von Krugman (1998) Das durch staatliche Kreditgarantien eine Erhöhung des Anteils der notleidenden Kredite an den gesamten ausstehenden Krediten resultiert und damit die Gefahr eines Bankenzusammenbruchs deutlich ansteigen kann, wurde von Krugman (1998) auch theoretisch nachgewiesen. Krugman (1998) orientiert sich in seinem Modell an 135 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) den Erfahrungen aus der Asienkrise in Thailand und Südkorea sowie an den Erfahrungen in den USA (Savings & Loan Krise). Es handelt sich im Modell um eine kleine offene Volkswirtschaft. Es wird unterstellt, daß viele Finanzintermediäre existieren, so daß alle Profite wegkonkurriert werden. Die Finanzintermediäre haben die Möglichkeit, sich direkt am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Dieses Kapital kann an Investoren ausgeliehen werden. Das Modell umfaßt zwei verschiedene Varianten. Es unterscheidet nach einem total elastischen und einem total unelastischen Kapitalangebot. Ausgehend von einem total elastischen Kapitalangebot weist Krugman in einem Zwei-Perioden-Modell nach, daß es durch staatliche Garantien zu Überinvestitionen kommen kann. Nach Krugman ergibt sich folgende Produktionsfunktion: Q = (2+u)*K-0,5*K² Q K u (III.A.4.1) = Output = Kapitalstock = Zufallsvariable (Unsicherheit über Investitionsertrag) Daraus ergibt sich das Grenzprodukt des Kapitals von: R = 2+u-K R (III.A.4.2) = Grenzproduktivität des Kapitals dQ/dK Es wird solange Kapital investiert, bis die erwarteten Erträge aus der Investition den Zinskosten gleich sind. Diese seien mit 1 angenommen (Weltmarktzins). Entsprechend stellt sich der Kapitaleinsatz wie folgt dar: K = 2+E(u) E (III.A.4.3) = Erwartungswert von u Dabei kann u entweder den Wert 0 oder 1 mit einer jeweiligen Wahrscheinlichkeit von 0,5 annehmen. E wird an dieser Stelle als Erwartungswert für u in die Gleichung eingeführt. Somit hängt der Kapitaleinsatz und damit die Kreditvergabe vom Erwartungswert von u ab. Sofern keine staatlichen Kreditgarantien vorhanden sind, wird aus den Eintrittswahrscheinlichkeiten der Erwartungswert für u gebildet. Dieser ergibt sich aus: 136 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) E(u) = 0,5*0 +0,5*1 = 0,5 (III.A.4.4) In Gleichung (III.A.4.3) eingesetzt, ergibt sich ein Kapitaleinsatz inkl. Kreditvergabe von: K= 2+0,5 = 2,5 (III.A.4.5) Kreditgarantien bei elastischem Kapitalangebot Im Gegensatz dazu ergibt sich u im Fall von staatlichen Kreditgarantien nicht mehr aus dem Erwartungswert, sondern durch den Bestfallwert (Pangloss Value). Es wird also vom bestmöglichen Ertrag einer Investition ausgegangen. Als Folge der Kreditgarantien ergibt sich im Modell für u bzw. K: u=1 (III.A.4.6) K = 2+1 = 3 (III.A.4.7) Durch den höheren Kapitaleinsatz wird auch eine entsprechend höhere Kreditvergabe nötig. Es werden nicht mehr nur Kredite für Investitionen vergeben, deren Erwartungswerte zumindest den Kreditkosten gleichen, sondern auch für Investition, die sich nur unter den günstigsten Annahmen amortisieren. Sollten die günstigen Annahmen nicht eintreffen, kommt es zu Kreditausfällen und staatlichen Ausfallzahlungen an die Kreditinstitute. Dies führt zu Wohlfahrtsverlusten für die Volkswirtschaft, da den durchschnittlichen Verlusten keine entsprechenden Erträge gegenüberstehen (vgl. Meinert 1999, S. 13f. und Krugman 1998, S. 3ff.). Kreditgarantien bei unelastischem Kapitalangebot Im Fall eines unelastischen Kapitalangebots kommt es im Modell von Krugman (1998) zu spekulativen Preisanstiegen von Kapitalgütern. Krugman betrachtet bei seinen Überlegungen das Gut Boden. Dies ist jedoch auch auf Immobilien oder ähnliches übertragbar. Wieder wird zunächst ein Zweiperioden-Modell betrachtet und auch sonst bleiben die Annahmen unverändert. In der ersten Periode kaufen Investoren Boden, in der zweiten erhalten sie Pacht dafür. Der Erwartungswert der Pacht in der zweiten Periode ergibt sich aus der Pachtzahlung gewichtet mit der Eintritts- 137 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) wahrscheinlichkeit. Im Modell werden über diese beiden Größen folgende Annahmen getätigt: W = 100 mit P = 1/3 W = 25 mit P = 2/3 W P = Pachtzahlung = Eintrittswahrscheinlichkeit Risikoneutrale Investoren wären unter diesen Umständen bereit, gemäß dem Erwartungswert für W E(W) = 2/3*25 + 1/3*100 = 50 E(W) (III.A.4.8) = Erwartungswert der Pachtzahlung also 50 GE für eine Einheit Boden zu zahlen. Nun gebe es jedoch auch einige Unternehmen von Finanzintermediären, die sich aufgrund der bestehenden Kreditgarantien nicht am Erwartungswert, sondern am Pangloss Value der Investition in Boden (100 GE) orientieren. Unter diesen Umständen wäre der gesamte Boden bald in Händen der Unternehmen von Finanzintermediären. Der Preis für eine Einheit Boden hat sich im Extremfall von 50 GE auf 100 GE verdoppelt. Krugman nimmt nun noch eine wichtige Erweiterung seines Modells von zwei auf drei Perioden vor. Die Wahrscheinlichkeiten bleiben unverändert. Ohne staatliche Garantien liegt der Preis für eine Einheit Boden am Ende der ersten Periode beim zweifachen Erwartungswert der Pacht pro Periode: E(W)1 = 50+50 = 100 E(W)1 (III.A.4.9) = Erwartungswert der Pachtzahlungen am Ende der ersten Periode Am Ende der zweiten Periode wird der Preis noch bei 50 GE liegen. Im Gegensatz dazu wird der Preis des Bodens bei der Existenz staatlicher Garantien aufgrund des Pangloss Value wiederum doppelt so hoch ausfallen: E(W)1G = 100+100 = 200 E(W)1G (III.A.4.10) = Erwartungswert der Pachtzahlungen am Ende der ersten Periode bei staatlichen Garantien Am Ende der zweiten Periode liegt die Pacht noch bei 100 GE. Nun wird weiter angenommen, daß es in der dritten Periode zu einem Politikwechsel kommen kann, 138 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) wodurch die staatlichen Garantien entfallen (evtl. auch eine implizite Garantie, die sich als falsch herausstellt). Der Politikwechsel wird immer dann wahrscheinlich, wenn in der zweiten Periode die staatliche Garantie abgerufen wird. Wird in der zweiten Periode nur ein Erlös von 25 GE erzielt, kommt es zu einer realistischeren Risikoeinschätzung und zu einem Fall des Preises in der dritten Periode auf 50 GE. Da der Boden zu 200 GE gekauft wurde, ergibt sich ein Verlust von 125 GE. Aus der zweiten Periode resultieren 75 GE und weitere 50 GE aufgrund der Neueinschätzung in der Periode 3. Sofern die Pacht in Periode zwei 100 GE beträgt, bleiben die Garantien zunächst erhalten. Erwarten die Investoren jedoch trotzdem einen Politikwechsel, so kommt es zu einer Preisreduktion in der dritten Periode. Die Verluste von 50 GE sind wieder durch die staatlichen Garantien abzudecken, was zu deren Aufhebung führt und diese Erwartungen bestätigt. Sobald es also zu einer Aufhebung der staatlichen Kreditgarantien kommt oder eine Aufhebung auch nur erwartet wird, folgt daraus ein Preisverfall bei den Investitionsobjekten. Die Kreditrückzahlung kann aufgrund dieser Preiseinbrüche bei vielen Investitionskrediten nicht mehr geleistet werden. Die Anzahl der Kreditausfälle steigt deutlich an und führt zum Zusammenbruch der Finanzintermediäre und zu einer Finanzkrise im Inland. Versuchen nun ausländische Investoren ihr Kapital vor weiteren Verlusten zu schützen, fließt Kapital ins Ausland ab. Der Wechselkurs gerät unter Abwertungsdruck. Sofern die Devisenreserven nicht zur Bedienung der Kapitalabflüsse ausreichen, ist eine massive Währungsabwertung und damit eine Währungskrise die Folge (vgl. Krugman 1998, S. 6ff. sowie Meinert 1999, S. 14f.). Krugman kann durch sein Modell zeigen, daß staatliche Kreditgarantien entweder zu Überinvestitionen oder zu einem erheblichen, durch reale Gegebenheiten nicht mehr gerechtfertigten, Preisanstieg bei Vermögenswerten und schließlich zu einer Bankenkrise führen können. Auch gelingt es ihm, ähnlich wie Goldfajn/Valdés (1997), eine Verbindung zwischen einer Bankenkrise und einer Währungskrise aufzuzeigen. 4.2.3 Wenig diversifizierte Anlageportfolios Neben der Kreditvergabe spielt die Vermögensanlage für Finanzinstitute die bedeutendste Rolle. Diese kann sehr unterschiedlicher Art sein. I.d.R. dürften jedoch Renten- und Beteiligungspapiere überwiegen. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich stellt in ihrem 68. Jahresbericht fest, daß in vielen Volkswirtschaften die Wert139 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) papierportfolios der Finanzinstitute sehr inlandslastig (vorwiegend Staatspapiere) sind. Das bedeutet, daß die im Fall einer Krise häufig zu beobachtenden Preisrückgänge für Vermögenswerte im Inland in ganz erheblichen Maße auf den Portfoliowert des Finanzsektors durchschlagen. International breiter aufgestellte Depots dürften weniger davon betroffen sein, da ausländische Wertpapiere nicht oder erheblich weniger von Kursrückgängen betroffen sind. Ferner ist anzunehmen, daß mit zunehmendem Portfolioanteil inländischer Titel auch die Preise für diese stärker zurückgehen dürften, wenn die Banken zur Deckung des Liquiditätsbedarfes Teile ihres Portfolios auflösen müssen. Grund für diesen „Home Bias“ dürften neben gesetzlichen Auflagen zumindest für Asien auch die dauerhaft hohen Wachstumsraten der Region sein, welche die Risiken in den Hintergrund drängten. Zwar deutet die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich inlandslastige Portfolios auch für Industriestaaten an, allerdings sind die Märkte in Industriestaaten meist tiefer und weisen somit weniger Preisschwankungen auf. Ausländische Vermögenstitel können zudem im Krisenfall zur Generierung von Fremdwährung ohne Devisenmarkt dienen und stellen so zumindest für die jeweils betroffene Bank eine Alternative zu den Währungsreserven der Notenbank dar. Stark inlandslastige Portfolios bilden – vollständige Konvertibilität vorausgesetzt – darüber hinaus ein hohes Potential für Transfers in Fremdwährung, sollte eine Krise aufziehen (vgl. BIZ 1998, S. 100/144ff.). 4.3 Probleme der Passivseite 4.3.1 Struktur der Verschuldung 4.3.1.1 Erheblicher „Currency Mismatch“ des inländischen Bankensektors Erhebliche Probleme können für Banken auftreten, sofern ein hoher „Currency Mismatch“ vorliegt. Unter Currency Mismatch wird ein Mißverhältnis in der Währungsdenominierung der Aktiv- und Passivseite der Bilanz verstanden. Konkret sind die Aktiva zu einem geringeren Teil in Fremdwährung denominiert als die Passiva der Bilanz.61 Voraussetzung ist natürlich eine entsprechende Liberalisierung des Kreditmarktes. Verschärft wird das Gefahrenpotential vor allem dann, wenn die Verschuldung im Ausland zu einem nicht unerheblichen Teil kurzfristig ist und dieser 61 Ein Currency Mismatch entsteht auch bei umgekehrten Verhältnis, spielt jedoch für die vorliegende Arbeit keine Rolle. 140 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) keine kurzfristigen Aktiva im Ausland gegenüberstehen (vgl. Kapitel II.C.4.2/II.C.4.3). Die Gründe für die verstärkte Refinanzierung in Fremdwährung wurden bereits dargelegt (vgl. Kapitel II.C.3). So bestanden für die Banken enorme Anreize, sich im Ausland zu verschulden. Umgekehrt bestanden für ausländische Investoren ob der höheren Zinsen im Inland Anreize, Kredite an inländische Banken zu vergeben (vgl. Goldstein/Turner 1996, S. 15). Radelet/Sachs (1998, S. 28/73) führen z.B. aus, daß die Fremdwährungsverschuldung der Banken in Thailand zwischen 1992 und 1996 von 5,9% auf 26,8% des Bruttoinlandsprodukts angestiegen war. Dies bedeutet, daß bei einer Kreditgewährung thailändischer Banken an den privaten Sektor von etwa 140% des BIP (1996) fast 20% aller Kredite durch auf ausländische Währung lautende Verschuldung refinanziert wurden. Die Bruttoauslandsverschuldung russischer Banken gegenüber den wichtigsten Industrienationen belief sich kurz vor Ausbruch der Krise auf 75,9 Mrd. US-$. Diese Summe betrug mehr als das Dreifache der Devisenreserven zu jenem Zeitpunkt. Außerdem besaßen 45% dieser Auslandsschulden eine Laufzeit von weniger als einem Jahr (vgl. Berensmann 1999, S. 10). Durch die vermeintlich vorausberechenbare Wechselkursentwicklung unterblieb oftmals, wie in anderen Ländern auch, eine Absicherung der Fremdwährungspositionen. Auf der anderen Seite erscheint eine Kreditvergabe im Inland wegen des höheren Zinsniveaus für die Banken deutlich rentabler, als das im Ausland aufgenommene Geld wieder als Kredit ins Ausland zu vergeben. Somit werden vorwiegend Einnahmen in inländischer Währung generiert, während die Verbindlichkeiten oft zu einem beträchtlichen Anteil auf ausländische Währung lauten. Ende 1996 waren in Thailand nur 15% aller Fremdwährungsverbindlichkeiten durch Forderungen in ausländischer Währung besichert (vgl. Schrooten 1999, S. 330). Die Nettoauslandsverschuldung russischer Banken betrug im März 1998 (ohne Termingeschäfte) 6,5 Mrd. US-$ (vgl. Berensmann 1999, S. 10). Die Folge aus dem geschilderten Verhalten ist, daß Banken eine zusätzliche Aufgabe übernehmen: die Währungstransformation. Damit gehen Banken aber auch das zusätzliche Risiko ein, im Fall einer erheblichen Abwertung der heimischen Währung einen starken Anstieg der Auslandsverschuldung, ausgedrückt in inländischer Währung, hinnehmen zu müssen (vgl. Kapitel II.C.4.2). Mexiko sei hier als konkretes Beispiel erwähnt. So stieg die in Peso ausgedrückte Fremdwährungsverschuldung mexikanischer Banken, bedingt durch die Währungsabwertung im Dezember 1994, von 89 Mrd. Peso auf 174 Mrd. Peso an. Derartige 141 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Belastungen können zur Insolvenz der Bank bzw. des ganzen Bankensystems führen, sofern der erhöhte Schuldendienst nicht mehr durch Eigenkapital oder sonstige Rücklagen gedeckt werden kann. Wird das Währungsrisiko durch die Kreditvergabe, denominiert in ausländischer Währung, an den Kreditnehmer weitergegeben, besteht im Fall einer Wechselkursabwertung anstatt eines Währungsrisikos ein erhöhtes Adressausfallrisiko, d.h. daß der Kreditnehmer den erhöhten Schuldendienst nicht mehr aufbringen kann und zahlungsunfähig wird (vgl. Theurl 1999, S. 247). 4.3.1.2 Hoher „Maturity Mismatch“ des inländischen Bankensektors Ein weiteres Problem aus der Verschuldungsstruktur kann aus der Fristentransformationsfunktion der Banken entstehen. Wie schon geschildert, kann eine Bank durch den Diversifikationseffekt Einlagen mit kurzer Frist hereinnehmen, diese Mittel längerfristig als Kredit vergeben und damit, ob der höheren Langfristzinsen Erträge generieren. In Emerging Market Economies haben Banken in vielen Fällen auch gar nicht die Möglichkeit, sich langfristig zu verschulden, da sie nur Zugang zu kürzerfristigen Verschuldungsmöglichkeiten besitzen (vgl. Goldstein/Turner 1996, S. 16). Als Folge davon ist der Anteil kurzfristiger Verbindlichkeiten von Banken meist höher als der der kurzfristigen Aktiva, was zu Liquiditätsproblemen führen kann („Maturity Mismatch“, vgl. Radelet/Sachs 1998, S.29f.). Als Beispiel für diese Problematik sei die Finanzkrise in Rußland angeführt. Ende 1997 waren dort 64% aller Einlagen im russischen Bankensystem in weniger als einem Monat abrufbar. Dieser Umstand machte die Banken sehr anfällig für Einlagenabflüsse bzw. die mittel- bis langfristige Kreditgewährung der Finanzinstitute äußerst problematisch (vgl. Berensmann 1999, S.17). Hierbei ist es für das einzelne Finanzinstitut zunächst unerheblich, ob die kurzfristige Verschuldung auf inländische oder ausländische Währung lautet. Erst im Fall einer Währungsabwertung stellt sich eine kurzfristige Verschuldung in inländischer Währung denominiert als vorteilhaft heraus (vgl. Theurl 1999, S. 247). 4.3.1.3 „No Lender of last Resort” Hohe Fremdwährungsverbindlichkeiten führen dazu, daß die Zentralbank zunehmend die Funktion des „Lender of last Resort” für das inländische Bankensystem verliert. Lautet die Verschuldung auf inländische Währung, so kann die Zentralbank Geld für den Abbau der Verschuldung zur Verfügung stellen. Dies ist bei einer Verschuldung in ausländischer Währung nicht, oder nur durch den Einsatz von Devisen142 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) reserven, möglich (vgl. Sachs 1997, S. 8f.). Im Fall Thailands überstieg allein die Fremdwährungsverschuldung des Bankensektors ein Jahr vor Krisenausbruch die gesamten Währungsreserven der Bank of Thailand (vgl. Radelet/Sachs 1998, S. 74). Der Mangel eines „Lenders of last Resort“ kann jedoch auch auftreten, wenn der Verschuldung in ausländischer Währung entsprechende Aktiva in ausländischer Währung gegenüber stehen. Hier ist die Fälligkeitsstruktur ausschlaggebend. Im Regelfall dürften die Fremdwährungsverbindlichkeiten auf kürzere Frist angelegt sein als die Auslandsaktiva (vgl. Kapitel III.A.4.3.1.2). Bei einem Bank-Run kann die Zentralbank zur Unterstützung des Bankensystems kurzfristig wiederum nur auf ihre Währungsreserven zurückgreifen. Erst mittel- bis langfristig kann der Bankensektor seine Fremdwährungsaktiva liquidieren und die fälligen Verbindlichkeiten bedienen (vgl. Sachs 1997, S. 8f.). 4.3.2 Zu geringe Risikovorsorge und zu geringe Margenkalkulation seitens der Banken Eine Erhöhung der Fragilität des Bankensystems entsteht, wie erwähnt, beispielsweise dadurch, daß die durch die Finanzliberalisierung und Deregulierung entstandenen neuen Risiken inkl. der Kreditrisiken unterschätzt werden (vgl. Fischer/Reisen 1992, S. 37 und Theurl 1999, S. 241). Dies äußerte sich nicht nur durch die Tatsache, daß die Geschäfte tatsächlich getätigt werden (vgl. Kapitel III.A.4.2.2.1), sondern auch in einer mangelnden Risikovorsorgeposition für evtl. Verluste aus teilweise hochriskanten Bankgeschäften. Goldstein/Turner (1996) weisen in diesem Zusammenhang auf folgenden Sachverhalt hin: Trotz der Tatsache, daß der wahre Anteil der Non-Performing Loans im Krisenfall höher liegen dürfte als der offiziell ausgewiesene, reichte die Risikovorsorge der Banken in der Vergangenheit in vielen Ländern nicht einmal für die Deckung der offiziell ausgewiesenen notleidenden Kredite aus (vgl. Goldstein/Turner 1996, S. 48). Diese mangelnde Risikovorsorge zeigte sich in Ostasien auch in einer zu geringen Marge der Banken, konkret in einer zu geringen Differenz zwischen Nettozinsspanne (Differenz zwischen durchschnittlichen Zinserträgen und Zinsaufwendungen abzüglich Risikokosten jeweils bezogen auf das Gesamtkapital) und Betriebskosten (vgl. BIZ 1998, S. 133). Dadurch konnten Verluste aus Kreditgeschäften nur bedingt durch Zinseinnahmen aus anderen Kreditgeschäften kompensiert werden und führten schnell zu Verlusten für die Banken. Ein deutlicher Anstieg von Kreditausfällen hatte somit gravierende Auswirkungen auf die 143 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Ertragslage und bei unzureichender Risikovorsorge schließlich auch auf das Eigenkapital (vgl. Honohan 1997, S. 7). 4.3.3 Zu geringe Eigenkapitalausstattung des Bankensektors Auch die Eigenkapitalausstattung des inländischen Bankensystems ist ein entscheidender Baustein eines stabilen Bankensystems (vgl. Fischer/Reisen 1992, S. 36). Das Eigenkapital ist der Hauptbestandteil der Verlustreserve, also der Teil der Bankpassiva, der zum Ausgleich von auftretenden Verlusten zur Verfügung steht. Die Konsequenz aus einer zu geringen Eigenkapitalausstattung des Bankensystems ist, daß das inländische Bankensystem nur relativ geringe Verluste verschmerzen kann, ohne in seiner Existenz bedroht zu sein. Nimmt die Anzahl der Kreditausfälle, beispielsweise im Fall einer Rezession oder durch zu risikoreiche Projekte, zu und besteht keine ausreichende Risikovorsorge, sind die Eigenkapitalreserven der Banken sehr schnell aufgezehrt (vgl. Hartmann-Wendels et al. 2000, S. 455f.). Einzelne Banken werden insolvent und müssen entweder liquidiert, mit einer anderen Bank fusioniert oder vom Staat rekapitalisiert werden. Diese Konstellation ist mit einem weiteren Problem verbunden. Ist die Unterkapitalisierung des Bankensystems kein Geheimnis – also der Bevölkerung bekannt, so kann das Vertrauen der Einleger bereits durch kleinere Verluste einzelner Banken oder schon durch entsprechende Gerüchte schnell untergraben werden. Sofern keine generelle Einlagensicherung seitens des Staates besteht, kann es zu einem massiven Abzug von Einlagen kommen. Gerade dadurch können sich die negativen Gerüchte als real existierend herausstellen (selffulfilling prophecy, vgl. Fischer/Reisen 1992, S. 36f.). Analog zur Verschuldungssituation des Bankensystems kann auch die Eigenkapitalquote oder der Anteil des Eigenkapitals an den gewichteten Risikoaktiva (Solvabilitätskoeffizient) als Indikator verwendet werden. Ein Mangel an Eigenkapital ist in vielen Bankensystemen im Vorfeld von Finanzkrisen zu beobachten (vgl. Fischer/Reisen 1992, S. 26). So wiesen nur 17% der Banken kurz vor Ausbruch der Krise in Rußland 1998 das Mindestmaß an Eigenkapitalanforderungen auf. Somit war eine inhärente Schwäche des Bankensystems gegenüber makroökonomischen Ungleichgewichten vorhanden (vgl. Berensmann 1999, S. 18f.). Außerdem ist es fraglich, ob die von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich geforderte Eigenkapitalausstattung von 8% der gewichteten Risikoaktiva überhaupt 144 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) den teilweise sehr volatilen Gegebenheiten in Emerging Market Economies und Entwicklungsländern gerecht wird. Sachs (1997, S. 11) bezweifelt dieses aufgrund der höheren makroökonomischen Risiken. Vor diesem Hintergrund wäre eine höhere Eigenkapitalausstattung der Banken in Schwellenländern wünschenswert.62 5 Bankenkrise und Verlauf einer Währungskrise 5.1 Belastung des Staatsbudgets Eine Folge einer Bankenkrise ist eine erhebliche finanzielle Belastung der öffentlichen Haushalte (vgl. Kapitel II.F). In den meisten Staaten übernimmt der Staat auf die eine oder andere Art die Kosten der Rekapitalisierung des Bankensystems. Diese Kosten können sich wie gezeigt auf weit mehr als 10% der jährlichen Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft belaufen (vgl. Goldstein/Turner 1996, S. 5f.). Entsprechend ist damit zu rechnen, daß diese Kosten kurz- bis mittelfristig die öffentlichen Haushalte stark belasten (vgl. Lindgren et al. 1999, S. 7). Je höher die Kosten für die Rekapitalisierung der Banken ausfallen, desto größer ist c.p. die Wahrscheinlichkeit, daß die Finanzierung nicht mehr vollständig über Anleiheemissionen oder Abbildung 14: Auswirkungen einer Bankenkrise auf den Wechselkurs Bankenkrise übermäßige Belastung der öffentlichen Haushalte „Credit Crunch“ erhöhte Kapitalabflüsse Zielkonflikt zwischen Stabilisierung des Bankensektors und des Wechselkurses Währungskrise Quelle: Eigene Darstellung Auslandskredite erfolgen kann. In diesem Fall bliebe lediglich eine Geldmengenerhöhung als Finanzierungsquelle (vgl. Goldstein/Turner 1996, S. 6). Dies wissen auch 62 Selbst Banken in Industriestaaten weisen häufig höhere Eigenkapitalquoten in Relation zu den gewichteten Risikoaktiva auf. 145 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) die Marktteilnehmer und werden umso mehr inländische Währung verkaufen, je höher die Kosten der Bankenrekapitalisierung ausfallen bzw. eingeschätzt werden (vgl. Burnside et al. 1999, S. 3). 5.2 „Credit Crunch“ Als Folge einer Bankenkrise kann häufig ein sogenannter „Credit Crunch“ beobachtet werden. Darunter kann die starke Zurückhaltung von Banken verstanden werden, Kredite neu zu vergeben oder bestehende Kreditlinien zu verlängern. Wichtig hierbei ist, daß auch Unternehmen mit guter Bonität von der Kreditzurückhaltung der Kreditinstitute betroffen sind (Lindgren et al. 1999, S. 24f.). Ein Credit Crunch hat zur Folge, daß Unternehmen in einer Volkswirtschaft nur noch eingeschränkte Möglichkeiten der Investitionsfinanzierung besitzen. Darüber hinaus müssen die nicht verlängerten Kreditlinien an die Banken zurückgezahlt werden. Als Alternativfinanzierungen bleiben noch eine zunehmende Auslandsverschuldung der Unternehmen, die Emissionen von Gläubiger- und Beteiligungspapieren über die Börsen und die Innenfinanzierung durch einbehaltene Gewinne. Die Verschuldung über Auslandsbanken wird im Fall einer Währungskrise kaum machbar sein, da selbst die betroffenen Staaten – sofern es sich um Schwellenländer handelt – kaum in der Lage sind, Mittel im Ausland aufzunehmen. Und auch die Plazierung von Wertpapieren an Inlandsbörsen dürfte besonders für aufstrebende Volkswirtschaften nur schwer möglich sein, auch deshalb, weil in vielen Emerging Market Economies die Inlandsbörsen nur geringe Aufnahmefähigkeit besitzen (siehe auch Kapitel IV.A). Bleibt als letztes noch die Innenfinanzierung über thesaurierte Gewinne. Diese reichen jedoch oft nicht aus, sofern sie überhaupt vorhanden sind. So können kaum noch Investitionen getätigt oder Rohstoffe beschafft werden. Werden Kreditlimite eingefordert, muß Eigenkapital zur Kreditrückzahlung eingesetzt werden. Das ist in vielen Fällen nicht frei verfügbar, sondern in Investitionsgütern gebunden. Können diese nicht verkauft werden oder reicht das Eigenkapital zur Rückzahlung der Kredite nicht aus, ist das Unternehmen zahlungsunfähig (vgl. Gavin/Hausmann 1998, S. 4). Auf diesem Weg kann eine Bankenkrise den Unternehmenssektor als Ganzes, obwohl sonst finanziell gesund, in eine erhebliche Schieflage bringen. Ein insolventer Unternehmenssektor dürfte die Kapitalabflüsse weiter verstärken und so den Wechselkurs noch mehr unter Druck bringen. 146 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) 5.3 Erhöhte Kapitalabflüsse, Modell von Goldfajn/Valdés (1997) Zudem sorgt eine Bankenkrise in vielen Fällen für einen vermehrten Kapitalabfluß aus der gesamten Volkswirtschaft, bedingt durch die Angst vor Illiquidität oder Insolvenz des Bankensektors. Dies dürfte sowohl für die heimische Bevölkerung als auch für internationale Investoren gelten. Die Kapitalabflüsse sorgen für zusätzliche Devisennachfrage und bringen die heimische Währung weiter unter Druck. Das Modell von Goldfajn/Valdés (1997) Goldfajn/Valdés (1997) gehen in ihrem Modell von einer Drei-Perioden-Einteilung aus (0,1,2). Es gibt drei Teilnehmer: die inländische Zentralbank, das inländische Bankensystem sowie eine Gruppe internationaler Investoren. Letztere können ihr Vermögen entweder in einer sicheren und liquiden internationalen Anlage oder in einer risikobehafteten illiquiden inländischen Anlage investieren. Inländisch bezieht sich auf die Volkswirtschaft, der das Vermögen zufließen kann. Für die internationalen Investoren wird ein risikoaverses und nutzenmaximierendes Verhalten bei der Aufteilung ihres Vermögens auf die beiden Assetklassen angenommen. Weiter wird unterstellt, daß ein Investor in der Periode 0 nicht weiß, ob er unter Umständen in Periode 1 Liquidität benötigt und seine Anlage auflösen muß. Es wird also zwischen zwei Arten von Investoren unterschieden: 1. Investoren, die in Periode 1 Liquidität benötigen und ihre Anlage auflösen. Der Anteil dieser Gruppe ist bekannt. 2. Investoren, die ihre Anlage bis einschließlich Periode 2 halten können. Diese Investoren haben eine Wahlmöglichkeit: Entweder sie belassen ihr Vermögen bis zum Ende von Periode 2 in ihrer Anlage, oder sie ziehen ihre Mittel frühzeitig ab, sofern dies für sie vorteilhaft ist. Es gilt: φ=0<φ<1 φ // 1-φ (III.A.5.1) = Anteil der Investoren, welche ihre Anlagen bereits in Periode 1 auflösen müssen // bis Periode 2 halten können 147 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Ausschluß von Finanzintermediation Zunächst nehmen Goldfajn/Valdés (1997) an, es sei den Investoren nur möglich, direkt in die inländische Anlage zu investieren. Es existieren keine Finanzintermediäre. Der Ertrag der inländischen Investition in Periode 1 sei konstant. In Periode 2 besteht aufgrund der Langfristigkeit der Investition die Möglichkeit, höhere Investitionserträge als in Periode 1 zu erzielen. Jedoch ist der Wert dieser Investitionserträge in Periode 0 unsicher und wird erst in Periode 1 erkennbar. Die Verteilungsfunktion der Erträge in Periode 2 und die Höhe der inländischen Investitionserträge in Periode 1 seien allen bekannt. Für die maximal mögliche bzw. die minimale Rendite (Investition schlägt fehl) in Periode 2 gilt: °R(G(R)) °R °Rmin // °Rmax G(R) r~ q °Rmin = q, q = q (III.A.5.2) °Rmax > r~² (III.A.5.3) = Investitionsertrag der inländischen Anlage in Periode 2 = minimale // maximale Rendite der Investition in Periode 2 = Verteilungsfunktion der Investitionserträge aus der inländischen Anlage in Periode 2 = Zinsfaktor der internationalen Anlage pro Periode = Ertrag der inländischen Anlage in Periode 1 Da die inländische Investition definitionsgemäß illiquide ist, fällt der Ertrag bei vorzeitiger Auflösung der Investition geringer aus als bei der sicheren Anlage: q < r~ (III.A.5.4) Die Kapitalströme laufen ohne Finanzintermediation wie folgt ab63: + // ani Periode 0 + ani (III.A.5.5) Periode 1 - ani *q*φ (III.A.5.6) Periode 2 - ani*°R*(1-φ) (III.A.5.7) = Kapitalzufluß // Kapitalabfluß = Kapitalfluß ohne Finanzintermediation Finanzintermediation Nun wird angenommen, daß ein Finanzintermediär vorhanden ist. Dessen Dienstleistung besteht aus Fristentransformation. Die ausländischen Investoren werden diese Dienstleistung des Intermediärs in Anspruch nehmen, also nicht direkt investieren. 63 Unterstellt wird hierbei, daß die Investoren, die ihr Kapital bis zum Ende von Periode 2 halten können, dies auch tun. 148 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Der Intermediär bietet den Investoren eine liquide Anlage an. Er zahlt den Anlegern dafür einen Zins. Für diesen gilt: r1 in Periode 1 (III.A.5.8) °r2 in Periode 2 (III.A.5.9) °r °r r1 °r2 = Zinsfaktor, den der Finanzintermediär den Anlegern gewährt = Zinsfaktor, den der Finanzintermediär den Anlegern in Periode 1 gewährt = Zinsfaktor, den der Finanzintermediär den Anlegern in Periode 2 gewährt Seinerseits wird der Intermediär die ihm zur Verfügung gestellten Mittel in die illiquide Anlage investieren. Die Fristentransformation macht den Finanzintermediär anfällig für Bank-Runs. Der Finanzintermediär kann nicht zwischen den beiden Investorengruppen unterscheiden und wird daher seine Mittel an alle Investoren auszahlen, die ihre Depositen bei ihm auflösen möchten. Die Verbindung zwischen r1 und °r2 ergibt sich aus den beschränkten Mitteln der Bank und dem Anteil der Investoren, die in Periode 1 ihr Kapital tatsächlich abziehen. Formal ergibt sich: r1*f1/q+°r2*(1-f1)/°R = 1 f1 (III.A.5.10) = Anteil der Investoren, die in Periode 1 ihr Kapital tatsächlich abziehen oder umgeformt nach °r2: °r2*(1-f1)/°R = 1-r1*f1/q (III.A.5.11) °r2 =°R*(1-r1*f1/q)/(1-f1) (III.A.5.12) Außerdem sei: r1 ≥ q (III.A.5.13) Diese Konstellation macht einen Bank-Run immer dann wahrscheinlich, wenn in der ersten Periode viel Kapital abgezogen wird (f1 relativ hoch) oder aber die zu erwartende Rendite der Investitionen nach Periode 2 (°R) als relativ gering angesehen wird. Nach den Gleichungen (III.A.5.10) und (III.A.5.12) reduziert sich im Fall eines 149 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) starken Kapitalabflusses in Periode 1 der zu erwartende Zinsertrag der Periode 2. Dies macht ein weiteres Festhalten an dieser Anlage uninteressant, sofern gilt: °r2 ≤ r1*r~ (III.A.5.14) Dann besteht auch für die Investoren, die eigentlich keine Liquidität in Periode 1 benötigen, ein Anreiz, ihr Geld in Periode 1 abzuziehen und für die Periode 2 in der sicheren internationalen Anlage zu parken. Es kommt zur Auflösung sämtlicher Bankeinlagen und damit zum Bank-Run. In diesem Fall stellt sich aber auch jeder Investor schlechter. Denn im Fall eines Bank-Runs und des vollständigen Abzugs der Einlagen in Periode 1 wird als Auszahlungsbetrag gemäß Gleichung (III.A.5.10): r1 = q anstelle von r1 > q (III.A.5.15) Goldfajn/Valdés (1997) vernachlässigen den Aspekt eines zufällig relativ hohen f1 jedoch. Für sie ist der Zinsertrag, den die Bank an die Investoren zahlt (°r2), der entscheidende Faktor. Dieser sei: °r2 = °r2(°R) mit °r2 ≤ °R (III.A.5.16) Nun wird weiter angenommen, daß die Investition eine gewisse Mindestrendite erbringen muß, damit der Zins (°r2) wenigstens so hoch gehalten werden kann, daß es zu keinen Anreizen kommt, die Einlagen frühzeitig aufzulösen, Gleichung (III.A.5.14) also nicht erfüllt wird. Sofern: °R ≥ RΝ RΝ (III.A.5.17) = Mindestrendite der inländischen Anlage, um Anreiz für einen Bank-Run zu vermeiden folgt daraus: °r2 > r1*r~ (III.A.5.18) Damit könnte ein Bank-Run vermieden werden. Die Wahrscheinlichkeit eines BankRuns hängt somit davon ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit nach Periode 2 wenig- 150 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) stens die Mindestrendite (RΝ) erreicht wird. Aus der Erfüllung von Gleichung (III.A.5.18) zur Vermeidung eines Bank-Runs und da (III.A.5.19) q < r~ bzw. q < r1 gilt, folgt zwangsläufig °r2 > q (III.A.5.20) und unter Einbeziehung von Gleichung (III.A.5.16): °R > q. (III.A.5.21) Da jedoch °Rmin = q (III.A.5.22) ist die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einem Bank-Run kommt größer als 0: G(RΝ) > 0 G(RΝ) (III.A.5.23) = Wahrscheinlichkeit eines Bank-Runs Aus den Gleichungen (III.A.5.13) und (III.A.5.16) stellt sich noch ein bedeutender Effekt der Finanzintermediation dar. Durch die Tätigkeit des Finanzintermediärs werden die Kosten einer vorzeitigen Liquidation und – unter Einbeziehung der Periode 2 – auch der Renditespread zwischen Kapitalabzug in Periode 1 und Kapitalabzug in Periode 2 für den Investor verringert. Dies hat bei Unterstellung einer Risikoaversion der Anleger eine Nutzensteigerung des Investments zur Folge. So kann mehr Kapital der Investoren ins Land geholt werden, als dies ohne Finanzintermediation möglich wäre. Goldfajn/Valdés (1997) zeigen, daß dies selbst dann der Fall ist, wenn sich die internationalen Investoren der Gefahr eines Bank-Runs bewußt sind. Es gilt also: ai > ani ai // ani (III.A.5.24) = Kapitalfluß bei // ohne Finanzintermediation 151 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Die Kapitalströme bei Finanzintermediation verlaufen wie folgt: Periode 0 + ai wobei ai > ani (III.A.5.25) a) ohne Bank-Run - φ*r1*ai mit 1-G(RΝ) (III.A.5.26) b) mit Bank-Run - q*ai mit G(RΝ) (III.A.5.27) a) ohne Bank-Run - (1-φ)*°r2*ai mit 1-G(RΝ) (III.A.5.28) b) mit Bank-Run -0 mit G(RΝ) (III.A.5.29) Periode 1 Periode 2 Aus den Gleichungen (III.A.5.6), (III.A.5.26) und (III.A.5.27) wird klar, daß im Fall eines Bank-Runs mehr Kapital in Periode 1 ins Ausland abfließt als in Situationen, in denen kein Bank-Run oder gar keine Finanzintermediation stattfindet. Gegenüber der Situation ohne Finanzintermediation gilt dies ebenso, sofern nicht alle Anlagen in Periode 1 liquidiert werden. Letzteres läßt sich unmittelbar aus den Gleichungen (III.A.5.6) und (III.A.5.27) ersehen: φ*q < q und φ < 1 (III.A.5.30) Aber auch mit Finanzintermediation (ohne Bank-Run) sind die Kapitalabflüsse in Periode 1 geringer als bei einem Bank-Run, da: r1*φ < q (III.A.5.31) Es gilt zwar nach Gleichung (III.A.5.13): r1 ≥ q (III.A.5.32) Allerdings muß berücksichtigt werden, daß der Finanzintermediär nicht in der Lage ist, in Summe mehr an Zinsen an die Investoren am Ende von Periode 1 auszuzahlen, als er Erträge aus der Investition in Periode 1 erwirtschaftet. Dies wird dadurch 152 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) möglich, daß ohne Bank-Run nur ein Teil der Investoren (φ) die Anlagen in Periode 1 auflöst. φ kann entsprechend maximal so hoch sein, daß daraus resultiert:64 r1*φ ≤ q (III.A.5.33) Im Modell von Goldfajn/Valdés (1997) erhöht Finanzintermediation die Kapitalzuflüsse, birgt aber auch das Risiko eines Bank-Runs und erhöhter Kapitalabflüsse in Periode 1. Berücksichtigung einer möglichen Währungskrise Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind die Auswirkungen auf den Wechselkurs unberücksichtigt geblieben. Goldfajn/Valdés (1997) gehen im weiteren Verlauf ihres Modells davon aus, daß die Zentralbank einen bestehenden fixen Wechselkurs (ausgedrückt in Preisnotierung), bis zu einem bestimmten Punkt (wird noch näher erläutert) mit dem Verkauf von Devisenreserven verteidigen wird. Ist sie damit erfolgreich, gleicht der Wechselkurs in Periode 0 dem in den darauf folgenden Perioden. Ansonsten gilt e0 < e1 = e2. e0 e1 e2 (III.A.5.34) = Wechselkurs in Periode 0 = Wechselkurs in Periode 1 = Wechselkurs in Periode 2 Im Fall von Kapitalabflüssen setzt die Zentralbank ihre Devisenreserven nur bis zu einer gewissen Höhe ein, um den Wechselkurs zu verteidigen. Wenn diese Marke überschritten wird, wird der Wechselkurs freigegeben und die verbliebenen Reserven werden zu dem Wechselkurs verkauft, der die restliche Devisennachfrage befriedigt (siehe auch Kapitel II.E). Der Wechselkurs in Periode 0 (e0) wird gleich 1 gesetzt. Die Wechselkursentwicklung für den einzelnen Investor stellt sich folgendermaßen dar: 64 Der Vollständigkeit halber soll darauf hingewiesen werden, daß es Konstellationen geben kann, in den der Kapitalabfluß am Ende von Periode 1 ohne Bank-Run zumindest genauso hoch ausfällt wie mit Bank-Run. Dies gilt wenn r1*φ = q/r1. Dies wären sehr spezifische Fälle, die sehr unwahrscheinlich sind. 153 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) wenn F ≤ RX (III.A.5.35) mit ß wenn F > RX (III.A.5.36) mit 1-ß wenn F > RX (III.A.5.37) 1 e1 = 1 1+(F-RX)/(RX-RXlim) ß // (1-ß) RX F RXlim = jeweilige Eintrittswahrscheinlichkeiten = Gesamtbestand an Währungsreserven in Periode 1 = Kapitalabfluß in Periode 1 = Höchstgrenze, bis zu welcher die Notenbank Währungsreserven verkauft, um den Wechselkurs konstant zu halten Es gilt ferner: ß = RXlim/F (III.A.5.38) Ein bestimmter Anteil der Investoren kann für den Fall, daß F>RX und RX>RXlim, das jeweils eingesetzte Kapital nur zu einem höheren (und damit ungünstigeren) Wechselkurs in ausländische Währung transferieren. Weiter zeigt das Modell, daß die Abwertung der heimischen Währung umso stärker ausfällt, je weniger Währungsreserven nach Freigabe des Wechselkurses noch vorhanden sind. Durch die Möglichkeit einer Abwertung der heimischen Währung haben die Investoren auch dieses Risiko in ihre Kalkulation miteinzubeziehen. Eine Abwertung kann das heimische Investment in Relation zum internationalen deutlich unattraktiver machen. Eine erwartete Abwertung der Inlandswährung wird den Anreiz verstärken – unabhängig davon, ob ein Liquiditätsbedarf in Periode 1 auftritt oder nicht, die inländische Anlage aufzulösen. Dann kann es jedoch erst recht zu einer Abwertung der inländischen Währung kommen, was die bestehenden Erwartungen bestätigen würde. Goldfajn/Valdés (1997) gehen wiederum von einer Mindestrendite aus, die das inländische Projekt nach zwei Perioden erbringen muß, um einen Abzug des Kapitals unabhängig vom Liquiditätsbedarf in Periode 1 zu vermeiden. Sofern die Devisenreserven den herkömmlichen Kapitalabzug in Periode 1 übersteigen, ist keine Abwertung zu erwarten. Diese Mindestrendite läßt sich darstellen als: 154 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) RΝ sofern e0 = e1 = e2 (III.A.5.39) RΝ*E(e1/e0) sofern e0 < e1 = e2 (III.A.5.40) Rc = E(e1/e0) = erwartete Abwertungsrate der inländischen Währung in Periode 1 = Mindestrendite der inländischen Anlage in Periode 2 zur Vermeidung eines Bank-Runs unter Berücksichtigung des Rc Abwertungsrisikos der inländischen Währung Die minimale Rendite ausgedrückt in heimischer Währung, die das Investitionsprojekt erzielen muß, um eine allgemeine Auflösung der Anlagen zu vermeiden, erhöht sich in Anlehnung an Gleichung (III.A.5.17) entsprechend um das Ausmaß der erwarteten Abwertung. Da sich die Renditechancen des inländischen Investitionsprojektes nicht verändern, steigt mit zunehmender Abwertungserwartung die Wahrscheinlichkeit, daß die Rendite des Investitionsobjekts nicht ausreicht, einen BankRun zu vermeiden. Im Extremfall reicht auch die höchstmögliche Rendite des Anlageobjektes hierzu nicht mehr aus. Andersherum erhöht ein Bank-Run die Wahrscheinlichkeit einer Währungskrise, da, wie oben gezeigt, mehr Kapital in Periode 1 aus dem Land fließt und die Devisenreserven stärker verringert werden. Im Normalfall ergäbe sich ein Kapitalabfluß in Periode 1 von ai*φr1. Durch den Bank-Run fließt fast immer mehr Kapital ins Ausland ab (q*ai). Somit steigt automatisch das Risiko, daß die vorhandenen Währungsreserven (RX) nicht genügen, um den gesamten Kapitalabfluß zu bedienen und den fixen Wechselkurs aufrecht zu erhalten. Außerdem läßt sich durch dieses Modell nachweisen, daß im Fall eines Bank-Runs eine eventuelle Währungsabwertung noch drastischer ausfällt. Nach einer Abwertung bildet sich der neue Wechselkurs gemäß Gleichung (III.A.5.37) als: e1 = 1+(F-RX)/(RX-RXlim) (III.A.5.41) Bei gegebenem Reservebestand (RX) und fixierter Interventionsgrenze (RXlim) fällt die Abwertung umso höher aus (höheres e1), je ausgeprägter die Kapitalabflüsse (F) sind. Im Fall einer Bankenkrise ergibt sich bei einer Wechselkursabwertung der neue Wechselkurs durch die Gleichungen (III.A.5.41) und (III.A.5.27): e1 = 1+(ai*q-RX)/(RX-RXlim) (III.A.5.42) 155 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Ohne Bankenkrise stellt sich der neue Wechselkurs durch die Gleichungen (III.A.5.41) und (III.A.5.26) wie folgt dar: e1 = 1+(ai*r1*φ-RX)/(RX-RXlim) (III.A.5.43) Unter Berücksichtigung von Gleichung (III.A.5.33) zeigt das Modell so, daß bei Bankenkrisen im Inland die Abwertungsrate der inländischen Währung fast immer höher ist als bei einem gesunden Finanzsektor. Außerdem besteht eine Wechselbeziehung zwischen einer Schwächung des Bankensystems und einer Währungsabwertung (vgl. Goldfajn/Valdés 1997, S. 8ff). 5.4 Stabilisierung des Bankensektors versus Minimierung der Wechselkursabwertung 5.4.1 Restriktive versus expansive Geldpolitik Eine Bankenkrise generiert in Kombination mit einer Währungskrise für eine Zentralbank einen Zielkonflikt zwischen Stabilisierung des Bankensektors und Minimierung der Wechselkursabwertung. Dies wurde unter allgemeinerem Blickwinkel schon in Kapitel II.C.4.4 angesprochen. Zur Bekämpfung der Bankenkrise sind niedrige Zinsen bzw. Liquiditätszuschüsse von Nöten. Damit soll u.a. die Erhöhung von notleidenden Krediten, der Anstieg zu zahlender Zinsen auf Verbindlichkeiten der Banken und ein Kurseinbruch bei inländischen Wertpapieren verhindert werden. Die niedrigen Zinsen sollen den Banken zudem Erträge aus der Refinanzierung vergebener Kredite ermöglichen und die Illiquidität des Bankensektors bedingt durch Einlagenabzüge verhindern (vgl. IEO 2003, S. 23). Damit können die Banken alle Abhebungen bedienen, ohne in großem Stil andere Aktiva aufzulösen. Durch solche Maßnahmen wird jedoch die inländische Liquidität deutlich erhöht. Diese Maßnahmen dürften sich zunehmend negativ auf die erwartete Abwertungsrate auswirken. Niedrigere Inlandszinsen, reichlich Liquidität und höhere Abwertungserwartungen für die inländische Währung führen gemäß der Zinsparität und der monetären Wechselkurstheorie zu Kapitalabflüssen. Durch die Liquiditätszufuhr liefert die Notenbank inländische Geldmittel, welche inländische Wirtschaftssubjekte dazu nutzen können, diese entweder bei der Zentralbank oder am Devisenmarkt in Fremdwährung zu tauschen. Unter sonst gleichen Bedingungen wird die Inlandswährung so noch stärker abwerten. Die einzige Möglichkeit, dieser Entwicklung entgegen zu steuern, wäre 156 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) eine Sterilisierung der zusätzlichen Liquidität (vgl. Lindgren et al. 1999, S. 18). Zur Verminderung der Währungsabwertung wäre eine Anhebung der inländischen Zinsen und eine Vermeidung von Liquiditätshilfen erforderlich. Dadurch ließe sich zwar die Zinsdifferenz zum Ausland ausweiten und damit könnten Kapitalabflüsse zunächst eingedämmt werden. Die höheren Zinsen hätten jedoch die bereits geschilderten negativen Folgen für den Finanz- und Unternehmenssektor, wodurch Kapitalabflüsse aus Angst vor Insolvenzen resultieren können, besonders wenn der Bankensektor erhebliche Fragilitäten aufweist (vgl. Radelet/Sachs 1998, S. 49ff.). 5.4.2 Modell von Sachs/Tornell/Velasco (1996) Sachs et al. (1996) weisen in ihrem Modell auf die Bedeutung eines gesunden Bankensystems für die Vermeidung bzw. Begrenzung einer Währungskrise hin. Dies gilt insbesondere im Fall makroökonomischer Störungen. Sollten makroökonomische Verwerfungen trotzdem zu einer Währungskrise führen, kann eine heftigere Abwertung durch ein gesundes Bankensystem vermieden werden. Sachs et al. (1996) präsentieren ein statisches Modell. Die Regierung bzw. Zentralbank einer Volkswirtschaft hat die inländische Währung mit einem bestimmten Wechselkurs an eine ausländische Währung gekoppelt. Es wird von kurzfristig inflexiblen Preisen ausgegangen. Die Zentralbank wird den Wechselkurs solange aufrecht erhalten, wie genügend Währungsreserven vorhanden sind, um die Nettokapitalabflüsse zu befriedigen. Sofern die Nettokapitalabflüsse die Währungsreserven übersteigen, setzt die Zentralbank einen neuen Wechselkurs fest, um einen angestrebten realen Wechselkurs zu erreichen. Der Zielwechselkurs der Zentralbank bestimmt sich aus einer Reihe von Variablen (z.B. Terms of Trade, Grad der Kapitalverkehrsliberalisierung usw.). Von besonderer Bedeutung für die Festlegung des Zielwechselkurses ist der Zustand des heimischen Bankensystems. Ist dessen Zustand solide, gleicht er dem langfristigen realen Wechselkurs. Sollte das inländische Bankensystem sich jedoch in einer Bankenkrise befinden, wird die Zentralbank die inländische Währung stärker abwerten lassen als es zur Erreichung des langfristigen realen Wechselkurses nötig wäre. 157 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Dies tut sie, um die inländischen Zinsen nicht zur Verteidigung des Wechselkurses anheben zu müssen. Höhere Zinsen würden die konjunkturelle Gesamtsituation der Volkswirtschaft weiter verschlechtern. Dies würde eine Erhöhung der Kreditausfälle und Verluste aus Kreditrefinanzierungen und damit eine weitere Schwächung des Bankensystems nach sich ziehen. Schlimmstenfalls würde es zusammenbrechen. Sachs et al. (1996) geben außerdem an, daß sich durch eine stärkere Abwertung auch der Wert der Verschuldung der Banken reduzieren läßt.65 Als Indikator für die Krisenanfälligkeit des Bankensystems findet im Modell das Vorangehen einer übermäßigen Kreditausweitung (Lending Boom) Verwendung. Diese Entwicklung führt häufig, wie in Kapitel III.A.4.2.2.2 dargelegt, zu einer wachsenden Anzahl notleidender Kredite. Sollte ein solcher Anstieg vor Ausbruch der Währungsturbulenzen stattgefunden haben, wird die Zentralbank von einem instabilen Bankensystem ausgehen und die Währung stärker als zur Erreichung des langfristigen realen Wechselkurses erforderlich abwerten (lassen). Formal läßt sich obiges wie folgt darstellen: E0/P mit P = 1 E0/P (III.A.5.44) = realer Wechselkurs zu Beginn der Beobachtung in Preisnotierung E0 sofern K ≤ R (III.A.5.45) ET sofern K > R (III.A.5.46) E1 = D= E1/E0-1 (III.A.5.47) 0 sofern K ≤ R (III.A.5.48) ET/E0-1 sofern K > R (III.A.5.49) D= ET = P E0 E1 ET K R D f LB e e*f(LB), wobei LB≥0; df(LB)/dLB > 0 und f(0) = 1 (III.A.5.50) = Verhältnis zwischen in- und ausländischem Preisniveau = Wechselkurs in Preisnotierung zu Beginn des Beobachtungszeitraums = Tatsächlicher Wechselkurs am Ende des Beobachtungszeitraums = Zielwechselkurs der Zentralbank bei Wechselkursfreigabe = Nettokapitalabflüsse = Devisenreserven = Abwertungsrate der inländischen Währung = Funktion von ... = Lending Boom = langfristiger realer Wechselkurs 65 Voraussetzung ist jedoch, daß ein Großteil der Verschuldung der Banken auf Inlandswährung lautet. 158 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Aus Gleichung (III.A.5.50) folgt, daß, sofern im Vorfeld der Währungsabwertung ein Lending Boom stattgefunden hat, gilt: ET > e (III.A.5.51) Unter Berücksichtigung von Gleichung (III.A.5.50) kann Gleichung (III.A.5.49) auch folgendermaßen geschrieben werden: 0 sofern K ≤ R (III.A.5.52) e/E0*f(LB)-1 sofern K > R (III.A.5.53) D= In Anlehnung an Gleichung (III.A.5.53) fällt die Abwertung der inländischen Währung umso größer aus, je übermäßiger die Kreditgewährung der Banken in der zurückliegenden Zeit ausgedehnt wurde, LB also große Werte annimmt. Gleiches gilt, je stärker der aktuelle Wechselkurs gegenüber dem langfristigen realen Wechselkurs überbewertet ist, was sich in einem hohen Wert für e/E0 niederschlägt. Sachs et al. (1996) führen in ihr Modell noch Elemente multipler Gleichgewichte ein. Diese zeigen sich darin, daß die internationalen Investoren die Frage des Kapitalabzuges von der erwarteten Abwertungsrate der inländischen Währung durch die Zentralbank abhängig machen. Es werden Investoren unterstellt, die jeweils eine bestimmte Menge von Anlagen im inländischen Bankensystem halten. Sachs et al. (1996) machen darauf aufmerksam, daß die kritische Abwertungsrate der inländischen Währung somit als Zinsdifferenz verstanden werden kann, um welche die inländischen Zinsen die Verzinsung einer ausländischen Anlage übersteigen. Gehen die Investoren aufgrund einer Bankenkrise und einer überbewerteten Inlandswährung von einer höheren Abwertungsrate als der kritischen Abwertungsrate aus, so werden sie ihre inländischen Anlagen veräußern und ihr Kapital abziehen. Formal ist der einzelne Investor und sind gleichzeitig alle Anleger mit folgender Situation konfrontiert: 0 sofern D ≤ φ (III.A.5.54) k bzw. K sofern D > φ (III.A.5.55) k; K = 159 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) wobei gilt: k*N = K N k φ (III.A.5.56) = Anzahl der Investoren = Kapitalabfluß bedingt durch den Kapitalabzug eines einzelnen Investors = kritische Abwertungsrate der inländischen Währung; gleichbedeutend mit der Zinsdifferenz Aufgrund des Modells können vier Fälle unterschieden werden: Im Falle gesunder Fundamentalfaktoren, d.h. sofern keine oder nur eine unerhebliche reale Überbewertung der inländischen Währung vorliegt und keine übermäßige Kreditvergabe der Banken in der Vergangenheit stattgefunden hat, gilt: e/E0*f(LB)-1 ≤ φ (III.A.5.57) Die auf den Fundamentalfaktoren beruhende erwartete Abwertungsrate ist folglich geringer als die Zinsdifferenz zwischen Inland und Ausland. Es kommt zu keinen Kapitalabflüssen. Die Höhe der Devisenreserven spielt in diesem Fall keine Rolle: K = 0 < R und D = 0 (III.A.5.58) Befindet sich das inländische Bankensystem jedoch in einer Krise (z.B. durch übermäßige Kreditausweitung in der Vergangenheit) und/oder ist die heimische Währung deutlich real überbewertet, verhalten sich die Dinge anders. In diesem Fall übersteigt die erwartete Abwertung die Zinsdifferenz und es kommt zu Kapitalabflüssen: e/E0*f(LB)-1 > φ und (III.A.5.59) K = N*k > 0 (III.A.5.60) Jedoch ist auch jetzt eine Abwertung noch nicht unumgänglich, wenn die Devisenreserven ausreichen, alle Kapitalabflüsse zu befriedigen: K = N*k > 0 und N*k ≤ R; D = 0 (III.A.5.61) Auf der anderen Seite müssen auch eigentlich zu geringe Devisenreserven nicht in jedem Fall zu einer Währungsabwertung führen. Ob es zu einer Abwertung kommt, 160 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) hängt in einer solchen Situation von den Erwartungen der Anleger ab. Sofern die Anleger eine geringere Abwertung der inländischen Währung als φ erwarten, kommt es, wie in Gleichung (III.A.5.54) dargestellt, zu keinerlei Kapitalabflüssen und damit trotz nur geringer Devisenreserven zu keiner Währungskrise. Erst wenn beide Faktoren aufeinander treffen – zu niedrige Währungsreserven und eine erwartete Abwertungsrate der inländischen Währung, welche die Zinsdifferenz zwischen In- und Ausland übersteigt – kommt es zur Währungsabwertung. Bei geringen Devisenreserven können Abwertungen allein aufgrund von Erwartungsänderungen der internationalen Anleger über die Höhe der möglichen Währungsabwertung auftreten (selffulfilling prophecy). Für das Auftreten einer Währungskrise muß also gelten: e/E0*f(LB)-1 > φ und K = N*k > R (III.A.5.62) Erst wenn Gleichung (III.A.5.62) erfüllt ist, gilt: D > 0 bzw. (III.A.5.63) D = e/E0*f(LB)-1 (III.A.5.64) Das Modell zeigt, daß vor allem die Volkswirtschaften besonders anfällig für eine Währungskrise sind, deren Währungsreserven relativ gering sind und die über real überbewertete Währungen sowie ein schwaches Bankensystem verfügen. Die beiden letztgenannten Faktoren determinieren im Modell zudem die Höhe der Abwertungsrate. Ein schwaches Bankensystem führt also im Fall einer Währungskrise c.p. zu einer stärkeren Abwertung der Inlandswährung (vgl. Sachs et al. 1996, S. 155ff.). 6 Zusammenfassung der Krisenindikatoren des Bankensektors Eine Bankenkrise ist quantitativ nur schwer zu erfassen. Eine Möglichkeit bietet das Stattfinden eines Bank-Runs. Sofern darüber Daten vorliegen, können sie als Indikatoren genutzt werden. Sonst muß auf einzelne, besser quantifizierbare Indikatoren zurückgegriffen werden. Aus den Darlegungen ergeben sich für den empirischen Teil verschiedene Indikatoren. Die Höhe der notleidenden Kredite des Bankensystems kann direkt gemessen werden. Um eine Vergleichbarkeit zwischen Bankensystemen zu erreichen, wird die 161 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.A) Höhe der Non-Performing Loans ins Verhältnis zu den gesamten ausstehenden Krediten des Bankensektors gesetzt. Aufgrund der unterschiedlichen Bilanzierungsvorschriften sollte parallel dazu auch die Entwicklung der offiziell ausgewiesenen NonPerforming-Loan-Quote in den letzten Jahren von der Krise herangezogen werden. Als Präindikator der notleidenden Kredite wurde u.a. bereits auf ein hohes Wachstum der Kreditvergabe (auf realer Basis) an den Privatsektor verwiesen. Dieses ist ebenfalls direkt meßbar. Um den unterschiedlichen Wachstumsraten der inländischen Wirtschaft Rechnung zu tragen, sollen das Verhältnis und die Differenz zwischen Kredit- und Wirtschaftswachstum mit in Betracht gezogen werden. Über staatliche Direktiven zur Kreditvergabe, staatliche Garantien und mangelndes Risikobewußtsein liegen nur sehr wenige quantitative Informationen vor, so daß eine Berücksichtigung unterbleiben muß. Auch unterschiedliche Bilanzierungsvorschriften in verschiedenen Volkswirtschaften sind in ihren Auswirkungen kaum meßbar, weshalb auch diese Größe nicht in die empirische Betrachtung einfließt. Da jedoch alle vier Indikatoren Determinanten der notleidenden Kredite sind, kann auf diese verzichtet werden. Die Anfälligkeit der Wertpapierportfolios für Preisschwankungen kann anhand des Anteils inländischer Wertpapiere am Gesamtportfolio gemessen werden. Je höher der Anteil inländischer Wertpapiere, desto schwankungsanfälliger das Gesamtportfolio. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Wertentwicklung inländischer Wertpapiere hinzuweisen sein. Als Indikatoren hierfür könnten sich der inländische Aktien- und Immobilienpreisindex anbieten. Die Wertentwicklung der inländischen Anleihen ließe sich anhand eines Rentenindex oder indirekt anhand der Länderratingentwicklung messen. Auf der Passivseite der Bilanz bietet sich die Relation der Fremdwährungsschulden zu den ausländischen Aktiva des Bankensystems (Nettoauslandsposition) als Indikator an. Damit soll die Solvenzbelastung des Bankensektors im Fall einer drastischen Währungsabwertung gemessen werden. Um das Ausmaß eines Maturity Mismatches aufzuzeigen, müssen die kurzfristigen Schulden in Relation zu den liquiden Aktiva ins Verhältnis gesetzt werden. Dazu soll jeweils auch die Quote der kurzfristigen und auf fremde Währung lautende Verschuldung an den gesamten Verbindlichkeiten des Bankensektors miteinbezogen werden. Die Adäquanz der Risiko 162 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) vorsorge wird durch das Verhältnis zwischen der Risikovorsorge und den ausgewiesenen Non-Performing Loans des Bankensystems gemessen. Die Eigenkapitalausstattung des Bankensektors kann anhand der Eigenkapitalquote an der aggregierten Bilanzsumme oder dem Solvabilitätskoeffizient abgelesen werden. Übersicht 16: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Instabilitäten im Bankensektor und dem Verlauf einer Währungskrise - - - - Bankenkrisen bewirken zunächst Kapitalabflüsse aus dem Bankensektor selbst, da Sparer und Anleger versuchen, ihr Kapital aus dem angeschlagenen Sektor zu retten. Normalerweise wird zumindest ein Teil davon ins Ausland verbracht, was die inländische Währung meist abwerten läßt. Finanziell angeschlagene Banken vergeben kaum noch Kredite an Unternehmen. Diese bekommen dadurch sehr schnell Refinanzierungsprobleme ihrer bestehenden Verbindlichkeiten. Es besteht die Gefahr, daß der Unternehmenssektor als Ganzes durch eine Bankenkrise ebenfalls illiquide wird, was Kapitalabflüsse auch aus diesem Bereich nach sich zieht und die Währung weiter belastet. Wird der Bankensektor durch staatliche Interventionen gestützt, bedeutet dies häufig eine erhebliche finanzielle Belastung öffentlicher Haushalte. Bei schweren Bankenkrisen und den verbundenen enormen Bail-out-Kosten für den Staat müssen Investoren und inländische Wirtschaftssubjekte fürchten, daß der Staat nur noch über Geldmengenfinanzierungen in der Lage ist, die Aufwendungen zu schultern. Dies hat über die höheren Inflationsraten eine reale Wertminderung der Anlagen zur Folge. So ist mit weiteren Mittelabflüssen ins Ausland zu rechnen. Bankenkrisen stellen die Notenbank vor das Dilemma, bei einer heraufziehenden Währungskrise die Zinsen nicht so stark heraufsetzen zu können, wie zur Stabilisierung des Wechselkurses nötig wäre. So läßt sich den Kapitalabflüssen und Devisenmarktspekulationen nicht wirksam Einhalt gebieten. Die Währung verliert an Wert. III.B Mangelnde Stabilität des Unternehmenssektors und Verlauf einer Währungskrise 1 Die Aufgabe des Unternehmenssektors in einer Volkswirtschaft Da der Finanzsektor schon unter Kapitel III.A separat erläutert wurde, sollen in diesem Kapitel nur Nicht-Finanzunternehmen betrachtet werden. Unternehmen haben volkswirtschaftlich betrachtet primär die Aufgabe, Güter und Dienstleistungen für sich selbst und andere Wirtschaftssubjekte zu erzeugen. Zu diesem Zweck benötigen sie Einsatzgüter. Da zwischen dem Bezug der Einsatzgüter und dem Verkauf der produzierten Güter und Dienstleistungen eine Zeitspanne vergeht, muß diese finanziert 163 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) werden. Zu diesem Zweck nehmen Unternehmen Finanzkapital (z.B. durch Kredite) auf. Das Ziel der Unternehmertätigkeit ist die Realisierung von Gewinn bzw. zumindest die Deckung sämtlicher Kosten (vgl. Hohlstein et al. 2000, S. 593). Während die meisten Theorien über Währungskrisen an verfehlten Wirtschafts- und Währungspolitiken der Regierungen, exogenen Schocks oder auch Problemen im Finanzsektor der Volkswirtschaft ansetzen, rückt Krugman (1999) die NichtFinanzunternehmen in den Vordergrund der Krisentheorie. Besonders im Hinblick auf die Krisen in Ostasien und Rußland scheint eine Berücksichtigung der finanziellen Situation des Unternehmenssektors als Krisenkatalysator und krisenverschärfendes Element unerläßlich. Ähnlich der Analyse des Finanzsektors sollen allgemeine Gegebenheiten angesprochen werden, denen sich Unternehmen v.a. in Schwellenländern gegenüber sehen. Weiter sollen die Gesichtspunkte und Kenngrößen in Anlehnung an die Gewinn- und Verlustrechnung und die Bilanz bzw. daraus ableitbarer Kennzahlen dargestellt werden. Schließlich sollen Folgen von Unternehmenskrisen für den Verlauf von Währungskrisen erläutert werden. Soweit die Aspekte schon in vorhergehenden Kapiteln angesprochen wurden, wird auf eine neuerliche Erläuterung mit Hinweis auf das betreffende Kapitel verzichtet. 2 Probleme im Umfeld der Unternehmen 2.1 Hohe Konzentration der Industrie Nachfolgend sollen kurz einige Punkte im Umfeld von Unternehmen erörtert werden, welche die Stabilität des Unternehmenssektors beeinträchtigen können. Ein Punkt, der eine wichtige Rolle bei der Wettbewerbsfähigkeit des inländischen Unternehmenssektors spielen kann, ist der Anteil kleiner und mittelständischer Firmen an der Industrieproduktion. Die Industriepolitik vieler Volkswirtschaften bevorzugt die großen Konzerne und benachteiligt kleinere Unternehmen und den Mittelstand. Durch diese Politik werden auch im Unternehmenssektor dualistische Strukturen gefördert. Während dem Mittelstand in Industriestaaten in vielen Fällen eine hohe Bedeutung zukommt, ist dieses Bindeglied zwischen den großen Unternehmen und den kleinen respektive Kleinstbetrieben in Emerging Markets und Entwicklungsländern nicht selten stark unterentwickelt. Dabei ist die Funktion der letztgenannten Firmen ungeheuer wichtig. Mittelständige Unternehmen bieten wichtige Beschäftigungschancen für weniger qualifizierte Arbeitskräfte. Ferner produzieren sie weniger kapitalintensiv und 164 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) benötigen meistens weniger Fremdkapital. Folglich ist die Anfälligkeit für Zinsänderungen und Währungsabwertungen moderater. Außerdem können sie sich aufgrund schlanker Strukturen häufig deutlich besser an sich verändernde Rahmenbedingungen anpassen und bleiben somit permanent wettbewerbsfähig. Kleine und mittelständige Unternehmen sind darüber hinaus weniger in der Lage, Druck auf die Politik auszuüben. Damit sinkt auch die Gefahr, daß Partikularinteressen einzelner Unternehmen auf Kosten der Gesamtwirtschaft durchgesetzt werden können. Der Aufbau einer marktbeherrschenden Stellung ist kaum möglich. Somit ist das reibungslose Funktionieren der Marktmechanismen wahrscheinlicher. Der Mittelstand fungiert schließlich auch oft als Zulieferer für die großen Konzerne. Sofern er unterentwickelt ist, müssen die Konzerne vergleichsweise viele Vorleistungen importieren, wodurch deren Anfälligkeit für Währungsschwankungen steigt und das Leistungsbilanzdefizit der ganzen Volkswirtschaft zunimmt (vgl. OECD 1998, S. 27). 2.2 Mangelndes Corporate Governance Johnson et al. (1999) betonen die Wichtigkeit des „Corporate Governance“ als Faktor zur Stabilisierung des Unternehmenssektors. Unter „Corporate Governance“ werden Maßnahmen zur Verringerung von Interessenskonflikten innerhalb des Firmenmanagements verstanden. Diese umfassen vorwiegend Vorkehrungen zur Vermeidung der persönlichen Bereicherung seitens des Managements auf Kosten des Unternehmens und die Stärkung der Rechte von Minderheitseigentümern. Können Leitungsgremien ihre Stellung ausnutzen, um Kapital aus der Unternehmung auf Privatkonten ins Ausland zu transferieren, so führt dies zu unmittelbarem Druck auf die inländische Währung (vgl. Johnsen et al. 1999, S. 2). Wenngleich dieser direkte Effekt auf den Devisenmarkt bei den gehandelten Volumina eher gering ist, so hat eine derartige Verhaltensweise aber auch indirekte Auswirkungen auf den Devisenmarkt. Zweigt das Management Ressourcen aus den Unternehmen ab (z.B. zur Begleichung persönlicher Verbindlichkeiten), so belastet dies das Ergebnis und schwächt die ohnehin oft nur geringe Eigenkapitalbasis der Unternehmen. Folgerichtig verringert sich der Anreiz für potentielle Investoren, in solche Unternehmen zu investieren. Die Kapitalzuflüsse verringern sich, bzw. Kapitalexporte treten vermehrt auf (vgl. Johnson et al. 1999, S. 9). 165 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) Auch die mangelnden Rechte von Minderheitseigentümern können sich für die finanzielle Stabilität von Unternehmen als schwere Hypothek entpuppen. Minderheitsgesellschafter und Gläubiger müssen bei finanziellen Schwierigkeiten der Unternehmen mit totalem Vermögens- und Einflußverlust rechnen, da das verbleibende Unternehmensvermögen dem Management bzw. den Mehrheitseigentümern zufällt (vgl. Mobius 2003, S. 23). Dies war u.a. in Asien 1997 und Rußland 1998 der Fall. Investoren besitzen so mehr Anreize, auch bei kleinsten Finanzproblemen der Unternehmen66 (bzw. bei Gerüchten darüber) Kapital abzuziehen, wodurch sich die finanzielle Lage der Unternehmen erst recht zuspitzen kann (vgl. Johnson et al. 1999, S. 2). Fließt das Kapital aus der Volkswirtschaft als Ganzes ab, erhöht sich zudem direkt der Druck auf die inländische Währung. Besonders in ostasiatischen Schwellenländern trat diese Konstellation auf, was teilweise auch damit zu tun gehabt haben dürfte, daß das Management vielfach einflußreichster Eigentümer der Unternehmen war. Hinzu kam, daß große Teile des Managements durch familiäre Bindungen miteinander verbunden waren (vgl. Claessens et al. 1999, S. 3f.). Eng damit im Zusammenhang steht das Problem einer weit verbreiteten Korruption. Durch die „Beeinflußbarkeit“ der Rechtsauslegung durch monetäre Zuwendungen an Entscheidungsträger werden seitens der Unternehmen finanzielle Ressourcen verbraucht, die sonst für produktive Zwecke hätten genutzt werden könnten. Andererseits besteht für Unternehmen kaum ein Anreiz, Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zu unternehmen, da besonders Staatsaufträge weniger durch das beste Preis-Leistungsverhältnis als vielmehr durch Bestechung oder Beziehungen zu erhalten sind (vgl. Nuscheler 1996, S. 340ff. und Hemmer 1988, S. 304). 2.3 Mangel an Humankapital Weit verbreitet ist vielen Schwellenländern, besonders in jenen mit niedrigerer Entwicklungsstufe, ein Mangel an Humankapital. Viele Firmen benötigen hochqualifizierte Mitarbeiter, die nur selten in ausreichender Anzahl in den Ländern selbst zu finden sind. Kann diese Lücke nicht durch ausländische Arbeitskräfte oder durch kurzfristige Qualifizierungsmaßnahmen geschlossen werden, müssen unterqualifizierte Personen eingestellt werden, was sich in erheblichen Qualitätsmängeln niederschlagen kann. Kann dieses Risiko nicht eingegangen werden, stellt der Mangel 66 Gleiches gilt natürlich auch für Banken. 166 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) ein ernsthaftes Wachstumsproblem für das Unternehmen und die ganze Volkswirtschaft dar (vgl. OECD 1998, S. 22). 2.4 Hoher Staatseinfluß auf die Unternehmen In den meisten Emerging Markets übt der Staat einen deutlich größeren Einfluß auf die strategischen und operativen Entscheidungen des Unternehmenssektors aus als in Industriestaaten. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen: sei es in Form von spezifischen Investitionsanreizen oder durch staatseigene Betriebe. In letzterem Fall untersteht der Betrieb direkt staatlichen Behörden, in ersterem wird „lediglich“ das Investitionsverhalten mehr oder weniger bestimmt. Dieser hohe Einfluß staatlicher Stellen birgt oft das Problem suboptimaler Entscheidungen in sich, da die betriebswirtschaftlichen Ziele eines Unternehmens nicht immer deckungsgleich mit denen des öffentlichen Sektors sind. Beispielsweise ist die Maximierung der Beschäftigtenanzahl oder die Aufrechterhaltung niedriger Güterpreise keineswegs ein betriebswirtschaftliches Ziel. Für den Staat hingegen kann es durchaus wünschenswert erscheinen, mehr Personen in Lohn und Brot zu bringen, auch wenn dies zu Lasten der Rentabilität geht. So steht zu erwarten, daß ein Staatsbetrieb mehr Mitarbeiter beschäftigt als ein vergleichbares Privatunternehmen. Die Berücksichtigung staatlicher Ziele durch Unternehmen schwächt deren Rentabilität, deren Solvenz und damit die Stabilität des gesamten Unternehmenssektors (vgl. Hemmer 1988, S. 371). 3 Kritische Bilanz- und Erlössituation des Unternehmenssektors 3.1 Indikatoren aus der Gewinn- und Verlustrechnung 3.1.1 Rückläufige Umsatzerlöse Im Vorfeld einer Währungskrise läßt das wirtschaftliche Wachstum im Inland häufig stark nach (vgl. Krugman 1999, S. 10). Dies schlägt sich in vielen Fällen in sinkenden Umsatzerlösen der Unternehmen nieder. Diese bilden gewöhnlich die Haupteinnahmequelle der Unternehmen. Sind diese über einen längeren Zeitraum rückläufig, wird die Profitabilität des Unternehmenssektors früher oder später beeinträchtigt. Um ein Durchschlagen der geringeren Einnahmen auf das Ergebnis zu vermeiden, bleibt nur eine entsprechende Kostenreduktion. Kurzfristig dürfte der Spielraum dafür jedoch begrenzt sein. Betroffen von einer solchen Entwicklung sind vorwiegend Unternehmen, deren Inlandsanteil an den Umsätzen relativ hoch ist. Dies gilt beispielsweise für den Immobiliensektor. Und gerade dort sind oft erhebliche Überkapazitäten 167 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) entstanden, weil sich in diesem Bereich in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität häufig gute Gewinne erwirtschaften ließen (vgl. Corsetti et al. 1998, S. 15). 3.1.2 Geringe Rentabilität der Unternehmen 3.1.2.1 Abnehmende Rentabilität Im Vorfeld vieler Unternehmenskrisen kam es – auch aufgrund rückläufiger Umsatzerlöse – zu einer beträchtlichen Verschlechterung der Unternehmensergebnisse bzw. der durchschnittlichen Renditen. Verschlechtert sich der Gewinn bzw. die Rendite eines Unternehmens, ist damit zu rechnen, daß Anteilseigner und – ab einem bestimmten Punkt – auch Gläubiger ihre Anteile veräußern und in ein anderes Unternehmen investieren. Halten andere Firmen Aktien oder Bonds des betroffenen Unternehmens, wird deren Investitionsperformance durch die Kursrückgänge geschmälert, was sich wiederum auf deren Gesamtrentabilität niederschlagen kann. Dadurch erhalten auch deren Investoren Anreize, ihre Anteile zu verkaufen. Tritt die geringe Rentabilität im kompletten Unternehmenssektor einer Volkswirtschaft auf, muß davon ausgegangen werden, daß Anteilseigner ihr Kapital auf der Suche nach rentableren Anlagemöglichkeiten ins Ausland abziehen. So entsteht zunächst Verkaufsdruck auf den Aktien- und Rentenmärkten. Durch den Kapitaltransfer ins Ausland entsteht auch Verkaufsdruck für die heimische Währung auf den Devisenmärkten. Dadurch können die Auswirkungen einer Währungskrise auf den Wechselkurs noch verschärft werden. 3.1.2.2 Ursachen geringer Rentabilität 3.1.2.2.1 Unrentable Investitionen Ein Grund für die abnehmende Profitabilität vieler Unternehmen ist die Anhäufung unrentabler Einzelinvestitionen (vgl. Corsetti et al. 1998, S. 13). In der Literatur finden sich v.a. für die Asienkrise vielfältige Hinweise auf hochriskante und daher oft unrentable Investitionen in enge Marktbereiche (vgl. Corsetti et al. 1998, S. 22 und Pomerleano 1998, S. 27). Reichen die Investitionserträge nicht zur Bedienung des Schuldendienstes aus, so müssen Überschüsse aus anderen rentablen Investitionen zur Bedienung des Schuldendienstes herangezogen werden. Entsprechend sinkt die Profitabilität des Gesamtunternehmens und des ganzen Sektors. Negative Effekte für die Rentabilität eines Investitionsprojektes können sich auch unmittelbar aus einer Währungskrise ergeben. Unterstellt wird hierbei, daß bestimmte Güter (z.B. Immobi168 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) lien) aufgrund eines Preisverfalls nur noch zu geringeren Preisen oder bedingt durch rückläufige Nachfrage gar nicht mehr verkauft werden können. Nimmt das Unternehmen Finanzmittel in Fremdwährung auf, sollte die so finanzierte Investition noch eine weitere Funktion erfüllen. Sie sollte Devisen erwirtschaften können, um das betroffene Unternehmen weniger anfällig für Änderungen der Währungsparitäten zu machen. Dieser Empfehlung kann ein Unternehmen kaum nachkommen, wenn es in Sektoren investiert, in dem ausschließlich nicht-handelbare Güter und Dienstleistungen produziert werden (vgl. Reisen 1998, S. 13). 3.1.2.2.2 Staatliche Garantien Neben hohen Fehlinvestitionen können auch staatliche Garantien über eine verminderte Wettbewerbsfähigkeit zu geringen Rentabilitäten des Unternehmenssektors führen. In vielen Volkswirtschaften existieren – besonders implizit – staatliche (Existenz-)Garantien auch für Nicht-Finanzunternehmen. Diese entstehen nicht durch gesetzliche Regelungen, sondern durch Handlungsweisen der einzelnen Regierungen oder durch besondere Stellungen einzelner Unternehmen in der Volkswirtschaft. In Südkorea hatten Finanzhilfen an die großen Konglomerate eine lange Tradition (vgl. Hwang 1999, S. 187). Corsetti et al. (1998, S. 2) beschreiben gleichartiges für alle anderen ostasiatischen Staaten. In Rußland besaßen bestimmte Firmen eine derart herausragende Bedeutung für einige Regionen, daß der Staat diese nicht ohne weiteres in Konkurs gehen lassen konnte, sondern im Fall von Finanzproblemen zu deren Gunsten intervenieren mußte („to big to fail“). Sind sich die Unternehmen dieser Problematik bewußt, kann dies zu verringertem Risikobewußtsein bzw. Moral-Hazard Verhalten führen, da angenommen wird, daß der Staat bei Finanzproblemen schon aushelfen werde (vgl. Berensmann 1999, S. 20). Die Auswirkungen solcher Garantien sind denen im Finanzsektor sehr ähnlich. Für die betroffenen Unternehmen bestehen zudem kaum Anreize zur Produktinnovation. Ferner besteht kaum eine Notwendigkeit zur Durchführung von Kostensenkungsmaßnahmen durch Rationalisierung und Prozeßoptimierung. Vermindert werden können diese noch durch Zugangsbeschränkungen für fremde Anbieter auf dem heimischen Markt. Entsprechend gering ist die Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten (vgl. Su/Lien 1998, S. 53). 169 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) 3.1.2.3 Indikatoren der Unternehmensrentabilität 3.1.2.3.1 Return on Capital Employed (ROCE) Die gängigen Kennzahlen zur Ermittlung der Rendite eines Unternehmens sind die Eigenkapitalrendite (Return on Equity [ROE]), die Rendite des eingesetzten Kapitals (Return on Capital Employed [ROCE]) und der Economic Value Added (EVA). Die Eigenkapitalrendite mißt den operativen Gewinn eines Unternehmens im Verhältnis zum Eigenkapital und damit die Rendite für die Eigenkapitalgeber (vgl. Pomerleano 1998, S. 16f.). Allerdings kann die Eigenkapitalrendite durch die Finanzierungsstruktur stark beeinflußt werden. Finanziert sich ein Unternehmen vergleichsweise stark durch Fremdkapital, fällt die Eigenkapitalrendite bei gegebenem Gewinn höher aus als bei Unternehmen mit einer hohen Eigenkapitalfinanzierung, da bei letzterem der Nenner einen höheren Betrag aufweist. Daher empfiehlt sich die Betrachtung der ROCE. Die ROCE setzt den operativen Gewinn des Unternehmens zum eingesetzten Kapital (Bilanzsumme abzüglich Finanz- und steuerliche Positionen) ins Verhältnis. Je geringer diese Rendite, desto ineffizienter setzt das Unternehmen seine Mittel ein. Macht das Unternehmen einen operativen Verlust, so wird die ROCE negativ. Auf Dauer kann ein derartiger Zustand existenzbedrohend für ein Unternehmen werden, da das Eigenkapital zunehmend aufgebraucht wird. In ihrer Untersuchung zeigen Bris et al. (2001, S. 11/31), daß im Durchschnitt die ROCE vor Währungskrisen immer noch deutlich positiv ist. Dies gilt sowohl für die untersuchten Staaten in Europa als auch für die Emerging Market Economies Lateinamerikas und Ostasiens. Allerdings ist in allen drei Regionen ein signifikanter Rückgang die ROCE in den letzten drei Jahren vor Ausbruch der jeweiligen Währungskrise zu beobachten. Dieser Trend setzt sich meist auch nach Ausbruch der jeweiligen Krise noch weiter fort. Ähnliche Feststellungen finden sich bei Pomerleano (1998), Cleassens et al. (1998) und Harvey/Roper (1999, online). Für Südkorea sind darüber hinaus für die 30 größten Chaebols67 Daten über die Nettogewinne für das letzte Jahr vor der Krise verfügbar. Zwar ergab sich für die 30 Unternehmen im Mittel ein kleiner Nettogewinn, jedoch wiesen insgesamt 13 Unternehmen ein negatives Ergebnis aus (vgl. Corsetti et al. 1998, S. 40). In Rußland war 67 Unter Chaebols werden große Industriekonglomerate in Südkorea verstanden (vgl. Corsetti et al. 1998b, S. 6). 170 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) die Situation noch dramatischer. Die Quote der Firmen mit Verlust belief sich schätzungsweise auf 55% (vgl. Berensmann 1999, S. 21).68 3.1.2.3.2 Economic Value Added (EVA) Um die Opportunitätskosten mit in die Rentabilitätsanalyse einbeziehen zu können, ist die Berücksichtigung des Zinses im Inland von Nöten. Konkret wird der sogenannte EVA berechnet. Dieser ergibt sich aus der ROCE abzüglich der Inlandszinsen (Weighted Average Cost of Capital [WACC]). Der EVA69 stellt den Ertrag des Unternehmens für die Anteilseigner dar, welcher über die Kapitalkosten hinausgeht (vgl. Steiner/Bruns 2000, S. 236). Ist der EVA negativ, bedeutet dies, daß der Investor sein Geld produktiver am Kapitalmarkt hätte anlegen können. Der Volkswirtschaft ist Wohlstand entgangen (vgl. Pomerleano 1998, S. 19ff.). Corsetti et al. (1998, S. 15) geben an, daß die ROCE in Südkorea fast im gesamten Unternehmenssektor unterhalb der Kapitalkosten (WACC) liegt. Allerdings weisen viele Volkswirtschaften – sowohl in Schwellenländern als auch in Industriestaaten – für den Unternehmenssektor als Ganzes negative EVA-Werte auf (vgl. Pomerleano 1998, S. 21). 3.1.3 Verhältnis des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern (EBIT) zu den Zinszahlungen als Kennzahl der Schuldendienstfähigkeit Die geringe Profitabilität vieler Unternehmen manifestiert sich noch in einem weiteren Indikator, der allerdings mehr auf die langfristige (In-)Solvenz des Unternehmens abzielt. Dieser setzt das Unternehmensergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) zu den zu zahlenden Zinsen ins Verhältnis und entspricht auf Unternehmensebene in etwa der schon erläuterten Schuldendienstquote (siehe Kapitel II.C.5.2). Das Verhältnis EBIT/Zinszahlungen zeigt an, inwieweit Unternehmen in der Lage sind, aus ihrem operativen Geschäft die fälligen Zinszahlungen zu leisten (vgl. Pomerleano 1998, S. 13f.). Ein Wert unter Eins signalisiert, daß ein Unternehmen nicht mehr im Stand ist, die Zinszahlungen aus dem operativen Geschäft zu bedienen. Die entsprechenden Unternehmen bzw. der Sektor als Ganzes zehren von ihrer Substanz. 68 Allerdings wird auch darauf verwiesen, daß diese ausgewiesene Quote die tatsächliche überschätzen dürfte, da Firmen i.d.R. versuchen, ihre Gewinne zu verschleiern. 69 Der EVA darf nicht mit der Wertschöpfung, dem Value Added, verwechselt werden. Dieser errechnet sich als der Wert, der einem Gut während einer Produktionsstufe hinzugefügt wird (vgl. Hohlstein et al. 2000, S. 634f.). Lohnkosten erhöhen beispielsweise direkt den Value Added, während diese beim EVA nicht nur als Wertsteigerung, sondern auch als Kostenfaktor Berücksichtigung finden. 171 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) Dies ist nicht dauerhaft möglich (vgl. Corsetti et al. 1998, S. 15). Ein Verhältnis über Eins bedeutet noch nicht zwangsläufig, daß die Finanzsituation der Unternehmen problemlos ist. Schließlich sind von den Firmen noch Steuern zu entrichten. Für die Aktionäre hat diese Kennzahl noch eine weitere Bedeutung. Der Kehrwert zeigt an, wieviel Prozent des EBIT für Zinszahlungen aufgebracht werden müssen. Je höher dieser Prozentsatz, desto weniger Gewinn kann von Seiten des Unternehmens reinvestiert oder als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden (vgl. Harvey/Roper 1999, online, S. 58). 3.2 Probleme in der Bilanz 3.2.1 Hohe Wachstumsraten der materiellen Vermögensgegenstände Auch die Bilanz kann erste Hinweise auf die angesprochenen unrentablen Investitionsobjekte geben. Es ist auffallend, daß v.a. bei ostasiatischen Unternehmen in den letzten drei Jahren vor Krisenausbruch sehr hohe durchschnittliche Wachstumsraten der materiellen Vermögensgegenstände zu verzeichnen sind. Dies gilt im Besonderen für Indonesien (33%) und Thailand (29%). Auch in den meisten anderen Krisenstaaten liegen die Wachstumsraten der materiellen Vermögensgegenstände pro Jahr noch über 15%. Im Gegensatz dazu betragen die Wachstumsraten der materiellen Vermögensbestände von Unternehmen in entwickelten Volkswirtschaften kaum mehr als 5% (vgl. Pomerleano 1998, S. 9). So entsteht für die Krisenstaaten der Eindruck eines „quantitativen Wachstums der Unternehmen um jeden Preis“. Diese Tendenz stellt ein Pendant zur Ausweitung der realen Kreditvergabe bei den Banken dar. Bei derartigen Wachstumsraten dürfte die Effizienz der getätigten Investitionen nicht immer gewährleistet sein. Begünstigt wurde das rasche Wachstum der Aktiva vermutlich durch die schon angesprochenen staatlichen Garantien für Unternehmen. Ein weiterer Grund für die erhebliche Ausweitung der materiellen Vermögensgegenstände speziell in Asien dürfte in den spekulativen Preisanstiegen an den Aktien- und Immobilienmärkten vor der Krise liegen (vgl. Corsetti et al. 1998, S. 15f./41). Die spekulativen Preisbewegungen im Aktienbereich und indirekt auch die im Immobiliensektor lassen sich anhand der Aktienkursperformance nachweisen. So läßt sich zu Beginn der 1990er Jahre ein starker Anstieg der Aktienmärkte in Ostasien feststellen. Besonders in Thailand und Singapur fällt der Anstieg der Aktienkurse von Unternehmen des Immobiliensektors deutlich höher aus als der Anstieg des restlichen Aktienmarktes (vgl. Corsetti et al. 1998, S. 15f.). 172 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) 3.2.2 Hohe Unternehmensverschuldung, „Currency and Maturity Mismatches“ Ein hohes Wachstum der materiellen Vermögensgegenstände der Unternehmen erfordert hohe Investitionsquoten. Herrscht gleichzeitig eine geringe Unternehmensprofitabilität vor, so entsteht zur Investitionsfinanzierung ein immenser Bedarf an unternehmensexternem Kapital. Dies kann als Eigen- und Fremdkapital aufgenommen werden. Da letzteres normalerweise einfacher zu beschaffen ist, besteht die Gefahr einer sehr hohen Fremdfinanzierung eines Unternehmens. Oftmals kommt hinzu, daß die Firmeninhaber den Verlust von Einfluß auf die Entscheidungen der Unternehmen fürchten, der zwangsläufig mit einer externen Finanzierung durch Eigenkapital einhergeht (vgl. Claessens et al. 1998, S. 2). Auf die Problematik einer hohen Verschuldung sowie eines hohen „Currency und Maturity Mismatches“ ist bereits in den Kapiteln III.A.4.3.1.1/III.A.4.3.1.2 hingewiesen worden. An dieser Stelle sollen einige Fakten über die Verschuldungshöhe und die Verschuldungsstruktur von Unternehmen im Vorfeld von Währungskrisen angeführt werden. Sowohl vor den Währungskrisen in den Staaten Europas als auch vor den Währungskrisen Ostasiens und Lateinamerikas ist einer Studie von Bris et al. (2001) zufolge ein Anstieg der Verschuldung in Relation zum Eigenkapital (Debt/Equity-Ratio) zu beobachten. Interessanterweise sind die Unternehmen der europäischen Industriestaaten durchschnittlich stärker verschuldet (im Verhältnis zum Eigenkapital) als Firmen in Asien und Lateinamerika. Allerdings ist bei lateinamerikanischen Unternehmen, die über eine sehr geringe Debt/Equity-Ratio verfügten, zu berücksichtigen, daß dort das Bankensystem wesentlich weniger ausgebaut war und entsprechend weniger Kredite zur Verfügung stellen konnte (vgl. Claessens et al. 1998 S. 9). In Asien waren erhebliche länderspezifische Unterschiede auszumachen. Während Unternehmen besonders in Taiwan, Singapur und Malaysia eine recht niedrige Quote von unter Eins auswiesen, erreichten sie in Indonesien und Thailand eine Quote von fast zwei. Südkoreas Unternehmen ließen die bei weitem höchste Verschuldungsquote von im Durchschnitt fast 3,5 erkennen (vgl. Claessens et al. 1998, S. 9f.). Ein Blick auf die Fristigkeitsstruktur der Verschuldung zeigt, daß die Verschuldung der europäischen und lateinamerikanischen Unternehmen im Mittel eine längere Laufzeit aufwies als die der ostasiatischen Unternehmen. Darüber hinaus waren die ostasiatischen Unternehmen vor Ausbruch der Asienkrise nicht unwesentlich in ausländischer Währung verschuldet. So lautete beispielsweise die Verschul173 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) dung indonesischer Firmen im September 1997 zu 89% auf ausländische Währung (vgl. Claessens et al. 1998, S. 11f.). Entsprechend finden sich die geschilderten Verschuldungsproblematiken der Unternehmen auch in vielen theoretischen Modellen zu Krisen des Unternehmenssektors (vgl. Bris/Koskinen 2001 und Bleakley/Cowan 2002 sowie Krugman 1999 und Aghion et al. 2001). Die hohe Verschuldungsquote – bei obendrein ungünstiger Verschuldungsstruktur – belastet die Stabilität des Unternehmenssektors während einer Währungskrise erheblich (vgl. Kapitel II.C.4.2/3). Entsprechend wenig überraschen die Ergebnisse einer Studie von Goldman Sachs, auf die Pomerleano (1998, S. 25) hinweist. Danach waren 1998, also ein halbes Jahr nach Ausbruch der Asienkrise, nach internationalen Maßstäben auf den Philippinen 18,4%, in Malaysia 18,5%, in Korea 31,5%, in Indonesien 45,6% aller Unternehmen insolvent. 4 Unternehmenskrise und Verlauf einer Währungskrise 4.1 Überblick Die Kanäle, durch die eine Krise des Unternehmenssektors den Verlauf einer Währungskrise beeinflußt, entsprechen in weiten Teilen denen der Krise des Bankensektors (erhöhte Kapitalabflüsse, übermäßige Belastung öffentlicher Haushalte und Zielkonflikt zwischen Stabilisierung des Unternehmenssektors und Minimierung des Geldmengenanstiegs). Daher soll nachfolgend ein Modell, welches den Zusammenhang zwischen Krisen des Unternehmenssektors und dem Verlauf einer Währungskrise auf einem anderen Kanal als den bereits dargelegten beschreibt, näher dargestellt werden. 174 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) Abbildung 15: Problematik im Unternehmenssektor unrentable Investitionen staatliche Garantien geringe Rentabilität starkes Assetwachstum hohe Verschuldung Unternehmenskrise Quelle: Eigene Darstellung 4.2 Modell von Fuhrmann/Cepok (2003) Fuhrmann/Cepok (2003) sehen die hohe Auslandsverschuldung der Unternehmen, welche in Kombination mit Abwertungserwartungen zu einer Währungskrise führen kann, als entscheidendes Kriterium für das Ausmaß einer Krise. Mittels des Modells von Fuhrmann/Cepok (2003) kann ein Zusammenhang zwischen einem insolventen Unternehmenssektor und der Abwertungsrate der inländischen Währung hergestellt werden. Unterstellt wird eine kleine offene Volkswirtschaft, deren Bewohner alle Unternehmer sind. Es existiert nur ein homogenes Gut, dessen Preisniveau jeweils am Anfang der jeweiligen Periode determiniert wird und im Verlauf der Periode konstant bleibt. Der Wechselkurs (ausgedrückt in Preisnotierung) ist flexibel, so daß ex-post immer die Kaufkraftparität gilt. Ferner wird vollkommene Kapitalmobilität angenommen, so daß die ungedeckte Zinsparität70 erfüllt ist. Der Geldmarkt repräsentiert den monetären Sektor der Volkswirtschaft. 70 Unter der ungedeckten Zinsparität wird verstanden, daß die Zinshöhe im Inland derjenigen des Auslandes, korrigiert um die erwartete Wechselkursveränderung, gleichen muß. 175 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) Mst/Pt = mdt(yt,it) ∂md/∂yt > 0; ∂md/∂it < 0 1+it = (1+it°)*Eet+1/Et Eet = Pt/Pt° = Pt Ms/P md P // P° i // i° E y Ee t t+1 (III.B.4.1) (III.B.4.2) Pt° =1 (III.B.4.3) = reale Geldmenge = reale Geldnachfrage = inländisches // ausländisches Preisniveau = inländisches // ausländisches Zinsniveau = Wechselkurs in Preisnotierung = Güterproduktion = erwarteter Wechselkurs indiziert mit der Erwartungsperiode = laufende Periode = Folgeperiode Die ausländischen Zinsen, das ausländische Einkommen und die Geldmenge im Ausland sind konstant. Es wird unterstellt, daß keine Erwartungsfehler auftreten. So gilt : Eet+1 = Et+1 = Pt+1 (III.B.4.4) Die Gleichungen (III.B.4.1) bis (III.B.4.3) lassen sich zur Ermittlung des Wechselkurses umformen. Ausgangsgleichung sei (III.B.4.2): Et = (1+i°)*Eet+1/(1+it) (III.B.4.5) Kombiniert mit (III.B.4.3) ergibt sich: Et = (1+i°)*Pt+1/(1+it) (III.B.4.6) Setzt man Gleichung (III.B.4.1) in (III.B.4.6) ein, so erhält man: Et = (1+i°)/(1+it)*Mst+1/mdt+1(yt+1,it+1) (III.B.4.7) Der negative Zusammenhang zwischen dem zukünftigen Volkseinkommen und dem heutigen Wechselkurs erklärt sich folgendermaßen: Ein erwarteter Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion verringert die Geldnachfrage nach Transaktionskasse. Dies führt bei Konstanz der inländischen Geldmenge und der inländischen Zinsen in der Folgeperiode zu einer vorhersehbaren Erhöhung des Preisniveaus.71 Gemäß der Kaufkraftparitätentheorie führt diese Entwicklung zu einer entsprechen71 Auch eine erwartete Zinssenkung bzw. eine erwartete Geldmengenerhöhung hätte c.p. gleiche Wirkungen. Diese spielen in diesem Modell jedoch keine Rolle. 176 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) den Abwertung der Inlandswährung. Die Abwertung wird jedoch schon in der aktuellen Periode erwartet. Bei unverändertem inländischen Zinsniveau kommt es zu Kapitalabflüssen und entsprechend zu einer Währungsabwertung in der aktuellen Periode. In der Volkswirtschaft wird nur ein Produkt und damit die komplette Güterproduktion (y) unter Verwendung nur eines Produktionsfaktors hergestellt. yt = f(kt); dyt/dkt ≡ df(kt)/dkt > 0 f(k) (III.B.4.8) = Funktion des Produktionsfaktors k Dabei besteht k jeweils nur für eine Periode. Der Kapitalstock gleicht den Investitionen. Die Unternehmen haben nur eingeschränkten Zugang zum Kapitalmarkt. Die Menge des maximal erhältlichen Fremdkapitals steht in linearer Relation zum Eigenkapital – und zwar als ein Vielfaches. So sind auch k und y durch die Menge an Eigenkapital und den gegebenen Kreditmultiplikator determiniert. kt = Lt+vt = (1+µ)*vt L v µ (III.B.4.9) = maximal erhältliches Fremdkapital = Eigenkapital = Kreditmultiplikator Ferner haben die Unternehmen nur Zugang zu kurzfristigem Fremdkapital, entweder in inländischer Währung oder in ausländischer Währung. Die Kredite inkl. Zinsen müssen am Ende einer jeden Periode zurückgezahlt werden. Für neu abzuschließende Kreditverträge sind die Zinssätze und das Preisniveau der Vorperiode maßgeblich. Der Gewinn der Unternehmen in inländischer Währung am Ende der Periode t ergibt sich als: Gt = Pt*yt-(1+it-1)*Pt-1*Lti-(1+i°)*Et*(Lt-Lti) P*y (1+i)*P*Li (1+i°)*E*(L-Li) Li L-Li G (III.B.4.10) = Erlöse = Kosten der inländischen Verschuldung = Kosten der Verschuldung in Fremdwährung ausgedrückt in Inlandswährung = Fremdkapital in inländischer Währung = Fremdkapital in ausländischer Währung = Gewinn des Unternehmens in inländischer Währung Die Unternehmen konsumieren jedoch nur einen bestimmten Teil ihres Gewinns. Der Rest wird dem Eigenkapital (v) zugeführt. Für das Eigenkapital der Folgeperiode (realer Wert) gilt: 177 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) vt+1 = (1-α)*Gt/Pt α (III.B.4.11) = Anteil des Unternehmensgewinns, welcher für Konsumzwecke verwendet wird (0<α<1) Aus den Gleichungen (III.B.4.8) bis (III.B.4.11) ergibt sich für den Output in der zukünftigen Periode: yt+1 = f((1+µ)*vt+1) (III.B.4.12) Aus dem Einsetzen von Gleichung (III.B.4.11) und (III.B.4.10) resultiert : yt+1 = f((1+µ)*(1-α)*Gt/Pt) (III.B.4.13) yt+1 = f((1+µ)*(1-α)*((yt-(1+it-1)*Pt-1/Pt*Lit)-(1+i°)*Et/Pt*(Lt-Lit))) (III.B.4.14) Der letzte // vorletzte Term stellt den realen Zinsdienst auf ausländische // inländische Verbindlichkeiten dar. Kommt die inländische Währung unter Druck72, steigt der Schuldendienst für die Unternehmen in Abhängigkeit vom Ausmaß der Abwertung und vom Grad der Fremdwährungsverschuldung an. Folglich gehen die Unternehmensgewinne zurück, und für die nächste Periode muß ein Produktionsrückgang erwartet werden. Dies wiederum reduziert die Geldnachfrage und übt, wie oben beschrieben, Druck auf die inländische Währung aus. Auch steigende Inlandszinsen reduzieren die Geldnachfrage. Die Auswirkungen auf den Wechselkurs sind jedoch nicht so eindeutig, da die Abwertungserwartungen für die Inlandswährung durch steigende Zinsen neutralisiert werden können. Die Zinsparität wird weiter erfüllt. Im Fall einer Währungskrise ist jedoch damit zu rechnen, daß Kreditgeber eine prohibitiv hohe Risikoprämie für Kredite in Inlandswährung fordern, die von seiten des Inlands infolge steigender Inlandszinsen nicht mehr zu leisten ist (Fuhrmann/Cepok 2003, S. 119ff.). Da die Folgen eines finanziell angeschlagenen Unternehmenssektors ansonsten weitestgehend denen des Bankensektors gleichen, kann hier unter Verweis auf Kapitel III.A.5 eine abermalige Darstellung unterbleiben. 5 Zusammenfassung der Krisenindikatoren des Unternehmenssektors Da es beim Unternehmenssektor ähnlich wie beim Bankensektor sehr schwierig ist, eine Krise quantitativ festzustellen, soll auch hier auf quantitativ meßbare Einzelindi- 72 Im Modell wäre dies beispielsweise durch einen erwarteten Nachfragerückgang nach y möglich. 178 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) katoren zurückgegriffen werden. Auf die Berücksichtigung der Umsatzerlöse kann im empirischen Teil verzichtet werden, da sich diese in den Rentabilitätskennziffern widerspiegeln. Die Rentabilität des Unternehmenssektors soll anhand des Return on Capital Employed (ROCE) und des Economic Value Added (EVA) ermittelt werden. Staatliche Garantien sind, wie gesagt, nur schwer zu erfassen und müssen in der empirischen Betrachtung außen vor bleiben. Die Solvenz des Unternehmenssektors läßt sich anhand des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern in Relation zu den zu leistenden Zinszahlungen in eine empirische Analyse einbringen. Das Wachstum der materiellen Vermögensgegenstände kann anhand der Entwicklung des Sachanlagevermögens des Unternehmenssektors erfaßt werden. Die Verschuldungshöhe findet durch die Debt/Equity-Ratio, der Maturity Mismatch durch die Current-Ratio Berücksichtigung. Soweit Daten vorhanden sind, soll auch der Currency Mismatch der Unternehmen analog zum Vorgehen im Bankensektor eingesetzt werden. Übersicht 17: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Instabilitäten des Unternehmenssektors und dem Verlauf einer Währungskrise - - - Ein illiquider/insolventer Unternehmenssektor führt zu Kapitalabflüssen (Gläubiger/Anteilseigner) aus diesem Sektor und wahrscheinlich auch aus der gesamten Volkswirtschaft. Ein finanziell angeschlagener Unternehmenssektor kann auch das Bankensystem schwer in Mitleidenschaft ziehen (hohe Quote von notleidenden Krediten). Versucht der Staat, angeschlagene Unternehmen finanziell zu unterstützen, kann dies besonders bei sektorweiten Problemen zu hohen Kosten führen, was die Frage nach der Finanzierung seitens des Staates stellt. Befürchtungen einer geldmengenfinanzierten Unterstützung der Unternehmen werden aus Angst vor Inflation zu massiven Kapitalexporten führen (siehe Kapitel III.A). Ein finanziell angeschlagener Unternehmenssektor schränkt während einer Währungskrise die Handlungsfähigkeit der Zentralbank bezüglich der inländischen Zinsen teilweise erheblich ein (siehe Kapitel III.A). In Anlehnung an Fuhrmann/Cepok führt ein illiquider/insolventer Unternehmenssektor zu einer verringerten Produktion im Inland. Die Geldnachfrage nach Transaktionskasse geht zurück. Bei gleichbleibendem Geldangebot und konstantem Zinsniveau führt dies zu steigenden Inflationsraten, was von den Finanzmarktakteuren antizipiert wird. Die Folge davon sind Kapitalabflüsse und ein Abwerten der Inlandswährung. Je schwerwiegender die Schieflage des Unternehmenssektors ist, desto stärker dürfte sich dies auf die Höhe der Abwertungsrate niederschlagen. 179 III Mikroökonomische Ungleichgewichte im Finanz- und im Unternehmenssektor (III.B) 180 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.A) IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte IV.A Unterentwickelte inländische Kapitalmärkte 1 Entwicklungsstand der inländischen Kapitalmärkte in verschiedenen Volkswirtschaften Spätestens durch die Asienkrise zeigte sich, daß unterentwickelte inländische Kapitalmärkte v.a. für die Unternehmens- und Bankenfinanzierung, aber auch aus anderen Gründen, ein nicht unerhebliches Problem darstellen können. Dies gilt besonders dann, wenn der inländische Bankensektor im Verlauf einer Finanzkrise in Mitleidenschaft gezogen wird. Auch mehr als drei Jahre nach der Asienkrise wiesen die meisten Emerging Markts im Vergleich zu Industriestaaten ein relativ geringes Volumen ausstehender Rentenpapiere (Bonds) im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt auf. Im Durchschnitt betrug das Volumen ausstehender Inlandsbonds in den NIC im Jahr 2000 35% des Bruttoinlandsprodukts. Die höchste Relation erreichte Malaysia mit 86%. Im Vergleich dazu erreichte der Rentenmarkt der USA eine Größe von 146%, der Japans 128% und der Deutschlands 90% der jeweiligen Wirtschaftsleistung (vgl. Mihaljek et al. 2002, S.15). Abbildung 16: Marktkapitalisierung der Rentenmärkte ausgewählter Volkswirtschaften im Jahr 2000 (in % des BIP) 160 140 120 100 80 60 40 20 0 USA JPN DTL GBR MAY KOR BRA SAF Quelle: In Anlehnung an Mihaljek et al. 2002, S. 15 181 IND THD ARG MEX RUS IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.A) Die Marktkapitalisierung der Aktienmärkte im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ist in Schwellenländern i.d.R. gleichfalls geringer als in entwickelten Volkswirtschaften (vgl. Yoshitomi/Shirai 2001, S. 10). Das gleiche Bild ergibt sich, sofern die Liquidität der Sekundärmärkte betrachtet wird. Die Liquidität der Sekundärmärkte, sowohl am Aktien- als auch am Rentenmarkt, läßt sich z.B. anhand des Umsatzes bezogen auf das Volumen ausstehender Papiere oder des Bruttoinlandsprodukts ableiten (vgl. Cheung/Chan 2002, S. 3). Je niedriger das Handelsvolumen in Relation zur Marktkapitalisierung (oder zum Bruttoinlandsprodukt) ist, desto geringer ist die Liquidität. Eine andere Möglichkeit bilden die Spannen zwischen An- und Verkaufskursen (Spreads) der gehandelten Wertpapiere. Je höher der Spread ist, desto illiquider ist der Handel. Auch hier zeigt sich die Illiquidität vieler Sekundärmärkte in Emerging Markets (vgl. Mohanty 2002, S. 49 und Blommestein 2001, S. 185). Näheres zu den beiden Möglichkeiten wird in Kapitel IV.B noch darzulegen sein. Unterentwickelte inländische Finanzmärkte und insbesondere unterentwickelte Rentenmärkte können den Ausbruch einer Währungskrise begünstigen und deren Verlauf negativ beeinflussen (Yoshitomi/Shirai 2001, S. 6). 2 Gründe für unterentwickelte Kapitalmärkte 2.1 Hohe und volatile Inflationsraten Besonders in Lateinamerika und Osteuropa wurde die Entwicklung der Anleihemärkte durch zeitweise extrem hohe und volatile Preissteigerungsraten behindert (vgl. Mihaljek et al. 2002, S. 22). Dies betrifft Anleihen aller Art, egal ob mit fixer oder variabler Verzinsung, indexiert oder nicht indexiert. Grund hierfür ist, daß weder Schuldner noch Gläubiger bei Emission des Wertpapiers den Nominalzins der Anleihe bestimmen können, der bei stark schwankender Inflationsrate zu einem angemessenen Realzins führt. Ist der Nominalzins zu hoch, kann dies zu Problemen bei der Bedienung der Anleihe führen. Ist er zu niedrig, erleidet der Käufer einen realen Verlust bei seiner Anlage. Ob dieser Unsicherheit besteht weder für Emitttenten noch für potentielle Investoren ein Anreiz zur Emission oder zum Kauf von langlaufenden Rentenpapieren in Inlandswährung. 182 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.A) 2.2 Verbilligte Bankkredite, geringere Zinsen im Ausland und administrativ festgelegte Zinsen im Inland Eine weitere Ursache unterentwickelter Finanzmärkte sind im Vergleich kostengünstigere Bankdarlehen. Wie schon in Kapitel III.A.3.3 angesprochen, werden in vielen Emerging Markets Bankkredite zur Investitionsstimulierung (zumindest für bestimmte Investitionsbereiche) subventioniert. Aus diesem Grund besteht für Firmen kaum ein Anreiz, Anleihen am inländischen Rentenmarkt zu platzieren. Ferner besitzen v.a. große Firmen Zugang zum internationalen Kapitalmarkt und können sich dort zu oft deutlich geringeren Zinsen refinanzieren (vgl. Kim 2001, S. 152). 2.3 Rechtliche Aspekte Auch rechtliche Aspekte haben in der Vergangenheit die Entwicklung von inländischen Finanzmärkten und insbesondere von Anleihemärkten erschwert (vgl. Yoshitomi/Shirai 2001, S. 14). In vielen Schwellenländern genügen die Bilanzierungsvorschriften nicht den internationalen Standards. Potentiellen Investoren ist es somit kaum möglich, sich ein adäquates Bild von der finanziellen Situation des Unternehmens zu machen. Auch die angesprochene schwache Position von Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern v.a. in Emerging Market Economies haben ein übriges zur Unterentwicklung der inländischen Kapitalmärkte beigetragen (vgl. Herring/ Chatusripitak 2000, S. 50f.). Der Handel an den Sekundärmärkten wird ferner durch jeweils zu entrichtende hohe und komplexe Steuern erschwert (vgl. Yoshitomi/Shirai 2001, S. 62). In einigen Volkswirtschaften bestehen überdies für den Finanzsektor Vorschriften, erworbene Anleihen bis zum Fälligkeitstermin zu halten, was den Handel und die Liquidität am Rentenmarkt empfindlich stören kann (vgl. Herring/Chatusripitak 2000, S. 50). 2.4 Geringer Kreis potentieller Investoren und Emittenten Vorwiegend in aufstrebenden Volkswirtschaften ist der Kreis potentieller Investoren und potentieller Emittenten für Wertpapiere recht gering. Häufig fehlen aufgrund mangelnder Alterssicherung institutionelle Investoren wie Pensionsfonds oder Versicherungen, welche Wertpapiere auch in größerem Umfang und mit längerer Restlaufzeit erwerben können (vgl. Cheung/Chan 2002, S. 12). Einzelhaushalte bevorzugen besonders bei geringem Pro-Kopf-Einkommen sehr kurzfristige Anlagen, die darüber hinaus keinen Marktpreisschwankungen ausgesetzt sind (vgl. Yoshito183 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.A) mi/Shirai 2001, S. 22). Auf Seite der Emittenten fehlen vorwiegend im Unternehmensbereich große Unternehmen, deren Finanzbedarf überhaupt die Emission von Eigen- oder Fremdkapitalpapieren rechtfertigt (mindestens 50 Mio. US-$) und über die genügend öffentliche Informationen vorliegen. Eine Ausnahme hiervon auf Seiten der Emerging Market Economies ist Südkorea mit seinen großen Industriekonglomeraten (Yoshitomi/Shirai 2001, S. 3/14). Im Fall Ostasiens kam ein weiterer Aspekt hinzu. Die Situation in den meisten ostasiatischen Volkswirtschaften war vor der Asienkrise 1997/98 durch Haushaltsüberschüsse oder nur geringfügige Haushaltsdefizite staatlicher Stellen gekennzeichnet. Entsprechend waren Emissionen von Staatsanleihen kaum von Nöten. Beispielsweise emittierte Thailand zwischen 1990 und dem Ausbruch der Asienkrise keine einzige Anleihe. Dieser an und für sich positive Umstand bewirkte jedoch, daß an den inländischen Rentenmärkten keine Zinsstrukturkurve für risikolose Regierungspapiere abgebildet werden konnte, d.h. es war nicht zu ersehen, wie hoch die zu erwartende Rendite bei risikolosen Papieren war. Risikolose Papiere dienen jedoch als Berechnungsgrundlage für die zu erwartenden Renditen in Abhängigkeit vom Risikogehalt einer Anlage. Folglich konnte sich auch nur schwer ein Markt für Unternehmensanleihen entwickeln (vgl. Her- ring/Chatusripitak 2000, S. 33/48). 3 Unterentwickelte Kapitalmärkte und Verlauf einer Währungskrise 3.1 Auswirkungen unterentwickelter Rentenmärkte auf den Staat 3.1.1 Beeinflussung der Sterilisierungsmöglichkeiten von Kapitalzuflüssen Übersicht 18: Folgen unterentwickelter inländischer Finanzmärkte Folgen unterentwickelter Kapitalmärkte für... den Staat Banken/Unternehmen Beeinflussung der Steri- Beeinflussung der Absicherung von Zins- und lisierungsmöglichkeiten Währungsrisiken von Kapitalzuflüssen Beeinflussung der Investitionsrechnung verbunden mit gesamtwirtschaftlichen Belastungen Beeinflussung der Finanzierungsstruktur Beeinflussung der Preisvolatilität von Vermövor und während der Beeinflussung der Finanzierungsmöglichgensgegenständen, der inländische KreditgeKrise keiten staatlicher Defiwährung und der Aktivpositionen der Banken zite Beeinflussung der Liquidierbarkeit von WertpaBeeinflussung der Rewährend der Krise pieren cyclingmöglichkeiten von Liquiditätshilfen vor der Krise Quelle: Eigene Darstellung 184 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.A) In gut ausgebauten inländischen Rentenmärkten lassen sich Kapitalzuflüsse besser sterilisieren. Dieser Aspekt tritt jedoch nur bei fixierten Wechselkurssystemen auf. Enorme Kapitalzuflüsse aus dem Ausland führen bei fixierten Wechselkurssystemen zu einer starken Ausweitung der inländischen Geldmenge und damit über eine zunehmende Inflation zu einer realen Aufwertung der Währung. Will die Regierung eine Geldmengenausweitung trotz hoher Kapitalzuflüsse verhindern, so kann sie versuchen, Wertpapiere mit attraktiver Verzinsung an inländische Banken auszugeben. Legen die Banken die durch Kapitalzuflüsse entstandene zusätzliche Liquidität in den angebotenen Wertpapieren an, anstatt sie als Kredit zu vergeben, kann die zusätzliche Liquidität wieder absorbiert, der Geldmengen- und Preisniveauanstieg gebremst werden. Auf diesem Weg ließe sich eine reale Aufwertung der inländischen Währung sowie der Aufbau eines Abwertungspotentials für die inländische Währung vermeiden. Ist der Rentenmarkt im Inland nicht existent, so ist eine Sterilisierung von Kapitalzuflüssen nicht möglich. In den meisten Volkswirtschaften ist zumindest die Emission von kurzfristigen Bonds möglich. Die Folge davon jedoch ist ein Anstieg v.a. der kurzfristigen Zinsen im Inland, bedingt durch die künstlich erhöhte kurzfristige Kapitalnachfrage. Dies zieht häufig weitere – vorwiegend kurzfristige – Kapitalzuflüsse nach sich und kann so vor allem die kurzfristige Auslandsverschuldung einer Volkswirtschaft deutlich erhöhen (vgl. Turner 2002, S. 2). Durch die Stimulation weiterer Kapitalzuflüsse kann darüber hinaus eine reale Währungsaufwertung in den meisten Fällen nicht dauerhaft vermieden werden. 3.1.2 Beeinflussung der Finanzierungsmöglichkeiten staatlicher Defizite Gut ausgebaute inländische Bondmärkte erleichtern den öffentlichen Haushalten die Finanzierung von eventuellen Defiziten. Ohne gut entwickelte Rentenmärkte ist der Staat auf die Finanzierung der Fehlbeträge, entweder durch Aufnahme von Mitteln aus dem Ausland (und damit meist in Fremdwährung) oder durch Kredite des Bankensystems und der Notenbank, angewiesen. Daraus resultiert eine Zunahme der öffentlichen Auslandsverschuldung oder eine Ausweitung der inländischen Geldmenge (vgl. Kapitel II.F). Letzteres birgt die Gefahr eines beschleunigten Preisniveauanstiegs in sich, was wiederum zu verstärktem Abwertungsdruck auf die Währung führen kann (vgl. Turner 2002, S. 2). Mit anderen Worten: Ein gut funktionierender Markt für festverzinsliche Wertpapiere kann zum einen im Vorfeld einer Währungskrise helfen, die Auslandsverschuldung relativ gering zu halten und die Defizit185 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.A) finanzierung durch die Zentralbank zu vermeiden. Zum anderen kann ein gut ausgebauter interner Kapitalmarkt aber auch während einer Krise eine erhebliche Rolle für den Krisenverlauf spielen. Steht der Staat vor der Aufgabe, den heimischen Bankenund Unternehmenssektor zu rekapitalisieren, ist dies – wie erwähnt – meist mit exorbitanten Aufwendungen verbunden. Angesichts der Kosten und der damit zu erwartenden Budgetdefizite stellt sich die Frage der Finanzierung. Während einer Währungskrise sind besonders Schwellenländer häufig nicht mehr in der Lage, sich adäquat am internationalen Kapitalmarkt Finanzmittel zu beschaffen. Auch öffentliche Kreditgeber sind meist nicht in der Lage oder willens, derart gewaltige Beträge bereitzustellen. Ohne die Möglichkeit des Staates, sich in größerem Umfang im Inland zu verschulden, bleibt daher in vielen Fällen nur eine zumindest teilweise Finanzierung über die Notenbank mit den dargelegten Folgen. Nehmen die Marktteilnehmer ein solches Szenario vorweg, so ist damit zu rechnen, daß diese ihre Anlagen in der Inlandswährung auflösen und in Fremdwährung transferieren. Dies hätte zur Folge, daß die inländische Währung noch stärker unter Abwertungsdruck gerät. Diese Problematik wird beispielsweise auch für die starken Währungsabwertungen der asiatischen Staaten während der Asienkrise mit verantwortlich gemacht (vgl. Burnside et al. 1999, S. 3). 3.1.3 Beeinflussung der Recyclingmöglichkeiten von Liquiditätshilfen Auch während einer Bankenkrise ist die Existenz von inländischen Rentenmärkten von immenser Wichtigkeit. Ziehen Sparer in großem Umfang ihr Einlagenkapital von den Banken ab, geraten letztere wie gesagt oft in Liquiditätsschwierigkeiten. In vielen Fällen versucht die Zentralbank, den Mangel an Liquidität durch zusätzlich bereitgestelltes Zentralbankgeld auszugleichen. Besonders bei Krisen des kompletten Bankensystems wird die Liquidität des Bankensystems insgesamt oder die inländische Geldmenge enorm ausgeweitet (siehe Kapitel III.A.5.4). Diese zusätzlich bereitgestellte Liquidität kann jedoch in Fremdwährung transferiert werden, wodurch ein weiterer Verfall des Wechselkurses droht (vgl. Lindgren et al. 1999, S. 18). Dieser Zusammenhang ist auch Bestandteil der monetären Theorie des Wechselkurses. Diese geht davon aus, daß ein starker Anstieg der inländischen Geldmenge zu einer ebensolchen Abwertung der inländischen Währung führt (vgl. Wermuth/Ochynski 1987, S. 229f.). Die Zentralbank kann nun versuchen, die Überschußliquidität wieder abzuschöpfen, indem sie am Rentenmarkt analog zu den geschilderten Sterilisie186 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.A) rungsmaßnahmen Wertpapiere zu attraktiven Konditionen anbietet. Banken, denen die Einlagen anderer inländischer Banken zugeflossen sind und die so über reichlich Mittel verfügen, erschließt sich damit eine lukrative Anlagemöglichkeit. Der Zentralbank gelingt es auf diesem Weg, die überschüssige Liquidität im Bankensystem als Ganzes wieder abzuschöpfen. Dies ist jedoch nur bei gut ausgebauten Rentenmärkten möglich und setzt voraus, daß die Einlagen der Sparer nicht aus dem Bankensystem als Ganzes – z.B. ins Ausland oder zur Bargeldhaltung – abgezogen werden (vgl. Lindgren et al. 1999, S. 18). 3.2 Auswirkungen schlecht entwickelter Kapitalmärkte auf Banken und Unternehmen 3.2.1 Beeinflussung der Absicherung von Zins- und Währungsrisiken Eingangs sei erwähnt, daß sich die Kapitel 3.2.1, 3.2.2 und 3.2.4 nur auf Rentenmärkte beziehen, während die beiden Kapitel 3.2.3 und 3.2.5 für Renten- und für Aktienmärkte gleichermaßen gelten. Ohne gut ausgebaute Bondmärkte ist die Entwicklung von Terminmärkten zur Absicherung von Zins- und Währungsrisiken nur schwer möglich (vgl. Yoshitomi/Shirai 2001, S. 53). Dies liegt daran, daß die Rentenmärkte über die Zinsstrukturkurve die Kapitalkosten in Abhängigkeit von der jeweiligen Laufzeit darstellen. Die Zinsen am Renten-Kassamarkt73 bilden jedoch die Ausgangsposition, um Terminpreise für Wechselkurs- und Zinsabsicherungsgeschäfte bilden zu können. Wird eine Absicherung z.B. durch ein Unternehmen trotzdem gewünscht, ist es zwar grundsätzlich möglich, diese auf den Kunden individuell abzustimmen (z.B. über Swaps oder Forwards). Die Absicherung gegenüber gut entwickelten Terminmärkten ist jedoch recht teuer, da der Kontraktpartner des absicherungswilligen Unternehmens kaum Möglichkeiten besitzt, seine Risiken über die Rentenmärkte abzusichern. Außerdem entfallen Standardisierungsvorteile. So existiert aufgrund der höheren Absicherungskosten der Anreiz, weniger Zins- und Währungsrisiken abzusichern oder – anders ausgedrückt – höhere Risiken einzugehen (vgl. Herring/Chatusripitak 2000, S. 30ff.). Dies gilt insbesondere, wenn die Währungsrisiken durch einen fixen Wechselkurs vermeintlich ausgeschaltet werden. 73 Der Kassamarkt umfaßt Transaktionen, die binnen zwei Handelstagen abgewickelt werden. Im Gegensatz dazu werden Transaktionen am Terminmarkt erst nach mehr als zwei Handelstagen abgewickelt. 187 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.A) 3.2.2 Beeinflussung der Investitionsrechnung verbunden mit gesamtwirtschaftlichen Belastungen Neben unzureichenden Absicherungsmöglichkeiten impliziert der Mangel an ausgebauten Rentenmärkten für Unternehmen und letztlich für die Gesamtwirtschaft ein weiteres Problem. Es existiert kein marktdeterminiertes Maß für die Kapitalkosten in Abhängigkeit von der Laufzeit (vgl. Turner 2002, S. 2). Die Kapitalkosten dienen jedoch als Benchmark für die Durchführung von Investitionen. Nur wenn die zu erwartende Rendite einer Investition die Kapitalkosten übersteigt, wird die Investition durchgeführt. So sind Unternehmen entweder auf eigene Schätzungen oder auf die Kreditkonditionen von Banken angewiesen. Werden die Kapitalkosten zu niedrig angenommen, führt dies zwangsläufig gesamtwirtschaftlich zu Überinvestitionen et vice versa (vgl. Herring/Chatusripitak 2000, S. 14/35). Folglich ist die Gefahr eines ineffizienten Investitionsniveaus sehr groß, was sich beispielsweise in einigen ostasiatischen Volkswirtschaften vor der Asienkrise durch geringe Investitionsrenditen bemerkbar machte (vgl. Turner 2002, S. 2). 3.2.3 Beeinflussung der Finanzierungsstruktur Der Mangel an leistungsfähigen Aktien- und Bondmärkten kann die Finanzierungsund Gläubigerstruktur von inländischen Banken und Unternehmen erheblich beeinflussen. Tabelle 2: Volumen ausstehender Bankkredite, ausstehender Unternehmensanleihen und Aktienmarktkapitalisierungen ausgewählter Volkswirtschaften, Ende 1998 in % des BIP Land Ausstehende Bankkredite Indonesien Südkorea Malaysia Thailand USA Ausstehende Unter- Aktienmarktkapitalisierung nehmensanleihen 60,2 43,5 148,4 108,7 38,8 1,5 27,3 16,4 2,6 43,2 16,2 30,7 134,4 26,3 158,1 Quelle: Yoshitomi/Shirai 2001, S. 10 Kapitalmärkte ermöglichen es Firmen und Banken, ihre Finanzierungsstruktur breiter zu streuen und auf ihre Investitionen abzustimmen (vgl. Kim 2001, S. 142). Aktienkapital steht einem Unternehmen unbefristet zur Verfügung, und die Kosten für das Eigenkapital richten sich sehr stark nach der Geschäftsentwicklung des Unterneh188 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.A) mens (z.B. Dividenden). Anleihekapital muß zwar – wie Kredite auch – unabhängig von der Geschäftsentwicklung bedient werden, steht aber, je nach Laufzeit – wie langfristige Bankkredite auch, häufig längerfristig zur Verfügung. Schließlich ermöglichen eher kurzfristige Kreditlimits den flexiblen Ausgleich des schwankenden Finanzbedarfs (vgl. Karigane 2001, S. 124). Auch bei der Gläubigerstruktur eines Unternehmens oder einer Bank erlauben Kapitalmärkte eine deutlich breitere Diversifizierung. Ähnlich der Risiko- und Fristentransformation der Banken können auch Rentenmärkte das Risiko von Finanzierungsengpässen durch unvorhergesehene Ereignisse bei den Gläubigern mildern. Das Risiko, daß ein wichtiger Gläubiger aufgrund unerwarteten Kapitalbedarfs sein verliehenes Kapital wieder benötigt bzw. kein frisches Kapital mehr vergibt, ist höher als das Risiko eines gleichzeitigen Kapitalabzugs von beispielsweise 100 Gläubigern (vgl. Yoshitomi/Shirai 2001, S. 3). Sind in Volkswirtschaften die inländischen Finanzmärkte noch unterentwickelt, wird Kapital vermehrt durch Bankkredite aufgenommen (vgl. Yoshitomi/Shirai 2001, S. 9f.). Diese besitzen v.a. in einigen Schwellenländern vornehmlich kurze oder mittlere Laufzeiten und werden am Ende normalerweise durch neue Kredite ersetzt (vgl. Herring/Chatusripitak 2001, S. 35). Dienen kurzfristige Bankkredite zur Finanzierung von längerfristigen Investitionen, so entstehen für Unternehmen Laufzeitdiskrepanzen (Maturity Mismatch) zwischen Investitions- und Finanzierungsseite (vgl. Kapitel III.B.3.2.2). Gerät der Bankensektor als Ganzes in eine finanzielle Schieflage, so dürfte dies, wie schon in Kapitel III.A.5.2 erläutert, unmittelbar dazu führen, daß wegen der vordringlichen Erhaltung des Eigenkapitals der Banken keine Kredite mehr vergeben oder bestehende Kredite nicht mehr verlängert werden. Dies kann zu erheblichen Finanzierungsproblemen für die inländischen Unternehmen führen (vgl. Yoshitomi/Shirai 2001, S. 54). Während einer Währungskrise kann die Sorge vor einer umfassenden Illiquidität des Unternehmenssektors – wie bereits dargelegt – Kapitalexporte beträchtlich verstärken, mit entsprechend negativen Auswirkungen auf den Wechselkurs (vgl. Lindgren et al. 1999, S. 1). Existieren im Inland mehr oder weniger voll entwickelte Renten- oder Aktienmärkte, besteht für Unternehmen zumindest die Chance, durch Emission von Wertpapieren an frisches Kapital zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit bzw. zur Rückzahlung der Bankkredite zu kommen. Es wäre somit zumindest theoretisch möglich, daß die 189 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.A) Probleme des Finanzsektors nicht oder nicht mit voller Härte auf den realwirtschaftlichen Sektor übergreifen. Allerdings ist festzuhalten, daß auch relativ gut entwickelte Kapitalmärkte eine Kreditklemme nicht immer verhindern können, da es bei Finanzkrisen teilweise sehr schwer sein dürfte, Wertpapiere zu tragbaren Konditionen am inländischen Kapitalmarkt zu emittieren (vgl. Hawkins 2002, S. 43f.). Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Potentielle Käufer sind oft Banken selbst. Befinden sich diese in einer Krise, fällt dieser Investorenkreis weg. Andere Käufer besitzen über den Emittenten oft nicht genügend Informationen, um während einer Krisensituation angesichts der hohen Unsicherheit emittierte Wertpapiere zu kaufen (vgl. Yoshitomi/Shirai 2001, S. 26f./54). Besitzen inländische Unternehmen und Banken Zugang zu ausländischen Kapitalmärkten, wird sich der Mangel an inländischen Finanzierungsmöglichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer höheren Auslandsverschuldung der Volkswirtschaft als Ganzes und in einem steigenden Währungsrisiko der Unternehmen und Banken niederschlagen (vgl. BIZ 2000, S. 48f.). Die Folgen wurden bereits mehrfach unter verschiedenen Blickwinkeln erörtert. 3.2.4 Beeinflussung der Preisvolatilität von Vermögensgegenständen, der inländische Kreditgewährung und der Aktivpositionen der Banken Fehlen in einer Volkswirtschaft inländische Rentenmärkte, so ist die Wahrscheinlichkeit von Preisblasen höher bzw. sind die Auswirkungen von platzenden Preisblasen größer. Ohne ausreichende Rentenmärkte bestehen inländische Finanzanlagemöglichkeiten neben Bankkonten vorwiegend in Aktien oder Immobilien. Diese Aktiva partizipieren im Gegensatz zu verzinslichen Wertpapieren vollständig an der Entwicklung des zugrundeliegenden Unternehmens bzw. an derjenigen der Grundstückspreise. Festverzinsliche Wertpapiere besitzen im Gegensatz dazu fast immer eine begrenzte Laufzeit, und der Ertrag solcher Anlagen besteht vorwiegend durch in der Höhe klar festgelegte Zinszahlungen (vgl. Herring/Chatusripitak 2000, S. 28f.). Aktien und Immobilien lassen so mehr Raum für Preisspekulationen. Die Gefahr spekulativer Blasen am Aktien- und Immobilienmarkt wird noch dadurch erhöht, daß es ohne marktdeterminierte Zinsen nur schwer möglich ist, den fundamental richtigen Preis 190 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.A) einer Anlage zu ermitteln (vgl. Herring/Chatusripitak 2000, S. 33).74 Folglich ist die Wahrscheinlichkeit von spekulativen Blasen in diesen Märkten deutlich höher als in Bondmärkten. Angesichts der Eigenschaften von Aktien und Immobilien dürfte auch das Ausmaß von spekulativen Preisblasen höher ausfallen. Besonders bei Schwellenländern sind die Marktpreise der Wertpapiere durch die geringe Markttiefe deutlich volatiler. Schon relativ geringe Portfolioumschichtungen bedeutender Anleger können große Preisbewegungen hervorrufen (vgl. BIZ 1998, S. 101). Ist es Investoren nur möglich, in Aktien und Immobilien zu investieren, wird ihr Portfolio analog dazu ebenfalls größere Schwankungen aufweisen, als wenn ein Teil des Portfolios auch aus Bonds bestehen würde. 3.2.5 Beeinflussung der Liquidierbarkeit von Wertpapieren Ein hohes Volumen ausstehender Wertpapiere allein ist zwar ein erstes Indiz für einen gut entwickelten inländischen Finanzmarkt. Zur Nutzung der kompletten Vorteile eines tiefen inländischen Kapitalmarktes bedarf es allerdings auch der nötigen Liquidität der Wertpapiere (vgl. Yoshitomi/Shirai 2001, S. 14). Der Entwicklungsstand der Sekundärmärkte für Anleihen und Aktien läßt in einigen Volkswirtschaften sehr zu wünschen übrig. Ein Grund hierfür ist die weit verbreitete Strategie, Wertpapiere zu kaufen und sehr lange (bei Anleihen bis zur Fälligkeit) zu halten (vgl. Yoshitomi/Shirai 2001, S. 21). Dabei bieten gut funktionierende Sekundärmärkte eine wichtige Grundlage, um dem Liquiditätsbedürfnis vieler Anleger gerecht zu werden, ohne gleichzeitig Investoren nur kurzfristige Mittel zur Verfügung stellen zu können (vgl. Herring/Chatusripitak 2000, S. 17). Wie bereits erwähnt, legen besonders Banken und andere Finanzinstitute Teile ihrer Mittel in Wertpapieren an. In Situationen mit erhöhtem Liquiditätsbedarf (z.B. Finanzkrisen) kann es vorkommen, daß Banken einen Teil ihrer Wertpapiere verkaufen müssen, um ihre Liquidität aufrecht erhalten zu können. Je weniger tief die inländischen Wertpapiermärkte sind, je geringer also die Anzahl gehandelter Wertpapiere, desto höher ist die Gefahr eines drastischen Preisrückgangs, sollte es zu größeren Verkäufen kommen. Entsprechend geringer wären die Erlöse aus dem Wertpapierverkauf. Es müßten mehr Wertpapiere zu geringeren Preisen verkauft werden, um 74 Im Idealfall sollte der Preis einer Aktie dem abdiskontierten Wert zukünftiger Erträge entsprechen. Ohne marktdeterminierte Zinsen stellt sich jedoch die Frage nach dem Zinssatz, mit dem die Erträge abdiskontiert werden. 191 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.A) den Liquiditätsbedarf zu decken. So würden Wertpapieranlagen unter dem „fairen“ Wert veräußert (vgl. Allen 2000, S. 7). Außerdem verringert der Preisverfall den Wert der Wertpapierbestände anderer Banken, was deren Liquidität und Solvenz negativ beeinflussen kann. Im schlimmsten Fall lassen sich Wertpapiere überhaupt nicht mehr veräußern (vgl. Davis 1999, S. 6). Inländische Wertpapiere sind dann gar nicht zur Überbrückung von kurzfristigen Liquiditätsengpässen geeignet. Die Gefahr einer Illiquidität des Bankensektors wird durch mangelnde Tiefe der Sekundärmärkte deutlich verschärft (vgl. Allen 2000, S. 7). Diesem Problem ließe sich entgegenwirken, wenn Banken und Unternehmen einen großen Anteil ausländischer Wertpapiere in ihren Portfolios halten würden. Dies ist aber meist schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich (vgl. BIZ 1998, S. 145). Bei den genannten Problematiken illiquider Kapitalmärkte darf jedoch ein Aspekt nicht völlig außer Acht gelassen werden. Illiquide Kapitalmärkte können während einer Währungskrise verhindern, daß in Aktien und festverzinslichen Wertpapieren geparkte Mittel aus diesen herausfließen und die Nachfrage nach Fremdwährung erhöhen. 4 Indikatoren für den Entwicklungsstand der inländischen Kapitalmärkte Der Entwicklungsstand der inländischen Kapitalmärkte wird meist anhand der ausstehenden Wertpapiere im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt einer Volkswirtschaft gemessen. Ein hohes Verhältnis zeugt zumindest von einer regen Emissionstätigkeit. Das Entwicklungsniveau der inländischen Sekundärmärkte kann durch Erfassung des Handelsvolumens in Relation zur inländischen Wirtschaftsleistung bzw. zum Volumen der ausstehenden Bonds erfaßt werden. Um der Bedeutung langfristiger Finanzierungsformen für langfristige Investitionen Rechnung zu tragen, sollte bei den Bondmärkten auch die durchschnittliche Laufzeit der Papiere in die Berechnung mit einfließen. 192 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.B) Übersicht 19: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen unterentwikkelten inländischen Kapitalmärkten und dem Verlauf einer Währungskrise - - - - - - Unterentwickelte Rentenmärkte beschränken Sterilisierungsmöglichkeiten von Kapitalzuflüssen seitens des Staates. Hohe Kapitalimporte führen so bei fixen Wechselkursen eher zu einer Ausdehnung der Geldmenge, zu einem Anstieg der Inflation und einer realen Aufwertung der Währung. Unterentwickelte Rentenmärkte erschweren die Finanzierung von Budgetdefiziten. Fehlbeträge müssen verstärkt über eine Erhöhung der Auslandsverschuldung oder über eine Geldmengenausweitung finanziert werden. Erstes führt zu einer erhöhten Abhängigkeit vom Ausland, letzteres zu einem verstärkten Preisanstieg und einer realen Aufwertung der Inlandswährung. Unterentwickelte Rentenmärkte beeinträchtigen das Recycling von eventuellen Liquiditätshilfen an den Bankensektor. Liquiditätszufuhren können so schlechter wieder abgeschöpft werden. Überschußliquidität begünstigt jedoch ebenfalls Preissteigerungen. Unterentwickelte Rentenmärkte können kaum als Indikator für den inländischen Opportunitätszins für geplante Investitionen dienen. Damit steigt die Gefahr eines volkswirtschaftlich ineffizienten Investitionsvolumens. Unterentwickelte Kapitalmärkte (Aktien- und Rentenmärkte) beeinflussen die Finanzierungsstruktur von Banken und Unternehmen. Die Finanzierung ist von wenigen Gläubigern abhängig. Geraten diese Gläubiger selbst in Finanznot, müssen sie Mittel abziehen. Dies kann deren Schuldner ebenfalls in eine finanzielle Schieflage bringen kann. Unterentwickelte Kapitalmärkte verringern die Möglichkeit für Unternehmen und Banken, sich gegen Zins- und Währungsschwankungen abzusichern. Entsprechend sind die Gefahren für Banken und Unternehmen, die von solchen Ereignissen ausgehen, erheblich größer. Bei unterentwickelten Kapitalmärkten sind die Wahrscheinlichkeit eines Auftretens sowie das Ausmaß von Preisblasen höher. Unterentwickelte Kapitalmärkte beeinträchtigen die Liquidierbarkeit von Wertpapieren zur Befriedigung eines plötzlichen Liquiditätsbedarfs. IV.B Geringe Größe des Devisenmarktes und weitere Probleme 1 Der Devisenmarkt als „Ort des Geschehens“ Unter dem Devisenmarkt wird der Ort des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage nach Fremdwährungen verstanden. Als Ausgleichsmechanismus zwischen Angebot und Nachfrage fungiert der Wechselkurs als Preis für die jeweilige Fremdwährung. Im Unterschied zu Aktien werden Devisen nicht nur an einem oder wenigen speziellen Ort(en), sondern weltweit gehandelt. Der Devisenmarkt ist also ein abstrakter Ort (vgl. Hohlstein et al. 2000, S. 118). Er ist der weltweit größte Markt überhaupt. Im April 2001 betrug das geschätzte tägliche Umsatzvolumen im Schnitt insgesamt 1,21 Bio. US-$. Devisen können, wie andere Wertpapiere auch, am Kas193 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.B) sa- oder Terminmarkt gehandelt werden. Große Bedeutung haben im Devisenhandel auch sogenannte Devisenswaps75 (vgl. Reszat 2002, S. 10f.). Die umsatzstärksten Währungen sind der US-Dollar, der Euro (früher die Deutsche Mark), der Schweizer Franken, der Japanische Yen und das Britische Pfund. Diese Währungen werden jeweils nur zu einem kleinen Teil innerhalb der jeweiligen Landesgrenzen gehandelt. So wurden im April 1998 beispielsweise nur etwas mehr als 10% der an die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich gemeldeten Devisenumsätze, an denen die DM beteiligt war, in Deutschland umgesetzt (vgl. BIZ 1999, S. 50f.). Im Gegensatz dazu werden viele Währungen von Emerging Market Economies vorwiegend im jeweiligen Land gehandelt (vgl. Galati 2000, S. 1). Abbildung 17: Tägliche Devisenumsätze ausgewählter Währungen in Mrd. US-$ (April 1997, logarithmisch skaliert) 1260 1000 430 300 158 101 100 73 7 ,1 10 6 ,7 4 ,6 4 ,0 3 ,2 2 ,2 1 0 ,4 0 ,2 0 ,1 0 ,0 4 0 ,0 1 USD DEM JPY GBP CHF FFR M XP BRL THB KRW CZK ARG HUF PHP TRL USD, DEM, JPY, GBP, CHF und FFR (April 1998) Mexikanischer Peso und Brasilianischer Real enthalten andere Währungen Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Der Devisenhandel findet überwiegend zwischen Banken, dem sogenannten Interbankenmarkt, statt. Dort herrscht meist ein Market Maker Verfahren als Preisfindungsverfahren vor (vgl. Wolgast 1997, S. 48). Wie schon in Kapitel II.C.4.1.2 be75 Ein Devisenswap ist ein „Übereinkommen“ zwischen zwei Vertragsparteien, welches ein Devisenkassa- und ein Devisentermingeschäft miteinander kombiniert. Eine Vertragspartei erwirbt per Kassa Währung X gegen Y mit der Pflicht, diese zu einem bereits festgelegten Zeitpunkt und zu bereits festgelegtem Kurs wieder gegen Währung Y zu verkaufen (vgl. Deutsche Bundesbank 1995, S. 167). 194 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.B) schrieben, stellen Market Maker auf Anfrage An- und Verkaufskurse für das Währungspaar, für das sie als Market Maker fungieren. Die Gegenpartei, welche beim Market Maker Preise für eine bestimmte Menge einer Währung (z.B. 10 Mio. US-$) angefragt hat, kann nun entscheiden, ob sie auf die gestellten Preise handeln will und wenn ja, ob sie kaufen oder verkaufen will. Entscheidet sich die Gegenpartei zum Kauf der angesprochenen 10 Mio. US-$, muß der Market Maker verkaufen. Man spricht in diesem Zusammenhang davon, daß der Market Maker 10 Mio. US-$ „verliert“, da dieser Prozeß ungewollt stattfindet. Im umgekehrten Fall „fängt“ der Market Maker 10 Mio. US-$. Da die Gegenpartei bewußt ihre Position verändert, spricht man hier von kaufen oder verkaufen (vgl. Wolgast 1997, S. 74). Übersicht 20: Termini am Devisenmarkt Bestandszunahme der Währung Bestandsabnahme der Währung Gewollte Bestandsveränderung ungewollte Bestandsveränderung Kaufen Verkaufen Fangen Verlieren Quelle: In Anlehnung an Wolgast 1997, S. 74 2 Liquidität der Devisenmärkte 2.1 Überblick über die Dimensionen der Liquidität In der bisherigen Betrachtung wurden primär Determinanten betrachtet, welche im Fall einer Krise die Höhe eines Kapitalabflusses bestimmen können. Übersicht 21: Dimensionen der Liquidität Zeitlich Dimension der Liquidität Indikatoren Unmittelbarkeit durchschnittliche Zeitspanne zwischen Aufgabe und Ausführung der Orders Zeitspanne zwischen Schock und Rückkehr des Bid-Ask Spreads bzw. des Handelsvolumens auf Niveau vor dem Schock Bid-Ask Spread, Anzahl der Marktteilnehmer Handelsvolumen, durchschnittliche Höhe einzelner Orders Widerstandskraft preislich, mengenmäßig Breite Tiefe Quelle: In Anlehnung an BIZ 1999a, S. 13ff. Nun soll untersucht werden, ob eine bestimmte Menge an Kapitalexporten bzw. Verkaufsorders am Devisenmarkt in unterschiedlichen Devisenmärkten unterschiedliche Auswirkungen hinsichtlich der Währungsabwertung nach sich ziehen kann. Ein wich195 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.B) tiger Faktor, der dies beeinflussen dürfte, ist die Liquidität der jeweiligen Währung. Die Liquidität eines Marktes bzw. einer Währung wird in der Literatur häufig in mehreren Dimensionen (siehe Übersicht 21) dargestellt (vgl. Borio 2000, S. 38). 2.2 Zeitliche Dimensionen der Liquidität Zu den zeitlichen Dimensionen zählt zum einen die Unmittelbarkeit. Darunter kann die Geschwindigkeit, mit der Orders ausgeführt werden können, verstanden werden (vgl. Borio 2000, S. 38). Zum anderen zählt dazu die Widerstandskraft des Marktes. Sie zielt auf die Messung der Zeitspanne ab, wie lange Preise am Markt benötigen, um nach einem Schock zum Ausgangsniveau zurückzukehren. Als Indikator wird dafür häufig die Zeitspanne verwendet, welche vergeht, bis die gleich noch genauer zu definierenden Bid-Ask Spreads oder die Handelsvolumina nach einem Schock (z.B. nach einer Finanzkrise) wieder das Niveau vor dem Schock erreichen (vgl. BIZ 1999a, S. 13f.). Auf eine nähere Betrachtung der zeitlichen Dimensionen soll jedoch im weiteren verzichtet werden. 2.3 Preisliche und mengenmäßige Dimensionen der Liquidität 2.3.1 Marktbreite Die sogenannte Marktenge bzw. Marktbreite gibt Aufschluß über die Abweichung der Kauf- bzw. Verkaufskurse vom Mittelkurs einer Devise bzw. eines Wertpapiers. Da am Devisenmarkt vorwiegend An- und Verkaufskurse durch Banken gestellt werden, läßt sich die Marktenge anhand des sogenannten Bid-Ask Spreads feststellen. Der Bid-Ask Spread bezeichnet die Differenz zwischen dem von einer Bank gestellten An- und Verkaufskurs für eine Währung (vgl. BIZ 1999a, S. 13). Würde man die Währung von einem Marktteilnehmer erwerben und sofort wieder an den gleichen Marktteilnehmer zurückverkaufen, so entstünde unabhängig von weiteren Gebühren ein Verlust in Höhe des Bid-Ask Spreads multipliziert mit dem gehandelten Volumen. Grund hierfür ist, daß Marktteilnehmer immer einen höheren Verkaufs- als Ankaufspreis stellen, auf welchen gehandelt werden kann (vgl. Muranaga/Shimizu 1999, S. 2). Je höher der durchschnittliche Bid-Ask Spread, der von den Marktteilnehmern gestellt wird, desto geringer ist die Marktbreite und damit die Liquidität des Marktes (vgl. Bruegger 1999, S. 174). Nach Aussagen eines Händlers resultiert der Zusammenhang zwischen Liquidität und Bid-Ask Spread76 daraus, daß es in einem 76 Dies gilt nicht nur für den Devisenmarkt. 196 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.B) illiquiden Markt für Marktteilnehmer kaum möglich ist, den aktuellen Devisenkurs genau zu bestimmen. Um dem Risiko zu begegnen, durch falsche Kursstellungen entweder massiert Devisen zu fangen oder zu verlieren, werden Market Maker einen hohen Spread einpreisen. Bei höherer Liquidität ist es eher möglich, den „genauen Kurs“ abzuschätzen und der Bid-Ask Spread kann so enger gestellt werden (vgl. Kohlmeyer 2003). 2.3.2 Markttiefe Die Markttiefe bezeichnet die Höhe des Ordervolumens, die vom Markt absorbiert werden kann, ohne daß der vorherrschende Preis beeinflußt wird (vgl. Borio 2000, S. 38). Als Indikator für die Markttiefe findet beispielsweise die Durchschnittshöhe einzelner Orders und die Höhe eines einzelnen Handelsgeschäftes Verwendung (vgl. BIZ 1999a, S. 14). Wesentlich bedeutender, und auch in der Literatur sehr weit verbreitet, ist das Handelsvolumen, welches in einer bestimmten Periode (i.d.R. ein Tag) gehandelt wird. Allerdings ist dieser statische Indikator nicht unumstritten. Muranaga/Shimizu (1999, S. 3) verweisen darauf, daß die Markttiefe auch durch Angebots- und Nachfrageorders determiniert wird, die aufgrund des Preislimits nicht zum betreffenden Zeitpunkt zu Umsätzen am Markt führen. Nichtsdestotrotz ist das tägliche Handelsvolumen der wichtigste und meistgenutzte Indikator, um die Markttiefe und damit die Liquidität eines Marktes abzubilden (vgl. Galati 2000, S. 1). Mit zunehmender Markttiefe einer Währung – also höherem Handelsvolumen – in ruhigen Zeiten, kann ein höheres Ordervolumen vom Markt aufgenommen werden, ohne daß es zu Wechselkursveränderungen kommt. Oder anders ausgedrückt: Ein bestimmtes Volumen an Kauf- oder Verkaufsorders, welches in einem bestimmten Zeitraum aufgegeben wird, kann in einem tiefen Devisenmarkt mit geringeren Preisänderungen absorbiert werden als in einem „seichten“ Markt mit geringem Handelsvolumen (vgl. BIZ 1999, S. 11). Als Beispiel erwähnt de Brouwer (2001 S. 128f.), daß der Devisenmarkt für Australische $ einige Wochen benötigen würde, um ein Volumen von einigen Milliarden US-$ ohne deutliche Preiseffekte zu absorbieren. Am wesentlich tieferen €/US-$ Markt ließe sich eine solche Summe in deutlich kürzerer Zeit platzieren, ohne große Preiseffekte hervorzurufen. Entsprechend dürften Abwertungsraten am Devisenmarkt während einer Währungskrise mit gegebenem Ver- 197 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.B) kaufsvolumen bei geringer Markttiefe deutlich höher ausfallen als in tiefen Märkten (vgl. Joshi 2003, online, S. 10). Dies läßt sich auch graphisch anhand der Abbildung 18a/18b verdeutlichen. Es handelt sich hierbei um simple Preis-Mengen-Diagramme. Auf der Horizontalachse wird jeweils das Handelsvolumen (V) dargestellt, auf der Vertikalachse findet sich der Preis (P) der inländischen Währung, ausgedrückt in ausländischer Währung (Wechselkurs in Mengennotierung). (Dieses Diagramm weicht so ausnahmsweise aus Darstellungsgründen von der Darstellung des Wechselkurses in Preisnotierung ab.77) Auch hier zeigt sich eine höhere Währungsabwertung in „seichten“ Devisenmärkten bei gleicher Ausdehnung des Angebotsvolumens. Abbildung 18a/18b: Entwicklung des Wechselkurses bei unterschiedlich tiefen Devisenmärkten a) P N 20 A1 P0 P1 A0 50 V1 V 77 Der Wechselkurs in Mengennotierung (Außenwert) ist der Kehrwert des Wechselkurses in Preisnotierung. 198 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.B) b) P N 20 A1 P0 P1 A0 500 V1 V Quelle: Eigene Darstellung (nicht maßstabsgetreu) 3 Empirische Zusammenhänge in „ruhigen“ und in Krisenzeiten In empirischen Untersuchungen findet sich häufig ein positiver Zusammenhang zwischen Handelsvolumen und Volatilität eines Wechselkursverlaufs (vgl. Galati 2000, S. 1). Dieser scheinbare Gegensatz resultiert daraus, daß zu diesem Thema vorwiegend Längsschnittanalysen durchgeführt wurden, d.h. es wurde ein bestimmter Wechselkurs herangezogen und die Entwicklung von Handelsvolumen und Volatilität gegenüber gestellt. So erscheint es durchaus einleuchtend, daß sich z.B. mit Eintreffen unerwarteter Nachrichten viele Marktteilnehmer neu positionieren. Daraus resultiert ein erhöhtes Handelsvolumen und eine höhere Volatilität der Währung. Auch zu Beginn einer Währungskrise kann in vielen Fällen ein erhöhtes Handelsvolumen in einer Währung beobachtet werden. Durch den plötzlichen Wertverlust der Währung erhöht sich gleichzeitig auch die Volatilität der betroffenen Währung (vgl. Galati 2000, S. 8). Reduziert man die Längsschnittbetrachtung allerdings auf Phasen von Währungsturbulenzen, so zeigt sich ein negativer Zusammenhang zwischen Handelsvolumen und Volatilität eines Wechselkurses. D.h., mit zunehmender Wechselkursschwankung 199 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.B) geht das Handelsvolumen der Währung zurück bzw. mit zurückgehendem Handelsvolumen steigt die Volatilität (vgl. Galati 2000, S. 12). Ein Grund für diese Entwicklung dürfte in der abnehmenden Marktbreite liegen. Durch die drastische Veränderung des Wechselkurses steigen die Unsicherheiten und das Preisrisiko deutlich an. Somit erhöhen sich für alle Beteiligten die Risiken des Haltens einer offenen Währungsposition in der betroffenen Währung. Zudem steigt angesichts der enormen Preisbewegungen das Kontrahentenrisiko, d.h. das Risiko, daß die Gegenpartei ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen kann, beachtlich an. Folglich werden alle Marktteilnehmer versuchen, offene Position in der betroffenen Währung zu vermeiden. So weigern sich Market Maker teilweise, überhaupt noch An- oder Verkaufskurse zu stellen. Sollten sie es doch tun, werden sie die Bid-Ask Spreads stark ausdehnen, um eine Entschädigung für das höhere Risiko zu erhalten (vgl. Cheung/Chinn 1999, S. 7/21). Durch die Ausweitung der Bid-Ask Spreads wird ein Handeln in der betroffenen Währung erheblich teurer, das Handelsvolumen geht zurück. Dadurch erklärt sich die in der Literatur häufig beobachtbare positive Korrelation zwischen Volatilität und Bid-Ask Spreads (vgl. Borio 2000, S. 42/50). Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, daß Market Maker besonders den Kurs, zu dem sie die betroffene Währung ankaufen, so tief stellen, daß für die jeweilige Gegenpartei kaum noch ein Anreiz besteht, die Währung zu verkaufen. Das Stellen dieser „eingefärbten“ Kurse reflektiert so bereits die Erwartung eines weiteren Wertverlustes der Währung durch den Market Maker (vgl. Bruegger 1999, S. 176). Wird auf die Kurse dennoch gehandelt, bricht der Wert der Inlandswährung sofort drastisch ein. Außerdem dürfte sich das Handelsvolumen verringern, weil den vielen Marktteilnehmern, welche die Währung verkaufen möchten, oft kaum noch Marktteilnehmer gegenüber stehen, die bereit sind, eine Währung zu kaufen, welche unter massivem Abwertungsdruck steht (vgl. Davis 1999, S. 5).78 Auf diesem Weg wäre es möglich, daß selbst geringe Verkaufsvolumina eine hohe Abwertungsrate der betroffenen Währung hervorrufen (vgl. Reszat 2002, S. 17). Berücksichtigt man oben genannte Punkte, so erscheint eine einmalige Betrachtung des Devisenhandelsvolumens im Vorfeld einer Krise nur eingeschränkt als ausreichend. Zu berücksichtigen ist auch die Entwicklung des Handelsvolumens und des Bid-Ask Spreads während einer 78 In Abbildung 18a/18b würde sich dies durch eine Linksverschiebung der Nachfragekurve N zeigen. 200 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.B) Phase mit Wechselkursturbulenzen.79 Je stärker das Handelsvolumen im Verlauf der Krise einbricht bzw. je stärker sich die Bid-Ask Spreads ausweiten, desto höher ist die Gefahr einer massiven Abwertung, sollte es zu weiteren Kapitalabflüssen kommen. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die Relation der inländischen Geldmenge bzw. der Auslandsverschuldung zum Devisenhandelsvolumen verwiesen (siehe Kapitel II.C.5.1/II.D.1.2). Diese Zusammenhänge sollten sich auch in einer für die vorliegende Arbeit bedeutenderen Querschnittsanalyse zeigen.80 In der Querschnittsanalyse ist bei flexiblen Wechselkursen tendenziell von einem negativen Zusammenhang zwischen Handelsvolumen und Währungsabwertung besonders in Krisensituationen auszugehen. Allerdings muß in Betracht gezogen werden, daß die Nettokapitalströme in Währungen mit tiefen Währungsmärkten auch größere Dimensionen erreichen können. Rankin (1999, S. 158) gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, daß die wenigen Emerging Markets mit tiefen Devisenmärkten verstärkt für sogenannte „cross hedges“ benutzt wurden. Unter „cross hedging“ versteht man das Hedging eines Investors in einem anderen Markt als dem, in welchem ein Investment getätigt wurde. Dies erfolgt dann, wenn der Markt, in dem das Investment getätigt wurde, für Absicherungsgeschäfte zu wenig liquide ist. Statt dessen wird versucht, die Kurssicherung über einen Drittmarkt zu erreichen, dessen Entwicklung mit dem eigentlichen Markt möglichst hoch korreliert. So wurde beispielsweise der Markt für Malaysische Ringgit als Hedgemarkt für Indonesische Rupiah genutzt (vgl. de Brouwer 2001, S. 107). 4 Devisenmärkte in Industriestaaten und Emerging Market Economies Die Markttiefe in Währungen aufstrebender Volkswirtschaften gemessen am Handelsvolumen ist, wie schon angesprochen, in vielen Fällen merklich geringer als diejenige in Währungen von entwickelten Volkswirtschaften. In kaum einer Schwellenlandwährung überstieg der Tagesumsatz geraume Zeit vor der jeweiligen Währungskrise die 10 Mrd. US-$-Grenze. Zum Beispiel beliefen sich die täglichen Umsätze 79 Schließlich wäre es denkbar, daß eine Währung in ruhigen Zeiten zwar ein recht hohes Handelsvolumen und enge Bid-Ask Spreads aufweist, in Krisenphasen der Devisenmarkt für diese Währung jedoch fast austrocknet. 80 Die Querschnittsanalyse untersucht Wechselkursverläufe unterschiedlicher Währungen während der jeweiligen Währungskrise in Abhängigkeit von deren Handelsvolumen oder evtl. Bid-Ask Spreads. 201 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.B) des Mexikanischen Peso und des Brasilianischen Reals als recht umsatzstarke Schwellenlandwährungen kurz vor Ausbruch der jeweiligen Krise auf 4,2 bzw. 8,5 Mrd. US-$ (vgl. BIZ 1998, S. 124). Anders sieht es bei Währungen von Industriestaaten aus. Die täglichen Umsätze lagen im April 1992 beim Britischen Pfund schätzungsweise bei mehr als 100 Mrd. US-$ und beim Französischen Franc bei etwa 50 Mrd. US-$ (vgl. BIZ 1999a, S. 50f./66). Selbst die Währungen kleinerer Industriestaaten wiesen meist vergleichsweise tiefe Devisenmärkte auf. Der Umsatz der Schwedischen Krone belief sich beispielsweise im Frühjahr/Sommer 1992 immerhin auf täglich 10-15 Mrd. US-$ (vgl. Svenson 2003). Auch brachen die Handelsvolumina in Währungen von Industriestaaten im Verlauf einer Krise deutlich weniger ein, als die Handelsvolumina von Schwellenlandwährungen. Ein Problem vieler Emerging Market Währungen ist darüber hinaus, daß diese fast immer von wenigen „Big Playern“ dominiert werden. Nur die größten Banken mit großem finanziellen Rückhalt sind in der Lage, die Risiken dieser hochvolatilen Märkte zu tragen (vgl. Reszat 2002, S. 16). Aufgrund der höheren Risiken und des geringeren Handelsvolumens werden i.d.R. auch die An- und Verkaufskurse in Schwellenlandwährungen breiter gestellt (höherer Bid-Ask Spread) als in Währungen entwickelter Volkswirtschaften (vgl. Galati 2000, S. 9/21). Sowohl die weiten Bid-Ask Spreads als auch die geringe Anzahl bedeutender Marktteilnehmer zeugen von einer geringen Marktbreite und damit tendenziell von einer relativ geringen Liquidität dieser Devisenmärkte. Die Gefahr eines gleichgerichteten Verhaltens ist umso größer, je geringer die Anzahl bedeutender Marktteilnehmer ist (vgl. Davis 1999, S. 4f.). Außerdem weisen Corsetti et al. (2002, S. 33) darauf hin, daß die Konzentration des Devisenhandelsvolumens auf wenige „Big Player“ unter bestimmten Umständen auch die anderen Markteilnehmer zu einem aggressiveren Marktverhalten bewegen (Währung wird eher und stärker attackiert) und damit eine Krise ausweiten kann. 5 Liquiditätsindikatoren Als Liquiditätsindikator für Devisenmärkte bieten sich zum einen das tägliche Handelsvolumen, auch in Relation zum BIP, und die Bid-Ask Spreads einer Währung an. Das Handelsvolumen einer Währung kann zusätzlich als Relativierungsgröße für die Verschuldung oder die Geldmenge und die Kapitalflucht verwendet werden. 202 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) Da sich Bid-Ask Spreads während einer Krise stark ausweiten können bzw. das Handelsvolumen einbrechen kann, sollte auch die Entwicklung beider Indikatoren im Verlauf der Währungskrise mit in die empirische Betrachtung einbezogen werden. Übersicht 22: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen der Liquidität der Devisenmärkte und dem Verlauf einer Währungskrise - - - Illiquide Devisenmärkte führen während einer Währungskrise zu einer höheren Abwertungsrate der inländischen Währung. Ein Markt mit geringem Handelsvolumen kann nur eine vergleichsweise kleine Angebotserhöhung an Inlandswährung verkraften, ohne daß es zu starken Preiseffekten kommt. Illiquide Devisenmärkte weisen meist einen höheren Bid-Ask Spread aus als liquide Märkte. Bei Währungskrisen resultiert dieser höhere Spread vorwiegend aus einem schlechter gestellten Ankaufskurs der Market Maker, wodurch es sofort zu einer deutlichen Abwertung kommt, sofern ein anderer Marktteilnehmer die Inlandswährung an den Market Maker verkauft. Je illiquider die Devisenmärkte während einer Währungskrise sind, desto stärker wird c.p. die Abwertungsrate ausfallen. IV.C Kapitalverkehrskontrollen 1 Definition und Klassifikation von Kapitalverkehrskontrollen In diesem Kapitel soll die Möglichkeit der Regierungen erläutert werden, durch Beschränkungen des Kapitalverkehrs den Verlauf der Währungskrise zu beeinflussen. Der Begriff der Kapitalverkehrskontrollen (auch Kapitalverkehrsbeschränkungen genannt) umfaßt ganz allgemein sämtliche administrativen Eingriffe zur Überwachung und Beschränkung des Kapitaltransfers zwischen In- und Ausland (vgl. Weniger 1988, S. 47). Kapitalverkehrskontrollen treten z.B. in Form von Steuern auf Kapitaltransfers, quantitativen Transferbeschränkungen (vgl. Neely 1999, S. 15) oder gespaltenen Wechselkursen81 auf. Darüber hinaus lassen sich Kapitalverkehrsbeschränkungen nach weiteren Kriterien unterscheiden. Beispielsweise finden sich häufig Differenzierungen zwischen Beschränkungen der Kapitalein- und ausfuhr (vgl. Edwards 1999, S. 6ff.) oder zwischen Gebietsansässigen und Nicht- Gebietsansässigen. Andere Separierungen beziehen sich auf den Zweck der Kontrollen (vgl. Neely 1999, S. 16). Ferner können Kapitalverkehrsbeschränkungen bei81 Unter gespaltenen oder auch multiplen Wechselkursen wird die Anwendung unterschiedlicher Wechselkurse auf unterschiedliche Transaktionen bezeichnet. Dabei besteht oft für warenstrominduzierte Kapitalströme ein fixer Wechselkurs, für reine Kapitaltransaktionen hingegen ein flexibler Wechselkurs (vgl. Hohlstein et al. 2000, S. 235f.). 203 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) spielsweise auch nach dem Gegenstand, auf den sie sich beziehen (Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen, Kredite etc.), differenziert werden. Abbildung 19: Klassifizierung von Kapitalverkehrskontrollen in Abhängigkeit Nicht G ebietsansässige Kauf von inländischen W ertpapieren durch Ausländer Kreditgewährung durch Ausländer an das Inland G ebietsansässige Verkauf bestehender Firm enbeteligungen im Ausland Begebung von W ertpapieren durch Inländer im Ausland Kreditaufnahme durch Inländer im Ausland Direktinvestitionen Portfolioinvestitionen Verkauf bestehender Firm enbeteiligungen im Inland Begebung von W ertpapieren durch Ausländer im Inland Kreditaufnahme durch Ausländer im Inland Firmenkäufe im Ausland durch Inländer Kauf von ausländischen W ertpapieren durch Inländer Kreditgewährung durch Inländer an das Ausland Nicht G ebietsansässige Firmenkäufe im Inland durch Ausländer G ebietsansässige Kapitalausfuhr Kapitaleinfuhr von Art, Richtung und Personen Kredite Quelle: In Anlehnung an Johnston/Tamirisa 1998. S. 6 Kapitalverkehrsbeschränkungen ziehen ähnlich wie Handelsbeschränkungen negative Auswirkungen nach sich. So wird beispielsweise zur Verfügung stehendes Sparkapital nicht so effizient eingesetzt, wie es möglich wäre (vgl. Neely 1999, S. 13). Die Durchführung der Kontrollen bindet zudem im Inland personelle und materielle Ressourcen, welche nicht mehr für andere produktive Zwecke zur Verfügung stehen (vgl. Weniger 1988, S. 81). Ferner fehlt es besonders in Emerging Markets häufig an Mitteln, um die Kontrollen effektiv durchzusetzen (vgl. Johnston/Ryan 1994, S. 3). So stellt sich die Frage, welche Ziele Regierungen mit der Einführung von Kapitalverkehrskontrollen verfolgen und welche Auswirkungen Kapitalverkehrskontrollen auf den Verlauf einer Währungskrise haben können. Die Zielsetzungen unterscheiden sich meist in Abhängigkeit davon, ob die Kontrollen die Kapitalein- oder ausfuhr betreffen. 204 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) 2 Ziele und Auswirkungen von Kapitalverkehrskontrollen 2.1 Ziele von Kapitalimportbeschränkungen Beschränkungen der Kapitaleinfuhr dienen häufig dazu, eine Währungsaufwertung der inländischen Währung zu vermeiden oder abzumildern. Durch Kontrollen der Kapitaleinfuhr kann die Menge des zufließenden Kapitals und damit die Nachfrage nach Inlandswährung – zumindest theoretisch – weitestgehend reguliert und an das Angebot an inländischer Währung angepaßt werden. So ließe sich eine erhebliche reale Währungsaufwertung vermeiden (vgl. Neely 1999, S. 18). Darüber hinaus wird mit selektiven Beschränkungen des Kapitalverkehrs versucht, die Struktur der Kapitalimporte zu beeinflussen. Kapitalverkehrsbeschränkungen können, je nach Ausgestaltung, beispielsweise zur Verhinderung von ausländischen Direktinvestitionen oder zur Vermeidung kurzfristiger Kapitalzuflüsse dienen (vgl. Edwards 1999, S. 10ff.). Besonders mit der Unterbindung letzterer soll eine zu hohe kurzfristige Auslandsverschuldung der Volkswirtschaft und des inländischen Finanzsystems verhindert werden, um damit eine erhöhte Anfälligkeit der Wirtschaft für Wechselkursschwankungen abzuwenden. Dies gilt besonders dann, wenn das inländische Finanzsystem noch nicht voll entwickelt ist. Kapitalverkehrskontrollen dienen ferner dazu, den Handlungsspielraum der inländischen Zentralbank zu erhöhen. Kontrollen der Kapitaleinfuhr können der Notenbank in gewissem Umfang die Möglichkeiten geben, den kurzfristigen Inlandszins zur Inflationsbekämpfung über dem „normalen“ Zins82 zu halten, ohne umgehend Kapitalzuflüsse auszulösen. Allerdings sind die Beschränkungen der Kapitalzuflüsse im Rahmen dieser Arbeit nur von nachrangiger Bedeutung. Diese können den Verlauf einer Währungskrise nur indirekt über die Struktur und Höhe der Kapitalzuflüsse beeinflussen, welche in einer Krisensituation aus einer Volkswirtschaft wieder abfließen könnten und soweit sie eine reale Währungsaufwertung eindämmen können (vgl. Rossi 1999, S. 16). 2.2 Ziele von Kapitalexportbeschränkungen Von größerer Bedeutung für diese Arbeit sind die Beschränkungen der Kapitalausfuhr. Diese umfassen z.B. die Beschränkung oder das Verbot der Kreditaufnahme von Ausländern im Inland oder den Kauf von Wertpapieren oder Direktinvestitionen 82 Als normaler Zins soll hierbei der Zins verstanden werden, der bei freier Kapitalmobilität weder Kapitalzuflüsse noch –abflüsse auslösen würde. 205 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) durch in Inländer im Ausland. Auch die Begebung von Wertpapieren von Ausländern im Inland unterliegt häufig Restriktionen (vgl. Johnston/Tamirisa 1998, S. 6). Kapitalexportbeschränkungen dienen z.B. der inländischen Verwendung heimischer Ersparnisse (vgl. Neely 1999, S. 19). Durch Verringerung der Kapitalexporte verbleibt mehr Sparkapital im Inland (vgl. Kapitel II.D.2.4.1), was dort c.p. zu sinkenden Zinsen führt. Da eine inverse Beziehung zwischen Zins und Investitionen angenommen werden kann, dürften die Investitionen zunehmen. Diese werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederum positiv auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen. Die steigenden Investitionen führen zu einer Erhöhung des Volkseinkommens und so gewöhnlich zu einer Verbesserung des Steueraufkommens (vgl. Quirk 1994, S. 2). Die aus den Kapitalexportbeschränkungen resultierenden niedrigeren Zinsen wirken sich ebenfalls positiv auf den Staatshaushalt aus, da weniger staatliche Einnahmen für Zinsausgaben aufgewandt werden müssen (vgl. Weniger 1988, S. 75). Festzuhalten bleibt jedoch, daß rein aus Rendite-/Risikogesichtspunkten ein Kapitalexport des Inlands u.U. effizienter wäre (vgl. Weniger 1988, S. 73f.). Wird ein positiver Zusammenhang zwischen Zins und Sparen angenommen, so ist nicht einmal die Ausweitung der Investitionstätigkeit sicher, wenn die Spartätigkeit aufgrund der geringeren Zinsen verringert wird. Im Fall einer Währungskrise kann freie Kapitalmobilität den Wechselkurs stark unter Druck bringen (vgl. Rossi 1999, S. 11). Beschränkungen der Kapitalexporte sollen dazu dienen, Kapitalabflüsse ins Ausland und einen weiteren Anstieg des Angebots // der Nachfrage inländischer Währung // nach ausländischer Währung zu unterdrükken oder weniger lohnend zu machen. So soll vermieden werden, daß die inländische Währung abwertet bzw. noch stärker abwertet, als sie es sowieso schon tut. Eine inländische Regierung kann sich auf diese Art die notwendige Zeit verschaffen, durch längerfristige Reformen und Restrukturierungen (v.a. des Finanzsystems) den Verlauf der Krise und den Verlauf des Wechselkurses positiv zu beeinflussen (vgl. Edwards 1999, S. 6ff.). Selbst wenn es nur gelingt, die Kapitalexporte über einen längeren Zeitraum zu strecken, könnte sich das (u.U. auf Kosten einer länger andauernden Krise) in einer geringeren Abwertungsrate der Inlandswährung niederschlagen, da so meist erste Maßnahmen als Reaktion auf die Krise Wirkung zeigen und mehr Devisenangebot aus Exporten vorhanden ist. Damit eng verbunden ist ein 206 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) weiterer Vorteil der Kapitalverkehrskontrollen. Durch Kontrollen der Kapitalausfuhren kann die eigene Währung theoretisch ohne weitere unangenehme Begleitmaßnahmen, wie z.B. eine Anhebung der Inlandszinsen, stabilisiert werden. Anders gesagt, können Maßnahmen zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Aktivität durchgeführt werden, ohne gleichzeitig die Stabilität der Währung noch weiter zu gefährden (vgl. Johnston/Tamirisa 1998, S. 14). So kann das schon angesprochene Dilemma der Notenbank zwischen Stabilisierung der heimischen Währung und Stabilisierung des Finanzsektors (siehe Kapitel III.A.5.4) zumindest vorübergehend auf Kosten des Zugangs zu den internationalen Finanzmärkten gemindert werden (vgl. Ariyoshi et al. 2000, S. 29). Die Möglichkeit der Kapitalausfuhr wurde z.B. im Verlauf der Währungskrisen in Spanien (1992), Malaysia (1997/98), Thailand (1997/98), Rußland (1998), Venezuela (1994/95/96) und Rumänien (1996/97) teils drastisch eingeschränkt (vgl. Ariyoshi et al. 2000, S. 53ff.). 2.3 Kapitalexportbeschränkungen als Krisentreiber Bis jetzt wurden Kapitalexportkontrollen im Fall einer Währungskrise als Mittel dargestellt, die Kapitalabflüsse zu verringern bzw. in ihrer Geschwindigkeit und Intensität abzubremsen. In der Literatur wird jedoch auch auf eine andere mögliche Auswirkung von Beschränkungen des Kapitalverkehrs hingewiesen. Haben Wirtschaftssubjekte eine Beschränkung der Kapitalmobilität zu erwarten, könnte dies weitere Kapitalabflüsse provozieren, aus Angst, mit einer Anlage im Inland sprichwörtlich gefangen zu sein. So geschehen in Malaysia im Herbst 1997 (vgl. Ziesemer 1999, S. 375). Auch Inländer können sich veranlaßt sehen, ihr Vermögen ins Ausland zu transferieren (vgl. Quirk 1994, S. 8). Eine Krise würde zumindest kurzfristig noch ausgeweitet (Glick/Hutchison 2000, S. 2). Bartolini/Drazen (1997) argumentieren in ähnlicher Weise damit, daß die Einführung von Kapitalexportkontrollen ein Signal an Investoren aussendet, wonach die inländischen Fundamentaldaten nicht nachhaltig seien. Die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen kann folglich als Katalysator für Kapitalexporte fungieren. Dann würde genau das Gegenteil der ursprünglichen Intension erreicht. Zudem besteht die Gefahr, daß Beschränkungen des Kapitalexports über einen längeren Zeitraum hinweg auch die Kapitalzuflüsse vermindern, welche für eine zügige Erholung der Volkswirtschaft unabdingbar sind. Kapitalverkehrskontrollen können eine Krise auch dadurch verschärfen, indem sie die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger in vermeintlicher Sicherheit wiegen. Erforderliche Anpas207 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) sungsmaßnahmen (z.B. Wechselkursfreigabe, Haushaltskonsolidierung oder restriktive Geldpolitik) werden verzögert oder unterlassen, und die Krise, wenn sie schließlich doch offen zu Tage tritt, wird weiter verschlimmert (vgl. Edwards 1999, S. 8). Weniger (1988, S. 70f.) weist ferner auf folgendes Problem bei Kapitalverkehrsbeschränkungen hin: Werden beispielsweise im Verlauf einer Währungskrise Kapitalverkehrskontrollen eingeführt, werden die Zinsen im Inland tendenziell weniger stark ansteigen als dies bei freier Kapitalmobilität der Fall wäre. Somit verschlechtert sich die Rendite-Risikokonstellation einer Volkswirtschaft gegenüber freier Kapitalmobilität stärker. Der Anreiz zu Kapitalexporten ist entsprechend höher. Da die Einschränkungen der Kapitalmobilität jedoch nur selten vollständig undurchlässig sind, werden so vermehrt Kapitalabflüsse ausgelöst, welche die Inlandswährung stärker abwerten lassen können als ohne Kapitalverkehrsbeschränkungen. Die empirische Literatur kommt dazu zu keinem eindeutigen Ergebnis. Edison/Reinhart (2000) haben den Effekt von Kapitalexportkontrollen sowohl für Malaysia als auch für Thailand während der Asienkrise untersucht. Sie kommen zu dem Schluß, daß die Kontrollen in Thailand mindestens nutzlos, wenn nicht sogar schädlich waren. In Malaysia hingegen zeigten die Kontrollen die gewünschten Wirkungen. Allerdings ist für Malaysia darauf hinzuweisen, daß zumindest die sehr restriktiven Kontrollen und die neue Wechselkursbindung erst ein Jahr nach Beginn der Währungsabwertungen eingeführt wurden. Dadurch war der Anreiz zu Kapitalexporten vermutlich schon deutlich geringer (vgl. Edison/Reinhart 2000, S. 20). Glick/Hutchison (2000) weisen ihn ihrer Untersuchung zwischen 1975 und 1997 für 90 Entwicklungs- und Schwellenländer relativ klar einen positiven Zusammenhang zwischen Kapitalverkehrskontrollen und Währungskrisen nach. Allerdings findet sich dort keine Unterscheidung zwischen Kapitalverkehrsbeschränkungen und Intensität der Währungskrise (vgl. Glick/Hutchison 2000, S. 8). Leblang (2001) unterscheidet in seiner Untersuchung zwischen spekulativen Attakken (auf dem Devisenmarkt kommt eine Währung unter Abwertungsdruck) und einer wirklichen Währungsabwertung größeren Ausmaßes. Er findet einen positiven Zusammenhang zwischen Kapitalverkehrskontrollen und spekulativen Attacken, d.h. eine Volkswirtschaft mit Kapitalverkehrsbeschränkungen läuft eher Gefahr, Opfer 208 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) einer spekulativen Attacke zu werden. Tritt hingegen eine spekulative Attacke auf, ist die Wahrscheinlichkeit einer deutlichen Abwertung mit Kapitalverkehrsbeschränkungen geringer, was einer Einschränkung der Kapitalmobilität während einer Krise einen gewissen Nutzen hinsichtlich einer möglichen Kriseneindämmung bescheinigen würde (vgl. Leblang 2001, S. 25ff.). 3 Umgehungsmöglichkeiten 3.1 Anreiz zur Umgehung von Kapitalverkehrskontrollen Kapitalverkehrsbeschränkungen sind, wie bereits dargelegt, keine Allheilmittel zur Linderung oder gar zur Vermeidung einer Währungskrise. Wie schon erwähnt, versuchen Wirtschaftssubjekte Vermögensverluste aus einer Abwertung zu minimieren, indem sie ihr Kapital ins Ausland transferieren. Aus diesem Grund besteht für Wirtschaftssubjekte ein enormer Anreiz, die Kapitalverkehrskontrollen zu umgehen. Spanien verlor allein im Oktober/November 1992 trotz Kapitalverkehrsbeschränkungen mehr als 10 Mrd. US-$ an Währungsreserven. Generell sind sich nahezu alle empirischen Untersuchungen darin einig, daß Kapitalverkehrskontrollen (besonders die zur Verringerung von Kapitalexporten) langfristig nicht sonderlich effektiv sind (vgl. Edwards 1999, S. 6). Theoretisch sind Kapitalverkehrskontrollen immer als Kosten auf Kapitaltransfers ins Ausland darstellbar. Bei der Besteuerung von Kapitaltransfers gilt dies direkt, bei quantitativen Beschränkungen lassen sich die Kosten und Risiken der Beschränkungsumgehung als Kosten des Kapitaltransfers ins Ausland darstellen (vgl. Frenkel et al. 2001, S. 4). Der Anreiz für Kapitalexporte besteht solange, wie die Rendite einer ausländischen Anlage, abzüglich der Umgehungskosten der Kapitalverkehrskontrollen, die Rendite einer um die erwartete Währungsabwertung bereinigten inländischen Anlage übersteigt. Formal läßt sich dies vereinfacht folgendermaßen ausdrücken: r°-k > r-ê r // r° k ê (IV.C.3.1) = Rendite einer inländischen // ausländischen Anlage = Kosten der Umgehung der Kapitalverkehrskontrollen = erwartete Höhe der Währungsabwertung umgeformt ergibt sich: r°+ê-k > r (IV.C.3.2) 209 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) Nach dieser Formel kann die erwartete Abwertungsrate auch als Renditeaufschlag auf die ausländische Anlage dargestellt werden. Vor allem die zu erwartenden Verluste aus Währungsabwertungen können einen enormen Anreiz zu Kapitalexporten darstellen. Nach Weniger (1988, S. 53f.) errechnet sich ê wie folgt: ê = x*p*t x p t (IV.C.3.3) = erwartete Abwertungsrate = Eintrittswahrscheinlichkeit der Abwertung = Kehrwert der Zeiteinheiten, die eine Abwertung bezogen auf ein Jahr noch entfernt ist Nimmt man beispielsweise eine erwartete Abwertungsrate der inländischen Währung von 40% sowie eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 60% an und geht man davon aus, daß die Währung binnen von 2 Monaten abwerten wird83, so ergibt sich ê mit 144%. Entsprechend hoch ist der Anreiz, trotz der Kosten der Umgehung von Kapitalverkehrskontrollen, Kapital zu exportieren. Unmittelbar vor einer Währungsabwertung würde ê unendlich. 3.2 Falschbewertung von Außenhandelstransaktionen Die Umgehungsmöglichkeiten sind stark von der individuellen Ausgestaltung der Kapitalverkehrsbeschränkungen abhängig. Bestimmte Möglichkeiten bestehen jedoch sehr häufig und wurden schon in Kapitel II.D.3.2.5 kurz angesprochen. Einige sollen nachfolgend näher dargestellt werden. Zur Umgehung von Kapitalexportkontrollen können heimische Exporteure versuchen, in der „offiziellen“ Rechnung einen geringeren als den tatsächlichen Warenwert anzugeben. Die Devisenerlöse aus dem Geschäft müssen bei der Zentralbank in Inlandswährung getauscht werden. Die Differenz zum „normalen“ Warenwert wird dem Exporteur auf einem ausländischen Konto in Fremdwährung gutgeschrieben. So vermindert sich das Angebot an Auslandswährung. Ein inländischer Importeur wird hingegen versuchen, seine Rechnung zu hoch ausweisen zu lassen. Er erhält von der Notenbank die Rechnungssumme in Devisen gegen Inlandswährung zugeteilt. Mit diesen bezahlt er die Importrechnung. Die Differenz zum „Normalpreis“ wird auf ein Auslandskonto des Importeurs eingezahlt. Die Nachfrage nach Devisen ist höher als dies unter normalen Umständen der Fall wäre. Darüber hinaus können durch gefälschte Dokumente Ein- und Ausfuhren vorgetäuscht werden, die so überhaupt 83 t errechnet sich in diesem Beispiel wie folgt: 2 Monate bis zur Abwertung entsprechen dem sechsten Teil eines Jahres. Der Kehrwert daraus ist 6. 210 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) nicht stattgefunden haben (vgl. Weniger 1988 S. 96). Internationale Unternehmen besitzen zudem in geringem Umfang die Möglichkeit, durch Veränderung der internen Verrechnungspreise Kapital zu exportieren (vgl. Weniger 1988, S. 97). 3.3 Leads und Lags bei Zahlungszielen Mehr oder weniger legal ist die großzügige Auslegung von Zahlungszielen. Inländische Importeure versuchen bei Fakturierung in Fremdwährung ihre Rechnungen vorzeitig – u.U. gegen Erhalt eines Preisnachlasses – zu zahlen. Ein heimischer Exporteur ist gerne bereit ein längeres Zahlungsziel einzuräumen, wenn er dafür die Fremdwährung zu einem späteren Zeitpunkt der Währungskrise in eine höhere Summe Inlandswährung tauschen kann. Auf diesem Weg besteht für Inländer die Möglichkeit, dem Ausland letztendlich Kredit zu gewähren und damit Kapital zu exportieren (vgl. Neely 1999, S. 27). Kurzfristig kann dies zu erheblichen Kapitalexporten führen und den Wechselkurs trotz Kapitalverkehrsbeschränkungen nicht unerheblich beeinflussen. Ähnliche Anreize bestehen für ausländische Im- und Exporteure, sofern die Handelstransaktionen in inländischer Währung fakturiert sind. So könnte ein ausländischer Importeur beispielsweise versuchen (auch durch Zahlung eines Preisaufschlags), die Zahlung hinauszuschieben. Die genannten Möglichkeiten, Kapital trotz Kontrollen zu exportieren, bestehen häufig, denn auch im Fall einer Währungskrise soll der Außenhandel eines Landes weitestgehend unbeeinträchtigt bleiben. Vielfältigste Umgehungsmöglichkeiten erschließen sich, sofern bestimmte Kapitaltransaktionen von den Beschränkungen ausgenommen werden. Oftmals unterliegen nur kurzfristige Kapitaltransaktionen bestimmten Beschränkungen (z.B. in Spanien im Verlauf der EWS-Krise). Würde ein langfristiger Kredit wie eine Anleihe verbrieft, wäre er frei handelbar und entsprechend kurzfristig zu liquidieren. Aufgrund des de jure langfristigen Finanzierungsinstruments unterläge er jedoch keinen Beschränkungen beim Verkauf. Ariyoshi et al. (2000) führen dazu aus, daß durch den zunehmenden Ausbau der Sekundär-, Derivate- und Off-shore-Märkte eine Umgehung solcher Kontrollen immer leichter möglich wird. Spanische Banken transferierten beispielsweise während der EWS-Krise Gelder zu ausländischen Niederlassungen (die keinen Beschränkungen unterlagen), um die Kontrollen zu umgehen (vgl. Ariyoshi et al. 2000, S. 56). 211 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) 4 Meßverfahren für Kapitalverkehrskontrollen 4.1 Direkte Meßverfahren Aus den Umgehungsmöglichkeiten ergibt sich zwangsläufig, daß die Kapitalverkehrskontrollen nicht so wirkungsvoll sein müssen, wie eigentlich vorgesehen. Daraus folgt, daß die de jure-Mobilität des Kapitals von der de facto-Kapitalmobilität erheblich abweichen kann. Übersicht 23: Meßmethoden der Kapitalmobilität bzw. der Intensität der Kapitalverkehrskontrollen Direkte Meßverfahren (de jure-Kapitalmobilität) Kapitalverkehrskontrollen ja/nein mit diversen Abstufungen Indirekte Meßverfahren (de facto-Kapitalmobilität) Umfang der Kapitalströme in Relation zur Wirtschaftsleistung Gedeckte/ungedeckte Zinsparität Spar-/Investitionszusammenhang Ausmaß der geldpolitischen Autonomie für Ausländer erwerbbarer Anteil der Aktienmarktkapitalisierung Quelle: Eigene Darstellung Die de jure-Kapitalmobilität läßt sich in groben Zügen aus den Quellen des Internationalen Währungsfonds ersehen. Aufgrund der Informationen des Währungsfonds versuchen einige Autoren direkt die Intensität der Kapitalverkehrskontrollen zu schätzen. Alesina et al. (1994) konstruieren eine Dummy-Variable, welche den Wert eins annimmt, sofern Kapitalverkehrsbeschränkungen bestehen. Anderenfalls wird die Variable mit dem Wert Null belegt. Ähnlich geht auch Rodrik (1998) vor. Diese Verfahrensweisen bergen jedoch das Problem in sich, daß in einer solchen Betrachtung keine Abstufungen hinsichtlich der Intensität von Kapitalverkehrskontrollen getroffen werden können. Montiel/Reinhart (1999) versuchen, durch die Einführung von Abstufungen der de jure-Kapitalverkehrsmobilität, die unterschiedlichen Beschränkungsintensitäten besser zu berücksichtigen. Dennoch bleiben auch diese Meßmethoden ungenau und mit einem gewissen Maß an Willkür verbunden (vgl. Edwards 1999, S. 5f.). 4.2 Indirekte Meßverfahren 4.2.1 Umfang der Kapitalströme Aufgrund der Möglichkeit, Einschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit zu umgehen, versuchen andere Ansätze die de facto-Intensität der Kapitalverkehrskontrollen an 212 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) deren Folgen für die Kapitalmobilität zu messen. Kapitalverkehrskontrollen sollen die Kapitalmobilität künstlich herabsetzen. Bei Montiel (1993) findet sich eine recht gute Zusammenfassung entsprechender Methoden. Eine Möglichkeit ist die Erfassung der Kapitalflüsse in Relation z.B. zum Bruttoinlandsprodukt. Die Intention hinter den auf dieser Methodik basierenden Ansätzen ist die, daß die Kapitalströme in Relation zur Wirtschaftsleistung mit zunehmender Intensität der Kapitalverkehrsbeschränkungen abnehmen müßten. Der große Vorteil dieser Methoden liegt in der Einfachheit und in der guten Datenverfügbarkeit, was besonders bei Emerging Markets ein ausschlaggebender Faktor ist (vgl. Montiel 1993, S. 27f.). Der Nachteil dieser Methoden ist, daß der Kapitalverkehr einer Volkswirtschaft mit dem Ausland nicht zwangsläufig deswegen höher sein muß, weil keine Kapitalverkehrskontrollen vorliegen.84 Darüber hinaus liegen entsprechende Daten nur in niedriger Frequenz vor (meist ein Quartal oder Jahr). Legt ein Inländer beispielsweise Geld kurzfristig im Ausland an und löst die Anlage wenige Tage danach wieder auf, so ist nicht davon auszugehen, daß beide Transaktionen überhaupt erfaßt werden (vgl. Montiel 1993, S. 28). Verschärft wird dieser Sachverhalt noch durch den steigenden Einsatz von Derivaten, deren Anlagehorizont häufig sehr kurz ist; ganz abgesehen davon, daß die Erfassung von Derivaten ohnehin problembehaftet ist (vgl. Neely 1999, S. 26). 4.2.2 Gültigkeit der Zinsparität 4.2.2.1 Gedeckte und ungedeckte Zinsparität 4.2.2.1.1 Ungedeckte Zinsparität Eine weitere Möglichkeit, die Intensität von Kapitalverkehrskontrollen zu testen, ist die Gültigkeit der Zinsparität. Die Berechnung kann auf zwei verschiedenen Arten der Zinsparität basieren, der gedeckten und der ungedeckten Zinsparität. Die ungedeckte Zinsparität besagt, daß die Rendite einer Anlage im Inland einer vergleichbaren Anlage im Ausland, korrigiert um die erwartete Wechselkursänderung, entsprechen muß (vgl. Montiel 1993, S. 9). Eine Abweichung von der Zinsparität würde bei freier Kapitalmobilität zu unterschiedlichen Renditen im In- und Ausland und unmit- 84 Allerdings wird darauf verwiesen, daß mit zunehmender Kapitalverkehrsfreiheit i.d.R. auch die Kapitalströme anschwellen (vgl. Montiel 1993, S. 5). 213 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) telbar zu Kapitalbewegungen führen.85 Auf diesem Wege würden die Abweichungen von der Zinsparität wieder eingeebnet (vgl. Weniger 1988, S. 117). Persistieren Abweichungen von der Zinsparität über einen längeren Zeitraum, so könnte dies als Zeichen eingeschränkter Kapitalmobilität gewertet werden. Mit anderen Worten: Mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehen Kapitalverkehrsbeschränkungen. 4.2.2.1.2 Gedeckte Zinsparität Bei der gedeckten Zinsparität tritt an Stelle der erwarteten Wechselkursänderung die Abweichung des Terminwechselkurses86 vom Kassawechselkurs, zu dem das Wechselkursrisiko im entsprechenden Zeitraum ausgeschaltet werden kann. Formal ergibt sich die gedeckte Zinsparität als: (1+i) = (1+i°)*(f/s) (IV.C.4.1) i // i° = inländisches // ausländisches Zinsniveau f // s = Termin- // Kassawechselkurs (vgl. Montiel 1993, S. 8). 4.2.2.2 Einschränkungen Die Messung der Kapitalmobilität über die Zinsparität – gedeckt oder ungedeckt – hat sich in der Literatur großer Beliebtheit erfreut. Anwendungen finden sich u.a. bei Lizondo (1983), Khor/Rojas-Suarez (1991) und Garcia/Valpassos (1998). Nichtsdestotrotz beinhalten auch diese Verfahren einige Nachteile. Gesetzliche Eingriffe in den heimischen Kapitalmarkt, wie Mindestreservevorschriften (vgl. Weniger 1988, S. 119) oder die administrative Festlegung von Zinsen und Wechselkursen (statt marktdeterminierten Zinsen und Wechselkursen), können – unabhängig von Beschränkungen des Kapitalverkehrs – dauerhafte Abweichungen von der Zinsparität bewirken (vgl. Haque/Montiel 1991, S. 1393). In einer empirischen Betrachtung besteht ferner das Problem, daß vergleichbare Anlagen in unterschiedlichen Ländern nicht ohne weiteres zu finden sind (vgl. 85 Könnten bei einer inländischen Anlage beispielsweise 6% Rendite erwirtschaftet werden, im Ausland dagegen nur 4%, würde das Inland beträchtliche Kapitalzuflüsse erfahren, solange die Abwertungserwartung der inländischen Währung geringer als ca. 2% wäre. Läge sie darüber, würden Kapitalexporte stattfinden. Nur bei einer Abwertungserwartung von ca. 2% fänden keine Kapitaltransaktionen statt. 86 In der Abweichung des Terminwechselkurses vom Kassawechselkurs spiegelt sich die Zinsdifferenz zweier Länder zueinander wider. Durch die Zinsdifferenz kommt auch die erwartete Abwertungsrate des Wechselkurses durch die Marktteilnehmer zum Ausdruck. 214 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) Schneider 1999, S. 6). Zwar mag die Laufzeit identisch sein, jedoch unterliegen Anlagen in Schwellenländern fast immer einem deutlich höheren Ausfall- und politischen Risiko als Investments in Industriestaaten. Wenn es sich aber nicht um vergleichbare Anlagen handelt, warum sollten dann die Zinserträge identisch ausfallen? Darüber hinaus entstehen bei jeder Kapitaltransaktion Kosten, wodurch eine Renditespanne entsteht, in welcher sich Arbitrage selbst bei sonst gleichen Rendite/Risikogesichtspunkten inländischer und ausländischer Anlagen nicht lohnt (vgl. Weniger 1988, S. 118). Für die Verwendung der gedeckten Zinsparität sind ferner Terminwechselkurse notwendig, welche für viele Schwellenlandwährungen mangels ausgebauter Terminmärkte nur unzureichend vorhanden sind (vgl. Schneider 1999, S. 5). Die ungedeckte Zinsparität kommt zwar ohne Terminkurse aus, jedoch wird dafür die erwartete Abwertungsrate der inländischen Währung benötigt, die fast immer nur aus der Veränderung des Kassawechselkurses approximiert werden kann (vgl. Montiel 1993, S. 9f.). 4.2.2.3 Off-shore Märkte Eine deutliche Vereinfachung stellt sich ein, sofern eine inländische Anlage mit einer identischen Anlage (inkl. gleicher Währung), die an Off-shore Märkten gehandelt wird, verglichen werden kann. In Off-shore Märkten (auch Euro- oder Xenomärkte genannt) werden Devisen gehandelt oder Anlagen getätigt, die nicht auf die vor Ort geltende Währung lauten (vgl. Fischer-Erlach 1995, S. 59). So wurden z.B. Malaysische Ringgit vor Ausbruch der Asienkrise in größerem Umfang am Off-shore Handelsplatz Singapur gehandelt. In diesem Fall entfällt die Wechselkursveränderung. Zudem ist das Kreditrisiko bei beiden Anlagen identisch. Folglich müssen die beiden Zinssätze bei freiem Kapitalverkehr gleich sein (vgl. Weniger 1988, S. 122). Käsmeier (1984) hat in einer Studie festgestellt, daß sich die Off-shore Zinsen dollardenominierter Anlagen von denen vergleichbarer inländischer Anlagen so gut wie nur durch die Mindestreservevorschriften im Inland unterscheiden. Dieser Einfluß ließe sich jedoch quantitativ berücksichtigen. Allerdings werden an den Off-shore Märkten vorwiegend Anlagen gehandelt, die in Währungen der Industriestaaten denominiert sind (vgl. Fischer-Erlach 1995, S. 179). Nichtsdestoweniger existieren auch für einige Anlagen in Schwellenlandwährungen Off-shore Märkte. Abweichungen des inländischen Zinses von den Off-shore Zinsen können jedoch, wie hinsichtlich der Mindestreservevorschriften dargestellt, nicht nur durch Kapitalverkehrskontrollen entstehen, 215 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) sondern auch durch andere administrative Eingriffe und politische Risiken (z.B. Gefahr der Beschlagnahmung von Konten). Hier kann es durchaus zu Abweichungen zwischen Inlands- und Off-shore-Märkten kommen. Ein erhöhtes politisches Risiko führt auch bei freiem Kapitalverkehr zu einem Anstieg der Inlandszinsen gegenüber den Off-shore Zinsen (und damit zu einer Abweichung von der Zinsparität), da eine Regierung keinen unmittelbaren Zugriff auf Anlagen in Off-shore Märkten hat. (vgl. Weniger 1988, S. 123). 4.2.3 Spar-Investitionszusammenhang Die Wirksamkeit von Kapitalverkehrsbeschränkungen kann auch durch die Höhe des Zusammenhangs zwischen gesamtwirtschaftlicher Spar- und Investitionsquote einer Volkswirtschaft geschätzt werden. Dieser Ansatz geht davon aus, daß in einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Kapitalmobilität die Höhe der Sparquote der Höhe der Investitionsquote immer gleichen muß. Ist dies nicht der Fall, so muß davon ausgegangen werden, daß eine gewisse Kapitalmobilität herrscht. Mit abnehmender Wirkung von Kapitalverkehrskontrollen kann die Entwicklung von Spar- und Investitionsquote stärker divergieren (vgl. Schneider 1999, S. 9). Die Korrelation zwischen beiden Größen im Zeitablauf dürfte abnehmen. Bestehen keine Kapitalverkehrsbeschränkungen, so ist mit einer geringen Korrelation von allenfalls 0,6 zu rechnen (vgl. Schneider 1999, S. 18). Auch eine negative Korrelation ist dann nicht ausgeschlossen. Eine geringe Korrelation zwischen Spar- und Investitionsquote zeigt zwar ein hohes Maß an Kapitalmobilität an, umgekehrt bedeutet eine hohe Korrelation jedoch keineswegs zwangsläufig eine hohe Effizienz bestehender Kapitalverkehrskontrollen (vgl. Montiel 1993, S. 15). Vielmehr kann ein hoher Zusammenhang darauf zurückzuführen sein, daß beide Größen von gleichen Determinanten (z.B. Staatshaushalt) mitbestimmt werden (vgl. Schneider 1999, S. 3f.). Bei dieser Methode wird zudem implizit davon ausgegangen, daß die Intensität der Kapitalverkehrskontrollen über den Berechnungszeitraum hinweg konstant bleibt. Diese Annahme erscheint aufgrund fortschreitender Liberalisierung des Kapitalverkehrs ebenfalls sehr problematisch, zumal Daten über Spar- und Investitionsquoten oft nur quartalsweise veröffentlicht werden und so ein im Maßstab der Finanzmärkte erheblicher Zeitraum zur Berechnung erforderlich ist. 216 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) 4.2.4 Weitere Verfahren Eine weitere Möglichkeit der Messung der Wirksamkeit von Kapitalverkehrsbeschränkungen besteht in der Ausprägung der geldpolitischen Autonomie. Dieser Weg beruht auf der Annahme, daß die Geldpolitik bei perfekter Kapitalmobilität nicht in der Lage ist, die Geldmenge zu beeinflussen. Versucht die Zentralbank die Geldmenge zu erhöhen, so führt dies zu fallenden Inlandszinsen. Aufgrund der schlechteren Rendite-Risikokonstellation kommt es zu Kapitalabflüssen und so wieder zu einer entsprechenden Verringerung der inländischen Geldmenge. Der expansive geldpolitische Impuls wird bei vollständiger Kapitalmobilität im Idealfall durch Kapitalabflüsse völlig absorbiert (vgl. Montiel 1993, S. 24). Besonders bei flexiblen Wechselkursen gilt dieser Mechanismus auch bei freier Kapitalmobilität nur eingeschränkt, da inländische Wirtschaftssubjekte die heimische Währung nicht nur an Ausländer, sondern auch an andere Inländer weiterveräußern können. In diesem Fall käme es zwar zu einer Abwertung der Inlandswährung, jedoch nicht zu einer vollständigen Eliminierung des expansiven Impulses der Geldpolitik. Zudem ist bei nicht vollständig fixen Wechselkursen eine Unterscheidung zwischen autonomer und kapitalzuflußbedingter Erhöhung der Zentralbankgeldmenge kaum möglich. Eine gänzlich andere Methode wählen Edison/Warnock (2001). Ihr Ansatz zielt lediglich auf die Erfassung von Kapitalverkehrsbeschränkungen, welche den Aktienmarkt betreffen, ab. Sie setzen die für Ausländer erwerbbare Aktienmarktkapitalisierung ins Verhältnis zu der von der International Finance Corporation (IFC) veröffentlichten Gesamtaktienmarktkapitalisierung einer Volkswirtschaft. Je geringer der Quotient ist, desto größer ist die Intensität der Kapitalverkehrskontrollen. Der Vorteil liegt, ebenso wie die Messung der Kapitalströme, in der Datenverfügbarkeit. Die große Problematik liegt darin, daß nur Restriktionen im Bereich der Aktienmärkte erfaßt werden. Restriktionen im Bereich von Direktinvestitionen, Bonds, Derivaten und Krediten bleiben außen vor (vgl. Edison/Warnock 2001, S. 1f./13). Für eine empirische Analyse aller Kapitalverkehrskontrollen scheint diese Methodik deswegen ungeeignet. 5 Indikatoren Alle vorgestellten Meßmethoden für die Intensität von Kapitalverkehrskontrollen weisen erhebliche Defizite auf. Für einige Größen existieren zudem keine adäquaten Daten. Aufgrund der relativ guten Datenverfügbarkeit besonders für Emerging Mar217 IV Probleme im Bereich der inländischen Finanzmärkte (IV.C) kets wird der Umfang der Kapitalströme in Relation zum Bruttoinlandsprodukt trotz der geschilderten Unzulänglichkeiten als Indikator in der empirischen Analyse herangezogen. Hinzu kommt, daß die Defizite dieses Indikators durch das gewählte Analyseverfahren teilweise neutralisiert werden. Bislang wurden vorwiegend die sogenannten mikro- und makroökonomischen „HardFacts“ in den betroffenen Volkswirtschaften und deren Auswirkungen auf den Verlauf einer Währungskrise theoretisch dargestellt. Zu untersuchen ist jedoch auch, ob und inwieweit institutionelle Regelungen, bestimmte Handlungsweisen der Finanzmarktteilnehmer selbst oder Reaktionen der betroffenen Staaten den Krisenverlauf beeinflussen können. Zur besseren Gliederung soll nachfolgend zwischen privaten Wirtschaftssubjekten im In- und Ausland (Banken, Versicherungen, Investment- Pensions- und Hedgefonds sowie die inländische Bevölkerung), internationalen Ratingagenturen und politisch Verantwortlichen im In- und Ausland (Regierung, Zentralbank und internationale Organisationen) unterschieden werden. Übersicht 24: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Kapitalverkehrskontrollen und dem Verlauf einer Währungskrise - - - Kapitalverkehrskontrollen können im Fall einer Währungskrise helfen, Kapitalabflüsse und Devisenspekulationen zu reduzieren oder zumindest über einen längeren Zeitraum zu strecken. So erhalten Anpassungsmaßnahmen die notwendige Zeit, um zu wirken. Außerdem ist über einen längeren Zeitraum auch das Fremdwährungsangebot größer. Dadurch kann eine Währungsabwertung u.U. abgemildert werden. Andererseits können Kapitalverkehrskontrollen eine Währungskrise auch verschärfen, wenn sie den Anlegern signalisieren, mit ihren Anlagen im Inland gefangen zu sein. Dies könnte bis zur Einführung der Beschränkungen zu panikartigen Kapitalexporten führen. Außerdem deuten Kapitalverkehrskontrollen auf nicht nachhaltige Fundamentalfaktoren hin, was angesichts der häufig lükkenhaften Beschränkung des Kapitalverkehrs zu vermehrten Anlageauflösungen führen kann. Im Gegensatz zu anderen Größen, ist die Wirkungsrichtung von Kapitalverkehrskontrollen nicht ohne weiteres vorhersagbar. 218 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Markteilnehmer V.A Private Wirtschaftssubjekte 1 Institutionelle Investoren 1.1 Die Bedeutung institutioneller Investoren Die wichtigste Gruppe unter den privaten Wirtschaftssubjekten ist die der sogenannten institutionellen Investoren (Banken, Fonds, Versicherungen). Sie gehören zu den „Big-Playern“ auf dem Devisenmarkt. Schon Investment- und Pensionsfonds allein verfügen über immense Summen an Kapital (weltweit ca. 20 Bio. US-$) und können durch Vermögensumschichtungen erhebliche Preisbewegungen hervorrufen (vgl. de Brouwer 2001, S. 51). Auch diese Institutionen handeln jedoch nicht rein mechanisch, sondern werden durch menschliche Entscheidungen gelenkt. Die Entscheidungsträger unterliegen allerdings psychischen Einflüssen wie Angst, Panik, Neid und Statusdenken. Zudem konnten sie im Laufe ihrer Tätigkeit Erfahrungen an den Finanzmärkten sammeln, die Entscheidungen unterschwellig beeinflussen. Darüber hinaus mag es bestimmte institutionelle Regelungen oder Handelstechniken geben, die das Handeln dieser Akteure in Krisensituationen mitbestimmen. 1.2 Handelstechniken 1.2.1 Stop-Loss-Orders Stop-Loss-Verkaufsorders beinhalten im Gegensatz zu normalen limitierten Verkaufsaufträgen (Take-Profit-Orders) keinen Mindestpreis, den der Verkäufer pro Einheit erzielen will. Vielmehr wird die Verkaufsorder dann ausgeführt, wenn ein vorher festgesetzter Preis nicht über-, sondern unterschritten wird (siehe Abbildung 20).87 Ist dies der Fall, wird die Verkaufsorder zu nächstmöglichen Kurs ausgeführt (vgl. Bruegger 1999, S. 90f.). Dieses Instrument dient, wie der Name schon sagt, der Verlustbegrenzung bzw. der Gewinnsicherung. Mit Stop-Loss-Orders wird versucht, das Risiko, welches aus einer offenen Währungsposition oder einer anderen Anlage resultiert, auf ein vorher bestimmtes Maximum zu begrenzen, um die wirtschaftliche Existenz des Wirtschaftssubjekts nicht zu gefährden (vgl. Steiner/Bruns 2000, S. 379). Dieses aus Sicht des einzelnen Wirtschaftssubjekts durchaus sinnvolle Instrument zur Risikobegrenzung kann in Krisensituationen durch Kettenreaktionen 87 Durch Stop-Loss-Orders kommen implizit statische Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich des weiteren Kursverlaufs zum Ausdruck (d.h. die Marktteilnehmer gehen von einer Fortführung eines bestehenden Trends aus). 219 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) jedoch verheerende Folgen für den Verlauf des Wechselkurses haben (vgl. Conrad 2000, S. 143). Abbildung 20a/20b: Take-Profit-Verkaufsorders (a) vs. Stop-Loss-Verkaufsorders (b) (a) (b) P P Verkauf Verkauf P1 P1 t t Quelle: Eigene Darstellung Kommt eine Währung unter Druck, werden u.U. einige Stop-Loss-Marken unterschritten, die zugrunde liegenden Orders ausgeführt. Da diese jedoch kein Kurslimit besitzen, kann der Wert der Inlandswährung sehr stark einbrechen. Dies ist v.a. dann wahrscheinlich, wenn wie Fall von Währungskrisen die Nachfrage nach Inlandswährung sehr gering ist. Durch die ausgelöste Abwertung können wiederum Stop-Loss-Marken anderer Marktteilnehmer unterschritten werden, was weitere Verkäufe auslösen und die Währung immer stärker Druck bringen kann usw. (vgl. Osler 2002, S. 2). Hierbei spielen Fundamentalfaktoren für das Ausmaß der Wechselkursabwertung kaum eine Rolle (vgl. Breienbücher/Kretschmer 2000, S. 250). 1.2.2 Technische Analyse Fundamentale Einflußfaktoren bestimmen auf längere Sicht den Wechselkurs auf den Devisenmärkten. Der Zeitraum, über den v.a. Banken Engagements am Devisenmarkt eingehen, erstreckt sich aufgrund von Risikoerwägungen jedoch selten über wenige Handelstage hinaus (vgl. Wolgast 1997, S. 90). Auf diese kurze Frist spielen Fundamentalfaktoren fast immer nur eine untergeordnete Rolle für die Wechselkursbewegungen. Als Handlungsleitfaden wird statt dessen oft die technische Analyse oder Chartanalyse herangezogen (vgl. Goldberg/von Nitzsch 2000, 220 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) S. 19). Diese Form der Analyse basiert nicht auf fundamentalen Daten. Warum sich Kurse bewegen ist irrelevant. Das „Wie“ ist von alleinigem Interesse. Bei der Chartanalyse wird argumentiert, daß bestimmte Wechselkursbewegungen in der Vergangenheit auch in Zukunft wieder auftreten. So lassen sich Kauf- oder Verkaufssignale auf bestimmten Kursniveaus generieren (vgl. Bruegger 1999, S. 84f.). Auf diesem Weg kann die Chartanalyse auch als Methode dienen, um Kursmarken für die schon beschriebenen Stop-Loss-Orders zu identifizieren. Das eben Beschriebene soll anhand eines hypothetischen Beispiels verdeutlicht werden (siehe auch Abbildung 21). Angenommen, in der Vergangenheit hat der Mexikanische Peso mehrfach gegenüber dem US-$ bis zu einem Wechselkurs von etwa 10:1 (10 Peso pro US-$) abgewertet, um anschließend wieder an Wert zu gewinnen. Charttechnisch ist eine sogenannte Unterstützungslinie entstanden. Erreicht der Mexikanische Peso wieder diese Unterstützungslinie von 10:1, so ist für das weitere Verhalten eines technisch orientierten Anlegers entscheidend, ob der Peso die Marke von 10:1 diesmal passiert oder nicht. Sofern der Peso nicht signifikant stärker als 10 Peso pro US-$ abwertet, könnte dies aus technischer Sicht als Kaufsignal für den Mexikanischen Peso verstanden werden. Durchbricht der Peso jedoch diese Marke signifikant, ist dies als Verkaufssignal zu werten. Eine weitere signifikante Abwertung des Peso ist aus technischer Sicht zu erwarten. Ebenso ließe sich der Zusammenbruch eines Fixkurssystems als Verkaufssignal interpretieren. Auch in diesem Fall würde der Wechselkurs von seinem Verhalten der Vergangenheit abweichen. Setzt eine große Anzahl der Markteilnehmer solche oder ähnliche Verfahren ein, besteht über eine fundamental gerechtfertigte Abwertung hinaus ein immenser Verkaufsdruck in der betroffenen Währung. Da vorübergehend kaum noch Marktteilnehmer die Währung zu kaufen bereit sind, muß die Währung stark abwerten (vgl. FischerErlach 1995, S. 109f.). Eine größere Anzahl von Käufern findet sich häufig erst wieder bei der nächsten großen Unterstützungslinie (im Beispiel bei 15:1). Wie weit der Wechselkurs nachgibt, wäre so nicht primär von den Fundamentalfaktoren, sondern von wahrscheinlich zufälligen Unterstützungslinien abhängig, an denen sich der Trend des Wechselkurses in der Vergangenheit geändert hat. 221 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) Abbildung 21: Beispielhafte Handelsstrategie nach der technischen Analyse P t e c h n is c h e s K a u f s ig n a l 1 0 :1 t e c h n is c h e s V e r k a u f s ig n a l 1 5 :1 t Quelle: Eigene Darstellung Natürlich ist dies nur eine grobe, aber doch zutreffende Darstellung der technischen Analyse, welche noch viele weitere Usancen kennt. Eine detailliertere Darstellung würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Aber schon aus dieser Darstellung wird ersichtlich, daß Handelsentscheidungen, welche auf der Chartanalyse basieren, zu einer über das fundamental gerechtfertigte Maß hinausgehenden Währungsabwertung führen können (vgl. de Brouwer 2001, S. 67). Theoretisch könnte so sogar eine Währungskrise unabhängig von „Fundamentals“ entstehen. Allerdings liefern die Anwendung der Chartanalyse oder von Stop-Loss-Orders an und für sich noch keinen Grund, warum die Währungen von Schwellenländern häufig stärker abwerten als die von Industriestaaten. Eine mögliche Erklärung dafür besteht darin, daß besonders nach dem Zusammenbruch eines Fixkurssystems (welcher in Emerging Markets häufiger vorkommt als in Industriestaaten) keine weiteren Unterstützungsmarken vorhanden sind, auf deren Kursniveau sich eine Währung technisch stützen könnte. 1.3 Positions- und Verlustlimite Ein weiterer Grund, warum Währungen über ihren fundamentalen Wert hinaus abwerten, könnte im Vorhandensein interner Verlust- und Positionslimite der institutionellen Investoren liegen. Besonders Devisenhändler in Banken unterliegen Beschränkungen, wie hoch die Bestände in einer Währung maximal sein dürfen (Positionslimite) und welche Grenze die Verluste einer gehaltenen Währungsposition nicht überschreiten dürfen (Verlustlimite) (vgl. Breitenbücher/Kretschmer 2000, S. 245f.). 222 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) Hält eine Bank Bestände einer Währung, welche unter immensen Abwertungsdruck geraten ist, so kann es sein, daß die Bestände verringert werden müssen, weil inzwischen ein Buchverlust angefallen ist, der das interne Verlustlimit in dieser Währung für diesen Zeitraum übersteigt (vgl. Wolgast 1997, S. 93). Die resultierenden Verkäufe der inländischen Währung können zu weiteren Kursrückgängen derselben führen. Ähnlich können sich Positionslimite auswirken. Stellt eine Bank am Interbankenmarkt oder für ihre institutionellen Kunden auch während einer Währungskrise noch Geldund Briefkurse für die betroffene Währung (Market Maker), so läuft sie Gefahr, große Bestände an inländischer Währung kaufen zu müssen (Fangen). So können die angesammelten Bestände das für die Währung bestehende Positionslimit überschreiten. Die Bank sieht nun sich ihrerseits gezwungen, Positionen zu veräußern oder anderweitig abzusichern, was wiederum den Druck auf die betroffene Währung verstärkt (vgl. Bruegger 1999, S. 288f.). Darüber hinaus ist damit zu rechnen, daß Positionslimite für eine Währung, welche unter massivem Abwertungsdruck steht, reduziert werden. Die Positionslimite von Schwellenlandwährungen werden im Gegensatz zu Währungen von Industriestaaten während einer Krise häufig komplett ausgesetzt (auf 0 reduziert). Wird ein Positionslimit ausgesetzt, sind die bestehenden Positionen umgehend aufzulösen. Grund hierfür ist jedoch nicht die Währungsabwertung an sich, sondern die Gefahr, daß die Volkswirtschaften, welche international eine Nettoschuldnerposition aufweisen, durch die Krisensituation ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können (vgl. Hoyler 2004 und Merk 2004). So sind Banken bei Währungen aus Schwellenländern eher gezwungen, Positionen umgehend abzubauen, was die schon geschilderten Folgen für die Inlandswährung hat (vgl. Siekirsky 2004). 1.4 Bedeutung von Hedgefonds 1.4.1 Was sind Hedgefonds? Hedgefonds poolen wie gewöhnliche Investmentfonds Finanzmittel von anderen institutionellen Investoren oder vermögenden Privatpersonen, um diese am Kapitalmarkt anzulegen. Hedgefonds unterliegen jedoch im Gegensatz zu anderen Fonds so gut wie keinen rechtlichen Einschränkungen, d.h. Hedgefonds dürfen in deutlich 223 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) mehr Anlagegegenstände investieren. Es ist ihnen auch erlaubt, deutlich höhere Risiken einzugehen als Investment- oder Pensionsfonds (vgl. Kremer 2000, S. 231). Hedgefonds besitzen zwar formal weniger Eigenmittel (weltweit ca. 110 Mrd. US-$ Ende 1997) als andere Fonds oder Banken, allerdings engagierten sich Hedgefonds gemessen an den Mitteln deutlich stärker als andere institutionelle Investoren in Emerging Marktes (vgl. de Brouwer 2001, S. 51f.). Außerdem ist die Eigenmittelausstattung ein schwacher Indikator für das Anlagevolumen, da Hedgefonds oft höher durch Fremdkapital finanziert und dazu noch sehr stark am Terminmarkt engagiert sind. So belief sich das nominale Anlagevermögen des bekannten LTCM-Fonds 1998 auf 1,25 Bio. US-$ bei einem Eigenkapital von weniger als 5 Mrd. US-$ (vgl. Single/Stahl 2000, S. 208ff.). Hedgefonds waren 1996 in Asien mit ca. 13 Mrd. US-$ investiert, Pensions- und Investmentfonds dagegen nur mit 5 Mrd. US-$ (vgl. de Brouwer 2001, S. 52). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, daß Hedgefonds in den 1990er Jahren volumenmäßig mit die wichtigsten Marktteilnehmer zumindest in den ostasiatischen Emerging Market Economies waren. 1.4.2 Aggressives Marktverhalten Machen Devisenumsätze von Hedgefonds einen großen Teil der gesamten Devisenumsätze aus, kann dies für Schwellenländer problematisch sein, da Hedgefonds im allgemeinen eine deutlich aggressivere Anlagestrategie als andere Marktteilnehmer (z.B. Kauf/Verkauf von Positionen zu illiquiden Tageszeiten, Streuung von Gerüchten etc.) verfolgen (vgl. Financial Stability Forum Working Group on Highly Leveraged Institutions 2000, S. 18). Man denke hier nur an die Krise des Britischen Pfundes 1992, als ein Hedgefonds (natürlich nicht allein) mit einem Volumen von 10 Mrd. Britischen Pfund erfolgreich gegen das Britische Pfund spekulierte und die Währung zum Ausscheiden aus dem Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems zwang (vgl. Sparkasse 2002, S. 6). Hinzu kommt der Zeitfaktor. Investment- oder besonders Pensionsfonds sind in ihren Anlageentscheidungen in Emerging Markets langfristig ausgelegt, obwohl sie durchaus die Möglichkeit besitzen, Aktiva sehr kurzfristig zu veräußern. In Anlehnung an Barth/Zhang (1999) weist de Brouwer (2001, S. 53f.) darauf hin, daß Pensionsfonds in Asien üblicherweise einen Anlagehorizont von fünf bis zehn Jahren besaßen, da diese Investments vorwiegend der Risikostreuung dienten. So wurden während der Asienkrise von Invest224 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) ment- oder Pensionsfonds auch kaum Bestände in diesen Volkswirtschaften aufgelöst. Man kann durchaus von einem stabilisierenden Faktor der herkömmlichen Fonds während der Asienkrise sprechen. Hedgefonds verfolgen häufig ebenfalls einen längeren Anlagehorizont. Sie lösen ihre Positionen aufgrund sich verändernder Umstände jedoch viel schneller auf oder kehren sie ins Gegenteil um, sofern dies nötig sein sollte. Der Grund hierfür liegt in den schlanken Entscheidungsabläufen eines Hedgefonds. Zuständig für die Anlageentscheidung ist i.d.R. nur eine Person (Portfoliomanager oder Generalpartner), und nicht ein ganzes Gremium (vgl. de Brouwer 2001, S. 55). 1.4.3 Hoher Leverage Ferner sind Hedgefonds, wie schon angesprochen, stärker fremdkapitalfinanziert. Gerät die Position eines Hedgefonds deutlich in die Verlustzone (wie z.B. bei der Indonesischen Rupiah 1997/98) werden die Fremdkapitalgeber zunehmend Sicherheiten zur Aufrechterhaltung der Finanzierung verlangen. Um diese Sicherheiten (Margins bzw. Collateral) leisten zu können, müssen andere Anlagen schnell und zu jedem Preis liquidiert, oder aber die eingegangene Position muß verkauft werden (vgl. Kremer 2000, S. 229). Geschieht dies in größerem Umfang, können erhebliche Preisschwankungen in einem Markt hervorgerufen werden. Entsprechendes gilt auch für Devisenkurse (vgl. Financial Stability Forum Working Group on Highly Leveraged Institutions 2000, S. 15). Es ist daher davon auszugehen, daß ein von Hedgefonds dominierter Markt volatiler sein dürfte als andere Märkte. 1.4.4 Großer Einfluß auf andere Marktteilnehmer Weiter konnten Hedgefonds – aufgrund ihrer guten Reputation – andere Marktteilnehmer dazu bewegen, die gleiche Position einzunehmen wie der Fonds (vgl. Bruegger 1999, S. 89). Speziell vor und während der Asienkrise wurden Hedgefonds die besten Kenntnisse über die ostasiatischen Volkswirtschaften nachgesagt (vgl. de Brouwer 2001, S. 7). Da sich das Marktverhalten von Hedgefonds nur bedingt an den Devisenmärkten geheim halten läßt, kann unter den beschriebenen Bedingungen Herdenverhalten am Devisenmarkt entstehen, da sich kaum ein Marktteilnehmer gegen die Meinung der vermeintlich besser informierten Hedgefonds stellt (vgl. Bruegger 1999, S. 90f.). Aus dieser Tatsache können sich stärkere Kursbewegungen ergeben, als dies nur durch den Hedgefonds allein möglich wäre. 225 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) Aufgrund des Mangels an verfügbaren Daten über Hedgefonds finden sich in der Literatur höchst widersprüchliche Aussagen zur Rolle der Hedgefonds, v.a. während der Asienkrise. Der Internationale Währungsfonds (1998a) sowie Brown et al. (1998) kommen zum Ergebnis, daß Hedgefonds den Krisenverlauf der Asienkrise nicht maßgeblich beeinflußt haben. Andere Studien (z.B. de Brouwer 2001 und Corsetti et al. 2001) kommen zu gänzlich anderen Ergebnissen. Danach haben Hedgefonds die Krise in Asien zumindest in einigen Volkswirtschaften in ihrem Verlauf erheblich mitbestimmt (z.B. in Malaysia). 2 Psychologische Aspekte 2.1 Heuristiken 2.1.1 Verankerungsheuristik Auch die Psyche kann unabhängig davon, ob es sich um einen Devisenhändler oder einen inländischen Sparer handelt, einige Hinweise für die in dieser Arbeit verfolgten Problemstellungen liefern. Einen Anhaltspunkt liefert die menschliche Erinnerung. Jeder Mensch ist in der Lage, Informationen, Ereignisse, Zusammenhänge oder persönliche Erinnerungen in seinem Langzeitgedächtnis zu speichern (vgl. Zimbardo 1995, S. 324). Dies gilt auch für die Vorzeichen und den Verlauf früherer Währungskrisen. Allerdings kann der Mensch nicht jede Information und jeden Zusammenhang im Detail aufnehmen, da die Menge der Informationen und deren Komplexität das menschliche Gehirn überfordern würde. Vielmehr benutzt er zur Bewältigung der Informationsflut sogenannte Heuristiken. Heurisiken können als eine Art Faustregel verstanden werden, mit denen sich komplexe Sachverhalte für das Gehirn auf ein besser handhabbares Maß reduzieren lassen (vgl. Goldberg/von Nitzsch 2000, S. 49ff.). Allerdings besteht hierbei die Gefahr, daß bestimmte Besonderheiten außer acht gelassen werden und so die Realität nicht vollständig wiedergegeben werden kann (vgl. Schneider 2001, S. 24). Für die vorliegende Problemstellung mag dies folgendermaßen relevant sein. Betrachtet werde eine aktuelle Krisensituation. Obwohl die aktuelle Situation im Detail einzigartig und in der Vergangenheit so noch nie da gewesen ist, ist es möglich, daß sie im Gehirn grob unter der Kategorie Währungskrise „abgespeichert“ wird. Hat die Person bereits eine oder mehrere Währungskrise(n) erlebt und kann sich an deren Auswirkungen erinnern, werden diese beiden Ereignisse gleichgesetzt. Es werden 226 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) Handlungen ausgelöst, die in einer vergangenen Krise angebracht gewesen wären. Dies ist unter dem Begriff der Verankerungsheuristik bekannt (vgl. Shiller 1998, S. 14f.). So ist nicht auszuschließen, daß sich Wirtschaftssubjekte in im Detail unterschiedlichen Situationen ähnlich verhalten und damit Krisenverläufe beeinflussen. Zur Erklärung unterschiedlich starker Währungsabwertungen bedarf es jedoch noch der kognitiven Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Währungskrisen. D.h., in der Erinnerung eines Individuums darf eine Währungskrise in einem Schwellenland nicht gleich einer Währungskrise in einem Industrieland gesetzt werden, was schon angesichts des Sprachgebrauchs zumindest nicht als unmöglich gelten muß. Mehr oder minder hinfällig wird diese Unterscheidung, sofern zudem noch eine weitere Heuristik berücksichtigt wird. 2.1.2 Verfügbarkeitsheuristik Eine heftige Reaktion der Marktteilnehmer auf den Ausbruch einer Währungskrise wird umso wahrscheinlicher, sofern die letzte Währungskrise noch nicht lange zurückliegt. Auch wenn die aktuell betroffene Volkswirtschaft in der jüngeren Vergangenheit schon einmal mit Währungskrisen zu kämpfen hatte und besonders wenn die Folgen einer Währungsabwertung für den Marktteilnehmer oder die heimische Bevölkerung finanziell sehr schmerzhaft waren, kann dies zu geschildertem Verhalten führen. Dies ist unabhängig davon, ob es sich um einen internationalen Investor oder ein Wirtschaftssubjekt der betroffenen Volkswirtschaft handelt. Grund hierfür ist, daß die Erinnerungen an die letzte Währungskrise und an deren Folgen noch sehr präsent sind. In diesem Kontext spricht man von der sogenannten Verfügbarkeitsheuristik (vgl. Goldberg/von Nitzsch 2000, S. 57f.). In der Vergangenheit waren, wie schon erwähnt, Emerging Markets wesentlich häufiger von Währungskrisen betroffen. Auch die Auswirkungen auf die jeweilige Bevölkerung im Inland waren dort häufig drastischer als in Industriestaaten. Daher ist die Erinnerung an eine Währungskrise bei allen Betroffenen noch viel präsenter. Sind bestimmte Anzeichen der aktuellen Krisensituation denen früherer Währungskrisen ähnlich, können sie aus Furcht, nochmals schwere finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen, panisch reagieren und ihr Vermögen in Fremdwährung transferieren, was sich fatal auf den Wechselkurs der heimischen Währung auswirken kann. 227 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) 2.1.3 Kontrasteffekt Ebenfalls zu den Heuristiken zu zählen ist der sogenannte Kontrasteffekt. Danach wird ein Reiz um so stärker wahrgenommen, je stärker er sich von der allgemeinen Situation abhebt. Wurde über eine Volkswirtschaft beispielsweise in der Vergangenheit nur Positives berichtet, wird die Marktreaktion auf plötzlich einsetzende negative Meldungen stärker ausfallen, als wenn von der Volkswirtschaft schon in der Vergangenheit nichts Positives zu vermelden war (vgl. Goldberg/von Nitzsch 2000, S. 62f.). Dies mag auch darauf beruhen, daß die Anlageentscheidungen auf Basis der durchweg positiven Nachrichten getroffen wurden, ohne sich der verbliebenen Risiken bewußt zu sein (übermäßiger Optimismus) und nun in größerem Umfang überdacht werden (Wake-up-call-Hypothese). Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die neuen Daten in der Lage sind, den Ausblick einer Währung aus Sicht des Marktteilnehmers zu trüben. Je langfristiger die Trübung, desto eher ist mit einer heftigen Marktreaktion zu rechnen (vgl. De Bondt 2000, S. 71/77 sowie Oehler 2000, S. 720). 2.2 Kontrollverlust Jeder Mensch hat psychologisch betrachtet das Bedürfnis, seine Umwelt zu kontrollieren. Dies steigert das Selbstwertgefühl des Menschen. Dabei kommt es nicht darauf an, daß ein Mensch seine Umwelt tatsächlich beeinflussen kann, sondern vielmehr darauf, daß er meint, dies zu können. Im Gegenzug vermittelt der realisierte Verlust von Kontrolle ein unangenehmes Gefühl von „seiner Umwelt ausgeliefert sein“ (vgl. Goldberg/von Nitzsch 2000, S. 141f.). An den Devisen- und Kapitalmärkten ist es so gut wie nicht möglich, die Preisentwicklung zu kontrollieren. Trotzdem geben sich viele Marktteilnehmer nach mehreren erfolgreichen Handelsgeschäften der Illusion hin, den betreffenden Markt unter (innerer) Kontrolle zu haben, zu wissen, in welche Richtung sich die Kurse bewegen (Kontrollillusion), obwohl dies objektiv nicht der Fall ist (vgl. Goldberg/von Nitzsch 2000, S. 156). Wird ein Marktteilnehmer von einer Entwicklung überrascht, wird er dieser Kontrollillusion beraubt. Man muß feststellen, daß man die Märkte doch nicht unter Kontrolle hat und die eigene Kompetenz, bezogen auf die Gegebenheiten einer Volkswirtschaft, doch nicht so groß ist wie gedacht. Die Reaktionen darauf sind häufig Verunsicherung, Angst oder sogar Panik. Aus dieser wachsenden Unsicherheit heraus nimmt die Risikoaversion des einzelnen Marktteilnehmers zu und mit ihr auch die Wahrscheinlichkeit, daß sich der Marktteilnehmer vom Markt zurückzieht, seine Position veräußert (sie 228 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) „schließt“, vgl. von Nitzsch et al. 2001, S. 145). Besonders problematisch ist dies, sofern sich viele Marktteilnehmer in kurzer Zeit vom Markt zurückziehen wollen (vgl. Merk 2000, S. 160). Die geschilderten Effekte mögen für Emerging Market Economies im Besonderen gelten, da diese für die meisten Marktteilnehmer am Devisenmarkt fremdes Terrain darstellen und somit auch mit mehr Unsicherheiten behaftet sind (vgl. Kräussl 2003, S. 9). Bleiben die politische Stabilität, der freie Kapitalverkehr und die Zahlungsfähigkeit des Staates erhalten? Existieren noch nicht bekannte Probleme fundamentaler Art (vgl. Kuhner 2000, S. 333)? Im Gegensatz dazu ist in Industriestaaten die Unsicherheit zumindest dahingehend geringer, daß ein Industrieland wohl kaum seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann oder es zu massiven politischen/sozialen Unruhen kommt. So ist die latente Risikoaversion vermutlich nicht so stark ausgeprägt, und die Gefahr eines panikartigen Marktaustritts eines Marktteilnehmers geringer. 2.3 Marktteilnehmer als Teil einer Gruppe Ferner ist aus psychologischer Sicht zu berücksichtigen, daß es sich bei den Marktteilnehmern am Devisenmarkt durchaus um eine „Gruppe“ im psychologischen Sinn handelt (vgl. Zimbardo 1995, S. 723). Die Devisenmarktteilnehmer sind zwar geographisch nicht an einem Punkt, jedoch sind sie über Kommunikationsmittel (z.B. Telefon, Handels- und Nachrichtensysteme, Kursbildschirme) miteinander verbunden (vgl. Bruegger 1999, S. 19ff.). Die Einordnung als Gruppe im psychologischen Sinn bedeutet, daß der einzelne Markteilnehmer sich in bestimmten Situationen (z.B. im Verlauf einer Währungskrise) so verhält wie alle anderen Marktteilnehmer, obwohl er sich, ohne deren Verhalten zu kennen, ganz anders verhalten hätte (vgl. Zimbardo 1995, S. 727f.). Warum das so ist, kann aus verschiedenen Gründen resultieren. Einen Grund liefert die Tatsache, daß man sich selbst seiner Sache nicht vollständig sicher ist. Man denke hier nur an einen Schüler, der nach einer Prüfung absolut überzeugt ist, die gestellte Aufgabe richtig beantwortet zu haben. Er bespricht sich darauf mit mehreren Schulfreunden. Diese berichten ihm übereinstimmend, daß sie alle eine andere Antwort auf die Frage gefunden haben als er selbst. Die Schulfreunde sind untereinander jedoch alle zur gleichen Antwort gelangt. Nun kann man sich leicht vorstellen, daß der Schüler von der Richtigkeit seiner Antwort nicht mehr überzeugt ist, besonders wenn es sich um eine erhebliche Anzahl von Schulfreunden 229 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) handelt und man diesen auch entsprechende Fähigkeiten zubilligt. Genauso verhält es sich an den Devisenmärkten. Viele Marktteilnehmer werden ihre Meinung über eine Währung, aus Angst einen wichtigen Aspekt übersehen zu haben, ändern oder zumindest überdenken. Dieser Effekt wurde bereits von Sherif und Asch beschrieben (vgl. Frey/Greif 1987, S. 453-458). Der einzelne Mensch läßt sich in seinem Handeln von der Meinung der Allgemeinheit oft mehr leiten als von seinen eigenen Schlußfolgerungen, da es unwahrscheinlich ist, daß so viele Einzelpersonen, welche alle die gleiche Meinung haben, falsch liegen können (vgl. Le Bon 1982, S. 135). Die Allgemeinheit gibt jedoch oft nur die Meinung Einzelner wieder, was von einem Einzelnen aber nicht wahrgenommen werden kann (vgl. Le Bon 1982, S. 27). Aber selbst wenn sich ein Marktteilnehmer nur auf sein Urteil verläßt, kann es für ihn besser sein, sich zwar nicht der Meinung, aber dem Verhalten der Gruppe anzuschließen. So steht für viele Devisenhändler ihr Ruf, ihr Image als Marktteilnehmer auf dem Spiel. Der Händler allein ist im Gegensatz zur Gruppe nicht in der Lage, die Kurse entsprechend seiner Meinung zu beeinflussen. Würde der Einzelne entsprechend seinem Urteil handeln, so müßte er mit hoher Wahrscheinlichkeit Verluste hinnehmen, da die Gruppe schon durch ihre pure Anzahl die Kurse in „ihre“ Richtung bewegen kann (self-fulfilling prophecy seitens der Gruppe). Verluste können mit erheblichen Nachteilen verbunden sein. Der Außenseiter wird als „Nichtskönner“ dastehen, denn alle anderen haben sich ja anders verhalten, haben die Gegebenheiten richtig interpretiert. Dies kann dem eigenen „Standing“, den weiteren Aufstiegsmöglichkeiten, dem Verdienst und sogar der weiteren Beschäftigung sehr abträglich sein (vgl. Goldberg/von Nitzsch 2000, S. 123f.). Entwickeln sich die Kurse dagegen zu Gunsten des einzelnen Marktteilnehmers, muß er damit rechnen, daß sein Erfolg nicht seinem Können, sondern glücklichen Umständen zugeschrieben wird. Verhält er sich dagegen entsprechend der Gruppe, kann er sich bei Verlusten darauf berufen, daß viele Andere die gleiche Position eingenommen haben und nur unglückliche Umstände einen Gewinn verhindert haben. „Was alle in einer bestimmten Situation tun, kann man schließlich niemandem vorwerfen“ (Hofstätter 1982, S. 34). So kann es für Marktteilnehmer rational sein, in einem irrationalen Umfeld ebenfalls irrational zu handeln und sich dem Handeln anderer Gruppenmitgliedern anzuschließen oder zumindest nicht gegen die Gruppe zu handeln (vgl. Hens 2003, online, S. 9f.). 230 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.A) 3 Indikatoren Die Problematik der eben geschilderten Sachverhalte ist die mangelnde Meßbarkeit. Viele Tatbestände sind interne Gegebenheiten und daher geheim. Es ist daher zwar bekannt, daß viele Marktteilnehmer Stop-Loss-Orders einsetzen und auch technisch orientiert handeln. Welche Details genutzt werden oder wie Stop-Loss-Marken generiert werden, ist nicht in Erfahrung zu bringen. Gleiches gilt auch für die Limitsysteme institutioneller Investoren und Hedgefondsaktivitäten. Auch die psychologischen Phänomene, welche durchaus Einfluß haben könnten, lassen sich im Rahmen dieser Arbeit nicht quantifizieren. Die Verankerungs- und Verfügbarkeitsheuristik können indirekt jedoch dadurch berücksichtigt werden, indem die eventuelle Existenz und Häufigkeit vergangener Krisen in einer Volkswirtschaft Beachtung finden. Dem Kontrasteffekt kann indirekt insoweit Rechnung getragen werden, als die Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts, der Aktien- und gegebenenfalls Bondindizes vor der Krise mit in die empirische Analyse einfließen. Je stärker die Indizes vor der Krise (absolut genommen) gestiegen sind, desto stärker müßte die Abwertung ausfallen. 231 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.B) Übersicht 25: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen Handlungsweisen privater Wirtschaftssubjekte und dem Verlauf einer Währungskrise - - - - Stop-Loss-Verkaufsorders begünstigen durch ihre Auslösung bei bereits fallenden Kursen die Abwertung der Inlandswährung. Auch technisch orientierte Handlungsweisen verstärken einen Abwärtstrend, da beim Bruch einer Unterstützungslinie (Wechselkurs durchbricht ein bestimmtes Kursniveau) ein Verkaufssignal generiert wird. Die Reduktion von Positionslimiten wirkt gleichfalls abwertungsverstärkend, da die Position in einer abwertenden Währung verringert werden muß, was nur durch Währungsverkäufe möglich ist. Ähnliches gilt auch für Verlustlimite. Positionen in einer abwertenden Währung akkumulieren sehr schnell Verluste, welche die vorgegebene Verlustgrenze übersteigen. Um die Regelungen einzuhalten, muß zumindest ein Teil der Positionen verkauft werden, was die Abwertung weiter beschleunigt. Eine hohe Bedeutung von Hedgefonds kann während einer Währungskrise ebenso destabilisierend wirken, da ihr Marktverhalten deutlich aggressiver und volatiler ist als das anderer Marktteilnehmer. Darüber hinaus sind sie oft in der Lage, Handlungsweisen anderer Akteure in ihre Richtung zu beeinflussen. Psychologische Faktoren nehmen während einer Krise über Erinnerungen an vergangene Krisen, Ängste und Unsicherheiten maßgeblichen Einfluß auf das Verhalten der Marktteilnehmer. Ängste, Unsicherheiten und Erinnerungen bewirken meist ein „auf Nummer sicher gehen“, was fast immer einen Verkauf der inländischen Anlage zur Folge hat. Tritt eine Krise nach einer langen Boomphase auf, ist gemäß des Kontrasteffekts damit zu rechnen, daß deren Ausmaß größer ist als ohne Boom. Grund hierfür ist der Umstand, daß die Marktteilnehmer in der betroffenen Volkswirtschaft stark investiert sind. Zur Readjustierung der Portfolien müssen mehr Anlagen aufgelöst werden als bei geringeren Beständen aus der betroffenen Volkswirtschaft. V.B Ratingagenturen 1 Begriff und Bedeutung von Ratingagenturen Ratingagenturen agieren nicht selbst an den Finanzmärkten. Durch ihre Tätigkeit sind sie jedoch in der Lage, das Verhalten anderer Marktteilnehmer zu beeinflussen. Ratingagenturen haben sich darauf spezialisiert, Emittenten von Gläubigerpapieren am Kapitalmarkt auf ihre zukünftige Zahlungsfähigkeit hin zu untersuchen (vgl. Kräussl 2000, S. 3). Zu diesem Zweck werden verschiedene Merkmale eines Landes oder eines Unternehmens herangezogen, woraus schließlich eine Endnote – das Rating – gebildet wird. Das Rating soll eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls ermöglichen. Besonders im Zuge der zunehmenden Verbriefung von Krediten hat die Bedeutung der Ratingagenturen in den letzten Jahren 232 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.B) stark zugenommen. Die bedeutendsten Ratingagenturen sind Standard & Poor´s, Moody´s Investors Service, Fitch IBCA und Institutional Investor. Die wichtigste Unterscheidung zwischen den Ratings ist die nach „Investment-Grade“ und „Speculative-Grade“, wobei in der erstgenannten Kategorie die Schuldner sehr guter bis mittlerer Bonität und in der zweiten die mittlerer bis sehr schlechter Bonität zu finden sind (vgl. Deutsche Bank 1998, S. 350). Ratingagenturen wurden in der Vergangenheit bereits des öfteren bezichtigt, eher auf Marktgeschehnisse mit Ratingänderungen zu reagieren, anstatt sie vorweg zu nehmen. So wurden die Länderratings in den jeweiligen Boomphasen hochgestuft, wodurch die Euphorie der Investoren noch angestachelt und noch mehr Kapital ins Land gezogen wurde. In Krisensituationen dagegen wurden die Noten herabgesetzt, was zu weiteren Kapitalabflüssen führte. Auf diese Weise sollen Ratingagenturen beispielsweise zu den dramatischen Währungsturbulenzen 1997/98 in Asien und 1994/95 in Mexiko beigetragen haben (vgl. Reisen/von Maltzan 1998, S. 6). Die Ergebnisse empirischer Untersuchungen scheinen dies zu bestätigen (vgl. Kaminsky/Schmukler 2002, S. 186 und Reinhart 2002, S. 168 sowie Reisen/von Maltzan 1998, S. 14 und Cantor/Packer 1996, S. 49). Dies erscheint auch insofern logisch, als sich durch den Ausbruch einer Währungskrise ratingrelevante Gegebenheiten in einer Volkswirtschaft auf eine Weise verändern können, wie sie nicht unbedingt prognostizierbar war (vgl. Kräussl 2000, S. 6f.). Folglich ist davon auszugehen, daß Ratings theoretisch durchaus prozyklisch wirken können, nur ist den Ratingagenturen daraus nicht zwingend ein Vorwurf zu machen. Nachfolgend soll kurz skizziert werden, warum und wie Ratingänderungen auf eine Volkswirtschaft einwirken. 2 Auswirkungen von Ratingänderungen Das Rating einer Volkswirtschaft kann auf eine Währungskrise primär über vier Kanäle einwirken. 1. Das Rating hat Einfluß auf die schon in Kapitel II.E angesprochene Refinanzierung der betroffenen Volkswirtschaft über den Kapitalmarkt. Je schlechter das Rating ausfällt, desto weniger sind Volkswirtschaften in der Lage, sich zusätzliche Devisen zur Begrenzung einer Währungskrise am internationalen Kapitalmarkt zu beschaffen (vgl. Kaminsky/Schmukler 1999, S. 14). Sie sind daher in deutlich stärkerem Maße auf die eigenen Devisenreserven oder internationale Organisa233 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.B) tionen angewiesen. Außerdem bedingt die mangelnde Verschuldungsfähigkeit meist einen schnelleren Anpassungsbedarf der Leistungsbilanz mit den entsprechenden Folgen (siehe Kapitel II.B.3.2.1). 2. Das Länderrating hat auch Auswirkungen auf die Refinanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen, Banken im Inland oder nachgelagerte Gebietskörperschaften (z.B. Bundesstaaten, Städte). Ein Unternehmen kann gemäß der Richtlinien der erwähnten Ratingagenturen (sovereign ceiling) normalerweise kein höheres Rating erhalten, als die Volkswirtschaft, in welcher ein Unternehmen seinen Sitz hat (vgl. Cantor/Packer 1996, S. 38). Ein schlechtes Länderrating beeinträchtigt so auch die Refinanzierungsfähigkeit der Unternehmen und Finanzinstitutionen am internationalen Kapitalmarkt. Dies ist besonders bei unterentwickelten inländischen Bondmärkten, wie sie in Emerging Market Economies häufig anzutreffen sind, wichtig. So kann auch ein eigentlich solventer Unternehmens- und Finanzsektor illiquide werden und mithin eine Krise weiter verstärken. 3. Ratings dienen Investoren häufig als Grundlage für Investitionsentscheidungen. Kommt es während einer Währungskrise zu einer Ratingverschlechterung des betroffenen Landes, so ist damit zu rechnen, daß Investoren aufgrund dessen ihre Anlagen auflösen und auf diese Weise die heikle Situation noch verschlechtern. Pensions- und Investmentfonds dürfen häufig aufgrund rechtlicher Regelungen keine oder nur begrenzt Anlagen tätigen, welche nicht über ein InvestmentGrade-Rating verfügen (vgl. Kräussl 2003, S. 7). Demnach kann es zu Kapitalabflüssen unabhängig von der finanziellen Situation des Unternehmens- und Finanzsektors kommen. 4. Banken, denen kein Investment-Grade-Rating zuerkannt worden ist, sind kaum in der Lage, inländischen Unternehmen Akkreditive zur Außenhandelsfinanzierung zur Verfügung zu stellen. Auf diesem Weg können die Ertragskraft und die Substanz der inländischen Unternehmen stark in Mitleidenschaft gezogen werden, und den Banken bricht zusätzlich ein Ertragszweig weg (vgl. Kaminsky/Schmukler 1999, S. 14). 234 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.B) Übersicht 26: Ratingskalen ausgewählter Ratingagenturen mit zugehörigen Definitionen Moody´s Aaa Aa1 Aa2 Aa3 A1 A2 A3 Baa1 Baa2 Baa3 Ba1 Ba2 Ba3 B1 B2 B3 Caa Ca C - S&P AAA AA+ AA AAA+ A ABBB+ BBB BBBBB+ BB BBB+ B BCCC CC SD Risikokategorie höchste Bonität, geringstes Ausfallrisiko hohe Bonität, kaum höheres Ausfallrisiko Überdurchschnittliche Bonität, etwas höheres Risiko Status Investment- Grade mittlere Bonität, starke Anfälligkeiten bei negativen Entwicklungen im Umfeld Status spekulativ, Zins- und Tilgungszahlungen bei negativen SpeculativeEntwicklungen gefährdet geringe Bonität, relativ hohes Ausfallrisiko Grade geringste Bonität, höchstes Ausfallrisiko Status Schuldner bereits in Zahlungsverzug Quelle: In Anlehnung an Kaminsky/Schmukler 2002, S. 192 3 Divergierende Ratingentwicklung in Industriestaaten und Emerging Market Economies Nach einer Untersuchung von Reinhart (2002) ergibt sich, daß Ratingagenturen Industriestaaten generell und während Währungskrisen im Besonderen besser beurteilen als Schwellenländer. Daß Emerging Markets aufgrund ihrer höheren Schuldenbelastung etc. über ein schlechteres Rating verfügen, ist nicht weiter verwunderlich. Jedoch machen Cantor/Packer (1996, S. 39ff.) darauf aufmerksam, daß für die Einschätzungen der großen Ratingagenturen u.a. der Entwicklungsstand (Emerging Market ja/nein) von Bedeutung ist. Ferner ist nach Reinhart (2002, S. 160ff.) zumindest bei den Ratings von Moody´s Investors Service88 zu beobachten, daß die Wahrscheinlichkeit von Ratingabstufungen der betroffenen Emerging Market Economies binnen 12 Monaten nach Ausbruch einer Währungskrise mit 26,7% über 2,5-Mal so hoch ist wie diejenige für ein Industrieland. Die Wahrscheinlichkeit, im gleichen Zeitraum mehr als einmal abgestuft zu 88 Standard & Poor´s verfügt über ein ähnliches Ratingsystem, so daß davon auszugehen ist, daß die Ratings von Standard & Poor´s sich nicht signifikant von den Moody´s Ratings unterscheiden (vgl. Cantor/Packer 1996, S. 43). 235 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.B) werden, liegt bei Schwellenländern bei 6,7%, bei Industriestaaten kam dies bisher nicht vor. Ähnliches zeigt sich bei einem Blick auf das Ausmaß der Abstufungen. Im Gegensatz zu den entwickelten Volkswirtschaften (-0,7%), werden die Schwellenländer während eines Jahres nach Krisenausbruch signifikant stärker abgestuft (-12,2%). Nur unwesentliche Unterschiede zeigen sich, sofern man die Ratings der Agentur Institutional Investor betrachtet (vgl. Reinhart 2002, S. 160ff.). Folglich ergeben sich für Emerging Markets deutlich schärfere Einschränkungen ihres Kapitalmarktzugangs und eine deutlich stärkere Belastung für die heimischen Unternehmen und Finanzinstitute. Dringend benötigte Devisen stehen nicht zur Bedienung der Auslandsverbindlichkeiten oder zu Devisenmarktinterventionen zur Verfügung, was krisenverschärfend wirkt. Zusätzlich können Anleger aus Angst vor Forderungsausfällen ihre Anlagen auflösen und die Erlöse am Devisenmarkt in Fremdwährung transferieren. Der Entwicklung des Länderratings der führenden Agenturen kommt also eine erhebliche Bedeutung zu. Emerging Market Economies besaßen zum Teil bei Ausbruch der jeweiligen Krise bereits ein Rating, welches knapp über der Investment-Grade-Schwelle (z.B. BBB/Baa3) liegt. Jedoch verloren diese Staaten bei Währungskrisen den InvestmentGrade-Status meistens wieder. Dies hatte wie dargestellt zur Folge, daß viele institutionelle Investoren aus rechtlichen Gründen Anlagen im Inland auflösen mußten. Außerdem geht Kräussl (2003, S. 33) davon aus, daß die Risikowahrnehmung der Investoren auf eine Ratingveränderung speziell bei Schuldnern mittlerer Bonität sehr hoch ist. Im Gegensatz dazu ist die Risikowahrnehmung bei Schuldnern sehr guter oder sehr schlechter Bonität eher gering. Diese These wird auch durch die Behavioral-Finance-Theorie gestützt (vgl. Goldberg/von Nitzsch 2000, S. 86ff.). Aus diesen Gründen ist damit zu rechnen, daß Währungskrisen, bei denen ein Land von Investment-Grade auf Speculative-Grade abgestuft wird oder überhaupt eine Ratingverschlechterung im mittleren Bereich der Ratingskala hinnehmen muß, mehr Kapitalabflüsse und evtl. eine stärkere Währungsabwertung zu verkraften hat als andere Volkswirtschaften. Cantor/Packer (1996, S. 49) können in ihrer empirischen Untersuchung zumindest bestätigen, daß Ratingänderungen im Speculative-Grade Sektor deutlich stärkere Wirkungen auf die Inlandszinsen hervorrufen als im InvestmentGrade Sektor. 236 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.B) 4 Indikatoren Die Länderratings führender Ratingagenturen können wie dargestellt von enormer Bedeutung für den Verlauf einer Währungskrise sein. Entsprechend sollen sowohl der Durchschnitt der Länderratings von Standard & Poor´s und Moody´s Investor Service als auch die Anzahl der Stufen, um die sich das Rating während der Krise verändert, in die empirische Analyse miteinbezogen werden. Ferner ist zu berücksichtigen, ob im Verlauf einer Währungskrise die Länderratings von InvestmentGrade auf Speculative-Grade zurückgestuft werden. Schließlich ist zu untersuchen, ob eine Ratingveränderung im hohen oder sehr niedrigen Ratingbereich (A- oder CLevel) eine andere Wirkung auf den Wechselkurs besitzt, als eine Ratingveränderung im mittleren Ratingbereich (B-Level). Übersicht 27: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen dem Verhalten von Ratingagenturen und dem Verlauf einer Währungskrise - - - Ein schlechtes bzw. sich verschlechterndes Länderrating bewirkt während einer Währungskrise c.p. eine höhere Abwertung der Inlandswährung, da die Kreditaufnahme einer Volkswirtschaft am internationalen Kapitalmarkt bzw. bei Banken erschwert oder unmöglich wird. Dies gilt neben dem Staat auch für inländische Banken und Unternehmen. Durch ein schlechteres Rating gehen die Kurse von Staatsanleihen teils drastisch zurück, was vor allem bei Banken mit großen Rentenportfolios zu hohen Abschreibungen führt. Ein sich verschlechterndes Rating führt auch direkt zu Kapitalabflüssen, da das Rating oft Grundlage einer Investitionsentscheidung ist. Ein schlechteres Rating bei gleichbleibender Rendite sorgt für Kapitalabflüsse. Fällt das Rating obendrein in den Speculative-Grade-Bereich, ist es vielen institutionellen Anlegern nicht mehr erlaubt, dort zu investieren, was ebenfalls zu Anlageauflösungen führt. Im mittleren Bereich der Ratingskala (B-Level) besteht eine höhere Risikowahrnehmung als im oberen oder unteren Abschnitt. Bei Ratingabstufungen im mittleren Abschnitt ist so von höheren Kapitalabflüssen auszugehen. 237 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.C) V.C Reaktion der politisch Verantwortlichen im In- und Ausland auf die Krise und die Entwicklung der inneren Stabilität 1 Inkonsequente Zinsmaßnahmen Von besonderer Bedeutung für den Verlauf einer Währungskrise ist, in welcher Weise die Regierung/Zentralbank eines betroffenen Landes auf die Krise reagiert und mit internationalen Organisationen zusammenarbeitet (v.a. Internationaler Währungsfonds). Oftmals können die Auswirkungen einer Krise durch richtige Maßnahmen seitens der verantwortlichen Stellen gering bleiben. Dies gilt insbesondere für die langfristigen Auswirkungen. Genauso kann die Krise durch falsche Reaktionen noch ausgeweitet werden (vgl. Radelet/Sachs 1998, S. 35). Ein besonders heikles Thema sind die inländischen Zinsen bzw. die inländische Geldpolitik. Die Anhebung der Zinsen kann als ein Instrument zur Verteidigung eines bestimmten Wechselkurses dienen. Allerdings konnte besonders in der Asienkrise verfolgt werden, daß die Erhöhung der Zinsen mit weiteren Währungsabwertungen einher ging. Dies ist durch die schon dargestellten Nebenwirkungen möglich, wonach die Insolvenz inländischer Unternehmen und Finanzinstitute erheblich wahrscheinlicher wird. Investoren erhalten auf dem Papier zwar höhere Renditen, die Wahrscheinlichkeit, diese auch effektiv zu erhalten, sinkt indes deutlich (vgl. Radelet/Sachs 1998, S. 50ff.). Ferner ist zu berücksichtigen, daß ein Anstieg der Inlandszinsen dann keinen Effekt erzielen kann, wenn die Anlagen vorwiegend auf Auslandswährung lauten, da diese nicht, oder nicht direkt durch die Veränderung der Inlandszinsen beeinflußt werden können (vgl. UNCTAD 1998, S. 85). Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich gibt jedoch zu bedenken, daß gerade während der Asienkrise die Zinsen zu wenig, erst zu spät und nicht nachhaltig genug erhöht wurden. So wurden die Zinsen oft erst angehoben, als die Reserven an Fremdwährung fast erschöpft waren und keine Alternativen mehr vorhanden waren. Außerdem reduzierten die Zentralbanken die Tagesgeldzinsen wieder meist übermäßig schnell, sobald der unmittelbare Verkaufsdruck auf die eigene Währung nachließ. In Südkorea wurden die Zinsen beispielsweise erst angehoben, als die Krise 1997 schon offen zu Tage getreten war. In Thailand und Malaysia wurden die Tagesgeldzinsen etwa einen Monat nach Krisenausbruch schon wieder deutlich zurückgenommen. Nur auf den Philippinen wurden die Zinsen länger auf hohem Niveau belassen (vgl. BIZ 1998, S. 152f.). In Indonesien wurde den Banken massiv 238 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.C) Liquiditätshilfe seitens der Zentralbank gewährt, was die Zinsen auch stark zurückgehen ließ (vgl. IEO 2003, S. 32). Die zögerlichen Zinsanhebungen führten bei steigenden Inflationsraten in einigen asiatischen Volkswirtschaften (Indonesien, Malaysia und Südkorea) zu sehr geringen oder gar negativen Realzinsen (vgl. BIZ 1998, S. 154f.), wodurch ein enormer Anreiz entstand, Kapital aus den betroffenen Volkswirtschaften abzuziehen. Diese Problematik trat jedoch nicht nur in Emerging Market Economies, sondern auch in entwickelten Volkswirtschaften auf, wie das Beispiel Schwedens zeigt. Mit Beginn der Krise des europäischen Währungssystems im September 1992 erhöhte die Zentralbank Schwedens den Tagesgeldsatz auf bis zu 500%. Damit wurde zunächst eine Abwertung der Krone vermieden, die Wirtschaft jedoch schwer in Mitleidenschaft gezogen. Als die schwedische Währung Mitte November wieder unter verstärkten Abwertungsdruck geriet, konnte sich die Notenbank nicht mehr dazu durchringen, die Zinsen auf über 20% zu erhöhen. Am 19. November wurde der Wechselkurs schließlich freigegeben (vgl. Obstfeld/Rogoff 1995, S. 11f.). Zudem hatten viele Anleger in Asien eine massivere Zinsanhebung zur Kompensation des gestiegenen Länderrisikos erwartet. Diese Erwartungen wurden enttäuscht, und folglich zogen die Investoren Kapital ab. Durch die meist moderaten Zinsanhebungen konnten noch Erwartungen nach weiter steigenden Zinsen hervorgerufen werden. Da Zinsanhebungen jedoch den Wert der auf inländische Währung lautenden Wertpapiere vermindern, war es für Anleger vorteilhaft, Kapital abzuziehen und nach weiteren Zinsanhebungen die Wertpapiere günstiger zurückzukaufen, um von dann erwarteten sinkenden Zinsen zu profitieren. 2 Mangelnde Umsetzung stabilitätsorientierter Maßnahmen Eine Verschärfung der Situation kann ferner eintreten, sofern die inländische Regierung nicht bereit ist, stabilitätspolitische Anpassungsmaßnahmen des Internationalen Währungsfonds umzusetzen oder die geforderten Maßnahmen bewußt unterläuft wie z.B. in Indonesien (vgl. IEO 2003, S. 31). Auch offene Streitigkeiten zwischen Regierungen und dem Fonds hatten in der Vergangenheit ähnliche Wirkungen (vgl. IEO 2003, S. 45). Da die Auflagen des Währungsfonds dazu dienen sollen, die Volkswirtschaft auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad zurückzuführen, schadet deren Nichteinhaltung langfristig der Entwicklung des Landes. Vor allem setzt eine Regie239 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.C) rung durch eine solche Verhaltensweise schon genehmigte, aber noch nicht ausbezahlte, Kredittranchen des Internationalen Währungsfonds und anderer internationaler Organisationen aufs Spiel (vgl. IEO 2003, S. 75). Entsprechend stehen weniger Devisen zur Bedienung von Schulden oder zur Stabilisierung des Wechselkurses zur Verfügung. Das wissen natürlich auch die Teilnehmer auf den Finanzmärkten. Somit ist für sie die Gefahr größer, daß Fremdwährungsschulden nicht bedient werden können. Folglich werden mehr Investoren versuchen, ihre inländischen Anlagen rechtzeitig aufzulösen, bevor Verbindlichkeiten nicht mehr bedient werden können. Es entsteht außerdem der vermehrte Anreiz, direkt gegen die Währung zu spekulieren, da die Notenbank dann weniger Spielraum besitzt, ein übermäßiges Abwerten der Währung zu vermeiden. 3 Kommunikative Fehler Katastrophale Folgen für die weitere Währungsentwicklung können in diesem Zusammenhang jedoch auch durch kommunikative Unzulänglichkeiten entstehen. Hierbei ist es nicht erforderlich, daß Stabilisierungsmaßnahmen seitens der Regierung nicht umgesetzt werden. Die Vermittlung des Sinns der Maßnahmen oder das Sprechen der Verantwortlichen „mit einer Stimme“ ist ebenfalls erforderlich. Während der Asienkrise konnte beispielsweise beobachtet werden, daß entgegengesetzte Äußerungen von verschiedenen Politikern oder Mitarbeitern von internationalen Organisationen zu erheblichen Unsicherheiten bei den Marktteilnehmern führten (vgl. IEO 2003, S. 29/31/83f.). Die Unsicherheit hatte partiell massive Kapitalabflüsse zur Folge. Auch wurden verschiedene Maßnahmen durchgeführt, ohne der inländischen Bevölkerung und den Finanzmarktteilnehmern den Sinn der getroffenen Maßnahmen inkl. weiterer Maßnahmen zur Bereinigung der Krise darzulegen, was genauso zu einer Destabilisierung einzelner Währungen führte (vgl. IEO 2003, S. 72). Aber auch aus Abstimmungsschwierigkeiten zwischen dem Währungsfonds und seinen Geldgebern (vorwiegend Industriestaaten) können sich fatale Folgen für den Wechselkurs ergeben. Dieses Problem bestand z.B. während der Asienkrise in Südkorea. Das internationale Hilfspaket für Südkorea umfaßte insgesamt 58 Mrd. US-$; 21 Mrd. US-$ aus Mitteln des Währungsfonds, 14 Mrd. US-$ von der Weltbank und anderen supranationalen Institutionen. 23 Mrd. US-$ sollten direkt von einzelnen Staaten bereit gestellt werden. Diese 23 Mrd. US-$ umfaßten jedoch 20 Mrd. US-$, 240 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.C) über deren Verfügbarkeit Unklarheiten an den Finanzmärkten bestand. Nachdem den Finanzmärkten von Seiten des Währungsfonds jedoch bereits kommuniziert wurde, daß zur Schließung der Finanzierungslücke die vollen 58 Mrd. US-$ notwendig seien, galt das Kreditpaket Südkoreas ohne die 20 Mrd. US-$ mit einer Höhe von 38 Mrd. US-$ als zu gering. Um die Kluft zwischen Refinanzierungsbedarf und Kreditmitteln zu schließen, wurde kurzerhand die sogenannte Refinanzierungsrate (Quote aus der kurzfristigen Verschuldung, für die eine Anschlußfinanzierung stattfindet, und den gesamten kurzfristigen Verbindlichkeiten) auf ein unrealistisch hohes Niveau heraufgesetzt. Die Reaktion der Marktteilnehmer darauf war jedoch sehr negativ, was sich durch weitere Kursverluste der Inlandswährung manifestierte (vgl. IEO 2003, S. 68). 4 Mangelnde soziale und/oder politische Stabilität Eine weitere Problematik entsteht, sofern im Zuge einer Krise politische/soziale Instabilitäten auftreten. Dies ist ebenfalls besonders in Schwellenländern wahrscheinlich, da dort die Folgen einer Währungskrise für den Einzelnen deutlich härter spürbar (oft existentiell) sind. Grund hierfür ist beispielsweise der schon dargelegte mangelnde Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten. So werden Anpassungsmaßnahmen sehr abrupt durch die Kapitalmärkte erzwungen, womit i.d.R. ein Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität einhergeht. Das soziale Sicherungssystem ist bei weitem noch nicht so stark ausgebaut wie in Industriestaaten. So resultiert aus einer Währungskrise oft die Verarmung weiter Bevölkerungsschichten. In einer solchen Entwicklung liegt häufig die Keimzelle innenpolitischer Unruhen. Eine weitere Quelle resultiert aus der Unterdrückung ethnischer Minderheiten, welche im Zuge der Krise oder auch schon zuvor gegen die Obrigkeit rebellieren (vgl. Djiwandono 2000, S. 51). Ähnlich den Unruhen können auch bevorstehende Wahlen die Unsicherheiten, mit denen Investitionen in einem Land behaftet sind, noch erhöhen. Kann sich die Regierung im Amt halten? Wie könnten sich Machtverhältnisse ändern? Welche Politik ist von den einzelnen Parteien zu erwarten? Diese Unsicherheiten sorgen u.U. dafür, daß sowohl ausländische Investoren als auch inländische Wirtschaftssubjekte dazu neigen, ihr Kapital zumindest vorübergehend ins Ausland und in eine andere Währung zu transferieren. Sie warten ab, wie sich die Situation in der Volkswirtschaft weiterentwickelt, um zu einem späteren Zeitpunkt ihr Kapital gegebenenfalls zurück zu transferieren. Ein gutes Beispiel ist die Entwicklung 2002 in Brasilien. Dort sagten 241 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.C) Meinungsumfragen für Oktober des Jahres einen Wahlsieg des linksgerichteten Luiz Inacio Lula da Silva (Lula) voraus. Die Finanzmärkte reagierten im Vorfeld sehr nervös und stürzten Brasilien in die Krise. Der Brasilianische Real verlor zwischen Januar und Oktober 2002 über 40% seines Wertes, die Aktienkurse brachen ein, und das Zinsniveau im Inland begann erheblich zu steigen (vgl. Robinson 2003, S. 82f.). Obwohl Lula tatsächlich an die Macht kam, beruhigten sich die Märkte angesichts einer überraschend anlegerfreundlichen Politik rasch. Die Zinsen gingen zurück, und die Währung erholte sich. 5 Indikatoren Obige Darlegung behandelt allerdings nur einen kleinen Ausschnitt der Möglichkeiten, die eine Regierung/Zentralbank hat, den Verlauf einer Krise zu beeinflussen. Diese sind so vielfältig und individuell, daß allenfalls in der Einzelfallbetrachtung einer konkreten Währungskrise näher darauf eingegangen werden könnte. In einer allgemeinen Untersuchung können jedoch nur wenige Sachverhalte berücksichtigt werden. Die Entwicklung der Realzinsen zu Beginn einer Krise ist ein Aspekt, welcher sich unmittelbar quantifizieren läßt. Problematischer ist schon die Frage der politischen und sozialen Stabilität. Hierbei ist zu untersuchen, ob im Vorfeld oder im Zuge der Währungskrise politische Unruhen auftraten oder ob Wahlen anstanden. Mangelnde Umsetzung stabilitätsorientierter Maßnahmen oder kommunikative Fehler lassen sich nur schwer und insoweit erfassen, ob derartige Probleme auftraten oder nicht. Für die quantitative Untersuchung muß daher auf die Literatur oder andere Hilfsgrößen (z.B. Realzinsen oder Geldmengenentwicklung) zurückgegriffen werden. 242 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.C) Übersicht 28: Zusammenfassung der Zusammenhänge zwischen dem Verhalten der politisch Verantwortlichen und dem Verlauf einer Währungskrise - - Ein zu zögerliches, zu geringes oder zu kurzweiliges Anheben der Inlandszinsen führt c.p. zu einer höheren Abwertung der heimischen Währung. Gründe hierfür sind z.B. die Erwartung weiterer Zinsanstiege, was den Wert von festverzinslichen Wertpapieren mindert, eine zu geringe Rendite bezogen auf das Risiko einer Anlage im Inland oder der Zweifel an der Dauer der Maßnahmen. Die mangelnde Umsetzung von stabilitätsorientierten Maßnahmen wirkt gleichfalls verschärfend, da Investoren von dauerhaft hohen Risiken, bedingt durch ungünstige Fundamentalfaktoren, ausgehen müssen. Kommunikative Fehler und soziale bzw. politische Instabilitäten begünstigen die Eskalation einer Währungskrise. Die genannten Faktoren erzeugen ein großes Maß an Unsicherheit, was an den Finanzmärkten allgemein mit deutlichen Risikoabschlägen verbunden ist. Dies gilt insbesondere für Krisensituationen, in denen die Devisenmärkte sehr nervös auf Gerüchte und Äußerungen von politisch Verantwortlichen reagieren. 243 V Krisenverschärfende Handlungsweisen der Marktteilnehmer (V.C) 244 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.A) VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise VI.A Erweiterte Darstellung des Aufbaus der empirischen Untersuchung Untersuchungsziel/Hypothese: Ermittlung quantitativ erfaßbarer Bestimmungsfaktoren für das Ausmaß einer Währungskrise Analyseverfahren: Querschnittsrangkorrelationsanalyse, Signifikanztests Untersuchungszeitraum: Gesamtzeitraum: 1991 bis einschließlich 2002 Osteuropäische Staaten ab 1995 bis einschließlich 2002 Teilzeiträume: 1991-1996 („frühe Krisen“) und 1997-2002 („späte Krisen“) Merkmalsträger: Länder: vgl. Übersicht 1 aus S. 9 Ländergruppen: Emerging Market Economies, Industriestaaten Datenfrequenz: Jahresdaten (jeweils ein Stichjahr bzw. ein Durchschnittswert für mehrere Jahre im Querschnitt aller jeweils betrachteten Länder) Datenbasis: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich: Consolidated Banking Statistics International Banking Statistics Jahresberichte Securities Statistics Central Bank of China (Republic of China, Taiwan): Balance of Payments Statistics Internationaler Währungsfonds: Country Reports Government Financial Statistics IMF Members ` Financial Data by Country International Financial Statistics Nationale Zentralbanken: Verschiedenste Informationen auf Anfrage Ratingagenturen Moody´s Investor Service und Standard & Poors (S&P): Sovereign Ratings History Thomson Financial Datastream: Abfrage zu Wechselkursvolatilitäten in der Vergangenheit 245 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.A) Weltbank: Global Development Finance (vormals: World Debt Tables) Regressanden (Abhängige Variablen - Ränge): • Maximale Abwertungsraten während der Krise (A1) • Abwertungsraten am Krisenende (A2) • Durchschnittliche Abwertungsraten im Krisenverlauf (A3) • Summen aus den drei zuvor genannten Raten (A4) Regressoren (Unabhängige Variablen - Ränge): Verzögerte Variablen: Variable Kurzbezeichnung Variable Kurzbezeichnung UV01 Aufwertungsindikator I. UV28 UV02 Aufwertungsindikator II. UV29 UV03 UV04 UV05 UV06 UV07 UV08 UV09 UV10 UV11 UV12 UV13 UV14 UV15 UV16 UV17 UV18 UV19 UV20 UV21 UV22 UV23 UV24 UV25 UV26 Handelsindikator I. Handelsindikator II. Handelsindikator III. Handelsindikator IV. Handelsindikator V. Verschuldungsindikator I. Verschuldungsindikator II. Verschuldungsindikator III. Verschuldungsindikator IV. Verschuldungsindikator V. Verschuldungsindikator VI. Verschuldungsindikator VII. Verschuldungsindikator VIII. Verschuldungsindikator IX. Verschuldungsindikator X. Verschuldungsindikator XI. Verschuldungsindikator XII. Bilanzindikator I. Bilanzindikator II. Bilanzindikator III. Bilanzindikator IV. Verschuldungsindikator XIII. Verschuldungsindikator XIV. Potentialindikator inländische Kapitalexporte I. Potentialindikator inländische Kapitalexporte II. UV30 UV31 UV32 UV33 UV34 UV35 UV36 UV37 UV38 UV39 UV40 UV41 UV42 UV43 UV44 UV45 UV46 UV47 UV48 UV49 UV50 UV51 UV52 UV53 Potentialindikator in-/ausländische Kapitalexporte I. Potentialindikator in-/ausländische Kapitalexporte II. Kapitalfluchtindikator I. Kapitalfluchtindikator II. Budgetindikator I. Budgetindikator II. Budgetindikator III. Budgetindikator IV. Kreditindikator I. Kreditindikator II. Bankenindikator I. Bankenindikator II. Bankenindikator III. Bankenindikator IV. Bankenindikator V. Bankenindikator VI. Bankenindikator VII. Bankenindikator VIII. Kreditindikator III. Kreditindikator IV. Kapitalmarktindikator Kapitalverkehrsindikator Verhaltensindikator I. Verhaltensindikator II. Verhaltensindikator III. Ratingindikatoren I. UV54 Ratingindikatoren II. UV27 246 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.A) Unverzögerte Variablen: Variable Kurzbezeichnung Variable Kurzbezeichnung UU01 UU02 UU03 UU04 UU05 UU06 Aufwertungsindikator III. Umschuldungsindikator Budgetindikator V. Ratingindikator III. Ratingindikator IV. Ratingindikator V. UU07 UU08 UU09 UU10 UU11 UU12 Ratingindikator VI. Ratingindikator VII. Geldmengenindikator I. Geldmengenindikator II. Zentralbankindikatoren I. Zentralbankindikatoren II. Kombinierte Variablen: Variable Kurzbezeichnung Variable Kurzbezeichnung UB01 UB02 Aufwertungsindikator IV. Erweiterter Verschuldungsindikator I. Erweiterter Verschuldungsindikator II. Erweiterter Verschuldungsindikator III. Erweiterter Verschuldungsindikator IV. Erweiterter Verschuldungsindikator V. Erweiterter Verschuldungsindikator VI. Erweiterter Verschuldungsindikator VII. Erweiterter Verschuldungsindikator VIII. Erweiterter Verschuldungsindikator IX. Erweiterter Verschuldungsindikator X. Erweiterter Verschuldungsindikator XI. Erweiterter Verschuldungsindikator XII. Erweiterter Verschuldungsindikator XIII. Erweiterter Verschuldungsindikator XIV. Erweiterter Verschuldungsindikator XV. Erweiterter Verschuldungsindikator XVI. Erweiterter Verschuldungsindikator XVII. Erweiterter Verschuldungsindikator XVIII. Erweiterter Verschuldungsindikator XIX. Erweiterter Verschuldungsindikator XX. Erweiterter Verschuldungsindikator XXI. UB32 UB33 UB03 UB04 UB05 UB06 UB07 UB08 UB09 UB10 UB11 UB12 UB13 UB14 UB15 UB16 UB17 UB18 UB19 UB20 UB21 UB22 UB40 Erweiterter Verschuldungsindikator XXXI. Erweiterter Verschuldungsindikator XXXII. Erweiterter Verschuldungsindikator XXXIII. Erweiterter Verschuldungsindikator XXXIV. Erweiterter Verschuldungsindikator XXXV. Erweiterter Verschuldungsindikator XXXVI. Erweiterter Verschuldungsindikator XXXVII. Erweiterter Verschuldungsindikator XXXVIII. Erweiterter Verschuldungsindikator XIL. UB41 Erweiterter Verschuldungsindikator XL. UB42 Erweiterter Verschuldungsindikator IXL. UB43 Erweiterter Verschuldungsindikator VIIIL. UB44 erweiterter Verschuldungsindikator VIIL. UB45 erweiterter Verschuldungsindikator VIL. UB46 erweiterter Potentialindikator Kapitalexporte I. erweiterter Potentialindikator Kapitalexporte II. erweiterter Potentialindikator Kapitalexporte III. erweiterter Potentialindikator Kapitalexporte IV. Erweiterter Potentialindikator Kapitalexporte V. Erweiterter Potentialindikator Kapitalexporte VI. Erweiterter Potentialindikator Kapitalexporte VII. Erweiterter Potentialindikator Kapitalexporte VIII. UB34 UB35 UB36 UB37 UB38 UB39 UB47 UB48 UB49 UB50 UB51 UB52 UB53 247 inländische inländische inländische inländische inländische inländische inländische inländische VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.A) Kombinierte Variablen (Fortsetzung) Variable Kurzbezeichnung Variable Kurzbezeichnung UB23 Erweiterter Verschuldungsindikator XXII. Erweiterter Verschuldungsindikator XXIII. Erweiterter Verschuldungsindikator XXIV. Erweiterter Verschuldungsindikator XXV. Erweiterter Verschuldungsindikator XXVI. Erweiterter Verschuldungsindikator XXVII. Erweiterter Verschuldungsindikator XXVIII. Erweiterter Verschuldungsindikator XXIX. Erweiterter Verschuldungsindikator XXX. UB54 UB24 UB25 UB26 UB27 UB28 UB29 UB30 UB31 UB60 Erweiterter Potentialindikator inländische Kapitalexporte IX. Erweiterter Potentialindikator inländische Kapitalexporte X. Erweiterter Potentialindikator in/ausländische Kapitalexporte I. Erweiterter Potentialindikator in/ausländische Kapitalexporte II. Erweiterter Potentialindikator in/ausländische Kapitalexporte III. Erweiterter Potentialindikator in/ausländische Kapitalexporte IV. Devisenindikator I. UB61 Devisenindikator II. UB62 Aktienmarktindikator UB55 UB56 UB57 UB58 UB59 (für eine detailierte Darstellung der genannten Inhalte siehe Anhang A1) Ermittelte Kennzahlen: Spearman´sche Rangkorrelationskoeffizienten (einfache und multiple) Signifikanzniveaus (t-Test) 248 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) VI.B Methodische Aspekte 1 Rangkorrelationsanalyse Die empirische Untersuchung wird mit Hilfe einer Rangkorrelationsanalyse in Verbindung mit einem Signifikanztest durchgeführt. Der Vorteil der Rangkorrelationsanalyse liegt in der relativ hohen Robustheit gegenüber Datenausreißern, d.h. Zufallsschwankungen beeinflussen das Ergebnis weit weniger als bei einer normalen Regressionsund Korrelationsanalyse. Als Signifikanztest wird der t-Test herangezogen, da bei einem Stichprobenumfang von n>10 die Spearman´schen Rangkorrelationskoeffizienten approximativ t-verteilt sind (vgl. Schaich 1977, S. 287). Es handelt sich bei der Untersuchung um eine modifizierte Querschnittsbetrachtung. Charakteristisch für eine Querschnittserhebung ist, daß alle Erhebungen sich auf den gleichen Zeitpunkt beziehen. Dies ist bei der vorliegenden Untersuchung nicht der Fall. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich vielmehr über zwölf Jahre und enthält damit auch Elemente einer Längsschnittanalyse. Diese Kombination ist jedoch nur möglich, sofern die Gegebenheiten im Zeitablauf mehr oder weniger unverändert geblieben sind (vgl. Assenmacher 1991, S. 56). An den Finanzmärkten haben sich natürlich bestimmte Gegebenheiten gewandelt. Diese Änderungen wurden daher teilweise explizit als erklärende Variable aufgeführt (z.B. Intensität von Kapitalverkehrskontrollen). Trotzdem bleibt die Frage, ob und inwieweit sich im Zeitablauf ändernde Umstände auf das Ausmaß einer Währungskrise niederschlagen. In diesem Fall sollte sich auf einer Zeitachse ein deutlicher Trend abzeichnen und der Faktor Zeit einen nicht unerheblichen Teil der unterschiedlichen hohen Abwertungsraten erklären können. Die aus den Daten erstellten Abbildungen deuten darauf hin, daß allenfalls bei einer der vier endogenen Variablen ein leichter Trend festgestellt werden kann. Allerdings besitzt der Faktor Zeit bei allen vier abhängigen Variablen mit einem maximalen Korrelationskoeffizienten von 0,16 keine Erklärungskraft. Somit ist klar, daß es zumindest keine stetigen Veränderungen im Verlauf des Beobachtungszeitraums gegeben hat, die signifikanten Einfluß auf das Ergebnis gehabt hätten. Ein nichtparametrischer Test wurde herangezogen, um eventuelle Strukturbrüche aufzudekken. Dazu wurde die Gesamtstichprobe in zwei Teilstichproben unterteilt (z.B. Krisen 1991 vs. Krisen 1992 bis 2002). Die Trennungslinie zwischen den Teilstichproben 249 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) wurde über den kompletten Untersuchungszeitraum hinweg verschoben. Ein Strukturbruch konnte indes nicht festgestellt werden. Abbildung 22: Rangverteilung der maximalen Abwertungsraten (A1) im Zeitablauf A1 A 1 = 0 ,00 13t + 4,0 039 r2 = 0 , 0 0 3 3 120 100 80 60 40 20 0 Ja n 91 Ja n 92 Ja n 93 Ja n 94 Ja n 95 Ja n 96 Ja n 97 Ja n 98 Ja n 99 Ja n 00 Ja n 01 Ja n 02 Ja n 03 t t = linearer Trend (Monatswerte t = 1,...,n) Anzahl der Beobachtungswerte: 102 Quelle: Eigene Berechnung Abbildung 23: Rangverteilung der Abwertungsraten am Krisenende (A2) im Zeitablauf A2 A 2 = 0,0038t - 83,81 r2 = 0 , 0 2 6 5 120 100 80 60 40 20 0 Ja n 91 Ja n 92 Ja n 93 Ja n 94 Ja n 95 Ja n 96 Ja n 97 t = linearer Trend (Monatswerte t = 1,...,n) Anzahl der Beobachtungswerte: 102 Quelle: Eigene Berechnung 250 Ja n 98 Ja n 99 Ja n 00 Ja n 01 Ja n 02 Ja n 03 t VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) Abbildung 24: Rangverteilung der durchschnittlichen Abwertungsraten (A3) im Zeitablauf A3 A3 = 0,0009t + 18,233 r2 = 0,0016 120 100 80 60 40 20 0 t Jan 91 Jan 92 Jan 93 Jan 94 Jan 95 Jan 96 Jan 97 Jan 98 Jan 99 Jan 00 Jan 01 Jan 02 Jan 03 t = linearer Trend (Monatswerte t = 1,...,n) Anzahl der Beobachtungswerte: 102 Quelle: Eigene Berechnung Abbildung 25: Rangverteilung der Summen der Abwertungsraten (A4) im Zeitablauf A4 A4 = 0,002t - 20,659 r2 = 0,0075 120 100 80 60 40 20 0 Jan 91 Jan 92 Jan 93 Jan 94 Jan 95 Jan 96 Jan 97 t = linearer Trend (Monatswerte t = 1,...,n) Anzahl der Beobachtungswerte: 102 Quelle: Eigene Berechnung 251 Jan 98 Jan 99 Jan 00 Jan 01 Jan 02 Jan 03 t VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) 2 Untersuchungszeitraum und Datenfrequenz Der Untersuchungszeitraum umfaßt die Jahre 1991 bis einschließlich 2002. Für Osteuropa beginnt der Untersuchungszeitraum erst 1995, um die direkten Auswirkungen der Systemtransformation weitestgehend auszuschließen. Außerdem liegen für den Zeitraum zuvor oftmals keine adäquaten Daten vor. Die Untersuchung basiert in Anlehnung an Frankel/Rose (1996) auf Jahresdaten. Damit verbunden ist zwar der Nachteil, daß die Daten bestimmte Entwicklungen kurz vor Ausbruch oder auch während einer Währungskrise nicht ausreichend abbilden können. Dies gilt insbesondere, wenn eine relevante Veränderung einer Variable nur kurz auftritt und sich dann wieder zurückentwickelt. Durch die Wahl von Jahresdaten wird es jedoch möglich, auf ein wesentlich größeres Variablenspektrum zurückzugreifen, da viele Daten nur auf Jahresbasis erhoben werden. Gerade für Emerging Market Economies liegen relativ wenig unterjährig periodisierte Daten vor. Bei Zugrundelegung derartiger Daten würde sich somit die Anzahl der berücksichtigten Volkswirtschaften und damit auch die der berücksichtigten Krisen verringern. Dies würde die Aussagefähigkeit der Untersuchung stark einschränken, zumal die Krisen ja ein typisches Problem der Emerging Markets sind. 3 Empirische Definition einer Krise Ein erstes Adäquationsproblem stellt sich bereits ganz zu Beginn der Analyse. Wann liegt überhaupt eine Währungskrise vor, bzw. wie ist eine solche definiert? Wie in der Einleitung erwähnt, gibt es dafür keine allgemeingültige Definition. Zur Lösung dieses Problems bestehen zwei Möglichkeiten: Zum einen kann auf Angaben in der Literatur zurückgegriffen werden. Zum anderen böte sich der Entwurf eines eigenen Krisenindikators an. Der große Nachteil der ersten Methode besteht darin, daß vorwiegend sehr schwere Währungskrisen mit erheblichen Verwerfungen am Devisenmarkt analysiert würden (vgl. Schnatz 1998a, S. 6). Leichtere Währungskrisen oder solche in Volkswirtschaften, welche weniger im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, würden vermutlich nicht erfaßt. Die Konstruktion eines eigenen Krisenindikators trägt das Problem einer gewissen Willkür, welche die Schnittstellen zwischen Krise und Nichtkrise betreffen, in sich. Wie sich später noch zeigen wird, ist dieses Problem jedoch von vergleichsweise geringer Relevanz. Folglich wird in der Analyse auf einen eigenen Krisenindikator als Signalgeber für eine Währungskrise zurückgegriffen, um auch relativ leichte oder weniger gut dokumentierte Krisen erfassen zu können. Auf ver252 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) schiedene Definitionen aus der empirischen Literatur wurde bereits in der Einleitung zu dieser Arbeit verwiesen. Die in dieser Arbeit verwendeten Kriterien zur empirischen Krisendefinition lehnen sich – wie bereits gesagt – teilweise an diejenigen von Esquivel/Larrain (1998) an. Eine Währungskrise zeigt sich demnach in der vorliegenden Arbeit entweder dadurch, daß der reale Wechselkurs auf Monatsbasis gegenüber mindestens zwei der drei „Referenzwährungen“ um wenigstens 10%89 gegenüber dem Vormonat an Wert verliert, oder aber der nominale Wechselkurs sich „ungewöhnlich stark“ gegenüber zwei von drei Referenzwährungen abwertet. Die Bezeichnungen „Referenzwährungen“ und „ungewöhnlich stark“ bedürfen natürlich der Konkretisierung. Als sogenannte Referenzwährungen dienen der US-$, die Deutsche Mark bzw. der Euro und der Japanische Yen. Grund hierfür ist die international herausragende Bedeutung dieser drei Währungen für den Waren- und v.a. für den Kapitalverkehr. Bei der Analyse einer der drei Referenzwährungen dienen jeweils die anderen beiden sowie der Schweizer Franken als Referenzwährungen. Unter „ungewöhnlich stark“ soll folgendes verstanden werden: 1. Die logarithmierte Veränderungsrate des nominalen Wechselkurses muß auf wöchentlicher Basis gegenüber mindestens zwei Referenzwährungen die 3-fache Standardabweichung der nominalen Wechselkursveränderung aus den 52 Wochen zuvor übersteigen. In diesem Fall wird ein Volatilitätssignal ausgesendet. 2. Die nominale Wechselkursabwertung auf Monatsbasis (Monatsbasis sorgt für die Glättung von Ausreißern im Vergleich zu Wochendaten) muß außerdem gegenüber zwei der drei Referenzwährungen mindestens 7% und gegenüber der dritten mindestens 5% betragen. Die Abwertungen müssen innerhalb von acht Monaten ab dem Zeitpunkt des Aussendens eines Volatilitätssignals erfolgen. Werden diese beiden Anforderungen erfüllt, wird dies als Krise identifiziert (Krisensignal wird ausgesendet). Durch den ersten Teil des Indikators ist sichergestellt, daß 89 Esquivel/Larrain wählen in ihrem Modell 15% als Schwelle, ab wann von einer Währungskrise gesprochen werden soll. Da diese Arbeit versucht, auch schwächere Krisen zu analysieren, soll hier der Wert von 10% angenommen werden. 253 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) keine Abwertungen als Krisen identifiziert werden, die nicht außergewöhnlich hoch sind. Dies ist vor allem bei Ländern mit hohen Inflationsraten von Bedeutung, in denen die Abwertungsraten der betroffenen Währungen zwar (nach allgemeinem Maßstab) sehr hoch, aber nicht (im Fall der betroffenen Währung) ungewöhnlich hoch sind. Die Betrachtung auf Wochenbasis wird nötig, um einen ausreichend langen Beobachtungszeitraum bei approximativer Normalverteilung gewährleisten zu können. Gegenüber Tagesdaten besteht bei Wochendaten der Vorteil einer gewissen Glättung, d.h. die Wahrscheinlichkeit von zufälligen Ausreißern ist geringer. Die 3fache Standardabweichung sorgt dafür, daß bei unterstellter Normalverteilung des Wechselkursverlaufs ein Volatilitäts- bzw. Krisensignal auch mit über 99%igerWahrscheinlichkeit ein außergewöhnliches Ereignis anzeigt.90 Der zweite Teil (also die nominale Währungsabwertung als Kriterium) sorgt dafür, daß nur solche außergewöhnlichen Ereignisse als Krise gewertet werden, die auch ein gewisses Mindestmaß an nominaler Abwertung zur Folge haben. Um auch schwächere Währungskrisen erfassen zu können, wird auf einstellige Abwertungsraten als Schwelle zurückgegriffen. 5% nominale Abwertung erscheint hier als absolute Untergrenze angebracht, da unter dieser Grenze vermehrt die Gefahr besteht, normale Wechselkursbewegungen als Krise zu klassifizieren. Die 7%-Schwelle resultiert aus den Daten heraus. Es zeigte sich, daß die Abwertungsraten entweder ein gutes Stück über oder unter der 7%-Grenze lagen. Die Annahme, daß die betroffene Währung gegenüber einer Referenzwährung schwächer abwerten darf als gegenüber den beiden anderen Referenzwährungen und trotzdem noch als Währungskrise gilt, hat folgenden Grund: Wiederholt ist auch eine der genannten Referenzwährungen von einer regionalen Währungskrise miterfaßt worden und ihrerseits unter (wenn auch geringeren) Abwertungsdruck gekommen. So geschehen mit der Deutschen Mark vor und während der EWS-Krise 1992/93 und dem Japanischen Yen während der Asienkrise 1997/98. Gegenüber der regionalen Referenzwährung bleibt die nominale Abwertung der betroffenen Währung vergleichsweise moderat bzw. verstärkt sich erst mit Verzögerung. Ein neuerliches Krisensignal kann jedoch nicht mehr ausgesendet werden, da die Wechselkursveränderungen gegenüber den anderen beiden Referenzwährungen nicht mehr signifikant sind. Daher soll sichergestellt werden, 90 Empirische Untersuchungen zeigen zwar, daß die Normalverteilungsannahme nicht immer als Verteilung für Wechselkursveränderungen geeignet ist, jedoch soll diese der Einfachheit halber angenommen werden. 254 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) daß eine Krise auch als solche identifiziert wird, sofern zumindest gegenüber zwei Referenzwährungen eine deutliche Abwertung auftritt. Gleichzeitig soll jedoch vermieden werden, daß eine Krise angezeigt wird, obwohl eine Währung nur aufgrund einer unter Druck geratenen Referenzwährung, an die sie gekoppelt ist, abwertet. Um eine derartige Fehlanzeige im Regelfall zu vermeiden, muß auch gegenüber dieser (dritten) Referenzwährung eine gewisse Abwertung meßbar sein. Die Daten auf Monatsbasis sollen dafür sorgen, daß sich Zufallsschwankungen innerhalb eines Monats aufheben. Aus ähnlichen Überlegungen heraus, wie die Festlegung der unterschiedlichen Schwellenwerte, resultiert auch die Maßgabe, daß die vorgegebenen Abwertungsraten erst binnen acht Monaten realisiert werden müssen, obwohl dieser Zeitraum recht lang erscheinen mag. 4 Regressanden Für die empirische Analyse stellt sich ein weiteres Problem. Es liegt direkt keine Größe vor, durch die sich das Ausmaß einer Währungskrise umfassend und allgemeingültig messen läßt. Es müssen eine oder mehrere Hilfsgröße(n) gefunden werden. In dieser Arbeit wird die Abwertungsrate der inländischen Währung während einer Krise als Determinante des Krisenausmaßes verwendet.91 Allerdings bleibt so noch offen, über welchen Zeitraum die Währungsabwertungen betrachtet werden und welche Abwertungsrate in diesem Zeitraum herangezogen werden soll. Geht man davon aus, daß v.a. die Höhe der Währungsabwertung über einen bestimmten Zeitraum ein entscheidendes Kriterium für die Dimension einer Währungskrise darstellt, ist z.B. die maximale Abwertungsrate der Währung im Verlauf der Währungskrise (A1) als abhängige Variable für sinnvoll zu erachten [Max(∆NWKt)]. Um zufällige Tagesschwankungen herauszurechnen, wird die maximale Abwertungsrate auf Monatsbasis verwendet. Doch selbst eine immense Abwertung hat nur vergleichsweise geringe Auswirkungen, sofern sie nur kurze Zeit (z.B. einen Monat) besteht. Bei manchen Turbulenzen am Devisenmarkt läßt sich beobachten, daß eine Währung über mehrere Wochen hin stark an Wert verliert, sich danach jedoch wieder erholt und der Wechselkurs fast das Niveau vor den Turbulenzen wieder erreicht. Für einen solchen Krisenverlauf wäre die maximale Abwertung auf Basis von Monatsda- 91 Die Verwendung der Wechselkursvolatilität oder der Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, nur um zwei Beispiele zu nennen, wären jedoch theoretisch ebensogut möglich. 255 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) ten kein geeigneter Indikator, das Ausmaß der Währungskrise adäquat darzustellen. Die Schärfe der Krise würde systematisch überschätzt. Um dies zu berücksichtigen, wird an dieser Stelle neben der maximalen Abwertungsrate die Abwertungsrate der betroffenen Währung am Ende einer Krise (A2) als abhängige Variable in die Betrachtung miteinbezogen [NWKt+1/NWKt-1]. Schließlich kann es für die Volkswirtschaft auch von Bedeutung sein, ob die Währung gleich zu Beginn der Krise stark abwertet, oder ob der Druck auf die Währung allmählich zunimmt und erst im späteren Verlauf der Krise zu deutlicheren Abwertungen führt. Im zweiten Fall haben die Marktteilnehmer eher die Möglichkeit, sich auf die veränderten Bedingungen einzustellen. Entsprechend dürften auch die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft als Ganzes geringer ausfallen. Dieser Aspekt läßt sich recht gut anhand der durchschnittlichen Abwertungsrate auf Monatsbasis über einen bestimmten Zeitraum hinweg messen. Folglich wird auch diese als abhängige Variable (A3) in der Analyse berücksichtigt [∅(NWKt)]. Für die Berechnung des jeweiligen Regressanden wird jeweils der Durchschnitt aus den Abwertungsraten gegenüber den drei Referenzwährungen herangezogen. Schließlich wird ein vierter Regressand gebildet, welcher die Summe aus den drei vorher genannten abbildet (A4) [∑A1A3]. So wird versucht, die drei Einzelindikatoren auf eine einzige Größe zu vereinigen. Hierbei muß man sich jedoch vor Augen führen, daß es sich dabei um eine Behelfsgröße handelt, die keineswegs unproblematisch ist. Angeführt sei exemplarisch nur die implizite Gleichgewichtung der eingehenden Größen. Es stellt sich noch die Frage nach dem Zeitraum, den eine Krise andauert. Wie bereits dargelegt, wird in der Literatur zu Währungskrisen häufig ein Jahr als relevanter Zeitraum herangezogen. Folglich bietet sich diese, wenn auch willkürliche, Zäsur als Abgrenzung an. Die maximale Abwertungsrate bezieht sich somit auf die ersten zwölf Monate nach Krisenausbruch und auch die durchschnittliche Abwertungsrate errechnet sich aus dem Durchschnitt der zwölf Monate nach Krisenausbruch. Die Abwertungsrate am Krisenende wird dementsprechend als Abwertungsrate ein Jahr nach Krisenausbruch definiert. Abweichungen hiervon entstehen bei mehreren Krisensignalen innerhalb eines Jahres (siehe Kapitel VI.B.5). 256 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) 5 Mehrere Krisensignale in einem Jahr und Dauer einer Krise Eine weitere Konvention, die in dieser Arbeit Anwendung findet und auch in der Literatur recht weit verbreitet ist (vgl. Schnatz 1998a), soll hier aufgeführt werden. Innerhalb eines Jahres kann in einer Volkswirtschaft normalerweise nur eine Währungskrise auftreten.92 Grund hierfür ist, daß sich binnen eines Jahres normalerweise kein Anpassungsbedarf gleichen Ausmaßes aufgestaut haben dürfte, der nicht schon früher erkennbar gewesen wäre, oder dessen Gründe nicht in der schon ausgebrochenen Währungskrise liegen (vgl. Schnatz 1998a, S. 9). Treten in diesem Zeitraum mehrere Krisensignale auf, so ist dies i.d.R. trotzdem nur als eine Krise zu betrachten. Weitere Krisensignale zeugen dann von einer abermaligen Verschärfung der Situation. Dies gilt umso mehr, da eine Krise gemäß den hier zugrundegelegten Berechnungsmodalitäten für die nachfolgenden 12 Monate sowohl den Mittelwert als auch die Standardabweichung der Wechselkursveränderung erhöht, die dann erheblich überschritten werden müssen, um wieder ein Volatilitätssignal und letztlich ein Krisensignal auszusenden. Daraus resultiert eine geringere Wahrscheinlichkeit weiterer Volatilitäts- und Krisensignale. Eine Krise kann als beendet angesehen werden, wenn binnen zwölf Monaten nach dem Auftreten des Krisensignals keine weiteren mehr aufgetreten sind. Treten mehrere Krisensignale binnen zwölf Monaten auf, hat dies für die Berechnung der Abwertungsraten die Konsequenz, daß sich der Krisenzeitraum verlängert. Folglich ist der Zeitraum, welcher für die Berechnung der maximalen Abwertungsrate während der Krise (A1), der Abwertungsrate am Ende der Krise (A2) und der durchschnittlichen Abwertungsrate (A3) zu Grunde gelegt wird, länger als ein Jahr und endet wie oben beschrieben erst zwölf Monate nach Aussendung des letzten Krisensignals. Aus den gewählten Methodiken, Ländern und Beobachtungszeiträumen ergibt sich eine Gesamtstichprobe von 102 Währungskrisen in 49 Ländern (siehe Übersicht 29). 92 Die einzigen beiden Ausnahmen von dieser Konvention sind die Krisen in Finnland im September 1992 und in Mexiko im November 1995. Dies resultiert aus folgenden Gründen: Einmal sind die vorausgehenden Krisen v.a. in Mexiko schon fast ein Jahr her. In Finnland wird die Finanzkrise des Jahres 1991 zudem unmittelbar durch die EWS-Krise des Jahres 1992, welche große Teile Westeuropas erfaßt und definitiv als neue Krise zu werten ist, abgelöst. Auch bei Mexiko geht aus der Literatur hervor, daß die Krise im Spätherbst 1995 nicht mehr im Zusammenhang mit der Tequila-Krise gesehen werden kann (vgl. Sell 1999, S. 84ff.). 257 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) Übersicht 29: Zeitpunkte der jeweiligen Krisenausbrüche in den untersuchten Volkswirtschaften im Zeitraum 1991-2002 Land Ägypten Argentinien Australien Brasilien Bulgarien Chile China Ecquador Finnland Griechenland Großbrit. Indien Indonesien Irland Island Israel Italien Kenia Kolumbien Malaysia Mexiko Nigeria Norwegen Pakistan Paraguay Datum des Krisenausbruchs Jul 01 Jan 02 Okt 97 Jan 93 Mrz 95 Jan 99 Apr 01 Apr 96 Aug 92 Mrz 01 Jun 02 Jan 94 Aug 92 Nov 93 Mrz 98 Mrz 99 Nov 91 Sep 92 Sep 92 Mrz 98 Sep 92 Jun 91 Jul 97 Aug 99 Sep 92 Sep 92 Apr 01 Apr 98 Sep 92 Feb 95 Feb 93 Mai 95 Mai 97 Dez 98 Jan 91 Okt 92 Sep 98 Mai 02 Jul 97 Okt 98 Dez 94 Nov 95 Sep 98 Feb 95 Jan 98 Jul 02 Jul 02 Sep 92 Apr 91 Jul 93 Okt 95 Okt 96 Land Peru Philippinen Polen Jul 02 Portugal Rumänien Rußland Schweden Schweiz Singapur Slowakei Spanien Südafrika Südkorea Taiwan Thailand Tschechien Tunesien Türkei Ukraine Ungarn Uruguay USA Venezuela Okt 97 Vietnam Datum des Krisenausbruchs Sep 92 Aug 98 Jun 02 Sep 92 Jul 97 Okt 00 Aug 98 Jul 01 Aug 92 Nov 95 Dez 96 Aug 98 Aug 98 Sep 92 Okt 92 Jul 97 Aug 98 Sep 92 Feb 96 Mai 98 Nov 01 Okt 97 Okt 97 Jun 97 Mrz 97 Aug 98 Sep 92 Okt 92 Jan 94 Jan 01 Jun 02 Aug 98 Aug 99 Mrz 95 Jul 91 Dez 01 Mrz 95 Nov 91 Apr 94 Nov 95 Jun 98 Feb 02 Feb 98 Aug 94 Jan 98 Jun 99 Jun 01 Jun 02 Quelle: Eigene Berechnung 6 Beschreibung der Regressoren 6.1 Überblick Die empirische Untersuchung leidet teils erheblich unter dem Mangel an verfügbaren Daten. Viele theoretisch durchaus relevante Daten werden nicht erhoben bzw. sind nicht direkt beobachtbar. Andere Daten sind z.B. aus Gründen der Geheimhaltung nicht öffentlich verfügbar oder nur unter extremen Aufwendungen zu erhalten, welche im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten waren. Daher muß eine empirische Untersuchung dieser Faktoren ausgeklammert werden, oder es müssen Hilfskonstruktionen herangezogen werden, über die zwar verwertbare Daten vorliegen, deren Adäquanz jedoch nur eingeschränkt gegeben ist. Es zeigt sich, daß die Datenproblematik vorwiegend auf mikroökonomische, institutionelle oder verhaltensbasierte Daten zutrifft. Dagegen ist die Datenlage bei makroökonomischen Größen vergleichsweise gut. Folglich konnten in der empirischen Analyse auch vorwiegend Variablen 258 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) berücksichtigt werden, welche Sachverhalte und mögliche Zusammenhänge abbilden, die in Kapitel II dargelegt wurden. Bei den Regressoren finden drei verschiedene Variablenarten Verwendung - wiederum stets in Form von Rängen: 1. Unabhängig-verzögerte Variablen (UV) 2. Unabhängig-unverzögerte Variablen (UU) 3. Unabhängig-kombinierte Variablen (UB)93 Unabhängig-verzögerte Variablen zeichnen sich dadurch aus, daß sie Abwertungsraten durch Gegebenheiten zu erklären versuchen, die bereits vor Ausbruch der Krise existieren. Unabhängig-unverzögerte Variablen erklären die unterschiedlichen Abwertungsraten durch Entwicklungen, die erst im Verlauf einer Währungskrise auftreten. Unabhängig-kombinierte Variablen enthalten sowohl unverzögerte als auch verzögerte Elemente. Der Hintergrund für die Nutzung dieser Variablenart ist, daß bestimmte Gegebenheiten vor einer Krise nur verbunden mit gewissen Entwicklungen während einer Krise zu drastischen Abwertungen führen. Nachfolgend werden die Regressoren in Anlehnung an die Kapitel II bis V dargestellt. 6.2 Variablen des realen Wechselkurses Der reale Wechselkurs wird als gewichteter realer Wechselkurs gegenüber den fünf wichtigsten Handelspartnern berechnet. Die reale Aufwertung einer Währung wird in der Untersuchung anhand von vier Indikatoren (Aufwertungsindikator I.-IV.) gemessen. UV01/UV02: Die Aufwertungsindikatoren I./II. umfassen die Entwicklung des realen Wechselkurses [(NWK*Pa/Pi)t-1/(NWK*Pa/Pi)t-6/t-4] während der letzten fünf bzw. drei Jahre vor Krisenausbruch. Der Grund für die Verwendung unterschiedlicher Zeiträume liegt darin, daß Aufwertungsindikator I. auch Entwicklungen erfassen kann, welche weiter im Vorfeld der Krise liegen. Der kürzere Zeitraum des Aufwertungsindikators II. sorgt dafür, daß den Entwicklungen kurz vor Ausbruch der Krise ein höheres Gewicht zukommt. UU01: Aufwertungsindikator III. berücksichtigt die Wechselkursreagibilität der Inflation [∆Pit/∆NWKt]. Diese wird approximativ anhand des Verbraucherpreisindex im Jahr 93 B steht in diesem Fall für beides (verzögerte kombiniert mit unverzögerten Elementen) 259 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) nach Krisenausbruch gegenüber dem Jahr vor dem Ausbruch der Krise gemessen [Pit+1/Pit-1]. UB01: In einer zusätzlichen Variable (Aufwertungsindikator IV.) werden Aufwertungsindikator I.94 und Aufwertungsindikator III. zu einem Indikator zusammengefaßt [(NWK*Pa/Pi)t-1/(NWK*Pa/Pi)t-6*Pit+1/Pit-1]. 6.3 Variablen der Leistungsbilanzsituation Die Leistungsbilanzsituation einer Volkswirtschaft wird mit Hilfe von fünf Handelsindikatoren abgebildet. UV03/UV07: Die Handelsindikatoren I./V. würdigen das Leistungsbilanzdefizit in Relation zur inländischen Wirtschaftsleistung [LBD/BIP]t-1 und als Differenz dessen zum nachhaltigen Leistungsbilanzdefizit95 [NHLBD/BIP-LBD/BIP]t-1 nach dem Modell von Edwards et al. (1996, siehe Kapitel II.B.3.3.2). UV04: Die Import/Exportrelation [M/X]t-1 ist Gegenstand von Handelsindikator II. UV05: Um den angesprochenen meist unterschiedlichen Ausgangspositionen von Industriestaaten und Emerging Market Economies bezüglich der Nettoauslandsposition Rechnung zu tragen, muß auch das Verhältnis der geleisteten Schuldendienstund Dividendenzahlungen zu den erhaltenen [(Incdeb/Inccre)t-1] Verwendung finden. Dies wird durch Handelsindikator III. berücksichtigt. UV06: Handelsindikator IV. [(M/X*Incdeb/Inccre)t-1] verbindet die Handelsindikatoren II. und III. 6.4 Variablen der Kapitalimporte und der Auslandsverschuldung Die Liquiditäts- und Verschuldungssituation einer Volkswirtschaft wird durch zahlreiche Verschuldungs- und Bilanzeffektindikatoren abgebildet, die dazu dienen, Hinweise über mögliche Kapitalexporte seitens des Auslands zu liefern. UV08 bis UV19: Die einfachen Verschuldungsindikatoren (I.-XII.) kombinieren im Zähler wechselnd die Auslandsverschuldung (kurzfristige bzw. Bruttobestand), den 94 Der Zeitraum von fünf Jahren wurde dem von drei Jahren vorgezogen, da die Signifikanztests und die einfache Rangkorrelationsanalyse durchweg höhere Koeffizienten für den 5-Jahres-Zeitraum anzeigten. 95 Das nachhaltige Leistungsbilanzdefizit (NHLBD) errechnet sich approximativ wie folgt: NHLBD = ∆BIPlang*k k = (FDI+BAV+Aktien)/BIP ∆BIPlang =(∆BIPt-1+∆BIPt-2+∆BIPt-3)/3 FDI = Direktinvestitionen im Inland ∆BIPlang= langfristiges Wirtschaftswachstum. 260 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) Schuldendienst auf langfristige Auslandsverschuldung, die Aktienbestände in den Händen von Nicht-Gebietsansässigen sowie die Verbindlichkeiten gegenüber öffentlichen Gläubigern96. Als Beispiel sei hier Verschuldungsindikator XII. dargestellt: Dieser setzt sich aus der Bruttoauslandsverschuldung, den Verbindlichkeiten gegenüber öffentlichen Gläubigern, dem Schuldendienst auf die langfristige Auslandsverschuldung, den Aktienbeständen in den Händen von Ausländern und den Devisenreserven [((BAV-Verb.öff+SD+Aktien)/R)t-1] zusammen. Im Nenner findet sich jeweils der Bestand an Devisenreserven im Jahr vor der Krise. UV24/UV25: Die Verschuldungsindikatoren XIII./XIV. zielen ausschließlich auf die Solvenz der Volkswirtschaft ab, indem der Schuldendienst bzw. die Bruttoauslandsverschuldung zu den Exporten ins Verhältnis gesetzt werden: [(SD/X)t-1] bzw. [(BAV/X)t-1]. UB02 bis UB45: Die erweiterten Verschuldungsindikatoren I.-VIL. beziehen neben den Devisenreserven auch Entwicklungen während der jeweiligen Währungskrise im Nenner mit ein. Dies betrifft gewährte IWF- und Weltbankkredite, IWF-Kreditzusagen oder sonstige während einer Krise gewährten Kredite an die Zentralbank. Als Beispiel sei hier der erweiterte Verschuldungsindikator XXXVI. dargestellt. Dieser besteht aus der Bruttoauslandsverschuldung, den Verbindlichkeiten gegenüber öffentlichen Gläubigern, dem Schuldendienst auf langfristige Auslandsschulden, den Aktienbeständen in Händen von Ausländern, den Devisenreserven sowie IWF-, Weltbank- und sonstige Krediten [(BAV-Verb.öff+SD+Aktien)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt)]. Die Anfälligkeit einer Volkswirtschaft für den in Kapitel II.C beschriebenen Bilanzeffekt wird approximativ anhand von vier Bilanzindikatoren erfaßt. UV20: Bilanzindikator I. beinhaltet die Nettoauslandsposition in Relation zum BIP [(NAV/BIP)t-1]. Die Nettoauslandsposition einer Volkswirtschaft wird in dieser Arbeit aus Datengründen als Auslandsaktiva der Zentralbank und des Finanzsystems (im Jahr vor dem Krisenausbruch) abzüglich der Bruttoauslandsverschuldung definiert. Aktiva von Nicht-Finanzunternehmen müssen aus Datenmangel außen vor bleiben, was die Adäquanz aller Bilanzindikatoren einschränkt. 96 Die Verschuldung bei öffentlichen Gläubigern wird bei einigen Variablen von der Gesamtauslandsverschuldung abgezogen, da es zumindest unter Liquiditätsgesichtspunkten unwahrscheinlich ist, daß öffentliche Gläubiger eine Refinanzierung während einer Krise verweigern. 261 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) UV21 bis UV23: Die Bilanzindikatoren II.-IV. erweitern die Nettoauslandsposition noch um den Schuldendienst auf langfristige Auslandsschulden und/oder die Aktienbestände in den Händen von Nicht-Gebietsansässigen. Formal lassen sich die Bilanzindikatoren II.-IV. folgendermaßen darstellen: Bilanzindikator II.: ((NAV-SD)/BIP)t-1 Bilanzindikator III.: ((NAV-Aktien)/BIP)t-1 Bilanzindikator IV.: ((NAV-SD-Aktien)/BIP)t-1 Besonders bei den Bilanzindikatoren gilt es zu beachten, daß die vorhandenen Daten lediglich personenbezogen vorliegen, d.h., ob ein Gläubiger Ausländer ist oder nicht. Gerade in bezug auf die Zahlungsfähigkeit einer Volkswirtschaft wäre eine zusätzliche Darstellung auf Währungsbasis (d.h. in welcher Währung muß eine Schuld zurückgezahlt werden) wünschenswert. Dies kann besonders bei Industriestaaten zu Verzerrungen führen, da deren Verschuldung im Ausland häufig auf inländische Währung lautet. UU02: Der hier verwendete Umschuldungsindikator stellt auf einen tatsächlichen Zahlungsausfall bzw. -aufschub während einer Krise ab. Sollten sich erste Zahlungsausfälle oder Umschuldungen abzeichnen, werden Investoren erst recht versuchen, ihr Kapital aus Angst vor Vermögensverlusten ins Ausland abzuziehen. 6.5 Variablen des Kapitalexportpotentials und der Kapitalflucht UV26/UV27: Um das Potential für inländische Kapitalexporte zu messen, werden die Devisenreserven im Jahr vor Ausbruch der jeweiligen Währungskrise als Potentialindikatoren inländischer Kapitalexporte I./II. ins Verhältnis zu den inländischen Geldmengen M1 bzw. M2 gesetzt. UB46 bis UB55: Die genannten Indikatoren werden als erweiterte Potentialindikatoren inländischer Kapitalexporte I.-X. im Zähler wechselnd um die gewährten IWFund Weltbankkredite, IWF-Kreditzusagen sowie sonstige während der Krise an die Zentralbank gewährte Kredite erweitert. Der erweiterte Potentialindikator inländischer Kapitalexporte X. beinhaltet die Devisenreserven, die sonstigen während einer Krise an die Zentralbank gewährten Kredite sowie die IWF-Kreditzusagen und die Geld- 262 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) menge M2. Formal kann der erweiterte Potentialindikator inländischer Kapitalexporte X. als [(Rt-1+sonstiget+IWFZusagent)/M2t-1] dargestellt werden. UV28/UV29: Da Abwertungsdruck besonders kurzfristig sowohl von Seiten der Gebietsansässigen als auch von Seiten der Nicht-Gebietsansässigen erfolgen kann, werden beide Komponenten zusammen in zwei sogenannten Potentialindikatoren in/ausländischer Kapitalexporte gebündelt: [((KAV+SD+Aktien+M1)/R)t-1] bzw. [((KAV+SD+Aktien+M2)/R)t-1]. UB56 bis UB59: Ähnlich den Indikatoren der Auslandsverschuldung, werden die Nennergrößen in vier erweiterten Potentialindikatoren in-/ausländischer Kapitalexporte um IWF-/Weltbankkredite, IWF-Kreditzusagen und um die sonstigen Kreditgewährungen an die Zentralbank während einer Krise ausgebaut. Formal lassen sich die erweiterten Potentialindikatoren in-/ausländischer Kapitalexporte I.-IV. wie folgt darstellen: Potentialindikator in-/ausländische Kapitalexporte I.: [(KAV+SD+Aktien+M1)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt)] Potentialindikator in-/ausländische Kapitalexporte II.: [(KAV+SD+Aktien+M2) t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt)] Potentialindikator in-/ausländische Kapitalexporte III.: [(KAV+SD+Aktien+M1) t-1/(Rt-1+IWFZusagent)] Potentialindikator in-/ausländische Kapitalexporte IV.: [(KAV+SD+Aktien+M2) t-1/(Rt-1+IWFZusagent)] UV30/UV31: Ferner wird auch die errechnete Kapitalflucht (siehe Kapitel II.D.2.5) vor der Krise als Regressor zur Erklärung des Ausmaßes einer Währungskrise verwendet. Um Zufallseinwirkungen zu reduzieren, wird die berechnete Kapitalflucht der letzten drei Jahre vor Ausbruch der jeweiligen Krise eingesetzt. Zur Ermöglichung internationaler Vergleiche erfolgt eine Relativierung der Kapitalflucht um das BIP (Kapitalfluchtindikator I.) und um die Geldmenge M2 (Kapitalfluchtindikator II.). 263 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) 6.6 Variablen der Devisenreserven und der volkswirtschaftlichen Liquidität UB60/UB61: Die Kreditzusagen des Internationalen Währungsfonds werden als Indikatoren bzw. Regressoren, neben der Nutzung als Teil der volkswirtschaftlichen Liquidität, auch separat als Devisenindikatoren I./II. herangezogen. Während Devisenindikator I. die absolute Höhe der Kreditzusagen abbildet, setzt Devisenindikator II. die Kreditzusagen in Relation zur kurzfristigen Auslandsverschuldung [IWFZusagen/KAV]. Devisenindikator II. wird vorwiegend deswegen herangezogen, um die Höhe der Kreditzusagen um eine Größe potentieller Kapitalabflüsse zu bereinigen. Wie erwähnt, sollte eine höhere Kreditzusage des Internationalen Währungsfonds c.p. zu einer geringeren Abwertungsrate der inländischen Währung führen. Daten über andere Komponenten der Liquiditätsposition einer Volkswirtschaft sind, abgesehen von den offiziellen Devisenreserven, öffentlich kaum bekannt (z.B. Terminverkauf von Devisenreserven und Beistandsabkommen zwischen den Zentralbanken) und können in der empirischen Analyse entweder gar nicht oder nur durch Vehikelvariablen (z.B. Rating und dessen Veränderung, sonstige Kredite an die Zentralbank während der Krise) genutzt werden. 6.7 Variablen des öffentlichen Sektors Die Daten über die Budgetsalden oder die gewährten Zentralbankkredite in Relation zum BIP sind in größerem Ausmaß nur jeweils für die Zentralregierung erhältlich. UV32/UV35: Die Budgetindikatoren I./IV. setzen direkt am Budgetsaldo an. Der Budgetindikator I. bildet das Verhältnis aus Budgetsaldo und der inländischen Wirtschaftsleistung [(BUD/BIP)t-1] ab. Daneben findet ein um die staatlichen Investitionen korrigierter Budgetsaldo als Budgetindikator IV. Verwendung [((BUD-Inv)/BIP)t-1]. UV33/UV34: Die Budgetindikatoren II./III. versuchen die staatliche Handlungsfähigkeit zur Reduktion evtl. Defizite zu erfassen. Dies geschieht als Budgetindikator II. auf der Ausgabenseite des Staates über den Anteil der Zinsausgaben an den gesamten Staatsausgaben [(ZAW/G)t-1]. Auf der Einnahmeseite wird mittels Budgetindikator III. auf die Relation von Staatseinnahmen zum BIP [(Ti/BIP)t-1] zurückgegriffen. UU03: Zur Erfassung der besonderen Problematik von Zentralbankkrediten an den Staat werden auch diese als Regressor [(ZBKStaat(t+1)-ZBKStaat(t-1))/BIPt-1]. 264 in Budgetindikator V. genutzt VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) 6.8 Variablen der Stabilität des Finanzsektors Als Indikatoren für den Zustand des Finanzsektors werden u.a. vier Kreditindikatoren verwendet. UV36/UV46/UV47: Die Kreditindikatoren I./III./IV. nutzen das Kreditwachstum (real) an den privaten Sektor als „Präindikator“ der Non-Performing Loans. Während Kreditindikator I. das Kreditwachstum (real) als solches während der letzten drei Jahre vor Krisenausbruch nutzt [RKKREDPrivat(t-1)/RKKREDPrivat(t-4)], tragen die Kreditindikatoren III./IV. den unterschiedlichen Wachstumsraten der Wirtschaft Rechnung, indem sie das Wachstum der Kredite um das Wirtschaftswachstum korrigieren. Formal ergibt sich Kreditindikator III. als [(%RKKREDPrivat(t-1/t-4))-(%BIPreal(t-1/t-4))], Kreditindikator IV. als (RKKREDPrivat(t-1)/RKKREDPrivat(t-4))/(BIPreal(t-1)/BIPreal(t-4)). UV37: Kreditindikator II. beinhaltet den Anteil der notleidenden Kredite im Verhältnis zu allen ausstehenden Krediten (NPL/KREDIT)t-1. Die Bankenindikatoren als zweite Gruppe beinhalten primär die Nettoauslandsposition des Bankensektors im Jahr vor Krisenausbruch. Diese läßt sich, wie bei der gesamten Volkswirtschaft, nur auf Gläubiger-/Schuldnerbasis errechnen, was zu in Kapitel VI.A.7.4 dargestellten Problemen führen kann. Sicherungsgeschäfte können ebenso nicht berücksichtigt werden. UV38/UV41: Berechnet werden drei unterschiedliche Kategorien von Nettoauslandspositionen. Die Bankenindikatoren I./IV. beziehen die Differenz aus Auslandsaktiva und Auslandsverbindlichkeiten auf das BIP [((AA-AV)/BIP)t-1] bzw. die Devisenreserven [((AA-AV)/R)t-1]. UV39/UV42: Die Bankenindikatoren II./V. erweitern die Bankenindikatoren I./IV. im Zähler um die langfristigen Auslandsverbindlichkeiten des Bankensektors, welche teilweise gesondert ausgewiesen werden. UV40/UV43: Die Bankenindikatoren III./VI. fügen im Zähler noch die Fremdwährungsdepositen [((AA-AV-LAV-FWD)/BIP)t-1] bzw. [((AA-AV-LAV-FWD)/R)t-1] hinzu. UV45: Um die Anfälligkeit des Bankensystems gegenüber kurzfristigen Einlageabzügen zu schätzen, werden die liquiden Verbindlichkeiten des Finanzsystems als Bankenindikator VIII. zum Eigenkapital des Finanzsektors zzgl. den Forderungen gegenüber Zentralbanken ins Verhältnis gesetzt [(LIQUIDVBank/(EKBank+ZBGBank))t-1]. Liqui- 265 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) de Aktiva des Finanzsektors konnten in diesem Indikator bedingt durch mangelnde Daten nicht berücksichtigt werden. UV44: Der Bankenindikator VII. stellt auf die Resistenz des Bankensektors gegenüber Verlusten ab. Diese läßt sich aus den vorliegenden Daten angenähert durch dessen Eigenkapitalquote gemessen an der Kernbilanzsumme (ohne „other items“) bestimmen [(EKBank/Bilanz)t-1]. UB62: Die Wertentwicklung von Aktien, welche meist einen relativ kleinen Teil der Bankportfolien ausmachen, kann durch die Entwicklung des Aktienindex gemessen werden (Aktienmarktindikator). Relevant ist der Zeitraum kurz vor Ausbruch und zu Beginn der Krise [Aktidxt/Aktidxt-1]97. Die Kursentwicklung der Anleihen läßt sich nur indirekt anhand des Länderratings messen, wobei ein sich verschlechterndes Rating (Ratingindkatoren III./VI./VII.)98 i.d.R. zu einem Einbruch der Anleihepreise und zu einer Belastung der Bankportfolien führt. 6.9 Variablen der inländischen Kapitalmärkte, der Kapitalverkehrskontrollen, des Devisenmarktes und des Unternehmenssektors UV48: Aus den in Kapitel IV.A genannten Variablen kann nur das Verhältnis zwischen den ausstehenden Inlandsbonds zur inländischen Wirtschaftsleistung als Kapitalmarktindikator [(Bonds/BIP)t-1] genutzt werden. UV49: Als Indikator für die Intensität der Kapitalverkehrskontrollen (Kapitalverkehrsindikator) werden die Bruttokapitalströme einer Volkswirtschaft mit dem Ausland während der letzten drei Jahre vor Krisenausbruch aufsummiert und in Relation zum BIP gesetzt [∑t-3t-1(KapitalBrutto/BIP)]. Die Bruttokapitalströme umfassen die Direktinvestitionen ins In- und Ausland, die Portfoliokapitalex- und importe sowie Derivate und andere Kapitalex- und importe. Aufgrund der unklaren Wirkungsrichtung (siehe Kapitel IV.C.2) existiert bei dieser Variablen von theoretischer Seite keine Vorzeichenvorgabe. Die Indikatoren des Unternehmenssektors und des Devisenmarktes können als Ganzes, aufgrund unzureichend vorliegender Daten, nicht berücksichtigt werden. 97 Da die Aktienmärkte teils sehr volatil sind, wird nicht die Veränderung der Indexstände an sich gemessen. Vielmehr werden Klassen gebildet, für die jeweils eine bestimmte Punktzahl vergeben wird. Gibt der Aktienindex vor oder zu Beginn einer Krise nicht oder max. bis etwa 10% nach, werden 3 Punkte vergeben. Beträgt der Wertverlust zwischen 10% und 25% (25% und 40%), werden 2 (1) Punkt(e) vergeben. Fällt der Index um mehr als 40% ergibt sich eine Punktzahl von 0. 98 Genaueres hierzu siehe Kapitel III.A.4.3.2. 266 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) 6.10 Variablen der Handlungsweisen privater Wirtschaftssubjekte Die Einbeziehung der Handlungsweisen von privaten Wirtschaftssubjekten in die empirische Untersuchung kann allenfalls über Vehikelindikatoren erfolgen. UV50: So wird die Entwicklung des realen Wirtschaftswachstums in den letzten drei Jahren vor der Krise als Verhaltensindikator I. für den Kontrasteffekt genutzt [(BIPreal)t-1/(BIPreal)t-4]. Ein hohes Wachstum im Vorfeld der Krise könnte Investoren ermutigt haben, im Inland übermäßig zu investieren. Kommt es zur Krise, kann entsprechend mehr Kapital aus der Volkswirtschaft abfließen, und die Währung verliert erheblich mehr an Wert. UV51/UV52: Die Häufigkeit von Währungskrisen zur Abschätzung evtl. Verankerungs- und Verfügbarkeitsheuristiken unterliegt, wie dargelegt, dem Definitionsproblem, ab wann es sich um eine solche handelt. Ersatzweise wird auf die Anzahl der Jahre zurückgegriffen, in denen eine Volkswirtschaft während der letzten sieben Jahre vor der Krise umgeschuldet hat (Verhaltensindikator II.). Dies erscheint legitim, da Umschuldungen oft von Währungsturbulenzen begleitet waren. Eine weitere Vehikelgröße, die auf den gleichen Umstand abzielt, ist die maximale Volatilität der Währung gegenüber dem US-Dollar99 während der letzten sieben Jahre vor einer Krise (Verhaltensindikator III.). Je höher die maximale Volatilität bzw. je häufiger in der Vergangenheit Umschuldungen auftraten, desto eher könnte die Bevölkerung bereit sein, ihre Ersparnisse aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit in Devisen zu transferieren, sofern die inländische Währung unter starken Druck gerät. 6.11 Variablen der Ratingagenturen Insgesamt werden sieben Ratingindikatoren verwendet. UV53/UV54: Die Ratingindikatoren I./II. nutzen den Durchschnitt der Länderratings von S&P und Moody´s unmittelbar vor den Krisen. Während Ratingindikator II. Länder, welche während einer Krise über kein Länderrating verfügen, außen vor läßt [(Rtg(Md)+Rtg(S&P))ohneNRL(t-1)/2], bezieht Ratingindikator I. diese Volkswirtschaften so in die Analyse mit ein, als ob sie über das schlechtestmögliche Rating verfügen würden [(Rtg(Md)+Rtg(S&P))mitNRL(t-1)/2]. UU07/UU08: Die Ratingindikatoren VI./VII. erfassen den Durchschnitt aus den schlechtesten Länderratings, die während einer jeden Krise von S&P und Moody´s 99 Beim US-Dollar wird die Volatilität gegenüber der Deutschen Mark bzw. dem Euro herangezogen. 267 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.B) vergeben wurden. Ratingindikator VI., läßt wie beschrieben, die nicht gerateten Volkswirtschaften außen vor [(MinRtg(Md)+MinRtg(S&P))ohneNRL(t)/2], während Ratingindikator VII. ein fehlendes Rating dem schlechtestmöglichen gleichsetzt [(MinRtg(Md)+MinRtg(S&P))mitNRL(t)/2]. UU04: Des weiteren geht die Veränderung des Länderratings (Ratingindikator III.) in die Analyse ein. Dies geschieht in der Form, daß die Anzahl der Stufen (Notchés) inkl. der Ausblickveränderungen, um die sich ein Länderrating (Mittelwert von beiden Agenturen) während der Krise maximal verschlechtert, als Regressor verwendet wird [(∆Rtg(Md)+∆Rtg(S&P))t/2]. UU05/UU06: Schließlich spielen auch die Fragen, ob sich ein Rating im Krisenverlauf im mittleren Bereich der Ratingskala (B-Level) verschlechtert (Ratingindikator IV.), und ob das Rating während der Krise von Investment- auf Speculative-Grade (siehe Kapitel V.B.3) absinkt (Ratingindikator V.) eine erhebliche Rolle. Damit soll einer erhöhten Risikowahrnehmung der Investoren im mittleren Bereich der Ratingskala und rechtlichen Gegebenheiten Rechnung getragen werden. 6.12 Variablen der Reaktion der politisch Verantwortlichen im In- und Ausland Die Größen, welche die Reaktion der politisch Verantwortlichen widerspiegeln, sind, wie dargelegt, sehr einzelfallspezifisch und in einer länderübergreifenden Untersuchung schwer zu fassen. UU09/UU10: Eine der beiden Größen, die im Rahmen dieser Analyse quantitativ gemessen werden, ist mittels der Geldmengenindikatoren I./II. die Entwicklung der inländischen Geldmenge, nominal [M2t+1/M2t-1] bzw. korrigiert um das BIP [M2t+1/M2t-1/BIPt+1/BIPt-1]. UU11/UU12: Die zweite ist die Entwicklung der Zentralbankkredite, nominal und real, an den Bankensektor (Zentralbankindikatoren I./II.) während der Krise [ZBKBank(t+1)/ZBKBank(t-1)] bzw. [ZBKBank(t+1)/ZBKBank(t-1)/Pit+1/Pit-1]. Durch diese wird das Verhalten der Zentralbank sichtbar. Reagiert die Notenbank mit einer sehr restriktiven Geldpolitik auf die Währungskrise oder läßt sie eine erhebliche Ausweitung der Geldmenge zu, um die inländischen Zinsen auf niedrigem Niveau zu halten?100 In eine ähnliche Richtung geht die Entwicklung des Zentralbankkreditvolumens an den Finanzsektor während einer Währungskrise. Versucht die Notenbank das Bankensy- 100 Die Entwicklung der Realzinsen kann so außen vor bleiben, zumal nicht immer aussagefähige Daten zur Verfügung stehen. 268 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) stem durch Liquiditätsspritzen zu unterstützen, oder legt sie ihren Fokus auf die Kontrolle der Liquidität in der betroffenen Volkswirtschaft? Andere Gegebenheiten, die in den Kapiteln II.-V. theoretisch angesprochen wurden, konnten bedingt durch den Mangel an vorliegenden Daten nicht berücksichtigt werden. Hierunter fallen auch Daten, die zwar prinzipiell vorhanden sind, jedoch nicht den für die Analyse notwendigen Aggregationszustand aufweisen. VI.C Ergebnisse der empirischen Untersuchung 1 Gesamtstichprobe 1.1 Einfachrangkorrelationen 1.1.1 Überblick Die Ergebnisse der einfachen Rangkorrelation und des Signifikanztests (t-Test) deuten darauf hin, daß v.a. den Entwicklungen im Verlauf der Krise eine erhebliche Bedeutung für die Abwertungsrate zukommt. Die größte Aussagekraft bzw. die höchsten Rangkorrelationskoeffizienten kommen der Wechselkursreagibilität der Inflationsrate während einer Krise (Aufwertungsindikatoren III./IV.), dem Anstieg der inländischen Geldmenge (Geldmengenindikatoren I./II.) und der Veränderung des Länderratings während der Krise (Ratingindikator III.) zu. Die detaillierten Ergebnisse mit den Rangkorrelationskoeffizienten finden sich im Anhang Nr. 2. Eine Übersicht signifikanter Variablen und der entsprechenden Rangkorrelationskoeffizienten ist in Tabelle 3 dargestellt. 1.1.2 Variablen des realen Wechselkurses UU01/UB01: Die Wechselkursreagibilität der Inflation allein [Aufwertungsindikator III.] oder in Kombination mit der Entwicklung des realen Wechselkurses während der letzten fünf Jahre vor der Krise [Aufwertungsindikator IV.] weist in allen vier getesteten Kategorien mit Rangkorrelationskoeffizienten von jeweils etwa 0,5 bis 0,57101 die höchsten Werte aus. In allen vier Untersuchungskategorien sind beide Variablen hochsignifikant auf dem 1%-Level. Allerdings muß hierbei wie bei allen unverzögerten und in geringerem Umfang auch bei den kombinierten Variablen berücksichtigt 101 Korrelationskoeffizienten bis 0,6 zeigen eine schwache, Korrelationskoeffizienten über 0,6 bis 0,75 eine mittlere und Korrelationskoeffizienten über 0,75 eine hohe Erklärungskraft des Regressors an. 269 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) werden, daß eine Unterscheidung von Ursache und Wirkung nicht immer eindeutig möglich ist. Dies gilt insbesondere für den Zusammenhang zwischen Inflationsrate und Währungsabwertung während einer Krise. Tabelle 3: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Gesamtstichprobe erw. Maximale Vrz. Abwertungsrate UB 01 UB 10 UB 11 UB 30 UB 31 UB 32 UB 33 UB 34 UB 35 UB 36 UB 37 UB 62 UU 01 UU 02 UU 03 UU 04 UU 05 UU 06 UU 07 UU 08 UU 09 UU 10 UU 11 UV 01 UV 02 UV 16 UV 17 UV 18 UV 52 UV 54 + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + Abwertungsrate Durchschnittliche am Krisenende Abwertungsrate Summe der Abwertungsraten –0,50** –0,57** –0,48** –0,53** +0,30** +0,24* +0,29** +0,27* +0,25* +0,19 +0,24* +0,22* +0,39** +0,28* +0,37** +0,34** +0,36** +0,25* +0,33** +0,31** +0,35** +0,24* +0,32** +0,30** +0,33** +0,23* +0,30** +0,29** +0,34** +0,24* +0,32** +0,30** +0,30** +0,20 +0,27* +0,25* +0,31** +0,21 +0,28** +0,26* +0,27* +0,18 +0,25* +0,23* –0,23* –0,19 –0,28* –0,24* +0,53** +0,54** +0,54** +0,54** +0,25* +0,22* +0,24* +0,24* +0,36** +0,36** +0,35** +0,37** +0,46** +0,47** +0,44** +0,46** +0,46** +0,45** +0,45** +0,46** +0,25* +0,24* +0,24* +0,25* +0,45** +0,42** +0,46** +0,44** +0,21* +0,23* +0,22* +0,23* +0,40** +0,42** +0,41** +0,42** +0,46** +0,44** +0,46** +0,46** +0,34** +0,38** +0,33** +0,35** –0,28** –0,35** –0,25* –0,30** –0,25* –0,30** –0,24* –0,26** +0,31** +0,25* +0,31** +0,29** +0,25* +0,19 +0,24* +0,22* +0,25* +0,18 +0,25* +0,22* +0,21* +0,18 +0,22* +0,21* +0,32** +0,30** +0,34** +0,32** **/* signifikant auf dem 1%- bzw. 5%-Level Quelle: Eigene Berechnungen UV01/UV02: Auch die Entwicklung des realen Wechselkurses (Aufwertungsindikatoren I./II.) sowohl während der letzten fünf als auch während der letzten drei Jahre vor Ausbruch der Währungskrise erweist sich in allen vier Teiluntersuchungen als signifi270 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) kant. Ihre höchste Erklärungskraft erreichen die Aufwertungsindikatoren I./II. in den Teiluntersuchungen der Abwertungsrate am Krisenende. Damit bestätigt sich die bereits geäußerte Vermutung, daß die Entwicklung des realen Wechselkurses vorwiegend zu einem späteren Zeitpunkt einer Krise als Erklärungsinstrument der Abwertungsrate dienen kann. 1.1.3 Variablen der Ratingagenturen Die vorliegenden Ergebnisse schreiben darüber hinaus den Ratingagenturen, genauer gesagt deren Verhalten während einer Währungskrise, eine bedeutende Rolle für den Verlauf einer Währungskrise zu. Hierbei ist zu beobachten, daß vor allem die Ratingveränderungen im Verlauf der Währungskrise erheblichen Einfluß auf die Abwertungsrate haben. UU04/UU05: Sowohl die Anzahl der Stufen (Notchés), um die ein Land von den beiden großen Ratingagenturen (S&P, Moody´s) abgestuft wird (Ratingindikator III.), als auch die Frage einer Ratingverschlechterung im mittleren Bereich der Ratingskala (Ratingindikator IV.), erweisen sich in allen vier Teilkategorien auf dem 1%-Level als signifikant. Die Rangkorrelationskoeffizienten liegen für beide Variablen und alle vier Untersuchungskategorien bei 0,44 bis 0,47. UU06: Eine etwas geringere Bedeutung, wenn auch in allen Kategorien auf dem 5%Level signifikant, kommt der Frage zu, ob ein Länderrating während einer Krise von Investment- auf Speculative-Grade (vergleiche Kapitel V.B.3) abgestuft wird (Ratingindikator V.). Für die Abwertungsraten liefert ferner das Rating selbst einen relativ hohen Erklärungsbeitrag. Wichtig ist bei dieser Betrachtung lediglich, daß die Währungskrisen der bereits beschriebenen Non-Rating-Länder (NRL) in der Analyse nicht berücksichtigt werden. UU07/UV54: Dann ist vor allem Ratingindikator VI., welcher das schlechteste Rating im Krisenverlauf abbildet, mit einer Korrelation von 0,42 bis 0,46, und in geringerem Maß auch Ratingindikator II., der das Rating vor Krisenausbruch erfaßt, mit einer Korrelation zischen 0,30 und 0,34 von signifikanter Aussagekraft. UU08/UV53: Werden die Krisen der Non-Rating-Länder, wie in Kapitel (VI.B.6.11) erläutert, in die Analyse miteinbezogen, verschlechtern sich die Rangkorrelations271 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) koeffizienten sowie die Signifikanzniveaus erheblich. Das schlechteste Rating im Krisenverlauf (Ratingindikator VII.) weist lediglich eine Signifikanz auf dem 5%-Level auf. Das Rating vor Krisenausbruch (Ratingindikator I.) besitzt dagegen keine Signifikanz. Dies deutet darauf hin, daß die Marktteilnehmer ein fehlendes Länderrating nicht zwangsläufig dem schlechtest möglichen gleichsetzen. 1.1.4 Variablen der Geldmengen- und Zentralbankkreditentwicklung Die dritte Gruppe sehr bedeutender Indikatoren sind die Geldmengen- und Zentralbankindikatoren. Es ist für den Verlauf einer Währungskrise von erheblicher Relevanz, inwieweit es der Zentralbank während der Krise gelingt, den Anstieg der inländischen Geldmenge und des Zentralbankkreditvolumens unter Kontrolle zu halten. UU09/UU10: Die Geldmengenindikatoren I./II. sind beide hochsignifikant auf dem 1%-Level. Der prozentuale Anstieg der Geldmenge M2 während der Krise für sich genommen (Geldmengenindikator I.) weist Rangkorrelationskoeffizienten zwischen 0,40 und 0,42 auf. Wird das Geldmengenwachstum um das BIP-Wachstum während der Krise korrigiert (Geldmengenindikator II.), erhöht sich der Rangkorrelationskoeffizient noch auf 0,44 bis 0,46. UU11/UU03: Die hohe Signifikanz gilt ferner für den Zentralbankindikator I. und den Budgetindikator V. Diese bilden die Entwicklung des Zentralbankkreditvolumens an das Bankensystem und an den öffentlichen Sektor während einer Währungskrise ab. Die Korrelationskoeffizienten sind jedoch etwas geringer und liegen bei beiden zwischen 0,33 und 0,38. Die Ergebnisse bestätigen die bereits geäußerte Vermutung, daß eine relativ hohe Kreditvergabe seitens der Zentralbank an den Staat und an den Finanzsektor in der Zukunft zu einem erhöhten Inflationsschub führen dürfte. Die Finanzmarktteilnehmer müssen folglich von einer realen Wertminderung ihrer Anlagen (sofern sie in Inlandswährung denominiert ist) ausgehen, wodurch sich der Anreiz, Anlagen aufzulösen und die Mittel in Fremdwährung zu transferieren, stark erhöht. Des weiteren deuten drastische Erhöhungen des Zentralbankkreditvolumens an den Staat und das Bankensystem auf gravierende Liquiditäts- und/oder Verschuldungsprobleme der Volkswirtschaft in diesen Bereichen hin. Die Signifikanz des Kreditvolumens an den Finanzsektor ist allerdings mit einem kleinen Vorbehalt zu sehen. Die Entwicklung des realen Kreditvolumens (Zentralbankindikator II., UU12) bleibt ohne Erklärungs272 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) gehalt, so daß der Aussagegehalt von Zentralbankindikator I. zu einem erheblichen Teil aus der Wechselkursreagibilität der Inflation (Aufwertungsindikator III.) resultieren dürfte. 1.1.5 Variablen der Kapitalimporte und der Auslandsverschuldung UV08 bis UV25/UB02 bis UB45: Die Ergebnisse der getesteten (erweiterten) Verschuldungsindikatoren überraschen etwas. Zum einen sind viele Variablen überhaupt nicht signifikant. Zum anderen weisen v.a. die (erweiterten) Verschuldungsindikatoren, welche die kurzfristige Auslandsverschuldung berücksichtigen, in der Gesamtstichprobe keinerlei Signifikanzen auf. Gleiches gilt auch für alle Bilanzindikatoren, die Schuldendienstquote (Verschuldungsindikator XIII.) und die Bruttoauslandsverschuldung in Relation zu den Exporten eines Landes (Verschuldungsindikator XIV). UV16/UB30 bis UB34: Einige Variablen, die Bruttoauslandsverschuldung betreffend (Verschuldungsindikator IX./erweiterte Verschuldungsindikatoren XXIX-XXXIII.) zeigen zumindest in einigen Kategorien einen brauchbaren Zusammenhang zur Abwertungsrate auf. Die stärksten Zusammenhänge ergeben sich in allen vier Teilkategorien für den erweiterten Verschuldungsindikator XXIX. (UB30), der sich aus der Bruttoauslandsverschuldung, abzgl. der langfristigen Verschuldung bei öffentlichen Gläubigern, im Verhältnis zu den Devisenreserven, zzgl. der erhaltenen Kredite seitens des IWF und der Weltbank, zusammensetzt [(BAV-Verb.öff)t-1/(Rt-1+IWFt)]. Aber auch diese Variable ist nur in drei Kategorien auf dem 1%-Level signifikant. Auffallend ist bei allen signifikanten Verschuldungsindikatoren, daß die Erklärungskraft für die Abwertungsrate am Ende der Krise deutlich schlechter, und die für die maximale Abwertungsrate deutlich besser ist als im Mittel der vier Untersuchungskategorien. Dies erscheint dahingehend logisch, daß hohe Verschuldungsraten eine hohe potentielle Nachfrage nach Devisen darstellen, welche schnell offen auftreten und kurzfristig zu starken Abwertungen führen kann. Dadurch ließe sich der hohe Zusammenhang mit der maximalen Abwertungsrate erklären. Verschuldungsindikator IX. zeigt außerdem zusammen mit den Ratingindikatoren I./II. und den Aufwertungsindikatoren I./II. die höchsten Korrelationskoeffizienten unter den verzögerten Variablen auf. UU02: Die Frage einer Umschuldung während einer Währungskrise (Umschuldungsindikator) besitzt ebenfalls eine schwache Signifikanz (5%-Level) für das Ausmaß einer Abwertung. 273 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) 1.1.6 Variablen der Stabilität des Finanzsektors UV36 bis UV47: Die Variablen des Finanzsektors (Bankenindikatoren/ Kreditindikatoren) erweisen sich fast vollständig als insignifikant. UB62: Einzig der Entwicklung der inländischen Aktienindizes im Vorfeld und zu Beginn einer Währungskrise (Aktienmarktindikator) kommt eine gewisse Bedeutung zu. Fallen die Aktienmärkte besonders stark, deutet dies darauf hin, daß viel Kapital aus den Aktienmärkten herausfließt. Dies kann wiederum in Fremdwährung transferiert werden und den Druck auf die inländische Währung verstärken. Auch das Bankensystem kann so – wie in Kapitel III.A geschildert – zusätzlich in Bedrängnis geraten. 1.1.7 Variablen der Handlungsweisen privater Wirtschaftssubjekte UV50 bis UV52: Auch die Vehikelgrößen für die psychologischen Faktoren (Verhaltensindikatoren I.-III.) besitzen nur einen geringeren Erklärungsgehalt. Zwei Größen sind trotzdem erwähnenswert. UV52: Zum einen ist die maximale Volatilität der Inlandswährung während der letzten sieben Jahre vor Ausbruch der Krise (Verhaltensindikator III.) bis auf die Abwertungsrate am Ende der Krise auf dem 5%-Level signifikant. Die Korrelationskoeffizienten belaufen sich auf jeweils etwa 0,21. Dies spricht dafür, daß hohe Wechselkursvolatilitäten in der Vergangenheit zu einer erhöhten Sensibilität der heimischen Bevölkerung gegenüber aktuellen Wechselkursabwertungen führen. UV50: Das reale Wirtschaftswachstum in den letzten drei Jahren vor Ausbruch der Krise (Verhaltensindikator I.) ist hochsignifikant, weist jedoch das falsche Vorzeichen auf. Es zeigt sich, daß Währungen von Volkswirtschaften mit hohem Wachstum vor Krisenausbruch tendenziell nicht stärker, wie durch den Kontrasteffekt zu erwarten wäre, sondern schwächer abwerten. Ein Grund hierfür könnte sein, daß die heimische Bevölkerung und internationale Investoren davon ausgehen, daß Volkswirtschaften mit hohem Wachstum vor der Krise relativ schnell nach einer Krise wieder zu hohem Wachstum zurückkehren können. Damit sind sie eher in der Lage, ihren finanziellen Verpflichtungen wieder nachzukommen. Der Anreiz, Kapital abzuziehen, ist geringer. Generell sei an dieser Stelle nochmals auf folgendes hingewiesen: Allein die Tatsache, daß eine Vehikelvariable für einen nicht direkt beobachtbaren Umstand keinen signifikanten Einfluß auf die Abwertungsrate hat, läßt nicht zwangsläufig darauf 274 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) schließen, daß der Umstand selbst bedeutungslos ist. Vielmehr kann dies auch darauf zurückzuführen sein, daß eine Variable den eigentlich nicht beobachtbaren Umstand nur unzureichend abbilden kann. 1.1.8 Sonstige Variablen UV32 bis UV35/UU03: Die Variablen des öffentlichen Sektors (Budgetindikatoren I.V.) bleiben, mit Ausnahme der bereits beschriebenen Zentralbankkredite an den Staat, in allen Kategorien insignifkant für die Abwertungsrate der inländischen Währung. Die Variablen der (erweiterten) Potentialindikatoren für inländische bzw. in- und ausländische Kapitalexporte (UV26 bis UV29/UB46 bis UB59), die Kapitalfluchtindikatoren (UV30/UV31), die Handelsindikatoren (UV03 bis UV07) sowie der Kapitalmarkt- (UV48) und der Kapitalverkehrsindikator (UV49) bleiben gleichfalls durchweg ohne Aussagekraft. UB60/UB61: Die Devisenindikatoren I./II. sind zwar signifikant, jedoch mit dem falschen Vorzeichen. Darin könnte der Umstand sichtbar werden, daß der Währungsfonds meist nur um Kredite ersucht wird, sofern sich die betroffene Volkswirtschaft insgesamt in einer bedrohlichen Situation befindet. Dies wissen auch die Marktteilnehmer und reagieren mit zunehmenden Kapitalabflüssen. 1.2 Mehrfachrangkorrelationen Alles in allem können die Erklärungsbeiträge der einzelnen Variablen noch nicht zufriedenstellen. Um einen höheren Erklärungsbeitrag für die Ausprägung der Regressanden zu erreichen, wird die einfache Rangkorrelationsanalyse nachfolgend um eine Mehrfachrangkorrelationsanalyse ergänzt. Sinnvollerweise wurden nur die erklärenden Variablen in die Mehrfachregression miteinbezogen, welche schon in der einfachen Rangkorrelationsanalyse in wenigstens zwei Teilkategorien mindestens auf dem 5%-Level signifikant waren.102 Zunächst werden jeweils zwei Regressoren zur Erklärung der einzelnen Abwertungsraten miteinander kombiniert. Damit ein zusätzlicher Regressor in einer Gleichung Verwendung finden kann, müssen alle verwendeten Variablen wenigsten auf dem 5%-Level signifikant sein. Daneben muß der zusätzliche Indikator den Rangkorrelationskoeffizienten gegenüber der Gleichung 102 Diese Methodik wurde auch später bei den Teilstichproben angewendet. Einzige Ausnahme ist die Teilstichprobe der Industriestaaten aufgrund des geringen Stichprobenumfangs. Anstelle der Signifikanz in mindestens zwei Teilkategorien wird ein Rangkorrelationskoeffizient von mindestens 0,35 in zwei Stichproben vorausgesetzt. 275 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) ohne die zusätzliche Variable um mindestens 2,5%-Punkte erhöhen. Ist dies gegeben, kann die Gleichungserweiterung als „sinnvoll“ erachtet werden. Gegebenenfalls kann die Gleichung nachfolgend um weitere Indikatoren gemäß der erläuterten Systematik erweitert werden. Dieser Prozeß kann sich solange fortsetzen, bis in allen Gleichungen mindestens jeweils eine erklärende Variable nicht mehr auf dem 5%-Level signifikant ist, oder der Anstieg des Rangkorrelationskoeffizienten unter 2,5% bleibt. In der Untersuchung zeigt sich, daß je nach Teilkategorie unterschiedliche Variablenkombinationen die besten Ergebnisse liefern, wobei die Differenzen zwischen den besten und zweitbesten Kombinationen bisweilen recht gering (1%-Punkt oder weniger) sind. Für die Gesamtstichprobe liefern insgesamt fünf verschiedene Variablen den größten Erklärungsbeitrag. UU01/UU04: Für die maximale Abwertungsrate und die durchschnittliche Abwertungsrate erreicht die Wechselkursreagibilität der Inflation (Abwertungsindikator III.) in Verbindung mit der Veränderung des Länderratings (Ratingindikator III.) das beste Ergebnis. Die Rangkorrelationskoeffizienten dieser Zweifachkorrelationen belaufen sich auf 0,66 für die maximale Abwertungsrate und auf 0,65 für die durchschnittliche Abwertungsrate. UU01/UU04/UU11: Für die Summe der Abwertungsraten muß die geschilderte Gleichung zur Erreichung des höchsten Zusammenhangs (0,68), für die eine Gleichungserweiterung noch sinnvoll erscheint, um das Zentralbankkreditvolumen an das Bankensystem (Zentralbankindikator I.) zu einer Dreifachkorrelation erweitert werden. Die Abwertungsrate am Krisenende wird am besten durch eine Vierfachkorrelation erklärt. UU04/UU11/UB01/UB30: Die Vierfachkorrelation beinhaltet neben den bereits geschilderten Indikatoren (Ratingindikator III. und Zentralbankindikator I.) die Entwicklung des realen Wechselkurses vor der Krise, kombiniert mit der Wechselkursreagibilität der Inflation während der Krise (Aufwertungsindikator IV.) und den Bestand der Bruttoauslandsverschuldung, abzgl. der Verbindlichkeiten gegenüber öffentlichen Gläubigern, im Verhältnis zu den Devisenreserven, zzgl. der gewährten IWF- und Weltbankkredite während der Krise (erweiterter Verschuldungsindikator XXIX.). Der Rangkorrelationskoeffizient dieser Gleichung beträgt 0,73. 276 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) Tabelle 4: Mehrfach-Rangkorrelationskoeffizienten für die Gesamtstichprobe Regressand Regressoren f(x) Rangkorrelationskoeffizient Maximale Abwertungsrate Abwertungsrate am Krisenende Durchschnittliche Abwertungsrate Summe der Abwertungen UU01 UU04 UU04 UU11 UB01 UB 30 UU01 UU04 UU01 UU04 UU11 0,658 0,726 0,648 0,685 Quelle: Eigene Berechnung 2 Teilstichproben 2.1. Einfachrangkorrelationen 2.1.1 Überblick Bis jetzt wurden Rangkorrelationsanalysen und Signifikanztests nur bezogen auf die Gesamtstichprobe durchgeführt. Angesichts der sehr heterogenen Zusammensetzung der Stichprobe stellt sich die Frage nach der Robustheit der Ergebnisse bezüglich einer veränderten Stichprobe. Diese Frage drängt sich umso mehr auf, als daß auch die durchgeführte Mehrfachkorrelation mit Korrelationskoeffizienten zwischen 0,65 und 0,73 nur mittelmäßige Korrelationen ans Licht brachte. Daher wird die Gesamtstichprobe nachfolgend dreimal in jeweils zwei Teilstichproben zerlegt. Nachfolgend werden zunächst Emerging Market Economies und Industriestaaten gegenüber gestellt. Außerdem werden Unterscheidungen zwischen schweren und leichten, sowie zwischen zeitlich frühen und späten Währungskrisen getroffen.103 Übersicht 30: Darstellung der untersuchten Stichproben Untersuchte Stichproben Gesamtstichprobe Teilstichproben nach Länderarten Teilstichproben nach Schweregrad Teilstichproben nach Zeitabschnitt Krisen in Emerging Market Economies Krisen in Industriestaaten schwere Krisen leichte Krisen frühe Krisen späte Krisen Stichprobenbezeichnung Anzahl N T U 102 84 V W X Y Z 18 60 42 47 55 Schweregrad: Kumulierte Abwertungsrate > 70% (schwere Krise) ≤ 70% (leichte Krise) Zeitabschnitt: Zeitraum 1991-1996 (frühe Krise) Zeitraum 1997-2002 (späte Krise) Quelle: Eigene Darstellung 103 Für die genauen Definitionen vgl. Übersicht 30 sowie die Abschnitte VI.C.2.1.2/VI.C.2.1.3 auf S. 279/283. 277 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) Sollten einzelne Teilstichproben mit unterschiedlichen Variablen zu deutlich höheren Korrelationen führen, müßten einzelne Teilstichproben separat erklärt werden. Eine Erklärung der Gesamtstichprobe wäre dann nicht zielführend. Übersicht 31: Überblick über die Eingruppierung einzelner Länder in die Teilstichproben Emerging Market Economies Land Ägypten Argentinien Brasilien Bulgarien Chile China Ecquador Indien Indonesien Israel Kenia Kolumbien Malaysia Mexiko Nigeria Pakistan Paraguay Peru Philippinen Polen Rumänien Rußland Slowakei Südafrika Südkorea Taiwan Thailand Tschechien Tunesien Türkei Ukraine Ungarn Uruguay Venezuela Vietnam Schwere Krisen leichte Krisen frühe Krisen X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X 278 X X X X X späte Krisen X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) Übersicht 31: Überblick über die Eingruppierung einzelner Länder in die Teilstichproben (Fortsetzung) Industriestaaten Land Schwere Krisen Australien Finnland Griechenland Großbritannien Irland Island Italien Norwegen Portugal Schweden Schweiz Singapur Spanien USA leichte Krisen X X X X X X X X X frühe Krisen X X X X X X X X X späte Krisen X X X X X X X X X X X X X X X X Quelle: Eigene Berechnung 2.1.2 Emerging Market Economies vs. Industriestaaten 2.1.2.1 Emerging Market Economies Betrachtet man zunächst die Gruppe der Emerging Market Economies, so zeigt sich, daß die Ergebnisse im großen und ganzen mit denen der Gesamtstichprobe übereinstimmen. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß die Emerging Markets in der Gesamtstichprobe mit über 80% gegenüber den Industrieländern ein deutliches Übergewicht aufweisen. Die Ergebnisse aus der Gesamtstichprobe werden entsprechend stark von den Determinanten, welche auch das Ausmaß der Währungsabwertungen in Schwellenländern beeinflussen, bestimmt. Folglich kann eine große Übereinstimmung nicht überraschen. Trotzdem zeigen sich bei einigen Variablen Differenzen (vgl. Tabelle 5). UU08/UV54: Dies wird vorwiegend bei den Ratingindikatoren II. und VII. sichtbar. Sowohl das Rating vor Ausbruch der Krise (ohne Non-Rating-Ländern) als auch das schlechteste Rating während der Krise (mit Non-Rating-Ländern) verlieren bei der Emerging Markets Stichprobe im Gegensatz zur Gesamtstichprobe ihre Signifikanz. UV52: Gleiches gilt auch für die maximale Volatilität der Währung im Vorfeld der Krise (Verhaltensindikator III.). Dies ist überraschend, da man dieses Phänomen der Wechselkurssensibilität der Bevölkerung v.a. in Emerging Markets mit den teilweise sehr starken Abwertungen in der Vergangenheit erwarten würde. 279 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) Tabelle 5: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichprobe der Emerging Markets erw. Maximale Vrz. Abwertungsrate UB 01 UB 10 UB 11 UB 12 UB 30 UB 31 UB 32 UB 33 UB 34 UB 35 UB 36 UB 37 UB 62 UU 01 UU 02 UU 03 UU 04 UU 05 UU 07 UU 09 UU 10 UU 11 UV 01 UV 02 UV 16 UV 17 UV 18 UV 54 – + + + + + + + + + + + – + + + + + + + + + – – + + + + Abwertungsrate Durchschnittliche am Krisenende Abwertungsrate Summe der Abwertungsraten –0,53** –0,60** –0,52** –0,56** +0,30** +0,25* +0,29** +0,27* +0,26* +0,20 +0,24* +0,22* +0,22* +0,17 +0,21 +0,19 +0,40** +0,29** +0,36** +0,35** +0,36** +0,25* +0,32** +0,31** +0,35** +0,25* +0,32** +0,31** +0,34** +0,24* +0,30** +0,29** +0,35** +0,24* +0,32** +0,30** +0,30** +0,20 +0,27* +0,25* +0,32** +0,22 +0,28* +0,27* +0,28* +0,19 +0,24* +0,23* –0,27* –0,22 –0,30* –0,28* +0,54** +0,58** +0,55** +0,56** +0,23* +0,21 +0,22* +0,22* +0,34** +0,34** +0,32** +0,34** +0,44** +0,46** +0,39** +0,44** +0,44** +0,44** +0,41** +0,44** +0,44** +0,43** +0,43** +0,44** +0,41** +0,45** +0,43** +0,43** +0,46** +0,46** +0,46** +0,47** +0,36** +0,42** +0,37** +0,38** –0,28* –0,35** –0,26* –0,30** –0,24* –0,29** –0,24* –0,25* +0,32** +0,25* +0,31** +0,29** +0,26* +0,20 +0,24* +0,22* +0,26* +0,19 +0,25* +0,23* +0,25 +0,24 +0,26* +0,25 **/* signifikant auf dem 1%- bzw. 5%-Level Quelle: Eigene Berechnungen UU06: Auch die Frage einer Abstufung von einem Investment-Grade Rating zu einem Speculative-Grade Rating (Ratingindikator V.) verliert in der Schwellenlandstichprobe überall die Signifikanz. Die Rangkorrelationskoeffizienten dieser Variablen verringern sich jedoch nur sehr wenig, so daß dies auch am verringerten Stichprobenumfang von 84 Beobachtungen liegen könnte. 280 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) 2.1.2.2 Industriestaaten Auf den ersten Blick scheinen die Signifikanzniveaus der erklärenden Variablen für die Abwertungsraten von Industriestaatenwährungen generell sehr schwach. UV34: Budgetindikator III., der das Verhältnis zwischen Staatseinnahmen und BIP als ein Gradmesser staatlicher Handlungsfähigkeit abbildet, ist die einzige Variable, welche in allen vier Kategorien zumindest auf dem 5%-Level signifikant ist. Damit zeigt sich ein deutlicher Unterschied zur Gesamtstichprobe. UB01: In der Einzelkategorie Abwertungsrate am Krisenende ist zudem Aufwertungsindikator IV. (Wechselkursreagibilität der Inflation kombiniert mit realem Wechselkurs) mit einem Koeffizient von 0,49 signifikant. Diese Variable weist darüber hinaus auch in den Kategorien der maximalen Abwertungsrate und Summe der Abwertungsraten mit 0,42/0,44 hohe Koeffizienten auf. Tabelle 6: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichprobe der Industriestaaten erw. Maximale Vrz. Abwertungsrate UB 01 UU 03 UU 04 UU 10 UU 11 UV 01 UV 34 UV 52 – + + + + – + + Abwertungsrate Durchschnittliche Am Krisenende Abwertungsrate Summe der Abwertungsraten –0,42 –0,49* –0,27 –0,44 +0,33 +0,30 +0,41 +0,33 +0,35 +0,32 +0,50* +0,37 +0,33 +0,46 +0,20 +0,38 +0,36 +0,39 +0,14 +0,31 –0,32 –0,42 –0,18 –0,36 +0,51* +0,50* +0,53* +0,51* +0,39 +0,32 +0,36 +0,39 **/* signifikant auf dem 1%- bzw. 5% Level Quelle: Eigene Berechnungen UU04: Die durchschnittliche Abwertungsrate wird ferner durch Ratingindikator III., der das Ausmaß der Ratingverschlechterung im Verlauf der Krise angibt, mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,5 maßgeblich beeinflußt. In den anderen Kategorien bleiben die Koeffizienten dieses Indikators deutlich hinter denen der Gesamtstichprobe zurück. Aufwertungsindikator IV. und Ratingindikator III. konnten bereits in der Gesamtstichprobe mit hoher Erklärungskraft aufwarten. Die Ergebnisse würden so zum einen implizieren, daß das Ausmaß einer Abwertung bei Währungskrisen in entwickelten Volkswirtschaften durch die verwendeten Indikatoren nur sehr eingeschränkt erklärt werden kann. Zum anderen unterscheiden sich die signifikanten 281 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) Indikatoren doch erheblich von denen der Gesamtstichprobe. Der Mangel an signifikanten Variablen beruht jedoch weitgehend darauf, daß der Stichprobenumfang der Währungskrisen in Industriestaaten mit n=18 sehr gering ist. Das führt dazu, daß der Rangkorrelationskoeffizient gegenüber einer größeren Stichprobe deutlich höher ausfallen muß, um das gleiche Signifikanzniveau zu erreichen. Die Rangkorrelationskoeffizienten liegen dagegen teilweise nur moderat unter denen der Gesamtstichprobe. Bei dieser relativ kleinen Teilstichprobe werden daher auch die Rangkorrelationskoeffizienten der Gesamtstichprobe zum Vergleich herangezogen, auch wenn die Koeffizienten durch die kleine Stichprobe von geringerer Aussagekraft sind. UU01/UU09/UV54/UU07: Für Aufwertungsindikator III. und Geldmengenindikator I. sowie für die Ratingindikatoren II./VI. fallen die Koeffizienten in allen Kategorien gegenüber der Gesamtstichprobe und der Teilstichprobe der Emerging Markets deutlich geringer aus. UU10/UU11/UU03: Geldmengenindikator II., Zentralbankindikator I. sowie Budgetindikator V. weisen im großen und ganzen ähnlich hohe Korrelationskoeffizienten wie in der Gesamtstichprobe auf. Ausnahmen bilden bei Geldmengenindikator II. und Zentralbankindikator I. die durchschnittliche Abwertungsrate, bei Budgetindikator V. die Abwertungsrate am Krisenende. In diesen Teilstichproben fallen die Erklärungsbeiträge geringer aus als in der Gesamtstichprobe oder der Stichprobe der Emerging Markets. UV01/UV02: Die Koeffizienten des realen Wechselkurses (Aufwertungsindikatoren I./II.) zeigen, abgesehen von der durchschnittlichen Abwertungsrate für die entwikkelten Volkswirtschaften, höhere Werte auf als in der Teilstichprobe der Schwellenländer oder in der Gesamtstichprobe. UV52: Ferner ist auffällig, daß der Korrelationskoeffizient der maximalen Volatilität in den Jahren vor der jeweiligen Währungskrise (Verhaltensindikator III.) gegenüber der Gesamtstichprobe und der Stichprobe der Emerging Markets relativ hoch ausfällt. Es stellt sich in diesem Zusammenhang jedoch die Frage der Interpretation, da das Phänomen der Wechselkurssensitivität in Industriestaaten zumindest theoretisch nicht zu erwarten wäre. Der Verdacht einer Scheinkorrelation drängt sich auf. 282 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) 2.1.3 Schwere vs. leichte Krisen 2.1.3.1 Schwere Krisen Schwere Krisen sind dadurch definiert, daß die kumulierte Abwertungsrate in den drei Kategorien maximale Abwertungsrate, Abwertungsrate am Krisenende und durchschnittliche Abwertungsrate während der Krise 70% übersteigt.104 Der Umfang dieser Stichprobe umfaßt 60 Einzelkrisen. Gegenüber der Gesamtstichprobe zeigen sich Unterschiede vorwiegend im Bereich der Verschuldungs-, Rating- sowie Verhaltensindikatoren. Die höchsten Rangkorrelationskoeffizienten zeigen sich, ähnlich der Gesamtstichprobe, auch in dieser Teilstichprobe bei den Aufwertungsindikatoren. UB01/UU01: Dies gilt vor allem für die Wechselkursreagibilität der Inflation (Aufwertungsindikatoren III./IV.) mit Koeffizienten zwischen 0,62 und 0,69. UV01/UV02: Die Variablen des realen Wechselkurses (Aufwertungsindikatoren I./II.) fallen mit Koeffizienten bis zu 0,48 etwas geringer aus. UU09/UU10: Auch den Geldmengenvariablen kommt mit Rangkorrelationskoeffizienten zwischen 0,51 und 0,56 eine hohe Aussagekraft zu. UV54/UU05/UU07: Die Ratingindikatoren II./IV./VI. können mit Koeffizienten von 0,35 bis 0,63 ebenfalls teils gute Korrelationen für das Abwertungsausmaß liefern. UU03/UU11: Hinzu kommen die Höhe der gewährten Zentralbankkredite an den Staat (Budgetindikator V., Koeffizienten bis 0,45) und an den Bankensektor (Zentralbankindikator I., Koeffizienten bis 0,48) während der Krise. Auffallend ist, daß mit Ausnahme einiger Ratingindikatoren die Korrelationen der einzelnen Variablen gegenüber der Gesamtstichprobe tendenziell zunehmen. Die Indikatoren mit der höchsten Aussagekraft unterscheiden sich in der Teilstichprobe der schweren Krisen nicht wesentlich von denen der Gesamtstichprobe. Daraus resultiert die bereits angesprochene nachrangige Bedeutung, ab welchem Schwellenwert von einer Krise gesprochen werden kann (vgl. VI.A.3). Gegenüber der Gesamtstichprobe fällt vor allem der in vielen Fällen deutlich geringere Erklärungsbeitrag der Verschuldungsindikatoren auf. Bis auf drei Variablen verlieren alle in der Gesamtstichprobe relevanten Indikatoren ihre Signifikanz. UV16/UV18/UB10: Die drei verbliebenen (Verschuldungsindikatoren IX./XI., erweiterter Verschuldungsindikator IX.) sind darüber hinaus nur noch schwach signifikant. 104 Der Grund hierfür liegt darin, daß die aufsummierten Abwertungsraten aller Krisen entweder ein gutes Stück über oder unter dieser Schwelle liegen. 283 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) UV54/UU07/UV53/UU08: Während die Ratingindikatoren ohne Non-Rating-Länder (Ratingindikatoren II./VI.) noch an Bedeutung gewinnen, verlieren die Ratings, welche ebendiese Krisen miteinbeziehen (Ratingindikatoren I./VII.), vollständig ihre Aussagekraft. UU06: Auch Ratingindikator V., der eine evtl. Abstufung der Volkswirtschaft von Investment- auf Speculative-Grade erfaßt, erweist sich in dieser Teilstichprobe als insignifikant. UU04: Die Veränderung des Länderratings im Verlauf der Krise (Ratingindikator III.) büßt zwar an Gewicht ein, bleibt jedoch in allen vier Teilkategorien auf dem 5%-Level signifikant. Eine im Gegensatz zur Gesamtstichprobe wesentlich höhere Relevanz kommt bei schweren Krisen der Frage zu, wie oft es in den letzten sieben Jahren vor der Krise zu Umschuldungen kam und ob es während der aktuellen Krise zu einer Umschuldung kommt. UV51: Durch den hohen Erklärungsgehalt von Verhaltensindikator II. zeigt sich die Wirkung eines instabilen makroökonomischen Umfeldes. Häufigere Umschuldungen oder Währungskrisen und deren Begleiterscheinungen in der Vergangenheit führen offensichtlich vor allem bei der heimischen Bevölkerung zu Lerneffekten. Selbige führen dazu, daß die heimische Bevölkerung und internationale Investoren ihre Ersparnisse schneller ins Ausland transferieren, sobald die inländische Währung in schwere Turbulenzen gerät als dies ohne die Krisen in der Vergangenheit der Fall wäre (mehr oder weniger adaptive Erwartungen). Eine Krise würde sich weiter verschärfen. Bei schweren Krisen wirken die Erfahrungen wie ein Katalysator, der die Reaktionsschwelle für Kapitalexporte herabsetzt. UU02: Die Signifikanz des Umschuldungsindikators deutet darauf hin, daß Investoren während einer sich ausweitenden Krise ihre Anlagen in Sicherheit zu bringen versuchen, sollte sich eine Umschuldung abzeichnen. Entsprechend sind beide Variablen in allen Testkategorien signifikant. UV33: Ebenfalls an Bedeutung gewinnt die Handlungsfähigkeit des Staates, gemessen am Anteil der Zinsaufwendungen an den gesamten Staatsausgaben (Budgetindikator II.). Je höher dieses Verhältnis ist, desto geringer sind die Handlungsmöglichkeiten des Staates von der Ausgabenseite her, um z.B. ein Budgetdefizit zu verrin284 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) gern, das Bankensystem zu sanieren oder eine Umschuldung zu vermeiden. Allerdings ist der Aussagegehalt mit Korrelationskoeffizienten von max. 0,30 noch vergleichsweise schwach. Tabelle 7: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichprobe der schweren Krisen erw. Maximale Vrz. Abwertungsrate UB 01 UB 10 UU 01 UU 02 UU 03 UU 04 UU 05 UU 07 UU 09 UU 10 UU 11 UV 01 UV 02 UV 16 UV 18 UV 33 UV 35 UV 51 UV 54 – + + + + + + + + + + – – + + + – + + Abwertungsrate Durchschnittliche am Krisenende Abwertungsrate Summe der Abwertungsraten –0,65** –0,69** –0,60** –0,69** +0,30* +0,28 +0,31* +0,30* +0,65** +0,66** +0,62** +0,67** +0,34** +0,31* +0,35** +0,35** +0,43** +0,45** +0,41** +0,44** +0,35* +0,30* +0,32* +0,33* +0,44** +0,34* +0,42** +0,40** +0,63** +0,57** +0,62** +0,59** +0,53** +0,52** +0,51** +0,54** +0,56** +0,52** +0,52** +0,55** +0,46** +0,48** +0,39** +0,47** –0,44** –0,48** –0,37** –0,47** –0,36** –0,38** –0,35** –0,39** +0,31* +0,27* +0,32* +0,30* +0,29* +0,25 +0,31* +0,28 +0,29* +0,30* +0,23 +0,27 –0,22 –0,33* –0,26 –0,26 +0,35** +0,30* +0,34** +0,33** +0,48** +0,44** +0,48** 0,45** **/* signifikant auf den 1%- bzw. 5%-Level Quelle: Eigene Berechnungen UV52/UB62: Der Verhaltensindikator III. (max. Volatilität der Währung) sowie der Aktienmarktindikator spielen dagegen bei schweren Krisen keine signifikante Rolle mehr. 2.1.3.2 Leichte Krisen Leichte Währungskrisen sind dadurch definiert, daß die kumulierte Abwertungsrate in den drei Kategorien maximale Abwertungsrate, Abwertungsrate am Krisenende und durchschnittliche Abwertungsrate während der Krise 70% nicht übersteigt. Der Umfang dieser Stichprobe umfaßt 42 Einzelkrisen. Auffallend bei dieser Stichprobe sind die bei fast allen Variablen beobachtbaren schwachen Korrelationskoeffizienten. Nur 285 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) fünf Variablen können überhaupt signifikante Korrelationen liefern. Darüber hinaus ist keine Variable in mehr als zwei der vier Kategorien signifikant. UB01: Aufwertungsindikator IV. ist die einzige Größe, die zumindest in der Teilkategorie der Abwertungsrate am Krisenende auf dem 1%-Level signifikant ist. Für die Teiluntersuchung der maximalen Abwertungsrate erweist sich keine der Variablen als signifikant. Es stellt sich insoweit die Frage, ob die Regressanden bei leichten Krisen (besonders in den Teilkategorien der maximalen und der durchschnittlichen Abwertungsrate) nicht vorwiegend zufällig oder durch theoretisch erläuterte, aber empirisch aufgrund mangelnder Daten nicht meßbare, Indikatoren bestimmt werden. Tabelle 8: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichprobe der leichten Krisen erw. Maximale Vrz. Abwertungsrate UB 01 – –0,21 UU 08 + +0,19 UV 01 – –0,19 UV 49 +/– –0,22 UV 52 + +0,30 Abwertungsrate Durchschnittliche am Krisenende Abwertungsrate Summe der Abwertungsraten –0,41** –0,18 –0,32* +0,32* +0,21 +0,29 –0,38* –0,13 –0,29 –0,40* –0,18 –0,34* +0,21 +0,37* +0,33* **/* signifikant auf dem 1%- bzw. 5%-Level Quelle: Eigene Berechnung 2.1.4 Frühe vs. späte Krisen 2.1.4.1 Frühe Krisen Die Teilstichprobe der frühen Krisen umfaßt alle Krisen, welche seit Beginn des Beobachtungszeitraums bis Ende 1996 auftraten und damit 47 Krisen.105 UV01/UV02/UU01/UB01: Wie in der Gesamtstichprobe besitzen die Variablen des realen Wechselkurses und der Wechselkursreagibilität der Inflation (Aufwertungsindikatoren) mit Rangkorrelationskoeffizienten bis zu 0,70 die höchste Erklärungskraft. Gegenüber der Gesamtstichprobe fällt die Erklärungskraft dieser Variablen deutlich höher aus. Hierin mag die höhere Bedeutung realwirtschaftlicher Ungleichgewichte in der ersten Hälfte der 1990er Jahre zum Ausdruck kommen. UU09/UU10/UU11: Auch die Geldmengenvariablen I./II. und der Zentralbankkreditindikator I. weisen mit Rangkorrelationskoeffizienten zwischen 0,38 und 0,42, ähnlich 105 Die Unterscheidung resultiert daraus, daß mit Ausbruch der Asienkrise 1997 mehr strukturelle und mikroökonomische Faktoren ins Blickfeld gerieten. 286 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) wie in der Gesamtstichprobe, hohe Werte auf. Mit Ausnahme von Aufwertungsindikator II. sind alle genannten Variablen in allen Teilkategorien auf dem 1%-Level signifikant. Tabelle 9: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichprobe der frühen Krisen erw. Maximale Vrz. Abwertungsrate UB 01 UB 30 UB 31 UB 32 UB 33 UB 34 UB 35 UB 36 UB 37 UU 01 UU 07 UU 09 UU 10 UU 11 UV 01 UV 02 UV 52 UV 54 – + + + + + + + + + + + + + – – + + Abwertungsrate Durchschnittliche am Krisenende Abwertungsrate Summe der Abwertungsraten –0,70** –0,69** –0,65** –0,69** +0,49** +0,46** +0,48** +0,47** +0,44* +0,41* +0,42* +0,42* +0,46** +0,43* +0,45** +0,44** +0,42* +0,40* +0,41* +0,40* +0,50** +0,47** +0,49** +0,48** +0,42* +0,40* +0,40* +0,40* +0,43* +0,40* +0,43* +0,41* +0,38* +0,36* +0,37* +0,37* +0,61** +0,60** +0,60** +0,62** +0,36* +0,42* +0,38* +0,40* +0,42** +0,40** +0,40** +0,42** +0,41** +0,41** +0,39** +0,42** +0,41** +0,43** +0,38** +0,42** –0,51** –0,51** –0,43** –0,49** –0,40** –0,40** –0,35* –0,39** +0,46** +0,43** +0,45** +0,46** +0,33 +0,38* +0,33 +0,37* **/* signifikant auf dem 1%- bzw. 5%-Level Quelle: Eigene Berechnung UB30-UB37/UV52: Hinzu kommen einige erweiterte Verschuldungsindikatoren (XXIX.-XXXVI.) und Verhaltensindikator III. mit Korrelationskoeffizienten bis 0,49 bzw. 0,46. Bemerkenswert ist, daß die Ratingindikatoren gegenüber der Gesamtstichprobe fast alle ihre Erklärungskraft verlieren. UV54/UU07: Lediglich die Ratings ohne Non-Rating-Länder (Ratingindikatoren II./VI.) sind meist noch auf dem 5%-Level signifikant. Alle anderen Ratingindikatoren büßen ihre Signifikanz vollständig ein. Dies könnte daher rühren, daß die Gruppe der NonRating-Länder in dieser Teilstichprobe recht groß ist, wodurch die Stichprobe relativ klein bzw. bei Berücksichtigung der Non-Rating-Länder stark verzerrt wird. Auch war 287 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) die Bedeutung der Ratings bzw. deren Entwicklung in der ersten Hälfte der 1990er Jahre für die Finanzmarktteilnehmer vermutlich noch nicht so groß wie danach. UB30 bis UB37: Wie oben schon erwähnt, weisen die erweiterten Verschuldungsindikatoren XXIX.-XXXVI. in Relation zur Gesamtstichprobe größere Korrelationen und höhere Signifikanzniveaus auf. UV16 bis UV18/UB10/UB11: Erstaunlich ist nur, daß andere Verschuldungsindikatoren (Verschuldungsindikatoren IX.-XI., erweiterte Verschuldungsindikatoren IX./X.), welche ähnlich aufgebaut sind, konträr zur Gesamtstichprobe ihre Signifikanz vollständig und in allen Teilkategorien verlieren. Der entscheidende Unterschied zwischen diesen beiden Variablengruppen ist die Kreditgewährung seitens der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds während einer Krise. Die Ergebnisse vermitteln den Eindruck, daß der Höhe der Kreditgewährung dieser beiden Institutionen während einer Krise, zumindest in der ersten Hälfte der 1990er Jahre, eine erhebliche Bedeutung zugekommen ist. UU03/UU02/UB62: Der Höhe der Zentralbankkredite an den Staat (Budgetindikator V.), der Frage der Umschuldung im Verlauf der Währungskrise (Umschuldungsindikator) sowie dem Aktienmarktindikator kommt bei den frühen Krisen keine signifikante Bedeutung zu. 2.1.4.2 Späte Krisen Die Teilstichprobe der späten Krisen umfaßt alle Krisen, welche seit Anfang 1997 bis zum Ende des Beobachtungszeitraums auftraten, und damit 55 Krisen. UU04: Im Gegensatz zur Gesamtstichprobe und zu den frühen Krisen weisen die Ratingindikatoren, genauer die Ratingveränderungen während der Krise (Ratingindikator III.), mit bis zu 0,65 die höchsten Korrelationen auf. Aber auch alle anderen Ratingvariablen erreichen in dieser Teilstichprobe höhere Korrelationen und Signifikanzniveaus als in der Gesamtstichprobe oder bei den frühen Krisen. Dies bestätigt die schon geäußerte Vermutung, daß die Bedeutung der Ratings und der Ratingagenturen für den Verlauf einer Währungskrise in jüngster Vergangenheit noch gewachsen ist. UU09/UU10/UU01: Wie in der Gesamtstichprobe und in der Stichprobe der frühen Krisen zählen auch hier die Geldmengenindikatoren sowie die Wechselkursreagibilität der Inflation (Aufwertungsindikator III.) mit Korrelationswerten zwischen 0,44 und 288 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) 0,51 bzw. 0,54 bis 0,57 zu denen mit den höchsten Erklärungsbeiträgen und Signifikanzniveaus. Tabelle 10: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichprobe der späten Krisen erw. Maximale Vrz. Abwertungsrate UB 01 UB 04 UB 07 UB 10 UB 11 UB 12 UB 13 UB 16 UB 30 UB 31 UB 62 UU 01 UU 02 UU 03 UU 04 UU 05 UU 06 UU 07 UU 08 UU 09 UU 10 UU 11 UV 07 UV 10 UV 12 UV 13 UV 16 UV 17 UV 18 UV 19 UV 24 UV 32 UV 35 UV 53 UV 54 – + + + + + + + + + – + + + + + + + + + + + – + + + + + + + + – – + + Abwertungsrate Durchschnittliche Am Krisenende Abwertungsrate Summe der Abwertungsraten –0,28* –0,44** –0,31* –0,35** +0,33* +0,18 +0,27 +0,26 +0,29* +0,20 +0,23 +0,22 +0,42** +0,26 +0,36* +0,34* +0,39** +0,20 +0,33* +0,30* +0,32* +0,17 +0,27 +0,24 +0,31* +0,15 +0,26 +0,22 +0,29* +0,13 +0,22 +0,21 +0,31* +0,12 +0,24 +0,21 +0,30* +0,10 +0,21 +0,19 –0,47** –0,37** –0,50** –0,47** +0,55** +0,54** +0,57** +0,57** +0,32* +0,28* +0,30* +0,31* +0,49** +0,46** +0,46** +0,49** +0,60** +0,65** +0,56** +0,62** +0,59** +0,61** +0,57** +0,60** +0,29* +0,31* +0,27 +0,30* +0,61** +0,57** +0,60** +0,62** +0,38** +0,41** +0,36** +0,41** +0,44** +0,44** +0,44** +0,45** +0,51** +0,45** +0,51** +0,51** +0,27* +0,36** +0,28* +0,29* –0,23 –0,27* –0,26 –0,27 +0,38** +0,22 +0,34* +0,31* +0,30* +0,13 +0,26 +0,22 +0,34* +0,25 +0,28* +0,28 +0,43** +0,26 +0,38** +0,35* +0,39** +0,21 +0,33* +0,30* +0,35* +0,19 +0,32* +0,27 +0,34* +0,18 +0,30* +0,26 +0,30* +0,16 +0,21 +0,22 –0,19 –0,32* –0,21 –0,24 –0,25 –0,31* –0,27 –0,26 +0,24 +0,25 +0,24 +0,27* +0,42** +0,37** +0,42** +0,43** **/* signifikant auf dem 1%- bzw. 5%-Level Quelle: Eigene Berechnung 289 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) UU11/UB01: Die Geldmengenindikatoren und die Wechselkursreagibilität der Inflation zeigen somit zusammen mit Zentralbankindikator I. und Aufwertungsindikator IV. unter allen relevanten Variablen die größte Robustheit gegenüber Veränderungen der Stichprobe auf. Dies gilt, obwohl die beiden letztgenannten Variablen bei den späten Krisen einen Teil ihres Erklärungsbeitrags einbüßen. Jedoch bleiben beide in allen Teilkategorien mindestens auf dem 5%-Level signifikant. UB62/UU03: Relativ hohe Erklärungsbeiträge speziell in dieser Teilstichprobe weisen zudem der Aktienmarktindikator und der Budgetindikator V. auf. Die Korrelationskoeffizienten belaufen sich auf 0,37 bis 0,50 für die erste und 0,46 bis 0,49 für die zweite Variable. Beide Variablen sind durchweg hochsignifikant. Die Aussagekraft der Aktienmarktentwicklung spiegelt die gewachsene Bedeutung der weltweiten Aktienmärkte als Vermögensanlageplattform wider. Sollten sich in einer Volkswirtschaft Probleme abzeichnen, können Aktienbestände sehr schnell liquidiert und danach wieder aufgebaut werden, was den vergleichsweise schwachen Korrelationskoeffizient der Aktienmarktentwicklung für die Abwertungsrate am Krisenende erklären könnte. UB30-UB37: Die Verschuldungsindikatoren ergeben – wie bei den frühen Krisen auch – ein differenziertes Bild. Besonders die Variablen, welche die Kreditvergaben der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds miteinschließen, erweisen sich genau gegenteilig zu den frühen Krisen mit Ausnahme der erweiterten Verschuldungsindikatoren XXIX./XXX. (UB30/UB31) in allen Kategorien als insignifikant. UV16/UV17/UB10/UB11: Dagegen sind die meisten Indikatoren ohne die besagten Kredite (Verschuldungsindikatoren IX./X., erweiterte Verschuldungsindikatoren IX./X), abgesehen von der Abwertungsrate am Krisenende, signifikant. UV16: Den höchsten Korrelationskoeffizienten unter den (erweiterten) Verschuldungsindikatoren kann die Bruttoauslandsverschuldung, abzgl. der Verschuldung bei öffentlichen Gläubigern im Verhältnis zu den Devisenreserven (Verschuldungsindikator IX.) [((BAV-Verb.öff)/R)t-1], liefern. Die späten Krisen sind zudem die einzige Teilstichprobe, in der auch die kurzfristige Auslandsverschuldung wenigstens für die maximale Abwertungsrate einer Währung eine schwache Signifikanz aufweist. Die Insignifikanzen sämtlicher Verschuldungsvariablen für die Abwertungsrate am Krisenende ähneln dem Bild, welches sich bei der Gesamtstichprobe gezeigt hat. 290 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) UV01/UV02: Der reale Wechselkurs für sich genommen scheint in den Krisen der späten 1990er Jahre und den Jahren danach keine so große Rolle mehr wie in den Jahren zuvor zu spielen. Beide Variablen, welche diesen abbilden (Aufwertungsindikatoren I./II.), sind nicht signifikant. UV52: Das Gleiche gilt für die maximale Volatilität einer Währung in den Jahren vor einer Krise (Verhaltensindikator III.). 2.2 Mehrfachrangkorrelationen Schaut man sich die Variablenkombinationen an, welche in den Teilstichproben bzw. deren Teiluntersuchungen jeweils die höchsten Rangkorrelationskoeffizienten aufweisen, so zeigt sich auch hier die Dominanz der Aufwertungs-, Rating-, Zentralbankund Geldmengenindikatoren. Hinzu kommen der Aktienmarktindikator sowie für die Teilstichprobe der Industriestaaten die Staatseinnahmen im Verhältnis zum BIP (Budgetindikator III.). Emerging Market Economies Für die Teilstichprobe der Emerging Market Economies liefern in den vier Teiluntersuchungen Kombinationen aus insgesamt sieben Variablen die besten Erklärungseigenschaften. UB01/UB30/UU05/UB62: Bei der maximalen Abwertungsrate und der durchschnittlichen Abwertungsrate erreicht die Kombination aus Aufwertungsindikator IV., erweitertem Verschuldungsindikator XXIX., Ratingindikator IV. (Ratingveränderung im B-Level-Bereich der Ratingskala) und Aktienmarktindikator mit 0,70 bzw. 0,67 die höchsten Rangkorrelationskoeffizienten. Die Abwertungsrate am Krisenende und die Summe der Abwertungsraten werden am besten durch eine Dreifachkorrelation erklärt. UU01/UU04/UU11: Diese beinhaltet die Wechselkursreagibilität der Inflation (Aufwertungsindikator III.), die Veränderung des Länderratings (Ratingindikator III.) und die Entwicklung des Zentralbankkreditvolumens an das Bankensystem (Zentralbankindikator I.) und erreicht Korrelationskoeffizienten von 0,74 bzw. 0,69. Max(A1;A3) = f(UB01;UB30;UU05;UB62) Max(A2;A4) = f(UU01;UU04;UU11) 291 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) Tabelle 11: Mehrfach-Rangkorrelationskoeffizienten für die Teilstichproben Teiluntersuchungen Emerging Market Economies Maximale Abwertungsrate Abwertungsrate am Krisenende Durchschnittliche Abwertungsrate Summe der Abwertungen Industrieländer Maximale Abwertungsrate Abwertungsrate am Krisenende Durchschnittliche Abwertungsrate Summe der Abwertungen schwere Krisen Maximale Abwertungsrate Abwertungsrate am Krisenende Durchschnittliche Abwertungsrate Summe der Abwertungen leichte Krisen Maximale Abwertungsrate Abwertungsrate am Krisenende durchschnittliche Abwertungsrate Summe der Abwertungen frühe Krisen maximale Abwertungsrate Abwertungsrate am Krisenende durchschnittliche Abwertungsrate Summe der Abwertungen späte Krisen maximale Abwertungsrate Abwertungsrate am Krisenende durchschnittliche Abwertungsrate Summe der Abwertungen Variablen Rangkorrelationskoeffizient UB01/UB30/UU05/UB62 UU01/UU04/UU11 UB01/UB30/UU05/UB62 UU01/UU04/UU11 0,703* 0,736 0,668 0,693 UV34/UB01 UV34/UB01 UV34/(UU04) UV34/UB01 0,663 0,712 0,534 (0,640)* 0,677 UB01/UU07/UU11 UB01/UU07/UU11 UB01/UU07 UB01/UU07/UU11 0,799 0,791 0,702 0,797 - - UB01 UB01 UB01/UU11 UB01 0,698 0,690 0,679 0,692 UU04/UU07/UB62 UU04/UU01 UU04/UU01/UB62 UU04/UU07/UB62 0,726 0,697 0,713 0,729 * signifikant nur auf dem 10%-Level Industriestaaten In der Teilstichprobe der Industriestaaten lassen sich die besten Erklärungsbeiträge für die Abwertungsraten in allen vier Teilkategorien mit maximal drei Variablen erzielen. Aufgrund des geringen Stichprobenumfangs dieser Teilstichprobe und der gewählten Methodik bleiben die Korrelationskoeffizienten in allen vier Teilkategorien jedoch teils deutlich hinter denen der Emerging Market Economies Stichprobe zurück. UV34/UB01: In den Teiluntersuchungen der maximalen Abwertungsrate, der Abwertungsrate am Krisenende und der Summe der Abwertungen erreicht die Kombination aus dem Anteil der Staatseinnahmen am BIP (Budgetindikator III.) und der Entwick292 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) lung des realen Wechselkurses, verbunden mit der Wechselkursreagibilität der Inflation (Aufwertungsindikator IV.), die höchsten Zusammenhänge. Die Koeffizienten belaufen sich auf 0,66, 0,71 und 0,68. Die durchschnittliche Abwertungsrate wird am besten nur durch Budgetindikator III. erklärt, da eine Mehrfachkorrelation nicht sinnvoll ist. Der Korrelationskoeffizient dieser Einfachkorrelation beläuft sich jedoch nur auf 0,53 und ist somit wenig aussagekräftig. UU04: Durch die Einbeziehung von Ratingindikator III. kann eine Erhöhung des Koeffizienten auf 0,64 erreicht werden. Allerdings ist dies nur um den Preis einer geringeren Signifikanz beider Variablen (auf dem 10%-Level) möglich. Max(A1;A2;A4) = f(UV34;UB01) Max(A3) = f(UV34;UU04) Schwere Krisen/leichte Krisen Bei der Teilstichprobe der schweren Währungskrisen zeigt sich die Dominanz der Aufwertungs-, Rating-, Geldmengen- und Zentralbankindikatoren sehr deutlich. UU07/UB01: Die durchschnittliche Abwertungsrate läßt sich mit einer Kombination aus Ratingindikator VI., der das schlechteste Rating während der jeweiligen Währungskrise (ohne Non-Rating-Länder) beinhaltet, und Aufwertungsindikator IV. am besten erklären. Der Rangkorrelationskoeffizient dieser Zweifachkorrelation beläuft sich auf 0,70. UU07/UB01/UU11: Für die drei anderen Teilkategorien (maximale Abwertungsrate, Abwertungsrate am Krisenende und Summe der Abwertungen) kann nochmals eine erhebliche Ergebnisverbesserung erreicht werden, sofern den geschilderten Variablen noch Zentralbankindikator I. (Zentralbankkreditvolumen an den Bankensektor während der Krise) hinzugefügt wird. Die Korrelationskoeffizienten belaufen sich in den drei Teilkategorien auf 0,79 bis 0,80. Die Teilstichprobe der schweren Währungskrisen weist unter allen Stichproben im Mittel der vier Teilkategorien die höchsten Korrelationskoeffizienten auf. Max(A1;A2;A4) = f(UU07;UB01;UU11) Max(A3) = f(UU07;UB01) 293 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) Eine multiple Rangkorrelationsanalyse der leichten Währungskrisen führt dagegen zu keinen nennenswerten Ergebnissen. Dies ist allerdings nicht überraschend, da schon die Einzelkorrelationen kaum signifikante Variablen zutage fördern. Frühe Krisen UB01: Für die Krisen der zeitlich frühen Teilstichprobe spielt in allen vier Teilkategorien die Entwicklung des realen Wechselkurses in Verbindung mit der Wechselkursreagibilität der Inflation (Aufwertungsindikator IV.) die dominierende Rolle. In den Kategorien der maximalen Abwertungsrate, der Abwertungsrate am Krisenende und der Summe der Abwertungsraten lassen sich durch eine Mehrfachkorrelation gegenüber der Einfachkorrelation keine wesentlichen Ergebnisverbesserungen erzielen. Entsprechend wird in diesen Kategorien nur auf Aufwertungsindikator IV. als Erklärungsvariable zurückgegriffen. Die Rangkorrelationskoeffizienten belaufen sich auf 0,69 bis 0,70. UB01/UU11: In der Teilkategorie der durchschnittlichen Abwertungsrate läßt sich dagegen eine gewisse Verbesserung des Erklärungsbeitrags erreichen, wenn Aufwertungsindikator IV. um Zentralbankindikator I. auf eine Zweifachkorrelation erweitert wird. Der Rangkorrelationskoeffizient erreicht 0,68. Hierin wird die große Bedeutung, welche der Zentralbank vor und während der Krise Anfang der 1990er Jahre zukam, sichtbar: vor der Krise vorwiegend durch Vermeidung einer realen Aufwertung der Inlandswährung, während der Krise durch Maßnahmen zur Inflationseindämmung und Kontrolle der Kreditvergabe an das Bankensystem. Max(A1;A2;A4) = f(UB01) Max(A3) = f(UB01;UU11) Späte Krisen Bei den Krisen der späten Teilstichprobe bestätigt sich, wie bei der Einfachkorrelationsanalyse, die gestiegene Bedeutung der Ratingagenturen. In allen vier Teilkategorien findet sich die Veränderung des Länderratings (Ratingindikator III.) als Bestandteil der Gleichungen mit den höchsten Erklärungsbeiträgen. UU04/UU07/UB62: Die maximale Abwertungsrate sowie die Summe der Abwertungen lassen sich am besten durch obige Variable, kombiniert mit Ratingindikator VI. 294 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) (schlechtestes Rating während der Krise ohne Non-Rating-Länder) und Aktienmarktindikator (Entwicklung des Aktienmarktes), erklären. Die Korrelationskoeffizienten der Variablenkombinationen belaufen sich in beiden Teiluntersuchungen jeweils auf 0,73. UU04/UU01: Die Abwertungsrate am Krisenende wird am besten durch eine Zweifachkorrelation erklärt, welche neben Ratingindikator III. Aufwertungsindikator III. beinhaltet und einen Rangkorrelationskoeffizienten von 0,70 aufweist. UU04/UU01/UB62: Für die durchschnittliche Abwertungsrate sind die genannten Variablen noch mit dem Aktienmarktindikator auf eine Dreifachkorrelation zu erweitern, um den höchsten Koeffizienten zu erreichen. Dieser ergibt sich mit 0,71. Max(A1;A4) = f(UU04;UU07;UB62) Max(A2) = f(UU04;UU01) Max(A3) = f(UU04;UU01;UB62) Ergebnisse Gesamtstichprobe vs. Ergebnisse Teilstichproben Betrachtet man die Ergebnisse der Mehrfachrangkorrelationen aus den Teilstichproben in Relation zu denen der Gesamtstichprobe, so zeigt sich ein gemischtes Bild. In der Teilkategorie der Abwertungsrate am Krisenende kann durch eine Unterteilung in Teilstichproben keine wesentliche Verbesserung der Korrelationskoeffizienten erreicht werden. Einzige Ausnahme ist die Teilstichprobe der schweren Krisen, deren Koeffizienten, wie bereits geschildert, in allen Kategorien deutlich über denen der Gesamtstichprobe liegen. Die Teilstichprobe der leichten Krisen weist dagegen keine aussagekräftigen Ergebnisse auf, so daß der Aussagegewinn bei der Teilstichprobe der schweren Krisen dem Aussageverlust bei der Teilstichprobe der leichten Krisen entspricht. In den anderen Teilkategorien können nur durch Unterteilung der Gesamtstichprobe in frühe und späte Krisen in beiden Teilen höhere Korrelationskoeffizienten (bis zu 7%-Punkte) erreicht werden. Die Unterteilung zwischen Emerging Markets und Industriestaaten sowie zwischen schweren und leichten Krisen führt nur in maximal einer Teilstichprobe (Emerging Market Economies/schwere Währungskrisen) zu deutlich höheren Korrelationskoeffizienten. Die jeweils andere Teilstichprobe (Industriestaaten/ leichte Währungskrisen) kann keine Verbesserung aufweisen. 295 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) Die Variablenzusammensetzungen der Mehrfachrangkorrelationen mit den höchsten Koeffizienten unterscheiden sich in den Teilstichproben durchaus von denen der Gesamtstichprobe. Nur 16 der 49 in den Mehrfachkorrelationen der Teilstichproben aufgeführten Variablen stimmen unterteilt nach einzelnen Teilkategorien (maximale Abwertungsrate, Abwertungsrate am Krisenende, durchschnittliche Abwertungsrate und Summe der Abwertungen) mit denen aus den Mehrfachkorrelationen der Gesamtstichprobe überein. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß die Variablen, welche bei den Mehrfachrangkorrelationen der Teilstichproben die höchsten Erklärungsbeiträge aufweisen, in der einfachen Rangkorrelationsanalyse für die Gesamtstichprobe ebenfalls hochsignifikant (auf dem 1%-Level) sind. Dies trifft für insgesamt 40 der 49 aufgeführten Variablen zu. Ausnahmen hiervon sind die Teilstichprobe der Industriestaaten mit dem Anteil der Staatseinnahmen am BIP (Budgetindikator III.) und zu einem geringeren Grad mit der Entwicklung der Aktienmärkte im Vorfeld und zu Beginn einer Krise (Aktienmarktindikator). Letztgenannte sind in den betroffenen Kategorien jedoch auch in der Gesamtstichprobe durchweg auf dem 5%Level signifikant. Daraus ergibt sich, daß die Variablen, die in der Gesamtstichprobe die höchsten Korrelationskoeffizienten liefern, auch in den Teilstichproben Erklärungskraft besitzen, sofern es nicht um eine schwache Währungskrise handelt. Lediglich bei Währungskrisen in Industriestaaten sollte der Anteil der Staatseinnahmen am BIP als Gradmesser der staatlichen Handlungsfähigkeit zur Reduktion evtl. Budgetdefizite zusätzlich hinzugezogen werden. 3 Einschränkungen Mit einigen kritischen Anmerkungen soll die Übersicht über die durchgeführten empirischen Untersuchungen abgeschlossen werden. In dieser Arbeit wurde das Ausmaß einer Währungskrise anhand verschiedener Abwertungsraten der inländischen Währung dargestellt. Allerdings wären auch andere Regressanden möglich, um die Schwere einer Krise zu messen. Hier sind vor allem die Auswirkungen auf die Realwirtschaft in Form der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts während, bzw. nach einer Krise zu nennen. Bestimmte theoretisch relevante Aspekte konnten aufgrund der eingeschränkten Datenverfügbarkeit nicht oder nur unzureichend durch Indikatoren abgebildet werden. Um dieses Problem zu begrenzen, wurde in der Analyse auf Jahresdaten zurückgegriffen. Die Verwendung 296 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) von Jahresdaten beinhaltet jedoch das Problem, daß bestimmte Entwicklungen sich nicht oder zu unscharf in den verwendeten Indikatoren widerspiegeln. Problematisch ist zudem die stark pauschalisierte Definition eines Krisenendes i.d.R. nach zwölf Monaten. Eine gewisse Problematik liegt ferner – wie bereits erörtert – in der etwas willkürlichen Definition einer Währungskrise. Ziel eines Ausbaus der vorliegenden Untersuchung müßte es vor allem sein, durch detailliertere Nachforschungen die Datenfrequenz auf Quartals- oder Monatsdaten zu erhöhen, ohne die Anzahl der Variablen oder Länder zu stark verringern zu müssen. Dies konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Einige Variablen, denen in der Gesamtstichprobe eine signifikante Aussagekraft zukommt, sind zudem nur bedingt robust gegenüber bestimmten Veränderungen der Stichprobe. Allerdings zeigen sich fast alle Indikatoren, die in der Gesamtstichprobe einen hohen Aussagegehalt aufweisen, relativ robust gegenüber Stichprobenveränderungen. Schließlich wird die Höhe der Abwertung oft am besten durch unverzögerte oder kombinierte Variablen erklärt, welche zumindest in Teilen eine Entwicklung im Krisenverlauf abbilden. Bei diesen Variablen (z.B. Veränderung des Länderratings, Wechselkursreagibilität der Inflation, Entwicklung des Zentralbankkreditvolumens usw.) stellt sich das Problem, daß nicht genau festzustellen ist, ob die Abwertungsrate wirklich nur Regressand, oder nicht auch Regressor ist (UrsacheWirkungsproblem). Es ist durchaus wahrscheinlich, daß zwischen einigen erklärenden und erklärten Variablen wechselseitige Beziehungen bestehen. Eine rechnerische Abschätzung dessen ist jedoch aufgrund der Untersuchungsmethode und der Datenfrequenz nicht möglich. Unproblematisch ist dieser Sachverhalt dagegen bei verzögerten Variablen, die differierende Abwertungsraten durch unterschiedliche Gegebenheiten vor Krisenausbruch zu erklären versuchen. 297 VI Empirische Untersuchung der erörterten Indikatoren hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Ausmaß einer Währungskrise (VI.C) Übersicht 32: Ergebniszusammenfassung der empirischen Analyse - - - - - - Die Ergebnisse der durchgeführten Analyse deuten darauf hin, daß v.a. den Entwicklungen nach Krisenausbruch eine erhebliche Bedeutung für die Abwertungsrate einer Währung zukommt. Die größte Aussagekraft kommen in der Gesamtstichprobe der Wechselkursreagibilität der Inflation während der Krise, dem Anstieg der inländischen Geldmenge und der Veränderung des Länderratings während der Krise zu. Aber auch die meisten anderen Aufwertungs-, Rating-, Geldmengen- und Zentralbankindikatoren zählen zu den Größen mit den höchsten Erklärungsbeiträgen. Um die Erklärungsbeiträge zu erhöhen, werden die Einfachrangkorrelationen auf Mehrfachrangkorrelationen erweitert. Die jeweils höchsten Rangkorrelationskoeffizienten können auch in der Mehrfachrangkorrelation durch Kombinationen der oben geschilderten Indikatoren erreicht werden. Um die Stabilität der Ergebnisse zu testen, wird die Gesamtstichprobe zudem dreimal in jeweils zwei Teilstichproben zerlegt (Emerging Market Economies vs. Industriestaaten, Schwere vs. Leichte Krisen, Frühe vs. Späte Krisen). Im Großen und Ganzen weisen die Indikatoren, welche in der Gesamtstichprobe die höchste Aussagekraft beinhalten, auch in den meisten Teilstichproben die höchsten Rangkorrelationskoeffizienten auf. Auffällig ist die geringe Erklärungskraft aller Indikatoren für das Ausmaß von leichten Währungskrisen. Insofern deutet dies darauf hin, daß die Höhe der Abwertungen bei leichten Krisen entweder vorwiegend zufällig sind oder durch Faktoren determiniert werden, die ihm Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht analysiert werden konnten. In der Teilstichprobe der Industriestaaten kommt neben den genannten Faktoren auch der staatlichen Handlungsfähigkeit - gemessen an den Staatseinnahmen zum BIP - eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung zu. Bemerkenswert ist schließlich, daß den Aufwertungsindikatoren in der Teilstichprobe der frühen Krisen eine deutlich höherer Aussagegehalt zukommt als in der Stichprobe der späten Krisen. Umgekehrtes gilt für die Ratingindikatoren. Dies weist auf eine abnehmende Relevanz realwirtschaftlicher Ungleichgewichte für sich genommen und einen wachsenden Einfluß der Ratingagenturen hin. Auch der Entwicklung der Aktienmärkte unmittelbar vor Krisenausbruch kommt in der Teilstichprobe der späten Krisen eine hohe Bedeutung zu, was die gestiegene Relevanz der Aktienmärkte als Vermögensanlageform unterstreicht. Allerdings muß bei den Entwicklungen während der Krise berücksichtigt werden, daß eine Unterscheidung von Ursache und Wirkung nicht immer eindeutig möglich ist. 298 VII Zusammenfassung und Schlußbetrachtung VII Zusammenfassung und Schlußbetrachtung Diese Arbeit sollte der Frage nachgehen, warum die Währungskrisen in Emerging Market Economies häufig ein sehr viel größeres Ausmaß erreichen als in Industriestaaten. Damit in Zusammenhang stand die Aufgabe, Erklärungsgrößen für das Ausmaß einer Währungskrise zu finden. Da sich die Literatur bei der Abgrenzung der Begrifflichkeiten „Währungskrise“ und „Emerging Market Economies“ alles andere als einig ist, wurden in Kapitel I verschiedene Definitionsbeispiele aus der Literatur angeführt, die schließlich in einer groben Abgrenzung für die vorliegende Arbeit mündeten. In den Kapiteln II bis V wurden Gegebenheiten und Zusammenhänge dargestellt, die in der Literatur als relevant im Hinblick auf die genannten Fragestellungen erachtet werden. Der Fokus lag dabei auf makro- und mikroökonomischen Ungleichgewichten, wobei sich die Analyse letzterer vorwiegend auf den Bereich der inländischen Finanzmärkte, des Banken- und des Unternehmenssektors bezog. Zudem waren institutionelle Schwächen und bestimmte Handlungsweisen der beteiligten Akteure im Hinblick auf die Fragestellung zu untersuchen. Die Arbeit versuchte teils anhand formaler Modelle, teils durch verbale und graphische Darstellungen potentielle Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen den geschilderten Einflußgrößen und dem Ausmaß einer Währungskrise aufzuzeigen. Dadurch sollte die Komplexität dieses Themengebietes überschaubarer und auch dem interessierten Laien leichter verständlich gemacht werden. Gleichzeitig galt es aber auch, bestimmte Einschränkungen bzw. Voraussetzungen der dargelegten Wirkungszusammenhänge aufzuzeigen, um klar zu machen, daß es sich großenteils nicht um einfache mechanistische Zusammenhänge handelt. Ferner gilt es zu berücksichtigen, daß die Auswirkungen der möglichen Determinanten auf das Ausmaß einer Währungsabwertung meist unmittelbarer als in anderen Bereichen von der Interpretation durch die Marktteilnehmer abhängig sind. Nach Sichtung der Literatur konnte folgendes festgestellt werden: Die vorhandene Literatur beschränkt sich meist entweder auf die Determinanten einer Währungskrise, d.h. welche Konstellationen tragen zum Ausbruch einer Währungskrise bei. Oder sie befaßt sich mit der Erklärung von Wechselkursbewegungen allgemein, d.h. durch welche Faktoren wird die Entwicklung eines Wechselkurses bestimmt. Eine direkte Erläuterung der Einflußgrößen auf den Wechselkurs im Fall einer Währungskrise 299 VII Zusammenfassung und Schlußbetrachtung existiert hingegen kaum und kann nur implizit aus beiden Literaturgruppen herausgelesen werden, wobei der ersten Gruppe ein höheres Gewicht zukommt. Die in der Literatur dargestellten Determinanten der Wechselkursentwicklung und einer Währungskrise erwiesen sich als sehr vielschichtig, so daß im Rahmen dieser Arbeit eine allumfassende Darstellung der aufgeführten Faktoren nicht möglich war. Es überrascht jedoch nicht, daß ein deutlicher Schwerpunkt auf makroökonomischen Größen, wie beispielsweise die Höhe und Zusammensetzung der Auslandsverschuldung, die Höhe der Devisenreserven und des Leistungsbilanzdefizits sowie die Entwicklung des realen Wechselkurses im Vorfeld einer Krise, liegt. Dies gilt besonders für Arbeiten bis Mitte der 1990er Jahre. Dies rührt vermutlich daher, daß der Zusammenhang zwischen makroökonomischen Determinanten und einer Währungskrise unmittelbarer erscheint und die Größen relativ leicht empirisch zu verwerten sind. Darüber hinaus stellt diese Gruppe auch die ältesten Erklärungsansätze dar, sowohl für „normale“ Wechselkursschwankungen als auch für krisenhafte Wechselkursbewegungen bzw. Währungskrisen. Mit Ausnahme der Thematik von Kapitalverkehrskontrollen scheint sich die Literatur erst seit der Asienkrise 1997/98 verstärkt mikroökonomischen sowie institutionellen Gesichtspunkten anzunehmen, um dort Erklärungen für Krisenauslöser zu finden. Die Begründung hierfür dürfte darin liegen, daß besonders die Krise in Ostasien deutlich machte, daß auch (vermeintlich) gesunde makroökonomische Fundamentalfaktoren lediglich eine notwendige, nicht aber ein hinreichende Bedingung zur Krisenvermeidung bzw. -eindämmung darstellen. Die Literatur dieses Segments konzentriert sich sehr stark auf den Bankensektor. Mit anderen Worten: Welche Auswirkungen können sich aus einem fragilen Bankensystem im Hinblick auf eine parallel ablaufende Währungskrise ergeben, und welche Ursachen begünstigen den Ausbruch einer Bankenkrise. Andere Bereiche, wie die Bedeutung der inländischen Kapitalmärkte oder die der Liquidität der Devisenmärkte, bleiben nach wie vor unterrepräsentiert. Ebenfalls seit Ende der 1990er Jahre sind erste Arbeiten bezüglich der Verhaltensweisen von Marktteilnehmern bzw. der Reaktionen von politischen Entscheidungsträgern im In- und Ausland zu beobachten. In diesem Segment dominieren Ereignisbeschreibungen von Beteiligten und Marktbeobachtern sowie die Darstellungen von Verfahrensweisen von Marktteilnehmern in solchen Extremsituatio300 VII Zusammenfassung und Schlußbetrachtung nen. Nach wie vor sind diese Darlegungen so gut wie überhaupt nicht in das Theoriengebäude über Währungskrisen eingeflossen. Dies gilt insbesondere für die Handelstechniken und das Verhalten der Marktteilnehmer im Fall einer Krise. In etwas abgeschwächter Form läßt sich dies auch für die Relevanz der Ratingagenturen konstatieren. Allerdings muß hierbei auch erwähnt werden, daß einige dieser Aspekte erst in den letzten Jahren eine größere Bedeutung für die untersuchten Fragestellungen erlangt haben (z.B. Ratingagenturen und Hegdefonds). Die dargelegten Gegebenheiten wurden, soweit möglich, in Kapitel VI in empirisch verwertbare Indikatoren umgewandelt und als potentielle Erklärungsgründe für unterschiedlich schwere Währungskrisen herangezogen. Der Schweregrad einer Währungskrise ergab sich aus der Abwertungsrate der inländischen Währung in den Kategorien der maximalen Abwertungsrate, der Abwertungsrate am Krisenende, der durchschnittlichen Abwertungsrate und der Summe aus diesen dreien. Als Analysemethode fand eine Rangkorrelationsanalyse in Verbindung mit Signifikanztests Verwendung. In der Untersuchung wurden sowohl einfache als auch multiple Rangkorrelationskoeffizienten berechnet. Zur Überprüfung der Robustheit der Ergebnisse gegenüber Veränderungen der Stichprobe wurde die Gesamtstichprobe nach drei (alternativ eingesetzten) Kriterien in jeweils zwei Teilstichproben zerlegt. Als Kriterien dienten die Länderkategorie (Emerging Markets vs. Industriestaaten), das Krisenausmaß (schwere vs. leichte Krisen) und der Zeitabschnitt (frühe vs. späte Krisen). Bei Betrachtung der einfachen Korrelationskoeffizienten über alle untersuchten Währungskrisen hinweg (Gesamtstichprobe) zeigte sich zunächst ein etwas enttäuschendes Bild. Keine Variable war für sich genommen in der Lage, hinreichend hohe Rangkorrelationskoeffizienten für die unterschiedlich hohen Abwertungsraten während den Währungskrisen zu liefern. Trotzdem wiesen mehrere Variablen zumindest hohe Signifikanzniveaus auf. Vor allem Entwicklungen nach Ausbruch einer Krise und besonders die Reaktionen der wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger auf eine Währungskrise bestimmten den Ergebnissen zufolge das Ausmaß einer Währungskrise entscheidend mit. Mit die größte Aussagekraft kam in der einfachen Rangkorrelationsanalyse den Variablen der Wechselkursreagibilität der Inflation während der Krise zu, allein oder kombiniert 301 VII Zusammenfassung und Schlußbetrachtung mit der Entwicklung des realen Wechselkurses im Vorfeld der Krise. Beide Variablen erwiesen sich zudem als relativ robust gegenüber Stichprobenveränderungen. Die Entwicklung des realen Wechselkurses, für sich genommen, erreichte in der Gesamtstichprobe deutlich geringere Korrelationskoeffizienten, ohne die Signifikanz zu verlieren. Bemerkenswert war die abnehmende Bedeutung dieser Indikatoren im Zeitablauf. Die Erklärungsbeiträge für die Gesamtstichprobe speisten sich primär aus der Teilstichprobe der frühen Krisen. Ebenfalls hohe Rangkorrelationskoeffizienten erzielten die Ratingentwicklung während einer Krise sowie die schlechteste Ratingbewertung, die eine betroffene Volkswirtschaft während der jeweiligen Krise erhielt. Auch für die Aussagekraft der Ratingindikatoren besaß der Zeitpunkt des Krisenausbruchs eine nicht unerhebliche Relevanz. Konträr zu den Variablen des realen Wechselkurses konnten die Ratingindikatoren in der Teilstichprobe der frühen Krisen keine (Ratingveränderungen während der Krise) oder nur moderate Erklärungsbeiträge (schlechtestes Rating während der Krise) für das Krisenausmaß liefern. Dafür erreichten diese Indikatoren in der Teilstichprobe der späten Krisen umso höhere Korrelationskoeffizienten. Dies dürfte auf die in jüngster Zeit stark zunehmende Bedeutung der Ratingagenturen zurückzuführen sein. Ferner spielten auch die Geldmengen- und die Zentralbankkreditentwicklung während der Krise, welche zudem ein vergleichsweise hohes Maß an Robustheit aufwiesen, eine nicht unerhebliche Rolle für die Erklärung unterschiedlicher Abwertungsraten. Einzig die Zentralbankkreditentwicklung an den Staat zeigte für die Teilstichprobe der frühen Krisen keine Signifikanzen auf. Die Verschuldungsindikatoren blieben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bedeutungslos. Obendrein erwiesen sie sich nicht als sehr resistent gegenüber Veränderungen der Stichprobe. Auffällig war die meist höhere Bedeutung der Verschuldungsindikatoren für die maximalen Abwertungsraten während einer Krise. Außerdem zeigte die Komponente der gewährten IWF- und Weltbankkredite in den Verschuldungsindikatoren einen besonderen Erklärungsgehalt bei der Teilstichprobe der frühen Krisen, während sie bei den späten Krisen jegliche Aussagekraft verlor. Alle anderen Indikatoren besaßen kaum Erklärungskraft oder konnten nur in einzelnen Teilstichproben relativ hohe Signifikanzniveaus erreichen. Dies galt v.a. für den Anteil der Staatseinnahmen am BIP (in der Teilstichprobe der Industriestaaten) und für die Aktienmarktentwicklung vor und zu Beginn der jeweiligen Währungskrise (für die Teilstichprobe der späten Krisen). Die 302 VII Zusammenfassung und Schlußbetrachtung Frage der Umschuldung während der Krise spielte bei den späten Krisen und darüber hinaus bei der Teilstichprobe der schweren Krisen eine gewisse Rolle. Problematisch war die Teilstichprobe der leichten Krisen. Die unterschiedlichen Abwertungsraten ließen sich in dieser Teilstichprobe mit den untersuchten Variablen so gut wie gar nicht erklären. Die Teilstichprobe der Industriestaaten konnte ebenso kaum mit signifikanten Variablen aufwarten. Allerdings war hierbei der kleine Stichprobenumfang zu berücksichtigen. Die Korrelationskoeffizienten der einzelnen Variablen erreichten in dieser Teilstichprobe oft ähnlich hohe Werte wie beispielsweise in der Gesamtstichprobe, jedoch in den meisten Fällen ohne Signifikanz. Die Mehrfachkorrelationen mit den höchsten Korrelationskoeffizienten beinhalteten sowohl in der Gesamtstichprobe als auch in fast allen Teilstichproben mehr oder weniger die Indikatoren, die bereits in den Einzelkorrelationen der Gesamtstichprobe hohe Korrelationskoeffizienten erreichten. So beinhalteten die Mehrfachkorrelationen mit den höchsten Korrelationskoeffizienten primär Rating-, Aufwertungs- und Zentralbankindikatoren: Konkret die schlechtesten Länderratings im Krisenverlauf, die Veränderung des Länderratings nach Krisenausbruch, die Wechselkursreagibilität der Inflation, allein und verbunden mit der Entwicklung des realen Wechselkurses, sowie die gewährten Zentralbankkredite an den Finanzsektor. Hinzu kamen die Veränderung des Aktienmarktes, die Staatseinnahmen in Relation zum BIP sowie die Bruttoauslandsverschuldung (abzgl. der Verbindlichkeiten bei öffentlichen Gläubigern) in Relation zu den Devisenreserven (zzgl. der gewährten IWF- und Weltbankkredite). Die Korrelationskoeffizienten blieben trotz Zweifach- bis Vierfachkorrelationen eher mittelmäßig. Ein nicht unerheblicher Teil der Krisenausmaßes (sowohl in der Gesamt- als auch in den Teilstichproben) ließ sich mit den vorhandenen Daten nicht erklären. Dieser war entweder zufallsbedingt oder wurde von Determinanten bestimmt, die zwar theoretisch, nicht jedoch empirisch untersucht werden konnten. Dies galt insbesondere für die Teilstichprobe der leichten Krisen. Dort konnten die Mehrfachregressionen fast keine Ergebnisverbesserung gegenüber den Einfachkorrelationen erzielen. Positive Ausnahme war die Teilstichprobe der schweren Krisen, in der recht hohe Korrelationskoeffizienten erzielt werden konnten. Die Ergebnisse aus den Teilstichproben bestätigten, mit Ausnahme der Teilstichprobe der Industriestaaten, weitgehend die Resultate aus der Gesamtstichprobe. 303 VII Zusammenfassung und Schlußbetrachtung Aus den Ergebnissen kann eine hohe Verantwortung der jeweiligen Zentralbank und der großen Ratingagenturen für den Verlauf einer Krise gefolgert werden. Allerdings ist bei Ratingagenturen zu berücksichtigen, daß diese nicht aus Rücksicht auf die betroffenen Volkswirtschaften von einer Ratingänderung absehen können und dürfen. Ratingagenturen sind vielmehr verpflichtet, gegenüber internationalen Gläubigern ein möglichst objektives Urteil - das Rating - über die zukünftige Zahlungsfähigkeit eines Staates abzugeben. Eine Volkswirtschaft kann insofern nur versuchen, die Determinanten des Ratings bereits vor der Krise, aber auch nach Krisenausbruch, im Rahmen des Möglichen positiv zu beeinflussen. Die Zentralbanken der betroffenen Volkswirtschaften können durch eine Eindämmung der Inflation und weitestgehend flexible Wechselkurssysteme ihren Beitrag zur Vermeidung einer übermäßigen realen Aufwertung einer Währung vor dem Ausbruch einer Währungskrise leisten. Im Verlauf einer Krise muß die Zentralbank versuchen, den Anstieg der inländischen Geldmenge zu begrenzen. Nur so kann ein enormer Preisniveauanstieg, verbunden mit weiteren Abwertungsschüben, verhindert und der abwertungsbedingte Inflationsschub eingedämmt werden. Eng damit zusammen hängt die Entwicklung des Zentralbankkreditvolumens an den Staat und den Finanzsektor. Während einer Krise muß die Notenbank unbedingt darauf achten, die besagten Kredite in Form von Liquiditätshilfen nicht zu stark auszuweiten. Durch unkontrollierte Liquiditätshilfen steigt zum einen die Wahrscheinlichkeit, daß die Geldmenge außer Kontrolle gerät. Zum anderen ist die Gefahr groß, daß Liquiditätshilfen an den Bankensektor den Banken zwar helfen, den Liquiditätsforderungen ihrer Kunden nachzukommen, die nunmehr verfügbaren Mittel von Sparern jedoch umgehend dazu genutzt werden, diese am Devisenmarkt in Fremdwährung zu transferieren. So kann die Notenbank alles in allem als die entscheidende Schaltstelle für die Determinierung des Krisenausmaßes bezeichnet werden. Dies bedeutet, daß trotz Globalisierung die einzelnen Volkswirtschaften nicht nur Spielball weltwirtschaftlicher Schocks und Entwicklungen sind, sondern durchaus die Möglichkeit der Kriseneindämmung mittels eigenen Krisenmanagements haben. Freilich zeigen die Ergebnisse der Untersuchung auch, daß – wie zu erwarten – der Wirkungsgrad eines solchen Managements während der Krise desto geringer ausfällt, je ungünstiger die jeweilige – teils hausgemachte – Ausgangslage ist. 304 VII Zusammenfassung und Schlußbetrachtung Zur Beantwortung der Ausgangsfragestellung, warum die Währungsabwertungen in den Emerging Market Economies oft wesentlich stärker ausfallen, kann folgendes festgehalten werden: Viele Emerging Markets besitzen offensichtlich erheblich größere Glaubwürdigkeitsprobleme bei der Kriseneindämmung und der Aufrechterhaltung ihrer internationalen Zahlungsfähigkeit im Fall von erheblichen Kapitalabflüssen. Dies gilt sowohl gegenüber ausländische Investoren als auch gegenüber der inländischen Bevölkerung und äußert sich z.B. in der Bedeutung der Wechselkursreagibilität der Inflation und der Geldmengenentwicklung sowie den deutlich stärkeren Ratingabstufungen durch die Ratingagenturen bei Krisen in Schwellenländern. Zudem scheinen die Möglichkeiten der Kriseneindämmung durch im Vergleich mit Industriestaaten schlechter ausgebaute inländische Kapitalmärkte beeinträchtigt zu werden, mit der Folge, daß das Bankensystem oft durch massive Zentralbankkredite gestützt werden muß, was wiederum häufig eine enorme Geldmengenexpansion nach sich zieht und eine Eindämmung der Inflation massiv erschwert. Darüber hinaus ist auch der Staat in Emerging Markets wesentlich eher auf die Finanzierung der zusätzlichen Lasten durch Zentralbankkredite angewiesen. Diese Gegebenheiten beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit eines Staates bei der Kriseneindämmung zusätzlich. Ein weiterer Grund mag in der sehr viel höheren Abhängigkeit/Bedeutung von Auslandskapital liegen. Ein plötzlicher Abzug des Auslandskapitals belastet die inländischen Kapitalmärkte in Emerging Market Economies spürbar stärker als die in Industriestaaten. Last but not least müssen die Notenbanken in vielen Schwellenländern erheblich häufiger den Wünschen und Forderungen der jeweiligen Regierungen nachgeben, was sich oft ebenfalls in massiven Geldmengen- und Zentralbankkreditausweitungen sowie starken realen Aufwertungen der inländischen Währungen vor Ausbruch der entsprechenden Krisen niederschlägt. Vor diesem Hintergrund bestätigen die Ergebnisse der Untersuchung die herausragende Bedeutung einer regierungsunabhängigen, der Währungsstabilität verpflichteten Notenbank, wie sie in der Ordnungsökonomik in der Regel postuliert wird. 305 VII Zusammenfassung und Schlußbetrachtung 306 Literaturverzeichnis Abalkin, A./ Whalley J. 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Aufwertungsindikator II. % % (NWK*Pa/Pi)t-1/(NWK*Pa/Pi)t-6 (NWK*Pa/Pi)t-1/(NWK*Pa/Pi)t-4 Leistungsbilanzdefizite (Kapitel II.B) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UV03 UV04 UV05 UV06 UV07 Handelsindikator I. Handelsindikator II. Handelsindikator III. Handelsindikator IV. Handelsindikator V. % % % % % (LBD/BIP)t-1 (M/X)t-1 (Incdeb/Inccre)t-1 (M/X)t-1*(Incdeb/Inccre)t-1 (NHLBD/BIP) t-1-(LBD/BIP)t-1 Hohe Kapitalimporte und Auslandsverschuldung (Kapitel II.C) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UV08 UV09 Verschuldungsindikator I. Verschuldungsindikator II. Verschuldungsindikator III. Verschuldungsindikator IV. Verschuldungsindikator V. Verschuldungsindikator VI. % % (KAV/R) t-1 (BAV/R) t-1 % ((KAV+SD)/R) t-1 % ((KAV+Aktien)/R) t-1 % ((KAV+SD+Aktien)/R) t-1 % ((BAV+SD)/R) t-1 UV10 UV11 UV12 UV13 335 Hohe Kapitalimporte und Auslandsverschuldung (Kapitel II.C) (Fortsetzung) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UV14 % ((BAV+Aktien)/R) t-1 % ((BAV+SD+Aktien)/R) t-1 % ((BAV-Verb.öff)/R) t-1 % ((BAV-Verb.öff+SD)/R) t-1 % ((BAV-Verb.öff+Aktien)/R) t-1 % ((BAV-Verb.öff+SD+Aktien)/R) t-1 UV20 Verschuldungsindikator VII. Verschuldungsindikator VIII. Verschuldungsindikator IX. Verschuldungsindikator X. Verschuldungsindikator XI. Verschuldungsindikator XII. Bilanzindikator I. % UV21 Bilanzindikator II. % UV22 Bilanzindikator III. % UV23 Bilanzindikator IV. % UV24 Verschuldungsindikator XIII. Verschuldungsindikator XIV. % (NAV(=Auslandsaktiva der Zentralbank und des Finanzsystems-BAV)/BIP) t-1 ((NAV(=Auslandsaktiva der Zentralbank und des Finanzsystems-BAV)-SD)/BIP) t-1 ((NAV(=Auslandsaktiva der Zentralbank und des Finanzsystems-BAV)-Aktien)/BIP) t-1 ((NAV(=Auslandsaktiva der Zentralbank und des Finanzsystems-BAV)-SD-Aktien)/BIP) t-1 (SD/X) t-1 % (BAV/X) t-1 UV15 UV16 UV17 UV18 UV19 UV25 Kapitalexportpotential und Kapitalflucht (Kapitel II.D) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UV26 % (R/M1) t-1 % (R/M2) t-1 % ((KAV+SD+Aktien+M1)/R) t-1 % ((KAV+SD+Aktien+M2)/R) t-1 UV30 Potentialindikator inländische Kapitalexporte I. Potentialindikator inländische Kapitalexporte II. Potentialindikator in/ausländische Kapitalexporte I. Potentialindikator in/ausländische Kapitalexporte II. Kapitalfluchtindikator I. % UV31 Kapitalfluchtindikator II. % ∑ KFt-3 (∆BAV+FDInet + ∆Aktiennet-LBD∆R)/BIP t-1 t-1 ∑ KFt-3 (∆BAV+FDInet + ∆Aktiennet-LBD-∆R)/ M2 t-1 UV27 UV28 UV29 t-1 Budgetdefizite (Kapitel II.F) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UV32 UV33 UV34 UV35 Budgetindikator I. Budgetindikator II. Budgetindikator III. Budgetindikator IV. % % % % (BUD/BIP) t-1 (ZAW/G) t-1 I (T /BIP) t-1 ((BUD-Inv)/BIP) t-1 336 Ungleichgewichte im Finanzsektor (III.A) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UV36 UV37 UV38 UV39 UV40 UV41 UV42 UV43 UV44 UV45 UV46 UV47 Kreditindikator I. Kreditindikator II. Bankenindikator I. Bankenindikator II. Bankenindikator III. Bankenindikator IV. Bankenindikator V. Bankenindikator VI. Bankenindikator VII. Bankenindikator VIII. Kreditindikator III. Kreditindikator IV. % % % % % % % % % % % % (RKREDITPrivat)t-1/(RKREDITPrivat)t-4 (NPL/KREDIT) t-1 (NETAPBank (=AA-AV)/BIP) t-1 (NETAPBank (=AA-AV-LAV)/BIP) t-1 (NETAPBank (=AA-AV-LAV-FWD)/BIP) t-1 (NETAPBank (=AA-AV)/R) t-1 (NETAPBank (=AA-AV-LAV)/R) t-1 (NETAPBank (=AA-AV-LAV-FWD)/R) t-1 (EKBank/Bilanz)) t-1 (LIQUIDVBank/(EKBank+ZBGBank)) t-1 (%RKREDITPrivat(t-1/t-4))-(%BIPreal(t-1/t-4)) (RKREDITPrivat(t-1)/RKREDITPrivat(t-4))/(BIPreal(t-1)/ BIPreal(t-4)) Entwicklungsstand Inländischer Renten- und Aktienmärkte (Kapitel IV.A) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UV48 Kapitalmarktindikator % (Bonds/BIP) t-1 Kapitalverkehrskontrollen (Kapitel IV.C) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UV49 Kapitalverkehrsindikator % ∑t-3 (KapitalBrutto/BIP) t-1 Psychologie (Kapitel V.A) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UV50 UV51 UV52 Verhaltensindikator I. Verhaltensindikator II. Verhaltensindikator III. % Jahre Keine (BIPreal)t-1/(BIPreal)t-4 - Ratingagenturen (Kapitel V.B) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UV53 UV54 Ratingindikatoren I. Ratingindikatoren II. Keine Keine ((Rtg(Md)+Rtg(S&P))mitNRL(t-1))/2 ((Rtg(Md)+Rtg(S&P))ohneNRL(t-1))/2 2 Unverzögerte Regressoren (Unabhängig-Unverzögerte-Variablen [UUVariablen]) jeweils während der Krise Reale Aufwertung der Inlandswährung (Kapitel II.A) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UU01 Aufwertungsindikator III. % Pit+1/Pit-1 337 Hohe Kapitalimporte und Auslandsverschuldung (Kapitel II.C) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UU02 Umschuldungsindikator Keine - Budgetdefizite (Kapitel II.F) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UU03 Budgetindikator V. % (ZBKStaat(t+1)-ZBKStaat(t-1))/BIP Ratingagenturen (Kapitel V.B) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UU04 UU05 Ratingindikator III. Ratingindikator IV. Notches Keine ∆((Rtg(Md)+Rtg(S&P))t)/2 - UU06 UU07 UU08 Ratingindikator V. Ratingindikator VI. Ratingindikator VII. Keine Keine Keine (MinRtg(Md)+MinRtg(S&P))ohneNRL(t) (MinRtg(Md)+MinRtg(S&P))mitNRL(t) Reaktion der politisch Verantwortlichen (Kapitel V.C) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UU09 UU10 UU11 UU12 Geldmengenindikator I. Geldmengenindikator II. Zentralbankindikatoren I. Zentralbankindikatoren II. % % % % M2t+1/M2t-1 (M2t+1/M2t-1)/(BIPt+1/BIPt-1) ZBKBank(t+1)/ZBKBank(t-1) (ZBKBank(t+1)/ZBKBank(t-1))/(Pit+1/Pit-1) 3 Kombinierte Regressoren (bestehend aus unverzögerten und verzögerten Variablen (Unabhängig-Unverzögert-Verzögerte-Variablen [UB-Variablen]) Reale Aufwertung der Inlandswährung (Kapitel II.A) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UB01 Aufwertungsindikator IV. % (NWK*Pa/Pi)t/(NWK*Pa/Pi)t-6*Pit+1/Pit-1 Hohe Kapitalimporte und Auslandsverschuldung (Kapitel II.C) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UB02 erweiterter Verschuldungsindikator I. erweiterter Verschuldungsindikator II. erweiterter Verschuldungsindikator III. erweiterter Verschuldungsindikator IV. erweiterter Verschuldungsindikator V. % KAVt-1/(R t-1+sonstiget) % BAVt-1/(R t-1+sonstiget) % (KAV+SD)t-1/(R t-1+sonstiget) % (KAV+Aktien)t-1/(R t-1+sonstiget) % (KAV+SD+Aktien)t-1/(R t-1+sonstiget) UB03 UB04 UB05 UB06 338 Hohe Kapitalimporte und Auslandsverschuldung (Kapitel II.C) (Fortsetzung) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UB07 erweiterter Verschuldungsindikator VI. erweiterter Verschuldungsindikator VII. erweiterter Verschuldungsindikator VIII. erweiterter Verschuldungsindikator IX. erweiterter Verschuldungsindikator X. erweiterter Verschuldungsindikator XI. erweiterter Verschuldungsindikator XII. erweiterter Verschuldungsindikator XIII. erweiterter Verschuldungsindikator XIV. erweiterter Verschuldungsindikator XV. erweiterter Verschuldungsindikator XVI. erweiterter Verschuldungsindikator XVII. erweiterter Verschuldungsindikator XVIII. erweiterter Verschuldungsindikator XIX. erweiterter Verschuldungsindikator XX. erweiterter Verschuldungsindikator XXI. erweiterter Verschuldungsindikator XXII. erweiterter Verschuldungsindikator XXIII. erweiterter Verschuldungsindikator XXIV. erweiterter Verschuldungsindikator XXV. erweiterter Verschuldungsindikator XXVI. erweiterter Verschuldungsindikator XXVII. erweiterter Verschuldungsindikator XXVIII. erweiterter Verschuldungsindikator XXIX. erweiterter Verschuldungsindikator XXX. erweiterter Verschuldungsindikator XXXI. erweiterter Verschuldungsindikator XXXII. erweiterter Verschuldungsindikator XXXIII. % (BAV+SD)t-1/(R t-1+sonstiget) % (BAV+Aktien)t-1/(R t-1+sonstiget) % (BAV+SD+Aktien)t-1/(R t-1+sonstiget) % (BAV-Verb.öff)t-1/(R t-1+sonstiget) % (BAV-Verb.öff+SD)t-1/(R t-1+sonstiget) % (BAV-Verb.öff+Aktien)t-1/(R t-1+sonstiget) % (BAV-Verb.öff+SD+Aktien)t-1/(R t-1+sonstiget) % (KAV)t-1/(Rt-1+IWFt) % (KAV)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (KAV+SD)t-1/(Rt-1+IWFt) % (KAV+SD)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (KAV+Aktien)t-1/(Rt-1+IWFt) % (KAV+Aktien)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (KAV+SD+Aktien)t-1/(Rt-1+IWFt) % (KAV+SD+Aktien)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (BAV)t-1/(R t-1+IWFt) % (BAV)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (BAV+SD)t-1/(Rt-1+IWFt) % (BAV+SD)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (BAV+Aktien)t-1/(Rt-1+IWFt) % (BAV+Aktien)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (BAV+SD+Aktien)t-1/(Rt-1+IWFt) % (BAV+SD+Aktien)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (BAV-Verb.öff)t-1/(Rt-1+IWFt) % (BAV-Verb.öff)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (BAV-Verb.öff+SD)t-1/(Rt-1+IWFt) % (BAV-Verb.öff+SD)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (BAV-Verb.öff+Aktien)t-1/(Rt-1+IWFt) UB08 UB09 UB10 UB11 UB12 UB13 UB14 UB15 UB16 UB17 UB18 UB19 UB20 UB21 UB22 UB23 UB24 UB25 UB26 UB27 UB28 UB29 UB30 UB31 UB32 UB33 UB34 339 Hohe Kapitalimporte und Auslandsverschuldung (Kapitel II.C) (Fortsetzung) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UB35 erweiterter Verschuldungsindikator XXXIV. erweiterter Verschuldungsindikator XXXV. erweiterter Verschuldungsindikator XXXVI. erweiterter Verschuldungsindikator XXXVII. erweiterter Verschuldungsindikator XXXVIII. erweiterter Verschuldungsindikator XIL. erweiterter Verschuldungsindikator XL. erweiterter Verschuldungsindikator IXL. erweiterter Verschuldungsindikator VIIIL. erweiterter Verschuldungsindikator VIIL. erweiterter Verschuldungsindikator VIL. % (BAV-Verb.öff+Aktien)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (BAV-Verb.öff+SD+Aktien)t-1/(Rt-1+IWFt) % % (BAV-Verb.öff+SD+Aktien)t-1/ (Rt-1+sonstiget+IWFt) (KAV)t-1/(Rt-1+IWFZusagent) % (KAV)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFZusagent) % (KAV+SD)t-1/(Rt-1+IWFZusagent) % (KAV+SD)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFZusagent) % (KAV+Aktien)t-1/(Rt-1+IWFZusagent) % (KAV+Aktien)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFZusagent) % (KAV+SD+Aktien)t-1/(Rt-1+IWFZusagent) % (KAV+SD+Aktien)t-1/ (Rt-1+sonstiget+IWFZusagent) UB36 UB37 UB38 UB39 UB40 UB41 UB42 UB43 UB44 UB45 Kapitalexportpotential und Kapitalflucht (Kapitel II.D) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UB46 erweiterter Potentialindikator inländische Kapitalexporte I. erweiterter Potentialindikator inländische Kapitalexporte II. erweiterter Potentialindikator inländische Kapitalexporte III. erweiterter Potentialindikator inländische Kapitalexporte IV. Erweiterter Potentialindikator inländische Kapitalexporte V. Erweiterter Potentialindikator inländische Kapitalexporte VI. Erweiterter Potentialindikator inländische Kapitalexporte VII. Erweiterter Potentialindikator inländische Kapitalexporte VIII. Erweiterter Potentialindikator inländische Kapitalexporte IX. % (Rt-1+sonstiget)/M1t-1 % (Rt-1+sonstiget)/M2t-1 % (Rt-1+IWFt)/M1t-1 % (Rt-1+IWFt)/M2t-1 % (Rt-1+sonstiget+IWFt)/M1t-1 % (Rt-1+sonstiget+IWFt)/M2t-1 % (Rt-1+IWFZusagent)/M1t-1 % (Rt-1+IWFZusagent)/M2t-1 % (Rt-1+sonstiget+IWFZusagent)/M1t-1 UB47 UB48 UB49 UB50 UB51 UB52 UB53 UB54 340 Kapitalexportpotential und Kapitalflucht (Kapitel II.D) (Fortsetzung) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UB55 Erweiterter Potentialindikator inländische Kapitalexporte X. Erweiterter Potentialindikator in-/ausländische Kapitalexporte I. Erweiterter Potentialindikator in-/ausländische Kapitalexporte II. Erweiterter Potentialindikator in-/ausländische Kapitalexporte III. Erweiterter Potentialindikator in-/ausländische Kapitalexporte IV. % (Rt-1+sonstiget+IWFZusagent)/M2t-1 % (KAV+SD+Aktien+M1)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (KAV+SD+Aktien+M2)t-1/(Rt-1+sonstiget+IWFt) % (KAV+SD+Aktien+M1)t-1/(Rt-1+IWFZusagent) % (KAV+SD+Aktien+M2)t-1/(Rt-1+IWFZusagent) Formale Definition UB56 UB57 UB58 UB59 Devisenreserven (Kapitel II.E) Variable Kurzbezeichnung Einheit UB60 UB61 Devisenindikator I. Devisenindikator II. Mrd. US-$ % IWFZusagen/KAV Ungleichgewichte im Finanzsektor (III.A) Variable Kurzbezeichnung Einheit Formale Definition UB62 Aktienmarktindikator Keine Aktidxt/Aktidxt-1 341 Abkürzungsverzeichnis für Anhang A1 AA Aktidx Aktien Aktiennet AV BAV Bilanz %BIPreal(t-1/t-4) BIP BIPreal Bonds BUD EKBank FDInet FWD G Inccre Incdeb Inv IWF IWFZusagen KapitalBrutto KAV KF KREDIT LAV LBD LIQUIDVBank M M1/M2 Max. Md NAV NETAPBank NHLBD NPL NRL NWK Pa Pi R %RKREDIT Privat(t-1/t-4) RKREDITPrivat Rtg SD sonstige t t-n t+n i T Verb.öff X ZAW ZBGBank ZBKBank ZBKStaat = Auslandsaktiva = inländischer Aktienindex = Aktienbestände in den Händen von Ausländern = Nettoaktieninvestitionen = Auslandsverbindlichkeiten = Bruttoauslandsverschuldung = Bilanzsumme (ohne sonstige Komponenten) = Prozentuale Veränderung des realen BIP zwischen t-4 und t-1 = Bruttoinlandsprodukt = Bruttoinlandsprodukt real = Ausstehendes Volumen an inländischen Bonds = Budgetdefizit = Eigenkapital des Bankensektors = Nettodirektinvestitionen = Fremdwährungsdepositen = gesamte Staatsausgaben = Income-balance credit = Income-balance debit = staatlichen Investitionen = gewährte IWF und Weltbankkredite während der Krise = Kreditzusagen des IWF vor bzw. während einer Krise = Bruttokapitalströme = Kurzfristige Auslandsverschuldung = Kapitalflucht = Gesamtsumme ausstehende Kredite = Langfristige Auslandsverbindlichkeiten (Bankensektor) = Leistungsbilanzdefizit = Liquide Verbindlichkeiten des Bankensektors = Importe = Geldmengen M1/M2 = Maximum = Moody´s Investor Service = Nettoauslandsverbindlichkeiten = Nettoauslandsposition des Bankensektors = Nachhaltiges Leistungsbilanzdefizit = Notleidende Kredite = Non-Rating-Länder = Nominaler Wechselkurs = Preisniveau Ausland = Preisniveau Inland = Devisenreserven = Prozentuale Veränderung des realen Kreditvolumens an Private zwischen t-4 und t-1 = Kreditvergabe an den Privatsektor (reale Größen) = Rating = Schuldendienst auf langfristige Auslandsverschuldung = sonstige an die Zentralbank gewährte Kredite während einer Krise = Krisenperiode = n Perioden vor Krisenausbruch = n Perioden nach Krisenausbruch = gesamte Staatseinnahmen = Verbindlichkeiten gegenüber öffentlichen Gläubigern = Exporte = Zinsaufwendungen = Zentralbankguthaben des Bankensektors = Zentralbankkredite an den Bankensektor = Zentralbankkredite an den Staat 342 A2: Einfache Rangkorrelationskoeffizienten aus allen Stichproben 1 = alle 2 = Nur Emerging Markets 3 = Nur Industriestaaten 4 = Schwere Krisen 5 = leichte Krisen 6 = Krisenausbruch vor 1997 7 = Krisenausbruch ab 1997 Regressor UB01 UB02 UB03 UB04 UB05 UB06 UB07 UB08 UB09 UB10 UB11 UB12 UB13 UB14 UB15 UB16 UB17 UB18 UB19 UB20 UB21 UB22 UB23 UB24 UB25 UB26 UB27 UB28 UB29 UB30 UB31 UB32 UB33 UB34 UB35 UB36 UB37 UB38 UB39 UB40 UB41 UB42 UB43 UB44 UB45 UB46 UB47 UB48 UB49 UB50 UB51 UB52 UB53 UB54 UB55 erw. Vorz. 1 + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + - Maximale Abwertungsrate 3 4 5 6 7 1 2 Abwertung am Krisenende 3 4 5 6 7 -0,50** -0,53** -0,42 -0,28* -0,57** -0,60** -0,49* -0,44** 0,09 0,09 - 0,09 -0,02 -0,10 0,25 0,06 0,06 - 0,05 -0,16 -0,10 0,17 0,02 0,14 -,019 0,08 -0,15 -0,17 0,21 0,02 0,13 -0,32 0,13 -0,28 -0,18 0,41 2 -0,65** -0,21 -0,70** -0,69** -0,41** -0,69** 0,10 0,10 - 0,06 0,01 -0,17 0,33* 0,05 0,05 - 0,02 -0,23 -0,17 0,18 -0,02 -0,02 - 0,05 -0,01 -0,16 0,14 -0,07 -0,07 - -0,02 -0,16 -0,15 0,01 0,03 0,03 - 0,07 0,00 -0,18 0,22 -0,03 0,03 - 0,00 -0,17 -0,18 0,06 0,12 0,13 - 0,20 -0,07 -0,09 0,29* 0,11 0,12 - 0,21 -0,22 -0,09 0,20 -0,04 0,08 -0,21 0,05 -0,14 -0,22 0,14 -0,04 0,06 -0,32 0,09 -0,27 -0,23 0,07 0,07 0,08 - 0,17 -0,07 -0,11 0,21 0,05 0,06 - 0,18 -0,25 -0,12 0,11 0,30** 0,30** - 0,30* 0,02 0,18 0,42** 0,24* 0,25* - 0,28 -0,26 0,17 0,26 0,25* 0,26* - 0,24 0,01 0,10 0,39** 0,19 0,20 - 0,21 -0,26 0,09 0,21 0,22 0,22* - 0,24 0,01 0,14 0,32* 0,16 0,17 - 0,21 -0,21 0,12 0,17 0,19 0,19 - 0,23 0,01 0,06 0,31* 0,13 0,13 - 0,20 -0,24 0,05 0,15 0,18 0,19 - 0,09 0,19 0,19 0,20 0,12 0,12 - 0,16 -0,10 0,18 0,11 0,16 0,16 - 0,10 0,15 0,16 0,19 0,11 0,11 - 0,07 -0,08 0,15 0,11 0,20 0,21 - 0,05 0.23 0,11 0,29* 0,12 0,12 - 0,04 -0,16 0,09 0,13 0,15 0,16 - 0,02 0,23 0,05 0,24 0,08 0,08 - 0,01 -0,14 0,03 0,08 0,07 0,08 - 0,07 0,19 0,10 0,07 -0,02 -0,02 - 0,00 -0,10 0,10 -0,08 -0,14 0,03 0,03 - 0,06 0,17 0,05 0,01 -0,07 -0,07 - -0,03 -0,08 0,05 0,12 0,12 - 0,06 0,23 0,07 0,18 0,02 0,03 - 0,01 -0,15 0,06 0,02 0,08 0,08 - 0,05 0,24 0,00 0,13 -0,02 -0,01 - -0,00 -0,13 -0,01 -0,04 0,02 0,17 -0,17 -0,06 -0,04 -0,05 0,09 0,01 0,15 -0,30 0,03 -0,30 -0,08 0,04 0,01 0,16 -0,19 -0,04 -0,09 -0,03 0,07 0,01 0,15 -0,32 0,05 -0,32* -0,06 0,04 0,16 0,17 - 0,10 0,13 0,17 0,19 0,13 0,14 - 0,15 -0,21 0,15 0,10 0,14 0,15 - 0,09 0,09 0,19 0,15 0,12 0,13 - 0,13 -0,19 0,18 0,09 -0,01 0,14 -0,18 -0,07 0,02 -0,07 0,04 -0,03 0,10 -0,29 0,01 -0,29 -0,11 -0,03 -0,03 0,10 -0,21 -0,07 -0,00 -0,06 0,00 -0,05 0,07 -0,32 0,00 -0,31* -0,10 -0,06 0,13 0,14 - 0,10 0,19 0,18 0,14 0,09 0,10 - 0,14 -0,21 0,16 0,04 0,09 0,10 - 0,06 0,16 0,16 0,07 0,06 0,07 - 0,09 -0,20 0,14 -0,01 0,39** 0,40** - 0,24 0,31 0,49** 0,31* 0,28* 0,29** - 0,23 -0,22 0,46** 0,12 0,36** 0,36** - 0,23 0,31 0,44* 0,30* 0,25* 0,25* - 0,21 -0,22 0,41* 0,10 0,35** 0,35** - 0,18 0,30 0,46** 0,28 0,24* 0,25* - 0,17 -0,22 0,43* 0,08 0,33** 0,34** - 0,18 0,32 0,42* 0,27 0,23* 0,24* - 0,17 -0,18 0,40* 0,07 0,34** 0,35** - 0,22 0,27 0,50** 0,23 0,24* 0,24* - 0,20 -0,21 0,47** 0,05 0,30** 0,30** - 0,21 0,30 0,42* 0,19 0,20 0,20 - 0,18 -0,17 0,40* 0,02 0,31** 0,32** - 0,20 0,27 0,43* 0,22 0,21 0,22 - 0,19 -0,21 0,40* 0,04 0,27* 0,28* - 0,17 0,29 0,38* 0,19 0,18 0,19 - 0,16 -0,18 0,36* 0,01 0,00 0,00 - -0,04 -0,04 -0,14 0,09 -0,01 -0,01 - -0,05 -0,17 -0,14 0,05 -0,03 -0,03 - -0,05 -0,05 -0,19 0,06 -0,04 -0,04 - -0,08 -0,17 -0,19 0,03 -0,01 -0,01 - -0,11 0,01 -0,23 0,16 -0,05 -0,05 - -0,11 -0,24 -0,23 0,05 -0,05 -0,05 - -0,11 0,00 -0,25 0,12 -0,08 -0,08 - -0,11 -0,25 -0,24 0,02 -0,09 -0,09 - -0,10 -0,04 -0,17 -0,04 -0,12 -0,12 - -0,13 -0,16 -0,17 -0,12 -0,15 -0,15 - -0,09 -0,04 -0,24 -0,09 -0,18 -0,18 - -0,14 -0,20 -0,24 -0,17 -0,07 -0,07 - -0,11 0,02 -0,24 0,08 -0,12 -0,11 - -0,13 -0,21 -0,25 -0,05 -0,12 -0,12 - -0,11 -0,00 -0,27 0,01 -0,17 -0,16 - -0,15 -0,22 -0,27 -0,11 0,18 0,14 0,05 0,12 0,19 0,31* 0,14 0,15 0,10 0,18 0,10 0,13 0,31* 0,10 0,08 0,05 0,16 0,12 0,15 0,19 -0,04 0,07 0,08 0,24 0,10 0,23 0,16 0,05 0,19 0,14 0,06 0,21 0,14 0,21 0,23 0,16 0,10 0,19 0,15 0,13 0,23 0,16 0,04 -0,00 0,13 0,19 -0,02 0,01 0,09 0,05 0,04 0,22 0,14 0,18 0,00 0,15 0,22* 0,18 0,07 0,21 0,16 0,26 0,25 0,19 0,14 0,21 0,16 0,13 0,27 0,18 0,07 0,06 0,16 0,21 0,01 0,03 0,12 0,08 0,10 0,24 0,17 0,18 0,03 0,17 0,26** 0,23* 0,07 0,28* 0,23 0,36* 0,27* 0,21* 0,16 0,20 0,21 0,18 0,36* 0,17 0,16 0,17 0,12 0,27* 0,17 0,20 0,15 0,14 0,18 0,20 0,21 0,26 0,18 0,19 0,29** 0,28* 0,05 0,28* 0,25 0,41** 0,28* 0,24* 0,22* 0,18 0,23 0,16 0,41** 0,19 0,19 0,21 0,16 0,27* 0,18 0,24 0,18 0,17 0,22* 0,24 0,23 0,24 0,22 0,21 343 Einfache Rangkorrelationskoeffizienten aus allen Stichproben (Fortsetzung) 1 2 3 4 5 6 7 erw. RegressoVorz. UB56 + UB57 UB58 UB59 UB60 UB61 UB62 UU01 UU02 UU03 UU04 UU05 UU06 UU07 UU08 UU09 UU10 UU11 UU12 UV01 UV02 UV03 UV04 UV05 UV06 UV07 UV08 UV09 UV10 UV11 UV12 UV13 UV14 UV15 UV16 UV17 UV18 UV19 UV20 UV21 UV22 UV23 UV24 UV25 UV26 UV27 UV28 UV29 UV30 UV31 UV32 UV33 UV34 UV35 UV36 + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + = = = = = = = alle Nur Emerging Markets Nur Industriestaaten Schwere Krisen leichte Krisen Krisenausbruch vor 1997 Krisenausbruch ab 1997 1 -0,04 2 -0,04 Maximale Abwertungsrate 3 4 5 6 -0,05 0,05 -0,07 -0,04 -0,04 - -0,04 0,18 0,02 -0,06 -0,09 -0,09 - -0,09 -0,03 0,02 -0,17 -0,16 -0,16 - -0,17 -0,07 -0,33 -0,06 -0,16 -0,16 - -0,17 -0,13 -0,32 -0,11 7 -0,02 1 -0,08 2 -0,07 Abwertung am Krisenende 3 4 5 -0,08 -0,11 6 -0,06 7 -0,10 -0,18 -0,17 - -0,18 -0,05 -0,26 -0,12 -0,19 -0,18 - -0,19 -0,13 -0,27 -0,16 0,45** 0,45** - 0,42** 0,24 0,37* 0,55** 0,38** 0,38** - 0,33* 0,14 0,39** 0,41** 0,45** 0,46** - 0,44** 0,23 0,32 0,55** 0,40** 0,40** - 0,39** 0,09 0,33 0,45** -0,23* -0,27* -0,09 -0,13 0,13 0,10 -0,47** -0,19 -0,22 -0,10 -0,03 0,08 0,04 -0,37* 0,53** 0,54** 0,31 0,65** 0,06 0,61** 0,55** 0,58** 0,25 0,66** 0,14 0,60** 0,54** 0,54** 0,25* 0,23* - 0,34** 0,28 0,19 0,32* 0,22* 0,21 - 0,31* 0,17 0,16 0,28* 0,36** 0,34** 0,33 0,43** 0,12 0,22 0,49** 0,36** 0,34** 0,30 0,45** 0,06 0,23 0,46** 0,46** 0,44** 0,35 0,35* -0,01 0,22 0,60** 0,47** 0,46** 0,32 0,30* 0,17 0,25 0,65** 0,46** 0,44** - 0,44** 0,05 0,31 0,59** 0,45** 0,44** - 0,34* 0,30 0,33 0,61** 0,25* 0,24 - 0,12 0,21 0,21 0,29* 0,24* 0,24 - 0,10 0,30 0,21 0,31* 0,45** 0,44** 0,27 0,63** 0,14 0,36* 0,61** 0,42** 0,43** 0,27 0,57** 0,21 0,42* 0,57** 0,21* 0,11 0,27 0,20 0,19 0,13 0,38** 0,23* 0,18 0,27 0,18 0,32* 0,15 0,41** 0,40** 0,41** 0,14 0,53** 0,15 0,42** 0,44** 0,42** 0,45** 0,26 0,52** 0,25 0,40** 0,44** 0,46** 0,46** 0,33 0,56** 0,16 0,41** 0,51** 0,44** 0,46** 0,46 0,52** 0,26 0,41** 0,45** 0,34** 0,36** 0,36 0,46** -0,20 0,41** 0,27* 0,38** 0,42** 0,39 0,48** -0,08 0,43** 0,36** 0,03 0,03 0,27 0,10 -0,16 -0,07 0,11 0,08 0,09 0,32 0,14 -0,06 -0,06 0,22 -0,28** -0,28* -0,32 -0,44** -0,19 -0,51** -0,04 -0,35** -0,35** -0,42 -0,48** -0,38* -0,51** -0,24 -0,25* -0,24* -0,26 -0,36** -0,07 -0,40** -0,08 -0,30** -0,29** -0,33 -0,38** -0,18 -0,40** -0,18 -0,08 -0,07 -0,12 0,08 0,18 0,06 -0,18 -0,03 -0,01 -0,13 0,15 0,08 0,01 -0,10 -0,11 -0,13 -0,01 -0,09 -0,19 -0,22 0,01 -0,08 -0,11 0,08 -0,07 -0,16 -0,16 0,04 0,15 0,05 0,27 0,14 0,20 0,05 0,25 0,11 0,02 0,22 0,12 0,11 0,06 0,13 0,14 0,06 0,30 0,14 0,17 0,06 0,24 0,11 0,02 0,27 0,11 0,07 0,08 0,13 -0,16 -0,16 -0,25 0,04 0,05 -0,04 -0,23 -0,17 -0,17 -0,23 0,01 0,09 -0,08 -0,27* 0,13 0,13 - 0,10 -0,00 -0,07 0,27 0,10 0,10 - 0,08 -0,16 -0,07 0,19 0,04 0,17 -0,17 0,08 -0,15 -0,20 0,25 0,04 0,16 -0,30 0,14 -0,29 -0,20 0,18 0,15 0,15 - 0,10 0,03 -0,11 0,38** 0,10 0,10 - 0,07 -0,21 -0,11 0,22 0,04 0,04 - 0,06 -0,01 -0,10 0,17 -0,02 -0,02 - 0,00 -0,16 -0,10 0,03 0,09 0,09 - 0,10 0,03 -0,13 0,30* 0,02 0,02 - 0,04 -0,18 -0,13 0,13 0,15 0,16 - 0,20 -0,11 -0,11 0,34* 0,14 0,14 - 0,22 -0,26 -0,11 0,25 -0,00 0,12 -0,18 0,06 -0,11 -0,24 0,19 -0,01 0,10 -0,29 0,11 -0,26 -0,24 0,12 0,12 0,12 - 0,21 -0,07 -0,12 0,28* 0,10 0,11 - 0,22 -0,22 -0,13 0,19 0,31** 0,32** - 0,31* 0,03 0,19 0,43** 0,25* 0,25* - 0,27* -0,28 0,17 0,26 0,25* 0,26* - 0,24 0,01 0,10 0,39** 0,19 0,20 - 0,21 -0,26 0,09 0,21 0,25* 0,26* - 0,29* -0,05 0,14 0,35* 0,18 0,19 - 0,25 -0,29 0,13 0,19 0,21 0,21 - 0,25 0,08 0,07 0,34* 0,14 0,15 - 0,21 -0,27 0,06 0,18 -0,05 -0,04 -0,08 -0,12 -0,02 -0,04 -0,07 -0,03 -0,00 -0,07 -0,11 0,07 -0,06 0,03 -0,03 -0,04 - -0,14 0,03 0,05 -0,11 0,01 0,00 - -0,12 0,20 0,06 -0,01 -0,03 -0,01 -0,07 -0,11 -0,08 -0,02 -0,04 0,02 0,06 -0,04 -0,09 0,09 -0,04 0,09 -0,01 -0,01 - -0,11 -0,03 0,07 -0,09 0,06 0,06 - -0,07 0,28 0,09 0,07 0,15 0,16 - 0,09 0,08 -0,20 0,30* 0,09 0,09 - 0,11 -0,31 -0,21 0,16 0,04 0,14 -0,31 0,17 -0,13 -0,05 0,09 0,02 0,10 -0,28 0,23 -0,33* -0,06 0,02 0,12 0,07 0,07 0,10 0,17 0,24 0,10 0,09 0,04 0,20 0,06 0,16 0,24 0,06 0,02 -0,03 0,12 0,07 0,12 0,14 -0,09 0,02 0,02 0,20 0,04 0,25 0,11 0,01 0,04 0,05 - 0,05 -0,02 -0,21 0,23 0,01 0,01 - 0,02 -0,10 -0,20 0,10 0,05 0,05 - 0,10 0,02 -0,09 0,19 0,00 0,01 - 0,05 -0,11 -0,09 0,05 0,00 0,13 0,10 -0,12 -0,18 0,02 -0,06 -0,03 0,06 0,19 -0,12 -0,21 0,02 -0,11 0,08 0,19 0,07 -0,02 -0,15 0,08 0,08 0,04 0,12 0,13 -0,02 -0,26 0,07 0,01 -0,11 -0,11 -0,31 0,00 0,15 0,06 -0,19 -0,18 -0,19 -0,28 -0,13 0,05 0,04 -0,32* 0,10 0,08 0,20 0,29* 0,00 0,06 0,16 0,08 0,07 0,17 0,30* -0,06 0,06 0,07 -0,10 -0,08 0,51* -0,26 0,11 -0,00 -0,25 -0,13 -0,16 0,50* -0,21 -0,18 0,01 -0,36* -0,14 -0,17 -0,13 -0,22 0,09 -0,01 -0,25 -0,19 -0,23 -0,07 -0,33* 0,10 -0,02 -0,31* -0,16 -0,16 -0,14 -0,04 0,00 -0,18 -0,10 -0,20* -0,20 -0,06 -0,10 -0,09 -0,16 -0,16 344 Einfache Rangkorrelationskoeffizienten aus allen Stichproben (Fortsetzung) 1 = alle 2 = Nur Emerging Markets 3 = Nur Industriestaaten 4 = Schwere Krisen 5 = leichte Krisen 6 = Krisenausbruch vor 1997 7 = Krisenausbruch ab 1997 Regressor UV37 UV38 UV39 UV40 UV41 UV42 UV43 UV44 UV45 UV46 UV47 UV48 UV49 UV50 UV51 UV52 UV53 UV54 erw. Vorz. 1 0,10 + + + + +/+ + + + + 2 0,02 Maximale Abwertungsrate 3 4 5 6 0,19 0,28 -0,23 0,00 7 0,15 1 0,09 2 0,03 Abwertung am Krisenende 3 4 5 6 0,23 0,21 0,08 0,06 7 0,14 0,02 -0,11 0,20 -0,02 0,22 0,30* -0,15 0,07 -0,00 0,17 0,03 0,33* 0,29 0,02 -0,01 -0,13 0,20 0,02 0,22 0,27 -0,18 0,06 -0,01 0,17 0,07 0,36* 0,26 0,01 -0,05 -0,18 0,20 -0,05 0,06 0,15 -0,14 0,01 -0,07 0,17 -0,01 0,21 0,14 -0,11 0,10 -0,01 0,30 0,05 0,21 0,41** -0,18 0,14 0,07 0,41 0,07 0,30 0,40** -0,07 0,12 0,02 0,30 0,12 0,28 0,46** -0,18 0,15 0,09 0,41 0,12 0, 36* 0,44** -0,06 0,03 -0,10 0,30 -0,01 0,16 0,33* -0,22 0,06 -0,04 0,41 -0,02 0,26 0,31* -0,13 0,06 -0,09 0,16 0,16 0,31 -0,01 0,10 -0,02 -0,11 0,13 0,09 0,37* -0,04 0,10 0,06 0,12 -0,04 -0,11 -0,19 -0,09 0,10 0,08 0,15 -0,18 -0,05 -0,18 -0,08 0,14 -0,14 -0,14 -0,17 -0,04 0,01 -0,20 -0,07 -0,19 -0,19 -0,10 -0,09 -0,14 -0,18 -0,14 -0,15 -0,15 -0,19 -0,04 0,03 -0,20 -0,09 -0,19 -0,19 -0,11 -0,09 -0,14 -0,18 -0,15 -0,22 -0,19 -0,18 -0,21 -0,10 -0,05 -0,33 -0,24 -0,25 -0,20 -0,19 -0,13 -0,10 -0,36 -0,06 0,02 -0,21 -0,04 -0,22 -0,04 -0,14 -0,12 -0,09 -0,17 -0,08 -0,40* -0,03 -0,22 -0,21 -0,09 -0,10 -0,25 -0,30* -0,28** -0,30** -0,14 -0,16 0,15 -0,23 -0,28* -0,29** -0,31** 0,12 0,06 - 0,35** 0,12 0,23 0,08 0,10 0,05 - 0,30* 0,11 0,23 0,02 0,21* 0,15 0,39 0,20 0,30 0,46** 0,04 0,18 0,13 0,32 0,20 0,21 0,43** -0,00 0,13 0,01 0,22 0,12 0,19 0,12 0,24 0,16 0,08 0,21 0,11 0,30 0,13 0,25 0,32** 0,25 0,22 0,48** 0,16 0,33 0,42** 0,30** 0,24 0,21 0,44** 0,18 0,38* 0,37** 345 Einfache Rangkorrelationskoeffizienten aus allen Stichproben (Fortsetzung) 1 = alle 2 = Nur Emerging Markets 3 = Nur Industriestaaten 4 = Schwere Krisen 5 = leichte Krisen 6 = Krisenausbruch vor 1997 7 = Krisenausbruch ab 1997 Regressor UB01 UB02 UB03 UB04 UB05 UB06 UB07 UB08 UB09 UB10 UB11 UB12 UB13 UB14 UB15 UB16 UB17 UB18 UB19 UB20 UB21 UB22 UB23 UB24 UB25 UB26 UB27 UB28 UB29 UB30 UB31 UB32 UB33 UB34 UB35 UB36 UB37 UB38 UB39 UB40 UB41 UB42 UB43 UB44 UB45 UB46 UB47 UB48 UB49 UB50 UB51 UB52 UB53 UB54 UB55 erw. Vorz. 1 -0,48** - Durchschnittliche Abwertungsrate 2 3 4 5 6 -0,52** -0,27 -0,60** -0,18 -0,65** + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + - 0,09 0,08 - 0,07 -0,03 -0,09 0,21 0,08 0,08 - 0,07 -0,08 -0,08 0,21 0,02 0,12 -0,06 0,12 -0,25 -0,14 0,16 0,00 0,12 -0,21 0,11 -0,26 -0,17 0,15 0,09 0,09 - 0,07 -0,09 -0,16 0,27 0,08 0,08 - 0,04 -0,11 -0,16 0,26 -0,02 -0,02 - 0,06 -0,04 -0,14 0,12 -0,04 -0,04 - 0,02 -0,09 -0,14 0,09 0,02 0,02 - 0,09 -0,07 -0,17 0,18 -0,00 -0,00 - 0,04 -0,10 -0,17 0,14 0,11 0,11 - 0,21 -0,18 -0,10 0,23 0,10 0,11 - 0,20 -0,17 -0,09 0,22 -0,03 0,06 -0,09 0,01 -0,22 -0,19 0,01 -0,05 0,05 -0,22 0,07 -0,24 -0,22 0,08 0,06 0,06 - 0,18 -0,18 -0,13 0,16 0,05 0,05 - 0,16 -0,19 -0,11 0,14 0,29** 0,29** - 0,31* -0,06 0,17 0,36* 0,27* 0,27* - 0,30* -0,13 0,17 0,34* 0,24* 0,24* - 0,25 -0,09 0,08 0,33* 0,22* 0,22* - 0,23 -0,14 0,09 0,30* 0,21 0,21 - 0,26 -0,07 0,12 0,27 0,19 0,19 - 0,23 -0,13 0,13 0,24 0,18 0,18 - 0,25 -0,10 0,05 0,26 0,16 0,16 - 0,22 -0,15 0,05 0,22 0,17 0,16 - 0,04 0,18 0,20 0,15 0,16 0,16 - 0,07 0,09 0,19 0,15 0,14 0,14 - 0,05 0,13 0,15 0,14 0,14 0,14 - 0,08 0,05 0,16 0,14 0,18 0,17 - 0,04 0,12 0,12 0,22 0,17 0,17 - 0,04 0,06 0,10 0,21 0,12 0,12 - -0,01 0,10 0,04 0,16 0,11 0,12 - -0,00 0,06 0,04 0,15 0,05 0,05 - 0,04 0,18 0,11 0,02 0,04 0,04 - 0,03 0,09 0,10 0,00 0,01 0,01 - 0,02 0,13 0,05 -0,03 -0,01 -0,01 - 0,01 0,05 0,06 -0,06 0,10 0,10 - 0,05 0,14 0,09 0,13 0,08 0,08 - 0,03 0,06 0,07 0,10 0,05 0,05 - 0,03 0,12 0,00 0,07 0,03 0,03 - 0,02 0,06 0,00 0,04 0,02 0,14 -0,05 -0,02 -0,11 -0,02 0,04 0,00 0,15 -0,19 -0,02 -0,19 -0,08 0,03 7 -0,31* 1 -0,53** 2 -0,56** Summer der vorherigen 3 4 5 6 -0,44 -0,69** -0,32* -0,69** 7 -0,35** 0,00 0,12 -0,06 -0,01 -0,18 -0,00 0,01 -0,00 0,14 -0,21 0,00 -0,24 -0,05 0,02 0,14 0,14 - 0,11 0,00 0,16 0,12 0,13 0,14 - 0,11 -0,04 0,15 0,12 0,11 0,11 - 0,1 -0,07 0,16 0,07 0,11 0,12 - 0,10 -0,07 0,18 0,09 -0,01 0,11 -0,06 -0,02 -0,07 -0,04 -0,01 -0,03 0,11 -0,19 -0,03 -0,15 -0,10 -0,02 -0,04 0,07 -0,09 -0,02 -0,11 -0,03 -0,05 -0,05 0,07 -0,22 -0,03 -0,18 -0,08 -0,06 0,12 0,11 - 0,11 0,06 0,18 0,07 0,11 0,11 - 0,11 -0,00 0,17 0,06 0,07 0,07 - 0,07 0,01 0,14 0,00 0,06 0,07 - 0,07 -0,03 0,15 0,00 0,37** 0,36** - 0,22 0,19 0,48** 0,24 0,34** 0,35** - 0,23 0,06 0,47** 0,21 0,33** 0,32** - 0,21 0,15 0,42* 0,21 0,31** 0,31** - 0,22 0,04 0,42* 0,19 0,32** 0,32** - 0,17 0,15 0,45** 0,2 0,30** 0,31** - 0,16 0,04 0,44** 0,17 0,30** 0,30** - 0,17 0,14 0,41* 0,18 0,29** 0,29** - 0,18 0,06 0,40* 0,16 0,32** 0,32** - 0,22 0,15 0,49** 0,16 0,30** 0,30** - 0,21 0,03 0,48** 0,13 0,27* 0,27* - 0,19 0,15 0,40* 0,12 0,25* 0,25* - 0,19 0,05 0,40* 0,09 0,28** 0,28* - 0,19 0,12 0,43* 0,15 0,26* 0,27* - 0,19 0,02 0,41* 0,12 0,25* 0,24* - 0,17 0,14 0,37* 0,11 0,23* 0,23* - 0,16 0,04 0,37* 0,08 0,01 0,01 - -0,05 -0,00 -0,12 0,08 0,00 0,00 - -0,05 -0,08 -0,13 0,07 -0,03 -0,03 - -0,06 -0,03 -0,20 0,05 -0,04 -0,04 - -0,07 -0,10 -0,19 0,04 -0,01 -0,02 - -0,09 -0,06 -0,21 0,12 -0,03 -0,03 - -0,10 -0,11 -0,23 0,10 -0,06 -0,06 - -0,09 -0,08 -0,25 0,08 -0,07 -0,07 - -0,10 -0,13 -0,24 0,06 -0,08 -0,08 - -0,08 0,00 -0,16 -0,03 -0,10 -0,10 - -0,11 -0,08 -0,16 -0,07 -0,14 -0,14 - -0,08 -0,00 -0,24 -0,09 -0,16 -0,16 - -0,11 -0,12 -0,23 -0,12 -0,06 -0,07 - -0,08 -0,02 -0,22 0,05 -0,09 -0,09 - -0,11 -0,09 -0,24 0,02 -0,11 -0,12 - -0,09 -0,06 -0,26 -0,01 -0,14 -0,14 - -0,13 -0,12 -0,26 -0,05 0,15 0,10 0,06 0,03 0,20 0,26 0,11 0,17 0,13 0,10 0,11 0,21 0,31* 0,14 0,07 0,03 0,17 0,06 0,20 0,15 -0,02 0,08 0,06 0,18 0,11 0,23 0,17 0,01 0,17 0,09 0,07 0,14 0,11 0,16 0,20 0,19 0,12 0,11 0,20 0,16 0,23 0,21 0,03 -0,02 0,15 0,15 0,04 -0,02 0,12 0,04 0,01 0,16 0,18 0,10 0,01 0,13 0,19 0,13 0,07 0,14 0,15 0,21 0,22 0,22* 0,16 0,12 0,20 0,18 0,27 0,23 0,07 0,05 0,17 0,17 0,07 0,00 0,15 0,08 0,07 0,18 0,20 0,12 0,03 0,16 0,23* 0,18 0,08 0,21 0,19 0,31* 0,23 0,24* 0,21 0,12 0,26 0,25 0,36* 0,24 0,14 0,15 0,13 0,21 0,18 0,17 0,17 0,16 0,18 0,14 0,24 0,25 0,20 0,19 0,26** 0,23* 0,06 0,21 0,24 0,37* 0,24 0,28** 0,26* 0,20 0,26* 0,26 0,41** 0,26 0,18 0,19 0,17 0,22 0,22 0,21 0,19 0,19 0,22* 0,18 0,25 0,27 0,23 0,21 346 Einfache Rangkorrelationskoeffizienten aus allen Stichproben (Fortsetzung) 1 = alle 2 = Nur Emerging Markets 3 = Nur Industriestaaten 4 = Schwere Krisen 5 = leichte Krisen 6 = Krisenausbruch vor 1997 7 = Krisenausbruch ab 1997 Regressor UB56 UB57 UB58 UB59 UB60 UB61 UB62 UU01 UU02 UU03 UU04 UU05 UU06 UU07 UU08 UU09 UU10 UU11 UU12 UV01 UV02 UV03 UV04 UV05 UV06 UV07 UV08 UV09 UV10 UV11 UV12 UV13 UV14 UV15 UV16 UV17 UV18 UV19 UV20 UV21 UV22 UV23 UV24 UV25 UV26 UV27 UV28 UV29 UV30 UV31 UV32 UV33 UV34 UV35 UV36 erw. Vorz. 1 -0,02 + Durchschnittliche Abwertungsrate 2 3 4 5 6 -0,02 0,03 0,00 0,02 7 -0,05 1 -0,05 2 -0,05 Summer der vorherigen 3 4 5 6 -0,07 -0,04 -0,04 + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + -0,03 -0,03 - -0,00 0,10 0,08 -0,10 -0,06 -0,06 - -0,08 0,07 0,03 -0,12 -0,13 -0,14 - -0,09 -0,08 -0,28 -0,06 -0,16 -0,16 - -0,16 -0,11 -0,32 -0,09 7 -0,07 -0,15 -0,15 - -0,11 -0,05 -0,22 -0,12 -0,18 -0,18 - -0,18 -0,10 -0,26 -0,14 0,45** 0,44** - 0,43** 0,16 0,43** 0,50** 0,43** 0,43** - 0,37** 0,24 0,40** 0,51** 0,44** 0,44** - 0,45** 0,09 0,38* 0,51** 0,44** 0,44** - 0,42** 0,20 0,36* 0,52** -0,28* -0,30* -0,22 -0,15 -0,05 -0,01 -0,50** -0,24* -0,28* -0,09 -0,09 0,05 0,05 -0,47** 0,54** 0,55** 0,16 0,62** 0,20 0,60** 0,57** 0,56** 0,26 0,67** 0,15 0,62** 0,57** 0,54** 0,24* 0,22* - 0,35** 0,24 0,18 0,30* 0,24* 0,22* - 0,35** 0,25 0,20 0,31* 0,35** 0,32** 0,41 0,41** 0,11 0,25 0,46** 0,37** 0,34** 0,33 0,44** 0,14 0,24 0,49** 0,44** 0,39** 0,50* 0,32* -0,08 0,30 0,56** 0,46** 0,44** 0,37 0,33* 0,03 0,24 0,62** 0,45** 0,41** - 0,42** 0,03 0,33 0,57** 0,46** 0,44** - 0,40** 0,14 0,34 0,60** 0,24* 0,22 - 0,14 0,21 0,22 0,27 0,25* 0,24 - 0,14 0,28 0,21 0,30* 0,46** 0,43** 0,08 0,62** 0,24 0,38* 0,60** 0,44** 0,44** 0,22 0,59** 0,23 0,40* 0,62** 0,22* 0,10 0,08 0,22 0,21 0,14 0,36** 0,23* 0,14 0,22 0,20 0,29 0,17 0,41** 0,41** 0,43** -0,08 0,51** 0,20 0,40** 0,44** 0,42** 0,43** 0,16 0,54** 0,24 0,42** 0,45** 0,46** 0,46** 0,20 0,52** 0,23 0,39** 0,51** 0,46** 0,47** 0,38 0,55** 0,26 0,42** 0,51** 0,33** 0,37** 0,14 0,39** -0,08 0,38** 0,28* 0,35** 0,38** 0,31 0,47** -0,15 0,42** 0,29* 0,01 0,03 0,08 0,05 -0,08 -0,10 0,10 0,04 0,05 0,23 0,12 -0,12 -0,07 0,13 -0,25* -0,26* -0,18 -0,37** -0,13 -0,43** -0,08 -0,30** -0,30** -0,36 -0,47** -0,29 -0,49** -0,11 -0,24* -0,24* -0,08 -0,35** -0,01 -0,35* -0,10 -0,26** -0,25* -0,29 -0,39** -0,07 -0,39** -0,10 -0,09 -0,06 -0,21 0,02 0,10 -0,01 -0,16 -0,08 -0,07 -0,10 0,09 0,06 0,02 -0,17 -0,12 -0,15 -0,07 -0,10 -0,25 -0,20 -0,03 -0,10 -0,13 -0,00 -0,08 -0,21 -0,20 0,01 0,14 0,03 0,30 0,14 0,16 0,10 0,16 0,13 0,03 0,24 0,12 0,17 0,08 0,19 0,13 0,03 0,28 0,13 0,12 0,12 0,15 0,13 0,04 0,26 0,12 0,13 0,09 0,18 -0,19 -0,18 -0,38 -0,05 0,03 -0,12 -0,26 -0,18 -0,18 -0,23 -0,00 0,02 -0,08 -0,27 0,13 0,13 - 0,09 -0,00 -0,05 0,25 0,12 0,12 - 0,09 -0,05 -0,06 0,23 0,05 0,16 -0,01 0,12 -0,20 -0,16 0,20 0,03 0,15 -0,19 0,11 -0,25 -0,20 0,19 0,14 0,14 - 0,11 -0,06 -0,09 0,34* 0,13 0,13 - 0,09 -0,08 -0,10 0,31* 0,04 0,04 - 0,07 -0,00 -0,08 0,16 0,02 0,02 - 0,04 -0,06 -0,09 0,12 0,93 0,09 - 0,13 -0,03 -0,10 0,26 0,63 0,06 - 0,08 -0,06 -0,12 0,22 0,14 0,14 - 0,22 -0,18 -0,11 0,28* 0,13 0,14 - 0,21 -0,20 -0,11 0,28 0,01 0,10 -0,06 0,12 -0,16 -0,19 0,15 -0,01 0,10 -0,19 0,09 -0,21 -0,24 0,13 0,11 0,11 - 0,22 -0,13 -0,12 0,24 0,10 0,10 - 0,21 -0,15 -0,13 0,22 0,31** 0,31** - 0,32* -0,06 0,19 0,38** 0,29** 0,29** - 0,30* -0,13 0,18 0,35* 0,24* 0,24* - 0,25 -0,09 0,08 0,33* 0,22* 0,22* - 0,23 -0,14 0,09 0,30* 0,25* 0,25* - 0,31* -0,10 0,15 0,32* 0,22* 0,23* - 0,28 -0,18 0,14 0,27 0,21 0,2 - 0,27 -0,07 0,07 0,30* 0,18 0,18 - 0,24 -0,14 0,07 0,26 -0,02 0,01 -0,17 -0,10 0,09 -0,05 0,01 -0,03 -0,01 -0,04 -0,11 0,05 -0,05 0,00 0,01 0,01 - -0,11 0,17 0,08 -0,03 -0,00 -0,01 - -0,12 0,13 0,06 -0,04 -0,01 0,04 -0,17 -0,10 0,04 -0,04 0,03 0,00 0,03 -0,04 -0,09 0,02 -0,03 0,04 0,03 0,04 - -0,08 0,15 0,11 -0,01 0,03 0,03 - -0,08 0,14 0,08 -0,00 0,12 0,12 - 0,07 -0,06 -0,15 0,21 0,12 0,12 - 0,09 -0,10 -0,18 0,22 0,02 0,09 -0,11 0,15 -0,17 0,01 -0,01 0,02 0,11 -0,30 0,20 -0,23 -0,03 0,02 0,09 0,02 0,08 0,02 0,15 0,19 0,07 0,11 0,05 0,12 0,09 0,19 0,24 0,09 -0,00 -0,05 0,13 0,01 0,15 0,09 -0,06 0,02 -0,01 0,14 0,06 0,21 0,12 -0,04 0,07 0,06 - 0,14 -0,05 -0,15 0,22 0,03 0,03 - 0,05 -0,05 -0,19 0,18 0,07 0,07 - 0,17 -0,01 -0,02 0,17 0,03 0,03 - 0,08 -0,03 -0,07 0,13 0,01 0,14 0,22 -0,10 -0,14 0,06 -0,07 -0,01 0,11 0,16 -0,12 -0,20 0,02 -0,10 0,09 0,19 0,26 0,02 -0,11 0,12 0,07 0,07 0,17 0,12 -0,02 -0,20 0,07 0,03 -0,13 -0,15 -0,25 -0,03 0,09 0,04 -0,21 -0,13 -0,14 -0,30 -0,04 0,07 0,06 -0,24 0,08 0,07 -0,08 0,23 -0,07 0,02 0,12 0,08 0,06 0,15 0,27 -0,05 0,06 0,1 -0,11 -0,07 0,53* -0,25 0,07 0,01 -0,26 -0,12 -0,11 0,51* -0,25 -0,01 -0,01 -0,31* -0,17 -0,20 -0,05 -0,26 0,11 -0,04 -0,27 -0,16 -0,19 -0,08 -0,26 0,08 -0,01 -0,26 -0,18 -0,18 -0,14 -0,09 0,04 -0,19 -0,12 -0,18 -0,18 -0,13 -0,07 -0,06 -0,18 -0,12 347 Einfache Rangkorrelationskoeffizienten aus allen Stichproben (Fortsetzung) 1 = alle 2 = Nur Emerging Markets 3 = Nur Industriestaaten 4 = Schwere Krisen 5 = leichte Krisen 6 = Krisenausbruch vor 1997 7 = Krisenausbruch ab 1997 Regressor UV37 UV38 UV39 UV40 UV41 UV42 UV43 UV44 UV45 UV46 UV47 UV48 UV49 UV50 UV51 UV52 UV53 UV54 erw. Vorz. 1 0,13 + + + + +/+ + + + + 2 0,02 Durchschnittliche Abwertungsrate 3 4 5 6 0,24 0,34* -0,03 0,13 7 0,13 1 0,12 2 0,04 Summer der vorherigen 3 4 5 6 0,17 0,26 0,05 0,08 7 0,19 -0,10 0,03 -0,11 0,07 0,01 0,23 0,27 -0,14 0,04 -0,08 0,22 0,02 0,28 0,31* 0,00 -0,12 0,07 0,03 0,21 0,23 -0,16 0,02 -0,09 0,22 0,05 0,29 0,28 -0,12 -0,05 -0,17 0,07 -0,03 0,04 0,12 -0,15 -0,03 -0,15 0,22 -0,02 0,10 0,16 -0,11 0,12 -0,00 0,22 0,07 0,23 0,39** -0,16 0,12 0,02 0,35 0,07 0,25 0,42** -0,13 0,12 0,02 0,22 0,10 0,25 0,40** -0,16 0,13 0,04 0,35 0,12 0,33* 0,45** -0,14 0,02 -0,01 0,22 -0,03 0,13 0,29* -0,23 0,04 -0,08 0,35 -0,01 0,19 0,34* -0,19 -0,02 -0,12 -0,13 0,10 0,25 -0,01 0,08 -0,01 -0,11 0,15 0,12 0,36* -0,03 0,10 0,05 0,12 0,10 -0,14 -0,08 -0,09 0,11 0,06 0,14 -0,06 -0,10 -0,17 -0,11 0,13 -0,16 -0,16 -0,03 -0,08 0,05 -0,20 -0,10 -0,16 -0,16 -0,04 -0,06 -0,07 -0,19 -0,10 -0,16 -0,17 -0,05 -0,08 0,06 -0,20 -0,11 -0,17 -0,17 -0,16 -0,06 -0,06 -0,20 -0,11 -0,26 -0,20 -0,29 -0,33 -0,12 -0,20 -0,30 -0,22 -0,19 -0,20 -0,21 -0,12 -0,13 -0,33 -0,06 0,02 -0,11 -0,04 -0,18 -0,04 -0,10 -0,09 -0,02 -0,17 -0,05 -0,34* -0,04 -0,19 -0,32** -0,32** -0,42 -0,15 -0,13 -0,29* -0,32* -0,29** -0,31** -0,22 -0,13 -0,05 -0,25 -0,30* 0,12 0,05 - 0,34** 0,13 0,20 0,07 0,12 0,05 - 0,33** 0,14 0,24 0,07 0,22* 0,16 0,36 0,18 0,37* 0,45** 0,06 0,21* 0,15 0,39 0,19 0,33* 0,46** 0,05 0,15 0,01 -0,02 0,14 0,22 0,12 0,24 0,15 0,04 0,16 0,12 0,29 0,15 0,27* 0,34** 0,26* -0,02 0,48** 0,27 0,33 0,42** 0,32** 0,25 0,16 0,45** 0,25 0,37* 0,43** 348