Lutter/Hommelhoff, GmbH

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 Leseprobe zu Lutter/Hommelhoff
GmbH-Gesetz
Kommentar
bearbeitet von
Prof. Dr. Walter Bayer
Universitätsprofessor in Jena
Richter am Thüringer OLG a.D.
Mitglied des Thüringer VerfGH
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff
em. Universitätsprofessor in Heidelberg
Richter am OLG a.D.
Prof. Dr. Detlef Kleindiek
Universitätsprofessor in Bielefeld
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Marcus Lutter
em. Universitätsprofessor in Bonn
Rechtsanwalt in Berlin
18. neu bearbeitete
und erweiterte Auflage
2012
§ 5a
Unternehmergesellschaft
die Sachleistung ist kein Sachgründungsbericht zu erstellen und es findet
auch keine Wertprüfung durch das Registergericht statt (vgl § 9c Rn 17)1.
12. Sonstiges
Zu den Gründungskosten und zum Gründerlohn vgl § 3 Rn 78; zu Mantel- 44
kauf und Mantelgründung s. § 3 Rn 9 ff; Regeln zur Nachgründung (§ 52
AktG) enthält das GmbH-Recht bewusst nicht2.
45
13. Verdeckte Sacheinlage: ausführlich bei § 19 Rn 54 ff.
Unternehmergesellschaft
5a
(1) Eine Gesellschaft, die mit einem Stammkapital gegründet wird,
das den Betrag des Mindeststammkapitals nach § 5 Abs. 1 unterschreitet, muss in der Firma abweichend von § 4 die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“
führen.
(2) Abweichend von § 7 Abs. 2 darf die Anmeldung erst erfolgen, wenn das
Stammkapital in voller Höhe eingezahlt ist. Sacheinlagen sind ausgeschlossen.
(3) In der Bilanz des nach den §§ 242, 264 des Handelsgesetzbuchs aufzustellenden Jahresabschlusses ist eine gesetzliche Rücklage zu bilden, in die ein
Viertel des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen ist. Die Rücklage darf nur verwandt werden
1. für Zwecke des § 57c;
2. zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist;
3. zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht
durch einen Jahresüberschuss gedeckt ist.
(4) Abweichend von § 49 Abs. 3 muss die Versammlung der Gesellschafter
bei drohender Zahlungsunfähigkeit unverzüglich einberufen werden.
(5) Erhöht die Gesellschaft ihr Stammkapital so, dass es den Betrag des Mindeststammkapitals nach § 5 Abs. 1 erreicht oder übersteigt, finden die Absätze 1 bis 4 keine Anwendung mehr; die Firma nach Absatz 1 darf beibehalten
werden.
1 Ausführlich Heinze ZNotP 2012, 87 ff.
2 Näher Ulmer ZHR 154 (1990), 128, 143;
B/H/Hueck/Fastrich Rn 17.
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
1. Entstehung und Grundkonzept der
Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die UG (haftungsbeschränkt) im
Gesamtgefüge des GmbH-Rechts .
a) Unterform der GmbH . . . . . . .
b) Leichte Gründung trotz Haftungsbeschränkung . . . . . . . .
c) Geltung des GmbH-Rechts im
Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Gründung der UG (haftungsbeschränkt) . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Nur Neugründung . . . . . . . . .
b) Gründungsverfahren . . . . . . . .
c) Anmeldung . . . . . . . . . . . . . .
4. Kapital der UG (haftungsbeschränkt) . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . .
b) Sacheinlageverbot (§ 5a Abs. 2
Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Volleinzahlungsgebot (§ 5a
Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . .
d) Verdeckte Sacheinlagen (§ 19
Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . .
e) Hin- und Herzahlungen (§ 19
Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Gesetzliche Rücklage (§ 5a Abs. 3) .
1
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7.
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9.
a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . .
b) Rücklagenbildung (§ 5a Abs. 3
Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Gestaltungsspielräume . . . . . .
d) Unzulässige Umgehungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
e) Rücklagenverwendung (§ 5a
Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . .
f) Verstöße gegen § 5a Abs. 3 . . . .
g) Beendigung der Pflicht zur
Rücklagenbildung . . . . . . . . .
Firma der UG (haftungsbeschränkt)
(§ 5a Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Firmenbildung . . . . . . . . . . . .
b) Rechtsformzusatz . . . . . . . . .
c) Haftung bei fehlendem oder irreführendem Rechtsformzusatz . .
d) Rechtsformzusatz nach Kapitalerhöhung auf wenigstens
25 000 Euro . . . . . . . . . . . . . .
Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 5a Abs. 4)
Umwandlung und Rückumwandlung der UG (haftungsbeschränkt) .
Die UG (haftungsbeschränkt) im
Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Vorschrift ist neu eingefügt worden durch das MoMiG vom 23.10.2008
(BGBl I 2026).
Literatur: Fastrich Erste Erfahrungen mit der UG (haftungsbeschränkt), in VGR
(Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010, 2011, S. 119; Kleindiek Aspekte
der GmbH-Reform (Referat), 27. Deutscher Notartag Braunschweig 2007, DNotZ
Sonderheft 2007, 200; Lutter Für eine Unternehmer-Gesellschaft (UG) – zur notwendigen Erweiterung der geplanten GmbH-Reform, BB Beilage 2006, Nr. 7, S. 2;
H.-F. Müller Die gesetzliche Rücklage bei der Unternehmergesellschaft, ZGR
2012, 81; Neideck Rückforderungsansprüche der Unternehmergesellschaft bei
Verstoß gegen die Rücklagenverpflichtung, GmbHR 2010, 624; Seibert Der Regierungsentwurf des MoMiG und die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft,
GmbHR 2007, 673; Spies Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), 2010;
Wachter Die neue Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008,
S. 25; Weiß Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) aus strafrechtlicher Sicht, wistra 2010, 361.
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
1. Entstehung und Grundkonzept der Vorschrift
Mit der Schaffung der „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ rea- 1
gierte der Gesetzgeber des MoMiG auf die in kurzer Zeit sprunghaft gestiegene – zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift am 1.11.2008 aber
längst erkennbar rückläufige1 – Zahl von Unternehmen in der Rechtsform
der britischen Limited, die ohne nennenswertes Eigenkapital gegründet wurden, um alsdann (soweit sie eine gewerbliche Tätigkeit auch tatsächlich aufnahmen) allein hierzulande aktiv zu werden (vgl oben Einl Rn 25). Angesichts des dadurch verbreitet empfundenen „Wettbewerbsdrucks“ auf die
deutsche GmbH (und ihr Gesellschaftsrecht) sollte mit § 5a eine (aus Sicht
der Gründer) attraktive Alternative geschaffen werden. Das hat zugleich den
Weg geebnet, das gesetzliche Mindeststammkapital für die reguläre GmbH
unangetastet bei 25 000 Euro zu belassen (§ 5 Abs. 1), um so Seriosität und
Prestige der GmbH zu verteidigen2.
Das in § 5a normierte Modell der Unternehmergesellschaft ist Ergebnis eines 2
politischen Kompromisses innerhalb der großen Koalition (CDU/CSU und
SPD) während der 16. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. Die Arbeitsgruppe Recht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte den Vorschlag einer „Unternehmergesellschaft“3 unterbreitet4, freilich konzipiert als „ein
aliud zur bestehenden GmbH“5 mit selbständiger und innovativer Kodifikation und ausgebauten Sicherheitsstandards im Gläubigerinteresse. Das von
der Arbeitsgruppe seinerzeit beschlossene Eckpunktepapier6 sah im Gründerinteresse ua vor: Kurze Gründungszeit (max 24 Stunden); geringe Gründungskosten (max 100 Euro); kein gesetzliches Mindeststammkapital, aber Sacheinlageverbot und Volleinzahlungspflicht; kein Zwang zur notariellen
Beurkundung der Satzung. Und begleitend im Gläubigerinteresse: Erweiterte
Angaben auf den Geschäftsbriefen und im Internet; verschärfte Ausschüttungsschranken (Ausschüttungen nur aus erwirtschafteten Gewinnen und
nach positivem Solvenztest); Gesellschafterhaftung wegen materieller Unter1 Dazu Niemeier ZIP 2007, 1794 ff; Niemeier FS Roth, 2011, S. 533, 535 ff.
2 Vgl BegrRegE MoMiG, BT-Drucks
16/6140, S. 31.
3 Erstmals vorgestellt – noch unter der
Bezeichnung „Unternehmensgründergesellschaft“ – von Gehb/Drange/Heckelmann NZG 2006, 88 ff.
4 S. hierzu schon Kleindiek in 27. Deutscher Notartag Braunschweig 2007,
DNotZ Sonderheft 2007, S. 200, 205 f.
Rückblick auf die sonstigen im Zuge
der Reformdiskussion vorgestellten Alternativkonzepte bei Spies S. 37 ff.
5 Vgl die Erläuterungen in der Ansprache
des Abgeordneten Dr. Jürgen Gehb
(CDU/CSU-Fraktion; Sprecher Arbeitsgruppe Recht), Deutscher Bundestag,
Stenografischer Bericht, 45. Sitzung am
5.9.2006, Plenarprotokoll 16/45,
S. 4439, 4441 B.
6 Beschluss der Arbeitsgruppe Recht der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom
5.9.2006; der darauf aufbauende „Arbeitsentwurf eines Unternehmergesellschaftsgesetzes (UGG)“ von Gehb ist
dokumentiert bei Spies S. 417 ff.
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
kapitalisierung; Vermutung der Zahlungsunfähigkeit bei Verzug mit Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 600 Euro über mehr als 6 Wochen;
Überführung der Unternehmergesellschaft in eine GmbH nur nach den Regeln des Umwandlungsgesetzes.
3 Diese Idee der Unternehmergesellschaft gewann auch in Teilen der Wissenschaft Befürworter1, fand allerdings in den Beratungen der wirtschaftsrechtlichen Abteilung des 66. Deutschen Juristentages 2006 kaum Zustimmung.
Sie sah kein Bedürfnis für die Schaffung einer neuen Gesellschaftsform und
sprach sich mit breiter Mehrheit für die Konzentration auf die Reform der
GmbH unter Beibehaltung des Mindestkapitals als zwingende Voraussetzung
der Haftungsbeschränkung der GmbH-Gesellschafter aus2. Nachdem eine eigenständige neue Rechtsform nach dem Vorbild des CDU/CSU-Vorschlags
auch beim Koalitionspartner SPD und der damaligen Bundesjustizministerin
auf Ablehnung stieß, verständigte sich die große Koalition schließlich auf
das in § 5a realisierte Kompromissmodell. Es hat mit dem ursprünglichen
Konzept der Unternehmergesellschaft immerhin den Namen gemein, folgt
im Übrigen aber einer alternativen Konstruktionsidee: Die „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ des § 5a ist eine GmbH im Sinne des
GmbH-Gesetzes, jedoch mit einem (frei wählbaren) Stammkapital unterhalb
des gesetzlichen Mindestkapitals nach § 5 Abs. 1. Sie darf allein deshalb
nicht GmbH genannt werden, unterliegt den wenigen Sonderbestimmungen
des § 5a, im Übrigen allen Vorschriften des GmbHG.
4 Die Legitimation eines gesetzlichen Mindestkapitals3 beruht auf der nach
wie vor zutreffenden Erwägung, dass schon der Eintritt in die Haftungsbeschränkung nur um den „Preis“ eines eigenen Risikobeitrags der Gesellschaftsgründer gewährt werden sollte. Die verbreitete Rede vom Mindestkapital als „Seriositätsschwelle“ oder „Seriositätsnachweis“ meint der Sache
nach nichts anderes. Es geht nicht um die persönliche Zuverlässigkeit der
Gründer. Das Mindestkapitalerfordernis wirkt vielmehr darauf hin, die
Gründung unsolider, weil unrentabler Unternehmungen zu erschweren.
Schon die Anhebung des GmbH-rechtlichen Mindestkapitals von seinerzeit
20 000 auf 50 000 DM im Jahre 1980 war von der Überlegung getragen, mit
dem erhöhten Einsatz die Unternehmensgründer dazu anzuhalten, Chancen
und Risiken des Projekts sorgfältiger abzuwägen. Das gesetzliche Mindest1 S. insbesondere Lutter BB-Special
7/2006, S. 2; vgl auch Lutter und Priester in VGR, Die GmbH-Reform in der
Diskussion, 2006, S. 211, 218 ff und
S. 1, 11 ff.
2 66. DJT, Beschlüsse der Abteilung
Wirtschaftsrecht, Ziff. 1. und 2., darin
den Referenten Kleindiek und J. Vetter
216
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folgend; vgl Verhandlungen des 66.
Deutschen Juristentages Stuttgart 2006,
Bd II/1, S. P 45 ff, P 75 ff sowie P 141 ff.
3 Dazu näher Kleindiek ZGR 2006, 335,
341 ff; Kleindiek Referat 66. DJT, Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd II/1, S. P 45,
48 f, je mwN.
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
kapital hat also eine ordnungspolitische Funktion, auch im Sinne des (wenngleich abstrakten) Gläubigerschutzes. Wer das eigene Vertrauen in die Rentabilität seiner „Geschäftsidee“ nicht mit einem eigenen Risikobeitrag unterlegen will, soll selektiert werden. Im Rahmen der GmbH-Novelle des Jahres
1980 standen diese Zusammenhänge noch außer Streit. Im Bericht des
Rechtsausschusses hieß es damals: „Dem einzelnen den Zugang zur Selbständigkeit zu erleichtern, bedeute ja nicht die Verpflichtung, ihm diesen
ohne eigenes Risiko oder nur mit einem äußerst geringen eigenen Risiko zu
ermöglichen.“1
Eben jene Möglichkeit wird mit § 5a heute gewährt; eine Unternehmergesell- 5
schaft (haftungsbeschränkt) kann auch schon mit einem Stammkapital von
nur 1 Euro gegründet werden (s. unten Rn 17). Die GmbH in der Variante der
haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft – so die Begründung des
RegE zu § 5a2 – werde es „jungen Existenzgründern sehr einfach machen,
ihre unternehmerischen Ziele in Angriff zu nehmen“; in Kombination mit
der vereinfachten Gründung unter Verwendung des Musterprotokolls nach
§ 2 Abs. 1a sei damit „ein der GmbH bisher unbekanntes Maß an Flexibilität,
Schnelligkeit, Einfachheit und Kostengünstigkeit erreicht“. Die Option der
UG (haftungsbeschränkt) bedient mithin die typischen Primärinteressen von
GmbH-Gründern3: nämlich unter minimalem finanziellen Einsatz und bei
möglichst geringer regulativer Belastung einen schnellen Weg in die Haftungsbeschränkung zu finden. Die widerstreitenden Gläubigerbelange versucht der Gesetzgeber durch ein „Ansammlungsmodell“ zum Ausgleich zu
bringen: Nach § 5a Abs. 3 hat die UG – solange ihr Stammkapital nicht auf
25 000 Euro oder mehr erhöht wird – jeweils ein Viertel eines tatsächlich erzielten Jahresüberschusses in eine gesetzliche Rücklage einzustellen, die zu
gegebener Zeit (so die Vorstellung des Gesetzgebers von der idealtypischen
Lebensentwicklung der UG) in Stammkapital im Umfang von wenigstens
25 000 Euro umgewandelt wird. Der Idee nach soll damit am Grundkonzept
des gesetzlichen Mindestkapitals (wenn auch nicht für den Moment der
Gründung) festgehalten werden. Doch werden die Interessen der Gläubiger
mit der gesetzlichen Rücklage nach § 5a Abs. 3 nicht in einer Weise geschützt, die der Verpflichtung zur Aufbringung des gesetzlichen Mindeststammkapitals bei Gründung nach §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2 gleichwertig wäre
(näher unten Rn 35). Vor diesem Hintergrund war die Schaffung einer Rechtsformvariante ohne gesetzliches Mindestkapital in der Diskussion um die
GmbH-Reform bis zuletzt umstritten4.
1 Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses zum Entwurf einer
Novelle des GmbHG, BT-Drucks
8/3908 v. 16.4.1980, S. 69.
2 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140,
S. 31.
3 Zu ihnen etwa G.H. Roth ZGR 2005,
348, 350.
4 S. zur Kritik etwa Kleindiek in 27.
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
6 Die Träger der so geförderten Gründerinteressen haben von der Option des
§ 5a – wenig überraschend – regen Gebrauch gemacht; zum Stichtag 29.2.
2012 wurden knapp 66000 eingetragene Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt) gezählt, davon gut 4600 in der Funktion der Komplementärin von Kommanditgesellschaften1. Schon früh wurde von einer „(zahlenmäßigen) Erfolgsgeschichte“ gesprochen2. Alsbald mehrten sich freilich
differenzierte Würdigungen3, die auf die überwiegend sehr geringe Eigenkapitalausstattung der Gesellschaften (der Medianwert aller Stammkapitalia soll
bei nur etwa 500 Euro liegen4) und die daraus resultierende erhöhte Insolvenzanfälligkeit5, eine Häufung negativer Bonitätsmerkmale bei den UGGründern6 oder auf Hinweise für eine erhebliche „Frühsterblichkeitsrate“7
aufmerksam gemacht haben. Insgesamt lassen die bislang gewonnenen Daten ein zuverlässiges Urteil über den volkswirtschaftlichen Nutzen (oder
auch Schaden) durch die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)
noch nicht zu; hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.
2. Die UG (haftungsbeschränkt) im Gesamtgefüge des GmbH-Rechts
7 a) Unterform der GmbH: Die UG (haftungsbeschränkt) ist eine Unterform
(„Rechtsformvariante“8) der GmbH. Sie ist Gesellschaft mit beschränkter
Haftung im Sinne des GmbH-Gesetzes (kein aliud!), darf aber – um den
Rechtsverkehr warnend darauf hinzuweisen, dass ihr Stammkapital den Mindestbetrag des § 5 Abs. 1 (25 000 Euro) unterschreitet – nicht als „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ bzw „GmbH“ bezeichnet werden, sondern
muss mit dem Rechtsformzusatz „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ firmieren. Dessen ungeachtet
unterliegt sie allen Bestimmungen des GmbHG, soweit sich nicht aus § 5a
(einige wenige, nicht dispositive) Abweichungen ergeben. Im Wesentlichen:
1
2
3
4
5
Deutscher Notartag Braunschweig
2007, DNotZ Sonderheft 2007, S. 200,
209 ff; Leyendecker GmbHR 2008, 302;
MünchKomm/Rieder Rn 57 ff, je mwN.
Bayer/Hoffmann NZG 2012, 887 f; Miras NZG 2012, 486 f.
Bayer/Hoffmann GmbHR 2009, R 225.
S. dazu auch die bei Fastrich in VGR,
Gesellschaftsrecht in der Diskussion
2010, 2011, S. 119, 123 ff mitgeteilten
Daten.
Vgl Niemeier FS Roth, 2011, S. 533,
547.
Gude ZInsO 2010, 2385 ff; Metzger
GmbHR 2010, R 342 f; Niemeier S:R
218
|
2009, 74; Niemeier FS Roth, 2011,
S. 533, 546 ff. – Zu den registrierten
„upgrades“ in die „Voll-GmbH“ s.
Gude ZInsO 2010, 2385, 2386 f; Lieder/Hoffmann GmbHR 2011, 561 ff;
Niemeier FS Roth, 2011, S. 533, 548.
6 Niemeier S:R 2009, 184 f; Niemeier FS
Roth, 2011, S. 533, 548.
7 Dazu Niemeier FS Roth, 2011, S. 533,
549 f sowie (mit unterschiedlichen Bewertungen) Miras NZG 2012, 486, 487;
Bayer/Hoffmann NZG 2012, 887 ff.
8 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140,
S. 31.
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
(1) Die Höhe des Stammkapitals wird in das Ermessen der Gründer gestellt
(§ 5a Abs. 1). Da nach § 5 Abs. 2 Satz 1 lediglich der Nennbetrag eines jeden
Geschäftsanteils auf volle Euro lauten muss, ist bei der Einpersonen-UG (haftungsbeschränkt) mit nur einem Geschäftsanteil also 1 Euro Stammkapital
erforderlich und (wenn anderweitig Vorkehrung gegen den sofortigen Eintritt
der Überschuldung getroffen wird; s. unten Rn 18 f) genügend. Bei zwei Gesellschaftern ist – da jeder Gesellschafter mindestens einen Geschäftsanteil
übernehmen muss – eine Verdoppelung des Kapitaleinsatzes auf 2 Euro notwendig und ausreichend usw.
(2) Auf das Stammkapital unter 25 000 Euro können nur Bareinlagen geleistet
werden, die vor Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister voll geleistet sein müssen (§ 5a Abs. 2).
(3) Aus den jährlichen Jahresüberschüssen (soweit solche ausgewiesen werden) sind jeweils 25 % einer gesetzlichen Rücklage zuzuführen, die nur zum
Verlustausgleich und zu einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwandt werden darf (§ 5a Abs. 3).
(4) Die UG ist zur Führung eines eigenen Rechtsformzusatzes – „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ verpflichtet. Das Gesetz nennt das in § 5a Abs. 1 – ebenso wie in § 4 oder etwa
in § 4 AktG, § 3 GenG, § 19 HGB – „Bezeichnung“; der Sache nach ist es der
Rechtsformzusatz einer Unterform (Rechtsformvariante) der GmbH, die aber
eben nicht GmbH genannt werden darf.
(5) Wird das Kapital auf mindestens 25 000 Euro förmlich erhöht – sei es nach
(3), sei es im Wege der effektiven Kapitalerhöhung oder ggf durch Umwandlung sonstiger Rücklagen –, so endet die Pflicht zur jährlichen Bedienung der
gesetzlichen Rücklage nach (3) und die Pflicht zur Führung einer besonderen
Rechtsformbezeichnung nach (4). Zur Aufhebung der Beschränkungen nach
§ 5a Abs. 2 (Sacheinlageverbot und Volleinzahlungsgebot) s. unten Rn 23 ff.
(6) Im Übrigen gelten die Vorschriften des GmbHG.
b) Leichte Gründung trotz Haftungsbeschränkung: Verbindet man die 8
Rechtsformvariante der UG mit der Gesellschaftsgründung im vereinfachten
Verfahren unter Verwendung des – für Mehrpersonengesellschaften freilich
kaum geeigneten – Musterprotokolls nach § 2 Abs. 1a (hierzu § 2 Rn 35 ff), so
ermöglicht das (seit Inkrafttreten des MoMiG) geltende Recht, zumal nach
Abschaffung der früheren Sonderregeln für die Einpersonen-Gründung (§ 7
Abs. 2 Satz 3 aF), die rasche Gründung eines Unternehmensträgers mit Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2) unter – darin
liegt aus Gründersicht die wesentliche Erleichterung gegenüber einer im vereinfachten Verfahren errichteten GmbH – geringem (ggf verschwindend geringem) Kapitaleinsatz. Gerade das war auch das Ziel des MoMiG-Gesetzgebers (s. oben Rn 5).
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
9 c) Geltung des GmbH-Rechts im Übrigen: Von den Sonderregeln des § 5a abgesehen ist auf die UG (haftungsbeschränkt) das gesamte Regelstatut des
GmbH-Rechts im weitesten Sinn (alle für die GmbH geltenden Vorschriften)
anzuwenden. Das bedeutet ua:
(1) Die Geschäftsführer unterliegen den Ausschlussregeln des § 6 Abs. 2, die
Gesellschafter ggf der Haftung aus § 6 Abs. 5.
(2) Die Gesellschafterversammlung ist den Geschäftsführern gegenüber weisungsbefugt (§§ 37, 46).
(3) Ein Geschäftsführer kann von den Gesellschaftern jederzeit abberufen
werden (§ 38 Abs. 1).
(4) Jede Änderung der Satzung, sei es die individuelle Satzung nach §§ 2
Abs. 1 und 3 oder sei es die Satzung nach dem Muster des § 2 Abs. 1a, bedarf
eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung mit 3/4-Mehrheit und notarieller Beurkundung. Das gilt auch für jede Kapitalerhöhung.
(5) Die Abtretung von Geschäftsanteilen bedarf der notariellen Form des § 15
Abs. 3 und 4.
10 Die UG (haftungsbeschränkt) unterliegt als Kapitalgesellschaft – nicht anders
als die reguläre GmbH – der Rechnungslegungspflicht nach Maßgabe der
§§ 238 ff, 264 ff HGB. In aller Regel wird es sich bei UG (haftungsbeschränkt)
um eine kleine Gesellschaft iSd § 267 Abs. 1 HGB handeln (vgl Vor § 41
Rn 34 und 37). Ihre Gesellschafterversammlung beschließt über die Feststellung des Jahresabschlusses wie über die Verteilung des Bilanzgewinns (Ergebnisverwendung; §§ 46 Nr. 1, 29 Abs. 2). Ihre Geschäftsführer haben (sanktionsbewehrt nach §§ 334, 335 HGB) für die fristgerechte Bekanntmachung der
publizitätspflichtigen Rechnungslegungsunterlagen im Bundesanzeiger zu
sorgen (§ 325 HGB; näher Anh zu § 42a Rn 5, 14 ff und 34 ff). – Nicht zuletzt
der UG (haftungsbeschränkt) werden die im Zuge des geplanten MicroBilG
für Kleinstkapitalgesellschaften vorgesehenen Erleichterungen zugute kommen (s. dazu Vor § 41 Rn 26 und Anh zu § 42a Rn 3a und 7a).
11 Die UG (haftungsbeschränkt) ist Handelsgesellschaft nach § 13 Abs. 3 und
Rechtsperson (juristische Person) iSd § 13 Abs. 1. Sie ist konto- und grundbuchfähig und kann sich an anderen Gesellschaften beteiligen, also zB auch
persönlich haftende Gesellschafterin in einer KG sein (UG & Co KG; s. noch
unten Rn 40)1. Auch in der UG (haftungsbeschränkt) gilt § 15a Abs. 1 InsO.
Ihre Geschäftsführer (auch ein faktischer Geschäftsführer; vgl Vor § 35 Rn 11
und § 43 Rn 2 ff) sind bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§§ 17, 19 InsO; dazu Anh zu § 64 Rn 5 ff) gesetzlich verpflichtet, den In1 Dazu Heeg DB 2009, 719 ff; Kock/Va-
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ter/Mraz BB 2009, 848 ff; Stenzel NZG
2009, 168 ff; Wachter DB 2009, 159 ff.
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solvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 InsO); bei Führungslosigkeit der UG
(haftungsbeschränkt) ist auch jeder Gesellschafter zur Antragstellung gehalten (§ 15a Abs. 3 InsO; näher Anh zu § 64 Rn 41 ff). Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht löst zivilrechtliche Haftungsfolgen aus (dazu Anh zu § 64
Rn 61 ff) und ist strafbewehrt (§ 15a Abs. 4 und 5 InsO; s. Anh zu § 64
Rn 86 ff). Masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (Zahlungen an Gesellschafter auch dann, wenn sie
die Zahlungsunfähigkeit zur Folge haben) führen zur Erstattungspflicht der
Geschäftsführer nach § 64 (s. die Erläuterungen dort). Zur Geschäftsführerhaftung bei Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern
s. § 43 Rn 91 ff und 111 ff. – Jene Risiken einer „Krisenhaftung“ von Geschäftsführern und Gesellschaftern sind in der UG (haftungsbeschränkt) von
erheblicher Bedeutung. Der Anerkennung eines speziellen Instituts der Haftung des GmbH-Gesellschafters wegen (materieller) Unterkapitalisierung
(dazu unten § 13 Rn 20 ff) steht der BGH1 indes nach wie vor – ersichtlich
selbst mit Blick auf die UG2 – ablehnend gegenüber.
Im Vergleich zur regulären GmbH beschränken sich die Besonderheiten der 12
UG (haftungsbeschränkt) also im Wesentlichen auf den Verzicht des Gesetzes auf das in § 5 Abs. 1 an sich vorgeschriebene Mindeststammkapital, auf
die Pflicht zur jährlichen Bildung einer gesetzlichen Rücklage sowie den
Zwang zur Führung des besonderen Rechtsformzusatzes, verbunden mit dem
Verbot der Bezeichnung als GmbH. Hinzu kommen das Sacheinlageverbot
und das Volleinzahlungsgebot aus § 5a Abs. 2 sowie – freilich nicht von wesentlicher Bedeutung – die Abänderung der Einberufungspflicht nach § 49
Abs. 3 durch § 5a Abs. 4 (dazu unten Rn 63 ff).
3. Gründung der UG (haftungsbeschränkt)
a) Nur Neugründung: Die UG (haftungsbeschränkt) steht – nicht anders als 13
die reguläre GmbH – für jeden gesetzlich zulässigen Zweck zur Verfügung3,
auch für nicht unternehmerische und/oder nicht mit Gewinnerzielungsabsicht verbundene Zwecke (s. auch unten Rn 39)4. Sie kann aber nur durch
Neugründung (Erstgründung) entstehen (vgl § 5a Abs. 1: „Gesellschaft, die …
gegründet wird“). Sie kann deshalb nicht dadurch geschaffen werden, dass
(nach § 58) das Kapital einer bestehenden GmbH auf einen Betrag unter
1 BGH DStR 2008, 1293 Rn 16 ff – Gamma.
2 Vgl BGH DStR 2008, 1293 Rn 20;
Goette in Goette/Habersack, Das
MoMiG in Wissenschaft und Praxis,
2009, Kap. 9 Rn 28.
3 Vgl auch BGH DStR 2012, 1617 Rn 16
(keine grundsätzliche Unzulässigkeit
der Bestellung einer UG als Verwalter
einer Wohnungseigentümergemeinschaft).
4 Ulmer/Paura Erg MoMiG Rn 32;
MünchKomm/Rieder Rn 7; R/A/Roth
Rn 5.
Lutter/Kleindiek
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25 000 Euro herabgesetzt wird; insoweit bleibt es bei § 58 Abs. 2 Satz 11.
Ebensowenig ist ein Formwechsel in sie nach §§ 190 ff UmwG möglich (s.
unten Rn 70).
14 b) Gründungsverfahren: Die UG (haftungsbeschränkt) kann, wie die reguläre
GmbH, als Ein- oder Mehrpersonengesellschaft, durch natürliche oder juristische Personen, Personenhandelsgesellschaften oder sonstige Gesamthandsgemeinschaften (vgl § 2 Rn 1 ff) gegründet werden. Gründung entweder mittels Individualvertrages nach § 2 Abs. 1 oder unter den Voraussetzungen des
§ 2 Abs. 1a im (kostengünstigeren, § 41d KostO2) für Mehrpersonengründungen freilich kaum geeigneten vereinfachten Verfahren unter Verwendung des
gesetzlichen Musterprotokolls (dazu näher § 2 Rn 35 ff). Hier wie dort bedarf
die Gründung der UG notarieller Beurkundung. Zu allen Einzelheiten s. die
Erläuterungen zu § 2. Zu den Risiken einer Gründerhaftung in der Vorgesellschaft s. § 11 Rn 15 ff.
15 Eine UG (haftungsbeschränkt) kann – nach den selben Grundsätzen wie eine
herkömmliche GmbH – als offene Vorratsgesellschaft errichtet werden (vgl
§ 3 Rn 9 ff). Auch die sog wirtschaftliche Neugründung, sei es in der Form der
erstmaligen Aktivierung einer UG-Vorratsgesellschaft, sei es durch Reaktivierung eines UG-Altmantels, folgt den allgemeinen Grundsätzen (zu ihnen
§ 3 Rn 13 ff, 28 ff).
16 c) Anmeldung: Die Anmeldung der UG (haftungsbeschränkt) zur Eintragung
im Handelsregister unterliegt im Grundsatz den allgemeinen Regeln der §§ 7
und 8 (s. die Erläuterungen dort). In Abweichung von § 7 Abs. 2 muss allerdings das in der Satzung der UG festgelegte Kapital voll (in bar) geleistet sein
(§ 5a Abs. 2; s. unten Rn 20 ff); das ist vom Geschäftsführer gemäß § 8 Abs. 2
gegenüber dem Registergericht zu versichern.
Da in den Fällen des sog Hin- und Herzahlens außerhalb einer verdeckten
Sacheinlage § 19 Abs. 5 auch in der UG (haftungsbeschränkt) Geltung beanspruchen kann (s. unten Rn 32), ist auch § 19 Abs. 5 Satz 2 (Pflicht zur Offenlegung gegenüber dem Registergericht) anwendbar; insoweit ist die erforderliche Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs (näher unten § 19 Rn 106 ff,
115) sorgfältig zu bedenken.
4. Kapital der UG (haftungsbeschränkt)
17 a) Grundlagen: Auch die UG (haftungsbeschränkt) hat ein Stammkapital, das
den gesetzlichen Regeln der Kapitalaufbringung (mit den Modifikationen aus
1 Seibert GmbHR 2007, 674, 675;
B/H/Fastrich Rn 16; Bork/Schäfer/
Schäfer Rn 37 mwN.
2 Heckschen in Heckschen/Heidinger,
222
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Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 2. Aufl 2009, § 5 Rn 30 f;
Wachter GmbHR-Sonderheft 2008,
S. 25, 26 ff.
Lutter/Kleindiek
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§ 5a Abs. 2; s. Rn 20 ff) sowie dem Kapitalschutz nach Maßgabe (insbesondere) von §§ 30, 31 unterliegt. Aber im Gegensatz zur regulären GmbH (§ 5
Abs. 1) beträgt dieses nicht mindestens 25 000 Euro; seine Höhe unterliegt
vielmehr der freien Entscheidung des oder der Gründer in der Satzung und
kann zwischen 1 Euro und 24 999 Euro liegen (§ 5a Abs. 1). Jeder Gesellschafter muss je mindestens einen Geschäftsanteil zumindest zu 1 Euro übernehmen (s. oben Rn 7). Die derart versprochenen Einlagen sind notwendig Bareinlagen (§ 5a Abs. 2 Satz 2; unten Rn 20 ff) und müssen – anders als nach § 7
Abs. 2 – in voller Höhe eingezahlt sein (§ 5a Abs. 2 Satz 1; unten Rn 25 f). Das
hat der Geschäftsführer bei der Anmeldung (§ 8 Abs. 2) zu versichern.
Der oder die Gesellschafter sind rechtlich frei, ihre UG (haftungsbeschränkt) 18
mit auch nur 1 Euro zu gründen. Sie sind aber gut beraten, wenn sie das nicht
tun; denn ohne den Puffer von Eigenkapital droht der Gesellschaft die rasche
(zumindest rechnerische) Überschuldung; ihre Geschäftsführer sind dann zur
Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet (vgl schon oben Rn 11), sofern
nicht – was nur ausnahmsweise der Fall sein dürfte – trotz der geringen Eigenkapitalausstattung eine positive Fortbestehensprognose objektiv gerechtfertigt (nicht etwa nur subjektiv erhofft; s. Anh zu § 64 Rn 37) ist (vgl dazu
näher Anh zu § 64 Rn 28 und 36 ff). Bei (zu) gering bemessenem Stammkapital sind also anderweitige Finanzierungsleistungen erforderlich; Gesellschafterdarlehen helfen gegen drohende Überschuldung freilich nur, wenn dabei
ein Rangrücktritt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO (s. dazu Anh zu § 64 Rn 32)
vereinbart worden ist. Zu Nachrang und Insolvenzanfechtung im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechenden Finanzierungshilfen näher Anh zu § 64 Rn 93 ff.
Existenzgründer sollten also nicht hasardieren oder auf das Glück spekulie- 19
ren, sondern tun gut daran, sich bei Bedarf von sachverständiger Seite, etwa
der IHK oder den öffentlichen Einrichtungen zur Förderung junger Unternehmen, beraten zu lassen. Ihnen muss jedenfalls bewusst sein, dass der Gesetzgeber der UG (haftungsbeschränkt) – sehr zu Recht! – keine (bilanziellen) Erleichterungen bei der Überschuldungsfeststellung (dazu Anh zu § 64 Rn 13 ff)
eingeräumt hat. Insbesondere dürfen die Aufwendungen für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs im Überschuldungsstatus nicht aktiviert werden.
Seit Inkrafttreten des BilMoG (s. Vor § 41 Rn 22) besteht insoweit selbst für
den Jahresabschluss ein Aktivierungsverbot (vgl § 42 Rn 24). Es droht also die
nachhaltige Gefahr, dass eine unterfinanzierte UG (haftungsbeschränkt) alsbald überschuldet und insolvent ist. Das ist schon im Blick auf die (etwaige)
Übernahme des Gründungsaufwands durch die Gesellschaft (s. dazu § 3
Rn 78 sowie – für die Gründung im vereinfachten Verfahren nach § 2 Abs. 1a
– § 2 Rn 48) zu bedenken. Wird bei materiellem Insolvenzeintritt nicht Insolvenzantrag gestellt, haftet jeder Geschäftsführer (bei Führungslosigkeit: auch
jeder Gesellschafter) persönlich (vgl noch einmal oben Rn 11).
Lutter/Kleindiek
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20 b) Sacheinlageverbot (§ 5a Abs. 2 Satz 2): Bei der regulären GmbH können die
Gründer/Gesellschafter zwischen Bareinlage und Sacheinlage wählen (§ 5
Abs. 2). Diese Wahl besteht bei der UG (haftungsbeschränkt) nicht: Sacheinlagen sind ausgeschlossen (§ 5a Abs. 2 Satz 2); wird ein Stammkapital von
weniger als 25 000 Euro in der Satzung festgelegt, kommt also nur die Bareinlage in Betracht. Sachleistungen können (ohne Anrechnung auf die Kapitaleinlage) nur als Nebenleistungen (§ 3 Abs. 2) bzw. als andere Zuzahlungen
(Sacheinbringungen) in die Kapitalrücklage iSv § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB vereinart werden1.
21 Jenes Sacheinlageverbot wird zT kritisch gesehen2. Es dient indes der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens bei Gründung und Kapitalerhöhung (kein Sachgründungsbericht, keine Kontrolle durch den Registerrichter), hat daneben aber auch Gläubigerschutzfunktion3: Die effektive
Aufbringung des Stammkapitals von weniger als 25 000 Euro soll nicht durch
die Gefahr mangelnder Werthaltigkeit eingebrachter Sacheinlagen gefährdet
werden. Einen Konflikt mit den Interessen der Gesellschafter sah der Gesetzgeber insoweit jedenfalls nicht: Die Feststellung in der Begründung zum
RegE MoMiG, Sacheinlagen seien in der UG (haftungsbeschränkt) nicht erforderlich4, dürfte auf der Überlegung beruhen, dass es den Gesellschaftern
gerade frei steht, das Stammkapital auf einen Betrag festzusetzen, den sie
durch Barleistung aufbringen können.
22 Wird dennoch eine Sacheinlage vereinbart, so ist diese Sacheinlagevereinbarung nach § 134 BGB unwirksam (Rückgewähr nach Bereicherungsrecht);
die Eintragung ist abzulehnen (§§ 9c Abs. 1, 57a). Die Satzung ist im Zweifel
aber nicht insgesamt nach §§ 134, 139 BGB nichtig5. Wird gleichwohl eingetragen, entsteht eine Bareinlagepflicht6.
23 Bis zur Klärung durch den BGH (s. sogleich Rn 24) umstritten war die Reichweite des Sacheinlageverbots aus § 5a Abs. 2 Satz 2 im Falle späterer Kapitalerhöhungen. Gewiss gilt es nicht mehr für weitere Kapitalerhöhungen, nachdem das Stammkapital der Gesellschaft schon zuvor auf den Betrag des § 5
Abs. 1 oder darüber hinaus (dh 25 000 Euro oder mehr) erhöht worden ist;
denn jedenfalls dann finden – wie sich aus § 5a Abs. 5 ergibt – die „Absätze 1
1 Stellungnahme Handelsrechtsausschuss des DAV zum RegE MoMiG,
NZG 2007, 735, 737; Hennrichs NZG
2009, 1161, 1164 f; Ulmer/Paura Erg
MoMiG Rn 51.
2 S. zur Kritik etwa Hennrichs NZG
2009, 1161, 1162; MünchKomm/Rieder
Rn 20; Veil ZGR 2009, 623, 630 f.
3 Dazu schon Kleindiek FS Hopt, 2010,
S. 941, 943 f.
224
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4 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140,
S. 32.
5 So noch 17. Aufl, Rn 12 (Lutter) im
Anschluss an Gehrlein Der Konzern
2007, 771, 779; Freitag/Riemenschneider ZIP 2007, 1485, 1486.
6 Ulmer/Paura Erg MoMiG Rn 48;
MünchKomm/Rieder Rn 21; R/A/Roth
Rn 19; Bork/Schäfer/Schäfer Rn 22;
Wicke Rn 8.
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bis 4“ der Vorschrift, also auch § 5a Abs. 2, keine Anwendung mehr. Im Umkehrschluss gilt das Sacheinlageverbot aber ebenso gewiss noch für jede beschlossene Kapitalerhöhung, nach deren Vollzug der Betrag des statutarischen Stammkapitals nach wie vor unter 25 000 Euro bleibt. Die vereinzelt
vertretene Gegenmeinung1, nach der § 5a Abs. 2 nur für die Gründung einer
UG (haftungsbeschränkt) soll Geltung beanspruchen können, ist mit § 5a
Abs. 5 unvereinbar2. Allein fraglich kann sein, ob das Sacheinlageverbot auch
schon für diejenige Kapitalerhöhung aufgehoben ist, nach deren Durchführung das Stammkapital der Gesellschaft den Betrag von 25 000 Euro erreicht
oder übersteigt3.
Der BGH hat das in seiner Grundsatzentscheidung vom 19.4.2011 mit über- 24
zeugenden Erwägungen bejaht4: Andernfalls würde der Übergang von der UG
(mit einem Stammkapital von unter 25 000 Euro) zur „Voll-GmbH“ (mit einem Stammkapital von mindestens 25 000 Euro) in einer den Zielen des Gesetzes widersprechenden Weise erschwert. Denn jener Übergang entspricht
der im Gesetz angelegten (wenn auch nicht erzwungenen) Lebensentwicklung der UG (haftungsbeschränkt). Nichts deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber die Gesellschafter der UG bei diesem Übergang – verglichen mit der
Neugründung einer regulären GmbH – hat benachteiligen wollen5.
c) Volleinzahlungsgebot (§ 5a Abs. 2 Satz 1): Entsprechend der des Sacheinla- 25
geverbots (oben Rn 23 f) ist auch die Reichweite des Volleinzahlungsgebots
aus § 5a Abs. 2 Satz 1 abzugrenzen: Es gilt sicher nicht mehr für weitere Kapitalerhöhungen nach schon zuvor vollzogener Erhöhung des Stammkapitals
auf 25 000 Euro oder mehr (arg § 5a Abs. 5). Es gilt aber durchaus für eine Erhöhung, nach deren Durchführung das Kapital noch immer unter diesem Betrag bleibt. Hier darf die Anmeldung zum Handelsregister – nicht anders als
bei der Gründung der UG – erst erfolgen, wenn das erhöhte Kapital in voller
Höhe eingezahlt ist. Zwar nimmt § 56a nicht auch § 5a Abs. 2 Satz 1 in seine
Verweisung auf; die Geltung jener Vorschrift auch im Rahmen der Kapitalerhöhung folgt jedoch schon unmittelbar aus § 5a Abs. 5. Für eine Kapitalerhöhung indes, nach deren Durchführung das Stammkapital der Gesellschaft den Betrag von 25 000 Euro erreicht oder übersteigt, gilt das
Volleinzahlungsgebot aus § 5a Abs. 2 Satz 1 schon nicht mehr6. Auch hier
1 Hennrichs NZG 2009, 1161, 1162 f; ihm
folgend Ulmer/Paura Erg MoMiG
Rn 49 und 66.
2 BGH GmbHR 2011, 699 Rn 14; Kleindiek FS Hopt, 2010, S. 941, 944; Ulmer
GmbHR 2010, 1298, 1300.
3 Verneinend etwa 17. Aufl, Rn 12 (Lutter); Fastrich in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010, 2011,
S. 119, 137 f; Ulmer GmbHR 2010,
1298, 1301; bejahend zB Scholz/Westermann 10. Aufl, Nachtrag MoMiG
Rn 18; Priester ZIP 2010, 2182, 2184.
4 BGH GmbHR 2011, 699.
5 Zum Ganzen BGH GmbHR 2011, 699
Rn 18 ff.
6 Ebenso OLG Hamm GmbHR 2011, 655;
OLG München GmbHR 2011, 1276;
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trägt die Erwägung, dass die Gesellschafter beim Übergang von der UG (haftungsbeschränkt) zur „Voll-GmbH“ nicht benachteiligt werden sollen (vgl
soeben Rn 24).
26 Ebenso wenig wäre es allerdings gerechtfertigt, sie bei diesem Übergang besserzustellen als bei der Neugründung einer regulären GmbH. Die bei einer
Kapitalerhöhung nach § 56a iVm § 7 Abs. 2 Satz 1 an sich nur erforderliche
Einzahlung von einem Viertel des Erhöhungsbetrages reicht deshalb dann
(und insoweit) nicht aus, als die Summe aus schon eingezahlten Einlagen
und Erhöhungsbetrag die Hälfte des Mindeststammkapitals nach § 5 Abs. 1
nicht erreicht: Entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 2 müssen auf das Stammkapital
insgesamt wenigstens 12 500 Euro eingezahlt sein1. – Beispiel: Bei einer Kapitalerhöhung in der UG (haftungsbeschränkt) von 1 Euro um 24 999 auf
25 000 Euro müssen die 24 999 Euro zwar nicht sogleich (voll) eingezahlt werden. Die Einzahlung von einem Viertel des Erhöhungsbetrages (6 250 Euro)
würde aber nicht genügen; vor Anmeldung einzuzahlen sind vielmehr wenigstens 12 499 Euro. – Wo die Summe aus schon eingezahlten Einlagen und
einem Viertel des Erhöhungsbetrages insgesamt ohnehin 12 500 Euro erreicht
oder übersteigt, stellt sich das Problem nicht. Beispiel: Kapitalerhöhung von
10 000 um 15 000 auf 25 000, ein Viertel des Erhöhungsbetrages (3 750) wird
eingezahlt2.
27 d) Verdeckte Sacheinlagen (§ 19 Abs. 4): Auch in der UG (haftungsbeschränkt) kann und wird es vorkommen, dass die Gesellschafter eine förmliche Bargründung (oder Barkapitalerhöhung) beschließen und durchführen,
bei Licht besehen aber eine verdeckte Sacheinlage vorliegt, dh (vgl § 19 Abs. 4
Satz 1) die Geldeinlage bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer
im Zusammenhang mit ihrer Übernahme getroffenen Abrede vollständig
oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten ist. Ob sich die Rechtsfolgen einer
solchen verdeckten Sacheinlage, soweit das Sacheinlageverbot aus § 5a
Abs. 2 Satz 2 gilt (zu seiner Reichweite in Fällen der Kapitalerhöhung oben
Rn 23 f), nach den Privilegierungen des heutigen § 19 Abs. 4 oder vielmehr
weiterhin nach den Regeln des früheren, bis zum Inkrafttreten des MoMiG
geltenden Rechts richten, ist sehr umstritten.
OLG Stuttgart GmbHR 2011, 1275; aA
Saenger/Inhester/Pfisterer Rn 26.
1 Zutreffend OLG Hamm GmbHR 2011,
655, 656; Klose GmbHR 2009, 294, 297;
ebenso etwa Berninger GmbHR 2011,
953, 955; Michalski/Miras Rn 112 f;
MünchKomm/Rieder Rn 40; R/A/Roth
Rn 16; Gehrlein/Ekkenga/Simon/
Schmitz Rn 16 f; aA Wachter NJW
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2011, 2620, 2623, der Viertel-Einzahlung genügen lassen will.
2 So lagen die Dinge im Fall OLG Hamm
GmbHR 2011, 655. – Auch in den Fällen OLG München GmbHR 2011, 1276
und OLG Stuttgart GmbHR 2011, 1275
waren insgesamt jeweils mehr als
12 500 Euro eingezahlt, weshalb in beiden Entscheidungen zu der in Rn 26
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Eine verbreitete Ansicht1 verneint die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 4 und 28
macht zur Begründung geltend, die privilegierenden Wirkungen jener Regelung hätten keine Berechtigung, wo die Beteiligten den Weg der offenen Sacheinlage gar nicht hätten wählen dürfen. Die Gegenmeinung2 verweist auf das
mit dem MoMiG verfolgte Ziel des Gesetzgebers, das Gründungsverfahren
zu deregulieren und die früheren (als überschießend empfundenen) Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage zu beseitigen. Auch dieser Kommentar
hat sich von Anbeginn für die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 4 im Geltungsbereich des § 5a Abs. 2 Satz 2 (wie auch bei der GmbH-Gründung im vereinfachten Verfahren unter Verwendung eines Musterprotokolls nach § 2
Abs. 1a, wo ebenfalls ein Sacheinlageverbot gilt; vgl dazu § 2 Rn 46 und § 19
Rn 67 ff) ausgesprochen. So hatte Lutter in der 17. Aufl (§ 5a Rn 13) mit Nachdruck geltend gemacht, es könne nicht sein, die früheren Rechtsfolgen einer
verdeckten Sacheinlage ausgerechnet bei der UG fröhliche Urständ feiern zu
lassen.
Daran ist festzuhalten; § 19 Abs. 4 kommt auch in der UG (haftungs- 29
beschränkt) zur Anwendung3. Zwar ist einzuräumen, dass die verdeckte
Sacheinlage selbst bei Werthaltigkeit des überlassenen Vermögensgegenstandes nicht lediglich gegen (formelle) Verfahrenskautelen des Gesetzes verstößt, wenn die Gründung oder Kapitalerhöhung im Wege offen ausgewiesener Sacheinlagen gar nicht zugelassen ist. Ebenso ist zuzugestehen, dass das
Sacheinlageverbot bei der UG nicht allein der Vereinfachung und Beschleunigung des Gründungs- (und Kapitalerhöhungs-) Verfahrens dient, sondern
auch Gläubigerschutzfunktion hat (s. oben Rn 21). Dennoch wäre es wertungswidersprüchlich, wollte man die Anwendung des § 19 Abs. 4 in der UG
versagen4. Denn die in jener Vorschrift angeordnete Wertanrechnung des vererörterten Frage nicht Stellung genommen wurde.
1 S. etwa B/H/Fastrich Rn 12; Fastrich in
VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010, 2011, S. 119, 141; Hirte
ZInsO 2008, 933, 935; Michalski/Miras
Rn 42 ff; Priester FS Roth, 2011, S. 573,
577; Bork/Schäfer/Schäfer Rn 22 f;
Schäfer ZIP 2011, 53, 57 f; Ulmer
GmbHR 2010, 1298, 1301 ff; Wachter
GmbHR-Sonderheft 2008, S. 25, 33;
Wicke Rn 8.
2 Vgl zB Goette in Goette/Habersack,
Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Kap. 9 Rn 24; Kleindiek FS
Hopt, 2010, S. 941 ff; Ulmer/Paura Erg
MoMiG Rn 50; Saenger/Inhester/Pfis-
terer Rn 14; MünchKomm/Rieder
Rn 23; R/A/Roth Rn 21; Veil ZGR 2009,
623, 631 f; Scholz/Westermann Rn 20;
Witt ZIP 2009, 1102; 1105; im Ergebnis
auch Pentz FS Goette, 2011, S. 355,
359 ff (analoge Anwendung des § 19
Abs. 4).
3 Ausführlicher zum Folgenden Kleindiek FS Hopt, 2010, S. 941 ff.
4 S. Kleindiek FS Hopt, 2010, S. 941,
944 f; im Ansatz ähnlich schon 17. Aufl,
Rn 13 (Lutter) und Goette in Goette/
Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Kap. 9 Rn 24;
auch Witt ZIP 2009, 1102, 1105, der
freilich die Tilgungswirkung der Anrechnung leugnet.
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deckt überlassenen Vermögensgegenstandes auf die Geldeinlagepflicht des
Gesellschafters führt im Ergebnis – soweit die Anrechnung reicht – zum Erlöschen seiner Barleistungspflicht. Der Neuordnung der Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen in § 19 Abs. 4 liegt die gesetzliche Wertung zugrunde, dass
den Gläubigerinteressen hinreichend Rechnung getragen ist, wenn die Gesellschafter der Gesellschaft Vermögensgegenstände im (nachgewiesenen)
Wert des Stammkapitalbetrages (bzw des Kapitalerhöhungsbetrages) überlassen. Diese Wertung unterscheidet nicht danach, ob eine offene Sacheinlage
erlaubt oder verboten ist. Eine solche Differenzierung wäre im Übrigen wenig
folgerichtig, denn die verdeckte Sacheinlage verletzt auch dann die Vorgaben
des Gesetzes, wenn der nämliche Vermögensgegenstand im Wege einer offenen Sacheinlage hätte eingebracht werden können. Hier wie dort gibt der Geschäftsführer eine falsche Versicherung ab, wenn er den Tatbestand der verdeckten Sacheinlage bei der Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister
verschweigt; ihn treffen daraus zivilrechtliche und (bei Vorsatz) strafrechtliche Sanktionen1. Gleichwohl führt die Wertanrechnung nach Eintragung
der Gesellschaft (oder der Kapitalerhöhung) in Höhe des anrechenbaren Wertes zur Befreiung des Gesellschafters von seiner Bareinlagepflicht. Wo per se
ein Bareinlagegebot gilt, kann das nicht anders sein.
30 Im Übrigen beschränkt der BGH das Rechtsinstitut der verdeckten Sacheinlage zwar auf die (verdeckte) Einbringung solcher Gegenstände, die auch
sacheinlagefähig sind2: Der den Grundsätzen der verdeckten Sacheinlage inhärente Vorwurf einer Umgehung der Sacheinlagevorschriften setze voraus,
dass die Gesellschafter den im Ergebnis erstrebten Erfolg einer Sacheinlage
rechtmäßig unter Beachtung der dafür geltenden Vorschriften hätten erreichen können; die dem Bareinlageschuldner nachteiligen Folgen des Rechts
der verdeckten Sacheinlage könnten nicht an die Nichteinhaltung eines Verfahrens geknüpft werden, das die Rechtsordnung für den betreffenden Vorgang gar nicht bereitstelle. – Aus solchen Feststellungen ist indes nicht der
Schluss zu ziehen, für die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage nach § 19
Abs. 4 sei auch dort kein Raum, wo ein zwar sacheinlagefähiger Gegenstand
verdeckt eingebracht werde, die Alternative einer offenen Sacheinlage aber
gar nicht zur Verfügung stehe3. Für den Fall der Einbringung eines nicht sacheinlagefähigen Gegenstandes verneint der BGH schon den Tatbestand der
verdeckten Sacheinlage, so dass Leistungsbefreiung zugunsten des Inferenten
auch nicht nach § 19 Abs. 4, sondern – wenn ein Fall des Hin- und Herzahlens gegeben ist – nur unter den (strengeren) Kautelen des § 19 Abs. 5 in
Betracht kommt. Ein nicht sacheinlagefähiger Gegenstand ist im Kontext des
§ 19 Abs. 4 auch nicht anrechnungsfähig, weil er keine „Wertdeckungseig1 Vgl Kleindiek FS Karsten Schmidt,
2009, S. 893, 897 f.
2 BGH ZIP 2009, 713 Rn 11 – Qivive.
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3 So aber Bork/Schäfer/Schäfer Rn 23;
Schäfer ZIP 2011, 53, 57.
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Unternehmergesellschaft
nung“ im Sinne dieser Vorschrift hat. Wo trotz bestehenden Bareinlagegebots
ein sacheinlagefähiger Gegenstand eingebracht wird, liegen die Dinge durchaus anders. Die Einbringung als offene Sacheinlage wäre hier zwar ebenfalls
nicht möglich gewesen. Die „Wertdeckungseignung“ eines solchen Gegenstandes ist aber gegeben. Die Anrechnungswirkung des § 19 Abs. 4 gleichwohl versagen zu wollen, wäre – s. oben Rn 29 – nicht wertungskonsistent.
Die Erkenntnis des BGH, die Anwendung der Grundsätze verdeckter Sacheinlagen iSd § 19 Abs. 4 setzte voraus, dass die Gesellschafter den erstrebten
Einlageerfolg auch unter Beachtung (Einhaltung) der jeweils bestehenden gesetzlichen Vorschriften hätten erreichen können1, ist deshalb zu weit formuliert: Für die Anwendbarkeit der privilegierenden Wirkungen des § 19 Abs. 4
entscheidend kann allein sein, ob ein zur (wenigstens teilweisen) Wertdeckung geeigneter Gegenstand (verdeckt) eingebracht wird.
Auch in der UG (haftungsbeschränkt) richten sich die Rechtsfolgen der ver- 31
deckten Sacheinlage also, wie bei der regulären GmbH, nach § 19 Abs. 4 (zu
Einzelheiten s. § 19 Rn 54 ff) mit der Folge, dass
– die Bareinlageverpflichtung des betreffenden Gesellschafters gültig ist und
bleibt;
– aber auch die Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Sache sowie deren Leistung selbst rechtswirksam sind und
– der objektive Wert der Sache im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister oder ihrer späteren Überlassung an die Gesellschaft auf die Bareinlagepflicht kraft Gesetzes angerechnet wird.
e) Hin- und Herzahlungen (§ 19 Abs. 5): In den Konstellationen des Hin- und 32
Herzahlens außerhalb der Fälle einer verdeckten Sacheinlage kommt auch in
der UG (haftungsbeschränkt) § 19 Abs. 5 zur Anwendung (zu Einzelheiten s.
§ 19 Rn 105 ff). Das muss im Übrigen selbst dann gelten, wenn man – entgegen der oben Rn 29 f vertretenen Position – die Anwendbarkeit des § 19
Abs. 4 bei der UG grundsätzlich verneinen wollte2. Das Volleinzahlungsgebot in der UG (§ 5a Abs. 2 Satz 1) steht der Anwendbarkeit des § 19 Abs. 5
nicht entgegen3. Das Gesetz erkennt heute in § 19 Abs. 5 einen bloß schuldrechtlichen (fälligen und liquiden) Rückgewähranspruch gegen den Inferenten als dem Einlageanspruch gleichwertig an, womit der Gesetzgeber die
überkommenen Grundsätze des Kapitalaufbringungsrechts durchbrochen
1 BGH ZIP 2009, 713 Rn 11 – Qivive.
2 Die Anwendbarkeit von § 19 Abs. 5
bejahen denn auch B/H/Fastrich Rn 12;
Fastrich in VGR, Gesellschaftsrecht in
der Diskussion 2010, 2011, S. 119, 138 f;
Michalski/Miras Rn 50; Bork/Schäfer/
Schäfer Rn 23.
3 Saenger/Inhester/Pfisterer Rn 11;
MünchKomm/Rieder Rn 24; aA Wicke
Rn 7; nicht konsequent Scholz/Westermann Rn 17.
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
hat; mit der Frage Voll- oder Teileinzahlungsgebot hat das aber nichts zu
tun1.
33 Allerdings verlangt § 19 Abs. 5 Satz 2, dass die Vereinbarung des „Hin- und
Herzahlens“ gegenüber dem Registergericht angezeigt wird (s. oben Rn 16).
Der BGH versteht diese Anzeige als konstitutive Voraussetzung der Erfüllungswirkung nach Satz 1 der Vorschrift2. Das ist zwar in keiner Weise überzeugend3, für die Praxis aber ein zu beachtendes Datum.
5. Gesetzliche Rücklage (§ 5a Abs. 3)
34 a) Grundlagen: Für die Gründung der regulären GmbH verlangt das Gesetz in
§ 5 Abs. 1 – wenn auch nicht sofort in voller Höhe (§ 7 Abs. 2) – die Aufbringung eines Mindesteigenkapitals von 25 000 Euro; mit der UG (haftungsbeschränkt) gewährt der Gesetzgeber die Wohltat der Haftungsbeschränkung
ohne den „Preis“ eines solchen Risikobeitrags der Gesellschaftsgründer (s.
schon oben Rn 4 f). Jedoch soll im Anschluss an die Gründung das Eigenkapital der Gesellschaft nach § 5a Abs. 3 aus einbehaltenen Gewinnen der Geschäftstätigkeit aufgebaut und – vgl § 5a Abs. 5 – auf die Höhe des Mindestkapitals nach § 5 Abs. 1 gebracht werden. Daraus kann man folgern: Die
Prämisse des § 5 Abs. 1 wird nicht endgültig, sondern nur für den Zeitpunkt
der Gründung der UG aufgegeben, im Übrigen aber zeitlich gestreckt4.
35 Das Leitbild des MoMiG-Gesetzgebers von der idealtypischen Lebensentwicklung der UG (haftungsbeschränkt) wird damit durchaus zutreffend beschrieben5. Inwieweit es sich in der Praxis tatsächlich bestätigt (bestätigen
wird), steht auf einem anderen Blatt; insoweit bleiben die Erfahrungen im
weiteren Zeitablauf abzuwarten. Jedenfalls hat der Gesetzgeber aber auf jeden
Versuch verzichtet, den Aufbau einer Rücklage, die (zusammen mit dem in
der Satzung festgelegten Stammkapital) alsbald die Höhe des Mindestkapitals
nach § 5 Abs. 1 erreicht, zu forcieren oder die Verwendung der Rücklage zur
zeitnahen Erhöhung des Stammkapitals auf insgesamt wenigstens
25 000 Euro zu erzwingen (zB durch Androhung der Auflösung der Gesellschaft, wenn jenes Ziel nicht nach einer bestimmten Zeit verwirklicht ist).
Der Aufbau einer höheren Eigenkapitalausstattung kann durch § 5a Abs. 3
auch keineswegs „gesichert werden“6. Die Pflicht zur Rücklagenbildung
steht vielmehr unter der Prämisse, dass der aufgestellte Jahresabschluss über1 Zutreffend R/A/Roth Rn 22.
2 So, wenn auch jeweils ohne nähere Begründung, BGH ZIP 2009, 713 Rn 16 –
Qivive; BGH ZIP 2009, 1561 Rn 25 –
Cash Pool II.
3 S. zur Kritik § 19 Rn 122 f (Bayer); HKInsO/Kleindiek Anh § 35 Rn 60.
230
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4 In diesem Sinne schon 17. Aufl, Rn 14
(Lutter).
5 Vgl auch Begr zu § 5a Abs. 3 RegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 32.
6 So aber Begr zu § 5a Abs. 3 RegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S. 32.
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Unternehmergesellschaft
haupt einen Jahresüberschuss aufweist. Dass wirtschaftlicher Erfolg nicht gesetzlich „gesichert“ werden kann, versteht sich ohnehin von selbst. Zudem
können zulässige Gestaltungsoptionen einen Jahresüberschuss erst gar nicht
entstehen lassen; unzulässige Umgehungsstrategien (unten Rn 42) sind für
außenstehende Dritte (Gläubiger) in der Regel kaum zu erkennen, zumal
kleine Kapitalgesellschaften (vgl oben Rn 10) ihre GuV nicht offen legen
müssen und auch nicht prüfungspflichtig sind (s. Vor § 41 Rn 37). Eine
gleichwohl aufgebaute Rücklage darf zur Verlustdeckung verwendet werden,
kann also ggf. schnell verbraucht sein. Im Übrigen können die Gesellschafter
sie in Stammkapital umwandeln, müssen dies aber nicht tun (unten Rn 45).
Die Interessen der Gläubiger werden mit der Rücklage nach Abs. 3 jedenfalls
nicht in einer Weise geschützt, die der Verpflichtung zur Aufbringung des gesetzlichen Mindesteigenkapitals bei Gründung nach §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2
gleichwertig wäre.
b) Rücklagenbildung (§ 5a Abs. 3 Satz 1): Die UG (haftungsbeschränkt) ist als 36
Handelsgesellschaft (§§ 13 Abs. 3, 6 HGB) und (regelmäßig kleine iSv § 267
Abs 1 HGB; vgl oben Rn 10) Kapitalgesellschaft gemäß §§ 242 ff, 264 ff HGB
verpflichtet, nach dem Ende ihres Geschäftsjahres durch ihren Geschäftsführer einen Jahresabschluss (JA) mit Bilanz, GuV und Anhang aufzustellen (s.
schon oben Rn 10). Erweist dabei die GuV, dass ein Jahresüberschuss (§ 275
Abs. 2 Nr. 20, Abs. 3 Nr. 19 HGB) nach Abzug eines Verlustvortrages aus
dem JA des Vorjahres in bestimmter Höhe entstanden ist, so muss der Geschäftsführer 25 % davon bereits in der aufgestellenden Bilanz in die (richtigerweise immer, auch bei der kleinen UG, gesondert auszuweisende1) gesetzliche Rücklage (§ 266 Abs. 3 A III Nr. 1 HGB) buchen. In Höhe dieser 25 %
entsteht dann kein verteilungsfähiger Bilanzgewinn mehr (§ 158 Abs. 1 Nr. 4
und 5 AktG entsprechend). – Vor diesem Hintergrund sind die im Zuge des
MicroBilG vorgesehenen Erleichterungen für die Bilanz und GuV von
Kleinstkapitalgesellschaften (vgl Vor § 41 Rn 26 sowie § 42 Rn 3a und 4a) im
Detail überprüfungsbedürftig; es besteht noch Abstimmungsbedarf mit der
gesetzlichen Rücklage nach § 5a Abs. 3 und den daraus resultierenden Anforderungen an einen funktionsgerechten bilanziellen Ausweis.
In der Struktur ähnelt die Rücklage nach § 5a Abs. 3, bei Unterschieden im 37
Einzelnen, der Regelung des § 150 AktG. Auch bei der dortigen gesetzlichen
Rücklage muss der fragliche Betrag bereits bei der Aufstellung der Bilanz berücksichtigt werden2. Die Gesellschafterversammlung darf bei der anschließenden Feststellung der Bilanz an einer gebuchten Rücklage in Höhe der in
§ 5a Abs. 3 Satz 1 vorgeschriebenen 25 % negativ nichts ändern (s. aber unten
Rn 38). Enthält der vom Geschäftsführer aufgestellte JA (also der JA-Entwurf)
1 Vgl Hennrichs NZG 2009, 921, 924;
H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 84; Michalski/Miras Rn 69.
2 K. Schmidt/Lutter/Kleindiek § 150
AktG Rn 4.
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die gesetzlich vorgeschriebene Zuweisung nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Höhe, so kann die Gesellschafterversammlung das vor Feststellung des JA noch ändern. Tut sie das nicht oder verringert sie gar die vorgeschriebene Zuweisung, so ist der JA nichtig; s. zu den Rechtsfolgen von
Verstößen gegen § 5a Abs. 3 unten Rn 48 ff.
38 Die Satzung oder ein Weisungsbeschluss der Gesellschafterversammlung
können den Geschäftsführer zur Einstellung einer höheren Zuführung1 an
die gesetzliche Rücklage anweisen. In gleicher Weise können das die Gesellschafter noch anlässlich der Feststellung des JA tun, indem sie den von den
Geschäftsführern aufgestellten Abschluss entsprechend ändern. Jede Reduzierung der gesetzlich vorgeschriebenen 25 % ist jedoch nichtig.
39 c) Gestaltungsspielräume: Die Pflicht zur Rücklagenbildung nach § 5a Abs. 3
steht unter der Voraussetzung, dass das Geschäftsjahr überhaupt mit einem
Jahresüberschuss endet. Das Gesetz behandelt den Fall, dass Gewinn erzielt
ist, und sagt nicht, es müsse auf jeden Fall Gewinn erzielt werden (s. schon
oben Rn 35). § 5a Abs. 3 steht deshalb der Vereinbarung einer „gewinnlosen“
UG (haftungsbeschränkt) nicht entgegen2. Erst recht zulässig ist auch eine
gemeinnützige UG3.
40 Die UG (haftungsbeschränkt) kann als persönlich haftende Gesellschafterin
einer KG – UG (haftungsbeschränkt) & Co KG (s. schon oben Rn 11) – vertraglich von der Gewinnbeteiligung ausgeschlossen sein4; die Übernahme der
Komplementärfunktion durch eine UG ist nicht etwa nur unter der Voraussetzung ihrer Gewinnbeteiligung zulässig5, der KG-Gesellschaftsvertrag an1 S. auch Ulmer/Paura Erg MoMiG
Rn 60.
2 Übereinstimmend Ulmer/Paura Erg
MoMiG Rn 53 und 83; MünchKomm/
Rieder Rn 54; R/A/Roth Rn 26; Saenger/Inhester/Pfisterer Rn 20.
3 Dazu Michalski/Miras Rn 100 f; Oberbeck/Winheller DStR 2009, 516 ff; Ullrich GmbHR 2009, 750 ff; Ulmer/Paura
Erg MoMiG Rn 85. – Zur Vereinbarkeit
der Rücklagenbildung nach § 5a Abs. 3
mit dem Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung s. BayLfSt, Verfügung v.
31.3.2009, DB 2009, 934 sowie Nr. 21
des aktuellen Anwendungserlasses des
BMF zur AO (hier § 55 AO): BMFSchreiben v. 17.1.2012, DStR 2012, 298.
4 Ebenso etwa Hennrichs NZG 2009,
1161, 1166; H.-F. Müller ZGR 2012, 81,
232
|
102 ff; Ulmer/Paura Erg MoMiG
Rn 83 f; Saenger/Inhester/Pfisterer
Rn 29; MünchKomm/Rieder Rn 54 f;
Stenzel NZG 2009, 168, 169 ff; Scholz/
Westermann Rn 40; insoweit auch Michalski/Miras Rn 99.
5 So jedoch Priester FS Roth, 2011, S. 573,
583 f; Tamm MDR 2010, 1025, 1028;
Veil ZGR 2009, 623, 641; Wachter
GmbHR-Sonderheft 2008, S. 25, 33;
Weber BB 2009, 842, 847; tendenziell
auch Wicke Rn 19. Vermittelnd (als
Maßstab für die Wirksamkeit des KGGesellschaftsvertrages indes wenig
praktikabel) B/H/Fastrich Rn 36: UG
müsse die gesetzliche Rücklage kontinuierlich so bedienen können, dass
innerhalb von 10 Jahren gebundene
Mittel in Höhe des Mindeststamm-
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Unternehmergesellschaft
dernfalls nicht etwa unwirksam1. Ebenso wenig hängt die Zulässigkeit davon
ab, dass die Komplementär-UG wenigstens eine feste Vergütung für die übernommene Haftung (neben der Erstattung ihrer Auslagen) erhält2; die Folgen
ausgeschlossener Erstattungs- und Vergütungsansprüche richten sich vielmehr nach den Grundsätzen verdeckter Gewinnausschüttungen (verdeckter
Vermögensverlagerungen) zulasten der UG3; dazu unten Rn 42 f.
Die UG (haftungsbeschränkt) kann auch einen Gewinnabführungsvertrag 41
(unten Anh zu § 13 Rn 44 f) schließen. § 5a Abs. 3 steht dem nicht entgegen4,
denn insoweit sind §§ 300 Nr. 1 und 2, 301 AktG in der Weise entsprechend
anwendbar5, dass nur der nach Dotierung der gesetzlichen Rücklage (§ 5a
Abs. 3 Satz 1) verbleibende Jahresüberschuss der Gewinnabführung unterliegt. Ebenso sind die zur Dotierung der gesetzliche Rücklage erforderlichen
Mittel gegen Zugriffe des herrschenden Unternehmens geschützt, wenn die
UG beherrschter Vertragsteil eines (isolierten) Beherrschungsvertrages (unten Anh zu § 13 Rn 46 f) ist: § 300 Nr. 3 AktG entsprechend6.
d) Unzulässige Umgehungsstrategien: Von den zulässigen Gestaltungsoptio- 42
nen sind solche Strategien zu unterscheiden, mit denen die Bildung der gesetzlichen Rücklage unzulässig umgangen werden soll. Durch Ausgestaltung
der Austauschbeziehungen zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern (bzw gesellschaftergleichen Dritten) kann die Gewinnentstehung (und
in der Folge die Verpflichtung zur Rücklagenbildung) im Interesse der Gesellschafter zwar durchaus zulässig beeinflusst werden: Marktgerechte Vergütungen für den Gesellschafter-Geschäftsführer sind auch dann erlaubt,
wenn der Gesellschaft danach kein Gewinn verbleibt7. Aber die Gestaltung
der Austauschbeziehungen kann auch missbräuchlich manipuliert werden:
1
2
3
4
kapitals nach § 5 Abs. 1 aufgebaut seien; ähnlich wohl Priester FS Roth, 2011,
S. 573, 584, der aber auf einen Zeitraum
von 5 Jahren abstellen will.
Nach Priester FS Roth, 2011, S. 573, 584
soll der Vertrag „ergänzend auszulegen“ sein, wenn er eine Gewinnbeteiligung der Komplementärin nicht vorsehe.
Anders Bork/Schäfer/Schäfer Rn 9, der
eine feste Vergütung für die übernommene Haftung als einer Gewinnbeteiligung „prinzipiell gleichwertig“ anerkennen will; ähnlich Kock/Vater/Mraz
BB 2009, 848, 849.
H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 107 f.
AA Michalski/Miras Rn 72: nur Teil-
gewinnabführungsvertrag zu 3/4 zulässig.
5 S. zu einer Analogie schon Stenzel NZG
2009, 168, 171; Waldenberger/Sieber
GmbHR 2009, 114, 119 f; ebenso
B/H/Fastrich Rn 37; H.-F. Müller ZGR
2012, 81, 110; Ulmer/Paura Erg MoMiG Rn 86; MünchKomm/Rieder
Rn 56; Römermann/Passarge ZIP 2009,
1497, 1503; Rubel GmbHR 2010, 470,
471 f; aA Spies S. 315 ff.
6 Römermann/Passarge ZIP 2009, 1497,
1503; B/H/Fastrich Rn 37 aE.
7 Unzutreffend Michalski/Miras Rn 90:
die Geschäftsführerbezüge dürften
„niemals so hoch sein, dass der Gesellschaft keine Gewinne mehr verbleiben“.
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Unternehmergesellschaft
zB überhöhte Geschäftsführer-Vergütung; unangemessenes Entgelt für sonstige Leistungen etc. Da die Rücklage nach § 5a Abs. 3 das (bei der UG fehlende) Mindeststammkapital nach § 5 Abs. 1 funktional zu ersetzen sucht und
sie nur nach Maßgabe von § 5a Abs. 3 Satz 2 verwendet werden darf (s. unten
Rn 44 ff), sind solche Umgehungsstrategien entsprechend jenen Maßstäben
zu bekämpfen, die im Gesellschaftsrecht (s. dazu § 29 Rn 48 ff) wie im Steuerrecht1 zum Problemkreis der verdeckten Gewinnausschüttungen (verdeckten
Vermögensverlagerungen) entwickelt worden sind2.
43 Maßgeblich ist auch hier, ob die konkrete Ausgestaltung der Austauschbeziehungen zwischen der UG (haftungsbeschränkt) und den Gesellschaftern dem
Drittvergleich standhält, wobei das für die Gesellschaft handelnde Organ
freilich einen unternehmerischen Beurteilungsspielraum in Anspruch nehmen kann3. Aufwandswirksame Vergütungen etc, soweit sie unvertretbar
überhöht sind, mindern aber (in eben diesem Umfang) den tatsächlich erwirtschafteten Jahresüberschuss als die Bemessungsgrundlage für die gesetzliche
Rücklage nach § 5a Abs. 3 gerade nicht4. Unterjährige überhöhte Zuwendungen sind deshalb entsprechend §§ 30, 31 zurückzuerstatten, soweit sie zur Bedienung der (zutreffend ermittelten) Rücklage benötigt werden5. Ein JA, in
dem die Rücklage unzutreffend ausgewiesen wird, ist nichtig; s. näher unten
Rn 48.
44 e) Rücklagenverwendung (§ 5a Abs. 3 Satz 2): Die Verwendung der gesetzlichen Rücklage ist nur zu den in § 5a Abs. 3 Satz 2 genannten Zwecken erlaubt: außer zur Kapitalerhöhung auch zur Verlustdeckung; denn nach den
allgemeinen Vorschriften zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln können Rücklagen ohnehin nicht in Stammkapital umgewandelt werden, soweit
in der zugrunde gelegten Bilanz ein Verlust, einschließlich eines Verlustvortrags, ausgewiesen ist (§ 57d Abs. 2). Gegen die Verwendungsbeschränkungen
des § 5a Abs. 3 Satz 2 verstoßende Ausschüttungen sind entsprechend §§ 30,
31 zu erstatten (unten Rn 49).
45 Nach dem Leitbild des Gesetzes ist die UG (haftungsbeschränkt) eine Rechtsformvariante auf dem Wege zur „Voll-GmbH“ (s. oben Rn 34 f). Daher soll ihr
Eigenkapital nicht nur (über die gesetzliche Rücklage nach § 5a Abs. 3 Satz 1)
jährlich aufgestockt und erhöht werden, sondern auch das förmliche Stamm1 Vgl etwa Blümich/Rengers § 8 KStG
Rn 220 ff (Stand: 115. ErgLfg, April
2012).
2 Im Ausgangspunkt ebenso Michalski/
Miras Rn 86 ff; Ulmer/Paura Erg MoMiG Rn 54 f; MünchKomm/Rieder
Rn 34; Schäfer ZIP 2011, 53, 58; aA
Römermann NJW 2010, 905, 908.
3 Vgl unten § 29 Rn 50 und etwa Scholz/
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Verse § 29 Rn 116 und § 30 Rn 19; im
Zusammenhang mit § 5a Abs. 3 s. etwa
Hennrichs NZG 2009, 1161, 1165.
4 S. auch B/H/Fastrich Rn 23; H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 98 f: Korrektur des
Ausweises von Jahresüberschuss und
Rücklage in der Bilanz.
5 So wohl auch H.-F. Müller ZGR 2012,
81, 99.
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kapital soll auf die Höhe des Mindestkapitals der regulären GmbH mit
25 000 Euro gebracht werden. Die gesetzliche Rücklage darf nach § 5a Abs. 3
Satz 2 Nr. 1 deshalb gerade zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln
nach den Regeln der §§ 57c ff verwandt werden; zu Einzelheiten s. die Erläuterungen dort1. Eine Pflicht zu einer solchen (gänzlichen oder teilweisen)
Umwandlung in Stammkapital enthält das Gesetz aber nicht; die Entscheidung über eine Kapitalerhöhung auf diesem Wege (oder gegen neue Einlagen,
ggf auch durch Umwandlung sonstiger Rücklagen; s. unten Rn 53) liegt vielmehr – vorbehaltlich abweichender Satzungsklauseln oder einer bindenden
Vereinbarung außerhalb der Satzung – im Ermessen der Gesellschafter. In
Einzelfällen mag aus der Treuepflicht das Gebot der Mitwirkung an der entsprechenden Maßnahme ableitbar sein2.
Ergibt die GuV eines Geschäftsjahres, dass es mit einem Jahresfehlbetrag ge- 46
endet hat, so darf die bereits bestehende gesetzliche Rücklage zu dessen Ausgleich verwandt werden (§ 5a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2). Der Geschäftsführer darf in
seinem Entwurf der Bilanz aus der bestehenden Rücklage einen Betrag ausbuchen und damit den sonst entstehenden Jahresfehlbetrag ganz oder teilweise decken. Die gleiche Befugnis hat die Gesellschafterversammlung im
Zusammenhang mit ihrer Feststellung des JA. Diese Befugnis zur Inanspruchnahme der gesetzlichen Rücklage gilt naturgemäß nicht, wenn der
Jahresabschluss des Vorjahres einen Gewinnvortrag enthält, soweit aus diesem der Jahresfehlbetrag gedeckt werden kann. Die vorherige Auflösung ggf
bestehender anderer, nicht gebundener Rücklagen verlangt § 5a Abs. 3 indes
nicht3.
Hat die Gesellschaft im letzten JA einen Verlust vorgetragen und kann dieser 47
im jetzigen JA nicht oder nicht ganz aus einem Jahresüberschuss gedeckt
werden, so kann dieser Verlustvortrag jetzt aus der gesetzlichen Rücklage beseitigt werden (§ 5a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3).
f) Verstöße gegen § 5a Abs. 3: Gegen § 5a Abs. 3 Satz 1 wird verstoßen, wenn 48
im festgestellten JA trotz erzielten Gewinns die gesetzliche Rücklage nicht
oder nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe (25 % des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses) gebucht wird.
Das ist auch dort der Fall, wo aufgrund von verdeckten Gewinnausschüttungen (verdeckte Vermögensverlagerungen) ein zu geringer (oder gar kein) Jahresüberschuss ausgewiesen wird (s. oben Rn 42 f). In all diesen Fällen ist der
1 Vgl auch noch Ulmer/Paura Erg MoMiG Rn 58.
2 MünchKomm/Rieder Rn 29; Priester
FS Roth, 2011, S. 573, 582; tendenziell
wohl auch Scholz/Westermann Rn 30;
skeptisch H.-F. Müller ZGR 2012, 81,
89 f.
3 B/H/Fastrich Rn 25; Ulmer/Paura Erg
MoMiG Rn 59; H.-F. Müller ZGR 2012,
81, 87 f mwN.
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Jahresabschluss entsprechend § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG nichtig1. Denn bei
Verstoß gegen § 5a Abs. 3 wird eine – für die UG (haftungsbeschränkt) zentrale – Schutzvorschrift zugunsten der Gläubiger verletzt, so dass hier § 256
Abs. 1 Nr. 1 AktG nicht durch § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG verdrängt wird2; von
Bedeutung für die unterschiedlichen Heilungsfristen: § 256 Abs. 6 Satz 1
AktG. Ein auf nichtigem JA beruhender Gewinnverwendungsbeschluss ist
entsprechend § 253 AktG ebenso nichtig.
49 Verbotswidrige (weil die Verwendungsbindungen nach § 5a Abs. 3 Satz 2 verletzende) Ausschüttungen der aufgebauten gesetzlichen Rücklage sind von
den Gesellschaftern entsprechend §§ 30, 31 zurückzuerstatten; Ausfallhaftung entsprechend § 31 Abs. 3; Verjährung entsprechend § 31 Abs. 5. Da die
Rücklage nach § 5a Abs. 3 das (bei der UG fehlende) Mindeststammkapital
nach § 5 Abs. 1 funktional zu ersetzen sucht und sie nur nach Maßgabe von
§ 5a Abs. 3 Satz 2 verwendet werden darf, ist sie analog §§ 30, 31 zu schützen3. Deshalb sind Ausschüttungen an die Gesellschafter in der UG (haftungsbeschränkt) nur insoweit zulässig, als danach das statutarische Stammkapital und die aufgebaute Rücklage nach § 5a Abs. 3 noch gedeckt sind4.
Nach Maßgabe der §§ 812 ff BGB bestehen Kondiktionsansprüche neben dem
Erstattungsanspruch entsprechend §§ 30, 315.
50 Ebenso entsteht die Erstattungspflicht entsprechend §§ 30, 31 (sowie nach
Bereicherungsrecht), wenn die Rücklage im JA nicht oder nicht in der gebotenen Höhe gebucht worden ist und – ungeachtet der daraus resultierenden
Nichtigkeit von JA und Gewinnverwendungsbeschluss (oben Rn 48) – Ausschüttungen an die Gesellschafter vorgenommen werden. S. auch schon
oben Rn 43 zur Erstattungspflicht entsprechend §§ 30, 31 in den Fällen verdeckter Gewinnausschüttungen (verdeckter Vermögensverlagerungen).
1 S. nur Ulmer/Paura Erg MoMiG Rn 60
mwN; einschränkend H.-F. Müller
ZGR 2012, 81, 98 bezogen auf Nichtigkeit bei falscher Rücklagendotierung
wegen verdeckter Gewinnausschüttungen: dann § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG.
2 Im Ergebnis aA Spies S. 216 f.
3 Zutreffend Neideck GmbHR 2010, 624,
626 ff; im Ergebnis ebenso etwa
B/H/Fastrich Rn 26; Michalski/Miras
Rn 81 ff; Ulmer/Paura Erg MoMiG
Rn 60; MünchKomm/Rieder Rn 31;
Bork/Schäfer/Schäfer Rn 29; aA wohl
Bork/Schäfer/Thiessen § 30 Rn 9:
Rücklage habe „für das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 Satz 1 keine
236
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Auswirkung“; für unmittelbare Ableitung der Erstattungspflicht aus § 5a
Abs. 3 Heckschen in Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungsu. Beratungspraxis, 2. Aufl 2009, § 5
Rn 59; Veil ZGR 2009, 623, 633.
4 Hennrichs NZG 2009, 1161, 1165 f;
Joost ZIP 2007, 2242, 2247; H.-F. Müller
ZGR 2012, 81, 92 ff.
5 Hennrichs NZG 2009, 1161, 1165; Ulmer/Paura Erg MoMiG Rn 60; Scholz/
Westermann Rn 26; einschränkend
H.-F. Müller ZGR 2012, 81, 94: Bereicherungsansprüche werden durch
§§ 30, 31 verdrängt.
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
Gegen die Geschäftsführer bestehen ggf Schadensersatzansprüche, nicht le- 51
diglich nach § 43 Abs. 21, sondern (folgerichtig; s. oben Rn 49) entsprechend
§ 43 Abs. 32. Zudem droht bei Auszahlungen zulasten der gesetzlichen Rücklage Strafbarkeit wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB)3.
Jedoch ist § 5a Abs. 3 kein Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB4.
g) Beendigung der Pflicht zur Rücklagenbildung: Die UG (haftungs- 52
beschränkt) bleibt – insoweit anders als eine AG im Modell des § 150 AktG,
vgl § 150 Abs. 2 AktG – den Pflichten zur Rücklagenbildung aus § 5a Abs. 3
(und den darin normierten Schranken für die Rücklagenverwendung) ganz
unabhängig von der erreichten Höhe dieser Rücklage so lange unterworfen,
bis sie ihr Stammkapital auf 25 000 Euro oder mehr förmlich erhöht hat, diese
Erhöhung also im Handelsregister eingetragen ist (§ 54 Abs. 3). So sucht der
Gesetzgeber einen Anreiz zu schaffen, das Stammkapital der UG auf wenigstens 25 000 Euro zu erhöhen5. Von diesem Augenblick an ist die Gesellschaft ipso iure „Voll-GmbH“; die Pflicht zur Bildung der jährlichen Rücklage besteht nicht mehr (§ 5a Abs. 5); etwaig noch verbleibende gesetzliche
Rücklagen iSd § 5a Abs. 3 werden frei6. Die UG (haftungsbeschränkt) erlangt
die Freiheit in der Verwendung ihrer jährlichen Gewinne also erst mit dieser
förmlichen Erhöhung ihres Stammkapitals auf mindestens 25 000 Euro. Ob
die Gesellschafter eine solche Kapitalerhöhung vornehmen wollen, liegt freilich in ihrem Entscheidungsermessen (s. oben Rn 45).
Die Erhöhung des Stammkapitals kann durch Kapitalerhöhung aus Gesell- 53
schaftsmitteln unter Verwendung der gesetzlichen Rücklage geschehen; so
das Leitbild des Gesetzgebers von der typischen Lebensentwicklung einer
UG (haftungsbeschränkt), s. oben Rn 34 f. Die UG kann ihr Stammkapital alternativ (oder kombiniert, ggf auch unter Umwandlung bestehender weiterer
Rücklagen7) aber selbstverständlich auch gegen neue Einlagen erhöhen. Für
diese gilt weiterhin § 5a Abs. 2 mit dem Verbot von Sacheinlagen und dem
Volleinzahlungsgebot, sofern nicht mit der Erhöhung der Betrag des § 5
Abs. 1 erreicht oder überschritten wird (s. oben Rn 23 ff). Eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen auf einen Stammkapitalbetrag von nach wie vor unter
25 000 Euro kann also weiterhin nur durch Bareinlage geschehen, die vor der
1 Entgegen MünchKomm/Rieder Rn 46;
Tamm MDR 2010, 1025, 1027; Bork/
Schäfer/Thiessen § 30 Rn 10.
2 Neideck GmbHR 2010, 624, 628; H.-F.
Müller ZGR 2012, 81, 95.
3 Dazu weiterführend Weiß wistra 2010,
361, 366 f.
4 Neideck GmbHR 2010, 624, 628; H.-F.
Müller ZGR 2012, 81, 95 f; Spies
S. 218 ff.
5 Seibert GmbHR 2007, 673, 676.
6 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks 16/6410,
S. 32; B/H/Fastrich Rn 34; H.-F. Müller
ZGR 2012, 81, 86 f; Ulmer/Paura Erg
MoMiG Rn 69; kritisch Freitag/Riemenschneider ZIP 2007, 1485, 1491.
7 Hennrichs NZG 2009, 1161, 1165;
Bork/Schäfer/Schäfer Rn 35.
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
Anmeldung zur Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister voll geleistet sein muss. Das ursprüngliche Stammkapital muss, soweit es verbraucht ist, im Zuge der Kapitalerhöhung nicht wieder aufgefüllt werden1.
54 Der Übergang in die „Voll-GmbH“ ist im Übrigen keine förmliche (formwechselnde) Umwandlung iSd UmwG2; die UG (haftungsbeschränkt) ist eine
Unterform (Rechtsformvariante) der GmbH, keine von dieser verschiedene
Rechtsform.
6. Firma der UG (haftungsbeschränkt) (§ 5a Abs. 1)
55 a) Firmenbildung: Die Bildung der Firma einer UG (haftungsbeschränkt) ist –
was den Firmenkern betrifft, dh abgesehen vom Rechtsformzusatz (sogleich
Rn 56) – denselben Regeln unterworfen wie die Firmenbildung in der herkömmlichen GmbH. Es gilt der Grundsatz der freien Firmenbildung – auch
die Firma der UG kann also als Personen-, Sach-, Phantasie- oder Mischfirma
gebildet werden –, jedoch muss die gewählte Firma Kennzeichnungs- und
Unterscheidungskraft haben (§ 18 Abs. 1 HGB)3, darf nicht gegen das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 HGB verstoßen und muss sich von schon bestehenden Firmen nach näherer Bestimmung des § 30 HGB unterscheiden; zu
Einzelheiten s. § 4 Rn 4 ff.
56 b) Rechtsformzusatz: Solange die UG ein förmliches Stammkapital unter
25 000 Euro hat, darf sie den Rechtsformzusatz „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder „Gesellschaft mbH“, „GmbH“ (vgl § 4) nicht führen. Ihre
Firma muss statt dessen zwingend die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ exakt und
buchstabengetreu enthalten4; Zwischeneinfügungen sind nicht zulässig5;
wohl auch nicht die Abkürzung „gUG (haftungsbeschränkt)“ bei gemeinnütziger UG6. Irgendeine andere Bezeichnung statt des Rechtsformzusatzes in
seiner vorgeschriebenen Form (zB nur „Unternehmergesellschaft“ oder nur
„UG“; „UG mbh“ oder „Unternehmer-GmbH“ etc) ist ebenfalls nicht erlaubt und stellt ein Eintragungshindernis dar (§ 9c). Eine KG mit einer UG
(haftungsbeschränkt) als alleiniger Komplementärin darf nicht als „GmbH &
Co. KG“, eine OHG, bei der nur Unternehmergesellschaften persönlich haften, nicht als „GmbH & Co.“ firmieren7.
57 c) Haftung bei fehlendem oder irreführendem Rechtsformzusatz: In der regulären GmbH bejaht der BGH bei fehlendem Rechtsformzusatz nach § 4 eine
1 Michalski/Miras Rn 114; MünchKomm/Rieder Rn 39.
2 Ulmer/Paura Erg MoMiG Rn 72;
MünchKomm/Rieder Rn 9 und 37.
3 KG ZIP 2012, 1123, 1124.
4 BGH GmbHR 2012, 953 Rn 16; OLG
Hamburg GmbHR 2011, 657.
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5 Vgl OLG Hamburg GmbHR 2011, 657
für „A-Corporation Deutsche Unternehmergesellschaft für … (haftungsbeschränkt)“.
6 Michalski/Miras Rn 53; Wicke Rn 6; aA
Ullrich GmbHR 2009, 750, 756.
7 KG GmbHR 2009, 1281.
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
persönliche (Rechtsschein-)Haftung (ausschließlich) des im Geschäftsverkehr für die Gesellschaft Auftretenden – Geschäftsführer oder sonstiger Vertreter – entsprechend § 179 BGB, wenn dieser durch das Weglassen des
Rechtsformzusatzes das berechtigte Vertauen des Geschäftsgegners auf die
Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat1. Es ist zumindest folgerichtig, nach diesen Grundsätzen auch den Vertreter einer UG
haften zu lassen, wenn der nach § 5a Abs. 1 vorgeschriebene Rechtsformzusatz UG (haftungsbeschränkt) – bzw Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – gänzlich weggelassen wird2. Entsprechend ist dann dort zu entscheiden, wo ein Rechtsformzusatz verwendet wird, aus dem sich die
Haftungsbeschränkung nicht eindeutig ergibt (zB nur „Unternehmergesellschaft“ oder nur „UG“; aber auch „UG hftgsbeschr“ oÄ).
Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Vertreter einer UG (haf- 58
tungsbeschränkt) unter dem (unzutreffenden) Rechtsformzusatz „GmbH“
zeichnet. Während ein Teil des Schrifttums hier keine Grundlage für eine
Rechtsscheinhaftung sieht3, bejaht die überwiegende Ansicht (mit unterschiedlicher Begründung und nicht immer eindeutiger Benennung des Haftungsadressaten) die „Rechtsscheinhaftung“ jedenfalls in Höhe der Differenz
zwischen dem statutarischen Stammkapital der UG und dem gesetzlichen
Mindestkapital einer regulären GmbH (also 25 000 Euro; § 5 Abs. 1)4. Der II.
Zivilsenat des BGH hat sich dieser zweiten Auffassung (und zwar im Sinne
einer Haftung des für die Gesellschaft agierenden Vertreters) angeschlossen5,
zugleich aber ausdrücklich offen gelassen, „ob die Haftung … gegenüber dem
einzelnen Gläubiger oder gegenüber der Gesamtheit der Gläubiger auf die
Differenz zwischen der Stammkapitalziffer der Unternehmergesellschaft und
dem Mindeststammkapital der GmbH begrenzt ist“6. Das war im konkreten
Fall nicht entscheidungserheblich, weil nur der Kläger (nicht auch weitere
Gläubiger) Ansprüche gegen den beklagten Geschäftsführer der UG geltend
gemacht hatte(n) und der eingeklagte Betrag zudem unter der Differenz zwischen Stamm- und Mindestkapital blieb.
1 Vgl BGH ZIP 1991, 1004, 1005; BGH
NJW 1996, 2645; BGH GmbHR 2007,
593 Rn 14; kritisch Altmeppen ZIP
2007, 889, 893 ff.
2 BGH GmbHR 2012, 953 Rn 12.
3 Ulmer/Paura Erg MoMiG Rn 42;
Scholz/Westermann Rn 14.
4 Für eine auf die Differenz begrenzte
Haftung etwa Meckbach NZG 2011,
968, 971 (Haftung der Gesellschafter);
Michalski/Miras Rn 57 ff (Haftung des
Vertreters); MünchKomm/Rieder
Rn 16 (Haftung „der Gesellschafter
bzw. Geschäftsführer“); R/A/Roth
Rn 11 („Unterbilanzhaftung der Gesellschafter“); Bork/Schäfer/Schäfer
Rn 18 (Haftung des Vertreters); Wicke
Rn 6 (Haftung der Geschäftsführer); für
eine „Rechtsscheinhaftung“ ohne weitere Klarstellung und Einschränkung
indes B/H/Fastrich Rn 9.
5 BGH GmbHR 2012, 953 Rn 15.
6 So BGH GmbHR 2012, 953 Rn 26.
Lutter/Kleindiek
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
59 Indes ist fraglich, worauf der Geschäftspartner überhaupt vertrauen darf,
wenn der Vertreter einer UG unter dem Rechtsformzusatz „GmbH“ zeichnet. Der BGH stellt fest: Es werde der falsche Eindruck vermittelt, der Vertragspartner habe mit einem Stammkapital in Höhe von (jedenfalls)
25 000 Euro ausgestattet werden müssen, so dass über die tatsächlich geringere „Kreditwürdigkeit“ und „Soliditätsgewähr“ der UG getäuscht werde1. –
Die relativ höhere „Soliditätsgewähr“ einer GmbH resultiert daraus, dass deren Gründer ihr Geschäftsmodell bei Gründung mit einem eigenen Risikobeitrag in Höhe von mindestens 25 000 Euro (gemäß §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2) unterlegen mussten (s. dazu oben Rn 4); der Geschäftspartner darf darauf
vertrauen, dass dies geschehen ist. Hingegen kann er (was auch überwiegend
akzeptiert ist2) nicht darauf vertrauen, dass der seinerzeit aufgebrachte Risikobeitrag bei Vertragsschluss (oder bei Fälligkeit der Vertragsverbindlichkeit)
wertmäßig noch erhalten ist; ein solcher Rechtsschein wird mit der Zeichnung als „GmbH“ gewiss nicht begründet. Richtig ist zwar, dass ein Risikobeitrag in Höhe des gesetzlichen Mindeststammkapitals ein erhöhtes Eigenvertrauen der Gründer in ihre Geschäftsidee belegt, unsolide Gründungen
erschwert und gerade deshalb die (abstrakt-generelle) Kreditwürdigkeit der regulären GmbH (verglichen mit der UG) erhöht. Der Geschäftspartner mag
also auf die Vortäuschung von (gesteigerter) Kreditwürdigkeit verweisen und
geltend machen, dass er den Vertrag bei Kenntnis der wahren Verhältnisse
nicht geschlossen hätte. Das spricht dann aber eher für eine Haftung aus
culpa in contrahendo (regelmäßig gerichtet auf Ersatz des negativen Interesses) denn für eine „Rechtsscheinhaftung“ in Höhe der Differenz zwischen
statutarischem Stamm- und Mindestkapital.
60 d) Rechtsformzusatz nach Kapitalerhöhung auf wenigstens 25 000 Euro: Hat
die UG (haftungsbeschränkt) ihr Stammkapital förmlich auf mindestens
25 000 Euro erhöht und ist sie auf diese Weise ipso iure zur „Voll-GmbH“ geworden, kann jetzt der Rechtsformzusatz „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ bzw „Gesellschaft mbH“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“
in „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ bzw „GmbH“ (vgl § 4) abgeändert werden. Denn von nun an gelten die Beschränkungen des § 5a – also
auch die Vorgaben für den Rechtsformzusatz nach Abs. 1 der Vorschrift –
nicht mehr (§ 5a Abs. 5 Halbsatz 1).
61 Da der Rechtsformzusatz Bestandteil der Firma (oben § 4 Rn 6) und diese wiederum notwendiger Bestandteil der Satzung ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1; vgl auch
Nr. 1 des Musterprotokolls für die Gesellschaftsgründung im vereinfachten
1 BGH GmbHR 2012, 953 Rn 18 f. Unter
Hinweis auf die höhere Kreditwürdigkeit und Soliditätsgewähr einer GmbH
hatte sich schon R/A/Roth Rn 11 für
eine „Unterbilanzhaftung“ der Gesell-
240
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schafter in Höhe der Differenz zwischen Stamm- und Mindestkapital
ausgesprochen.
2 Anders aber Bork/Schäfer/Schäfer
Rn 18.
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
Verfahren nach § 2 Abs. 1a), bedarf der Übergang von „UG“ zur „GmbH“ der
Satzungsänderung, also einer Entscheidung der Gesellschafter.
Das ist auch sachlich richtig. Denn dieser Übergang ist nicht zwingend. Das 62
Gesetz erlaubt auch nach vollzogener Kapitalerhöhung auf wenigstens
25 000 Euro ausdrücklich und unmissverständlich (§ 5a Abs. 5 Halbsatz 2) die
Fortführung des alten Rechtsformzusatzes „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ bzw „UG (haftungsbeschränkt)“1. In der Praxis wird davon offenbar auch Gebrauch gemacht2. Die Entscheidung hierüber ist aber
Sache der Gesellschafter, nicht der Geschäftsführer. Den Gesellschaftern
bleibt es im Übrigen unbenommen, den fortgeführten Rechtsformzusatz zu
einem späteren Zeitpunkt in „GmbH“ umzuändern.
7. Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 5a Abs. 4)
Die Gesellschafterversammlung wird auch in der UG (haftungsbeschränkt) 63
durch die Geschäftsführer einberufen: § 49 Abs. 1. Nach § 49 Abs. 2 hat das –
in der UG ebenso wie in der regulären GmbH – außer in den ausdrücklich bestimmten Fällen immer dann zu geschehen, „wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint“. Nach § 49 Abs. 3 (dazu § 49 Rn 14 ff) muss
die Gesellschafterversammlung der GmbH „insbesondere“ unverzüglich einberufen werden, wenn „aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz sich ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist.“
Diese Regel des § 49 Abs. 3 wird für die UG (haftungsbeschränkt) in § 5a 64
Abs. 4 abgeändert, indem auf die „drohende Zahlungsunfähigkeit“ (statt des
hälftigen Verlustes des Stammkapitals) umgestellt wird3. Der Übergang zur
„drohenden Zahlungsunfähigkeit“ verweist in das Insolvenzrecht, wo der Begriff der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ (als Insolvenzeröffnungsgrund im
Falle eines Eigenantrags des Schuldners) in § 18 Abs. 2 InsO legal definiert
ist. Nach dieser Bestimmung „droht der Schuldner zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden
Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.“
Das bedeutet, dass die Feststellung eine Prognose über die künftige Liquidi- 65
tätsentwicklung erfordert; dabei muss der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit
1 Nahezu einhellige Auffassung; s. etwa
B/H/Fastrich Rn 35; Ulmer/Paura Erg
MoMiG Rn 70 f; MünchKomm/Rieder
Rn 43 f; R/A/Roth Rn 35 f; Bork/Schäfer/Schäfer Rn 38; Seibert GmbHR
2007, 673, 676; aA Goette in Goette/
Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Kap. 9 Rn 26.
2 Bayer/Hoffmann GmbHR 2009, R 118 f.
3 Abweichende Deutung („bei einiger
Bereitschaft zur Rechtsfortbildung“) bei
Scholz/Westermann Rn 33, der § 5a
Abs. 4 offenbar neben § 49 Abs. 3 treten
lassen will („Kumulation“).
Lutter/Kleindiek
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
wahrscheinlicher sein als deren Vermeidung1. Der Unterschied zur eingetretenen Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO; s. dazu Anh zu § 64
Rn 7 ff) besteht darin, dass nicht nur auf die gegenwärtig fälligen Zahlungspflichten, sondern auch auf künftig fällig werdende Zahlungspflichten abzustellen ist; äußerste Grenze für den Vorhersagezeitraum ist der Zeitpunkt des
Fälligwerdens der letzten gegenwärtig bestehenden Verbindlichkeit2.
66 Die Einberufung der Gesellschafterversammlung hat auch unter den Voraussetzungen des § 5a Abs. 4 „unverzüglich“ zu erfolgen. Aber auch für die UG
(haftungsbeschränkt) in der Krise sagt das Gesetz – ähnlich Art. 17 der 2. EURichtlinie, jedoch im Gegensatz zu vielen ausländischen Rechtsordnungen3
– mit keinem Wort, was die Gesellschafterversammlung denn zu tun hat.
Denkbar wäre zB, einen Beschluss vorzuschreiben: sanieren oder schnellstens liquidieren. Da das Gesetz schweigt, können die Gesellschafter passiv
bleiben (näher zum Ganzen § 43 Rn 32 ff, 36 f); die Geschäftsführer trifft eine
Insolvenzantragspflicht erst mit Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit (s. Anh zu § 64 Rn 45 ff).
67 Die Abänderung von § 49 Abs. 3 durch § 5a Abs. 4 erklärt sich vor dem Hintergrund des rechtstatsächlich in aller Regel (wenn auch nicht zwangsläufig)
weit unterhalb von 25 000 Euro liegenden Stammkapitals einer UG (s. oben
Rn 6). Ein sehr niedriges Kapital kann schon kurz nach der Gründung zu wenigstens der Hälfte (oder gar ganz) verbraucht sein. Für Maßnahmen zur Rettung der Gesellschaft ist die drohende Zahlungsfähigkeit freilich gewiss der
letzte Zeitpunkt. Doch bleibt es auch in der UG (haftungsbeschränkt) bei der
Geschäftsführerpflicht aus § 49 Abs. 2, wonach die Gesellschafterversammlung immer dann einzuberufen ist, wenn es „im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint“ (s. dazu § 49 Rn 13). Das dürfte in der Krise typischerweise schon vor drohender Zahlungsunfähigkeit der Fall sein.
68 Insgesamt ist § 5a Abs. 4 deshalb nicht von wesentlicher Bedeutung4, zumal
das darin formulierte Handlungsgebot nicht strafbewehrt ist: Zwar hat der
Gesetzgeber in § 84 Abs. 1 die unterlassene Anzeige des GmbH-Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern vom hälftigen Verlust des Stammkapitals unter Strafe gestellt. Den Geschäftsführer einer UG (haftungsbeschränkt)
bei Verletzung seiner Pflicht aus § 5a Abs. 4 entsprechend § 84 Abs. 1 zu
bestrafen, würde indes gegen das strafrechtliche Analogieverbot verstoßen (s.
§ 84 Rn 3)5. Und die Verletzung der Einberufungspflicht aus § 49 Abs. 2 ist
ohnehin (mit gutem Grund) nicht strafbewehrt.
1 Vgl HK-InsO/Kirchhof § 18 Rn 13.
2 HK-InsO/Kirchhof § 18 Rn 7 f.
3 Vgl dazu Kalss/Adensamer/Oelkers
Die Rechtspflichten der Geschäftsleiter
in der Krise der Gesellschaft sowie damit verbundene Rechtsfolgen im
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Rechtsvergleich, in Lutter (Hrsg), Das
Kapital der AG in Europa, 2006,
S. 134 ff.
4 Ähnlich Bork/Schäfer/Schäfer Rn 31.
5 S. dazu auch Weiß wistra 2010, 361,
364.
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§ 5a
Unternehmergesellschaft
8. Umwandlung und Rückumwandlung der UG (haftungsbeschränkt)
Im Ausgangspunkt ist die UG (haftungsbeschränkt) als Unterform (Rechts- 69
formvariante) der GmbH wie diese umwandlungsfähig, kann insbesondere
als übertragende Gesellschaft an einer Verschmelzung oder Spaltung beteiligt
werden1. Solange das Sacheinlageverbot nach § 5a Abs 2 Satz 2 gilt (s. zu dessen Reichweite oben Rn 23 f), kann die UG aber nicht aufnehmende Gesellschaft im Rahmen einer Verschmelzung oder Spaltung unter Anteilsgewährung gegen Sacheinlagen sein2.
Nicht möglich ist auch ein Formwechsel in die UG (haftungsbeschränkt)3. 70
Möglich ist bei entsprechender Anhebung des Kapitals aber der Formwechsel
aus der UG in eine AG oder KGaA, auch in eine Personenhandelsgesellschaft4.
Hat die UG erst einmal ihr Stammkapital auf mindestens 25 000 Euro förm- 71
lich erhöht und ist sie so ipso iure zur „Voll-GmbH“ geworden, so gibt es keinen Weg zurück (s. schon oben Rn 13)5. Die Gesellschaft kann also nicht
etwa ihr Kapital wieder auf einen Betrag unter 25 000 Euro herabsetzen. Das
gilt für sie dann ebenso wie für jede mit mindestens 25 000 Euro Stammkapital gegründete reguläre GmbH: Auch diese kann ihr Kapital nicht unter
25 000 Euro herabsetzen und auf diesem Wege eine UG (haftungsbeschränkt)
werden. § 5a Abs. 1 eröffnet nur den Weg zur Gründung einer haftungsbeschränkten Gesellschaft mit einem Stammkapital unterhalb des Mindestbetrages nach § 5 Abs. 1.
9. Die UG (haftungsbeschränkt) im Konzern
Die UG (haftungsbeschränkt) ist als eine Unterform (Rechtsformvariante) der 72
GmbH juristische Person und kann sich an anderen Unternehmen (inkl einer
anderen UG) beteiligen und so zum herrschenden Unternehmen werden;
1 B/H/Fastrich Rn 19; Ulmer/Paura Erg
MoMiG Rn 73 und 76; Saenger/Inhester/Pfisterer Rn 18; MünchKomm/Rieder Rn 50; R/A/Roth Rn 38; Scholz/
Westermann Rn 35.
2 BGH GmbHR 2011, 701 (keine Neugründung einer UG durch Abspaltung);
Berninger GmbHR 2010, 63, 68 ff;
B/H/Fastrich Rn 17 f; Heinemann NZG
2008, 820, 821 f; Saenger/Inhester/Pfisterer Rn 16 f; MünchKomm/Rieder
Rn 51 f; R/A/Roth Rn 8 und 38; Bork/
Schäfer/Schäfer Rn 6, 8 und 39; Tettinger Der Konzern 2008, 75, 76 f; aA 17.
Aufl, Rn 33 (Lutter); Hennrichs NZG
2009, 1161, 1163 f; Ulmer/Paura Erg
MoMiG Rn 73 f.
3 Im Ergebnis wohl allgemeine Ansicht;
s. Berninger GmbHR 2010, 63, 67;
B/H/Fastrich Rn 17; Heinemann NZG
2008, 820 f; Ulmer/Paura Erg MoMiG
Rn 79; Saenger/Inhester/Pfisterer
Rn 16; Tettinger Der Konzern 2008, 75,
77 f; Scholz/Westermann Rn 35.
4 Berninger GmbHR 2010, 63, 67 f;
Scholz/Westermann Rn 35.
5 Vgl Freitag/Riemenschneider ZIP 2007,
1485; Tebben RNotZ 2008, 441, 446;
Tettinger Der Konzern 2008, 75, 77.
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§6
Geschäftsführer
ebenso können sich andere Unternehmen an ihr beteiligen, so dass die UG
(haftungsbeschränkt) ggf zum abhängigen Unternehmen wird1. Ebenso kann
sie auch persönlich haftende Gesellschafterin in einer UG (haftungsbeschränkt) & Co KG werden (s. schon oben Rn 11 und 40). Das Gesetz beschränkt ihre Fähigkeit als juristische Person an keiner Stelle.
73 Das alles gilt auch für den Abschluss von Unternehmensverträgen. Die
Pflicht zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage nach § 5a Abs. 3 steht weder
dem Abschluss eines Gewinnabführungs- noch eines (isolierten) Beherrschungsvertrages entgegen: s. oben Rn 41.
Geschäftsführer
6
(1) Die Gesellschaft muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben.
(2) Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige
Person sein. Geschäftsführer kann nicht sein, wer
1. als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz
oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs) unterliegt,
2. aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots
übereinstimmt,
3. wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten
a) des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung),
b) nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs (Insolvenzstraftaten),
c) der falschen Angaben nach § 82 dieses Gesetzes oder § 399 des Aktiengesetzes,
d) der unrichtigen Darstellung nach § 400 des Aktiengesetzes, § 331 des
Handelsgesetzbuchs, § 313 des Umwandlungsgesetzes oder § 17 des
Publizitätsgesetzes oder
e) nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr
1 Ulmer/Paura Erg MoMiG Rn 86.
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