1 Manuskript SENDUNG: 12.10.2017 9.05 Uhr/ B2 AUFNAHME: NaTe Ab 8. Schuljahr TITEL: Eindeutig Klimawandel Was Forscher wissen und was schon geschieht AUTORIN: Renate Ell REDAKTION: Sabine Straßer REGIE: Frank Halbach TECHNIK: Ursula Kirstein PERSONEN: ERZÄHLERIN Katja Amberger VOICE-OVER WEIBL. Jennifer Güzel (PS) VOICE-OVER MÄNNL. Jerzy May (PS) An-/Absage Carsten Fabian (PS) GESPRÄCHSPARTNER: Prof. Susan Solomon, Department of Earth, Atmospheric and Planetary Sciences, Massachussetts Institute of Technology, Cambridge, MA, USA Prof. Dr. Stefan Rahmstorf, Abteilungsleiter Erdsystemanalyse, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung Prof. Dr. Ben Marzeion, Institut für Geografie, Universität Bremen Dr. Deepak Ray, Institute on the Environment, University of Minnesota, Saint Paul, MN, USA 2.2.2017 IQ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 2 Musik The splendour C151496 003 ERZÄHLERIN Paris, zweiter Februar 2007. Eine Pressekonferenz: Unter einer riesigen Leinwand, an einem langen Tisch mit Mikrofonen, sitzen sechs Männer und eine Frau. Sie hat eine schwierige Aufgabe: Den Journalisten zu erklären, was ihre Arbeitsgruppe des Weltklimarats IPCC in mehrjähriger Arbeit aus tausenden Veröffentlichungen herausdestilliert hat: den aktuellen Stand der Forschung zu den physikalischen Grundlagen des Klimawandels. Sie hält ihren Vortrag mit monotoner Stimme, manch ein Journalist hat vielleicht erstmal überhört, dass sie nach wenigen Minuten deutlicher wird als die meisten ihrer Kollegen zuvor. (1. ZUSP.) SUSAN SOLOMON Die Haupt-Schlussfolgerung ist, dass die Erwärmung des Klimas jetzt eindeutig ist, eindeutig, und das wird offensichtlich durch Beobachtungen der Luft- und OzeanTemperaturen, Schnee- und Eis-Schmelze, Anstieg des Meeresspiegels. The key conclusion is that warming of the climate system is now unequivocal, unequivocal, and that’s evident in observations of air and ocean temperature, melting of snow and ice, rising global mean sea level. ERZÄHLERIN Das war im Februar 2007. Seither sind Temperatur und Meeresspiegel weiter gestiegen, Schnee und Eis weiter geschmolzen. Und inzwischen beobachten Klimaforscher auch Auswirkungen des Klimawandels, mit denen sie erst bei einer deutlich stärkeren Erwärmung gerechnet hatten. SPRECHER Eindeutig Klimawandel – Was Forscher wissen und was wir heute schon erleben. Eine Sendung von Renate Ell MUSIK AUS ERZÄHLERIN Susan Solomon, Klimaforscherin am renommierten Massachusetts Institut of Technology, hatte es sich nicht leicht gemacht mit ihrer Wortwahl. Sie leitete damals Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 3 die Arbeitsgruppe des Weltklimarats zu den physikalischen Grundlagen des Klimawandels. Und sie erinnert sich heute noch gut an die Diskussionen über die Zusammenfassung für Politiker –die Essenz des rund tausend-seitigen wissenschaftlichen Berichts, der zwar öffentlich zugänglich, aber für Laien kaum verständlich ist. Deshalb fassen die Wissenschaftler jeden IPCC-Bericht allgemeinverständlich auf rund 20 Seiten zusammen. Diese Version wird von der Öffentlichkeit wahrgenommen. (2. ZUSP.) SUSAN SOLOMON Es begann als zwei Wissenschaftler meinten: Wir sollten in der Zusammenfassung sagen, dass die Erwärmung „unwiderlegbar“ ist. Aber ich dachte: Das klingt, als würde irgendwer versuchen, sie zu widerlegen. Das wirkt konfrontativ. Und es ist nicht wissenschaftlich. Die Wissenschaft befasst sich mit dem, was wir aufgrund objektiver Fakten wissen, egal ob irgendwer in der Öffentlichkeit das bestreitet. Also habe ich in Wörterbüchern Synonyme für „unwiderlegbar“ nachgeschlagen, und das Ergebnis war: unequivocal, „eindeutig“. Das ist objektiv, das könnte man in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung verwenden, und das stieß auf Zustimmung in meinem Team. Actually it began when two scientists came in one of our meetings and said: Really we should say in the final summary to the policymakers that warming is irrefutable. And I thought about that and I thought: You know, that it makes it sound like somebody is trying to refute it and you don’t want to be reactive about that, it’s also kind of a confrontational kind of statement and I don’t think science is about that. Science is about saying what we know on the basis of objective fact, regardless of who may be confrontational about it in the broader community. So I went to many different thesauri, and I looked up alternative language for the word irrefutable, and the word that came out of that personal process for me was unequivocal. Because that is a scientific word. It’s an objective word, it’s kind of language that you might actually use in a scientific paper, and that resonated among many in the scientific team. ERZÄHLERIN Nun wird aber diese Zusammenfassung auch noch mit den Vertretern aller UNMitglieds-Staaten abgestimmt. Die Delegierten müssen jeden einzelnen Satz verabschieden. Kritiker vermuten oft, dass der Bericht auf diesem Weg weichgespült wird. (3. Zusp.) susan solomon Die Politiker können zwar die einzelnen Formulierungen beeinflussen, aber nicht den Inhalt des Berichts. Da dominieren die Wissenschaftler. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 4 People perhaps don’t always realize that the policymakers while they can certainly influence the exact language that goes into the report, they don’t influence the substance of it. It’s very much controlled by the science community. ERZÄHLERIN Aber natürlich versuchen manche Länder, die Angelegenheit nicht ganz so dramatisch aussehen zu lassen – denn die Zusammenfassung für Politiker ist ja eine Aufforderung zum Handeln. Und so war es auch 2007, als der entscheidende Satz zur Diskussion stand. (4. ZUSP.) SUSAN SOLOMON Ein Delegierter aus einem Land, in dem unter anderem Französisch gesprochen wird, meinte: Interessante Aussage, wir haben sie sorgfältig geprüft und wir sind etwas besorgt, dass sie sich nicht gut ins Französische übersetzen lässt. Sofort meldete sich Frankreich zu Wort und sagte, natürlich auf Französisch: Wir respektieren die Sorgen unseres Kollegen, aber wir haben gründlich darüber nachgedacht und festgestellt, die Formulierung ist im Französischen genauso wie im Englischen, wir halten das für eine völlig angemessene Aussage. Eine halbe Minute später meldete sich ein Spanisch sprechendes Land und meinte, vielleicht funktioniert das auf Französisch, aber nicht auf Spanisch. Dann meldete sich natürlich Spanien und sagte dasselbe auf Spanisch wie zuvor der französische Delegierte. Und an diesem Punkt sagte mein chinesischer Ko-Vorsitzender geistesgegenwärtig: Danke für die Kommentare, wir überlassen das den Übersetzern und nehmen die Aussage an. Und – päng – schlug den Hammer. A delegate of a country that I won’t mention but which speaks French among other languages raised their flag and they said: Well, you know it’s a very interesting statement and we considered it carefully but we are just a little concerned that although warming is uneqivocal is fine in English, we don’t think it translates well into French. And immediately the French delegation raised their flag and they said, in French of course: We appreciate the concerns of our colleague but we have thought very hard about this and it’s very simple: la réchauffage est sans équivoque, it’s exactly the same in French as it is in English, so we think it’s an entirely appropriate statement. And about a half a minute later someone from a Spanish speaking county raised their flag and said: Well, maybe it’s ok in French, but actually it’s not ok in Spanish, we don’t think it translates. What do you think happened next: Spain of course raised its flag and said the same as the French delegation had said in Spanish and that point, I was not actually holding the gavel, my colleage, my co-chair from China was holding the gavel, very quick thinking man, and he immediately said: Thank you very much for your comments, we leave the translation to the official translators and will now accept the statement, bang, and he gaveled it down. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 5 ERZÄHLERIN Russisch, Chinesisch und Arabisch, die drei weiteren offiziellen UN-Sprachen, wurden nicht mehr diskutiert. Offenbar war den Delegierten kein naturwissenschaftliches Argument gegen die Formulierung eingefallen. Sie waren wohl auch überrascht: Sind Wissenschaftler sonst nicht eher vorsichtig und sagen Dinge wie „wir haben starke Belege“ oder „mit großer Wahrscheinlichkeit“? Susan Solomon und ihre Kollegen fanden aber: Es ist an der Zeit, eindeutig zu werden. (5. ZUSP.) SUSAN SOLOMON Manchmal sollte die Wissenschaft sicher sein. Man muss sich fragen, welchen Anspruch man an Beweise stellt, von denen man sich überzeugen lässt, eine sehr starke Aussage zu machen. Und in diesem Fall waren es die Beobachtungen. Nicht ein Datensatz, nicht zwei oder drei, sondern viele verschiedene Messungen, und die waren voneinander unabhängig. Diese Unabhängigkeit war entscheidend, dadurch entstand ein so überzeugendes Bild eines heißeren Planeten. Sometimes science better be certain. You have to ask yourself, what’s the standard of proof that leads you, compels you even, to making a very, very strong statement. And in this case the proof lay in the observations. And particularly not just one dataset, not two, not three, but so many different kinds of measurements, so there’s a whole litany of things that are independent and it’s really the independence of all those data sets taken together that leads you to a compelling picture of a hotter planet. ERZÄHLERIN Prognosen den Klimawandel betreffend sind immer mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Weil das Klima ein sehr komplexes System mit einer kaum überschaubaren Zahl von Wechselwirkungen ist, zwischen Atmosphäre, Ökosystemen, Meeren, und so weiter, plus den menschlichen Aktivitäten. Aber man kann auch zurückschauen und fragen: Wie viel Klimawandel ist denn schon passiert? ATMO Rhythm Drip Space Alle Jahre seit Beginn des Jahrtausends gehören laut der Weltorganisation für Meteorologie zu den heißesten, die je gemessen wurden. Die globale Durchschnittstemperatur lag 2016 um 0,8 Grad über dem Mittelwert der Jahre 1961 bis 1990 – und um 1,1 Grad über den vorindustriellen Durchschnitts-Temperaturen. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 6 2016 war damit das dritte Rekord-Jahr in Folge. Ein Grad, das klingt wenig, aber hinter so einem globalen Mittelwert verbergen sich regionale Hitzewellen, die in den letzten Jahrzehnten immer häufiger werden – eines der deutlichsten Anzeichen des Klimawandels. Aber auch extreme Kälte kann eine Folge der Klimaveränderung sein – und um es noch paradoxer zu machen: Diese Kältewelle kann ihren Ursprung in einem Wärmerekord haben – einem Wärmerekord am Nordpol. Seit Jahren beobachten Klimaforscher, dass sich die Arktis stärker erwärmt als die mittleren Breiten, erklärt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgen-Forschung. Atmo aus (6. ZUSP.) STEFAN RAHMSTORF Das liegt einfach daran dass die Eis- und Schneebedeckung in der Arktis wie ein großer Spiegel wirkt, der Sonnenlicht zurück ins All spiegelt, und wenn dieser Spiegel schrumpft, wird auch weniger Sonnenstrahlung zurückgespiegelt und mehr aufgenommen vom System, vom arktischen Ozean insbesondere, wo die Wärme dann hineingeht und gespeichert wird. ERZÄHLERIN Der dunkle Ozean schluckt im Sommer viel Sonnenlicht und erwärmt sich – was die Eisschmelze noch beschleunigt. Und im Herbst entsteht nur noch eine dünne Eisdecke. Oder nicht mal die – wie im Herbst 2016. (7. ZUSP.) STEFAN RAHMSTORF Es gab sogar einige Phasen, wo das Meereis zurückgeschmolzen ist ein wenig, das war also wirklich bisher einmalig, am 22. Dezember sind die Temperaturen am Nordpol bis auf den Schmelzpunkt gestiegen, wie eine Boje dort registriert hat, wo es normalerweise -30° sind. Musik The splendour C151496 003 Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 7 ERZÄHLERIN Diese herbstliche Wärme und das fehlende Eis in der Arktis führen dazu, dass es im Winter ganz woanders bitter kalt wird. Normalerweise bildet sich während der PolarNacht in der Atmosphäre über dem Nordpol der so genannte Polar-Wirbel, ein Tiefdruck-Wirbel mit extrem kalter Luft. Das ist aber jetzt in manchen Wintern anders, weil sich bei den milderen Temperaturen zu wenig Meereis bildet, erklärt Stefan Rahmstorf. Musik aus (8. ZUSP.) STEFAN RAHMSTORF Die geringe Seeeisdecke, die wir dort beobachten, die korreliert dann im folgenden Winter mit einem schwachen Polarwirbel; und wenn sich aber dieser Polarwirbel abschwächt, dann kommt es verstärkt zu einer großen Erwärmung in der Arktis, und gleichzeitig der Verlagerung der Kaltluft, die normalerweise auf dem Pol sitzt, auf die umliegenden Kontinente. ERZÄHLERIN Ist der Polarwirbel schwach, kann die arktische Eisluft zeitweise nach Süden strömen: Im Winter 2014 traf das die Ostküste der USA, und im Januar 2017 den Mittelmeer-Raum. MUSIK Water falls (privat) ERZÄHLERIN Und auch im Sommer kann es in den mittleren Breiten ungemütlich werden, weil sich die Arktis so stark erwärmt hat. Zu dieser Zeit ist es der „Jetstream“, der sich verändert. Das ist ein Starkwind-Band, das in großer Höhe ständig um das Nordpolargebiet herum strömt wie ein Fluss – und zum Beispiel Flüge von Nordamerika nach Europa mit kräftigem Rückenwind beschleunigt. Daher der Name „Jetstream“. Der fließt allerdings nicht immer geradeaus, sondern schlägt große Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 8 Wellen nach Nord und Süd, die so genannten Rossby-Wellen. Und schaufelt damit entweder kalte Luft aus dem Norden oder heiße aus dem Süden nach Europa. Musik aus (9. ZUSP.) STEFAN RAHMSTORF Was wir jetzt in den letzten 10, 15 Jahren gehäuft beobachten, ist, dass die Wellen auf der Stelle stehen bleiben und sich sehr stark aufschaukeln, sehr große Ausschläge nach Norden und Süden, das Entscheidende ist das Temperatur-Profil, also das Gefälle von den Subtropen runter in die Arktis, dieses Temperatur-Gefälle nimmt ab, und an einem bestimmten Breitengrad werden diese Wellen dann reflektiert. Die würden normalerweise sich ausbreiten und verschwinden so wie Meereswellen, die davonlaufen, aber wenn ein bestimmtes Temperaturprofil in der Atmosphäre herrscht, was eben durch die Erwärmung der Arktis häufiger vorkommt, dann kann die Welle da nicht drüberlaufen, sondern wird reflektiert wie jetzt eine Hafenwelle an einer Kaimauer, und unter solchen Bedingungen schaukeln sich die Wellen dann auf. ERZÄHLERIN Dann bleibt in unseren Breiten sozusagen das Wetter hängen – und das kann verheerende Folgen haben. 10. ZUSP.) RAHMSTORF Um mal ein paar Beispiele zu nennen: Die Elbeflut 2002 war ein solcher Fall, der so genannte Jahrhundertsommer 2003, also diese Rekordhitzewelle in Westeuropa, insbesondere Frankreich, Schweiz, Süddeutschland, oder auch die Rekordfluten an Donau und Elbe, die wir im Juni 2013 gesehen haben, waren solche Resonanzereignisse der Rossby-Wellen. ERZÄHLERIN Solche Extremwetter-Ereignisse könnten ein Vorgeschmack sein auf das, was uns bevorsteht, wenn das Klima sich noch weiter erwärmt. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Viele sind Selbstversorger, sie wollen überhaupt etwas ernten, um ihre Ernährung zu sichern. Wohingegen Landwirte in Westeuropa und Amerika versuchen, Maximalerträge zu erzielen. Und sie sind Experten. Sie haben alles im Griff – außer dem Wetter. I was confused about that in the beginning. Then I thought more about it and actually it makes sense. The farmers in African countries, their goal is not to maximize their crop yield, their goal is to get some crop yield. Because of food security issues there could be much subsisdence farmers. Wereas in Western Europe or maybe especially in America, farmers are trying to maximize their crop yields. And they are generally more expert farmers. So they have managed everything, except the weather. ERZÄHLERIN Optimales Saatgut, Dünger, Pestizide – aber das Wetter kann alles zu nichte machen, und dann sind die Verluste immens. Und sie wirken sich weltweit aus. So wie die Dürre 2012 im mittleren Westen der USA, einem Haupt-Anbaugebiet für Mais. (12. ZUSP.) DEEPAK RAY Es gab einen gigantischen Ertragsverlust, und die Mais-Preise stiegen weltweit. Auch in armen afrikanischen Ländern, die gar keinen Mais importieren. Manche Bauern haben deshalb statt Mais Weizen an ihre Tiere verfüttert, woraufhin auch der Weizen-Preis stieg. Wie die Welt heute vernetzt ist, das ist schon ziemlich gefährlich. There was a loss in crop production, huge loss. And that then triggered price rise in the commodities market. And then that went around all over the world. And when the prize of the maize began to rise, the farmers began to switch to wheat to feed the lifestock. And then the price for wheat began to rise, Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 10 and then in all these poor countries in Africa, were they don’t even import maize, the price of maize began to rise there also. So it not very good. It is kind of very dangerous the way the world is connected in a way. ERZÄHLERIN In seiner Studie konnte Deepak Ray nur den Einfluss von Temperatur und Niederschlag betrachten. Denn für Schädlinge oder Krankheiten, die auch im Zusammenhang mit Wetterextremen auftreten können, gibt es keine weltweiten Daten. (13. ZUSP.) DEEPAK RAY Ich bin sicher: In unseren Daten zu den Auswirkungen von Temperatur und Niederschlag steckt auch ein gewisser Anteil von Schädlingsbefall oder Krankheiten, den wir nicht erkennen. I am sure within this effect which I captured, through rainfall and temperature variation, there is a certain percentage of the pest effect or infestations from fungi or bacteria which we cannot distinguish. But it is somewere in there. ERZÄHLERIN Ungewöhnliches Wetter ist normal. Extreme Hitze, Kälte, Überschwemmungen – das gehört alles zum gängigen Repertoire. Ungewöhnlich sind, vor allem seit Beginn des Jahrtausends, nicht die Extreme selbst, sondern ihre Häufigkeit. Ob eine einzelne Hitzewelle, ein einzelnes Hochwasser durch Dauerregen auf den Klimawandel zurückführen ist – so eine Frage würden Naturwissenschaftler normalerweise durch ein Laborexperiment beantworten, sagt der Klimaforscher Ben Marzeion von der Universität Bremen. (14. ZUSP.) BEN MARZEION Wenn das ein ganz klassisch naturwissenschaftliches Problem wäre, dann würde man jetzt im Labor eine Welt nachbauen, in der man die ganzen Prozesse abbildet, und in der es keinen menschlichen Einfluss gibt, und eine zweite Welt, in der es eben den menschlichen Einfluss gibt. Dann hätte man so ein kontrolliertes Experiment. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 11 ERZÄHLERIN Und weil das nicht möglich ist, bauen die Forscher das Klimasystem im Computer nach. Diese so genannten Klimamodelle enthalten all die physikalischen Prozesse, die unser Klima ausmachen. (15. ZUSP.) BEN MARZEION D.h. man macht eine Klimamodellanwendung zweimal, einmal wo man die menschlichen Treibhausgas-Ausstöße mit berücksichtigt und einmal wo man es bleiben lässt, vergleicht dann die unterschiedlichen Ergebnisse, d.h. da kriegt man die Antwort, was behauptet das Klimamodell, was ist der menschliche Einfluss, und der zweite wichtige Punkt ist, dass man dann überprüfen muss, ob das Klimamodell überhaupt in der Lage ist, die Realität wiederzugeben. Musik Robots (privat) ERZÄHLERIN Also: Zeigt das Computermodell das Klima so, wie wir es jetzt erleben? Wenn ja, kann man auch der Analyse trauen, die den menschlichen Einfluss auf das Klima berechnet. Solche Klimamodelle sind in den letzten Jahren immer leistungsfähiger geworden, und so konnten die Forscher schon für viele Wetterextreme feststellen, dass sie ohne den menschlichen Einfluss sehr viel unwahrscheinlicher wären. Was umgekehrt bedeutet: Dass Wetterextreme seit einigen Jahrzehnten häufiger auftreten, ist keine Laune der Natur. Musik aus (16. ZUSP.) BEN MARZEION Die Erwärmung des Klimas ist ganz eindeutig, da besteht überhaupt kein Zweifel, man kann auch inzwischen mit großer Sicherheit sagen, dass die Erwärmung des Klimas in den letzten 50, 60 Jahren größtenteils menschengemacht ist. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 12 ERZÄHLERIN Ben Marzeion beschäftigt sich unter anderem mit dem Meeresspiegel – der schon seit über 100 Jahren steigt: Seit Ende der so genannten Kleinen Eiszeit. Das war eine Kältephase vom 15. bis ins 19. Jahrhundert, ausgelöst durch eine geringere Sonnen-Einstrahlung und große Vulkanausbrüche. Die Vulkan-Asche hat das Sonnenlicht noch zusätzlich abgeschirmt. Seit dem Ende dieser sonnenarmen Zeit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts steigen die Temperaturen. (17. Zusp.) Ben marzeion D.h. auch wenn die Menschen das Klima nicht geändert hätten, würde der Meeresspiegel im Moment noch steigen. Er würde es nur deutlich langsamer tun als das in der Wirklichkeit der Fall ist. Der Meeresspiegelanstieg würde im Moment so bei knapp einem Millimeter pro Jahr liegen. In der Realität liegt er inzwischen bei gut drei Millimetern pro Jahr. ERZÄHLERIN Weltweit ist der Meeresspiegel zwischen 1901 und 2010 um rund 19 Zentimeter gestiegen. Ungefähr ein Drittel davon durch die Erwärmung des Meerwassers – ein besonderes physikalisches Phänomen. (18. ZUSP.) BEN MARZEION Wenn man Süßwasser, was kälter ist als 4 Grad, erwärmt, dann zieht es sich zusammen. Das ist bei Salzwasser anders. Es ist grundsätzlich so, dass das Meerwasser sich ausdehnt, wenn es wärmer wird. ERZÄHLERIN Ungefähr ein weiteres Drittel des Meeresspiegel-Anstiegs geht auf das Konto abschmelzender Gebirgs-Gletscher und der Eiskappen am Nord- und Südpol. (19. ZUSP.) BEN MARZEION Die Eisschilde reagieren ziemlich langsam, aber sie kommen jetzt in Fahrt. Grönland ist jetzt bald dabei, die Gletscher global gesehen zu überholen, was den Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 13 Massenverlust angeht, in der Antarktis ist es nach wie vor relativ langsam, aber gerade in der Antarktis ist das Potenzial natürlich unglaublich groß. Es brechen viele Eisberge ab, und das Eis schmilzt im Ozean, das geht möglicherweise langsam, ist dann aber unumkehrbar. ERZÄHLERIN Klimaforscher sprechen von „Kipp-Punkten“, wenn eine Entwicklung unumkehrbar wird. In der Arktis ist entscheidend, wie dick der Eispanzer noch ist. Denn wie in den Bergen steigen die Temperaturen, je weiter man nach unten kommt. Wird also der arktische Eisschild immer dünner, sinkt die Oberfläche in Höhenlagen mit milden Temperaturen – und schmilzt noch schneller. In der Antarktis hingegen rutscht das Eis vom Land Richtung Meer – wobei das so genannte Schelf-Eis an der Küste das nachrutschende Eis bremst. Aber immer häufiger brechen dort große Eisberge ab, die im Meer schmelzen. Dann fehlt die Bremse und das restliche Eis gleitet noch schneller ins Meer. Damit wird der Eisverlust unaufhaltsam. (20. ZUSP.) BEN MARZEION Und es sieht so aus, dass das möglicherweise bei einigen Gletschern in Antarktis schon in Gang gesetzt worden ist. ATMO Rhythm Drip Space ERZÄHLERIN Etwa zwei Drittel des Meeresspiegel-Anstiegs gehen also auf das Konto von Erwärmung und Eisschmelze. Das letzte Drittel ist zum Teil ungeklärt; eine weitere Quelle ist Grundwasser, das Landwirte für die Bewässerung an die Oberfläche pumpen und das dann mit Flüssen oder dem Regen auch im Meer landet. Zudem gibt es regionale Unterschiede, die durch Meeresströmungen entstehen. Vor allem aber gibt es erste Leidtragende, darunter die Bewohner zweier Dörfer in den USA. Isle de Jean Charles in Louisiana, am Golf von Mexiko, für dessen Umsiedlung die US-Regierung im Januar 2016 52 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt hat. Und Shishmaref in Alaska, an der Beringstraße, wo man nicht weiß, wie man die Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Hätten die Klimaforscher vielleicht noch eindringlicher warnen, mögliche Zukunfts-Szenarien in noch dramatischeren Farben malen sollen? Stefan Rahmstorf widerspricht: Atmo aus (21. ZUSP.) STEFAN RAHMSTORF Ich glaube, das ist einfach ein Grundcharakterzug von Wissenschaftlern, nicht nur Klimaforschern, dass sie dazu ausgebildet sind, möglichst nüchtern und emotionslos die Fakten zu kommunizieren, das packt die Leute nicht so, und das ist aber keine Sache, die Wissenschaftler ändern können oder sollten, nach meiner Überzeugung, denn ich sehe meine Aufgabe als Wissenschaftler ja genau da drin, möglichst nüchtern die Fakten zu erläutern, auch die Unsicherheiten zu erläutern, und nicht durch möglichst starke Statements die Öffentlichkeit aufzurütteln. Das ist nicht der Job der Wissenschaft. Das können dann andere machen, Umweltorganisationen etc., aber die Wissenschaftler müssen einfach die nüchternen Vermittler des Wissensstandes sein, und diese Aufgabe, denke ich, hat die Klimawissenschaft gerade mit dem Klimarat IPCC sehr gut erfüllt. Musik The splendour C151496 003 ERZÄHLERIN Wissenschaftliche Unsicherheiten gibt es immer, vor allem beim komplexen KlimaSystem. Präzise Prognosen über Temperaturen oder Meeresspiegel-Höhe für Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 15 einzelne Regionen sind deshalb schwierig. Doch die weitaus größte Unsicherheit in den Prognosen liegt in der Frage, wie viele Treibhausgase wir in den nächsten Jahren noch produzieren. Und der Blick auf das, was die bisherigen Emissionen bewirkt haben, bestätigt die früheren Warnungen der Klimaforscher nicht nur, oft gehen sie sogar darüber hinaus. Weil die Forscher bei Unsicherheiten immer das untere Ende der Spannweite nennen. Gerade in Anbetracht dieser Entwicklungen mahnt Susan Solomon: Wir müssen entscheiden, welche Risiken wir eingehen wollen. Musik aus (22. ZUSP.) SUSAN SOLOMON Wenn die bestmögliche wissenschaftliche Schätzung lautet: Mit zwanzigprozentiger Sicherheit steigt der Meeresspiegel bis 2100 um zweieinhalb Meter – was große Landverluste in Bangladesh, Vietnam und vielen anderen Ländern zur Folge hätte und natürlich das Ende aller Inselstaaten – wie geht man mit diesem Risiko um? Das ist keine wissenschaftliche Frage, sondern eine ethische und moralische. Die Frage der Unsicherheit ist eng verknüpft mit der Grenze zwischen Wissenschaft einerseits und den Werten in Fragen von Risiko und Moral andererseits. Und ich glaube, das müssen wir kommunizieren. If there is a 20% percent chance, best estimate from science, that sea level rise will go to two and a half meters by 2100 which would cause massive losses of land in for example Bangladesh and Vietnam and many other countries and of course the end of all the island states – how do you feel about that risk? To those people and those societies. That’s an ethical and moral question, it’s not a science question. So the issue of uncertainty is intimately tied to the boundary between were science ends and your own values about risk and morals begin. And I think that’s what we need to communicate. Musik The splendour C151496 003 ERZÄHLERIN 2013 veröffentlichte der Weltklimarat eine Aktualisierung des Berichts von 2007. Er enthielt viele neue Beobachtungen des Klimawandels, viele neue Prognosen. Aber die Zusammenfassung für Politiker enthielt wie 2007 den einen Satz, diesmal allerdings gleich auf der ersten Seite: Die Erwärmung des Klimas ist eindeutig. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 16 Musik The splendour C151496 003 SPRECHER Sie hörten: IQ Wissenschaft und Forschung. Heute mit dem Thema: Eindeutig Klimawandel: Was Forscher wissen und was wir heute schon erleben. Eine Sendung von Renate Ell. Musik aus Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; ; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-46258 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de