PERSONALMANAGEMENT Worauf es bei der Führung jetzt ankommt w Führungswissen Aus gravierenden Veränderungen ergeben sich neue Rollen für Führungskräfte in der Altenpflege, die für den Erfolg des Unternehmens und ihre eigene Akzeptanz und Wirkung entscheidend sind. Die Devise lautet: Ein Commitment schaffen, das zu Loyalität und Leistungsbereitschaft führt. Text: Christoph Hauke N icht nur die stetig steigende Arbeitsverdichtung, der verstärkte Leistungs- und Wettbewerbsdruck und die zunehmende Digitalisierung und Virtualisierung führen zu neuen Herausforderungen. Es sind vor allem die demografische Entwicklung und der deutlich spürbare Wertewandel, die eine neue Mitarbeiterführung erfordern. Führungskräfte sollten ihren Mitarbeitern den Sinn ihrer Arbeit vermitteln. Immer mehr Mitarbeiter werden in den nächsten Jahren altersbedingt ausscheiden, die Rente mit 63 wird das noch beschleunigen. Gleichzeitig fehlt es an Nachwuchskräften, die eine berufliche Perspektive in der Pflegebranche sehen und die fachlich und persönlich für eine pflegende Arbeit geeignet sind. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt dreht sich dramatisch: Der ArbeitgeberMarkt wird zum Bewerber-Markt. Gerade die junge Generation Y, die sehr gut weiß, wie begehrt sie ist, hat klare Vorstellungen von einem attraktiven Arbeitgeber. FÜHRUNGSINSTRUMENTE IM VERGLEICH Klassische Führungsinstrumente Moderne Führungsinstrumente źź Zielvereinbarung źź Commitment/Vorbild źź Delegation źź Coaching/Mentoring źź Kontrolle źź Feedback/Reflexion źź Beurteilung źź Team-Building źź Information źź Kollegiale Beratung 46 Fragt man Bewerber und Mitarbeiter, was sie von einem attraktiven Arbeitgeber erwarten, dann stehen eine verlässliche Führung, ein gutes Betriebsklima und Wertschätzung ganz oben im Ranking – nach der verständlichen Arbeitsplatzsicherheit. Sichere Arbeitsplätze kann die Pflegewirtschaft durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung generell gewährleisten. Aber wie kann sie durch exzellente Führung und eine hervorragende Arbeitsatmosphäre glänzen, um Talente und Leistungsträger im kompromisslosen Wettbewerb zu gewinnen und zu binden? Aus diesen Veränderungen und Erwartungen ergeben sich neue Rollen für Führungskräfte in der Altenpflege: Sinngeber sein Eine sinnvolle und wertvolle Arbeit möchte sicherlich jeder Mitarbeiter machen. Gerade die so gesuchten Nachwuchskräfte der Generation Y sehen nicht ein, warum sie ihre kostbare Lebenszeit mit unsinniger Arbeit vergeuden sollen. Hier präsentiert sich die Pflegewirtschaft deutlich unter Wert, weil sie die Wirkung ihrer Arbeit nicht in den Vordergrund stellt. Die stationäre und ambulante Pflege sorgt tausendfach für mehr Lebensqualität älterer Menschen und deren Angehöriger. Anstatt diese inspirierende Vision und Mission in den Vordergrund zu stellen, werden in Stellenanzeigen oftmals emotionslos die nackten Unternehmenszahlen dargestellt. Im Unternehmen ist es die Führungskraft, die den Sinn und die damit verbundenen Ziele für die Team-Aufgabe und für die Aufgabe jedes einzelnen Team-Mitglieds vermittelt: Was soll unser Team sicherstellen? Was macht unsere Arbeit besonders? Was kann kein anderes Team so gut wie wir? Erst das inspiriert Mitarbeiter, sich mit Engagement, Wissen und Zeit einzubringen. Altenheim 1 | 2015 Mitarbeiter bringen sich eher mit Engagement, Wissen und Zeit ein, wenn Sie um den Sinn und die damit verbundenen Ziele für die Team-Aufgabe sowie für die Aufgabe jedes einzelnen TeamMitglieds wissen. Foto: Photoalto/ Odilon Dimier Eine sinnvolle und wertvolle Aufgabe ist auch eine Form von Wertschätzung und die gilt es zu zeigen. Nun kann eine Führungskraft ihre Wertschätzung zeigen, in dem sie jedem Mitarbeiter jeden Morgen die Hand schüttelt und einen erfolgreichen Tag wünscht. Das ist vielleicht förderlich, aber nicht hinreichend. Die Wertschätzung für Mitarbeiter sollte für Patienten, Bewohnen und Angehörige sichtbar sein. Die Kraft von schicken Visitenkarten für alle Mitarbeiter mit wertschätzenden Tätigkeitsbezeichnungen ist wirkungsvoll und kostengünstig. In dieser neuen Rolle schaffen Führungskräfte ein Commitment mit ihren Mitarbeitern, die zu Loyalität und Leistungsbereitschaft führen. Sie vermitteln ihren Mitarbeitern den Sinn ihrer Arbeit mit Enthusiasmus, Tatkraft, Optimismus, Inspiration, Integrität und Vorbild. Talent-Entwickler sein Die Zeiten, als Mitarbeiter als „Kosten auf zwei Beinen“ gesehen wurden, sind endgültig vorbei. Das zunehmende altersbedingte Ausscheiden von Mitarbeitern und der Mangel an Nachwuchskräften erfordert die stärkere Erkennung, Förderung und Nutzung aller Mitarbeiter-Talente im Unternehmen. Der typische Satz in Stellenausschreibungen „Wir bieten vielfältige Fort- und Weiterbildungs- Altenheim 1 | 2015 möglichkeiten“ wird nur ein mitleidiges Lächeln bei potenziellen Bewerbern hervorrufen. Mitarbeiter erwarten eine individuelle Förderung durch ihre Führungskräfte. Das ist zu beiderseitigem Vorteil: Einerseits hilft es dem Mitarbeiter, sich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln, andererseits hilft es dem Unternehmen, die besonderen Stärken der Mitarbeiter besser zu nutzen. Daher gilt es, die Talente der Mitarbeiter zu erkennen, mit viel Wissensvermittlung und praktischen Übungen zu fördern und so daraus besondere Stärken zu entwickeln, die zu überdurchschnittlichen Leistungen führen. Exzellente Führungskräfte handeln deshalb wie gute Investoren: Sie maximieren die Einzigartigkeit ihrer Mitarbeiter. Sie kennen die drei wichtigsten Talente ihrer Mitarbeiter und ermöglichen ihnen durch Lernen und neue Herausforderungen, fachlich und persönlich zu wachsen. Diese individuelle Förderung erhöht letztlich die Bindung ans Unternehmen. Deshalb sprechen Führungskräfte bereits am ersten Arbeitstag mit neuen Mitarbeitern über Weiterentwicklungsmöglichkeiten und verschiedene Rollen in der Organisation, die später übernommen werden könnten. Gleiches gilt für ein bestehendes Team. Im jährlichen Personalentwicklungs-Gespräch werden passgenaue Fördermaßnahmen vereinbart. Mentoring ist dabei ein kostengünstiges und 47 PERSONALFÜHRUNG effektives Instrument, das oftmals mehr bringt als die Teilnahme an Seminaren. In ihrer Rolle als Talent-Entwickler sollten Führungskräfte darauf achten, dass sie auch die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten verbessern und stärken – egal, wie lange sie schon als Geschäftsführer, Einrichtungsleiter oder Bereichsleiter tätig sind. Das zeigt den Mitarbeitern, dass lebenslanges Lernen erwünscht ist. Gute Führungskräfte handeln wie Investoren: Sie maximieren die Einzigartigkeit ihrer Mitarbeiter. Gewinn-Organisator sein Jeder Führungskraft muss klar sein: Ich steuere eine X-Tausend Euro-Einheit! Bei fünfzehn Pflegekräften mit durchschnittlichen Personalkosten von jeweils 40 000 Euro (inklusive Arbeitgeberanteil) geht es schon um die Führung und Organisation einer 600 000 Euro Einheit – und dabei sind 48 die Sachkosten noch nicht berücksichtigt. Damit ist die Frage an jede Führungskraft verbunden: Wie erzielen wir mit unserem Team einen Gewinn? Quartalsweise Verbesserungs-Meetings mit dem Team sind Gold wert. Hier wird auf Möglichkeiten fokussiert, wie die Einnahmen verbessert und die Kosten gesenkt werden können. Mitarbeiter, die in vorderster Linie stehen, sehen oftmals viel besser und schneller, wo zusätzliche Bedarfe entstehen und wo Einsparungsmöglichkeiten durch Synergien möglich sind. Und wie gewährleiste ich nun als Führungskraft einen positiven Deckungsbeitrag, wenn ich auf die Einnahmen und die Kosten keinen direkten Einfluss habe? Führungskräfte werden in ihrer Rolle als Gewinn-Organisator gemeinsam mit ihrem Team die eigene Effizienz laufend überprüfen. Sie besprechen in ihrem regelmäßigen Team-Meetings, welche Maßnahmen zur Erhöhung der Team-Effizienz führen: Was läuft gut in der Zusammenarbeit? Was läuft in den Arbeitsprozessen nicht gut? Was Altenheim 1 | 2015 ist zu tun, damit wir effizienter werden? Wer ist für die Umsetzung verantwortlich und bis wann ist es umgesetzt? Gleichzeitig wird erörtert, wie die Effizienz jedes einzelnen Team-Mitglieds verbessert werden kann. Grundlage dafür kann eine regelmäßige Selbsteinschätzung der Mitarbeiter sein, die mit der Führungskraft oder dem Team besprochen wird. Wie können Verbesserungen für eine individuelle Effizienz-Erhöhung bewirkt werden? Das ist nicht nur im Interesse des Unternehmens, sondern auch der Mitarbeiter, denn keiner möchte tagein und tagaus eine ineffiziente Arbeit machen. Gewinn-Organisator zu sein heißt auch, selbst als Vorbild zu entscheiden und zu handeln. Nicht umsonst steht der Grundsatz der Sparsamkeit in vielen Dienstverträgen oder Geschäftsordnungen. Mitarbeiter merken sehr schnell, wenn ihr Chef die Notwendigkeiten für seine eigenen Ausgaben, z.B. für Arbeitsessen, Dienstreisen oder KongressTeilnahmen, kreativ argumentiert. „Warum soll ich auf Kosten achten, wenn der Chef das eingesparte Geld mit vollen Händen wieder ausgibt?“ ist dann die typische Reaktion – zu Recht! Eine Kultur der stetigen Verbesserungen, des gemeinsamen Lernens und des Austausches über Best Practice in der Organisation sorgt letztendlich für eine systematische Erhöhung des Deckungsbeitrages. Führungskräfte können diese Kultur in ihrem Team durch ihr Vorbild und durch konkrete Maßnahmen etablieren und fördern. sen, werden „überleben“ – das gilt für Führungskräfte genauso wie für Unternehmen. ¬ MEHR ZUM THEMA Frage: [email protected] Blog: http://blog.christophhauke.de www: www.christophhauke.de Produktinfo: Bitte beachten Sie zu diesem Thema auch das Altenheim-Themenheft Personal – Finden und binden: Die besten Konzepte für die Praxis. Zu bestellen unter www.altenheim.net/shop Christoph Hauke ist Speaker, Trainer und Fach-Berater bei 3Gen Worx/Leadership – Employer Branding – Diversity Management in Düsseldorf. Moderne Führungsinstrumenete einsetzen Die aktuellen Herausforderungen in der Pflege werden noch zu oft mit einer Mitarbeiterführung angegangen, die auf Theorien aus dem letzten Jahrhundert basieren. Das wird nicht zu den notwendigen Verbesserungen und den gewünschten Ergebnissen führen. Deshalb ist es erforderlich, dass sich Führungskräfte neues Führungswissen aneignen und dass sie lernen, wie sie moderne Führungsinstrumente einsetzen. Exzellente Führung, die auf Werten, Anpassungsfähigkeit und Leidenschaft basiert, sorgt letztlich auch für ein hervorragendes Betriebsklima. Damit lassen sich die Erwartungen von Bewerbern und Mitarbeitern besser erfüllen und somit die Talente und Leistungsträger besser gewinnen und binden. Je besser Führungskräfte die neuen Rollen wahrnehmen und ausfüllen, umso leichter wird es sein, die Herausforderungen in der Pflege zu meistern. Es gilt auch hier das Darwin’sche Evolutionsprinzip „Survial of the Fittest“: Diejenigen, die sich am besten an die Veränderungen anpasAltenheim 1 | 2015 49