Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Workshop Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und Anstellungsreglement (Formulierungen) Refresher Luzern, 10. November 2016 Stefanie Meier-Gubser «Wer Streitigkeiten vermeiden will, der muss bei den Verträgen beginnen. Ungerechte, unklare oder unverstandene Verträge sind eine erstrangige Quelle für Konflikte. […] unklare oder unverstandene Verträge führen zu Streitigkeiten, die vermeidbar wären. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint mir manches Vertragswerk verbesserungsfähig.» Peter Gauch Stefanie Meier-Gubser 2 © Refresher Luzern 2016 1 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Workshop Arbeitsrecht Einleitung (20’) Workshops in Gruppen (100’) Präsentation und Diskussion der Resultate (60’) Stefanie Meier-Gubser 3 Einleitung 1x1 Vertragsrecht | Vertragsauslegung | Arbeitsvertrag im Speziellen © Refresher Luzern 2016 2 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Das kleine 1x1 des Vertragsrechts Zustandekommen von Verträgen (und Vertragsänderungen) «Zum Abschluss des Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein.» (Art. 1 OR) «Haben sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt, so wird vermutet, dass der Vorbehalt von Nebenpunkten die Verbindlichkeit des Vertrages nicht hindern solle.» (Art. 2 Abs. 1 OR) Konsens über essentialia negotii Stefanie Meier-Gubser 5 Das kleine 1x1 des Vertragsrechts Form der Verträge (Grundsatz der Formfreiheit) Stillschweigen (konkludent) Mündliche Willensäusserung Schriftform (Unterschrift / qualifizierte elektronische Signatur) Gesetzliche Vorschrift: Gültigkeitserfordernis (Art. 11 Abs. 2 OR) Gewillkürte Vorschrift: Gesetzliche Vermutung, dass Parteien vor Erfüllung der Form nicht verpflichtet sein wollen (Art. 16 Abs. 1 OR) Öffentliche Beurkundung Gültigkeitserfordernis Registereintrag Gültigkeitserfordernis Stefanie Meier-Gubser 6 © Refresher Luzern 2016 3 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Das kleine 1x1 des Vertragsrechts Bedingungen Aufschiebende (Suspensivbedingung, Art. 151 OR) «Der Arbeitsvertrag tritt nur in Kraft, wenn der Arbeitnehmer bis am 17. Dezember 2016 eine gültige Erwerbsbewilligung einreicht.» Auflösende (Resolutivbedingung, Art. 154 OR) «Der Arbeitsvertrag endet automatisch mit Erlöschen oder Entzug der Erwerbsbewilligung.» Hinweis: Kündigungen als Gestaltungsgeschäfte sind bedingungsfeindlich. Stefanie Meier-Gubser 7 Das kleine 1x1 des Vertragsrechts Befristungen und Fristenlauf Mit der Befristung lassen sich Anfang und Ende des Vertrags festlegen Anknüpfung an den Eintritt eines in Zukunft liegenden objektiv bestimmbaren Zeitpunkts Monatsfrist: Anfang/Mitte/Ende Monat = 1./15./letzter Tag (Art. 76 OR) Tagesfrist: Letzter Tag der Frist (Art. 77 Abs. 1 Ziff. 1 OR) Tag des Vertragsschlusses wird nicht mitgerechnet Wochenfrist: Gleicher Tag der Woche (Art. 77 Abs. 1 Ziff. 2) Stefanie Meier-Gubser 8 © Refresher Luzern 2016 4 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Vertragsauslegung durch den Richter Ermittlung des ausdrücklich oder stillschweigend vereinbarten Inhalts (soweit unter den Parteien streitig) Wirklicher Wille der Parteien (Art. 18 Abs. 1 OR) subjektive Vertragsauslegung Mutmasslicher Wille der Parteien objektive (normative) Auslegung Stellt darauf ab, was vernünftig und korrekt (redlich) handelnde Parteien durch die Verwendung der gebrauchten Worte und durch ihr sonstiges Verhalten unter den gegebenen (auch persönlichen) Umständen ausgedrückt und folglich gewollt haben würden. Stefanie Meier-Gubser 9 Vertragsauslegung durch den Richter Auslegung nach dem Vertrauensprinzip (Treu und Glaube) Gesetzlicher Rahmen Vertragszweck Vertragstypus Wortlaut Verhalten in dubio contra stipulatorem (Unklarheitsregel) Vertragsergänzung dispositives Gesetzesrecht danach, was die Parteien – bei Kenntnis der Unvollständigkeit ihres Vertrages - angesichts der Umstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für eine Vereinbarung getroffen hätten Stefanie Meier-Gubser 10 © Refresher Luzern 2016 5 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Der Arbeitsvertrag im Speziellen Sozialschutz des Arbeitnehmers Dauerschuldverhältnis Gesetzliche Schriftlichkeitsvorbehalte (Gültigkeitserfordernis) Vertrag oder Reglement? Stefanie Meier-Gubser 11 Der Arbeitsvertrag im Speziellen Gesetzliche Formvorschrift Schriftlichkeit (Gültigkeitserfordernis) Abweichende Regelung Überstundenentschädigung und/oder Kompensation (Art. 321c OR) Entstehung Provisionsanspruch bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung sowie bei Versicherungsverträgen auf jeder Rate mit deren Fälligkeit oder Leistung (Art. 322b Abs. 2 OR) Abweichende Regelung Lohnfortzahlung (Art. 324a Abs. 4 OR) Spesenpauschale statt effektiver Auslagenersatz (Art. 327a Abs. 2 OR) Ausbedingung Erwerb von Erfindungen und Designs (Art. 332 Abs. 2 OR) Abänderung Kündigungsfristen und -termine (Art. 335c OR) Höhe und Fälligkeit Abgangsentschädigung (Art. 339c OR) Nachvertragliches Konkurrenzverbot (Art. 340 Abs. 1 OR) Stefanie Meier-Gubser 12 © Refresher Luzern 2016 6 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Vertrag oder Reglement? Irrglaube: «Betriebsreglemente können einfacher (sprich einseitig) geändert oder aufgehoben werden.» Richtig: Die Arbeitgeberin kann einseitig Weisungen erlassen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, diesen Folge zu leisten (Art. 321d OR). Verträge können nur im gegenseitigen Einverständnis angepasst werden («pacta sunt servanda») Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Achtung bei Formvorschrift der Schriftlichkeit Stefanie Meier-Gubser 13 Formulierungsworkshop © Refresher Luzern 2016 7 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Themen Überstunden Lohnfortzahlung bei Krankheit Bonus als Gratifikation Konkurrenzverbot Aufbau Arbeitsvertrag (Checkliste) Aufhebungsvereinbarung (Kern und Checkliste) Stefanie Meier-Gubser 15 Überstunden Art. 321c OR 1 Wird gegenüber dem zeitlichen Umfang der Arbeit, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist, die Leistung von Überstundenarbeit notwendig, so ist der Arbeitnehmer dazu soweit verpflichtet, als er sie zu leisten vermag und sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden kann. 2 Im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber die Überstundenarbeit innert eines angemessenen Zeitraumes durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer ausgleichen. 3 Wird die Überstundenarbeit nicht durch Freizeit ausgeglichen und ist nichts anderes schriftlich verabredet oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt, so hat der Arbeitgeber für die Überstundenarbeit Lohn zu entrichten, der sich nach dem Normallohn samt einem Zuschlag von mindestens einem Viertel bemisst. Stefanie Meier-Gubser 16 © Refresher Luzern 2016 8 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Lohnfortzahlung bei Krankheit Art. 324a OR 1 Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist. 2 Sind durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag nicht längere Zeitabschnitte bestimmt, so hat der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit zu entrichten, je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen. 3 […] 4 Durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den vorstehenden Bestimmungen abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist. Stefanie Meier-Gubser 17 Gratifikation Art. 322 d OR 1 Richtet der Arbeitgeber neben dem Lohn bei bestimmten Anlässen, wie Weihnachten oder Abschluss des Geschäftsjahres, eine Sondervergütung aus, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, wenn es verabredet ist. 2 Endigt das Arbeitsverhältnis, bevor der Anlass zur Ausrichtung der Sondervergütung eingetreten ist, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen verhältnismässigen Teil davon, wenn es verabredet ist. Stefanie Meier-Gubser 18 © Refresher Luzern 2016 9 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Konkurrenzverbot Art. 340 OR Voraussetzungen 1 Der handlungsfähige Arbeitnehmer kann sich gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich verpflichten, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sich jeder konkurrenzierenden Tätigkeit zu enthalten, insbesondere weder auf eigene Rechnung ein Geschäft zu betreiben, das mit dem des Arbeitgebers in Wettbewerb steht, noch in einem solchen Geschäft tätig zu sein oder sich daran zu beteiligen. 2 Das Konkurrenzverbot ist nur verbindlich, wenn das Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse gewährt und die Verwendung dieser Kenntnisse den Arbeitgeber erheblich schädigen könnte. Art. 340a OR Beschränkungen 1 Das Verbot ist nach Ort, Zeit und Gegenstand angemessen zu begrenzen, so dass eine unbillige Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens des Arbeitnehmers ausgeschlossen ist; es darf nur unter besonderen Umständen drei Jahre überschreiten. 2 Der Richter kann ein übermässiges Konkurrenzverbot unter Würdigung aller Umstände nach seinem Ermessen einschränken; er hat dabei eine allfällige Gegenleistung des Arbeitgebers angemessen zu berücksichtigen. Art. 340b OR Folgen der Übertretung 1 Übertritt der Arbeitnehmer das Konkurrenzverbot, so hat er den dem Arbeitgeber erwachsenden Schaden zu ersetzen. 2 Ist bei Übertretung des Verbotes eine Konventionalstrafe geschuldet und nichts anderes verabredet, so kann sich der Arbeitnehmer durch deren Leistung vom Verbot befreien; er bleibt jedoch für weiteren Schaden ersatzpflichtig. 3 Ist es besonders schriftlich verabredet, so kann der Arbeitgeber neben der Konventionalstrafe und dem Ersatz weiteren Schadens die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes verlangen, sofern die verletzten oder bedrohten Interessen des Arbeitgebers und das Verhalten des Arbeitnehmers dies rechtfertigen. Stefanie Meier-Gubser 19 Aufbau Arbeitsvertrag (Checkliste) Gesetzessystematik (Art. 319 ff. OR) Begriff und Entstehung (Art. 319-320 OR) Pflichten des Arbeitnehmers (Art. 321-321e OR) Pflichten des Arbeitgebers (Art. 322-330b OR) Personalvorsorge (Art. 331-331f OR) Rechte an Erfindungen und Designs (Art. 332 OR) Übergang des Arbeitsverhältnisses (Art. 333-33b OR) Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Art. 334-340c OR) Unverzichtbarkeit und Verjährung (Art. 341 OR) Vorbehalt und zivilrechtliche Wirkung öffentlichen Rechts (Art. 342 OR) Stefanie Meier-Gubser 20 © Refresher Luzern 2016 10 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Aufhebungsvereinbarung (Kern und Checkliste) Art. 115 OR Eine Forderung kann durch Übereinkunft ganz oder zum Teil auch dann formlos aufgehoben werden, wenn zur Eingehung der Verbindlichkeit eine Form erforderlich oder von den Vertragschliessenden gewählt war. Art. 341 OR Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung kann der Arbeitnehmer auf Forderungen, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes oder aus unabdingbaren Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages ergeben, nicht verzichten. 1 2 […]. Stefanie Meier-Gubser 21 Workshopresultate © Refresher Luzern 2016 11 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Überstunden Stefanie Meier-Gubser 23 Lohnfortzahlung bei Krankheit Stefanie Meier-Gubser 24 © Refresher Luzern 2016 12 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Bonus als Gratifikation Stefanie Meier-Gubser 25 Konkurrenzverbot Stefanie Meier-Gubser 26 © Refresher Luzern 2016 13 Stefanie Meier-Gubser Arbeitsrecht Aufbau Arbeitsvertrag (Checkliste) Stefanie Meier-Gubser 27 Aufhebungsvereinbarung (Kern und Checkliste) Stefanie Meier-Gubser 28 © Refresher Luzern 2016 14