Das Leben auf Intensivstationen für Familienmitglieder: Angehörige

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Das Leben auf Intensivstationen für Familienmitglieder: Angehörige und
Pflegende - das Bedürfnis nach Kommunikation und Information
von
Sandra Moritz
Erstauflage
Diplomica Verlag 2014
Verlag C.H. Beck im Internet:
www.beck.de
ISBN 978 3 95850 664 0
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
Leseprobe
Textprobe:
Kapitel 2.2, Familien – System Theorie:
Für die Bearbeitung des gewählten Themas ist es notwendig einige Begriffe der „Familien –
System Theorie“ genauer zu definieren.
2.2.1, Kernfamilie:
Der Begriff „Familie“ stammt aus dem Griechischen „oikos“ bedeutet sowohl Haus als auch
Familie (Gehring et al. 2001, S. 17). Die Kernfamilie besteht aus Eltern mit ihren biologischen
Kindern. Die Struktur der Kernfamilie ist weder ideal noch problematisch. Diese Mitglieder müssen
in jeder Form des Zusammenlebens ihre Ziele und Werte durch Systemänderung, Kohärenz und
Individuation erreichen. Die Gefahren, die die Kernfamilien bedrohen, sind Wertkonflikte
(Friedemann, Köhlen, 2010, S. 83). Familienformen sollten differenziert werden, um das Bild der
Familie vom „Ballast der Idealisierung“ zu entlasten. Das ist eine schwierige Aufgabe für ein
System, dessen Erhaltung von nur zwei erwachsenen Personen abhängt. Durch bestimmte Werte
und Ansichten, wird die Familienkongruenz angegriffen und die Stabilität der Familie bedroht. Laut
Familiendefinition werden nach der Theorie des systemischen Gleichgewichtes nur wenige
Familien als reine Kernfamilien betrachtet. Es ist nicht nur wichtig wer innerhalb eines Haushaltes
wohnt, sondern wer zum familiären Netz oder zu einer erweiterten Familie dazugehört. Dieses
Netz übernimmt die Funktion der Systemerhaltung und wird zu einem wichtigen Faktor für
Stabilität in der Kernfamilie (Friedemann, Köhlen, 2010, S. 84).
2.2.2, Systemtheorie:
Ein „System“ wird als geordnetes Ganzes verstanden, dessen Elemente in bestimmten
Beziehungen zueinander sowie in ständiger Interaktion miteinander stehen. Es handelt sich um
eine Organisationstheorie, die sich mit Dynamiken von Teilen innerhalb eines Ganzen befasst. Es
wird davon ausgegangen, dass jede Aktion eine Reaktion in der Umwelt hervorruft, völlig
unabhängig davon, ob es sich um eine physikalische, soziale oder chemische Aktion handelt. Ein
System ohne die Umwelt gibt es nicht. Denn solange kein System da ist, kann in unserem
systemtheoretischen Weltschöpfungsmythos der Urstoff vor der Erschaffung der Welt keine
Umwelt darstellen (Krieger, 1998, S. 13). Es wird von einer System/Umwelt-Differenz gesprochen,
die von Lohmann (1994) wie folgt bezeichnet wird: „Systeme sind nicht nur gelegentlich und nicht
nur adaptiv, sie sind strukturell an ihrer Umwelt orientiert und könnten ohne Umwelt nicht
bestehen. Sie konstituieren und sie erhalten sich durch Erzeugung und Erhaltung einer Differenz
zur Umwelt, und sie benutzen ihre Grenzen zur Regulierung dieser Differenz. In diesem Sinne ist
Grenzerhaltung Systemerhaltung (Lohmann, 1984, S. 35 zit. aus Krieger, 1994, S. 13).
2.3, Konzept der familien- und umweltbezogenen Pflege:
Friedeman (2010) sieht das Konzept der familien- und umweltbezogenen Pflege als konstruktive
Antwort auf die Schwierigkeit, die Familie und die Umwelt in die Pflege einzubeziehen.
Die familien- und umweltbezogene Pflege orientiert sich am Paradigma von Umwelt, Mensch,
Gesundheit und Pflege. Gesundheit und Pflege beziehen sich nicht nur auf das Individuum,
sondern auch aus der Perspektive der Familie und ihrer Subsysteme (Friedeman, Köhlen, 2010,
S. 25). Die Umwelt ist ein Kontext, in dem sich die Menschheit bewegt. Die Umwelt umschließt
nach der Theorie des systemischen Gleichgewichts alle Systeme, die den Menschen und seine
Familie umgeben.
Der Mensch definiert seine Identität über seine Beziehungen zu seiner Umwelt wie z. B. zu
Mitmenschen oder Gegenständen. Die menschliche Realität wird über die Funktionen seines
Körpers bestimmt und ist deshalb eingeschränkt (Friedemann, Köhlen, 2010, S. 27). Die
Gesundheit ist der Ausdruck der Kongruenz des menschlichen Systems in Rhythmus und Muster
nach außen mit seiner Umwelt und nach innen mit seinen Subsystemen. Jeder Mensch empfindet
und erlebt Gesundheit und sie ist nährende Energie, die dem Menschen ein tiefes Wohlbefinden
verleiht. Die Gesundheit verleiht Kraft, die zum Handeln und Denken motiviert und den täglichen
Störungen erfolgreich entgegenwirkt. Ein allgemeines Wohlbefinden kennzeichnet die
„Gesundheit“. Die Gesundheit fördert die Systemfunktionen und hilft Angst abzubauen. Sie kann
jedoch begrenzt sein, da immer wieder Systemstörungen auftreten können. Eine körperliche
Krankheit wird durch eine Systemstörung des organischen Subsystems hervorgerufen. Durch
Systeminkongruenz entsteht Angst, die wiederum ein Symbol für fehlende Gesundheit ist. Die
Konzepte der Gesundheit und körperlichen Krankheit müssen als getrennte und unterschiedliche
Begriffe aufgefasst werden. Die Pflege sowie die medizinische Behandlung sind auf die Krankheit
ausgerichtet und es gilt die empfundene Gesundheit in den Vordergrund zu rücken, um die
Kongruenz wieder herzustellen. Reichen die Regulation und die Kontrolle nicht mehr aus, um
Kongruenz nach außen und Gesundheit nach innen zu erlagen, verlagert sich der pflegerische
Schwerpunkt auf die Kohärenz- und Individuationsdimension (Friedemann, Köhlen, 2010, S. 36).
Die Familie ist ein System mit Subsystemen und innerhalb der Familie schließen sich gewisse
Mitglieder zu interpersonellen Subsystemen zusammen, um bestimmte Aufgaben zu lösen. Sie
wird als unabhängiges offenes System verstanden, das mit seiner Umwelt in Austausch steht. Die
Familienmitglieder müssen nicht verwandt sein, aber sie müssen in Beziehung stehen und eine
Familienrolle ausüben (Friedemann, Köhlen, 2010, S. 37). Die Familienzugehörigkeit ist immer
subjektiv zu betrachten und muss aus der Perspektive jeder einzelnen Person entschieden
werden. Je nach der Perspektive des einzelnen Menschen kann sich die Familienstruktur ändern.
Dieser subjektive Unterschied der Familienzusammengehörigkeit aus der Betroffenenperspektive
muss in der Pflege zuerst geklärt werden. Für die Pflegepersonen ist es wichtig zu erfahren, wer
zur Familie gehört, wie wichtig diese Personen für den Patienten sind und welche Rolle sie im
täglichen Leben spielen (Friedemann, Köhlen, 2010, S. 39).
Die Pflege nach der Theorie des systemischen Gleichgewichts ist mit der Pflege der systemischen
Einheit Mensch, Familie und Umwelt, gleich zu setzen. Die Pflege wird als Dienstleistung auf allen
Systemebenen verstanden (Individuum, Familie, Interaktionssystem, Gemeinde). Die Pflege des
Individuums schließt die Familie, die Umweltsysteme sowie ihre Subsysteme mit ein. Das Ziel der
Pflege ist es, Prozesse aufzuzeigen, die dem System das Kongruenzstreben erleichtern oder
ermöglicht. Das Ziel des Systems ist die Gesundheit. Durch eine bessere Familienkongruenz
werden auch die einzelnen Mitglieder der Familie, Gesundheit finden. Nach der Theorie des
systemischen Gleichgewichts liegt der Grund in der Vernetzung der der einzelnen Personen
untereinander (Friedemann, Köhlen, 2010, S. 49).
Laut Friedemann (2010) bedeutet die Pflege der Familie, eine Verlagerung des Pflegeansatzes
auf eine höhere Systemebene, zu Interaktionssystemen, zum Familiensystem oder zu
Umweltsystemen, die mit der Familie zusammenarbeiten. Die Voraussetzung der familien- und
umweltbezogenen Pflege ist, dass die Familie die wichtigste Vernetzung für die betroffenen
Personen bedeutet. Das Einbeziehen der Familie in die Pflege ist dort nötig, wo Angehörige nach
der Krankenhausentlassung der Person für die Pflege mit integriert werden (Friedemann, Köhlen,
2010, S. 62).
2.4, Information versus Kommunikation:
Nach Simon (2009) wird dann von Information gesprochen, wenn Einschätzungen oder Daten zu
einem bestimmten Zweck mitgeteilt werden. Die Information reduziert das Unbekannte sowie die
Ungewissheit (Simon, 2009, S. 16). Die Kommunikation ist ein Informationsaustausch zweier
Personen. Der Sender ist der Kommunikator, von dem die Information ausgeht und der
Empfänger ist der Kommunikant, der sie erhält (Simon, 2009, S. 16). Menschen sprechen oft von
Kommunikation ohne genau zu wissen was das Wort eigentlich beinhaltet. Eine der
Hauptunterscheidungen, wie die Kommunikation betrachtet werden kann, bezieht sich auf den
Inhalt der übertragenen Nachricht. Wenn zwei Personen miteinander kommunizieren, ist es
wichtig, wie der Empfänger die Nachricht des Sprechers interpretiert und versteht. Die
Kommunikation kann nur dann als erfolgreich betrachtet werden, wenn die gesagten Worte
gemeinsam eine ähnliche Vorstellung ausgelöst haben. Die Grundvoraussetzung sind die
Überschneidungen und Gemeinsamkeiten der erworbenen Sprachkenntnis. Die Kommunikation
kann als jede Form von Verhalten und Handlung verstanden werden, sobald sie auf ein
bestimmtes Gegenüber, einen Handlungs- bzw. Interaktionspartner ausgerichtet ist.
Kommunikation kann als Austausch von Mitteilungen bzw. Informationen zwischen Individuen
aufgefasst werden (Watzlawick et al. 2007, S. 50).
Watzlawick bestätigt auch, dass Kommunikation nicht nur dann stattfindet, wenn sie absichtlich
bewusst und erfolgreich ist, sondern wenn gegenseitiges Verständnis zustande kommt
(Watzlawick et al. 2007, S. 52).
Watzlawick beschreibt sein Kommunikationsmodell auf Basis der Systemtheorie. Er definiert
folgende Aspekte: Systeme bestehen aus (abgrenzbaren) Elementen und zwischen diesen
Elementen bestehen Wechselbeziehungen. Jedes System besitzt eine Grenze nach außen, die
mehr oder weniger durchlässt. Die Beziehungen zwischen einem System und seiner Umgebung
(Umwelt) entstehen an den Systemgrenzen. Hier entscheidet sich, was in einem System
„hineinkommen“ (Input) bzw. „herauskommen“ (Output) kann. Systeme zeigen im Allgemeinen ein
zielgerichtetes Entwicklungsverhalten“ (Watzlawick et al. 2007, S. 52-53).
Watzlawick trägt diese theoretischen Vorüberlegungen auf menschliche Beziehungen Er
betrachtet dabei das Individuum als Grundelement eines Systems und bezeichnet menschliche
Beziehungen sowie Kommunikationsabläufe als „offenes System“ (Watzlawick et al. 2007, S. 5254). Wenn bei einem Kommunikationsprozess drei Menschen miteinander kommunizieren,
agieren diese Personen als ein dreifaches Ganzes, die ein System bilden (Simon, 2009, S. 23).
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