Eigenwerte Stefan Ruzika Mathematisches Institut Universität Koblenz-Landau Campus Koblenz 27. Juni 2016 Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 1 / 28 Gliederung 1 2 3 4 5 6 Schulstoff Körper Vektorräume Basis und Dimension Skalarprodukt, Norm, Metrik Lineare Abbildungen Stefan Ruzika 7 8 9 10 11 12 Bild, Faser, Kern Lineare Gleichungssysteme Lineare Abbildungen und Matrizen Koordinatentransformation Determinanten Eigenwerte §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 2 / 28 Eigenwerte Ein sehr einfaches Beispiel . . . Betrachte K -Vektorraum mit dim V = 1. Proposition 1 Ist F ∈ EndK (V ), so gibt es ein eindeutig bestimmtes λ ∈ K mit F (v ) = λ · v und dieses λ hängt nicht von der Wahl von v ab. Beweis. Sei w = µv ein anderer Vektor von V , dann gilt für diesen F (w ) = F (µv ) = µλv = λµv = λw . Frage: Gibt es auch in höherdimensionalen Räumen Vektoren, die bei Anwendung von F nur mit einem Faktor multipliziert werden? Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 3 / 28 Eigenwerte Eigenwerte und Eigenvektoren Definition 1 Sei V ein K -Vektorraum und F : V → V ein Endomorphismus. Ein λ ∈ K heißt Eigenwert von F , wenn es ein v ∈ V gibt mit v 6= 0 und F (v ) = λ · v . Ein v ∈ V mit v 6= 0 heißt Eigenvektor, wenn es ein λ ∈ K gibt, so dass F (v ) = λ · v Achtung: Eigenwert kann gleich Null sein. Eigenvektor muss von Null verschieden sein. Frage: Existenz und Vielfalt von Eigenvektoren Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 4 / 28 Eigenwerte Eigenwerte und Eigenvektoren im K n Betrachte den K -VR K n und einen Endomorphismus F , also eine Matrix A. Definition 2 1 Ein λ ∈ K heißt Eigenwert von A, wenn es ein x ∈ K n gibt mit x 6= 0 2 und A · x = λ · x. Ein x ∈ K n mit x 6= 0 heißt Eigenvektor, wenn es ein λ ∈ K gibt, so dass A·x =λ·x Achtung: Eigenwert kann gleich Null sein. Eigenvektor muss von Null verschieden sein. Frage: Existenz und Vielfalt von Eigenvektoren Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 5 / 28 Eigenwerte Eigenraum Definition 3 (Eigenraum eines Endomorphismus/einer Matrix) Der Eigenraum eines Endomorphismus F von V zu λ ∈ K ist definiert durch Eig(F ; λ) := {v ∈ V : F (v ) = λv } Der Eigenraum einer Matrix A ∈ M(n × n; K ) zu λ ∈ K ist definiert durch Eig(A; λ) := {x ∈ K n : Ax = λx} Proposition 2 a) Eig(F ; λ) ⊂ V ist Untervektorraum von V . b) Eig(F ; λ) 6= {0} ⇔ λ ist Eigenwert von F . c) Eig(F ; λ) \ {0} ist die Menge der Eigenvektoren zum Eigenwert λ. d) Eig(F ; λ) = Ker(F − λ · idV ), wobei idV die identische Abbildung ist. e) dim Eig(F ; λ) = dim V − rang(F − λ · idV ) Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 6 / 28 Eigenwerte Eigenschaften Frage: Wie findet man Eigenwerte? Dazu später wichtig: Lemma 4 Sei A ∈ M(n × n; K ) und λ ∈ K . Dann gilt: λ Eigenwert von A ⇔ det(A − λ · En ) = 0 Beachte: a11 − λ a21 A − λEn = . .. an1 a12 a22 − λ ... ... .. . ... ... a1n a2n .. . ann − λ Beweis. Tafel Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 7 / 28 Eigenwerte Eigenschaften Korollar 5 Ein Vektor x ∈ K n ist genau dann ein Eigenvektor von A zu λ ∈ K , wenn er eine nicht-triviale Lösung des homogenen linearen Gleichungssystems (A − λ · En ) · x = 0 ist. Satz 6 Sei F ∈ Endk (V ). Seien v1 , . . . , vm Eigenvektoren zu m paarweise verschiedenen Eigenwerten λ1 , . . . , λm . Dann sind v1 , . . . , vm linear unabhängig und es gilt m ≤ dimK V . Beweis. Tafel Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 8 / 28 Eigenwerte Beispiel II Beispiel 7 Sei V = R2 und F eine Drehung um den Winkel α. Diese wird beschrieben durch die Matrix cos α − sin α Aα = sin α cos α e2 Anschaulich klar: e1 Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 9 / 28 Eigenwerte Beispiel III Beispiel 8 Sei V = R2 und F die Spiegelung der Ebene an der Geraden L1 mit dem Winkel α 2 . Diese wird beschrieben durch die Matrix cos α sin α Bα = sin α − cos α e2 Anschaulich klar: Bα e1 L1 α Stefan Ruzika α 2 e1 §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 10 / 28 Eigenwerte Zurück zur Theorie . . . In den Beispielen haben wir gesehen: Bei einer 2 × 2-Matrix A müssen wir laut Lemma 4: a −λ a12 det A − λE2 = det 11 =0 a21 a22 − λ lösen. Dies führt zu einem Polynom p(λ) = λ2 − (a11 + a22 )λ + (a11 a22 − a12 a21 ), das wir das charakteristische Polynom nennen. Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 11 / 28 Eigenwerte Charakteristisches Polynom Allgemein gilt: Satz 9 Betrachte den K -VR K n und einen Endomorphismus (d. h. eine n × n-Matrix) A. Dann ist p(λ) := det(A − λEn ) ∈ K [λ] ein Polynom vom Grad n, das charakteristische Polynom zur Matrix A. Die Nullstellen von p(λ) sind die Eigenwerte von A. Wir erinnern an den Fundamentalsatz der Algebra: Fundamentalsatz Jedes Polynom n-ten Grades mit Koeffizienten a0 , . . . , an−1 p(λ) = λn + an−1 λn−1 + . . . + a1 λ + a0 hat genau n (komplexe) Nullstellen λ1 , . . . , λn mit p(λ) = (λ − λ1 ) · . . . · (λ − λn ). Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 12 / 28 Eigenwerte Eigenwerte ausrechnen Beispiel 10 Sei A = −1 −1 6 . 4 Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 13 / 28 Eigenwerte Eigenwerte ausrechnen Beispiel 11 0 Sei A = −3 −2 Stefan Ruzika −1 1 −2 3. −2 3 §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 14 / 28 Eigenwerte Charakteristisches Polynom Betrachten wir das charakteristische Polynom genauer; erst für den Spezialfall n = 3 (den Fall n = 2 hatten wir schon), dann allgemein: Beispiel 12 (n = 3) det(A − λE3 ) = Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 15 / 28 Eigenwerte Charakteristisches Polynom Allgemein folgt aus der Leibniz-Formel: det(A − λEn ) = (a11 − λ) · . . . · (ann − λn ) + Q wobei der erste Summand zur Identität gehört und Q alle restlichen n! − 1 Summanden umfasst. Beobachtung 13 Q enthält keine Terme mit λn und λn−1 . Also ist deg Q ≤ n − 2 und das Polynom p(λ) := det(A − λEn ) = bn λn + bn−1 λn−1 + . . . + b1 λ + b0 hat die Koeffizienten bn = (−1)n bn−1 = (−1)n−1 (a11 + . . . + ann ) .. . b0 = det A Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 16 / 28 Eigenwerte Charakteristisches Polynom Definition 14 Sei A eine n × n-Matrix. Man nennt spur(A) := a11 + . . . + ann ∈ K die Spur der Matrix A. Betrachte vorherige Folie: b0 = 0 gdw. det A = 0. Damit folgt: Korollar 15 Genau dann ist 0 ∈ K ein Eigenwert von A, wenn det A = 0. Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 17 / 28 Eigenwerte Charakteristisches Polynom Beispiel 16 Sei −5 −12 A= 1 −4 1 6 2 12 1 0 0 4 6 12 −2 6 Bestimme das charakteristische Polynom! Tafel Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 18 / 28 Eigenwerte Diagonalisierbarkeit Definition 17 1) Sei V ein K-Vektorraum mit dimK V = n < +∞ und F : V → V linear. F heißt diagonalisierbar genau dann, wenn V eine Basis B = (v1 , . . . , vn ) besitzt, die aus Eigenvektoren von F besteht. 2) Eine Matrix A ∈ M(n × n; K ) heißt diagonalisierbar genau dann, wenn die durch A erklärte lineare Abbildung FA : K n → K n , x 7→ FA (x) := A · x, diagonalisierbar ist. Bemerkung 17.1 Bedeutung: Tafel Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 19 / 28 Eigenwerte notwendige Bedingung für Diagonalisierbarkeit Bemerkung 17.2 Ist F : V → V diagonalisierbar, so zerfällt das charakteristische Polynom pF in Linearfaktoren, d. h. pF (λ) = ±(λ − λ1 ) · · · · · (λ − λn ), wobei n = dim V und λ1 , . . . , λn ∈ K . Beweis. Tafel Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 20 / 28 Eigenwerte Einfache Eigenwerte Beispiel 18 Sei λ ∈ K und A = λ 0 1 . λ Tafel Satz 19 Ist n = dim V , F ∈ End(V ) und gilt pF (λ) = ±(λ − λ1 ) · · · · · (λ − λn ) mit paarweise verschiedenen Eigenwerten λ1 , . . . , λn , so ist F diagonalisierbar. Beweis. Klar nach Satz 14.8. Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 21 / 28 Eigenwerte Korollar 20 Jede reelle, symmetrische 2 × 2- Matrix A ist diagonalisierbar. Beweis. Tafel Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 22 / 28 Eigenwerte Geometrische und algebraische Vielfachheit Bemerkung 20.1 Sind v1 , v2 Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten λ1 , λ2 , so ist v1 + v2 kein Eigenvektor. Tafel Definition 21 Man nennt die Zahl d(F ; λ) := dim Eig (F ; λ) die geometrische Vielfachheit des Eigenwertes λ von F . Beobachtung 22 Kurz ausgedrückt: Die geometrische Vielfachheit d(F ; λ) ist maximale Zahl linear unabhängiger Eigenvektoren von F zu λ ∈ K . Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 23 / 28 Eigenwerte Definition 23 Gilt für das charakteristische Polynom pF von F die Zerlegung pf (λ) = (λ − λ1 )r1 · · · · · (λ − λk )rk · q mit paarweise verschiedenen λ1 , . . . , λk , sowie r1 , . . . , rk ≥ 1 und r1 + · · · + rk = m ≤ n = dim V und einem Polynom q vom Grad n − m, welches keine Nullstellen in K hat, so heißt µ(F ; λi ) := ri für i = 1, . . . , k die algebraische Vielfachheit des Eigenwertes λi von F . Dies ist die Vielfachheit der Nullstelle λi von pF . Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 24 / 28 Eigenwerte Lemma 24 Ist F : V → V linear, so gilt für jeden Eigenwert λ von F : 1 ≤ d(F ; λ) ≤ µ(F ; λ) ≤ dim V . Beweis. Tafel Beispiel 25 λ Sei λ ∈ K beliebig und A = 0 Tafel Stefan Ruzika 1 λ .......... 1 .. . . .. .. . §12: Eigenwerte 0 ∈ M(n × n; K ). 1 λ 27. Juni 2016 25 / 28 Eigenwerte Kriterium für Diagonalisierbarkeit Satz 26 Sei V ein K-Vektorraum mit dim V = n < +∞. Eine lineare Abbildung F : V → V ist genau dann diagonalisierbar, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: a) Das charakteristische Polynom pF zerfällt in Linearfaktoren, d. h. pF (λ) = ±(λ − λ1 ) · · · · · (λ − λn ) mit λ1 , . . . , λ n ∈ K . b) Für jeden Eigenwert λ von F gilt: d(F ; λ) = µ(F ; λ), d. h. die geometrische Vielfachheit ist gleich der algebraischen Vielfachheit. Beweis. Tafel Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 26 / 28 Eigenwerte Beispiel 27 2 Betrachte die Matrix A = 3 6 Polynom lautet: 0 5 6 0 −3 ∈ M(3 × 3; R). Das charakteristische −4 pA (λ) = −(λ − 2) · (λ2 − λ − 2) = −(λ − 2)2 · (λ + 1). Die Eigenwerte sind also λ1 = −1 und λ2 = 2. Für die algebraischen Vielfachheiten folgt: µ(A; −1) = 1 und µ(A; 2) = 2. Den Eigenraum zu λ1 = −1 erhält man als Lösungsraum des homogenen LGS (A + E3 ) · x = 0, Rang 2 ist, einen Eigenvektor dazu berechnet man dessen 0 z. B. als v1 = 1 und erhält: 2 Eig (A; −1) = R · v1 . Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 27. Juni 2016 27 / 28 Eigenwerte Fortsetzung Beispiel 28 Den Eigenraum zu λ2 = 2 erhält man als Lösungsraum des homogenen LGS (A − 2E3 ) · x = 0, dessen Rang 1 ist. Linear unabhängige Eigenvektoren dazu sind −1 1 v2 = 0 und v3 = 1 ; Eig (A; 2) = R · v2 + R · v3 . 0 1 Also ist A diagonalisierbar, und wir erhalten: 0 1 −1 −1 −1 1 −1 2 −1 , S · A · S −1 = 0 S −1 = 1 0 1 , S = 2 2 1 0 1 2 −1 0 Stefan Ruzika §12: Eigenwerte 0 0 2 0 . 0 2 27. Juni 2016 28 / 28