Die Inselzelltransplantation zur Behandlung des Typ-1

Werbung
Medizin
Médecine
Medicina
Fortbildung
Die Inselzelltransplantation zur Behandlung
des Typ-1-Diabetes
Neue Klinische Studie am Genfer Universitätsspital
(das Edmonton-Protokoll)
J. Oberholzer a, C. Toso a, P.-Y. Benhamou b, C. Becker c, P.-Y. Martin d,
J. Philippe e, Ph. Morel a
a
b
c
d
e
Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie,
Universitätsspital Genf
Division de Diabétologie, CHU Grenoble
Abteilung Radiologie,
Abteilung Nephrologie,
Abteilung Endokrinologie und Diabetologie,
Universitätsspital Genf
Einleitung
Die Insulintherapie ermöglicht das Überleben von
Typ-1-Diabetikern, kann jedoch das Auftreten von
Spätkomplikationen oft nicht verhindern. Die chronischen, diabetischen Komplikationen schränken die
Lebensqualität vieler diabetischer Patienten ein und
stellen eine starke Belastung des Gesundheitswesens
dar. Die beste Prophylaxe diabetischer Spätkomplikationen stellt die strikte Blutzuckerkontrolle dar.
Die damit verbundene intensivierte Insulintherapie
kann zwar bei geeigneten Patienten [1] zu einer
Reduktion der diabetischen Komplikationen führen,
ist jedoch mit einer Erhöhung hypoglykämischer Episoden verbunden [2].
Die Inselzelltransplantation ist zurzeit das am
meisten Erfolg versprechende therapeutische Verfahren zur Behandlung des Typ-1-Diabetes. Die Möglichkeit, erfolgreich eine Inselzelltransplantation durchzuführen, würde Typ-1-Diabetikern nicht nur die
mühsamen Blutzuckerkontrollen und Insulininjektionen ersparen, sondern vor allem ein Schutz gegen die
drohenden diabetischen Spätkomplikationen darstellen [3].
Das Universitätsspital Genf führt seit 1992 autologe und allogene Inselzelltransplantationen durch
[4]. Das Interesse an den allogenen Inselzelltrans-
Korrespondenz:
Dr. med. José Oberholzer
Clinique de Chirurgie Digestive et de Transplantation
Hôpital Universitaire
Rue Micheli-du-Crest 24
CH-1211 Genf 14
E-mail: [email protected]
plantationen hat in den letzten 2 Jahren zugenommen (Abb. 1). GRAGIL (Groupe Rhin-Rhone-Alpes
et Genève pour la transplantation d’îlots de Langerhans) ist eine seit 1999 bestehende Kollaboration zwischen den Universitätskliniken von Lyon, Grenoble,
Besançon und Strassburg, in welcher Genf die Inselzelltransplantate präpariert. Mit GRAGIL gehört Genf
zu den wichtigsten Zentren der Inselzelltransplantation weltweit.
Die Inselzelltransplantation wurde bisher nur bei
Patienten mit fortgeschrittenen diabetischen Komplikationen simultan oder nach erfolgter Nierentransplantation durchgeführt. Die im Internationalen
Inselzellregister aufgeführten Resultate waren bisher
aber ernüchternd: bei weniger als 20 % der Patienten
konnte eine Insulinunabhängigkeit erreicht werden
[5]. Die Erfahrung aus Genf zeigt, dass mit verbesserter Technik der Inselzellisolation eine primäre
Transplantatfunktion von 55 % [5] auf 100 % erhöht
werden kann [4] (Abb. 2). Leider erlaubte die bisher
angewandte, Steroide beinhaltende Immunsuppression nicht immer, Abstossungen und Rückfälle des
Autoimmundiabetes zu verhindern. Zudem führte die
Kombination von Steroiden und Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin oder Tacrolimus) zu einer ausgesprochenen Insulinresistenz und direkten Betazelltoxizität. Auch wenn unter dieser konventionellen
Immunsuppression nur bei wenigen Patienten eine
komplette Insulinunabhängigkeit erreicht werden
konnte, erlaubte die endogene Insulinproduktion
durch die transplantierten Inseln eine Stabilisierung
der Glukoseregulation mit Verminderung der hypoglykämischen Ereignisse [6] und gleichzeitiger Normalisierung des HbA1c [4].
Die kürzlich von der Gruppe aus Edmonton publizierten Resultate [7] zeigen, dass unter einer steroidfreien Immunsuppression und angemessener Anzahl
transplantierter Inseln die Insulinunabhängigkeit
nach isolierter Inselzelltransplantation bei nichturämischen Typ-1-Diabetikern zur Regel wird. Das
sogenannte Edmonton-Protokoll stellt einen wesentlichen Durchbruch in der Inselzelltransplantation dar.
Die US-Regierung hat daher beschlossen, eine internationale Studie an weltweit anerkannten Zentren
zu finanzieren. Das sogenannte «Immune-ToleranceNetwork» (ITN, http://www.immunetolerance.org)
leitet diese Studie und wird über das US-NIH und die
«Juvenile Diabetes Foundation» (http://www.jdfi.org)
finanziert.
Das Immuntoleranznetzwerk nimmt derzeit
Zuweisungen zur Studienteilnahme der klinischen
Multizenterstudie Inseltransplantation nach dem
Edmonton-Protokoll an. Die Multizenterstudie wird
an 10 klinischen Zentren weltweit durchgeführt und
Anfang 2001 beginnen. Das Universitätsspital Genf
gehört mit Mailand und Giessen zu den 3 europäischen Zentren, die dem Immuntoleranznetzwerk
angehören.
In diesem Artikel möchten wir die Behandlung des
Typ-1-Diabetes durch Transplantation allogener
Pankreasinselzellen darstellen und anschliessend das
neue Edmonton-Studienprotokoll vorstellen.
Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2001;82: Nr 8
Editores Medicorum Helveticorum
395
Medizin
Médecine
Medicina
Fortbildung
Abbildung 1
Anzahl allogener Inselzelltransplantationen am Universitätsspital Genf von 1994
bis Juni 2000.
Anzahl allogener Inselzelltransplantationen
8
7
6
5
4
3
2
1
0
1994
1995
1996
1997
1998
1999
1.2000 –
6.2000
Abbildung 2
Resultate der Inselzelltransplantation am Universitätsspital Genf im Vergleich zum Internationalen Inselzell-Transplantations-Register (ITR) [5]. Ein basales C-Peptid über 0,3 nmol/l
(= 0,9 ng/ml) zeigt eine endogene Insulinproduktion und somit das Inselzelltransplantatüberleben an.
100 %
% transplantierter Patienten
90 %
C-Peptid > 0,3 nmol/l
2 Monate nach
Transplantation
80 %
70 %
InsulinUnabhängigkeit
60 %
50 %
40 %
30 %
20 %
10 %
0%
ITR 1990 –1998
(n = 269)
Genf 1994 –2000
(n = 26)
Betazellen irrtümlicherweise vom eigenen Immunsystem des Patienten angegriffen und zerstört. Dadurch
wird eine ausreichende eigene Insulinproduktion unmöglich gemacht. Eine Transplantation von Inseln,
die aus der Bauchspeicheldrüse eines verstorbenen
Organspenders gewonnen werden, bietet die Möglichkeit, die untergegangenen Zellen zu ersetzen, und
so die benötigte Insulinmenge durch das funktionierende Inseltransplantat herstellen zu lassen. Bei diesem Verfahren werden die Inseln vom umgebenden
Bauchspeicheldrüsengewebe des Spenders durch ein
maschinell unterstütztes Verfahren abgetrennt. Das
Prinzip besteht in der Injektion einer Kollagenase in
den Ductus pancreaticus, im Herauslösen der Inseln
durch den enzymatischen Bindegewebeabbau und
mechanischer Agitation in einer temperaturkontrollierten Verdauungskammer. Dieses Prinzip wurde
erstmals von Ricordi publiziert [8], die Verdauungskammer wurde von der Genfer Gruppe weiterentwickelt und beinhaltet nun ein elektronisches Temperaturkontrollsystem (Abb. 4).
Die Schwierigkeit des Verfahrens liegt unter anderem darin, das Organ soweit zu verdauen, dass ein
Herauslösen der Inseln möglich wird, ohne jedoch die
Inselarchitektur zu zerstören. Leider bedarf es jahrelanger Erfahrung, um qualitativ gute und nach Transplantation funktionelle Präparationen zu isolieren.
Dieser Umstand hat die Entwicklung der Inselzelltransplantation stark eingeschränkt und erklärt,
weshalb es weltweit bisher nur 10 Zentren gibt, die
reproduzierbare Resultate aufweisen können.
Üblicherweise werden diese aufbereiteten Inseln
vor der Transplantation für einen gewissen Zeitraum
in der Gewebekultur gehalten; im Gegensatz dazu
werden nach dem Edmonton-Protokoll frisch isolierte
Inseln verwendet. Darüber hinaus werden in diesem
Verfahren Inselpräparationen von zwei oder mehr
Bauchspeicheldrüsenspendern transplantiert, um die
Anzahl der übertragenen insulinproduzierenden Zellen zu erhöhen. Nach der Inselisolation kann die
Übertragung am selben Tag durchgeführt werden.
Häufig ist nur ein kurzer stationärer Aufenthalt
notwendig. Die Inseln werden unter einer röntgenkontrollierten Katheteranlage in das Portalvenensystem der Leber des Empfängers eingebracht (Abb. 5).
Nach der Injektion werden die Inseln entlang der
natürlichen Flussrichtung in die Portalvene eingeschwemmt und setzen sich in den Kapillaren fest
(Abb. 6). Dort wachsen die Inseln ein, produzieren Insulin, und können somit nun in der Leber praktisch
die gleiche Funktion wie ursprünglich in der Bauchspeicheldrüse erfüllen (Abb. 7).
Die Inselzelltransplantation (Abb. 3)
Ziele der Multizenterstudie
Langerhans’sche Inseln der Bauchspeicheldrüse bestehen überwiegend aus Betazellen. Diese produzieren das natürliche Hormon Insulin, das vom Körper
zur Regulierung der Zuckerverwendung eingesetzt
wird. Beim Typ-1-Diabetes mellitus (dem sogenannten «jugendlichen» Diabetes mellitus) werden diese
Die klinische ITN-Multizenterstudie wurde mit mehreren Zielansätzen entwickelt. Das erste Ziel ist die
Verifizierung, dass das Verfahren, das vom Transplantationszentrum der Universitätsklinik in Edmonton (Kanada) [7] entwickelt wurde, auch an anderen
klinischen Zentren erfolgreich reproduzierbar ist. Mit
Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2001;82: Nr 8
Editores Medicorum Helveticorum
396
Medizin
Médecine
Medicina
Fortbildung
Abbildung 3
Das Prinzip der Inselzelltransplantation: Nach Injektion einer Kollagenasenlösung in den
Pankreashauptgang wird das Pankreas in einer Temperatur-kontrollierten Kammer verdaut
(Digestion). Die Gewebesuspension wird anschliessend durch einen Dichtegradienten gereinigt. Die endokrine Insel, die eine geringere Dichte als das exokrine Gewebe besitzt,
steigt im Gradienten hoch (Purifikation). Die so gereinigten Inseln werden gewonnen und
unter radiologischer Kontrolle in die Pfortader gespritzt (Transplantation). Die Inseln pflanzen sich in den kleinen Portalvenen ein (Implantation).
plantation eingenommen werden, solange die transplantierten Inseln funktionieren. Diese Medikamente
vermindern die Aktivität des Immunabwehrsystems
beim Empfänger. Dadurch kann eine Reihe von möglichen Risiken und Nebenwirkungen entstehen, von
denen viele noch nicht eindeutig belegt sind. Unter
anderem kann es zu einer grösseren Anfälligkeit
gegenüber verschiedenen Infektionen und Krebserkrankungen führen.
Welche Patienten können in die Studie
eingeschlossen werden?
etwas grösseren Patientenzahlen wird die Effektivität
des Transplantationsverfahrens genauer zu bewerten
sein. Langfristig bleibt das Hauptziel des Immuntoleranznetzwerkes, die bislang notwendige immunsuppressive Therapie durch neue Behandlungsverfahren
zu ersetzen, die eine Zerstörung der transplantierten
Inseln verhindern und gleichzeitig weniger Nebenwirkungen und Risiken aufweisen.
Risiken des Verfahrens
Die Inseltransplantation unter Verwendung des Edmonton-Protokolls ist eine klinisch-experimentelle
Behandlungsmethode bei Diabetes mellitus. Obwohl
sie nach dem jetzigen Kenntnisstand eine sehr effektive Methode zur Erreichung einer Unabhängigkeit
von Insulininjektionen darstellt [7], sind die Langzeitwirkung und die möglichen Nebenwirkungen der
Behandlungsmethode noch nicht umfassend bekannt.
Die potentiellen Risiken der Inselzellinjektion sind
Blutungen an der Punktionsstelle sowie die Thrombose einer Portalvene. Bei den über 40 durch die Genfer Gruppe transplantierten Patienten sind bisher ein
Hämatoperitoneum und 2 subkapsuläre Hämatome
beobachtet worden. Im weiteren trat bei einem Patienten eine partielle Thrombose der rechten Portalvene auf, welche nach 6wöchiger Antikoagulation
nicht mehr nachweisbar war.
Nach der Inseltransplantation besteht die Notwendigkeit einer Immunsuppression, um eine Abstossungsreaktion oder einen Rückfall der diabetischen
Grunderkrankung zu verhindern. Diese Medikamente
müssen kontinuierlich jeden Tag nach der Trans-
Wegen der oben erwähnten Risiken wird die ITNMultizenterstudie nur Patienten berücksichtigen, bei
denen unter Vorliegen eines Typ-1-Diabetes mellitus
der grösste medizinische Bedarf für das Behandlungsverfahren besteht. Typ-2-Diabetiker können
nach dem aktuellen Stand nicht an der Studie teilnehmen. Gleichermassen bleiben Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bis zum Vorliegen genauerer
Erkenntnisse von möglichen Vorteilen und Risiken
der Therapie von einer Studienteilnahme ausgeschlossen.
Ausschliesslich Patienten mit Typ-1-Diabetes
mellitus im Alter zwischen 18 und 65 Jahren, mit
einer Diabetesdauer von mindestens fünf Jahren,
können an der klinischen Studie teilnehmen. Darüber
hinaus muss trotz gewissenhafter und ausgewogener
Ernährung und Anpassung der Lebensumstände in
Verbindung mit einem optimalen Insulinbehandlungsplan mindestens eines der folgenden Einschlusskriterien erfüllt sein:
– Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung – der Patient bemerkt eine beginnende Unterzuckerung
(Blutzucker < 54 mg/dl bzw. 3,0 mmol/l) nicht.
– Mindestens eine schwere Hypoglykämie innerhalb der vergangenen 20 Monate, die nicht erklärbar war und bei der Fremdhilfe erforderlich
wurde.
Abbildung 4
Die Genfer Verdauungskammer mit einem elektronischen Temperaturkontrollsystem. Das Pankreas wird bei 37 °C und unter leichter mechanischer Agitation verdaut. Über das Zirkulationssystem
wird die Gewebesuspension gefiltert und für die weitere Zentrifugation gewonnen (vgl. Abb. 3).
Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2001;82: Nr 8
Editores Medicorum Helveticorum
397
Medizin
Médecine
Medicina
Fortbildung
Abbildung 5
Minimal-invasive Transplantationschirurgie: Unter Ultraschallund Durchleuchtungskontrolle wird ein Katheter transhepatisch in
die Vena portae gelegt und die Inseln eingespritzt. Die Operation
erfolgt unter Lokalanästhesie. Der Pfortaderdruck wird engmaschig
überwacht.
– Metabolische Schwankungen (der Patient hat
häufige Abweichungen der Blutzuckerwerte von
der Norm trotz strikter Blutzuckerkontrollen und
einer angemessenen Compliance).
– Schnell fortschreitende diabetesassoziierte Spätschäden trotz optimaler Insulintherapie:
– Retinopathie: ein Fortschreiten um 3 Stufen
gemäss ETDRS (early treatment diabetic retinopathy study) Grading System [9];
– Nephropathie: ein Anstieg der Mikroalbuminurie um 50 µg/min (72 mg/24 h) oder mehr
in einem Zeitraum von 3 Monaten (zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten 2 Jahren) trotz
der Anwendung eines ACE-Hemmers;
– Neuropathie: persistierende oder fortschreitende autonome oder periphere Neuropathie,
die nicht auf eine medikamentöse Therapie anspricht (Trizyklika, Gapentin, Carbamazepin).
Abbildung 6
Endokrine Pankreasinsel in einer menschlichen Leber, 1 Jahr nach Transplantation. Färbung Hämatoxylin-Eosin und Peroxidasereaktion mit einem Maus-anti-humanen-InsulinAntikörper, Vergrösserung 400fach.
Es gelten folgende Ausschlusskriterien:
– Schwere koronare Herzkrankheit (Herzinfarkt
innerhalb der vergangenen zwölf Monate, angiographischer Nachweis von nicht behebbaren, signifikanten Herzkranzgefässverengungen, Ischämiereaktion in kardialen Funktionstests);
– aktiver Missbrauch von Alkohol oder anderen
Substanzen, einschliesslich Zigarettenrauchen
(Abstinenz für mindestens 6 Monate erforderlich);
– schwerwiegende psychiatrische Grunderkrankung (gemäss Bewertung eines Psychiaters);
– aktive Infektionskrankheit, einschliesslich Hepatitis B und/oder C, HIV oder positiver Hauttest für
Tuberkulose;
– maligne Tumorerkrankung in der Vorgeschichte
(ausser Basaliom);
– Übergewicht (Body Mass Index, entspricht kg/m2
[Körpergewicht/Körpergrösse in Metern zum
Quadrat] >26);
– unbehandelte proliferative Retinopathie;
– positiver Schwangerschaftstest, aktuelle Stillperiode, Anstreben einer Schwangerschaft oder
Nichteinhalten von effektiven Schwangerschaftsverhütungsmassnahmen;
– HbA1c >12 %;
– Insulinbedarf > 0,7 U/kg Körpergewicht/24 h;
– unbehandelte Hyperlipoproteinämie;
– Kreatinin-Clearance unter 60 ml/min./1,73 m2;
– Makroalbuminurie (> 300 mg/24 h).
Das Studienprotokoll
Im Edmonton-Protokoll wird die Immunsuppression
durch Verwendung von drei verschiedenen Medikamenten durchgeführt: Sirolimus (Rapammune,
Wyeth), niedrig dosiertes Tacrolimus (Prograf, Fujisawa) und Daclizumab (Zenapax, Roche), d. h. ohne
Verwendung von Kortikosteroiden.
Nach erfolgreicher Inselzellisolation wird die
Transplantation so frühzeitig wie möglich durchgeführt, das heisst, dass der Patient innert Stunden das
Universitätsspital Genf erreichen muss. Nach erfolgter Transplantation wird die Insulintherapie falls
möglich sofort unterbrochen. Falls die Blutzuckerspiegel ohne Insulintherapie unbefriedigend sind,
wird der Patient auf der Warteliste belassen und weitere Inselzellen eines zweiten Spenders verpflanzt,
um die Insulinunabhängigkeit zu erreichen.
Für die Studie werden die Patienten während des
ersten Jahres regelmässig in Genf kontrolliert werden. Eine enge Zusammenarbeit mit dem zuweisenden Arzt ist unerlässlich.
Zuweisungsformulare können über das Internet
(http://www.chirurgie-geneve.ch) oder direkt in Genf
bezogen werden. Ein Teil der Formulare muss vom
Patienten, ein Teil vom behandelnden Arzt ausgefüllt
werden. Das ITN wird eine Vorselektion der Patienten
durchführen und eingeschlossenen Patienten durch
Losziehung eine Priorität zuweisen. Bei den ausgewählten Patienten werden dann in Genf während
einer Kurzhospitalisation die nötigen Untersuchun-
Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2001;82: Nr 8
Editores Medicorum Helveticorum
398
Medizin
Médecine
Medicina
Fortbildung
Abbildung 7
Metabolische Resultate einer erfolgreichen Inselzelltransplantation bei einer 36jährigen Patientin mit einem Typ-1-Diabetes, 9 Jahre nach
Nierentransplantation. Zwei Monate nach Inselzelltransplantation konnte die Insulintherapie gestoppt werden. Die Patientin ist nun seit
über 4 Jahren insulinunabhängig, hat normale basale und Glukagon-stimulierte C-Peptid-Werte und weist unter normaler Kost ein HbA1C
von 5,2 % auf. Die Immunsuppression basiert bei dieser Patientin auf Ciclosporin, Mycophenolat und Prednison.
C-Peptid (stimuliert)
C-Peptid (basal)
HbA1c %
1,8
10
1,6
1,4
1
6
0,8
% HbA1c
C-Peptid (nmol/l)
8
1,2
4
0,6
0,4
2
0,2
0
0
pre-tx
(16 U)
1
(9 U)
2
(O U)
3
(0 U)
6
(O U)
9
(O U)
12
(O U)
24
(0 U)
36
(0 U)
48
(O U)
Monate
(U Insulin/Tag)
gen durchgeführt. Bei Erfüllung der Einschlusskriterien und fehlenden Kontraindikationen werden
die Patienten anschliessend während eines interdisziplinären Kolloquiums auf die Warteliste gesetzt. Der
zuweisende und behandelnde Arzt kann an diesem
Kolloquium teilnehmen.
Schlussfolgerungen
Die Inselzelltransplantation hat durch das EdmontonProtokoll eine neue Perspektive bekommen. Erstmals
in der Geschichte der Medizin steht potentiell eine
minimal-invasive Methode zur Heilung des Diabetes
zur Verfügung. Diese in ihrer Art einmalige Multizenterstudie wird zeigen, ob die Inselzelltransplanta-
tion sich durchsetzen wird und bald als Zusatztherapie des schwer einstellbaren Typ-1-Diabetes existiert.
Das Genfer Universitätsspital nimmt Zuweisungen
aus der ganzen Schweiz und dem benachbarten
Frankreich gleichberechtigt an. Informations- und
Lehrmaterial für die Patienten können auf Deutsch,
Französisch und Italienisch in Genf angefordert
oder direkt über das Internet bezogen werden
(http://www.chirurgie-geneve.ch).
Anmerkung
Wir danken Dr. M. Brendel von der Universitätsklinik Giessen, Deutschland, für die deutsche Übersetzung des Edmonton-Protokolls.
Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2001;82: Nr 8
Editores Medicorum Helveticorum
399
Medizin
Médecine
Medicina
Fortbildung
Literatur
1 Gautier JF, Beressi JP, Leblanc H, Vexiau P, Passa P. Are the
implications of the Diabetes Control and Complications Trial
(DCCT) feasible in daily clinical practice? Diabetes Metab
1996;22 (6):415-9.
2 The Diabetes Control and Complications Trial Research
Group. The effect of intensive treatment of diabetes on the
development and progression of long-term complications in
insulin-dependent diabetes mellitus. N Engl J Med 1993;
329 (14):977-86.
3 Weir GC, Bonner-Weir S. Scientific and political impediments
to successful islet transplantation. Diabetes 1997;46(8):
1247-56.
4 Oberholzer J, Triponez F, Mage R, et al. Human islet transplantation: lessons from 13 autologous and 13 allogeneic
transplantations. Transplantation 2000;69(6):1115-23.
5 Brendel MD, Hering B, Schultz AO, Bretzel RG. International
islet transplant registry. Newsletter 8. Giessen: Justus-LiebigUniversität; 1999.
6 Meyer C, Hering BJ, Grossmann R, et al. Improved glucose
counterregulation and autonomic symptoms after intraportal
islet transplants alone in patients with long-standing type I
diabetes mellitus. Transplantation 1998;66(2):233-40.
7 Shapiro AM, Lakey JR, Ryan EA, et al. Islet transplantation
in seven patients with type 1 diabetes mellitus using a
glucocorticoid-free immunosuppressive regimen. N Engl J
Med 2000;343(4):230-8.
8 Ricordi C, Lacy PE, Finke EH, Olack BJ, Scharp DW.
Automated method for isolation of human pancreatic islets.
Diabetes 1988;37(4):413-20.
9 Early Treatment Diabetic Retinopathy Study Research Group.
Grading diabetic retinopathy from stereoscopic color fundus
photographs – an extension of the modified Airlie House
classification. ETDRS report number 10. Ophthalmology
1991;98(5 Suppl):786-806.
Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2001;82: Nr 8
Editores Medicorum Helveticorum
400
Herunterladen