Medizin Médecine Medicina Fortbildung Die Inselzelltransplantation zur Behandlung des Typ-1-Diabetes Neue Klinische Studie am Genfer Universitätsspital (das Edmonton-Protokoll) J. Oberholzer a, C. Toso a, P.-Y. Benhamou b, C. Becker c, P.-Y. Martin d, J. Philippe e, Ph. Morel a a b c d e Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsspital Genf Division de Diabétologie, CHU Grenoble Abteilung Radiologie, Abteilung Nephrologie, Abteilung Endokrinologie und Diabetologie, Universitätsspital Genf Einleitung Die Insulintherapie ermöglicht das Überleben von Typ-1-Diabetikern, kann jedoch das Auftreten von Spätkomplikationen oft nicht verhindern. Die chronischen, diabetischen Komplikationen schränken die Lebensqualität vieler diabetischer Patienten ein und stellen eine starke Belastung des Gesundheitswesens dar. Die beste Prophylaxe diabetischer Spätkomplikationen stellt die strikte Blutzuckerkontrolle dar. Die damit verbundene intensivierte Insulintherapie kann zwar bei geeigneten Patienten [1] zu einer Reduktion der diabetischen Komplikationen führen, ist jedoch mit einer Erhöhung hypoglykämischer Episoden verbunden [2]. Die Inselzelltransplantation ist zurzeit das am meisten Erfolg versprechende therapeutische Verfahren zur Behandlung des Typ-1-Diabetes. Die Möglichkeit, erfolgreich eine Inselzelltransplantation durchzuführen, würde Typ-1-Diabetikern nicht nur die mühsamen Blutzuckerkontrollen und Insulininjektionen ersparen, sondern vor allem ein Schutz gegen die drohenden diabetischen Spätkomplikationen darstellen [3]. Das Universitätsspital Genf führt seit 1992 autologe und allogene Inselzelltransplantationen durch [4]. Das Interesse an den allogenen Inselzelltrans- Korrespondenz: Dr. med. José Oberholzer Clinique de Chirurgie Digestive et de Transplantation Hôpital Universitaire Rue Micheli-du-Crest 24 CH-1211 Genf 14 E-mail: [email protected] plantationen hat in den letzten 2 Jahren zugenommen (Abb. 1). GRAGIL (Groupe Rhin-Rhone-Alpes et Genève pour la transplantation d’îlots de Langerhans) ist eine seit 1999 bestehende Kollaboration zwischen den Universitätskliniken von Lyon, Grenoble, Besançon und Strassburg, in welcher Genf die Inselzelltransplantate präpariert. Mit GRAGIL gehört Genf zu den wichtigsten Zentren der Inselzelltransplantation weltweit. Die Inselzelltransplantation wurde bisher nur bei Patienten mit fortgeschrittenen diabetischen Komplikationen simultan oder nach erfolgter Nierentransplantation durchgeführt. Die im Internationalen Inselzellregister aufgeführten Resultate waren bisher aber ernüchternd: bei weniger als 20 % der Patienten konnte eine Insulinunabhängigkeit erreicht werden [5]. Die Erfahrung aus Genf zeigt, dass mit verbesserter Technik der Inselzellisolation eine primäre Transplantatfunktion von 55 % [5] auf 100 % erhöht werden kann [4] (Abb. 2). Leider erlaubte die bisher angewandte, Steroide beinhaltende Immunsuppression nicht immer, Abstossungen und Rückfälle des Autoimmundiabetes zu verhindern. Zudem führte die Kombination von Steroiden und Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin oder Tacrolimus) zu einer ausgesprochenen Insulinresistenz und direkten Betazelltoxizität. Auch wenn unter dieser konventionellen Immunsuppression nur bei wenigen Patienten eine komplette Insulinunabhängigkeit erreicht werden konnte, erlaubte die endogene Insulinproduktion durch die transplantierten Inseln eine Stabilisierung der Glukoseregulation mit Verminderung der hypoglykämischen Ereignisse [6] und gleichzeitiger Normalisierung des HbA1c [4]. Die kürzlich von der Gruppe aus Edmonton publizierten Resultate [7] zeigen, dass unter einer steroidfreien Immunsuppression und angemessener Anzahl transplantierter Inseln die Insulinunabhängigkeit nach isolierter Inselzelltransplantation bei nichturämischen Typ-1-Diabetikern zur Regel wird. Das sogenannte Edmonton-Protokoll stellt einen wesentlichen Durchbruch in der Inselzelltransplantation dar. Die US-Regierung hat daher beschlossen, eine internationale Studie an weltweit anerkannten Zentren zu finanzieren. Das sogenannte «Immune-ToleranceNetwork» (ITN, http://www.immunetolerance.org) leitet diese Studie und wird über das US-NIH und die «Juvenile Diabetes Foundation» (http://www.jdfi.org) finanziert. Das Immuntoleranznetzwerk nimmt derzeit Zuweisungen zur Studienteilnahme der klinischen Multizenterstudie Inseltransplantation nach dem Edmonton-Protokoll an. Die Multizenterstudie wird an 10 klinischen Zentren weltweit durchgeführt und Anfang 2001 beginnen. Das Universitätsspital Genf gehört mit Mailand und Giessen zu den 3 europäischen Zentren, die dem Immuntoleranznetzwerk angehören. In diesem Artikel möchten wir die Behandlung des Typ-1-Diabetes durch Transplantation allogener Pankreasinselzellen darstellen und anschliessend das neue Edmonton-Studienprotokoll vorstellen. Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2001;82: Nr 8 Editores Medicorum Helveticorum 395 Medizin Médecine Medicina Fortbildung Abbildung 1 Anzahl allogener Inselzelltransplantationen am Universitätsspital Genf von 1994 bis Juni 2000. Anzahl allogener Inselzelltransplantationen 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 1.2000 – 6.2000 Abbildung 2 Resultate der Inselzelltransplantation am Universitätsspital Genf im Vergleich zum Internationalen Inselzell-Transplantations-Register (ITR) [5]. Ein basales C-Peptid über 0,3 nmol/l (= 0,9 ng/ml) zeigt eine endogene Insulinproduktion und somit das Inselzelltransplantatüberleben an. 100 % % transplantierter Patienten 90 % C-Peptid > 0,3 nmol/l 2 Monate nach Transplantation 80 % 70 % InsulinUnabhängigkeit 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0% ITR 1990 –1998 (n = 269) Genf 1994 –2000 (n = 26) Betazellen irrtümlicherweise vom eigenen Immunsystem des Patienten angegriffen und zerstört. Dadurch wird eine ausreichende eigene Insulinproduktion unmöglich gemacht. Eine Transplantation von Inseln, die aus der Bauchspeicheldrüse eines verstorbenen Organspenders gewonnen werden, bietet die Möglichkeit, die untergegangenen Zellen zu ersetzen, und so die benötigte Insulinmenge durch das funktionierende Inseltransplantat herstellen zu lassen. Bei diesem Verfahren werden die Inseln vom umgebenden Bauchspeicheldrüsengewebe des Spenders durch ein maschinell unterstütztes Verfahren abgetrennt. Das Prinzip besteht in der Injektion einer Kollagenase in den Ductus pancreaticus, im Herauslösen der Inseln durch den enzymatischen Bindegewebeabbau und mechanischer Agitation in einer temperaturkontrollierten Verdauungskammer. Dieses Prinzip wurde erstmals von Ricordi publiziert [8], die Verdauungskammer wurde von der Genfer Gruppe weiterentwickelt und beinhaltet nun ein elektronisches Temperaturkontrollsystem (Abb. 4). Die Schwierigkeit des Verfahrens liegt unter anderem darin, das Organ soweit zu verdauen, dass ein Herauslösen der Inseln möglich wird, ohne jedoch die Inselarchitektur zu zerstören. Leider bedarf es jahrelanger Erfahrung, um qualitativ gute und nach Transplantation funktionelle Präparationen zu isolieren. Dieser Umstand hat die Entwicklung der Inselzelltransplantation stark eingeschränkt und erklärt, weshalb es weltweit bisher nur 10 Zentren gibt, die reproduzierbare Resultate aufweisen können. Üblicherweise werden diese aufbereiteten Inseln vor der Transplantation für einen gewissen Zeitraum in der Gewebekultur gehalten; im Gegensatz dazu werden nach dem Edmonton-Protokoll frisch isolierte Inseln verwendet. Darüber hinaus werden in diesem Verfahren Inselpräparationen von zwei oder mehr Bauchspeicheldrüsenspendern transplantiert, um die Anzahl der übertragenen insulinproduzierenden Zellen zu erhöhen. Nach der Inselisolation kann die Übertragung am selben Tag durchgeführt werden. Häufig ist nur ein kurzer stationärer Aufenthalt notwendig. Die Inseln werden unter einer röntgenkontrollierten Katheteranlage in das Portalvenensystem der Leber des Empfängers eingebracht (Abb. 5). Nach der Injektion werden die Inseln entlang der natürlichen Flussrichtung in die Portalvene eingeschwemmt und setzen sich in den Kapillaren fest (Abb. 6). Dort wachsen die Inseln ein, produzieren Insulin, und können somit nun in der Leber praktisch die gleiche Funktion wie ursprünglich in der Bauchspeicheldrüse erfüllen (Abb. 7). Die Inselzelltransplantation (Abb. 3) Ziele der Multizenterstudie Langerhans’sche Inseln der Bauchspeicheldrüse bestehen überwiegend aus Betazellen. Diese produzieren das natürliche Hormon Insulin, das vom Körper zur Regulierung der Zuckerverwendung eingesetzt wird. Beim Typ-1-Diabetes mellitus (dem sogenannten «jugendlichen» Diabetes mellitus) werden diese Die klinische ITN-Multizenterstudie wurde mit mehreren Zielansätzen entwickelt. Das erste Ziel ist die Verifizierung, dass das Verfahren, das vom Transplantationszentrum der Universitätsklinik in Edmonton (Kanada) [7] entwickelt wurde, auch an anderen klinischen Zentren erfolgreich reproduzierbar ist. Mit Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2001;82: Nr 8 Editores Medicorum Helveticorum 396 Medizin Médecine Medicina Fortbildung Abbildung 3 Das Prinzip der Inselzelltransplantation: Nach Injektion einer Kollagenasenlösung in den Pankreashauptgang wird das Pankreas in einer Temperatur-kontrollierten Kammer verdaut (Digestion). Die Gewebesuspension wird anschliessend durch einen Dichtegradienten gereinigt. Die endokrine Insel, die eine geringere Dichte als das exokrine Gewebe besitzt, steigt im Gradienten hoch (Purifikation). Die so gereinigten Inseln werden gewonnen und unter radiologischer Kontrolle in die Pfortader gespritzt (Transplantation). Die Inseln pflanzen sich in den kleinen Portalvenen ein (Implantation). plantation eingenommen werden, solange die transplantierten Inseln funktionieren. Diese Medikamente vermindern die Aktivität des Immunabwehrsystems beim Empfänger. Dadurch kann eine Reihe von möglichen Risiken und Nebenwirkungen entstehen, von denen viele noch nicht eindeutig belegt sind. Unter anderem kann es zu einer grösseren Anfälligkeit gegenüber verschiedenen Infektionen und Krebserkrankungen führen. Welche Patienten können in die Studie eingeschlossen werden? etwas grösseren Patientenzahlen wird die Effektivität des Transplantationsverfahrens genauer zu bewerten sein. Langfristig bleibt das Hauptziel des Immuntoleranznetzwerkes, die bislang notwendige immunsuppressive Therapie durch neue Behandlungsverfahren zu ersetzen, die eine Zerstörung der transplantierten Inseln verhindern und gleichzeitig weniger Nebenwirkungen und Risiken aufweisen. Risiken des Verfahrens Die Inseltransplantation unter Verwendung des Edmonton-Protokolls ist eine klinisch-experimentelle Behandlungsmethode bei Diabetes mellitus. Obwohl sie nach dem jetzigen Kenntnisstand eine sehr effektive Methode zur Erreichung einer Unabhängigkeit von Insulininjektionen darstellt [7], sind die Langzeitwirkung und die möglichen Nebenwirkungen der Behandlungsmethode noch nicht umfassend bekannt. Die potentiellen Risiken der Inselzellinjektion sind Blutungen an der Punktionsstelle sowie die Thrombose einer Portalvene. Bei den über 40 durch die Genfer Gruppe transplantierten Patienten sind bisher ein Hämatoperitoneum und 2 subkapsuläre Hämatome beobachtet worden. Im weiteren trat bei einem Patienten eine partielle Thrombose der rechten Portalvene auf, welche nach 6wöchiger Antikoagulation nicht mehr nachweisbar war. Nach der Inseltransplantation besteht die Notwendigkeit einer Immunsuppression, um eine Abstossungsreaktion oder einen Rückfall der diabetischen Grunderkrankung zu verhindern. Diese Medikamente müssen kontinuierlich jeden Tag nach der Trans- Wegen der oben erwähnten Risiken wird die ITNMultizenterstudie nur Patienten berücksichtigen, bei denen unter Vorliegen eines Typ-1-Diabetes mellitus der grösste medizinische Bedarf für das Behandlungsverfahren besteht. Typ-2-Diabetiker können nach dem aktuellen Stand nicht an der Studie teilnehmen. Gleichermassen bleiben Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bis zum Vorliegen genauerer Erkenntnisse von möglichen Vorteilen und Risiken der Therapie von einer Studienteilnahme ausgeschlossen. Ausschliesslich Patienten mit Typ-1-Diabetes mellitus im Alter zwischen 18 und 65 Jahren, mit einer Diabetesdauer von mindestens fünf Jahren, können an der klinischen Studie teilnehmen. Darüber hinaus muss trotz gewissenhafter und ausgewogener Ernährung und Anpassung der Lebensumstände in Verbindung mit einem optimalen Insulinbehandlungsplan mindestens eines der folgenden Einschlusskriterien erfüllt sein: – Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung – der Patient bemerkt eine beginnende Unterzuckerung (Blutzucker < 54 mg/dl bzw. 3,0 mmol/l) nicht. – Mindestens eine schwere Hypoglykämie innerhalb der vergangenen 20 Monate, die nicht erklärbar war und bei der Fremdhilfe erforderlich wurde. Abbildung 4 Die Genfer Verdauungskammer mit einem elektronischen Temperaturkontrollsystem. Das Pankreas wird bei 37 °C und unter leichter mechanischer Agitation verdaut. Über das Zirkulationssystem wird die Gewebesuspension gefiltert und für die weitere Zentrifugation gewonnen (vgl. Abb. 3). Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2001;82: Nr 8 Editores Medicorum Helveticorum 397 Medizin Médecine Medicina Fortbildung Abbildung 5 Minimal-invasive Transplantationschirurgie: Unter Ultraschallund Durchleuchtungskontrolle wird ein Katheter transhepatisch in die Vena portae gelegt und die Inseln eingespritzt. Die Operation erfolgt unter Lokalanästhesie. Der Pfortaderdruck wird engmaschig überwacht. – Metabolische Schwankungen (der Patient hat häufige Abweichungen der Blutzuckerwerte von der Norm trotz strikter Blutzuckerkontrollen und einer angemessenen Compliance). – Schnell fortschreitende diabetesassoziierte Spätschäden trotz optimaler Insulintherapie: – Retinopathie: ein Fortschreiten um 3 Stufen gemäss ETDRS (early treatment diabetic retinopathy study) Grading System [9]; – Nephropathie: ein Anstieg der Mikroalbuminurie um 50 µg/min (72 mg/24 h) oder mehr in einem Zeitraum von 3 Monaten (zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten 2 Jahren) trotz der Anwendung eines ACE-Hemmers; – Neuropathie: persistierende oder fortschreitende autonome oder periphere Neuropathie, die nicht auf eine medikamentöse Therapie anspricht (Trizyklika, Gapentin, Carbamazepin). Abbildung 6 Endokrine Pankreasinsel in einer menschlichen Leber, 1 Jahr nach Transplantation. Färbung Hämatoxylin-Eosin und Peroxidasereaktion mit einem Maus-anti-humanen-InsulinAntikörper, Vergrösserung 400fach. Es gelten folgende Ausschlusskriterien: – Schwere koronare Herzkrankheit (Herzinfarkt innerhalb der vergangenen zwölf Monate, angiographischer Nachweis von nicht behebbaren, signifikanten Herzkranzgefässverengungen, Ischämiereaktion in kardialen Funktionstests); – aktiver Missbrauch von Alkohol oder anderen Substanzen, einschliesslich Zigarettenrauchen (Abstinenz für mindestens 6 Monate erforderlich); – schwerwiegende psychiatrische Grunderkrankung (gemäss Bewertung eines Psychiaters); – aktive Infektionskrankheit, einschliesslich Hepatitis B und/oder C, HIV oder positiver Hauttest für Tuberkulose; – maligne Tumorerkrankung in der Vorgeschichte (ausser Basaliom); – Übergewicht (Body Mass Index, entspricht kg/m2 [Körpergewicht/Körpergrösse in Metern zum Quadrat] >26); – unbehandelte proliferative Retinopathie; – positiver Schwangerschaftstest, aktuelle Stillperiode, Anstreben einer Schwangerschaft oder Nichteinhalten von effektiven Schwangerschaftsverhütungsmassnahmen; – HbA1c >12 %; – Insulinbedarf > 0,7 U/kg Körpergewicht/24 h; – unbehandelte Hyperlipoproteinämie; – Kreatinin-Clearance unter 60 ml/min./1,73 m2; – Makroalbuminurie (> 300 mg/24 h). Das Studienprotokoll Im Edmonton-Protokoll wird die Immunsuppression durch Verwendung von drei verschiedenen Medikamenten durchgeführt: Sirolimus (Rapammune, Wyeth), niedrig dosiertes Tacrolimus (Prograf, Fujisawa) und Daclizumab (Zenapax, Roche), d. h. ohne Verwendung von Kortikosteroiden. Nach erfolgreicher Inselzellisolation wird die Transplantation so frühzeitig wie möglich durchgeführt, das heisst, dass der Patient innert Stunden das Universitätsspital Genf erreichen muss. Nach erfolgter Transplantation wird die Insulintherapie falls möglich sofort unterbrochen. Falls die Blutzuckerspiegel ohne Insulintherapie unbefriedigend sind, wird der Patient auf der Warteliste belassen und weitere Inselzellen eines zweiten Spenders verpflanzt, um die Insulinunabhängigkeit zu erreichen. Für die Studie werden die Patienten während des ersten Jahres regelmässig in Genf kontrolliert werden. Eine enge Zusammenarbeit mit dem zuweisenden Arzt ist unerlässlich. Zuweisungsformulare können über das Internet (http://www.chirurgie-geneve.ch) oder direkt in Genf bezogen werden. Ein Teil der Formulare muss vom Patienten, ein Teil vom behandelnden Arzt ausgefüllt werden. Das ITN wird eine Vorselektion der Patienten durchführen und eingeschlossenen Patienten durch Losziehung eine Priorität zuweisen. Bei den ausgewählten Patienten werden dann in Genf während einer Kurzhospitalisation die nötigen Untersuchun- Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2001;82: Nr 8 Editores Medicorum Helveticorum 398 Medizin Médecine Medicina Fortbildung Abbildung 7 Metabolische Resultate einer erfolgreichen Inselzelltransplantation bei einer 36jährigen Patientin mit einem Typ-1-Diabetes, 9 Jahre nach Nierentransplantation. Zwei Monate nach Inselzelltransplantation konnte die Insulintherapie gestoppt werden. Die Patientin ist nun seit über 4 Jahren insulinunabhängig, hat normale basale und Glukagon-stimulierte C-Peptid-Werte und weist unter normaler Kost ein HbA1C von 5,2 % auf. Die Immunsuppression basiert bei dieser Patientin auf Ciclosporin, Mycophenolat und Prednison. C-Peptid (stimuliert) C-Peptid (basal) HbA1c % 1,8 10 1,6 1,4 1 6 0,8 % HbA1c C-Peptid (nmol/l) 8 1,2 4 0,6 0,4 2 0,2 0 0 pre-tx (16 U) 1 (9 U) 2 (O U) 3 (0 U) 6 (O U) 9 (O U) 12 (O U) 24 (0 U) 36 (0 U) 48 (O U) Monate (U Insulin/Tag) gen durchgeführt. Bei Erfüllung der Einschlusskriterien und fehlenden Kontraindikationen werden die Patienten anschliessend während eines interdisziplinären Kolloquiums auf die Warteliste gesetzt. Der zuweisende und behandelnde Arzt kann an diesem Kolloquium teilnehmen. Schlussfolgerungen Die Inselzelltransplantation hat durch das EdmontonProtokoll eine neue Perspektive bekommen. Erstmals in der Geschichte der Medizin steht potentiell eine minimal-invasive Methode zur Heilung des Diabetes zur Verfügung. Diese in ihrer Art einmalige Multizenterstudie wird zeigen, ob die Inselzelltransplanta- tion sich durchsetzen wird und bald als Zusatztherapie des schwer einstellbaren Typ-1-Diabetes existiert. Das Genfer Universitätsspital nimmt Zuweisungen aus der ganzen Schweiz und dem benachbarten Frankreich gleichberechtigt an. Informations- und Lehrmaterial für die Patienten können auf Deutsch, Französisch und Italienisch in Genf angefordert oder direkt über das Internet bezogen werden (http://www.chirurgie-geneve.ch). Anmerkung Wir danken Dr. M. Brendel von der Universitätsklinik Giessen, Deutschland, für die deutsche Übersetzung des Edmonton-Protokolls. Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2001;82: Nr 8 Editores Medicorum Helveticorum 399 Medizin Médecine Medicina Fortbildung Literatur 1 Gautier JF, Beressi JP, Leblanc H, Vexiau P, Passa P. Are the implications of the Diabetes Control and Complications Trial (DCCT) feasible in daily clinical practice? Diabetes Metab 1996;22 (6):415-9. 2 The Diabetes Control and Complications Trial Research Group. The effect of intensive treatment of diabetes on the development and progression of long-term complications in insulin-dependent diabetes mellitus. N Engl J Med 1993; 329 (14):977-86. 3 Weir GC, Bonner-Weir S. Scientific and political impediments to successful islet transplantation. Diabetes 1997;46(8): 1247-56. 4 Oberholzer J, Triponez F, Mage R, et al. Human islet transplantation: lessons from 13 autologous and 13 allogeneic transplantations. Transplantation 2000;69(6):1115-23. 5 Brendel MD, Hering B, Schultz AO, Bretzel RG. International islet transplant registry. Newsletter 8. Giessen: Justus-LiebigUniversität; 1999. 6 Meyer C, Hering BJ, Grossmann R, et al. Improved glucose counterregulation and autonomic symptoms after intraportal islet transplants alone in patients with long-standing type I diabetes mellitus. Transplantation 1998;66(2):233-40. 7 Shapiro AM, Lakey JR, Ryan EA, et al. Islet transplantation in seven patients with type 1 diabetes mellitus using a glucocorticoid-free immunosuppressive regimen. N Engl J Med 2000;343(4):230-8. 8 Ricordi C, Lacy PE, Finke EH, Olack BJ, Scharp DW. Automated method for isolation of human pancreatic islets. Diabetes 1988;37(4):413-20. 9 Early Treatment Diabetic Retinopathy Study Research Group. Grading diabetic retinopathy from stereoscopic color fundus photographs – an extension of the modified Airlie House classification. ETDRS report number 10. Ophthalmology 1991;98(5 Suppl):786-806. 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