Der innere Zusammenhang von Krankheiten – ein Kontinuum

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HK 2.12 | THEORIE 1
George Vithoulkas, Stefano Carlino
Der innere Zusammenhang von
Krankheiten – ein Kontinuum
Versuch einer allgemeinen Krankheitstheorie
Im Leben eines Menschen gibt es von der Geburt bis zum Tod einen inneren
Zusammenhang, ein Kontinuum, in der Abfolge von akuten und chronischen
natürlichen Krankheiten. Werden Akuterkrankungen nicht richtig behandelt,
hat der Patient ein geschwächtes Immunsystem, kann die Gesundheit des
Individuums dauerhaft beeinträchtigt werden.
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THEORIE | HK 2.12
Die Akutkrankheiten in der Kindheit (wobei hier
nicht die epidemischen gemeint sind, die sich vorwiegend in den mit der Außenwelt in Verbindung
stehenden Systemen manifestieren, nämlich dem
Respirationstrakt, dem Verdauungstrakt und der
Haut) müssen sorgfältig behandelt und dürfen nicht
durch zu viele Medikamente unterdrückt werden.
Sie bestehen sonst in veränderter Form als eine Art
subakuter Entzündungsprozess weiter, aktivieren
dadurch die genetisch bedingten Schwachpunkte
des Körpers und manifestieren sich so als chronisch degenerative Erkrankungen. Alle chronischen
Krankheiten haben einen entzündlichen Charakter,
und diese „Entzündung“ stellt den wichtigsten Parameter dar, der alle Krankheiten charakterisiert.
Wird der Körper während eines Fiebers wiederholt auf aggressive Weise durch starke oder zu
viele Medikamente belastet, könnte das bereits
geschwächte Immunsystem schließlich so weit beeinträchtigt werden, dass es nicht mehr reagieren
und kein hohes Fieber mehr erzeugen kann, selbst
dann nicht, wenn es virulenten Mikroben ausgesetzt ist [1]. Eines der besten Beispiele dafür ist das
chronische Erschöpfungssyndrom, auch „postvirales Syndrom“ genannt. Bei einer solchen Krankheit
weiß man, dass sich nach einer viralen Infektion
eine chronische Krankheit entwickeln kann [2], die
charakterisiert ist durch eine manchmal anhaltende erschöpfende Müdigkeit mit Muskelschwäche,
leichtem Fieber, empfindlichen Lymphknoten,
Kopfschmerzen und Depression. Ein weiteres Beispiel ist die akute Virus-Hepatitis, die als Leberstörung fortbestehen kann und letztendlich zur
Leberzirrhose werden kann [3], so wie auch das
akute rheumatische Fieber, das in einem chronischen Herzleiden endet [4–12]. Ältere Leute besitzen eine geringere Fähigkeit, nach Kontakt mit einem Krankheitserreger hohes Fieber zu entwickeln
[1,13]. Immer, wenn hohes Fieber bei einem Virusinfekt medikamentös gesenkt wird, kann der allgemeine Gesundheitszustand stark gefährdet werden,
und je nach genetischer Veranlagung eine neue,
eine chronische degenerative Krankheit entstehen.
Welche Beziehung können demnach zwischen akuten Entzündungsprozessen und chronischen, akut
rezidivierenden Krankheiten bestehen? Sind sie
Ausdruck ein und derselben Grundstörung?
Werden akute Erkrankungen durch die tiefgehende
Einwirkung chemischer Mittel behandelt, wird, so
die Hypothese, das allgemeine Gesundheitsniveau
herabgesenkt, da der Organismus seine Abwehr auf
einer peripheren Ebene aufgibt und sich nun auf
einer tieferen Ebene zu verteidigen versucht. Bei einem erneuten Angriff wird sie sich auf einer noch
tieferen Ebene neu ausrichten. Nach einem hierarchischen, anscheinend archetypischen Muster
werden periphere Infektionen auf eine tiefere, zentralere Ebene verlagert. Das Immunsystem, dessen
Sinn die unbedingte Erhaltung des Lebens ist, ist so
aufgebaut, dass es auf verschiedenen Ebenen agiert.
Die erste Verteidigungslinie besteht in der Erzeugung von Fieber. Ist dies nicht möglich, besteht die
zweite Verteidigungslinie aus einem subakuten,
breiter gestreuten Prozess, der mehr schwächt, weil
vitale Organsysteme betroffen sind [14,15].
Die unendliche Komplexität
des Menschen
Der Mensch, mit seiner Intelligenz, seinen Gefühlen, seiner Sprache, seinen kognitiven und kreativen Fähigkeiten, ist so komplex und vielschichtig
wie kein anderes Lebewesen. Mit irgendwelchen
Laboruntersuchungen werden wir nie eine ausreichende Antwort auf die Frage nach dem Gesundheitszustand eines Individuums zu einem gegebenen Zeitpunkt erhalten, sie können uns allenfalls
eine sehr grobe Vorstellung von dem geben, was
zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der biochemischen Ebene abläuft, nicht aber den ganzheitlichen
Gesundheitszustand messen. Es gibt aber einige Parameter, die dem Arzt helfen können, eine bessere
Vorstellung vom ganzheitlichen Gesundheitszustand des Patienten zu gewinnen.
Umwelteinflüsse als Auslöser von
Krankheiten
Wir leben in einer Umwelt, in der diverse Krankheitserreger vorkommen, die das Neugeborene
schon beim Eintritt in die Welt, ja, sogar bereits
im Mutterleib dazu nötigen, sich zu verteidigen.
Das Verhältnis zwischen der Abwehr eines Individuums und der Virulenz des Erregers wird entscheiden, in welcher Form ein Krankheitsprozess
in Gang gesetzt wird. Damit der Mensch erkrankt,
bedarf es eines Stressors, einer Schwächung des Immunsystem und einer Empfänglichkeit für die Erreger[16,17].
HK 2.12 | THEORIE 3
Die Rolle der Lebensführung
Krankheit ist nicht selten das Ergebnis der Lebensweise, der Gewohnheiten, der Ernährung, aber
auch der mentalen Einstellung. Wenn von der Natur gesetzte Vorgaben überschritten werden, wird
die innere Homöostase gestört. Wenn man sich
über ein bestimmtes Maß hinaus verausgabt, kann
der Körper mit Krankheit reagieren. Das Nähren
negativer Gefühle kann Krankheitsveranlagungen
ausbrechen lassen.
Krankheitsveranlagung
Umwelt und Lebensweise allein genügen nicht,
um eine Erkrankung hervorzurufen. Es muss eine
spezifische Disposition geben, die den Organismus
empfänglich macht und ihn daher erkranken lässt.
So erkrankt nicht jeder an Tuberkulose, wenn er
dem Mycobacterium tuberculosis ausgesetzt war,
nur höchst selten tritt nach Meningokokken-Kontakt eine Meningitis auf, auch bekommt nicht jeder, der mit Gonokokken Kontakt hat, eine Gonorrhoe. Ein Organismus entwickelt eine Krankheit,
wenn er eine Prädisposition, eine Schwäche gegenüber einem spezifischen Pathogen hat. In anderen
Worten, wenn der Stressor stärker ist als die Abwehr, tritt Krankheit auf, oder, wenn der Stressor
der Abwehr haushoch überlegen ist, gar der Tod.
Die meisten dieser Anlagen sind angeboren [18–
21], aber manche Medikamente, wie Antibiotika
[22–31] oder freie Radikale oder andere chemische
Substanzen [32,33] können DNA-Mutationen auslösen und so zu „erworbenen Anlagen“ führen. Pro
Tag werden pro Zelle etwa 10.000 Basensequenzen
geschädigt und von der Zelle fortlaufend repariert,
um die Integrität des Genoms zu wahren. Dieser
komplizierte Vorgang ist äußerst wirksam und eine
Fehlfunktion wird in der Entwicklung neuer Empfänglichkeiten eine Rolle spielen [34].
Unterdrückung akuter
Erkrankungen als Auslöser einer
chronischen Krankheit
Lassen Sie uns diese Idee etwas weiterführen: Erkrankungen, die wir akut nennen und solche, die
als chronisch oder degenerativ bezeichnet werden,
müssen sorgfältig unterschieden werden, denn es
ist nicht dasselbe, ob ein Mensch akut oder chronisch erkrankt. Wir möchten herausfinden, was in
einem Individuum passiert, das gesundheitliche
Probleme bekommt, und wie sich diese im Laufe
des Lebens entwickeln. Jedes Kind, das geboren
wird, wird irgendwann irgendwelche gesundheitlichen Beeinträchtigungen akuter oder chronischer
Art entwickeln.
Man kann menschliche Erkrankungen unter dem
Gesichtspunkt der Fieberentwicklung in zwei
Gruppen einteilen: solche mit hohem Fieber und
solche mit geringem oder gar keinem Fieber. Akute
Erkrankungen gehören in die erste, chronische in
die zweite Gruppe. Das Ziel dieses Artikels ist es,
die Beziehungen dieser beiden in ein und demselben Individuum zu beleuchten, um zu zeigen, dass
es ein Kontinuum gibt, das die Reaktionsweise des
Immunsystems bestimmt.
Viele chronische Krankheiten weisen Exazerbationen und Remissionen auf [35–44]. Ein Epileptiker beispielsweise hat Anfälle, aber welche Veränderungen lassen sich in seinem Körper außerhalb
der Anfälle nachweisen und welche Veränderungen
führen zu einem epileptischen Anfall? Ähnliches
gilt für die Multiple Sklerose, Asthma, Heuschnupfen und andere chronische oder degenerative Erkrankungen.
Die nächste Frage, die sich uns stellt, ist daher:
Sind Exazerbationen im Rahmen einer chronischen Erkrankung vergleichbar mit akuten
Krankheiten? Wenn wir verstehen, wie der Körper funktioniert, kommen wir vielleicht zu einem
ganz anderen Krankheitsverständnis als dem derzeit gelehrten.
In der medizinischen Ausbildung heute lernen die
Studenten, akute und chronische Erkrankungen zu
unterscheiden, lernen die verschiedenen Syndrome, lernen, was Akutzustände ausmacht und wie
sie jeweils isoliert zu behandeln sind. Reicht dieses
Wissen aus, um einen Patienten mit einem Asthmaanfall zu heilen? Der Arzt weiß für gewöhnlich
was zu tun ist: Er verschreibt bronchialerweiternde
Mittel oder, wenn es ernster ist, Kortisonpräparate, und der Patient übersteht den Anfall. Nach einiger Zeit kommt es erneut zu einem Anfall, und
sein Zustand verschlechtert sich. Im Laufe der Zeit
kommt es immer häufiger zu immer schwereren
Anfällen und am Ende haben wir es mit Patienten
zu tun, wie dem, den ich kürzlich behandelte, der
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THEORIE | HK 2.12
nicht mehr richtig atmen konnte und zusammengekrümmt mit mir sprach. Im Scientific American
Magazine, Juni 2000, Seite 30, heißt es: „Um 1900
war Asthma noch selten, aber heute hat es sich zu
einer Epidemie ausgeweitet, die allein 15 Millionen Amerikaner und sicher noch zehnmal mehr
Menschen auf der Welt betrifft. 5000 Amerikaner,
meist ältere, sterben jährlich daran, nach Zahlen
der Weltgesundheitsorganisation 180.000 weltweit.
Wir wissen nicht genau, warum Asthma so zugenommen hat, aber ein Schlüssel scheint darin zu
liegen, dass das Vorkommen in westlichen, besonders englischsprachigen Gesellschaften, am höchsten ist, während es im ländlichen Afrika kaum je
auftritt.“
Auch die Amerikanische Gesellschaft für Allergie,
Asthma und Immunologie liefert die entsprechenden Daten, die dieses Phänomen illustrieren [45].
So ist offensichtlich, dass die westliche Art, Krankheiten zu behandeln, nicht das ist, was mit Heilen
gemeint sein soll. Man hat zwar den Eindruck, dass
sich bei der symptomorientierten Behandlung die
Erkrankung zunächst bessert, aber im Verlaufe
wird sie häufig immer hartnäckiger.
Vergleichbar ist dies mit einem überhitzten Dampfkochtopf auf dem Herd (Ursache der Krankheit),
der aus seinem Sicherheitsventil Dampf ablässt
(Symptom) und statt das Feuer abzustellen (Entfernen der Ursache) wird das Sicherheitsventil
zugedreht (Unterdrückung des Symptoms), was
den Druck weiter gefährlich ansteigen lässt.
Ein solcher Zusammenhang wurde beispielsweise
zwischen Tonsillektomie und chronisch entzündlicher Darmerkrankung postuliert [46,47], wenn
durch die chirurgische Entfernung der Gaumenmandeln, die vordergründig die Ursache der Beschwerden des Patienten sind, eine ernstere, tiefere
Erkrankung auftritt. Seit dem 17./18. Jahrhundert
wurden durch fortgesetzte Unterdrückung von
Hämorrhoiden, Hypermenorrhoen und Hautausschlägen Störungen tiefer in das Körperinnere
getrieben, die nun zu Dyspnoe und Asthma führen [48]. Nach den offiziellen US-Amerikanischen
Zahlen ist die Mortalität an Infektionen gesunken,
die an Krebs dagegen angestiegen [49]. Auch dies
zeigt, wir verhelfen den Störungen zu einem Wandel zu tieferliegenden Erkrankungen. Die Abnahme
der Sterblichkeit an Infektionskrankheiten liegt weniger an der Einführung von Impfungen und Antibiotika, weil diese erst auf den Markt kamen, als
diese Tendenzen schon eindeutig waren [50]. Parallel dazu wurde ein beunruhigender Anstieg von
autistischen Störungen bei US-Amerikanischen
Kindern (allein zwischen 1992–1993 und 1999–
2000 um 2500 %) beobachtet [51]. Wir als Therapeuten müssen diese Phänomene ernst nehmen.
Die Gesamtheit der Symptome als
Selbstheilungsversuch des Körpers
Am Beispiel des Asthmaanfalles ist die entscheidende Frage die, ob wir in der Lage sind, die Schwere
der Anfälle zu verringern oder den Patienten zu
heilen. Nach welchen Kriterien können wir abschätzen, ob eine Heilung möglich ist? Diese Kriterien müssen wir erfassen können.
Ein Kind wird häufig immer wieder krank und fragt
sich deshalb: „Warum werde ich krank? Mein Freund
in der Schule wird gar nicht oder nicht so oft krank.“
Die Antwort könnte einfach die komplexe Vielfalt
der Menschen und ihrer spezifischen Erbanlagen
sein. Um zu überleben, versuchen die Abwehrkräfte im Rahmen ihrer ererbten Möglichkeiten, sich
an die Umwelt anzupassen, und ein Gleichgewicht
aufrecht zu erhalten, ohne eine Reihe von krankhaften Symptomen zu entwickeln. Wenn sich aber
pathologische Symptome entwickeln, ist dies der
Versuch des Organismus, wieder in seinen verloren
gegangenen Gleichgewichtszustand zu kommen. So
reagiert der Körper in einer sehr warmen Umgebung
mit Schwitzen, um sich so abzukühlen. Wenn diese
Abkühlung sehr abrupt erfolgt, reagiert das System
mit einer „Erkältung“; zur Wiederherstellung des
Gleichgewichts entwickelt sich ein Fieber und damit
ein „krankheitswertiges“ Symptom. Es ist rein intellektuelle Vorstellung, eine fixe Idee, zu meinen, dass
Symptome etwas Schlechtes sind, etwas, das beseitigt
oder unterdrückt werden muss. Wenn wir Schmerzen
in einem Gelenk verspüren, ist es ein Warnsymptom:
das Gelenk will ruhiggestellt werden, um Irritationen
zu minimieren und möglichst schnell zu genesen.
Wenn eine Unterdrückung des Schmerzes auch die
Bewegungsfreiheit wiedergibt, wirkt sie doch dem
Heilungsprozess entgegen. Die Entwicklung des
Symptomes „Schmerz“ ist also ein zweckdienlicher
Mechanismus. In der Entwicklungsgeschichte hat
sich dieser Schutz- und Anpassungsprozess als bio-
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logisch sinnvoll erwiesen. Ebenso sind die Infektionskrankheiten des Kindesalters ein Training für
das Immunsystem und stärken es für die im Leben
anstehenden Aufgaben.
Symptome und deren Bedeutung
Wir nehmen an, dass Akutkrankheiten Lernprozesse für den Körper darstellen, die Ärzte und Patienten verstehen müssen, um eine Unterdrückung
und als Folge eine chronische Krankheit zu vermeiden. Wenn sich ein Organismus erstmalig in einer
neuen Umgebung befindet, muss sein Immunsystem lernen, sich an diese anzupassen. Symptome
sind Ausdruck eines Unbehagens und liefern somit
viele sehr wichtige Informationen, die für die Behandlung, aber auch für die Prognose wichtig sind,
denn mit diesem Wissen können die drängenden
Fragen des Patienten, ob seine Krankheit geheilt
werden kann oder in welchem Ausmaß ihm geholfen werden kann, beantwortet werden. Bei chronischen Leiden kann der Schulmediziner kaum je
sagen, dass er den Patienten „heilen“ kann. Er kann
und sollte allenfalls sagen, dass er Medikamente
verschreiben kann, mit denen der Patient sich besser fühlen wird, damit ihn seine Schmerzen und die
anderen Symptome nicht so sehr plagen. Er kann
aber keine Heilungsversprechen geben. In der Homöopathie liegen die Dinge etwas anders; der Homöopath, der sich auf die Informationen aus der
„Totalität der Symptome“ bezieht, kann in vielen
Fällen ziemlich sicher sagen, ob der Patient geheilt
werden kann oder nicht.
Die körpereigene Abwehr und die
Hierarchie des menschlichen Körpers
Jedes Lebewesen, Pflanze wie Tier, hat ein eigenes
Abwehrsystem [52–58]. Der Arzt sollte den am besten
passenden Zugang finden zu der individuellen Art,
wie der Organismus auf Krankheiten reagiert. Das
ist eine Grundregel der Homöopathie. So ist es kein
Zufall, dass sich bei einem Säugling Krankheiten vor
allem in den äußeren Teilen des Körpers manifestieren.
Wie jeder Kinderarzt weiß, ist im Kleinkindalter in
erster Linie die Haut, der Respirationstrakt und der
Verdauungstrakt betroffen. Mit diesen drei Systemen
stehen wir in Kontakt mit der Außenwelt, sie sind
daher quantitativ besonders den Angriffen von den
Erregern und Noxen ausgesetzt, die die Krankheiten
verursachen, die wir als „akut“ bezeichnen und die
durch hohes Fieber gekennzeichnet sind. Der Harn-
trakt mit den Nieren, das Kreislaufsystem mit dem
Herzen und das Nervensystem mit dem Gehirn sind
weniger empfänglich und wesentlich besser geschützt,
und damit in der frühen Kindheit weit weniger von
akuten Infektionen bedroht. Das liegt auch daran,
dass das Immunsystem des Kindes normalerweise
in einem recht guten Zustand ist und sich in der
Regel auf einer höheren Gesundheitsebene als im Erwachsenenalter befindet. Eine Entzündung der Haut,
der Schleimhäute der Bronchien oder des Darms ist
weniger lebensgefährlich als eine Entzündung der
Nieren, des Herzens oder des Gehirns. „Die Blut-HirnSchranke bietet sowohl anatomisch als auch physiologisch einen Schutz für das zentrale Nervensystem
(ZNS), indem es ganz streng den Eintritt von vielen
Substanzen und von im Blut zirkulierenden Zellen
in das Nervengewebe regelt“ [59] – was anzeigt, wie
sehr der Körper ausgelegt ist, die Systeme, die zum
Überleben am wichtigsten sind, aktiv zu schützen.
Wir müssen die Erkenntnis akzeptieren, dass
es eine Hierarchie der Organe und Systeme im
Körper gibt, die dem Schutz dieser Systeme und
Organe dient.
Der Körper wird immer versuchen, die Störung auf
einer möglichst peripheren Ebene und von wichtigeren Organen und Systemen so weit entfernt
wie möglich zu halten. Die ersten Infektionen, die
wir bei Kindern sehen, finden sich in den oberen
Atemwegen, es handelt sich vorwiegend um Erkältungen, Rhinopharyngitiden, Tonsillitiden etc.
[60] und nicht um Enzephalitiden, Meningitiden
oder andere Infektionen des zentralen Nervensystems. Die Tonsillen sind eine der Eintrittspforten,
die Infektionen von den zentraler gelegenen Lungen abhalten, um ernsthaftere Infektionen, die den
ganzen Körper in Gefahr bringen, zu verhindern.
So hat der Körper seine eigenen Regeln, eine Intelligenz, die scheinbar keiner Logik entspricht, die
wir aber wahrnehmen, wenn wir die geschilderten
Tatsachen betrachten. Wenn ein Kind an einer
Tonsillitis erkrankt und Antibiotika erhält und
bald danach eine weitere Infektion bekommt, im
folgenden Jahr erneut, die mit Antibiotika behandelt wird, wird es danach vielleicht keine Tonsillitis, sondern eine ernsthaftere Infektion, vielleicht
eine Tracheobronchitis bekommen und wiederum
Antibiotika erhalten. Nach einigen Jahren wird der
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THEORIE | HK 2.12
vorgeschwächte Körper an Infektionen erkranken,
die ihren Ausgangspunkt in der Lunge haben, an
Pneumonien. Nun sind die Lungen, die wichtigsten Organe des Respirationstrakts, von der Entzündung betroffen.
Sehr häufig folgt einer allergischen Rhinitis, dem
Heuschnupfen, das Asthma, vor allem, wenn die
Rhinitis mit Medikamenten unterdrückt wurde
[61-67]. Anders gesagt verlässt die Störung die Peripherie des Respirationstrakts und dringt ein in
die Tiefe der lebenswichtigen Lungen. Wenn wir in
dieser Hierarchie ein archetypisches Prinzip sehen,
ist die Wahl der Körperabwehr, die Entzündung
auf der peripheren Ebene der Tonsillen zu halten,
die bestmögliche Wahl und muss vom Arzt, der
dieses Prinzip verstanden und akzeptiert hat, respektiert werden. Die Therapie der Wahl darf hier
den Entzündungsprozess nicht unterdrücken und
dadurch auf tiefere Ebenen verschieben, sondern
sollte den Körper unterstützen und ihm helfen, die
Störung zu bewältigen.
Betrachten wir ein anderes System, den Harntrakt.
Ein Patient hat rezidivierende Harnwegsinfekte, er
entwickelt eine interstitielle Zystitis, ein schmerzhaftes Blasensyndrom [68] und schließlich einen
dauerhaften Nierenschaden [69]. Schaut man sich
den Krankheitsverlauf jeder dieser Patienten genau an, erkennt man einen ähnlichen Prozess. Der
Körper versucht zunächst immer, die Infektion auf
einer peripheren und oberflächlicheren Ebene zu
halten, wodurch sie weniger gefährlich für den ganzen Körper ist. Durch die ständige Behandlung mit
chemischen Medikamenten stören wir das Immunsystem [70–74] und gestatten Störungen nicht, in
der Peripherie zu bleiben, sondern zwingen sie in
die Tiefe, bis sie tiefere Organsysteme, beispielsweise die Nieren, erreichen. Ein anderes Beispiel sind
Durchfälle, an denen manche Menschen schnell erkranken. Wenn diese mit Medikamenten oder gar
Antibiotika behandelt werden, kann sich eine Pseudomembranöse Colitis [75–77] entwickeln, die
wiederum andere Medikamente notwendig macht.
Schließlich kann sich eine Colitis ulcerosa und am
Ende vielleicht ein Darmkrebs entwickeln [78–84].
Durch die Antibiotika wird die intestinale Flora in
einer Weise modifiziert, dass sich gewisse, in geringer Keimzahl unschädliche Anaerobier vermehren.
Durch dieses Ungleichgewicht wird der Körper als
Ganzes geschädigt. Seit kurzem wird die Hypthese diskutiert, die gestörte Mikroflora des Darmes
könne beispielsweise bei Autismus pathogenetisch
bedeutsam sein [85–87].
All diese Beispiele ähneln sich in einem Punkt: Zu
Beginn versucht der Organismus, die Störung zunächst auf einer peripheren, oberflächlichen Ebene
zu halten, um dort relativ leicht damit fertig werden zu können. Die Frage ist, ob wir dieses Prinzip
verstanden haben oder ignorieren wir es, indem
wir weiterhin die Zeichen eines akuten Zustandes
unterdrücken?
Viele chronische Störungen beginnen bereits, wenn
Hautausschläge von Säuglingen mit Steroiden behandelt und diese unterdrückt werden und dem
Körper nicht erlaubt wird, seine tieferliegenden
Störungen über die Haut auszudrücken. Häufig
werden Antibiotika verschrieben, um Harnwegsinfektionen zu verhindern, oft allein wegen positiver
Urinkulturen bei asymptomatischen Bakteriurien.
Die Ärzte fragen nicht, warum der Körper diese Besiedelung „benötigt“, sondern beseitigen sie
regelhaft durch starke Antibiotika. Dies ist sicher
keine optimale Behandlung und bedarf eines kritischen Hinterfragens. In den Vereinigten Staaten
beispielsweise nennen Statistiken die erschreckende Zahl von 328.000 Hämodialysepatienten bei
Nierenversagen. Warum gab es früher nicht solch
hohe Patientenzahlen? Wenn wir uns die einzelnen
Fallgeschichten anschauen, finden sich in der Vorgeschichte untere Harnwegsinfektionen, die antibiotisch behandelt wurden. In der Fortentwicklung
gehen diese Infektionen tiefer in die Blase, dann ins
Nierenbecken (Pyelonephritis) und schließlich in
die Nieren (Glomerulonephritis) mit Nierenparenchymschäden und Funktionsverlust. In welchem
Ausmaß Antibiotika zu dieser Entwicklung beitragen, ist nicht bekannt.
Krankheit als Resultat einer Kette von
Ereignissen
Wir sollten uns fragen, ob finale Erkrankungen
beim Menschen durch eine Verkettung pathologischer Umstände miteinander verknüpft sind, die
als akute Entzündung begannen und am Ende in
einer chronisch-degenerativen Erkrankung münden. Ist es Zufall, wie die konventionelle Medizin
meint, wenn jemand an einer rheumatoiden Arthritis oder einer anderen chronischen Erkrankung
leidet oder ist es das Ergebnis eines präzisen, fast
HK 2.12 | THEORIE 7
mathematisch vorhersagbaren Ablaufes pathologischer Ereignisse? Man sollte versuchen, eine derartige Erkrankung, die im mittleren Lebensalter auftritt, mit der ganzen Vorgeschichte des Patienten
zu verknüpfen. Meiner auf Tausenden von Anamnesen aller Altersgruppen beruhenden Erfahrung
nach versucht das Immunsystem über lange Zeit,
die Störung in der Peripherie zu halten, in dem
nicht die vitalen Organe, sondern zum Beispiel
die Tonsillen entzündet sind und der Körper den
Eindringlingen mit hohem Fieber begegnet. Aber
diese Reaktionen wurden fast immer durch starke
chemische Medikamente unterdrückt. Durch diese
Behandlungen während der akuten Entzündungsreaktion konnte der Körper seine eigenen notwendigen biochemischen Prozesse nicht aktivieren, um
das verlorene Gleichgewicht (Homöostase) wieder
herzustellen, und der Körper musste eine zweite
Verteidigungslinie anwenden – hier beginnt mit
dem subakuten Entzündungsprozess die chronische Erkrankung. Wir können annehmen, dass das
chemische Eingreifen den Körper der Gelegenheit
beraubt, ihm genügend Zeit und Raum zu lassen,
sich selbst neu zu formieren, um dem nächsten Ansturm der Erreger Herr zu werden.
Es ist hinlänglich bekannt, dass das Immunsystem
lernt sich selbst zu verteidigen, in der Auseinandersetzung mit Epidemien. Wenn diese Möglichkeit
genommen wird, haben wir es am Ende nicht mit
einem gestärkten, sondern einem geschwächten
Immunsystem zu tun. Es liegt in der Natur der Dinge, dass einige Patienten an einer Akuterkrankung
sterben können. Die Lungenentzündung kann
stärker sein als die Abwehr, und der Patient kann
ihr erliegen. Der natürliche Verlauf aller Akuterkrankungen ist gleich: einer Prodromalphase
folgt ein Höhepunkt, die Krise, gefolgt vom Ausgang in Heilung, Defekt oder Tod.
Hier können nun die Homöopathie oder andere
alternative Heilverfahren einsetzen: Anstatt die
Infektion zu unterdrücken, wird der Organismus
befähigt, die Akutphase auf natürliche Weise zu
überwinden, indem die Abwehrmechanismen
durch eine Arznei, die ähnliche Symptome wie
die der Krankheit hervorbringt, gestärkt werden.
Auf diese Weise gewinnt der Körper sein Gleichgewicht wieder.
Die von mir entwickelte Theorie des „Kontinu-
ums einer vereinheitlichten Krankheitstheorie für
akute und chronische Erkrankungen“ geht davon
aus, dass alle chronischen und alle natürlicherweise auftretenden degenerativen Erkrankungen
„Entzündungsprozesse“ sind [88]. Der Hauptunterschied zwischen einem chronischen Zustand
und der akuten Entzündung ist das Auftreten von
hohem Fieber während der Akutphase [89–98].
Ist der Körper in der Lage, hohes Fieber zu entwickeln, so befindet er sich in einem relativ guten Gesundheitszustand. Wenn diese Fähigkeit verloren
gegangen ist, heißt es, dass verhindert wurde, dass
der Entzündungsprozess in der Peripherie bleibt
und er sich nun auf eine tiefere Ebene, also auf
die der lebenswichtigen Organe oder des gesamten
Systems (wie etwa bei „Systemerkrankungen“ wie
dem Lupus erythematodes) verlagert hat. Dadurch
tritt eine neue Situation ein: Der Organismus verzehrt sich in einem subakuten Entzündungsprozess
mit nur wenig oder gar keinem Fieber, aber auch
ohne die Möglichkeit einer letztendlichen Ausheilung, einer Lyse. Im Gegenteil, dieser Prozess ist
progredient und zerstört immer weiter, sodass sich
der chronische Zustand immer weiter verschlechtert [99–108]. Diese Entzündung ist der akuten
ähnlich, liegt aber tiefer, und so kann der Körper
ihr nicht mehr mit hohem Fieber begegnen, trotz
einiger gelegentlicher Versuche. Patienten mit
Migräne teilen in der Regel mit, dass sie zwei- bis
dreimal wöchentlich derartige Anfälle haben [109–
114]. Wenn wir genau nachforschen, werden wir
erfahren, dass vor dem Beginn der Migräne einige hoch fieberhafte Akuterkrankungen (etwa eine
Tonsillitis, eine Bronchitis oder eine Harnwegsinfektion) aufgetreten waren, die falsch behandelt
und damit unterdrückt wurden. Es ist dieselbe Entzündung, die sich nicht als Tonsillitis ausdrücken
konnte, und die nun dazu führt, dass der Organismus bemüht ist, den ursprünglichen Akutzustand
wieder herzustellen. Diese Kraftanstrengungen
nimmt der Patient als Migräne oder Cluster-Kopfschmerz wahr. Vor einigen Jahren, als ich bereits
über das „Kontinuum der Krankheit“ sprach,
kannte ich das biochemische Korrelat dieser subakuten Entzündungen noch nicht, heute sind die
Entzündungsproteine hinlänglich beschrieben
[115–121]. So zeigt eine US-amerikanische Studie, dass die Schizophrenie wohl ebenfalls auf einem Entzündungsprozess beruht [122], was dazu
führte, dass die Forscher sofort nach einem entzün-
8
THEORIE | HK 2.12
dungshemmenden Medikament suchten, um die
Schizophrenie zu heilen. Dass diese Art zu denken
die falsche ist, hat die Medizin in all den Jahren
nicht gelernt – weiterhin wird versucht, ein Agens
zu eliminieren, statt die Abwehr zu stärken. Das
konventionelle medizinische Denken ist: Wenn wir
den Krankheitsauslöser, das Agens, kennen, brauchen wir nur ein chemisches Mittel dagegen zu finden, dann wird der Patient geheilt. Dabei übersieht
sie, dass diese Entzündungsproteine nur Folge der
Entzündung sind und nicht mit einer chemischen
Substanz eliminiert werden können, sondern nur
durch eine Stärkung des Immunsystems. Wenn die
Medizin dies nicht einsieht und nach dem Motto
„mehr desselben“ weiter verfährt, werden wir immer mehr und immer komplexere, kaum noch
heilbare Pathologien erleben.
Die Homöopathie ist in der Lage, dem
Immunsystem seine ursprüngliche Stärke
zurückzugeben
Die Fähigkeit des Körpers, auf Stressoren seiner
Umgebung zu reagieren, sollte eher gestärkt als unterdrückt werden, um die Entzündung auf natürlichem Weg zu bekämpfen, anstatt sie auf eine tiefere Ebene zu verschieben. Der ganze komplexe Prozess, den die fieberhafte Akutentzündung auslöst,
besteht aus Millionen von biochemischen Reaktionen, die zum Ziel haben, das verlorene Gleichgewicht, die Homöostase, wieder herzustellen. Wird
dieser Vorgang unterbrochen oder gezwungen zu
verschwinden durch brutale chemische Gewalt, erreicht er nicht den Höhepunkt seiner Heilfunktion,
die zur Homöostase führt, so wird sein heilender
Auftrag unerfüllt bleiben und der Organismus gezwungen, seine Abwehr neu zu organisieren auf
einer tieferen Ebene und der Entzündungsprozess
wird integriert. Dies ist der Beginn einer chronischen Erkrankung. Mag eine Kollagenose, ein
Lupus, eine Psoriasis, eine multiple Sklerose, eine
neuromuskuläre oder psychiatrische Erkrankung
oder Autismus auftreten – dahinter steht immer
ein ähnlicher Prozess. Der bedeutende Unterschied
ist der, dass das Immunsystem nicht mehr die zur
Heilung notwendige Kraft aufbringt, hohes Fieber zu entwickeln. Gäbe es eine bessere Methode,
Akuterkrankungen mit sanfteren Methoden zu
behandeln, müsste das Immunsystem nicht den
Kompromiss eingehen, die Störung auf einer tieferen Ebene hinzunehmen. Die Unterdrückung von
Fieber bei Schwangeren oder bei kleinen Kindern
kann autistische Störungen auslösen [123]. Autistische Kinder haben nur selten Fieber – sie hatten
vielleicht welches, bevor sie autistisch wurden;
einige hatten wiederholte hochfieberhafte Mittelohrentzündungen, die mit Antibiotika oder Antipyretika unterdrückt wurden. Es ist interessant, zu
erwähnen, dass sich der autistische Zustand bessert, wenn sie Fieber bekommen [124]. Mit einer
richtigen Behandlung kommt das Fieber zurück,
während sich die autistischen Symptome dramatisch bessern. Die Erkrankungen unserer heutigen
Gesellschaften betreffen mehr und mehr das periphere und zentrale Nervensystem. Da nun einmal
das wichtigste Organ unser Gehirn ist, werden wir,
wenn wir fortfahren, die Erkrankungen in das Innere des Körpers zu treiben, bald einen enormen
Anstieg an Psychosen erleben.
Japanische Wissenschaftler haben herausgefunden,
dass mit der Induktion von Fieber durch verschiedene Antigene Krebs mit beachtlichen Ergebnissen
behandelt werden kann [125, 126]. Ähnliches wurde bei autistischen Kindern beobachtet [127].
So können wir jetzt hoffentlich die Frage des Kindes beantworten: „Warum werde ich krank?“ – warum es mit einer Tonsillitis begann und nun zu
dem Punkt kam, das sich Asthma entwickelte.
Diskussion
Jeder Schritt nach vorn, den die Menschheit in ihren wissenschaftlichen Bemühungen gegangen ist,
stieß zunächst auf Widerstände. Die Geschichte ist
voll von sozialen und wissenschaftlichen Umwälzungen, die die Grundfesten und Glaubenssätze der
Menschen erschüttert haben. Immer hat es Jahre
gedauert, bis eine neue Entdeckung ausgearbeitet
und schließlich angenommen wurde. Jeder dieser
wichtigen Schritte hat neue Horizonte eröffnet und
die Menschheit weiter gebracht. Die Homöopathie
ist eine dieser großen Revolutionen, und weil sie
in noch unbekannten und wenig erforschten Ebenen des menschlichen Universums wirkt, brauchte
es mehr als 200 Jahre seit ihrer Entdeckung durch
Samuel Hahnemann, bis sich die Wissenschaft ihr
und den zehntausenden Beweisen ihrer wunderbaren Wirksamkeit bei Mensch und Tier gegenüber
geöffnet hat [128–129]. Wir wissen alle, dass kein
lebendes Wesen den Gesetzen der Thermodynamik
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entkommen kann. Nach dem zweiten Hauptsatz
zerfällt das gesamte Universum in maximale Unordnung und nur die Zufuhr von Energie kann
dieser Vermehrung des Chaos entgegenwirken.
Auch in jedem Lebewesen finden wir unzweifelhaft
den Dualismus zwischen der Tendenz des Zerfalls,
wie sie nach dem Tod des Lebewesens regelhaft
sichtbar wird und der inneren Tendenz der Ordnung und Harmonie in einem Gleichgewicht von
Kräften, die die Lebendigkeit der Schöpfung ausmachen.
Die Entdeckung der vielgestaltigen und wundervollen biochemischen Mechanismen des Lebendigen führte dazu, dass Menschen nach Möglichkeiten suchten, die Stoffwechselwege und damit
die vermeintlichen Ursachen von Fehlfunktionen
durch fremde Stoffe zu beeinflussen. In diesem
Energiesystem, welches sich seit mehr als 4 Milliarden Jahren selbst reguliert hat, sind die von uns
beobachtbaren biochemischen Vorgänge bei einer
Störung (wie zum Beispiel einem hohen Fieber)
nichts anderes als die bestmögliche Lösung, die der
wundervolle und intelligente Abwehrmechanismus gefunden hat, um die Ordnung in einem von
außen gestörten System wieder herzustellen. Also
sollten wir diese Stoffwechselvorgänge nicht durch
den Gebrauch anderer chemischer Agentien stören,
weil sie nichts anderes bewirken, als eine Behinderung der Abwehr mit ihren intelligenten Versuchen
der Heilung. Es ist im Gegenteil notwendig, die Fähigkeit des Abwehrmechanismus zu unterstützen
bei der Beseitigung der „energetischen“ Gründe
seiner Schwächung.
Schlussfolgerung
Jedes menschliche Wesen ist von Krankheiten betroffen, akuten und chronischen, die lebenslang
miteinander verbunden sind in einem Kontinuum,
das schließlich zu dem finalen Krankheitszustand
führt, den das Lebensende kennzeichnet. Die Frage ist, ob die Medizin Wege wird finden können,
akute Erkrankungen (die den Ausgangspunkt eines Ungleichgewichtes darstellen) mit sanfteren
Möglichkeiten zu behandeln, die die natürliche
Reaktion des Immunsystems unterstützen und
verstärken, anstatt sie mit starken chemischen Mitteln zu unterdrücken und vielleicht irreparabel zu
schädigen. Der Abwehrmechanismus in seiner Gesamtheit ist von einer höheren Intelligenz, die ihn
befähigt, ein angemessenes Gleichgewicht unter
jedweder Belastung zu bewahren. Nur wenn unter
bestimmten Umständen der Körper eine Belastung
auf einer peripheren Ebene nicht beherrschen und
unschädlich machen kann, wird der allgemeine Gesundheitszustand gestört und die Verteidigung auf
eine tiefere und daher wichtigere Organ- oder Systemebene verlagert und auf diese Weise der Beginn
einer chronisch degenerativen Erkrankung gesetzt.
Das hier vorgestellte Modell entstammt der Beobachtung von Zehntausenden Patienten über einen
Zeitraum von 50 Jahren.
Prof. George Vithoulkas
International Academy of Classical Homeopathy
Alonissos, Northern Sporades 37005
Griechenland
Übersetzung aus dem Englischen:
Dr. Stephan Heinrich Nolte
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