Methoden - BIOspektrum

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Lebende Organismen zur simultanen Detektion
und Therapie von Tumoren
Yvonne Dombrowski und Aladar A. Szalay
Rudolf-Virchow-Zentrum für experimentelle Biomedizin und Biozentrum, Universität Würzburg
Für eine erfolgreiche Behandlung von
Krebs ist es besonders wichtig, Primärtumore und Metastasen früh in ihrer Entstehung
zu entdecken. Die bisher erfolgreich eingesetzten, herkömmlichen Methoden zur Tumor-Detektion sind Magnetische-ResonanzVisualisierung, Computertomografie und Positronen-Emissionstomografie. In den letzten Jahren wurden weitere neue Technologien entwickelt, beispielsweise radioaktivund Fluoreszenz-markierte Antikörper. Diese Agenzien besitzen allerdings ebenso wie
die Kontrastmittel der herkömmlichen Verfahren den Nachteil, dass sie nur bedingt Tumor-spezifisch sind und wiederholt appliziert werden müssen, um Verdünnungseffekten im Körper entgegenzuwirken.
Bei der Untersuchung von Tumoren im
Tiermodell und im Patienten wurde das Phänomen wieder entdeckt, dass sich Bakterien
und Viren bevorzugt in Tumoren ansiedeln[1]. Die Ansiedelung dieser Mikroorganismen im Tumor könnte auf besonders
günstige Eigenschaften des Tumormilieus
zurückzuführen sein. Bestimmte Mikroorganismen führen zum Rückgang des Tumors, was bereits vor mehr als 100 Jahren berichtet wurde (s. Referenzen in [1]). Zu den
Mikroorganismen, die bereits in Tumoren
nachgewiesen wurden, gehören Clostridien,
Salmonellen, Streptokokken, Vibrionen sowie apathogene Escherichia coli und Bifidobakterien[1].
Mit den Mitteln der Molekularbiologie
können durch genetische Modifikationen
solcher Mikroorganismen neue Möglichkeiten zur Tumordetektion und sogar zur Tumortherapie realisiert werden.
In unserer Arbeitsgruppe werden genetisch modifizierte, leuchtende Mikroorganismen für die Tumordetektion eingesetzt.
Auf diese Weise wird nach intravenöser (i.v.)
Applikation die Verteilung und Replikation
der Mikroorganismen im Tier und auch im
Tumor an Versuchstieren untersucht. Als
Markergene zur Tumordetektion werden die
bakterielle und eukaryotische Luziferase
und das grün fluoreszierende Protein (GFP),
alleine oder als GFP-Fusionsprotein mit Luziferase, eingesetzt[2, 3]. Luziferase ist ein Enzym, das sein Substrat Luziferin mit Hilfe
von Sauerstoff umwandelt. Bei diesem chemischen Prozess wird in lebenden Zellen
Licht freigesetzt, das im Dunkeln sogar mit
bloßem Auge erkennbar ist[4]. GFP ist ein
Protein, das nach Anregung durch UV-Licht
grünes Licht emittiert[5]. Fusioniert man beide Markerproteine, so hat man ein System,
mit dem Licht endogen durch die Luziferase-Reaktion und nach exogener Anregung
von GFP sogar in ganzen Tieren erzeugt sowie nachgewiesen und somit zur Tumordetektion eingesetzt werden kann[6].
Die Mikroorganismen verteilen sich nach
i.v.-Applikation zunächst über den gesamten
Körper und sammeln sich nach einiger Zeit
in Leber, Milz und Tumor an. Aus den Organen Leber und Milz werden die Mikroorganismen nach ein bis zwei Tagen durch das
Immunsystem des Tieres eliminiert. Im Tumor hingegen ist das Immunsystem unterdrückt, sodass sich die Mikroben dort ungehindert vermehren können. Die Markergenexpression, die sich durch die Replikation der Mikroorganismen im Tumor verstärkt, wird mit einem hoch empfindlichen
Lichtdetektionssystem, dem Low-LightImager, am lebenden Tier gemessen (Abb.
1a). Dazu wird das Tier mittels Gasnarkose
betäubt und für einige Minuten in die Dunkelkammer des Low-Light-Imagers gebracht. Dort werden die von den leuchtenden Mikroorganismen ausgestrahlten Photonen von einer hoch empfindlichen Kamera
gesammelt und in ein messbares Signal um-
gewandelt (Abb. 1b). Neben genetisch modifizierten Mikroorganismen können auch
modifizierte Säugerzellen, die sich nach i.v.Applikation ebenfalls in Tumoren anreichern, zur Tumordetektion eingesetzt werden[6].
Warum und wie die Bakterien vorzugsweise in die Tumore gelangen, ist noch nicht
geklärt. Zum einen könnte das üppige Nährstoffangebot, entstanden durch Nekrotisierung der Tumorzellen, die Bakterien anlocken. Weiterhin ist das sauerstoffarme Milieu ausgedehnter Nekroseherde eine günstige Umgebung für anaerobe Bakterien, die
sich häufig in Tumoren finden. Wir denken
jedoch, dass durch die ungewöhnliche und
löchrige Blutgefäßstruktur von Tumoren die
Bakterien mit Hilfe des Blutdrucks passiv in
das Tumorinnere gepresst werden. Durch
das unterdrückte Immunsystem im Tumor
können sich die dort angelangten Bakterien
ungehindert vermehren.
Unsere Arbeitsgruppe hat verschiedene
Bakterienarten sowie einen abgeschwächten
Vaccinia-Virus-Stamm mit Luziferase, GFP
oder beidem markiert[7]. Nach i.v.-Injektion
der Mikroorganismen verteilen diese sich zunächst über die Blutbahn im gesamten Körper. Wie bereits erwähnt, sammeln sich die
Mikroben zunächst in Leber und Milz, den
Reinigungs- und Abwehrorganen des Körpers, werden von dort aber rasch eliminiert
(Abb. 2a). Nach einigen Tagen sind die
Mikroorganismen nur noch im Tumor detektierbar, wo sie sich ungehindert vermehren konnten. Diese Vermehrung wird über
die Zunahme der Lumineszenz-Intensität
festgestellt. Einmal im Tumor angelangt,
bleiben die Mikroorganismen dort und treten nicht wieder in den Blutkreislauf zurück[7] (Abb. 2b).
Abb. 1: Lichtdetektionssystem Low-Light Imager Night Owl™ von Berthold Technologies zur Detektion
der Luziferase-Expression. a) Mithilfe des Lichtdetektionssystems Night Owl™ werden einzelne
Photonen, die vom Untersuchungsobjekt ausgestrahlt werden, von einer hoch empfindlichen
CCD(charge-coupled device)-Kamera eingefangen und in messbare, positionierte elektronische
Signale umgewandelt. Zusätzlich wird ein digitales Foto des Untersuchungsobjekts aufgezeichnet.
b) Die gemessenen Signale werden, je nach ihrer Intensität in unterschiedlichen Farben, mit dem Foto
des Untersuchungsobjekts überlagert.
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[5] Smith, T. (2000): Going green. Nature Strucural
biology 7 (12): 1089.
[6] Yu, Y. A., Timiryasova, T. M., Zhang, Q., Beltz,
R., Szalay, A. A. (2003): Optical imaging: bacteria viruses, and mammalian cells encoding light-emitting proteins
reveal the locations of primary tumors and metstases in
animals. Anal Bioanal Chem 377: 964–972.
[7] Yu, Y. A., Shabahang, S., Timiryasova, T. M.,
Zhang, Q., Beltz, R., Gentschev, I., Goebel, W.,
Szalay, A. A. (2004): Visualization of tumors and metastases in live animals with bacteria and vaccinia virus encoding light-emitting proteins. Nature Biotechnology 22
(3): 313–320.
[8] Gentschev, I., Dietrich, G., Spreng, S., Pilgrim,
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Proc. Natl. Acad. Sci. USA 98: 15155–15160.
[10] Agrawal, N., Bettegowda, C., Cheong, I.,
Geschwind, J.-F., Drake, C. G., Hipkiss, E. L., Tatsumi, M., Dang, L. H., Diaz, L. A., Pomper, M.,
Abusedera, M., Wahl, R. L., Kinzler, K. W., Zhou, S.,
Huso, D. L., Vogelstein, B. (2004): Bacteriolytic therapy can generate a potent immune response against experimental tumors. PNAS 101 (42): 15172–15177.
Abb. 2: Detektion der Lumineszenzintensität und -verteilung von Mikroorganismen im lebenden Tier.
a) Verteilung von abgeschwächten Salmonellen im gesamten Körper des Versuchstieres sofort nach
der i.v.-Injektion. b) Zunahmen der Lumineszenz-Intensität von Tag 2 (I), über Tag 4 (II) zu Tag 6 (III)
nach i.v.-Injektion von Vibrionen. c) Analyse von Blut und Tumor-Flüssigkeit zum Nachweis von Mikroorganismen. Nach Kultivierung befinden sich keine leuchtenden Mikroorganismen in der Blutprobe
(links), aber in der Tumor-Flüssigkeit (rechts) (I: Foto, II: Lumineszenzbild).
Das Phänomen, dass Bakterien und Viren
sich selektiv im Tumor ansiedeln und vermehren, stellt einen enormen Vorteil für die
Anti-Tumor-Therapie dar. Während herkömmliche Krebsmedikamente oft nicht selektiv genug gegen Krebszellen sind und im
Körper stark ausdünnen, kann mit Mikroorganismen sogar eine lokale, Tumor-spezifische Verstärkung des therapeutischen Effekts erzielt werden. Deshalb gewinnen
Mikroorganismen für den Einsatz in der experimentellen Tumortherapie zunehmende Bedeutung. So können sie gezielt AntiTumor-Medikamente zum Tumor transportieren[8] und selbst, modifiziert, gegen Tumorzellen vorgehen[9].
Noch nicht publizierte Daten unserer Arbeitsgruppen zeigen, dass einige experimentelle Tumore in Mäusen nach Virusinjektion nicht nur besiedelt werden, sondern
vollständig zurückgehen, ebenso wie experimentelle Tumore, die mit Clostridien kolonisiert wurden[10]. Die Ursache des Tumorrückgangs ist noch nicht geklärt, wird aktuell jedoch intensiv erforscht. Diese TatsaBIOspektrum · 5/05 · 11. Jahrgang
che, dass mit Hilfe von Mikroorganismen, in
unserem Fall einem Vaccinia-Virus-Stamm,
ein vollständiger Tumorrückgang erreicht
werden kann, gibt Hoffnung auf eine baldige Bereitstellung einer kombinierten TumorDetektions- und -Therapie-Methode für
Krebspatienten.
Literatur
[1] Pawelek, J. M., Brooks Low, K., Bermudes,
D. (2003): Bacteria as tumour-targeting vectors. Lancet
Oncology 4: 548–556.
[2] Greer III, L. F., Szalay, A. A. (2002): Imaging of
light emission from the expression of luciferases in living
cells and organisms: a review. Luminescence 17: 43–74.
[3] Wang, Y., Yu, Y. A., Shabahang, S., Wang, G.,
Szalay, A. A. (2002): Renilla luciferase- Aequorea GFP
(Ruc-GFP) fusion protein, a novel dual reporter for realtime imaging of gene expression in cell cultures and in
live animals. Mol Genet Genomics 268(2): 160–168.
[4] Woodland Hastings, J. (1996): Chemistries and colors of bioluminescent reactions: a review. Gene 173: 5–11.
Korrespondenzadresse:
Aladar A. Szalay
Rudolf-Virchow-Zentrum für experimentelle
Biomedizin und Biozentrum
Universität Würzburg
D-97074 Würzburg
Tel.: 0931-8884410
Fax: 0931-8884422
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