Methoden 632 Lebende Organismen zur simultanen Detektion und Therapie von Tumoren Yvonne Dombrowski und Aladar A. Szalay Rudolf-Virchow-Zentrum für experimentelle Biomedizin und Biozentrum, Universität Würzburg Für eine erfolgreiche Behandlung von Krebs ist es besonders wichtig, Primärtumore und Metastasen früh in ihrer Entstehung zu entdecken. Die bisher erfolgreich eingesetzten, herkömmlichen Methoden zur Tumor-Detektion sind Magnetische-ResonanzVisualisierung, Computertomografie und Positronen-Emissionstomografie. In den letzten Jahren wurden weitere neue Technologien entwickelt, beispielsweise radioaktivund Fluoreszenz-markierte Antikörper. Diese Agenzien besitzen allerdings ebenso wie die Kontrastmittel der herkömmlichen Verfahren den Nachteil, dass sie nur bedingt Tumor-spezifisch sind und wiederholt appliziert werden müssen, um Verdünnungseffekten im Körper entgegenzuwirken. Bei der Untersuchung von Tumoren im Tiermodell und im Patienten wurde das Phänomen wieder entdeckt, dass sich Bakterien und Viren bevorzugt in Tumoren ansiedeln[1]. Die Ansiedelung dieser Mikroorganismen im Tumor könnte auf besonders günstige Eigenschaften des Tumormilieus zurückzuführen sein. Bestimmte Mikroorganismen führen zum Rückgang des Tumors, was bereits vor mehr als 100 Jahren berichtet wurde (s. Referenzen in [1]). Zu den Mikroorganismen, die bereits in Tumoren nachgewiesen wurden, gehören Clostridien, Salmonellen, Streptokokken, Vibrionen sowie apathogene Escherichia coli und Bifidobakterien[1]. Mit den Mitteln der Molekularbiologie können durch genetische Modifikationen solcher Mikroorganismen neue Möglichkeiten zur Tumordetektion und sogar zur Tumortherapie realisiert werden. In unserer Arbeitsgruppe werden genetisch modifizierte, leuchtende Mikroorganismen für die Tumordetektion eingesetzt. Auf diese Weise wird nach intravenöser (i.v.) Applikation die Verteilung und Replikation der Mikroorganismen im Tier und auch im Tumor an Versuchstieren untersucht. Als Markergene zur Tumordetektion werden die bakterielle und eukaryotische Luziferase und das grün fluoreszierende Protein (GFP), alleine oder als GFP-Fusionsprotein mit Luziferase, eingesetzt[2, 3]. Luziferase ist ein Enzym, das sein Substrat Luziferin mit Hilfe von Sauerstoff umwandelt. Bei diesem chemischen Prozess wird in lebenden Zellen Licht freigesetzt, das im Dunkeln sogar mit bloßem Auge erkennbar ist[4]. GFP ist ein Protein, das nach Anregung durch UV-Licht grünes Licht emittiert[5]. Fusioniert man beide Markerproteine, so hat man ein System, mit dem Licht endogen durch die Luziferase-Reaktion und nach exogener Anregung von GFP sogar in ganzen Tieren erzeugt sowie nachgewiesen und somit zur Tumordetektion eingesetzt werden kann[6]. Die Mikroorganismen verteilen sich nach i.v.-Applikation zunächst über den gesamten Körper und sammeln sich nach einiger Zeit in Leber, Milz und Tumor an. Aus den Organen Leber und Milz werden die Mikroorganismen nach ein bis zwei Tagen durch das Immunsystem des Tieres eliminiert. Im Tumor hingegen ist das Immunsystem unterdrückt, sodass sich die Mikroben dort ungehindert vermehren können. Die Markergenexpression, die sich durch die Replikation der Mikroorganismen im Tumor verstärkt, wird mit einem hoch empfindlichen Lichtdetektionssystem, dem Low-LightImager, am lebenden Tier gemessen (Abb. 1a). Dazu wird das Tier mittels Gasnarkose betäubt und für einige Minuten in die Dunkelkammer des Low-Light-Imagers gebracht. Dort werden die von den leuchtenden Mikroorganismen ausgestrahlten Photonen von einer hoch empfindlichen Kamera gesammelt und in ein messbares Signal um- gewandelt (Abb. 1b). Neben genetisch modifizierten Mikroorganismen können auch modifizierte Säugerzellen, die sich nach i.v.Applikation ebenfalls in Tumoren anreichern, zur Tumordetektion eingesetzt werden[6]. Warum und wie die Bakterien vorzugsweise in die Tumore gelangen, ist noch nicht geklärt. Zum einen könnte das üppige Nährstoffangebot, entstanden durch Nekrotisierung der Tumorzellen, die Bakterien anlocken. Weiterhin ist das sauerstoffarme Milieu ausgedehnter Nekroseherde eine günstige Umgebung für anaerobe Bakterien, die sich häufig in Tumoren finden. Wir denken jedoch, dass durch die ungewöhnliche und löchrige Blutgefäßstruktur von Tumoren die Bakterien mit Hilfe des Blutdrucks passiv in das Tumorinnere gepresst werden. Durch das unterdrückte Immunsystem im Tumor können sich die dort angelangten Bakterien ungehindert vermehren. Unsere Arbeitsgruppe hat verschiedene Bakterienarten sowie einen abgeschwächten Vaccinia-Virus-Stamm mit Luziferase, GFP oder beidem markiert[7]. Nach i.v.-Injektion der Mikroorganismen verteilen diese sich zunächst über die Blutbahn im gesamten Körper. Wie bereits erwähnt, sammeln sich die Mikroben zunächst in Leber und Milz, den Reinigungs- und Abwehrorganen des Körpers, werden von dort aber rasch eliminiert (Abb. 2a). Nach einigen Tagen sind die Mikroorganismen nur noch im Tumor detektierbar, wo sie sich ungehindert vermehren konnten. Diese Vermehrung wird über die Zunahme der Lumineszenz-Intensität festgestellt. Einmal im Tumor angelangt, bleiben die Mikroorganismen dort und treten nicht wieder in den Blutkreislauf zurück[7] (Abb. 2b). Abb. 1: Lichtdetektionssystem Low-Light Imager Night Owl™ von Berthold Technologies zur Detektion der Luziferase-Expression. a) Mithilfe des Lichtdetektionssystems Night Owl™ werden einzelne Photonen, die vom Untersuchungsobjekt ausgestrahlt werden, von einer hoch empfindlichen CCD(charge-coupled device)-Kamera eingefangen und in messbare, positionierte elektronische Signale umgewandelt. Zusätzlich wird ein digitales Foto des Untersuchungsobjekts aufgezeichnet. b) Die gemessenen Signale werden, je nach ihrer Intensität in unterschiedlichen Farben, mit dem Foto des Untersuchungsobjekts überlagert. BIOspektrum · 5/05 · 11. Jahrgang Methoden 633 [5] Smith, T. (2000): Going green. Nature Strucural biology 7 (12): 1089. [6] Yu, Y. A., Timiryasova, T. M., Zhang, Q., Beltz, R., Szalay, A. A. (2003): Optical imaging: bacteria viruses, and mammalian cells encoding light-emitting proteins reveal the locations of primary tumors and metstases in animals. Anal Bioanal Chem 377: 964–972. [7] Yu, Y. A., Shabahang, S., Timiryasova, T. M., Zhang, Q., Beltz, R., Gentschev, I., Goebel, W., Szalay, A. A. (2004): Visualization of tumors and metastases in live animals with bacteria and vaccinia virus encoding light-emitting proteins. Nature Biotechnology 22 (3): 313–320. [8] Gentschev, I., Dietrich, G., Spreng, S., Pilgrim, S., Stritzker, F., Kolb-Mäurer, A., Goebel, W. (2001): Delivery of protein antigens and DNA by attenuated intracellular bacteria. International Journal of Medical Microbiology 291: 577–582. [9] Dang, L. H., Bettegowda, C., Huso, D. L., Kinzler, K. W., Vogelstein, B. (2001): Combination bacteriolytic therapy for the treatment of experimental tumors. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 98: 15155–15160. [10] Agrawal, N., Bettegowda, C., Cheong, I., Geschwind, J.-F., Drake, C. G., Hipkiss, E. L., Tatsumi, M., Dang, L. H., Diaz, L. A., Pomper, M., Abusedera, M., Wahl, R. L., Kinzler, K. W., Zhou, S., Huso, D. L., Vogelstein, B. (2004): Bacteriolytic therapy can generate a potent immune response against experimental tumors. PNAS 101 (42): 15172–15177. Abb. 2: Detektion der Lumineszenzintensität und -verteilung von Mikroorganismen im lebenden Tier. a) Verteilung von abgeschwächten Salmonellen im gesamten Körper des Versuchstieres sofort nach der i.v.-Injektion. b) Zunahmen der Lumineszenz-Intensität von Tag 2 (I), über Tag 4 (II) zu Tag 6 (III) nach i.v.-Injektion von Vibrionen. c) Analyse von Blut und Tumor-Flüssigkeit zum Nachweis von Mikroorganismen. Nach Kultivierung befinden sich keine leuchtenden Mikroorganismen in der Blutprobe (links), aber in der Tumor-Flüssigkeit (rechts) (I: Foto, II: Lumineszenzbild). Das Phänomen, dass Bakterien und Viren sich selektiv im Tumor ansiedeln und vermehren, stellt einen enormen Vorteil für die Anti-Tumor-Therapie dar. Während herkömmliche Krebsmedikamente oft nicht selektiv genug gegen Krebszellen sind und im Körper stark ausdünnen, kann mit Mikroorganismen sogar eine lokale, Tumor-spezifische Verstärkung des therapeutischen Effekts erzielt werden. Deshalb gewinnen Mikroorganismen für den Einsatz in der experimentellen Tumortherapie zunehmende Bedeutung. So können sie gezielt AntiTumor-Medikamente zum Tumor transportieren[8] und selbst, modifiziert, gegen Tumorzellen vorgehen[9]. Noch nicht publizierte Daten unserer Arbeitsgruppen zeigen, dass einige experimentelle Tumore in Mäusen nach Virusinjektion nicht nur besiedelt werden, sondern vollständig zurückgehen, ebenso wie experimentelle Tumore, die mit Clostridien kolonisiert wurden[10]. Die Ursache des Tumorrückgangs ist noch nicht geklärt, wird aktuell jedoch intensiv erforscht. Diese TatsaBIOspektrum · 5/05 · 11. Jahrgang che, dass mit Hilfe von Mikroorganismen, in unserem Fall einem Vaccinia-Virus-Stamm, ein vollständiger Tumorrückgang erreicht werden kann, gibt Hoffnung auf eine baldige Bereitstellung einer kombinierten TumorDetektions- und -Therapie-Methode für Krebspatienten. Literatur [1] Pawelek, J. M., Brooks Low, K., Bermudes, D. (2003): Bacteria as tumour-targeting vectors. Lancet Oncology 4: 548–556. [2] Greer III, L. F., Szalay, A. A. (2002): Imaging of light emission from the expression of luciferases in living cells and organisms: a review. Luminescence 17: 43–74. [3] Wang, Y., Yu, Y. A., Shabahang, S., Wang, G., Szalay, A. A. (2002): Renilla luciferase- Aequorea GFP (Ruc-GFP) fusion protein, a novel dual reporter for realtime imaging of gene expression in cell cultures and in live animals. Mol Genet Genomics 268(2): 160–168. [4] Woodland Hastings, J. (1996): Chemistries and colors of bioluminescent reactions: a review. Gene 173: 5–11. Korrespondenzadresse: Aladar A. Szalay Rudolf-Virchow-Zentrum für experimentelle Biomedizin und Biozentrum Universität Würzburg D-97074 Würzburg Tel.: 0931-8884410 Fax: 0931-8884422 [email protected]