Agogisches Präventionskonzept

Werbung
Elemente institutioneller Prävention
Elemente institutioneller Prävention
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
56
57
für grenzachtendes Verhalten und eine Verbesserung der ethisch-professionellen
Haltung erreicht werden. Das gilt besonders bei leichten Grenzverletzungen aus Unreflektiertheit oder Respektlosigkeit. Dort, wo ein Verdacht besteht, dass das Fehlverhalten der Vorbereitung eines sexuellen Missbrauchs dient, sind andere Schritte zu
ergreifen. In jedem Fall aber hat der/die ArbeitgeberIn sämtliche Anordnungen sorgfältig zu dokumentieren.
Entlassung – eine sinnvolle Massnahme?
Bei einem Verdacht auf sexuelle Übergriffe ist die «Kündigung im gegenseitigen
Einverständnis» ein häufig praktizierter Weg. Aus präventiver Sicht ist er eher unverantwortlich. Oftmals wechselt eine angeschuldigte Person einfach ArbeitgeberIn und
-ort und es lässt sich bei deren Neuanstellung kaum noch eruieren, aus welchen Gründen sie die alte Stelle verlassen hat. Es ist ganz im Sinne der Angestellten, dass jeder
Hinweis ernstgenommen und untersucht wird. Es gehört zudem zur Fürsorgepflicht
der Leitung, dass sie tätig wird, denn eine Kündigung ohne vorgängige Abklärung
und Intervention ist unter Umständen sogar missbräuchlich. Vorausgesetzt, es handelt sich um einen hinreichenden Anfangsverdacht, trägt ein eingeleitetes Strafverfahren zur Klärung und Wahrung des fachlich abgesteckten Rahmens bei. Sollte die
Beschuldigung zu Unrecht erfolgt sein, so wird eine professionell durchgeführte Ermittlung auch dies ans Tageslicht bringen. Deshalb hat ebenfalls mit Sanktionen zu
rechnen, wer jemanden wider besseres Wissen ungerechtfertigt der sexuellen Gewalt
beschuldigt.
Eine Organisation hat
nicht nur gegenüber
dem Opfer, sondern
auch gegenüber
allfällig weiteren
Betroffenen und der
Öffentlichkeit eine
Pflicht, zu handeln
und weitere Fälle zu
verhindern.
Dennoch – ein Strafverfahren entbindet den/die ArbeitgeberIn nicht davon, auch
weitere arbeitsrechtliche und disziplinarische Massnahmen zu prüfen und einzuleiten.
Es kann sein, dass es zu einer Einstellung des Verfahrens oder zu einem Freispruch
kommt, auch wenn berechtigte Zweifel am professionellen Verhalten des Beschuldigten bestanden haben. Wird der Verdacht nicht vollständig ausgeräumt, ist das
Vertrauensverhältnis meist zerstört und eine ordentliche Kündigung muss in Betracht
gezogen werden.
Strafanzeige ja oder nein?
Bei der Entscheidung für oder wider eine Strafanzeige trägt eine Organisation eine
andere Verantwortung als Personen im Umfeld eines familiären Missbrauchs. Sie hat
nicht nur gegenüber dem Opfer, sondern auch gegenüber allfällig weiteren Betroffenen und der Öffentlichkeit eine Pflicht, zu handeln und weitere Fälle zu verhindern.
Deshalb muss auch das Mittel der Strafuntersuchung rascher eingesetzt werden als im
Privatbereich. Vor Erstattung einer Strafanzeige soll jedoch unbedingt eine rechtskundige, spezialisierte Fachperson oder -stelle konsultiert werden.
Viele Betroffene äussern zunächst Widerstand, den Täter (die Täterin) durch eine
Strafanzeige zu verraten, und wehren sich aus verständlichen Gründen, die Verantwortung für diesen Schritt zu übernehmen. Sie sind jedoch meistens erleichtert, wenn
sich die Organisation klar dafür zuständig zeigt und lassen sich normalerweise von
einer internen Meldepflicht überzeugen. Allerdings sollte sichergestellt werden, dass
die Opfer von Gewalt und ihre Angehörigen über alle Schritte informiert werden, die
notwendige Unterstützung erhalten und «nicht innerhalb der Institution öffentlich
geoutet und somit erneut blossgestellt und zum Mobbing freigegeben werden».31 In
diesem Zusammenhang ist es empfehlenswert, den Kontakt zu einer Opferhilfestelle
zu suchen, um eine kompetente Begleitung für die Geschädigten in einem Gerichtsverfahren und weiterführende Unterstützung zu garantieren.32
3.1.3. Agogisches Präventionskonzept
3
Analog zu den Ergänzungen im Leitbild und dem Verhaltenskodex für die Mitarbeitenden sind die Grundsätze einer grenzachtenden Kultur auch auf der Ebene der
direkten Arbeit mit der Klientel zu verankern. In einem entsprechenden Konzept sind
die Zielsetzungen, Massnahmen und Methoden festzuhalten, welche dazu beitragen,
Kinder, Jugendliche und Menschen mit einer Behinderung künftig besser vor (sexualisierter) Gewalt zu schützen – und zwar innerhalb wie ausserhalb der Organisation.
Um Nachhaltigkeit zu erzielen, sollte sich die direkte präventive Arbeit mit Mädchen und Jungen nicht auf einmalige Veranstaltungen und Projekte beschränken.
Vielmehr muss sie kontinuierlich in den (päd)agogischen Alltag einfliessen und für
alle Aufgabenbereiche überprüft und definiert werden. Beim folgenden Raster eines
(päd)agogischen Präventionskonzeptes handelt es sich um einzelne Bausteine, die in
ihrer Gesamtheit eine optimale direkte Prävention mit KlientInnen verkörpern. Jedes
Element kann für sich betrachtet auch weggelassen oder in einem anderen konzeptionellen Zusammenhang aufgeführt werden.
Grundsatz
In ein Konzept zur Prävention sexueller Ausbeutung gehört eine Grundsatzerklärung, die sich an das Leitbild anlehnt und den Schutz der (sexuellen) Integrität
nochmals explizit benennt. Es empfiehlt sich, diesen Grundsatz auszuführen und die
Rechte der Klientel auf eine Privat- und Intimsphäre, auf Schutz vor Diskriminierung
und Gewalt sowie auf sofortige Hilfe in Notlagen explizit zu erwähnen.33
31 Enders, Kossatz & Kelkel 2010, S. 9
32 Adressen zur Opferhilfe vgl. im Anhang unter «Weiterführende Literatur und Links»
33 Enders 2010, S. 1
Um Nachhaltigkeit
zu erzielen, sollte
sich die direkte
präventive Arbeit mit
Mädchen und Jungen
nicht auf einmalige
Veranstaltungen und
Projekte beschränken. Vielmehr sollte
sie kontinuierlich in
den (päd)agogischen
Alltag einfliessen.
Elemente institutioneller Prävention
Elemente institutioneller Prävention
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
58
59
Um einen effektiven
Schutz vor sexueller
Ausbeutung zu
erreichen, müssen
die Zielsetzungen,
Massnahmen und
Methoden möglichst
spezifisch auf die
Ausgangs- und
Gefährdungslage der
jeweiligen Klientel
ausgerichtet sein.
Ausgangslage
Zielsetzungen und Zielgruppen
Je nach Auftrag und Rahmenbedingungen einer Organisation bestehen unterschiedlich gelagerte Risiken für die Klientel, welche eruiert und deutlich benannt
werden sollten. In einem Heim für straffällige männliche Jugendliche ist das Potenzial
für (sexualisierte) Aggression untereinander höher als in einer Krippe für Kleinkinder,
in einer Einrichtung für geistig behinderte junge Frauen werden sexuelle Übergriffe
innerhalb von Beziehungen stärker Thema sein als in einer Schulklasse der Unterstufe. Um nachhaltigen und effektiven Schutz vor sexueller Ausbeutung zu erreichen,
müssen die Zielsetzungen, Massnahmen und Methoden möglichst spezifisch auf die
Ausgangs- und Gefährdungslage der jeweiligen Klientel ausgerichtet sein.
Je nach Kontext und Klientel sollten auch die Ziele der direkten Prävention variiert
werden. Grundsätzlich macht es Sinn, zwischen primären, sekundären und tertiären
Präventionszielen zu unterscheiden. Damit haben sowohl Früherkennung und -intervention wie auch allfällige Unterstützungsmassnahmen genauso ihren Platz im agogischen Konzept wie die allgemeine Prävention. Je nach Zielgruppe ist allenfalls auch
die Unterscheidung zwischen universeller, indizierter und selektiver Prävention zu
wählen.35 Besonders im Umgang mit Hochrisikogruppen wie etwa Kleinkindern von
suchtkranken Eltern oder gewaltbereiten Jugendlichen werden dadurch noch gezieltere Ansatzmöglichkeiten zur Gewaltreduktion eröffnet.
Definition und Begrifflichkeiten
Es gehört zum Prozess der Erarbeitung eines Präventionskonzeptes, sich mit den
verschiedenen Gewaltformen auseinanderzusetzen und Definitionen sexueller Gewalt auszuwählen, die für die präventive Arbeit in der eigenen Organisation von Bedeutung sind. Insbesondere sollten die folgenden Aspekte diskutiert und eingegrenzt
werden:
›
Gewaltbegriff
Welche Gewaltformen sollen verhindert werden? Bezieht sich das präventive
Konzept allein auf sexuelle Ausbeutung oder soll es breiter ausgerichtet sein und
jegliche Formen von Gewalt mit einschliessen?
›
Definition und Formen von sexueller Gewalt
Welche Definitionen eignen sich zur Umschreibung der Gewaltformen, die bei uns
am ehesten auftreten und wahrgenommen, unterschieden und entsprechend geahndet werden sollten?
›
Ebenen der Gewalt
Sollen die präventiven Massnahmen ausschliesslich auf mögliche Gewalthandlungen von in der Organisation Tätigen gegenüber Schutzbefohlenen ausgerichtet
sein oder werden auch Übergriffe innerhalb der Klientel angegangen? Wie steht
es mit Gewalt in der (Herkunfts)familie?
›
Rechtliche Eingrenzung
Eventuell: Welches sind die relevanten Gesetzesartikel?34
In der Regel richten sich die Ziele, Massnahmen und Methoden der direkten Prävention an die potenziellen Opfer von sexueller Gewalt. Daneben gibt es jedoch noch
weitere Anspruchsgruppen, die ebenfalls in das (päd)agogische Präventionskonzept
einbezogen werden sollten. Es sind dies:
›
KlientInnen als mögliche Täter(innen)
In jeder Organisation, in der sich Kinder, Jugendliche und Menschen mit einer Behinderung bewegen, kann es auch zu (sexuellen) Übergriffen untereinander kommen. Die direkte Prävention ist wie alle institutionellen Massnahmen nicht nur auf
potenzielle Opfer, sondern zugleich auf die Verringerung des Risikos gegenseitiger
Grenzverletzungen ausgerichtet.
›
Eltern
In vielen stationären Einrichtungen, aber auch in den meisten Tageseinrichtungen
sind die Eltern wichtige Partner bei der individuellen Förder- und Entwicklungsplanung. Werden sie über die präventiven Ansätze informiert und mit einbezogen
in Präventionmassnahmen, so können sie viel zu deren Erfolg und Nachhaltigkeit
beitragen.
Primäre Präventionsmassnahmen
Primärprävention mit Mädchen und Jungen ist breit ausgerichtet und hat zum Ziel,
die Widerstandskraft potenzieller Opfer in verschiedenen Persönlichkeitsbereichen
zu stärken und eine grenzachtende Kultur innerhalb der Klientel zu fördern. Die einzelnen Elemente der Primärprävention sind:
›
›
34 vgl. Kapitel 4.1., S. 99 ff.
Emanzipatorische Erziehung und Partizipation
7-Punkte-Prävention
35 vgl. das Kapitel «Evidenzbasierte Gewaltprävention», S. 31
3
Elemente institutioneller Prävention
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
Elemente institutioneller Prävention
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
60
61
›
›
›
Konsequenterweise
mündet eine emanzipatorische Erziehung
in einer weitgehenden Partizipation
der KlientInnen bei
allen sie betreffenden
Entscheidungen und
Strukturen.
Sexualerziehung
Gendersensible (Päd)agogik
Grenzachtende Gruppenkultur (inkl. Medienkompetenz)
Emanzipatorische Grundhaltung und Partizipation
Hinter jeder Prävention sexueller Ausbeutung muss eine Haltung stehen, die Mädchen und Jungen sowie Menschen mit einer Behinderung als eigenständige Subjekte
mit vielfältigen Ressourcen und dem Recht auf ein ungestörtes Wachstum, Selbstverwirklichung und Gleichwertigkeit versteht. Besonders im Umgang mit migrierten
und/oder bildungsfernen Familien und deren Kindern sollten Organisationen sich
jedoch bewusst sein, dass diese Grundhaltung stark westlich, an den Wertmassstäben gebildeter Schichten und individualistisch orientiert ist. Ein reflektierter Umgang
mit den unterschiedlichen Realitäten der Klientel ist deshalb ebenfalls ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer bewusst entschiedenen und klar kommunizierten
emanzipatorischen Erziehungshaltung, welche die Stärkung von Kindern, Jugendlichen und Menschen mit einer Behinderung zum Ziel hat. Konsequenterweise mündet sie in einer weitgehenden Partizipation der betroffenen KlientInnen bei allen sie
betreffenden Entscheidungen und Strukturen.
7-Punkte-Prävention
Prävention sexueller Ausbeutung hat zum Ziel, Kinder in ihrer Entwicklung zu
selbstbewussten und eigenständigen Persönlichkeiten zu unterstützen, sodass sie
sich selbst mit ihren Gefühlen und Bedürfnissen, ihren Fähigkeiten und ihren Grenzen
kennen, einbringen und verteidigen können. Seit ungefähr dreissig Jahren existieren
dazu Präventionsprogramme, welche ursprünglich aus den USA kamen und später
eine breite Anwendung in ganz Europa fanden. Das bekannteste war das CAPP (Child
Assault Prevention Program), in Deutschland und der Schweiz geläufig unter dem
Namen «7-Punkte-Prävention».36 Kernidee dieser Programme war und ist heute noch,
Kinder und Jugendliche über sexuelle Ausbeutung zu informieren, Verhaltensweisen
mit ihnen einzuüben und sie soweit zu stärken, dass sie in der Lage sein sollten, kritische Situationen zu erkennen, sich zu wehren und Hilfe zu organisieren. Die sieben
Punkte, in Form von Botschaften verfasst, lassen sich gut in den (päd)agogischen
Alltag einbauen und in den verschiedensten Bereichen anwenden:
36 Dazu existieren eine Vielzahl von Publikationen und Broschüren, z. B. Limita (2008). Sexuelle
Ausbeutung von Mädchen und Jungen. Wie kann ich mein Kind schützen? Zürich: Eigenverlag
1. Dein Körper gehört dir
Förderung eines positiven Körpergefühls als Grundlage für ein gutes Selbstbewusstsein und Vermittlung des Selbstbestimmungsrechts über den eigenen
Körper
2. Deine Gefühle sind wichtig
Förderung des Vertrauens in die eigene Intuition und Stärkung von Gefühlswahrnehmung und -ausdruck
3. Es gibt angenehme und unangenehme Berührungen
Unterscheidung von angenehmen und unangenehmen Berührungen, Vermittlung des Rechts auf Ablehnung von ungewollten Körperkontakten und konkrete
Aufklärung über sexuelle Ausbeutung
4. Du hast das Recht, Nein zu sagen
Vermittlung des Rechts auf einen respektvollen Umgang mit eigenen (und fremden) Grenzen und Entwicklung von Abwehrstrategien (Neinsagen können und
dürfen)
5. Es gibt gute und schlechte Geheimnisse
Unterscheidung von guten und schlechten Geheimnissen und Aufforderung, belastende Geheimnisse trotz Schweigegebot des Täters (der Täterin) aufzudecken
6. Du hast das Recht auf Hilfe
Informationen über Unterstützungsangebote, Entwicklung von Hilfsstrategien
und Förderung solidarischen Handelns
7. Du bist nicht schuld
Klare Zuweisung der Verantwortung für die sexuelle Ausbeutung an den Täter
(die Täterin). Das ist vor allem wichtig für bereits betroffene Kinder, mit denen
präventiv gearbeitet wird.
Präventive Inhalte sollten nicht einmalig, sondern wiederholt, nach Möglichkeit über
die gesamte Dauer des Aufenthalts, vermittelt werden und dem Entwicklungsstand
der Klientel angepasst werden. Bei jüngeren Kindern macht eine eher unspezifische
Prävention Sinn, da sie kognitiv und emotional noch nicht in der Lage sind, sexuelle
Handlungen von Erwachsenen zu verstehen und einzuordnen. Mädchen und Jungen
ab dem Schulalter, Jugendliche und Menschen mit einer Behinderung hingegen sollten
offen darüber informiert werden, was bei einer sexuellen Ausbeutung geschehen kann,
wer die Täter (die Täterinnen) sind und wie diese vorgehen. Das Ganze sollte eingebettet werden in weitere Aspekte der Persönlichkeitserziehung, allen voran Sexualerziehung und eine geschlechtsreflektierende beziehungsweise gendersensible Pädagogik.
3
Elemente institutioneller Prävention
Elemente institutioneller Prävention
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
62
63
Um sich für seinen
Körper und dessen
Integrität einsetzen
und wehren zu
können, benötigen
Kinder Selbstbewusstsein, Wissen
und eine Sprache für
Körperteile und sexuelle Handlungen.
Sexualerziehung
Zwar handelt es sich bei sexuellen Grenzverletzungen primär um Gewalt. Doch
diese geschieht innerhalb oder mit dem Mittel der Sexualität. Eine emanzipatorische
Sexualerziehung ist deshalb Voraussetzung wie auch Bestandteil einer nachhaltig
ausgestalteten Prävention. Um sich für seinen Körper und dessen Integrität einsetzen
und wehren zu können, benötigen Kinder Selbstbewusstsein, Wissen und eine Sprache für Körperteile und sexuelle Handlungen. Doch sollte sich das keinesfalls in einer
rein «technischen» Aufklärung erschöpfen, sondern vielmehr auf einer umfassenden,
positiven und stärkenden Körper- und Sexualerziehung gründen. Kinder, Jugendliche
und Menschen mit einer Behinderung, die einen lustvollen Zugang zu ihrem eigenen
Körper haben und gelernt haben, offen über Sexualität zu reden, werden eher in der
Lage sein, Übergriffe auf die eigene Person wahrzunehmen, sich dagegen abzugrenzen und mitzuteilen. Deshalb ist es empfehlenswert, Kindern zuerst die positiven Seiten der Sexualität zu vermitteln, um sie darauf aufbauend auch über problematische
Aspekte wie AIDS, Abtreibung und sexuelle Gewalt zu informieren.37
Für eine präventiv ausgerichtete Sexualpädagogik sollten folgende Inhalte diskutiert und festgelegt werden:
›
›
›
›
›
›
›
Haltung gegenüber der kindlichen beziehungsweise jugendlichen Sexualität,
Themen der Aufklärung und Sexualerziehung und deren Einbettung in den übrigen Alltag,
Umgang mit den sexuellen Aktivitäten der Kinder und/oder Jugendlichen in der
eigenen Einrichtung sowie Festlegung der Grenzen,
Umgang mit sexuellen Übergriffen unter den Kindern und/oder Jugendlichen,
Auseinandersetzung über gewalttätige und pornografische Medieninhalte und
Regelungen dazu,
Querverweise auf die internen Reglemente und Standards sowie Hinweis auf
Meldemöglichkeiten bei sexuellen Grenzverletzungen,
Zusammenarbeit mit den Eltern.
Sexualaufklärung und Beziehungsgestaltung sind auch im Jugendalter Themenbereiche von grosser Wichtigkeit, denn auf dieser Altersstufe kommt der Aspekt sexueller Übergriffe unter Gleichaltrigen vermehrt ins Spiel. Mit dem Beginn der Pubertät
und der aufkommenden genitalen Aktivität sollten Fragen wie Flirten, die Gestaltung
von Partnerschaften, das Setzen und Respektieren von Grenzen sowie die interpersonale Kommunikation über Sexualität aufgegriffen und mit Jungen und Mädchen
– teilweise getrennt – diskutiert werden.
mit der Kategorie «Geschlecht» verknüpft ist. Tradierte Rollenbilder, Einstellungen
und Verhaltensweisen von Jungen und Mädchen tragen dazu bei, dass Mädchen
häufiger Opfer sexueller Gewalt werden und Jungen vermehrt dazu neigen, im Laufe
ihrer Sozialisation sexualisierte Gewalt gegen andere auszuüben. Prävention sexueller Ausbeutung erfordert daher eine kritische Auseinandersetzung mit den traditionellen Geschlechterrollen, die Aufhebung geschlechtsspezifischer Diskriminierungen
und die Erweiterung des Spektrums von Verhaltensmöglichkeiten und Identitätsmustern – für Mädchen wie Jungen.
Bei der Thematisierung sexueller Gewalt ist ein zeitweilig geschlechtergetrenntes
Vorgehen zu wählen, da es Jungen wie Mädchen ermöglicht, frei von gegenseitigen
Rollenerwartungen und Wertungen ihre spezifischen Erfahrungen zu reflektieren und
alternative Perspektiven zu entwickeln. Folgende Themen bilden die Schwerpunkte
der präventiven Mädchenarbeit:38
›
›
›
›
›
›
›
›
›
Arbeit an einer positiven Beziehung von Mädchen/Frauen zu ihrem Körper,
Stärkung von Selbstwert, Förderung der Unabhängigkeit von der Beachtung durch
Jungen oder Männer,
Vermittlung des Rechts auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung,
Auflösung des Tabus der Wehrhaftigkeit, Stärkung der Selbstbehauptungsfähigkeit,
Aufklärung über Vergewaltigungsmythen sowie Reflexion von traditionellen Frauenbildern, auch bezüglich Sexualität,
Aufzeigen der Verdinglichung weiblicher Sexualität in Form von Prostitution, Pornografie und Werbung,
Vermittlung von Informationen über sexuelle Gewalt, Möglichkeiten und Rechte
der Opfer und Hilfsangebote,
Förderung von eindeutigem Kommunikationsverhalten in intimen Situationen
und Beziehungen,
Information über Verzicht auf Alkoholkonsum im Kontext sexueller Interaktionen.
Eine gendersensible, gewaltpräventive Arbeit mit Mädchen wird kaum einen Nachhall zeigen, wenn die vermittelten Inhalte nicht über die Vorbildfunktion der Pädagoginnen untermauert werden. Nur wenn die Frauen in einer Organisation an den
zentralen Machtstrukturen teilhaben und eine egalitäre, grenzachtende Kultur auch
zwischen den Erwachsenen gelebte Realität ist, wird emanzipatorische Mädchenarbeit eine effektive Wirkung haben.
Gendersensible Pädagogik
Geschlechterreflektierende Pädagogik, insbesondere mädchen- und jungenspezifische Angebote, sind wichtige Bestandteile der Prävention, da sexuelle Gewalt eng
Auf der Seite der Jungen ist das Thema der sexuellen Gewalt stark mit dem Aspekt
der Täterschaft verbunden. Doch Jungen können ebenfalls Opfer werden, auch wenn
sie selbst oder die Menschen in ihrem Umfeld kaum je damit rechnen. In einer gendersensiblen Prävention geht es darum, auf die besondere Situation der Jungen ein-
37 Bange 2002, S. 448
38 vgl. Palzkill 2003, Krahé & Scheinberger-Olwig 2002
3
Nur wenn die Frauen
in einer Organisation
an den zentralen
Machtstrukturen teilhaben und eine egalitäre, grenzachtende
Kultur auch zwischen
den Erwachsenen gelebte Realität ist, wird
emanzipatorische
Mädchenarbeit eine
effektive Wirkung
haben.
Elemente institutioneller Prävention
Elemente institutioneller Prävention
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
64
65
zugehen und ihnen im direkten Kontakt mit Männern ein positives und realitätsnahes
Bild von Männlichkeit zu vermitteln. Folgende Themen bilden die Hauptinhalte einer
präventiv orientierten Jungenarbeit:
›
›
›
›
›
›
›
›
Um eine selbstbestimmte, ganzheitliche «Männlichkeit»
jenseits von Überlegenheitszwang und
Erfolgsorientierung
entwickeln zu
können, benötigen
Jungen lebendige
Vorbilder und tragfähige Beziehungen zu
Männern.
Hinterfragung «männlicher Tugenden» wie Stärke, Überlegenheit oder Gewaltbereitschaft sowie Thematisierung der damit verbundenen emotionalen Panzerung,
Förderung von sozialen und emotionalen Kompetenzen,
Verbesserung von Selbst- und Fremdwahrnehmung (Empathie) und Erlernen von
sozial verträglichen Formen der Selbstbehauptung,
kritische Reflexion über die Verknüpfung von männlicher Sexualität mit Erfolg,
Leistung und Eroberung,
Auseinandersetzung mit pornografischen und Frauen verachtenden Darstellungen und Bewusstmachen der Verantwortung für eine grenzachtende sexuelle
Interaktion,
Vermittlung von Informationen über sexuelle Gewalt und Auseinandersetzung mit
einer möglichen Opferwerdung,
Auseinandersetzung mit Homophobie und Homosexualität,
Enttabuisierung und Förderung von sogenannten «unmännlichen» Verhaltensweisen wie zum Beispiel Selbst- und Fürsorge, Rückzug oder Sensibilität.
Um eine selbstbestimmte, ganzheitliche «Männlichkeit» jenseits von Überlegenheitszwang und Erfolgsorientierung entwickeln zu können, benötigen Jungen lebendige Vorbilder und tragfähige Beziehungen zu Männern. Sei es als Vater, als Lehrer,
als Sozialpädagoge oder als Jugendarbeiter: Es sind die männlichen Bezugspersonen,
welche durch ihr Beziehungsangebot und in Form geschlechtsreflektierender Bubenarbeit einen bedeutsamen Beitrag zur Gewaltprävention leisten können.
Grenzachtende Gruppenkultur
Eine wichtige Erkenntnis aus der Forschung ist, dass selbst Kinder und Jugendliche aus sogenannten Problemfamilien in pazifistischen Schulkontexten nur wenig
eigenes Gewalthandeln zeigen. Umgekehrt begehen auch SchülerInnen mit unbelastetem familiärem Hintergrund in einem wenig friedfertigen Milieu überproportional viele Gewalthandlungen.39 Klare Interventionen von seiten der PädagogInnen
bei grenzverletzendem Verhalten der Kinder und Jugendlichen untereinander sind
Grundvoraussetzung für die Etablierung grenzachtender Normen in der gesamten
Organisation.40 Sie setzen voraus, dass ein Konsens besteht, welche Verhaltensweisen
als gewalttätig und destruktiv zu werten sind und welche Formen von Selbstbehauptung und Grenzsetzung sozial verträglich sind. Es liegt in der Verantwortung der Erwachsenen, der Entwicklung gewalttätiger Gruppenstrukturen vorzubeugen, indem
im Rahmen des agogischen Konzeptes
39 Nunner-Winkler 2006, S. 217
40 vgl. Enders 2010, S. 4
›
›
›
›
gemeinsam mit der Klientel Regeln für eine friedliches und grenzachtendes Zusammenleben aufgestellt, bekanntgegeben und durchgesetzt werden,
Methoden für gewaltfreie Konfliktlösungen vermittelt und gefördert werden,
subtile wie offensichtliche Machtverhältnisse erkannt und Schwächere notfalls
klar und unmissverständlich vor Gewalt, Mobbing und Grenzverletzung geschützt
werden,
im Umgang mit neuen Medien (Internet, Handy) Informationen vermittelt und
Kompetenzen gefördert, klare Grenzen vereinbart und von den Erwachsenen
durchgesetzt werden.41
Sekundäre Präventionsmassnahmen
3
Prävention sexualisierter Gewalt auf der Ebene der Klientel sollte sich keinesfalls in
universellen Massnahmen erschöpfen, sondern ebenso Ansätze für Früherkennung
und -intervention vermitteln, sowohl hinsichtlich möglicher Opfer als auch bezüglich
jugendlicher Täter(innen).
Sexuelle, aber auch physische und psychische Gewalthandlungen tragen in sich die
Tendenz, sich zu wiederholen und intensiver zu werden, werden sie nicht von aussen
erkannt und frühzeitig gestoppt. Dazu benötigen Mitarbeitende in einer Einrichtung
für Kinder, Jugendliche und Menschen mit einer Behinderung Kenntnisse über mögliche Gewaltformen, Symptome, die Dynamik in einem Ausbeutungsgeschehen sowie
hinreichende Handlungskompetenzen zur Intervention bei Verdacht und/oder klaren
Hinweisen auf eine Gefährdung des Kindeswohls.42 Im (päd)agogischen Konzept oder
im Interventionskonzept sollten handlungsweisende Anleitungen zu Früherkennung
und -intervention sowie die fachliche Zusammenarbeit mit externen Stellen festgelegt
werden für alle Ebenen, auf denen KlientInnen Opfer oder Täter(innen) (sexualisierter) Gewalt sein können. Gerade im Fall grenzverletzender Kinder und Jugendlicher
liegt es in der Verantwortung der betreffenden Einrichtung, gewalttätiges Verhalten
frühzeitig zu erkennen und konsequent zu stoppen, um zu verhindern, dass es sich
zu einem stabilen Muster entwickelt. Gleichzeitig sollte bei wiederholt übergriffigen
Kindern und Jugendlichen unbedingt auch abgeklärt werden, welches die Ursachen
für ihr Verhalten sind. Nicht selten waren oder sind sie selbst Opfer von physischer,
psychischer und sexueller Misshandlung. Im Gegensatz zu erwachsenen besteht bei
minderjährigen Sexualstraftäter(inne)n ein signifikanter Zusammenhang zu eigenen
Gewalterfahrungen. Das gilt vor allem für kindliche Täter(innen), denn «(…) je
jünger das sexuell übergriffige bzw. missbrauchende Kind ist, desto wahrscheinlicher
ist, dass es selbst missbraucht wurde».43
41 vgl. im Anhang «Weiterführende Literatur und Links»
42 vgl. das Kapitel «Fachwissen und Handlungskompetenz» S. 87 ff.
43 Schuhrke 2004, S. 182
Gerade im Fall grenzverletzender Kinder
und Jugendlicher liegt
es in der Verantwortung der betreffenden
Einrichtung, gewalttätiges Verhalten
frühzeitig zu erkennen und konsequent
zu stoppen, um zu
verhindern, dass
es sich zu einem
stabilen Muster entwickelt.
Elemente institutioneller Prävention
Elemente institutioneller Prävention
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
66
67
Tertiäre Präventionsmassnahmen
Rückfallprävention
Jede (sexuelle) Grenzverletzung innerhalb der Klientel fordert eine klare Intervention mit einer der Tatschwere angemessenen Sanktion. Gleichzeitig zählt die Veränderung beziehungsweise Vermeidung abweichender Verhaltensmuster zum Auftrag von
(sozial-)pädaogischen Einrichtungen, da bei deren Klientel aufgrund der Vorbelastungen bis zu einem gewissen Grad mit Übergriffen gerechnet werden muss. Neben dem
Erkennen und Unterbinden von Grenzverletzungen müssen die notwendigen Schritte
eingeleitet werden, um Rückfälle zu verhindern und einer Verfestigung von (sexuell)
übergriffigem Verhalten vorzubeugen. Je nach Tätlichkeit können verschiedene Massnahmen ergriffen werden wie beispielsweise eine Wiedergutmachung gegenüber der
betroffenen Person und/oder eine Verwarnung mit klaren Auflagen im Hinblick auf
eine Verhaltensänderung. Denkbar sind auch Konsequenzen wie ein Timeout oder im
Extremfall der Ausschluss eines (einer) tätlichen Jugendlichen. In schwerwiegenden
Fällen sexueller Gewalt sollte bei tätlichen Minderjährigen ab etwa zehn, zwölf Jahren
ebenfalls Strafanzeige eingereicht und weitere Sanktionen sowie die Bedingungen für
eine allfällige Reintegration festgelegt werden.
Das Trauma wird
wieder und wieder
reinszeniert, und das
betroffene Mädchen
läuft durch sein
Verhalten Gefahr,
erneut zum Opfer
sexualisierter Gewalt
zu werden.
Senkung der Reviktimisierungsrate
Tendieren gewaltbetroffene Jungen eher dazu, traumatische Erfahrungen über aggressives Verhalten zu kompensieren und abzuwehren, so zeigen viele sexuell missbrauchte Mädchen andere typische Muster. Nicht selten kommt es vor, dass ein von
sexueller Ausbeutung betroffenes Mädchen ständig agiert und provoziert, weil es auf
diese Weise Macht und Kontrolle erleben und ausüben kann. Viele Opfer sexueller
Ausbeutung sind der Überzeugung, dass der «einzige Wert, den sie haben, ihre sexuelle Ausbeutbarkeit und ihre Fähigkeit zu verführen und zu manipulieren darstellt».44
Das Trauma wird wieder und wieder reinszeniert, und das betroffene Mädchen läuft
durch sein Verhalten Gefahr, erneut zum Opfer sexualisierter Gewalt zu werden. Im
agogischen Konzept gerade einer stationären Einrichtung sollte deshalb die Dynamik
der Reviktimisierung Eingang finden und Grundsätze in der sozialpädagogischen Arbeit mit Opfern sexueller Gewalt festgelegt werden.
In der Arbeit mit sexuell missbrauchten Kindern und Jugendlichen sollte beachtet
werden, wie verletzlich und misstrauisch die Erfahrung der Ausbeutung die meisten
von ihnen gemacht hat. Gerade in einer Institution, in der gewaltbetroffene Mädchen
und Jungen betreut werden, sollten die Bezugspersonen unter anderem darauf achten,
44 Saller 1997, S. 164 ff.
›
›
›
›
›
›
dass in Form eines ausgesprochen grenzachtenden Umgangs sowie mit klaren
Strukturen und Regeln Vertrauen und Sicherheit der Kinder wieder hergestellt
werden können,
dass die Erwachsenen den Kindern ein Vorbild sind, indem sie ihre eigene Integrität schützen und ihre Grenzen deutlich ziehen,
dass der Missbrauch weder dramatisiert noch geleugnet, sondern akzeptiert und
damit die Möglichkeit zur Trauer und Verarbeitung gegeben wird,
dass dem Kind die Ambivalenz gegenüber dem Täter (der Täterin) zugestanden
wird,
dass das sozialpädagogische Angebot weniger auf die erlittene Ausbeutung als
vielmehr auf eine Öffnung der Situation und damit eine Erweiterung der biografisch erworbenen Verhaltensweisen zielt,!"
und dass vor allem die positiven Seiten und die Überlebensstärken der Betroffenen
gesehen und ihre Ressourcen, ihr Selbstwertgefühl und ihre Zuversicht gefördert
werden.!#
3
In jedem Fall gehören bei den tertiären Präventionsmassnahmen einer Organisation die Reflexion des eigentlichen Auftrags sowie die klare Abgrenzung gegenüber
therapeutischen und/oder strafrechtlichen Massnahmen ebenfalls in das Konzept.
Sowohl im Falle von Betroffenen als auch im Falle von tätlichen Kindern/Jugendlichen
sollten die Kooperationen mit den entsprechenden Fachstellen und -personen gesucht, verhandelt und festgeschrieben werden.
Elternarbeit
Präventionsbemühungen sind umso nachhaltiger, je mehr Lebensbereiche der
Kinder und Jugendlichen einbezogen werden. Deshalb sollten auch die Eltern der
Mädchen und Jungen bei Eintritt und in regelmässigen Abständen über die Zielsetzungen, Massnahmen und Methoden der Prävention informiert werden. Eltern sind
meist dankbar für Informationen zu sexueller Gewalt und froh, wenn solche Themen
angeschnitten werden. Ein heikler Punkt ist allenfalls die Sexualerziehung, für welche
die Eltern ebenfalls möglichst gewonnen und/oder die als Aufnahmekriterium gegenüber der Familie und den VersorgerInnen transparent gemacht werden sollte.
Analog zur grösseren Rückfallgefahr von jüngeren Täter(innen) steht der präventive Befund, dass eine Intervention umso einfacher und erfolgreicher ist, je früher
gehandelt wird. Frühprävention hat deshalb in erster Linie auf der Ebene der Familie
anzusetzen. «Die Förderung von elterlichen Erziehungskompetenzen in allen Lebensphasen ist ein wirksamer Beitrag zur universellen Prävention von Problemverhalten
bei Kindern und Jugendlichen».47 Leider erreicht Frühprävention immer nur einen
45 Winkler 2005, S. 719
46 ebd., vgl. auch Eckhardt 2005
47 Eisner, Ribeaud & Bittel 2006, S. 40
«Die Förderung von
elterlichen Erziehungskompetenzen
in allen Lebensphasen ist ein wirksamer
Beitrag zur universellen Prävention von
Problemverhalten bei
Kindern und Jugendlichen».47
Elemente institutioneller Prävention
Elemente institutioneller Prävention
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
Massnahmen auf der Ebene der Kultur
68
69
Teil der Zielgruppen, deshalb sind Anstrengungen zu unternehmen, auch Eltern mit
einem bildungsfernen oder Migrationshintergrund anzusprechen. In ein (päd)agogisches Konzept gehören aus diesem Grunde auch Ansätze, wie die Eltern in die Prävention sexueller Gewalt einbezogen werden können:
›
›
›
›
›
Information über die Inhalte und Methoden der primären Prävention und Vermittlung der positiven Auswirkungen einer emanzipatorischen Grundhaltung,
Aufklärung der Eltern über geltende Regelungen, Beschwerdemöglichkeiten und
Präventionskonzepte,
Frühe Unterstützung oder Beratung für überforderte Eltern, um sie in ihren Erziehungskompetenzen zu stärken,
Sicherung einer kontinuierlichen Kooperation mit Eltern in Problemfamilien,
Parteiliche Unterstützungsangebote von Eltern (sowohl von Opfern wie von tätlichen Kindern) in Krisensituationen.
Konkrete Präventionsprojekte und -materialien
Den Möglichkeiten
zur Umsetzung
beispielsweise
der 7-Punkte-Prävention sind kaum
Grenzen gesetzt und
gemeinsam mit den
AdressatInnen lassen
sich unzählige Projekte entwickeln und
durchführen.
Die direkte Prävention mit Kindern, Jugendlichen und Menschen mit einer Behinderung kann eine sehr lustvolle Angelegenheit sein und grossen Spass machen. Den
Möglichkeiten zur Umsetzung beispielsweise der 7-Punkte-Prävention sind kaum
Grenzen gesetzt und gemeinsam mit den AdressatInnen lassen sich unzählige Projekte zu Partizipation, Körpererfahrungen, Wahrnehmungsschulung, Selbstverteidigung, Hilfsstrategien und vieles anderes mehr entwickeln und durchführen. Zudem
existieren mittlerweile eine Vielzahl von Materialien und präventiven Angeboten,48
die sich für verschiedenste Einsätze eignen und eine ideale Ergänzung zum Konzept
bilden. Wichtig ist letztlich, dass die direkte Prävention mit Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen mit einer geistigen Behinderung …
… nicht als das alleinige Instrument zur Prävention sexueller Gewalt betrachtet wird,
sondern als ein Element im Verbund mit allen weiteren Massnahmen,
… sich nicht nur auf potenzielle Opfer, sondern auch auf übergriffige Kinder und
Jugendliche bezieht (Täterprävention),
… nach Alter, Entwicklungsstand und Geschlecht differenziert wird,
… die bei sexueller Ausbeutung hauptsächlich betroffenen Persönlichkeitsdimensionen berücksichtigt, also Geschlecht, Sexualität und Macht/Ohnmacht,
… Zielsetzungen, Massnahmen und Methoden zur generellen Verhinderung von
sexueller Gewalt, Früherkennung sowie Verarbeitung und Rückfallverminderung
umschreibt,
… Elternarbeit als eine wichtige Voraussetzung für eine nachhaltige Wirkung
würdigt,
48
vgl. dazu im Anhang «Weiterführende Literatur und Links»
… Kooperationen und Synergien mit anderen PartnerInnen für kind- und jugendgerechte Ansätze nutzt,
… auf einem emanzipatorischen Ansatz fusst, der zwar bei den Ressourcen der
Klientel ansetzt, dabei aber strukturelle Beschränkungen und gewaltfördernde
Bedingungen nicht schönredet, sondern zu verändern sucht.
Raster für ein agogisches Präventionskonzept
Grundsatz
Ausgangslage
Definition und Begriffe
Zielsetzungen und Zielgruppen
Primäre Präventionsmassnahmen
› Emanzipatorische Grundhaltung
› 7-Punkte-Prävention
› Sexualerziehung
› Gendersensible Pädagogik
› Grenzachtende Gruppenkultur
Sekundäre Präventionsmassnahmen
Tertiäre Präventionsmassnahmen
Elternarbeit
Umsetzung
Evaluation
3
Herunterladen