181/45 © 2003 Schattauer GmbH Thrombozytenaggregationshemmer H. Patscheke Zentrum für Labormedizin, Mikrobiologie und Transfusionsmedizin, Städtisches Klinikum Karlsruhe Schlüsselwörter Keywords GPIIb/IIIa-Antagonisten, Azetylsalizylsäure, Clopidogrel, Ticlopidin, Thrombozytenaggregation GPIIb/IIIa antagonists, acetylsalicylic acid, clopidogrel, ticlopidine, platelet aggregation Zusammenfassung Summary Unabhängig von ihrem Wirkungsmechanismus greifen Antikoagulanzien stets unmittelbar in die Bildung und Wirkung von Thrombin und damit die Endstrecke der Gerinnung ein. Von den Aggregationshemmern hemmen nur die GPIIb/IIIa-Antagonisten die gemeinsame Endstrecke der Plättchenaggregation, indem sie die Bildung von Fibrinogen/von-Willebrand-Faktor-vermittelten Plättchen-Plättchen-Brücken hemmen. Azetylsalizylsäure (ASS), NSARs, Clopidogrel oder Ticlopidin begrenzen die Plättchenaktivierung dagegen, indem sie die Bildung bzw. Wirkung der sekundären Plättchenagonisten Thromboxan A2 bzw. ADP ausschalten, aber z. B. die durch Thrombin direkt induzierbare Plättchenaggregation nicht. Deshalb rufen ASS, Clopidogrel oder Ticlopidin allein kein wesentliches Blutungsrisiko hevor, wenn nicht weitere, die Hämostase beeinträchtigende Faktoren (z.B. ausgeprägte Thrombozytopenie, Antikoagulation) vorliegen. Deshalb entfällt für diese Hemmstoffe auch die Notwendigkeit der Therapiekontrolle. Beim therapeutischen Einsatz von ASS als Aggregationshemmer ist vielmehr die Dosierung darauf abzustellen, eine vollständige Blockade (mind. 90%) der Thromboxanbiosynthese in den Plättchen zu erreichen, um überhaupt einen therapeutischen bzw. prophylaktischen Effekt zu erzielen. Von den GPIIb/IIIa-Antagonisten sind nur die parenteral eingesetzten (Abciximab, Eptifibatid, Tirofiban) zugelassen. Orale GPIIb/IIIa-Antagonisten zeigten bisher in klinischen Studien ein erhöhtes Blutungsrisiko bei nicht ausreichendem therapeutischen Nutzen. Die meisten GPIIb/IIIa-Antagonisten verursachen eine leichte Thrombozytopenie, als deren Auslöser die Inhibitor-RezeptorWechselwirkung bzw. immunologische Mechanismen diskutiert werden. Für das spezifische Monitoring dieser potenten Aggregationshemmer ist ein »Point-of-Care«Testsystem verfügbar. Für die Einschätzung des Blutungsrisikos müssen jedoch stets alle, die Hämostase beeinflussende Faktoren berücksichtigt werden. Das gilt insbesondere, wenn neben GPIIb/IIIa-Antagonisten Heparin u.a. Wirkstoffe eingesetzt werden. Irrespective of their mechanism of action, anticoagulants reduce the formation and action of thrombin. Thus they interfere with a final step in coagulation. Among platelet inhibitors only the GPIIb/IIIa antagonists inhibit the common pathway of aggregation, namely the formation of platelet-to-platelet bridges which are mediated by fibrinogen or von Willebrand factor. In contrast, acetylsalicylic acid (ASA), NSAIDs, clopidogrel (Plavix®) or ticlopidine (Tyklid®) inhibit platelet activation by abrogating the formation or action of a secondary platelet agonist, namely of thromboxane A2 or ADP. They do not block platelet aggregation which is directly induced by thrombin. Therefore, ASA, clopidogrel, or ticlopidine are not associated with a significant risk of bleeding as long as other factors such as an extensive thrombocytopenia or anticoagulation are not involved. Therefore, in contrast to anticoagulants, therapeutic drug monitoring is not necessary with ASA, clopidogrel, nor ticlopidine. On the other hand, ASA has even to be applied at a dosage that almost completely inhibits thromboxane synthesis in order to act on platelet aggregation at all. Among the GPIIb/IIIa-antagonists only parenteral drugs have been approved for therapeutic use, e. g. abciximab (ReoPro®), eptifibatide (Integrilin®), and tirofiban (Aggrastat®). Clinical studies revealed an increased risk of bleeding without a sufficient therapeutic benefit of oral GPIIb/IIIa antagonists. GPIIb/IIIa antagonists may induce thrombocytopenia that is attributed to an outside-in signalling or immunological phenomena. A test system (Ultegra, Accumetrics) is available for a therapeutic drug monitoring of GPIIb/IIIa antagonists. However, estimation of the bleeding risk always requires an evaluation of all factors influencing the haemostatic system, especially when heparin or other inhibitors are applied additionally. Hämostaseologie 2003; 23: 181–5 Inhibitors of platelet aggregation T hrombozytenaggregationshemmer zielen auf eine Hemmung der zellulären Hämostase durch Hemmung der Thrombozytenfunktion ohne Absenkung der Thrombozytenzahl. Ihr Indikationsgebiet liegt in der Vermeidung arterieller Thrombosen. Bei deren Entstehung spielt die zelluläre Hämostase eine wesentlich wichtigere Rolle als bei venösen Thrombosen, bei deren Entstehung die plasmatische Gerinnung dominiert. Hemmung der Thrombozytenfunktion als Begleiteffekt Eine Vielzahl von Medikamenten hemmt die Thrombozytenfunktion. Darunter sind neben nicht steroidalen Antiphlogistika (NSARs) Antibiotika, Chemotherapeutika, einige Anästhetika und Narkotika. Mit Ausnahme der NSARs ist der Mechanismus, der zur Plättchenfunktionshemmung führt, unklar. Ihre Wirkung ist klinisch irrelevant, solange keine weiteren Hämostasestörungen gegeben sind. Eine Reihe vasodilatierender Medikamente hemmen auch die Thrombozytenfunktion. Darunter sind Phosphodiesterasehemmer (19, 29), die über eine Erhöhung von cAMP und/oder cGMP zu einer Hemmung der Plättchenfunktion führen. Hierzu gehören auch Substanzen, die über eine Freisetzung von NO wirken (18). Thrombozytenaggregationshemmer Für die gezielte Hemmung der Thrombozytenfunktion werden in der klinischen Downloaded from www.haemostaseologie-online.com on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Hämostaseologie 4/2003 182/46 Patscheke Praxis Medikamente eingesetzt, die drei Wirkprinzipien folgen: ● Hemmer der Prostaglandin- und Thromboxan-A2(TXA2)-Biosynthese, z. B. Azetylsalizylsäure (ASS), ● ADP-Antagonisten, z. B. die Thienopyridine Ticlopidin und Clopidogrel sowie ● GPIIb/IIIa-Antagonisten, z. B. Abciximab, Eptifibatid und Tirofiban. Der klinische Nutzen von Thrombozytenaggregationshemmern ist vor allem in der Akutsituation der koronaren Herzkrankheit unstrittig (6, 9, 11). Die chronische Behandlung mit ASS oder Clopidogrel vermeidet kardiale Ereignisse oder einen Schlaganfall in bis zu 20% der Fälle. 1 Wirkungsmechanismus und Blutungsrisiko Mit der Hemmung der zellulären Hämostase erhöht sich naturgemäß das Blutungsrisiko. Sein Ausmass hängt vom Wirkungspotenzial der Aggregationshemmer ab, das sich entsprechend ihrem molekularen und funktionellen Angriffspunkt unterscheidet. Im Gegensatz zu ASS, Ticlopidin und Clopidogrel, die sich nur gegen bestimmte Plättchenagonisten richten, greifen GPIIb/IIIa-Hemmer in die gemeinsame Endstrecke des Aggregationsmechanismus ein – unabhängig vom Auslöser der Plättchenaktivierung. GPIIb/IIIa-Antagonisten können daher bei entsprechender Dosierung ein wesentlich höheres Blutungsrisiko hervorrufen als ASS, Ticlopidin oder Clopidogrel. tion damit lediglich ab, unterbrechen jedoch nicht die durch andere Agonisten (z. B. Thrombin oder Kollagen) direkt ausgelöste Plättchenantwort. Daher hemmen sie – auch in hoher Dosierung – niemals die Plättchenfunktion in toto, sondern nur deren Verstärkung durch die FeedbackAgonisten ADP bzw. Thromboxan A2. 2.1 Azetylsalizylsäure Azetylsalizylsäure (ASS) azetyliert die Zyklooxygenase, das Schlüsselenzym der Prostaglandin- und Thromboxanbiosynthese. Da Plättchen das Enzym (Prostaglandin-Endoperoxidsynthase-1 = COX-1) nicht neu synthetisieren können, hält die ASS-Wirkung während ihrer gesamten Lebenszeit (ca. 10 Tage) an. Nach Absetzen von ASS klingt daher die ASS-Wirkung in dem Maße ab, wie neu gebildete Plättchen in die Zirkulation gelangen. Eine Normalisierung der nach ASS-Einnahme verlängerten Blutungszeit tritt nach 3 bis 4 Tagen ein, sofern keine weiteren Faktoren (z. B. niedrige Plättchenzahl) die Plättchenfunktion beeinträchtigen. Aufgrund seiner irreversiblen Wirkung auf die Plättchen lässt sich eine Vollhemmung der Plättchen-Zyklooxygenase mit einer oralen Low-dose-Behandlung erzieTab. 1 Ticlopidin und Clopidogrel Wirkungen (a) und Unterschiede (b) a) ● ● ● ● 2 Hemmer der Feedback-Agonisten Thromboxan A2 und ADP Aktivierte Plättchen synthetisieren Thromboxan A2 (TXA2) und setzen aus ihren delta-Granula ADP frei. TXA2 und ADP sind Plättchenagonisten und verstärken die Entstehung von Plättchenthromben. ASS, Ticlopidin und Clopidogrel hemmen die durch diese Sekundäragonisten vermittelte Feedback-Verstärkung der Plättchenaggregation. Sie schwächen die PlättchenfunkHämostaseologie 4/2003 ● ● selektive Hemmung der ADP-induzierten Plättchenaktivierung und -aggregation irreversible, nicht kompetitive ADP-Rezeptorblockade orale Wirksamsamkeit molekularer Angriffspunkt unbekannt weniger gastrointestinale unerwünschte Arzneimittelwirkungen als unter Azetylsalizylsäure selten: thrombotisch-thrombozytopenische Purpura b) Ticlopidin (Tiklyd®) nur oral wirksam Clopidogrel (Plavix®) oral und parenteral wirksam rasche Wirkung keine Neutropenien langsamer Wirkungseintritt gelegentlich Neutropenien, daher Blutbildkontrollen erforderlich selten: TTP len, bei der keine systemischen ASS-Wirkungen mehr auftreten. Voraussetzung ist dabei die wiederholte Einnahme von 50 oder 100 mg ASS, das die Plättchen dann nur im Pfortaderkreislauf erreicht. Aufgrund eines ausgeprägten First-pass-Effektes gelangt bei der niedrigen Dosierung Salizylat in den großen Kreislauf, jedoch kaum das wirksame Azetylsalizylat. Dadurch bleibt durch Low-dose-ASS auch die Prostazyklinbildung in den Gefäßen des großen Kreislaufs weitgehend unbeeinträchtigt (7). Als unerwünschte Arzneimittelwirkung stehen bei ASS gastrointestinale Blutungen im Vordergrund, da ASS zusätzlich die gastrointestinalen Schleimhäute schädigt. Bei Ticlopidin und Clopidogrel sind – trotz vergleichbarer aggregationshemmender Wirkung (8) – die gastrointestinalen Nebenwirkungen (z. B. Übelkeit, Erbrechen) geringer. 2.2 Ticlopidin und Clopidogrel Die Thienopyridine Ticlopidin und Clopidogrel hemmen die ADP-Wirkung auf die Plättchen, indem sie einen der ADPRezeptoren, nämlich den P2Y12(Ac)Rezeptor, über den ADP die Adenylatzyklase hemmt, irreversibel blockieren (15) (Tab. 1a). Beide Substanzen erzeugen eine nicht kompetitive ADP-Rezeptorblockade, die für die gesamte Lebenszeit der Plättchen bestehenbleibt (27). Die Wirkung der Thienopyridine wird über Metaboliten ausgeübt, die erst in vivo in der Leber entstehen (24). Clopidogrel wirkt im Unterschied zu Ticlopidin auch nach parenteraler Applikation. Sein Wirkungseintritt ist rascher und erreicht bei einer Dosierung von 75 mg/d nach 2 bis 3 Tagen seine volle Wirkung. Nach einer »loading dose« von 300 mg setzt die Wirkung schon nach wenigen Stunden ein. Wegen seines günstigeren Nebenwirkungsprofils (Tab. 1b) hat Clopidogrel Ticlopidin zunehmend ersetzt. Insbesondere die Wirkung von Ticlopidin auf das Knochenmark, die gelegentlich zum Absetzen von Ticlopidin zwang, wird mit Clopidogrel nicht beobachtet (21). Bei beiden Thienopyridinen kann in seltenen Fällen wäh- Downloaded from www.haemostaseologie-online.com on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 183/47 Thrombozytenaggregationshemmer rend der ersten Behandlungswochen eine thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) auftreten (4, 5, 22). Sie beruht offenbar auf dem Auftreten von Antikörpern gegen die von-Willebrand-Faktor-Metalloproteinase. Dadurch kommt es zu einer Anhäufung hochmolekularer von-Willebrand-Faktor-Multimere, die eine systemische Plättchenaggregation verursachen (32). Tab. 2 Abciximab (ReoPro®): Charakteristika ● ● ● ● ● 3 Glykoprotein-IIb/IIIaAntagonisten ● Glykoprotein-IIb/IIIa-Antagonisten (GPIIb/IIIa-Antagonisten) blockieren die Bindung von Fibrinogen und von-WillebrandFaktor an deren gemeinsamen Rezeptor auf aktivierten Thrombozyten: den Glykoprotein-IIb/IIIa-Komplex (= alpha2b/beta3-Integrin). Damit wird der Aggregationsmechanismus – ähnlich wie bei der hereditären Thrombasthenie Glanzmann – selektiv gehemmt. Die meisten GPIIb/IIIa-Antagonisten enthalten das RGD-Motiv und konkurrieren mit der Bindung der A-alpha-Kette des Fibrinogens am Glykoprotein IIIa. Eine Reihe solcher niedermolekularer RGDMimetika sind auch oral wirksam. Daneben gibt es nicht peptidische und zyklische niedermolekulare GPIIb/IIIa-Antagonisten, von denen ebenfalls einige als orale Hemmstoffe erprobt wurden. Am längsten im klinischen Einsatz als parenteral wirksamer Hemmer ist Abciximab (ReoPro®). Abciximab ist ein FabFragment eines Maus/Mensch-chimären, monoklonalen Antikörpers, der mit sehr hoher Affinität an GPIIb/IIIa-Komplexe der Plättchen aber auch den Vitronektinrezeptor (alpha-v/β3-Integrin) von Endothelzellen, glatten Muskelzellen u.a. bindet. Für die kardiologischen Indikationen von Abciximab wird eine Blockade von mehr als 80% der ca. 40 000 GPIIb/IIIaKomplexe auf der Plättchenoberfläche angestrebt (Tab. 2). Unter diesem Regime wird die ADP-induzierte Plättchenaggregation vollständig unterbunden, die durch Thrombin oder TRAP (Thrombinrezeptoraktivierendes Peptid) jedoch nur etwa zur Hälfte. Ursache dafür ist die Fähigkeit von Thrombin und TRAP als so genannte star- Fab-Fragment eines monoklonalen, chimären Antikörpers bindet mit hoher Affinität an den Fibrinogenrezeptor der Plättchen (GPIIb/IIa) und den Vitronektinrezeptor (z. B. des Endothels) Besetzung von >80% der Fibrinogenrezeptoren verursacht ausgeprägte Aggregationshemmung zirkuliert, gebunden an die Plättchen, bis zu ca. 2 Wochen wird internalisiert in das offene Kanälchensystem der Plättchen und in deren alpha-Granula aktiviert den Fibrinogenrezeptor und kann selbst eine Aggregation auslösen ke Plättchenagonisten, den internen Pool von GPIIb/IIIa-Komplexen, die sich im offenen Kanälchensystem und den sekretorischen Granula befinden, auf die Oberfläche zu translozieren. Damit kommt ein »Reserve-Pool« von GPIIb/IIIa-Komplexen zur Wirkung, der auch unter der Therapie mit GPIIb/IIIa-Antagonisten noch zur Verfügung steht (16). Vermutlich trägt Tab. 3 GPIIb/IIIa-Antagonisten a) parenterale und oral wirksame Vertreter; b) pharmakologische Aspekte a) parenteral Abciximab (ReoPro®) Eptifibatid (Integrilin®) Tirofiban (Aggrastat®) Lamifiban oral Xemilofiban Lefradafiban Sibrafiban Orbofiban Lotrafiban b) ● ● ● ● ● ● ● ● ● Konformationsänderung des Rezeptors und 'Outside-In-Signaling' Immunogenität des ›aktivierten‹ Rezeptors Was ist besser: Affinität für den ›ruhenden‹ oder den ›aktivierten‹ Rezeptor? Ist hohe Spezifität für GPIIb/IIIa von therapeutischem Vor- oder Nachteil? Welche Eigenschaft erzeugt eine Thrombozytopenie? Wie wird eine Hemmung des internen GIIb/IIIaPools im OCS und den Granula erreicht? Wodurch wird das Blutungsrisiko bestimmt? Warum zeigen die verfügbaren oralen GPIIb/IIIaAntagonisten ein inakzeptables Nutzen-RisikoProfil? Wann ist ein funktionelles Drug-Monitoring erforderlich? dieses Phänomen dazu bei, dass Blutungen unter Abciximab vergleichsweise selten auftreten und dann meistens nur den Bereich der Punktionsstelle betreffen. Neben Abciximab sind Eptifibatid und Tirofiban als parenteral wirksame GPIIb/ IIIa-Antagonisten (Tab. 3a) insbesondere zur Reokklusionsprophylaxe bei der Therapie der koronaren Herzkrankheit zugelassen. Oral wirksame GPIIb/IIIa-Antagonisten (Tab. 3a) erwiesen sich in einer Reihe klinischer Studien als nicht oder nicht besser wirksam als ASS (1, 30) bei einem signifikant erhöhten Blutungsrisiko und erhöhter Mortalität (13). Wegen dieses ungünstigen Risiko/Nutzenprofils konnte sich bisher kein oral wirksamer GPIIb/IIIa-Antagonist als Therapeutikum etablieren. Allen GPIIb/IIIa-Antagonisten ist gemeinsam, dass sie zu einem Abfall der Thrombozytenkonzentration führen können, in manchen Fällen auch zu schweren Thrombozytopenien. Als Ursache werden die Konformationsänderung des GPIIb/ IIIa-Komplexes infolge der Hemmstoffbindung, ein »outside-in-signaling« in den Plättchen, immunologische Konsequenzen u. a. diskutiert (Tab. 3b). Durch eine Senkung der Plättchenzahl, verbunden mit der Hemmung ihrer Funktion, erhöht sich synergistisch das Blutungsrisiko. 4 Indikationen und Dosierung Wegen ihres begrenzten Wirkungspotenzials eignen sich ASS, Ticlopidin oder Clopidogrel besonders für eine Langzeitprophylaxe z. B. bei koronarer Herzkrankheit, zerebraler Ischämie (12). Bei ASS bedarf es einer Dosierung, die zu einer annähernd vollständigen Hemmung der Thromboxanbildungskapazität führt, damit überhaupt ein Hemmeffekt auf die Plättchenaggregation eintritt. Somit ist auch eine Überdosierung kaum möglich, ein Dosis-Monitoring überflüssig. Ähnliches gilt für die Thienopyridine Ticlopidin und Clopidogrel. Eine Ausschaltung der ADP-Wirkung ohne weitere hämostaseologische Störungen wird gut toleriert und bedarf ebenfalls keines Monitorings. Überdosierungen sind wie bei ASS Downloaded from www.haemostaseologie-online.com on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Hämostaseologie 4/2003 184/48 Patscheke nur unter dem Aspekt der nicht hämostaseologischen unerwünschten Arzneimittelwirkungen (vgl. 2.1) zu beachten. Aufgrund ihres ausgeprägten antiaggregatorischen Potenzials werden GPIIb/IIIaAntagonisten insbesondere in der Kardiologie zur akuten Restenoseprophylaxe nach PTCA mit und ohne Stentimplantation, bei instabiler Angina pectoris oder nach Myokardinfarkt eingesetzt. Abciximab wird üblicherweise nach einer Bolusinjektion (25 µg/kg Körpergewicht über 12 Stunden nach der Intervention infundiert (10 µg/min). Ein Behandlungszyklus mit Abciximab (ReoPro®) kostet derzeit fast 1000 €. Zur subakuten Restenoseprophylaxe nach PTCA und Stentimplantation hat sich eine Kombination der Aggregationshemmer ASS und Ticlopidin bzw. Clopidogrel etabliert. Diese Behandlung war in klinischen Studien deutlich einer Antikoagulation mit Cumarinderivaten überlegen, und zwar sowohl hinsichtlich der Restenoserate als auch hinsichtlich des behandlungsbedingten Blutungsrisikos (28). Offenbar ist die Behandlung mit Aggregationshemmern die spezifischere Therapie, was die Bedeutung der Thrombozyten bei der Rethrombosierung von koronaren Stents unterstreicht. 5 Synergismus Bei einer Kombination von ASS und Ticlopidin/Clopidogrel – insbesondere aber bei gleichzeitigem Vorliegen von Gerinnungsstörungen – kann das Hämostasepotenzial soweit absinken, dass die Indikation unter Risikoerwägungen streng zu stellen ist. Synergistisch wirkt sich insbesondere auch eine gleichzeitig erniedrigte Plättchenkonzentration aus. 6 Monitoring ASS verlängert die Blutungszeit um durchschnittlich 1,5 bis 2 Minuten, aber bei weitem nicht in allen Fällen. Ähnliches gilt für Ticlopidin und Clopidogrel. Mit dem Hämostaseologie 4/2003 Test-System PFA-100 (Epinephrin-Device, Dade-Behring) kann der Effekt nachgewiesen werden. Bei entsprechender Dosierung hemmen moderne GPIIb/IIIa-Antagonisten die zelluläre Hämostase ähnlich nachhaltig wie orale und parenterale Gerinnungshemmer die plasmatische Gerinnnung hemmen. Ein Monitoring dieser Thrombozytenfunktionshemmer ist daher im Grundsatz ebenso zu fordern wie bei Gerinnungshemmern (31). Das wird dadurch unterstrichen, dass sich das pharmakodynamische Profil von Abciximab, Tirofiban und Eptifibatid deutlich unterscheidet (3, 17, 20). Geeignete Testverfahren für eine Quantifizierung der Rezeptorblockade durch GPIIb/IIIa-Antagonisten sind insbesondere solche, die empfindlich im Bereich starker Hemmungen reagieren. Dazu gehören die turbidimetrische Agregometrie (17) und zytometrische Verfahren, die allerdings aufwändig und nicht als POCT (point of care testing) durchführbar sind. Der PFA-100 (Dade-Behring) ist ein POCT-System, das entwickelt wurde, um geringe Hemmwirkungen oder primäre, nicht medikamentenbedingte Thrombozytenfunktionsstörungen anzuzeigen. Unter einer Therapie mit GPIIb/IIIa-Antagonisten, die zu einer 80%igen Rezeptorblockade führt, ist daher die Verschlusszeit im PFA-100 über die mögliche Messzeit hinaus verlängert. Aggregometrie und Zytometrie unterscheiden dagegen auch im therapeutischen Bereich. Das gilt ebenso für das POCTSystem (Ultegra-RPFA, Accumetrics). Je spezifischer das Verfahren, umso schwieriger ist es, von dem Testergebnis auf das Blutungsrisiko zu schließen. Das gilt insbesondere dann, wenn Gerinnungshemmer wie Heparin oder Thrombozytenaggregationshemmer mit unterschiedlichem Angriffspunkt wie ASS und GPIIb/IIIaHemmer gleichzeitig angewandt werden. Ein Monitoring erlaubt es, Responder von Non-Respondern zu unterscheiden. Ob dem Pl(A)-Polymorphismus des Glykoproteins IIIa eine Bedeutung für variable Wirkungen von GPIIb/IIIa-Antagonisten zukommt, ist noch ungewiss (23). Deutliche interindividuelle Unterschiede wurden unter der Behandlung mit ASS nachgewiesen. Eine Antwort auf die Frage nach deren Bedeutung für den therapeutischen Effekt von ASS oder einer dosisadjustierten Prophylaxe bzw. Therapie steht noch aus (10, 22). Unter der Behandlung mit GPIIb/IIIaAntagonisten verdient neben der Thrombozytenfunktion besondere Beachtung die Thrombozytenkonzentration, die z. B. in einigen Fällen drastisch abfallen und damit ein Blutungsrisiko herbeiführen kann (25). Thrombininhibitoren und Thrombinrezeptorantagonisten Thrombininhibitoren wie Hirudin und andere Substanzen, die die katalytische Wirkung von Thrombin hemmen (z. B. Argatroban) sind in erster Linie Gerinnungshemmer (Antikoagulanzien). Da Thrombin aber auch ein wichtiger Plättchenagonist ist, haben Thrombinantagonisten potenziell auch antiaggregatorische Wirkungen. Allerdings liegen die plättchenwirksamen Thrombinkonzentrationen deutlich unter denen, die zur Fibrinbildung führen. Dementsprechend wird die Plättchenfunktion kaum beeinträchtigt, solange nur antikoagulatorisch wirksame Dosierungen eingesetzt werden. Bei hohen Hirudindosierungen kann allerdings als Zeichen einer zusätzlichen Hemmung der Plättchenfunktion auch eine Verlängerung der Blutungszeit beobachtet werden. In solchen Fällen besteht wegen der starken Gerinnungshemmung und der zusätzlichen Hemmung der Plättchenfunktion ein höheres Blutungsrisiko. Rekombinantes Hirudin wird zurzeit insbesondere als Antikoagulanz bei heparininduzierter Thrombozytopenie vom Typ II eingesetzt. Die Wirkung von Thrombin auf Plättchen wird über Protease-aktivierte Rezeptoren (PARs) vermittelt (14). Thrombinrezeptorantagonisten, die spezifisch die zellulären Effekte von Thrombin, darunter die direkte plättchenaktivierende Wirkung von Thrombin hemmen, ohne die Gerinnung zu beeinträchtigen, wären daher von erheblichem Interesse. Sie haben bislang jedoch das Stadium der experimentellen Entwicklung noch nicht verlassen (2). Downloaded from www.haemostaseologie-online.com on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 185/49 Thrombozytenaggregationshemmer Literatur 1. Akkerhuis KM, Neuhaus KL, Wilcox RG et al. Fibrinogen Receptor Occupancy Study (FROST) Investigators. 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Patscheke Zentrum für Labormedizin, Mikrobiologie und Transfusionsmedizin Städtisches Klinikum Moltkestraße 90 76133 Karlsruhe Downloaded from www.haemostaseologie-online.com on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Hämostaseologie 4/2003