CME Weiterbildung • Zertifizierte Fortbildung Orthopäde 2007 · 36:963–974 DOI 10.1007/s00132-007-1154-8 Online publiziert: 30. September 2007 © Springer Medizin Verlag 2007 Redaktion R. Gradinger, München R. Graf, Stolzalpe, J. Grifka, Bad Abbach J. Löhr, Hamburg S. Rehart1 · F. Kerschbaumer2 · J. Braun3 · J. Sieper4 1 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Markus-KH, Akademisches Lehrkrankenhaus, Frankfurt a.M. 2 Klinik Rotes Kreuz, Frankfurt 3 Rheumazentrum Ruhrgebiet, St. Josefskrankenhaus, Herne 4 Med. Klinik I – Rheumatologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Berlin Moderne Behandlung des Morbus Bechterew Zusammenfassung CME.springer.de – Zertifizierte ­Fortbildung für Kliniker und niedergelassene Ärzte Die CME-Teilnahme an diesem Fort­bil­dungs­ beitrag erfolgt online auf CME.springer.de und ist Bestandteil des Individualabonnements dieser Zeitschrift. Abonnenten können somit ohne zusätzliche Kosten teilnehmen. Unabhängig von einem Zeitschriften­abonne­ ment ermöglichen Ihnen CME.Tickets die Teilnahme an allen CME-Beiträgen auf CME.springer.de. Weitere Informationen zu CME.Tickets finden Sie auf CME.springer.de. Registrierung/Anmeldung Haben Sie sich bereits mit Ihrer Abo­nnement­ nummer bei CME.springer.de registriert? Dann genügt zur Anmeldung und Teilnahme die An­gabe Ihrer persönlichen Zugangsdaten. Zur erstmaligen Registrierung folgen Sie bitte den Hinweisen auf CME.springer.de. Zertifizierte Qualität Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME-Punkten zertifiziert von der Landesärztekammer Hessen und der Nord­rheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung und damit auch für andere Ärzte­kammern anerkennungsfähig. Fol­gende Maßnahmen dienen der Qualitäts­ sicherung aller Fortbildungseinheiten auf CME.springer.de: Langfristige Themenplanung durch erfahrene Herausgeber, renommierte Autoren, unabhängiger Be­gut­achtungsprozess, Erstellung der CME-Fragen nach Empfehlung des IMPP mit Vorabtestung durch ein ausgewähltes Board von Fachärzten. Für Fragen und Anmerkungen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung: Springer Medizin Verlag GmbH Fachzeitschriften Medizin/Psychologie CME-Helpdesk, Tiergartenstraße 17 69121 Heidelberg E-Mail: [email protected] CME.springer.de Der M. Bechterew wird zu den Spondyloarthritiden gezählt. Zwischen dem ersten Auftreten von Symptomen und der Diagnosestellung vergehen 5–10 Jahre. Unbehandelt kann es zu einer zunehmenden Versteifung der Wirbelsäule kommen. Häufig tritt eine meist asymmetrische Beteiligung peripherer Gelenke auf. Durch die Einsteifung der Wirbel-Rippen-Gelenke entsteht eine Einschränkung der Thoraxexkursionsfähigkeit. Da das Leiden vielfach im 3. Lebensjahrzehnt beginnt und in der Regel chronisch progredient verläuft, müssen unbehandelte junge Erwachsene schon früh mit einer teilweise erheblichen Beeinträchtigung durch Schmerzen und Steifheit zurechtkommen. Durch den Einsatz neuer Medikamente bei dieser Erkrankung, der sog. TNF-α-Inhibitoren, die insbesondere im Frühstadium, aber auch im Spätstadium der Krankheit effektiv wirken, ist eine frühe Diagnosestellung von eminenter Wichtigkeit, damit eine wirksame medikamentöse Therapie rechtzeitig eingeleitet werden kann. Konservative orthopädische Maßnahmen kommen begleitend zur Anwendung. Chirurgische Interventionen können in der frühzeitigen Resektion entzündeter Schleimhaut in den Gelenken bestehen, später kommen rekonstruktive Verfahren zum Einsatz. In fortgeschrittenen Stadien können Aufrichtungsoperationen an der Wirbelsäule hilfreich sein. Schlüsselwörter Spondylarthritis ankylopoetica · Entzündlicher Rückenschmerz · TNF-α-Blocker · Spondylodesen · Synovektomie Modern treatment of ankylosing spondylitis Abstract Bechterew’s disease belongs to subgroup of spondyloarthritis. Even today there is still a delay of 5-10 years between the first occurrence of symptoms and the final diagnosis of ankylosing spondylitis. Without treatment the spine increasingly stiffens and the peripheral (mostly large) joints are often destroyed by inflammatory processes. Ankyloses of the joints between vertebrae and ribs may cause stiffness of the thorax. As the complaints most often start within the third decade of life and show a chronic progressive course, even young adults often have to deal with a considerable impairment due to pain and stiffness. Thus, early diagnosis is of utmost importance as today treatment with novel drugs is feasible and the TNFα inhibitors are particularly effective during the early stages of the disease. All conservative orthopedic measures are used concomitantly. Surgery encompasses the early resection of inflamed mucosa in joints. In later stages of the disease reconstructive methods, i.e. prosthetics are often applied. Spondylodesis to erect the body, necessary in the end stage of the disease, is beneficial, but elaborate. Keywords Spondylarthritis ankylopoetica · Inflammatory back pain · TNFα inhibitor · Spondylodesis · Synovectomy Der Orthopäde 10 · 2007 | 963 Der M. Bechterew gehört zu den häufig vorkommenden, chronisch entzündlichen, rheumatischen Erkrankungen, tritt vorwiegend bei jungen Erwachsenen auf und wird auch heute noch meist viel zu spät diagnostiziert. Typisches Leitsymptom im Frühstadium ist der tief sitzende Rückenschmerz, der zu Beginn meist durch die entzündliche Beteiligung der Sakroiliakalgelenke bedingt ist (Sakroiliitis). Im weiteren Verlauf können periphere Gelenke und Sehnenansätze betroffen sein. Die häufigste Organmanifestation ist die anteriore Uveitis (Iritis, Regenbogenhautentzündung). Im Spätstadium kann es unbehandelt zu Verknöcherungen der gesamten Wirbelsäule kommen, die dann radiologisch die sog. „Bambusstabform“ annimmt. Moderne Methoden zur Diagnosestellung wie Laboruntersuchungen (HLA B27, CRP), Röntgen, Magnetresonanztomographie (MRT) und Sonographie haben eine wichtige Bedeutung für die Frühdiagnose der ankylosierenden Spondylitis und anderer Spondyloarthritiden. Konservative Behandlungsmethoden umfassen die konsequente Physiotherapie, Trainingstherapie (Sport) und insbesondere die medikamentösen Therapien einschließlich der modernen Basistherapie mit TNF-α-Inhibitoren. Operativ stehen die Endoprothetik und die operativen Eingriffe an der Wirbelsäule im Vordergrund. Dieser Artikel soll dazu beitragen, früher als bislang üblich den M. Bechterew in Betracht zu ziehen und ggf. von anderen Formen des chronischen Rückenschmerzes zu unterscheiden. Je nach Krankheitsstadium kann über unterschiedliche Behandlungs- und Operationsmethoden entschieden werden. Definition 7 Spondyloarthritiden 7 K yphose 7 Extraspinale Manifestationen Der M. Bechterew, auch Spondylitis ankylosans, Spondylarthritis ankylopoetica oder ankylosierende Spondylitis genannt, ist eine schleichend oder schubweise verlaufende entzündlich-rheumatische Erkrankung aus der Gruppe der seronegativen 7 Spondyloarthritiden (SpA, . Abb. 1). Betroffen sind zunächst vorwiegend die Sakroiliakalgelenke und später die Wirbelsäule. Die Wirbelsäule kann zunehmend in einer mehr oder weniger ausgeprägten 7 Kyphose versteifen, radiologisch lässt sich dann die sog. Bambusstabform nachweisen. Im Spätstadium kann die Wirbelsäule eine typische verknöcherte Fehlstellung annehmen, die dem Erkrankten nicht mehr erlaubt, geradeaus zu sehen. Diesen Patienten hilft nur noch eine Aufrichtungsoperation der Wirbelsäule (. Abb. 2). Bei 30–40% der Patienten kommt es im Verlauf der Erkrankung auch zu einer entzündlichen Beteiligung der peripheren Gelenke sowie zu Enthesitiden, beides bevorzugt an den unteren Extremitäten [20]. Darüber hinaus treten 7 extraspinale Manifestationen auf, die die Krankheitslast für den Patienten erhöhen: Uveitis (bei 30–40%), Psoriasis (bei etwa 16%) und chronisch entzündliche Darmerkrankungen (M. Crohn oder Colitis ulcerosa bei bis zu 10% der Patienten), aber auch kardiovaskuläre Auffälligkeiten (z. B. Aortenklappeninsuffizienzen; [5, 8, 18]). Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese Typisch ist eine frühe Erkrankung zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr 7 A symmetrischer Gelenkbefall 964 | Der Orthopäde 10 · 2007 Nach der rheumatoiden Arthritis ist der M. Bechterew die zweithäufigste entzündliche rheumatische Erkrankung, die geschätzt bei etwa 0,5% der Bevölkerung in mehr oder weniger starker Ausprägung auftritt, in Deutschland also bei etwa 400.000 Patienten [18]. Typisch ist eine frühe Erkrankung zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr. Männer sind etwas stärker betroffen, wobei das Verhältnis Frauen: Männer ungefähr bei 1:2 liegt. Die Ätiologie des M. Bechterew ist nicht eindeutig bekannt. Die Erkrankung wird – wie die Psoriasisarthritis – zur Gruppe der seronegativen Spondyloarthritiden gezählt (. Abb. 1). Von anderen rheumatischen Gelenkkrankheiten wie der rheumatoiden Arthritis (RA) ist sie als eigene andersartige Erkrankung abzugrenzen. Die RA zeichnet sich durch einen symmetrischen Gelenkbefall insbesondere an Händen und Füßen aus. Typisch sind druckschmerzhafte oder geschwollene Fingergrund- und Zehengrundgelenke. Für die Diagnostik wird auch die Morgensteifigkeit herangezogen, die über 60 min andauert und mehr als 3 Gelenke seit mindestens 6 Wochen betrifft. Diese Patienten sind meistens seropositiv (Rheumafaktor positiv). Im Gegensatz dazu zeigen M.-BechterewPatienten bei peripherer Gelenkbeteiligung meist einen 7 asymmetrischen Gelenkbefall einzelner Gelenke (Oligoarthritis), insbesondere der unteren Extremitäten. Die Psoriasisarthritis verläuft CME Gemeinsamkeiten der Spondyloarthritiden (SpA): • Klinische Manifestationen • Genetik (HLA-B27) • Pathogenese • Therapie Reaktive Arthritis SpA bei PsoriasisArthritis Morbus Bechterew SpA bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Abb. 1 7 Spondyloarthritiden Undifferenzierte SpA SpA-Formen gehen ineinander über oft asymmetrisch polyartikulär, und häufig sind die Fingerendgelenke befallen. Typisch ist auch der Strahlenbefall des ganzen Fingers oder Zehs (Daktylitis). Beim M. Bechterew und den Spondyloar­ thritiden besteht eine hohe Assoziation zu dem HLA-B27-Antigen. Exogene Faktoren wie bakterielle Infektionen werden als Auslöser diskutiert, wobei angenommen wird, dass Interaktionen des HLAB27-Antigens mit den Bakterien eine entscheidende Rolle spielen [19]. Immunhistologische Untersuchungen an Biopsien von Sakroiliakalgelenken mit früher oder aktiver Sakroiliitis zeigen, dass T-Zellen und Makrophagen die häufigsten infiltrierenden Zelltypen sind [1]. In Sakroiliakalgelenkbiopsien erkrankter Patienten lassen sich hohe Mengen an 7 TNF-α-kodierender mRNA nachweisen [19]. 7 TNF-α-kodierende mRNA Anamnese und Klinik des M. Bechterew Entzündlicher Rückenschmerz, Ruheschmerz, Morgensteifigkeit Der „entzündliche“, tief sitzende Rückenschmerz, der bei etwa drei Viertel aller Betroffenen auftritt, ist das Leit- und Frühsymptom der Erkrankung. Typisch ist ein Krankheitsbeginn vor dem 40. Lebensjahr mit einem schleichenden Verlauf. Im Frühstadium treten nicht genau lokalisierbare Kreuzoder Gesäßschmerzen vorwiegend in der zweiten Nachthälfte auf und führen zu einem frühmorgendlichen Erwachen. Gekennzeichnet ist die Krankheit durch Ruheschmerz und Morgensteifigkeit. Die Schmerzen verringern sich durch Bewegung bzw. im Lauf des Tages [12]. Typische klinische Zeichen im weiteren Krankheitsverlauf Im Verlauf dieser chronisch progredienten Erkrankung kommt es zu einer 7 Abnahme der Wirbelsäulenbeweglichkeit. Die Lendenwirbelsäule ist beim Bücken steif, was sich durch das „SchoberZeichen“ einfach nachweisen lässt. Die Wirbelsäule verändert ihre Form: Die physiologische Lordose der LWS nimmt ab, und die Kyphose der Brustwirbelsäule nimmt zu, was zu queren Bauchfalten führt. Die Thoraxstarre, entstanden durch Einsteifungen der Wirbel-Rippen-Gelenke, führt zu einer messbaren Abnahme der Atembreite und der Spirometerwerte. Als typische klinische Manifestation des M. Bechterew gilt der (symmetrische) Befall der Kreuz-Darmbein-Fugen, der zu Ruheschmerz, aber auch zu Druck- und Stauchschmerz führt. Bei beinahe der Hälfte der Patienten wird auch ein Befall der peripheren Gelenke oder Enthesitis (häufig in Form eines dorsalen oder plantaren Fersenschmerzes) beobachtet. Weitere extraspinale, extraartikuläre Manifestationen sind Uveitis, Psoriasis und chronisch entzündliche Darmerkrankungen (. Infobox 1). Etwa die Hälfte aller Patienten leidet zudem an Osteopenie oder Osteoporose, was Wirbelkörperfrakturen/Knochenbrüche begünstigt und zur Kyphose beiträgt [2]. Neurologische Symptome wie Nervenkompressionssyndrom oder Myelopathie sind nicht nachweisbar. Leit- und Frühsymptom der Erkrankung ist der tief sitzende Rückenschmerz Gekennzeichnet ist die Krankheit durch Ruheschmerz und Morgensteifigkeit 7 Abnahme der Wirbelsäulenbeweglichkeit Als typische klinische Manifestation des M. Bechterew gilt der Befall der Kreuz-Darmbein-Fugen Der Orthopäde 10 · 2007 | 965 Abb. 2 8 a Typisches klinisches Bild des Spätstadiums; b orthograde Blickachse nach Aufrichtungsspondylodese Diagnose 7 M odifizierte New York-Kriterien Die traditionelle Diagnose einer etablierten ankylosierenden Spondylitis beruht auf den 7 modifizierten New York-Kriterien von 1984. Neben dem radiologischen Kriterium, einer nachweisbaren Sakroiliitis (mindestens Grad 2 beidseits oder Grad 3 einseitig), muss mindestens eines von drei klinischen Kriterien . Kreuzschmerzen und -steife seit >3 Monaten mit Besserung durch Bewegung, nicht durch Ruhe, 2. Bewegungseinschränkung der LWS in der sagittalen und frontalen Ebene, 3. verminderte Atembreite alters- und geschlechtsadaptiert erfüllt sein, um den M. Bechterew eindeutig zu diagnostizieren. Während der ausgeprägte Befund unverwechselbar ist, sind diese Kriterien für eine frühzeitige Diagnose ungeeignet. Hierfür sind oft mehrere klinische Parameter notwendig, um eine gesicherte Diagnose einer axialen undifferenzierten Spondyloarthritis stellen zu können (die im Laufe der Jahre in einen M. Bechterew übergehen kann; . Infobox 1; [21]). Labor 7 H LA-B27-Antigen 966 | Der Orthopäde 10 · 2007 Wesentliche Hinweise auf das Vorliegen eines M. Bechterew kann insbesondere die Untersuchung des 7 HLA-B27-Antigens liefern, das bei ca. 90% der Betroffenen positiv ist. Da auch bei etwa 8% der gesunden Bevölkerung das HLA-B27 nachgewiesen werden kann, reicht dieser Wert jedoch alleine als Suchtest nicht aus. CRP und BSG sind nur bei 50–70% der Patienten mit einer aktiven Erkrankung erhöht [19], während diese Parameter bei der (aktiven) RA nahezu immer erhöht sind. Die Rheumafaktoren sind negativ. CME Infobox 1: Diagnose der axialen uSpA Bei Patienten mit chronischem Rückenschmerz und Beginn vor dem 45. LJ ist die axiale SpA eine wichtige Differentialdiagnose. In der Regel ist das Vorhandensein von mindestens 3–4 der folgenden SpA Parameter erforderlich, um eine ausreichend hohe diagnostische Sicherheit zu erzielen: F Entzündlicher Rückenschmerz (nächtlicher/frühmorgendlicher Rückenschmerz, Morgensteifigkeit >30 min, Besserung bei Bewegung) F Positive Familienanamnese für AS/SpA F Enthesitis der Ferse F Periphere Arthritis F Klinische Zeichen der Sakroiliitis [z.B. Mennell] F Anteriore Uveitis F Gutes Ansprechen auf NSAR F HLA-B27 F CRP/BSG F Sakroiliitis/Spondylitis in der MRT Röntgen Um den M. Bechterew zweifelsfrei zu diagnostizieren, wird gemäß den modifizierten New York-Kriterien das 7 Röntgenbild der Kreuz-Darmbein-Fugen herangezogen (. Abb. 3). Charakteristische Veränderungen im sog. „bunten Bild“ sind die unscharfe Gelenkkontur durch perlschnurartig angeordnete Knochendefekte, gelenknahe Knochenverdichtungen, Verschmälerung und – im Spätstadium – knöcherne Überbrückung des Gelenkspalts. Frühstadien dieser Veränderungen lassen sich mit der Computertomographie darstellen, die jedoch aufgrund der hohen Strahlenbelastung bei jungen Patienten nicht als die Methode der Wahl angesehen werden kann. An der Wirbelsäule kommt es zu Knochenanbauten, die zu einer kastenartigen Verformung der Wirbelkörper führen (7 Kasten- oder Tonnenwirbel), die im seitlichen Röntgenbild sichtbar sind. Zwischen den Wirbeln bilden sich v. a. am thorakolumbalen Übergang vertikal ausgerichtete knöcherne Spangen aus (Syndesmophyten). Im Spätstadium kommt es zu einer stabilen knöchernen Überbauung der Intervertebralräume, sodass die Wirbelsäule das für das Krankheitsspätbild typische radiologische 7 Bild eines Bambusstabs einnimmt. Zusätzlich kommt es zu Entzündungen der Wirbelkörper (Spondylitis) und der Bandscheiben (Spondylodiszitis). Ein Grund für die verzögerte Diagnosestellung der Erkrankung per se besteht darin, dass eine Sakroiliitis vermutlich nur bei 10–30% der Patienten schon zu Beginn der Erkrankung radiologisch nachweisbar ist. Sichere Röntgenveränderungen sind bei der Mehrzahl der Patienten mit Symptomen (50–70%) erst nach einer durchschnittlichen Zeit von 5 Jahren zu sehen, bei 15–25% der Patienten sogar erst, nachdem die Symptome schon 10 Jahre lang bestanden. Bei geschätzten 10–15% aller Patienten mit einer milden Verlaufsform kommt es trotz langjähriger Symptome sogar niemals zu einer radiologisch nachweisbaren Sakroiliitis [17]. Während Röntgenaufnahmen der Sakroiliakalgelenke nicht zur Beurteilung des Krankheitsverlaufs herangezogen werden können, sind radiologische Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule und der peripheren Gelenke eher zur Verlaufskontrolle geeignet [4]. Zunehmende entzündliche 7 Destruktionen der peripheren Gelenke können radiologisch z. B. anhand der 7 Larsen-Stadien eingeteilt werden, wobei es sich auch hier nicht um eine Methode früher Diagnosestellung handelt. 7 Röntgenbild der Kreuz-Darmbein-Fugen 7 Kasten- oder Tonnenwirbel 7 Bild eines Bambusstabs Sichere Röntgenveränderungen sind bei der Mehrzahl der Patienten mit Symptomen erst nach einer durchschnittlichen Zeit von 5 Jahren zu sehen Radiologische Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule und der peripheren Gelenke sind zur Verlaufskontrolle geeignet 7 Destruktionen der peripheren Gelenke 7 Larsen-Stadien MRT Mit der Magnetresonanztomographie (MRT) steht ein bildgebendes Verfahren zur Verfügung, mit dem sich ohne Strahlenexposition eine Sakroiliitis schon in einem wesentlich früheren Krankheitsstadium diagnostizieren lässt, wenn im Röntgenbild noch längst keine Sakroiliitis vom Grad 2 detektierbar ist (. Abb. 4). Die MRT ermöglicht zudem eine sehr frühe Diagnose einer Spondylitis oder Spondylodiszitis, die die axialen Manifestationen des M. Bechterew widerspiegeln. Momentan existieren mehrere 7 MRT-Scoring-Systeme, die nicht nur die Beurteilung des Krankheitsverlaufs erlauben, sondern auch eine schnelle Kontrolle des Therapieerfolgs ermöglichen [13]. 7 MRT-Scoring-Systeme Der Orthopäde 10 · 2007 | 967 Abb. 3 8 Beckenübersichtsaufnahme eines AS-Patienten (NY-Kriterien erfüllt) Abb. 4 8 MRT-Aufnahme zur Diagnose einer Sakroiliitis bei axialer SpA Sonographie Mit der Sonographie lassen sich bereits früheste synovialitische Veränderungen an den peripheren Gelenken statisch und dynamisch nachweisen Eine kostengünstige und nebenwirkungsfreie Methode stellt die Sonographie dar, mit deren Hilfe periphere Arthritiden und Enthesitiden sowohl gut erfasst als auch im Verlauf (spontan/Therapie) beobachtet werden können. Bereits früheste synovialitische Veränderungen lassen sich an den peripheren Gelenken statisch und dynamisch nachweisen [14]. Eine Zuordnung nachgewiesener Entzündungen zu einer bestimmten Erkrankung des rheumatischen Formenkreises ist mit der Methode nicht möglich (Spezifität). Frühdiagnose: Screeningparameter Eine Frühform des M. Bechterew muss in Betracht gezogen werden, wenn die Patienten jünger als 45 Jahre sind und schon länger als 3 Monate an chronischem Rückenschmerz leiden Dank neuer Therapieformen (s. unten) ist es heute unabdingbar, schon die Frühformen eines M. Bechterew aus der großen Gruppe aller Rückenschmerzpatienten herauszufiltern. Gemäß den Empfehlungen der „Assessment in AS“ (ASAS) Arbeitsgruppe und der „European League Against Rheumatism“ (EULAR) stützt sich die Frühdiagnose insbesondere auf die klinische Diagnostik [3]. Eine Frühform des M. Bechterew muss immer dann zumindest in Betracht gezogen werden, wenn die Patienten jünger als 45 Jahre sind und schon länger als 3 Monate an chronischem Rückenschmerz leiden. Als Screeningparameter dienen dabei die folgenden Punkte [21]: Fpositiver HLA-B27-Befund (Labor) oder F„entzündlicher“ Rückenschmerz, charakterisiert durch (Klinik) 1nächtliches oder frühmorgendliches Auftreten, 1mehr als 30 min andauernde Morgensteifigkeit, 1Besserung der Beschwerden bei Bewegung. Treffen diese Parameter zu, so sind weiterführende Untersuchungen erforderlich, um einen M. Bechterew oder eine seiner Frühformen zu bestätigen. Weitere wichtige diagnostische Parameter sind eine positive Familienanamnese, das Vorliegen einer Enthesitis oder Uveitis sowie ein rasches Ansprechen auf NSAR. Hier ist eine enge Zusammenarbeit mit einem orthopädischen oder internistischen Rheumatologen in Betracht zu ziehen. 968 | Der Orthopäde 10 · 2007 CME Medikamentös: NSAR + Coxibe DMARDs: • MTX • SSZ TNF-α-Antagonisten Nichtmedikamentös: WirbelsäulenChirurgie Pat. Aufklärung Synovektomien/ Endoprothetik peripherer Gelenke Rehabilitation Physiotherapie Körperliche Bewegung Orthopäd.-tech. Hilfsmittel Abb. 5 8 Therapieoptionen Therapie Die geeignete Therapie wird idealerweise für jeden Patienten individuell maßgeschneidert und orientiert sich an der Entzündungsaktivität sowie dem Stadium des M. Bechterew [3]. Ein Kriterium für die medikamentöse Therapiewahl ist z. B. die Verträglichkeit von NSARs bzw. Vermeidung von Nebenwirkungen derselben. Orthopädische konservative und chirurgische Maßnahmen (bei bestehender Indikation) haben einen festen Platz bei dieser interdisziplinär zu behandelnden Erkrankung. Eine enge Zusammenarbeit von orthopädischen und internistischen Rheumatologen erhöht den Erfolg insbesondere einer frühen Behandlung, was letztlich zu einer erheblich verbesserten Versorgungssituation der Patienten führt (. Abb. 5). Eine enge Zusammenarbeit von orthopädischen und internistischen Rheumatologen erhöht den Erfolg insbesondere einer frühen Behandlung Maß für Krankheitsaktivität Als Maß für die Krankheitsaktivität dient häufig der „Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index“ (BASDAI). Für seine Ermittlung beurteilt der Patient seine Müdigkeit/Erschöpfung, seine Schmerzen im Rücken und in den peripheren Gelenken sowie seine Morgensteifigkeit (Dauer/ Intensität) anhand einer numerischen Analogskala auf einem Patientenfragebogen. Die ermittelten Werte der 5 Domänen werden anschließend addiert und durch 5 dividiert. Die Werte des 7 BASDAI-Scores bewegen sich zwischen 0 und 10, wobei niedrige Werte eine geringere Krankheitsaktivität widerspiegeln. 7 BASDAI-Scores Therapieziel Zur optimalen Patientenversorgung werden häufig mehrere Therapiemöglichkeiten kombiniert: konservative, medikamentöse und operative Verfahren. Das Ziel jeder Therapie ist neben der akuten Schmerzlinderung eine Verlangsamung des entzündlichen Prozesses und ein Entgegenwirken der Versteifungstendenz der Wirbelsäule mit einem weitestgehenden Erhalt aller Gelenkfunktionen. Operative Maßnahmen dienen der Schmerzreduktion und dem präventiven Erhalt bzw. der Rekonstruktion von Gelenkfunktionen und an der Wirbelsäule ggf. der Wiederherstellung einer horizontalen Blickachse. Das Ziel jeder Therapie ist neben der akuten Schmerzlinderung eine Verlangsamung des entzündlichen Prozesses und ein Entgegenwirken der Versteifungstendenz der Wirbelsäule Physiotherapie, physikalische Therapie, Sport, Patientenschulung Wichtige Bestandteile jeder Therapie sind Krankengymnastik, Sport und physikalische Anwendungen zusammen mit Patientenschulungen (die deutsche Vereinigung für Morbus Bechterew – DVMB – stellt zahlreiche Informationsmaterialien zur Verfügung: http://www.bechterew.de/). So kann die Beweglichkeit der Gelenke verbessert und erhalten werden. Verkürzungen von Muskeln wird entgegengewirkt, und hypotrophe Muskeln werden gekräftigt. Zudem wird die Koordination geschult, Ausweichbewegungen werden erlernt und Schmerzen dadurch gelindert. Zu den besonders empfehlenswerten Sportarten gehören beispielsweise Schwimmen, Radfahren (wobei hier die richtige Lenkereinstellung wichtig ist, um der Kyphosierung entgegenzuwirken!), Skilanglauf und wenig belastender, ausdauernder Waldlauf, während von Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko oder einseitiger Belastung abzuraten ist, u. a. weil sich das Risiko einer posttraumatischen Gelenkdestruktion zu demjenigen der Systemerkrankung addieren würde. Zu den empfehlenswerten Sportarten gehören Schwimmen, Radfahren, Skilanglauf und Waldlauf Der Orthopäde 10 · 2007 | 969 Tab. 1 TNF-α-Inhibitoren mit Dosisempfehlung und Nebenwirkungen TNF-α-Inhibitoren Adalimumab Häufigste Nebenwirkungena Dosisempfehlung Humira®, 40 mg Injektionslösung in Fertigspritze, subkutane Injektion jede 2. Woche als Einzeldosis Infekte der Atemwege, Blutbildveränderungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Blutdruckerhöhung, Husten, Abgeschlagenheit, Mattigkeit, Übelkeit, Durchfall, Bauchschmerzen, Gelenkentzündung, Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut, Reaktionen an der Injektionsstelle (Rötung, Verhärtung, kleine Blutergüsse) Etanercept Enbrel®, 25 mg, subkutane Injektion 2-mal pro Woche oder Infektionen durch Bakterien, Pilze oder Viren, fieberhafte Infekte, Hautaus50 mg 1-mal pro Woche schläge, Reaktionen an der Injektionsstelle (Rötung, Verhärtung, kleine Blutergüsse), Magen-Darm-Beschwerden, Juckreiz, Fieber Infliximab Remicade®, 5 mg/kg Körpergewicht (KG), intravenöse Infusion Virusinfektionen, Kopfschmerzen, Schwindel/Benommenheit, Übelkeit, über einen Zeitraum von 2 h, gefolgt von weiteren Infusionen Durchfall, Bauchschmerzen, Überempfindlichkeitsreaktionen mit Hautreakmit 5 mg/kg KG in Woche 2 und Woche 6 nach der 1. Infusion, tionen, z. B. Rötung, Juckreiz, Ausschlag, Quaddelbildung, Brustschmerzen, danach alle 6–8 Wochen Müdigkeit, Fieber aNach dem Einsatz von TNF-Blockern sind schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wie Infektionen, einschließlich Sepsis und Tuberkulose sowie Reaktivierung von HBV, maligne Erkrankungen wie Lymphome, hämatologische Ereignisse wie Anämie und Panzytopenie, demyelinisierende Ereignisse/Neuropathien, dekompensierte Herzinsuffizienz, Erhöhung der Leberenzyme, Auftreten von Autoantikörpern und Autoimmunerkrankungen, Infusionsreaktionen/Reaktionen an der Einstichstelle/Hypersensitivität von klinischer Relevanz. Medikamentöse Therapie Typisch für Bechterew-Patienten ist eine deutliche Abnahme der Schmerzen innerhalb von 48 h nach NSARGabe 7 C OX-2-Inhibitoren DMARDs sind im Fall der axialen Symptome von Bechterew-Patienten praktisch wirkungslos NSARs und DMARDs Basis der medikamentösen Therapie des M. Bechterew bilden die traditionellen NSARs (nichtsteroi­ dale Antirheumatika) und die COX-2-Inhibitoren. Typisch für Bechterew-Patienten ist eine deutliche Abnahme der Schmerzen innerhalb von 48 h nach NSAR-Gabe und/oder eine Zunahme der Schmerzlast nach Absetzen von NSARs. 7 COX-2-Inhibitoren sind in ihrer Wirksamkeit vergleichbar zu den herkömmlichen NSARs [21], weisen jedoch aufgrund der COX-2-Selektivität ein etwas geringeres Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen auf. DMARDs („disease modifying antirheumatic drugs“) wie Methotrexat, die bei Patienten mit RA zur Standardmedikation gehören, sind im Fall der axialen Symptome von Bechterew-Patienten praktisch wirkungslos. Nur Patienten im Frühstadium sowie solche mit vorwiegend peripherem Befall profitieren möglicherweise von einer Behandlung mit Sulfasalazin, einem der am besten untersuchten DMARDs [6]. Auch der Effekt von Methotrexat scheint sich im Wesentlichen auf die peripheren Gelenke zu beschränken. Schließlich wirken systemische Kortikosteroide im Gegensatz zur RA beim M. Bechterew kaum. Am besten kommen sie als lokale intraartikuläre Injektion zum Einsatz, wenn nur wenige Gelenke synovialitisch betroffen sind, und führen dann meist zu einer raschen Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung. TNF-α-Inhibitoren Die Patienten sprechen umso besser auf die Anti-TNF-α-Therapie an, je kürzer die Krankheit manifestiert ist 970 | Der Orthopäde 10 · 2007 Durch den Einsatz von TNF-α-Inhibitoren, wie beispielsweise Adalimumab (Humira®), Etanercept (Enbrel®), Infliximab (Remicade®), eröffneten sich in den letzten Jahren völlig neue Behandlungsmöglichkeiten. Laut den Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) zum Einsatz von TNF-α-Inhibitoren [11] wird deren primäre Gabe bei Patienten mit gesichertem M. Bechterew (seit mindestens 6 Monaten symptomatisch) empfohlen, die unter einer dauerhaft hohen Krankheitsaktivität leiden (BASDAI >4 für mindestens 4 Wochen plus z. B. akute entzündliche Veränderungen im MRT) oder bei denen die konventionelle Therapie versagte (d. h. trotz Gabe von mindestens 2 NSARs über 3 Monate bzw. trotz lokaler Kortikosteroidgabe oder Sulfasalazin bei Patienten mit vorwiegend peripherer Arthritis). Zu den häufigsten Nebenwirkungen aller TNF-α-Inhibitoren gehören Reaktionen an der Einstichstelle, Infektionen, und Hautreaktionen (. Tab. 1). Dass die Patienten umso besser auf die Anti-TNF-α-Therapie ansprechen, je kürzer die Krankheit manifestiert ist [16], verdeutlicht, wie essenziell eine frühzeitige Diagnose für die optimale Patientenversorgung ist. Besonders bedeutsam ist, dass diese neue Therapieoption nicht nur der Schmerztherapie dient, sondern den Krankheitsverlauf an sich positiv beeinflusst und die Lebensqualität der Patienten deutlich erhöht [7, 10]. Noch unklar ist, ob die ohne Therapie feststellbare Röntgenprogression positiv beeinflusst wird. Natürlich müssen mögliche Nebenwirkungen dieser neueren Behandlungsmethoden kritisch überwacht und weitere Ergebnisse zum Langzeiterfolg im Auge behal- CME ten werden. Obwohl heute viele Patienten die Kriterien für eine Anti-TNF-α-Therapie erfüllen, erhalten – gemäß Studienlage – nur sehr wenige diese Behandlung [7, 9]. Operationen Bedingt durch die entzündliche Systemerkrankung selbst, evtl. immunsuppressive medikamentöse Behandlung und die bei diesen Patienten vermehrt anzutreffenden Begleiterkrankungen besteht generell ein erhöhtes Operations- und postoperatives Komplikationsrisiko. Insbesondere die möglichen Operationskomplikationen unter Anti-TNF-α-Therapie müssen individuell abgewogen werden. Generell kann man davon ausgehen, dass bei jungen, ansonsten gesunden Patienten mit nur kurzer Krankheitsdauer, die keine medikamentöse Kombinationstherapie erhalten und bei denen nur ein „kleiner“ Eingriff vorgesehen ist, TNF-α-Blocker weitergegeben werden können. Aufgrund der bekannten Infektionsrisiken unter TNF-α-Behandlung sollte man diese Medikation dagegen absetzen, wenn die Patienten schon älter sind, als Risikopatienten eingestuft werden, die Krankheit schon lange manifest ist und/oder ein „großer“ Eingriff geplant ist [15]. Als absolute Indikation für ein operatives Vorgehen gelten neurologische Defizite, z. B. nach Frakturen an der Wirbelsäule. Die begleitende Osteoporose führt gelegentlich zu Spontanfrakturen (HWS!) mit entsprechender Symptomatik. Präventive Operationen an den peripheren Gelenken sind bei einer trotz Medikation persistierenden Synovialitis von mehr als 6–12 Wochen angezeigt. Der Vorteil von 7 Synovektomien besteht darin, dass sie oft minimal invasiv (arthroskopisch) durchgeführt und ggf. durch eine Radiosynoviorthese ergänzt werden können. Insbesondere kann das Gelenk erhalten, aber auch die schnelle weitere Destruktion unterbunden werden. Sollte eine entzündlich induzierte Instabilität zwischen den Wirbelkörpern C1 und C2 bestehen, kann präventiv über eine atlantodentale Spondylodese eine Myelomalazie (Atemzentrum!) vermieden werden. Die möglichen Operationskomplikationen unter Anti-TNF-α-Therapie müssen individuell abgewogen werden Als absolute Indikation für ein operatives Vorgehen gelten neurologische Defizite 7 Synovektomien Rekonstruktive Operationen Hierunter versteht man den endoprothetischen Ersatz von Gelenken, aber auch Arthrodesen. So kann beispielsweise die stabile Versteifung des dominanten Handgelenks eine sichere Greiffunktion der Finger ermöglichen. Versorgt man mehrere Regionen des Skeletts in einer operativen Sitzung, nennt man das 7 „Kombinationseingriff“ (z. B. beide Hüften mit Endoprothesen versorgen). Werden bei einem Eingriff mehrere Bereiche einer Region chirurgisch saniert (z. B. Handgelenk und Finger) spricht man von 7 „Komplexeingriffen“. An der Wirbelsäule gilt, dass diese aufgerichtet werden sollte, wenn die horizontale Blickachse für die Patienten nicht mehr gegeben ist. Um das Risiko neurologischer Schädigung zu minimieren, wird die 7 Aufrichtungsosteotomie vielfach im Bereich der Lendenwirbelsäule als Mehretagenosteotomie durchgeführt. Palliative operative Maßnahmen bestehen in schmerzlindernden Verfahren ohne sanierende Elemente (z. B. Denervation). Präoperative Maßnahmen. Sie umfassen neben der Bestimmung allgemeiner Laborparameter das Erfragen evtl. Allergien und Begleitmedikationen, die Diskussion einer möglichen Eigenblutspende (Gabe von Erythropoetin?) sowie die Anpassung der Basismedikation. Eine 7 Single-shot-Antibio­ tikumprophylaxe zur Senkung der postoperativen Infektionsrate ist zu empfehlen; eine Kortisontherapie bei Bechterew-Patienten ist die Ausnahme, sodass ein perioperativer Kortisonstoß nicht erforderlich ist. 7 Kombinationseingriff 7 Komplexeingriff 7 Aufrichtungsosteotomie Palliative operative Maßnahmen bestehen in schmerzlindernden Verfahren ohne sanierende Elemente 7 Single-shot-Antibiotikumprophylaxe Intraoperative Maßnahmen. Mit den modernen Möglichkeiten der Chirurgie und der Anästhesie, z. B. der Blutrückgewinnung („cell saver“) und dem intensivmedizinischen Monitoring, sind die teilweise sehr großen Eingriffe (auch an der Wirbelsäule) zu bewerkstelligen. Postoperative Maßnahmen. Postoperativ ist es wichtig, Begleiterkrankungen adäquat zu behandeln, internistische Komplikationen zu vermeiden und die Basismedikation zu überwachen bzw. (erneut) einzustellen. Mögliche Komplikationen einer Operation bestehen u. a. in Wundheilungsstörungen und Infekten bis zur Sepsis. Wurden zuvor „Biologicals“ gegeben, muss deren Halbwertszeit in Betracht gezogen werden, damit im Fall von Wundheilungsstörungen adäquat reagiert werden kann. Der Orthopäde 10 · 2007 | 971 Fazit für die Praxis Die frühe Diagnosestellung und das sofortige Einbeziehen des M. Bechterew in die differenzialdiagnostischen Erwägungen sind heute wichtig geworden. Die Anamnese leitet die Diagnostik zu einer frühen MRT-Untersuchung (mit Kontrastmittel). Initial sind die konservative Behandlung und die Gabe von NSAR angezeigt. Mit den Biologicals ist eine potente Option vorhanden, behandlungsresistente Fälle doch erfolgreich zu therapieren, die früher zur Invalidität oder zu eingreifenden Operationen führten. Korrespondenzadresse Prof. Dr. S. Rehart Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Markus-KH, Akademisches Lehrkrankenhaus Wilhelm-Epstein-Straße 2, 60431 Frankfurt a.M. [email protected] Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor weist auf folgende Beziehungen hin: Vortrags- und Referententätigkeit für Pharmafirmen und Implantathersteller. Literatur 1. Bollow M, Fischer T, Reisshauer H et al. (2000) Quantitative analyses of sacroiliac biopsies in spondyloarthropathies: T cells and macrophages predominate in early and active sacroiliitis- cellularity correlates with the degree of enhancement detected by magnetic resonance imaging. Ann Rheum Dis 59: 135– 140 2. Boonen A, van der Linden SM (2006) The burden of ankylsoing spondylitis. J Rheumatol 33 (Suppl 78): 4–11 3. Braun J, Zochling J, Märker-Hermann E, Stucki G et al. (2006) Empfehlungen für das Management der ankylosierenden Spondylitis gemäß ASAS/EULAR. Z Rheumatol 65: 728– 742 4. Braun J, Rudwaleit M, Hermann K, Rau R (2007) Bildgebung bei Spondylitis ankylosans. Z Rheumatol 66: 167–178 5. Brophy S, Pavy S, Lewis P et al. 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F Es ist immer nur eine Antwort möglich. Ein männlicher Patient von 35 Jahren kommt mit folgenden Symptomen in Ihre Sprechstunde: Nicht genau lokalisierbare Kreuz- oder Gesäßschmerzen, die vorwiegend in der 2. Nachthälfte auftreten und zu einem frühmorgendlichen Erwachen führen. Nach dem Aufstehen unter Bewegung und im Lauf des Tages verschwinden die Rückenschmerzen. Die Morgensteifigkeit verschwindet frühestens nach 30 min. An welche Erkrankung denken Sie bei diesem Patienten? Plasmozytom. Lumbago. Bandscheibenprolaps. Prostatakarzinom. M. Bechterew. Wann würden Sie eine präventive Operation wie eine Synovektomie bei einem Patienten mit M. Bechterew in Betracht ziehen? Immer bei einer Beteiligung der peripheren Gelenke. Bei einer Beteiligung der peripheren Gelenken, wenn trotz Medikation eine persistierende Synovialitis über mehr als 6–12 Wochen vorliegt. Nach Versagen von 2 NSAR. Bei einer radiologischen Veränderung im Larsen-Stadium 5 bei Schmerzen und Instabilität. Bei persistierenden entzündlichen Schwellungen der ISG. Ein Patient mit Verdacht auf M. Bechterew wird von Ihrem allgemeinärztlichen Kollegen an Sie überwiesen. Wie bestätigen Sie die Verdachtsdiagnose? Röntgenaufnahme der KreuzDarmbein-Gelenke ohne Gonadenschutz durchführen. Wenn sich einseitig eine Sakroiliitis mindestens Grad 3 oder beidseitig eine Sakroiliitis mindestens Grad 2 zeigt, liegt ein M. Bechterew vor. Überprüfung, ob alle 3 der folgenden klinischen Symptome vorliegen: 1) Kreuzschmerzen und -steife seit >3 Monaten mit Besserung durch Bewegung, nicht durch Ruhe, 2) Bewegungseinschränkung der LWS in der sagittalen und frontalen Ebene, 3) verminderte Atembreite – alters- und geschlechtsadaptiert. MRT der Wirbelsäule. Röntgenaufnahme der KreuzDarmbein-Gelenke ohne Gonadenschutz durchführen. Wenn sich einseitig eine Sakroiliitis mindestens Grad 3 oder beidseitig eine Sakroiliitis mindestens Grad 2 zeigt, überprüft man, ob zusätzlich noch eines der 3 folgenden klinischen Symptome vorliegt: 1) Kreuzschmerzen und -steife seit >3 Monaten mit Besserung durch Bewegung, nicht durch Ruhe, 2) Bewegungseinschränkung der LWS in der sagittalen und frontalen Ebene, 3) verminderte Atembreite – alters- und geschlechtsadaptiert. Hinweis für Leser aus Österreich und der Schweiz Österreich : Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP) der Österreichischen Ärztekammer werden die auf CME.springer.de erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische Fortbildung anerkannt. Schweiz: Der Orthopäde ist durch die Schweizerische Gesellschaft für Innere Medizin mit 0,5 Credit pro Modul anerkannt. Szintigraphie anregen. Bei Anreicherung in der Region der Iliosakralgelenke liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein M. Bechterew vor. Bei wie viel Prozent der Patienten mit M. Bechterew ist zu Beginn der Erkrankung schon eine Veränderung im Röntgenbild der Kreuz-Darmbein-Gelenke zu sehen. Eine Sakroiliitis ist radiologisch lediglich bei 10–30% der Patienten schon zu Beginn der Erkrankung nachweisbar. Eine sichere Röntgenveränderung ist bereits bei 50–70% der Patienten schon zu Beginn zu sehen. Bei 15–25% der Patienten sieht man schon zu Beginn eine Sakroiliitis Grad 2. Bei keinem der Bechterew-Patienten ist zu Beginn der Erkrankung eine Sakroiliitis radiologisch nachweisbar. Diese tritt erst 5–10 Jahre nach Symptombeginn auf. Alle M.-Bechterew-Patienten zeigen bereits zu Beginn der Erkrankung eine radiologisch nachweisbare Veränderung im Röntgenbild. Welches bildgebende Verfahren eignet sich zur frühen Diagnose von M. Bechterew? MRT. Röntgen. Sonographie. Leukozytenmarkierte Szintigraphie. PET. Sie therapieren einen jungen männlichen Patienten, der seit 6 Monaten an einem tief sitzenden Rückenschmerz leidet, mit Diclofenac. Die Rückenschmerzen bessern sich innerhalb eines Tages. Der Patient ist kurze Zeit später wieder in Ihrer Sprechstunde, da er beim Auftreten starke Schmerzen im Fersenbereich aufweist. Sie diagnostizieren eine Enthesitis an der Achillessehne. Sie beobachten bei Ihrem Patienten ein leicht gerötetes Auge. Auf Nachfrage erklärt er Ihnen, dass sein Augenarzt eine Uveitis diagnostiziert habe. Welche Schlüsselsymptome sprechen für eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit auf eine frühe Form des M. Bechterew? Rasches Ansprechen auf NSAR, Enthesitis. Jung, männlich, chronischer Rückenschmerz. Junger Mann, Rückenschmerzen seit 6 Monaten, rasches Ansprechen auf NSAR (innerhalb von 48 h), Enthesitis, Uveitis. Keines der Symptome. Männlicher Patient, Uveitis. Welche rekonstruktiven Operationsmethoden eignen sich für M.-Bechterew-Patienten? Resektions-Interpositions-Arthroplastiken (RIAP) an Hüften und Knien bei Einsteifung. Prothesen der Zwischenwirbelräume. Resezierende Mobilisierung der eingesteiften kleinen Wirbelgelenke. D Mitmachen, weiterbilden und CME-Punkte sichern durch die Beantwortung der Fragen im Internet unter CME.springer.de Der Orthopäde 10 · 2007 | 973 ersteifungen der Schulter. V Aufrichtungsosteotomien der Wirbelsäule mit Spondylodese, um eine orthograde Blickrichtung zu erhalten. Mit welchem Parameter würden Sie die Krankheitsaktivität und den Therapieerfolg bei Ihrem Patienten mit M. Bechterew überprüfen? BASFI. Schober-Test. BASDAI. Gar nicht. Tragus-Wand-Abstand. Was verordnen Sie einem M.Bechterew-Patienten mit primär axialen Symptomen? DMARDs wie Methotrexat. NSAR. Krankengymnastik und physikalische Anwendungen. Glukokortikoide. NSAR, Krankengymnastik, physikalische Anwendungen. Sie haben einen schwer zu therapierenden Patienten mit M. Bechterew seit 1 Jahr. Nach einer erfolglosen Dosiserhöhung von Diclofenac und einem erfolglosen Wechsel zu einem anderen NSAR haben Sie Ihren Patienten auf einen COX-2-Hemmer umgestellt. Der Patient zeigt ein gutes Ansprechen, doch die Nebenwirkungen führen zu einem Therapieabbruch. Der Versuch mit einem alternativen NSAR führt über 4 Wochen zu keiner Besserung. Der BASDAI liegt bei 6,5. 974 | Der Orthopäde 10 · 2007 Welche Therapie käme für den Patient infrage? Methotrexat. Sulfasalazin. Lokale Injektion mit Glukokortikoiden in das Kreuz-Darmbein-Gelenk. TNF-α-Inhibitor. Radontherapie. Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate auf CME.springer. de verfügbar. Den genauen Einsendeschluss erfahren Sie unter CME.springer.de li - August gust - September - Oktober - November November - Dezember - Jan Gewusst? Online mitmachen und CME.Ticket gewinnen Das Online Gewinnspiel springer.de/gewusst