Wolfgang Schenk Friedrich Kremer Hrsg. Physikalisches Praktikum 14. Auflage Physikalisches Praktikum Priv.-Doz. Dr. rer. nat. habil Gunter Beddies Diplom in Physik 1974. Promotion 1979. Wiss. Mitarbeiter und Oberassistent. Promotion-B 1987. Verleihung der facultas docendi 1991, seit 1992 Dr. rer. nat. habil., Ernennung zum Privatdozenten 1994. Leitung des Physikalischen Grundpraktikums an der TU Chemnitz bis 2012. Dr. rer. nat. Thomas Franke Diplom 1982. Promotion 1986. Wiss. Mitarbeiter der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und Entwicklungsingenieur. Wiss. Assistent an der TU Chemnitz. Leitung des Fortgeschrittenen- und Laborpraktikums seit 2005. Dr. rer. nat. Petrik Galvosas Dipl.-Ing. (FH) 1993. Diplom in Physik 1998. Promotion 2003. 2005 bis 2009 Juniorprofessor an der Univ. Leipzig. Betreuer im Physikalischen Fortgeschrittenenpraktikum und Verantwortlicher für die Elektronikausbildung, seit 2009 Victoria University of Wellington (NZ). Prof. Dr. rer. nat. habil Friedrich Kremer Diplom in Physik 1973. Promotion 1977. Wiss. Mitarbeiter am Max-Planck-Inst. für Festkörperforschung in Stuttgart und am Max-Planck-Inst. für Polymerforschung in Mainz. Habilitation 1993. Professor für Experimentalphysik an der Univ. Leipzig seit 1993. 2005 Karl Heinz Beckurts Preis. 2009 Whitehead Memorial Award-Lecture. 2011Wolfgang-Ostwald-Preis der Kolloid-Gesellschaft. Dr. rer. nat. Peter Rieger Diplom Lehramt Physik/Mathematik 1979. Lehrer und Fachberater. Wiss. Mitarbeiter an der Univ. Leipzig seit 1990. Promotion 1997. Betreuer im Physikalischen Grundpraktikum. Verantwortlicher für das Praktikum Physikalische Schulexperimente seit 2001. Dr. rer. nat. Wolfgang Schenk Diplom in Physik 1970. Promotion 1981. Wiss. Mitarbeiter und Lektor 1970 bis 1993 (TH Merseburg, Univ. Leipzig). Leitung des Physikalischen Grundpraktikums an der Univ. Leipzig bis 2010. Wolfgang Schenk ⋅ Friedrich Kremer ⋅ Gunter Beddies ⋅ Thomas Franke ⋅ Petrik Galvosas ⋅ Peter Rieger Physikalisches Praktikum 14., überarbeitete und erweiterte Auflage Begründet von W. Ilberg, Weitergeführt von M. Krötzsch und D. Geschke Herausgegeben von W. Schenk und F. Kremer Wolfgang Schenk, Friedrich Kremer Leipzig, Deutschland Petrik Galvosas Wellington, Neuseeland Thomas Franke Jahnsdorf, Deutschland Peter Rieger Böhlen, Deutschland Gunter Beddies Chemnitz, Deutschland ISBN 978-3-658-00665-5 DOI 10.1007/978-3-658-00666-2 ISBN 978-3-658-00666-2 (eBook) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Spektrum © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Springer Spektrum ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-spektrum.de Vorwort Zur ersten Auflage Die „Grundaufgaben des physikalischen Praktikums“ von Schaefer, Bergmann und Kliefoth haben durch mehrere Jahrzehnte in zahlreichen Auflagen und Neudrucken viele Generationen von Studenten erfolgreich durch das physikalische Praktikum an unseren Hoch- und teilweise auch Fachschulen geführt. Wenngleich auch bei jeder neuen Auflage einige als wünschenswert erkannte Änderungen und Ergänzungen angebracht worden sind, so verlangte doch die in den letzten Jahren erfolgte Neuordnung der Ausbildung künftiger Physiker und anderer Naturwissenschaftler sowie der Lehrerstudenten eine eingehende Überarbeitung sowohl des Versuchsbestandes als z. T. auch der Darstellung. Ebenso musste die Tatsache Berücksichtigung finden, dass einfachere Versuche heute vielfach schon im Schulunterricht als Schülerversuche durchgeführt werden, so dass sich ihre Wiederholung im Physikalischen Praktikum der Hochschule zumeist erübrigt. Im Laufe der Vorarbeiten für eine in solchem Sinne beabsichtigte Neubearbeitung des genannten Lehrbuches zeigte sich, dass diese der Herausgabe eines völlig neu geschriebenen Werkes entsprechen würde, so dass es durchaus berechtigt erschien, im Titel den Bezug auf das frühere Werk fallen zu lassen. Eine gewisse Schwierigkeit besteht bei der Schaffung eines Praktikumsbuches immer darin, eine angemessene Auswahl von wirklich zweckmäßigen Versuchen zu treffen. Dies ist umso schwerer, als an den verschiedenen Ausbildungsstätten sich im Laufe der Zeit auch verschiedene Aufgabenbestände herausgebildet haben. Um hierüber zunächst eine Übersicht zu bekommen, wurden zahlreiche Universitätsund Fachschulinstitute innerhalb der Deutschen Demokratischen Republik um Mitteilung des derzeitigen Versuchsbestandes gebeten. Den betreffenden Praktikumsvorständen, die uns durch die Beantwortung unserer Fragen entgegenkommend unterstützten, sei auch an dieser Stelle herzlich gedankt. Als Ergebnis der Umfrage kann festgestellt werden, dass, gewisse Grundversuche mit geringfügigen Varianten mehr oder weniger überall vorhanden sind, wozu je nach Eigenart des betreffenden Instituts bzw. der zuständigen Praktikumsleiter noch unterschiedliche Spezialversuche kommen. Es musste nun Aufgabe des vorliegenden Praktikumsbuches sein, durch die aufgenommenen Versuchsbeschreibungen die wichtigsten Grundversuche möglichst weitgehend zu erfassen, wobei ein Verzicht auf speziellere Aufgaben in Kauf genommen werden konnte, zumal für diese an den betreffenden Instituten Einzelbeschreibungen vorhanden sein werden. Ebenso wird es öfters nützlich sein, dem Studenten die örtlich unterschiedlichen Abweichungen von der Versuchsbeschreibung in vorliegendem Buch durch schriftliche Anweisung oder auch nur mündlich zu erläutern. Herausgeber und Mitarbeiter sahen es für zweckmäßig an, sachlich verwandte Versuche zu Versuchsgruppen zu vereinigen, denen jeweils allgemeine Ausführungen vorangestellt sind, die dem Studenten den zugrunde liegenden Stoff in großen Zügen in Erinnerung bringen sollen. Dass es nicht die Aufgabe sein kann, hiermit ein Lehrbuch zu ersetzen, versteht sich von selbst. Zu den einzelnen Aufgaben werden anschließend noch die speziellen Grundlagen gegeben und schließlich die Versuchsdurchführung beschrieben. Der zunehmenden Bedeutung der Atomphysik entsprechend wurden auch einige einfache Versuche aus diesem Gebiet mit aufgenommen, die sich mit Praktikumsmitteln durchführen lassen. Kritische Beurteilung des unmittelbar gemessenen oder aus Messungen gefundenen Resultates ist grundsätzliche Forderung jeder wissenschaftlichen Arbeit und außerdem von hohem erzieherischem Wert. Es sollte daher stets im Anschluss an jeden Versuch eine Fehlerrechnung oder wenigstens Fehlerabschätzung durchgeführt werden. Es ist kaum vermeidbar, dass ein neu geschriebenes Buch noch Mängel und Fehler aufweist. Herausgeber und Verfasser wären für entsprechende Hinweise dankbar, um sie bei einer späteren Auflage berücksichtigen zu können. Leipzig, Januar 1966 Waldemar Ilberg VI Zur dreizehnten Auflage Das Teubner-Buch „Physikalisches Praktikum“ - 1966 von W. Ilberg begründet und von der vierten bis zur neunten von M. Krötzsch sowie von der zehnten bis zur zwölften Auflage von D. Geschke herausgegeben - bewährt sich als Lehrbuch für die Studierenden der Physik, anderer naturwissenschaftlicher und technischer Studiengänge sowie für Lehramtsanwärter entsprechender Fachkombinationen, die ein physikalisches Grundpraktikum an Universitäten und Fachhochschulen absolvieren. Die vorliegende 13. Auflage wurde umfassend neu bearbeitet und in einem zweifarbigen Layout gestaltet. Es sind unter Beibehaltung der bewährten Grundkonzeption mehr als zwanzig Versuche neu aufgenommen oder stark überarbeitet worden, um der Entwicklung in den Physikalischen Praktika in den letzten Jahren gerecht zu werden. Dabei wurden die geltenden Normen des Deutschen Instituts für Normung (DIN) weitestgehend berücksichtigt. Einige Versuche sind aus Gründen der Aktualisierung nicht mehr enthalten. Die Neubearbeitung des Kapitels Mechanik übernahmen Dr. P. Rieger und Dr. W. Schenk, der auch die Einführung und das Kapitel Wärmelehre überarbeitet hat. Im Kapitel Elektrizitätslehre erfolgte die Bearbeitung der Themengebiete Widerstände und Stromquellen sowie elektrische und magnetische Felder durch Dr. W. Schenk, die Versuche zum Gebiet Halbleiter-Bauelemente und elektronische Grundschaltungen wurden durch Dr. P. Galvosas bearbeitet. Eine inhaltliche Neugestaltung der Versuche zu den Themengebieten Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen sowie elektrische Schwingungen ist von Dr. P. Rieger übernommen worden. Priv.-Doz. Dr. habil. G. Beddies und Dr. T. Franke sind für die Bearbeitung des Kapitels Optik und Atomphysik verantwortlich, wobei einige neue Versuche zu den Themen ionisierende Strahlung sowie fundamentale Konstanten und Effekte der Physik hinzugekommen sind. Das neu konzipierte Kapitel zur Fourier-Transformation und Signalanalyse, das von Prof. Dr. F. Kremer und Vorwort Dr. W. Schenk bearbeitet wurde, enthält drei ausgewählte Versuche aus verschiedenen Themengebieten, um die Bedeutung dieser heute in vielen Gebieten der Wissenschaft zur Auswertung von Messdaten etablierten Methode hervorzuheben. Mit der getroffenen Versuchsauswahl, die auf die Erfahrungen der Arbeitsgruppe „Physikalische Praktika“ im Fachverband „Didaktik der Physik“ der Deutschen Physikalischen Gesellschaft sowie auf gründliche Internetrecherchen zurückgreift, möchten wir den Bedingungen und Anforderungen in möglichst vielen Physikalischen Praktika gerecht werden. Auf die Erstellung einer neuen CD-ROM wurde aus verschiedenen Gründen verzichtet. Einige der ergänzenden Inhalte, die auf der in der zwölften Auflage mitgelieferten CD-ROM enthalten waren, sind in das Internetportal OnlinePlus des Verlags übernommen worden. Dort werden auch die im Anhang des Buches enthaltenen Textabschnitte zu wichtigen Grundlagen im Physikpraktikum, die von Dr. P. Rieger (Komplexe Zahlen, Lösungen linearer Differentialgleichungen), Prof. Dr. W. Oehme aus Leipzig (Nichtlineare Dynamik), Priv.-Doz. Dr. habil. G. Beddies (Grundlagen digitaler Messungen) und Dr. T. Franke (Nuklid-Zerfall) erstellt wurden, sowie weitere Informationen publiziert. Für seine engagierte Unterstützung bei der Entwicklung sowie Erprobung neuer Versuche und bei der Gestaltung der Druckvorlage gilt unser besonderer Dank Herrn C. Hanisch (Leipzig). Bei Herrn Sandten und Frau Hoffmann vom Verlag Vieweg+Teubner möchten wir uns für die freundliche Unterstützung und fachkundige Beratung bis zur Fertigstellung dieser Auflage herzlich bedanken. Die Herausgeber und die Autoren wünschen sich auch für die dreizehnte, neu bearbeitete Auflage einen breiten Nutzerkreis. Dankbar nehmen wir Verbesserungsvorschläge und sachkundige, kritische Hinweise zu Inhalt und Form des Buches entgegen. Leipzig, Dezember 2010 Wolfgang Schenk Friedrich Kremer Vorwort VII Zur vierzehnten Auflage Das Lehrbuch „Physikalisches Praktikum“ 1966 von W. Ilberg begründet und von der vierten bis zur neunten von M. Krötzsch sowie von der zehnten bis zur zwölften Auflage von D. Geschke herausgegeben – ist seit Jahrzehnten ein anerkanntes Praktikumsbuch für die Studierenden der Physik, anderer naturwissenschaftlicher und technischer Studiengänge sowie für Lehramtsanwärter entsprechender Fachkombinationen, die ein physikalisches Praktikum an Universitäten und Fachhochschulen absolvieren. Die dreizehnte neubearbeitete Auflage hat eine gute Resonanz gefunden und damit eine vierzehnte Auflage notwendig gemacht, in der alle bisher bekannt gewordenen Druckfehler korrigiert wurden. Des Weiteren haben wir Änderungen bzw. Ergänzungen im Text und in einigen Abbildungen vorgenommen, die zur Verbesserung der Darstellung einiger Inhalte beitragen soll. Die bisherigen Onlinematerialien zum Buch wurden durch zusätzliche Ergänzungen zu ausgewählten Themen (z. B. Simulationsprogramm zum nichtlinearen Drehpendel nach Pohl, Fourier-Transformation und -Analyse, Ermittlung der Unsicherheit bei Messungen, Begründungen von Gleichungen) erweitert. Diese Zusatzmaterialien und andere Informationen, die den jeweiligen Hauptkapiteln zugeordnet sind, findet man über die Internetadresse http://www.springer.com/physics/book/978-3658-00666-2 unter der Rubrik „Zusätzliche Informationen“ auf der rechten Seite. Bei Frau Hoffmann vom Springer-Verlag möchten wir uns für die freundliche Unterstützung und Beratung bis zur Fertigstellung dieser Auflage herzlich bedanken. Weiterhin gilt unser Dank Prof. Dr. M. Ziese (Leipzig) für seine Hinweise zu notwenig gewordenen Korrekturen und Vorschläge zu einigen inhaltlichen Verbesserungen. Die Herausgeber und die Autoren wünschen sich, dass auch die vierzehnte Auflage für die Studierenden bei der Vorbereitung von Versuchen im physikalischen Praktikum ein hilfreiches und nützliches Lehrbuch sein wird und wieder einen breiten Nutzerkreis findet. Konstruktive Verbesserungsvorschläge und sachkundige, kritische Hinweise zu Inhalt und Form des Buches nehmen wir dankbar entgegen. Leipzig, Juli 2013 Wolfgang Schenk Friedrich Kremer Inhaltsverzeichnis EF Einführung 1 Größen und Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 1.2 Internationales Einheitensystem (SI-Einheiten) . . . . . . . . . . Abgeleitete Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3 2 Erfassung und Auswertung von Messwerten . . . . . . . . . . 4 2.1 2.2 2.3 Sensoren und Messgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphische Darstellung und Auswertung . . . . . . . . . . . . . Ausgleichsrechnung (lineare Regression) . . . . . . . . . . . . . 4 6 9 3 Messunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 Messabweichungen bei Einzelmessungen . . . . . . Messunsicherheit bei direkten Messgrößen . . . . . Messunsicherheit bei indirekten Messgrößen . . . . Messgrößen mit zufälligen Messabweichungen . . . Mittelwert, Standardabweichung, Vertrauensbereich Messunsicherheit bei kombinierten Messgrößen . . . Messunsicherheit beim linearen Ausgleich . . . . . Angabe des Messergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 12 13 14 14 16 17 18 4 Statistische Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4.1 4.2 Ermittlung von Häufigkeitsverteilungen . . . . . . . . . . . . . . Verteilungen und Prüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 22 5 Versuchsvorbereitung und Protokollführung . . . . . . . . . . 27 M . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechanik 1 Wägung und Dichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.0 1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 Grundlagen . . . . . . . Pyknometer . . . . . . . Auftriebsverfahren . . . Resonanzverfahren . . . Schwingrohr . . . . . . . Stimmgabeldichtemesser . . . . . . 29 33 35 39 40 41 2 Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.0 2.0.1 2.0.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Satz von Steiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 43 47 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis IX 2.0.3 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4 2.5 Reduzierte Pendellänge . . . . . . . Fadenpendel . . . . . . . . . . . . . Reversionspendel . . . . . . . . . . Drehpendel . . . . . . . . . . . . . Lineare Schwingungen und Resonanz Nichtlineare Schwingungen . . . . . Gekoppelte Pendel . . . . . . . . . Trägheitsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 48 49 52 53 57 59 63 3 Deformationsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3.0 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . Elastizitätsmodul . . . . . . . . . . Dehnung . . . . . . . . . . . . . . Biegung . . . . . . . . . . . . . . . Torsionsmodul . . . . . . . . . . . Statische Messmethode . . . . . . . Dynamische Messmethode . . . . . Federkonstante einer Schraubenfeder . . . . . . . . 66 68 69 69 74 75 75 77 4 Schall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.0 4.0.1 4.0.2 4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . Wellengleichung . . . . . . . . . . . Schallwandler . . . . . . . . . . . . . Schallgeschwindigkeit in Festkörpern . Dehnungswelle . . . . . . . . . . . . Biegewelle . . . . . . . . . . . . . . Schallgeschwindigkeit in Flüssigkeiten . . . . . . . 79 80 84 84 84 86 87 5 Oberflächenspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 5.0 5.1 5.2 5.3 Grundlagen . . . . Abreißmethode . . Steighöhenmethode Tropfenmethode . . . . . . 91 93 94 97 6 Viskosität und Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 6.0 6.0.1 6.0.2 6.1 6.2 6.3 6.4 Grundlagen . . . . . . . . . . . Bernoulli-Gleichung . . . . . . . Gesetz von Hagen und Poiseuille Kugelfallmethode . . . . . . . . Kugelfall-Viskosimeter . . . . . Kapillar-Viskosimeter . . . . . . Strömung im Rohr . . . . . . . . 99 99 100 102 103 104 106 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X Inhaltsverzeichnis W Wärmelehre 1 Temperaturmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1.0 1.0.1 1.0.2 1.0.3 1.0.4 1.1 1.2 1.3 1.4 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperatur, Maßeinheit und Temperaturskalen Ausdehnungsthermometer . . . . . . . . . . . Elektrische Temperatursensoren . . . . . . . . Strahlungsthermometrie . . . . . . . . . . . . Thermische Ausdehnung . . . . . . . . . . . Gasthermometer . . . . . . . . . . . . . . . . Abkühlungskurven und Wärmeübergang . . . Strahlungsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... 109 109 110 110 112 116 118 120 122 2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen . . . . . . . 125 2.0 2.0.1 2.0.2 2.0.3 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.4 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustandsgleichungen . . . . . . . . . . . . Energiesatz und Adiabatengleichung . . . . Dampfdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . Isothermen realer Gase . . . . . . . . . . . Adiabatenexponent . . . . . . . . . . . . . Versuch nach Clément und Desormes . . . . Schallgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . Resonanzmethoden . . . . . . . . . . . . . Dampfdruckkurve und Verdampfungswärme Wärmepumpe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 125 128 129 131 132 133 134 135 138 140 3 Kalorimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3.0 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 3.3.1 3.3.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmekapazität eines Kalorimeters . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Wärmekapazität von Festkörpern und Flüssigkeiten Spezifische Wärmekapazität fester Stoffe . . . . . . . . . . . . Spezifische Wärmekapazität von Flüssigkeiten . . . . . . . . . Umwandlungswärmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Schmelzwärme des Eises . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Kondensationswärme des Wassers . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 144 145 146 148 148 148 150 4 Wärmeleitung in Festkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 4.0 4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmeleitfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 152 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis E XI Elektrizitätslehre 1 Widerstände und Stromquellen 1.0 1.0.1 1.0.2 1.1 1.2 1.3 1.4 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrischer Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reale Spannungsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerstandsbestimmung durch Strom- und Spannungsmessung . Temperaturabhängigkeit elektrischer Widerstände . . . . . . . Kenngrößen einer realen Spannungsquelle . . . . . . . . . . . Verlustbehafteter Spannungsteiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 157 161 162 164 167 169 2 Elektrische und magnetische Felder . . . . . . . . . . . . . . 172 2.0 2.0.1 2.0.2 2.0.3 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Grundlagen . . . . . . Elektrisches Feld . . . Magnetisches Feld . . Magnetismus . . . . . Elektrostatische Felder Magnetfelder in Spulen Magnetische Hysterese Hall-Effekt . . . . . . Transformator . . . . . . . . . . . . . . 172 172 174 177 179 181 183 185 187 3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3.0 3.0.1 3.0.2 3.0.3 3.1 3.2 3.3 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstellvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplexe Darstellung von Wechselgrößen . . . Schaltungen mit Wechselstromwiderständen . . Oszilloskop und Phasenbeziehungen . . . . . . Tief- und Hochpass . . . . . . . . . . . . . . . Sprungantworten von RC- und RL-Schaltungen . . . . . . . 191 191 194 195 199 203 207 4 Elektrische Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4.0 4.0.1 4.0.2 4.1 4.2 4.3 Grundlagen . . . . . . . . . . . . Freie gedämpfte Schwingungen . . Reihen- und Parallelschwingkreis . Abklingvorgänge im RLC-Kreis . . Resonanz im Reihenschwingkreis Resonanz im Parallelschwingkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 209 209 211 216 217 219 XII Inhaltsverzeichnis 5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen . . 221 5.0 5.0.1 5.0.2 5.0.3 5.1 5.2. 5.2.1 5.2.2 5.3 5.4 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitungsvorgänge in Halbleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . pn-Übergang - Dioden und Transistoren . . . . . . . . . . . . . Integrierte Schaltkreise - Operationsverstärker und logische Gatter Bandlückenenergie, Sperrschichtkapazität eines pn-Übergangs . . Halbleiterdioden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kennlinien einer Si-Diode, Gleichrichtung . . . . . . . . . . . . Kennlinie einer Z-Diode, Spannungsstabilisierung . . . . . . . . npn-Transistor, n-Kanal-Sperrschicht-FETcs, Verstärkerschaltung Operationsverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitalelektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Addierer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . RS-Kippschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digital-Analog-Wandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 221 223 227 231 233 233 234 234 236 238 238 239 239 O Optik und Atomphysik 1 Linsen und Linsensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.0 1.1 1.2 1.3 1.4 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krümmungsradius und Brennweite dünner Linsen Brennweite und Hauptebenen eines Linsensystems Lupe und Mikroskop . . . . . . . . . . . . . . . Fernrohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 243 246 247 250 2 Kohärenz, Interferenz und Beugung . . . . . . . . . . . . . . 252 2.0 2.0.1 2.0.2 2.0.3 2.1 2.2 2.3 2.4 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . Licht als elektromagnetische Welle . . . . Kohärenz und Laser . . . . . . . . . . . . Beugung an Spalt, Doppelspalt und Gitter Interferenzen gleicher Dicke . . . . . . . Beugung an Spalt und Doppelspalt . . . . Beugung am Gitter . . . . . . . . . . . . Michelson-Interferometer . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 252 253 254 257 260 263 265 3 Brechung, Dispersion und Absorption . . . . . . . . . . . . . 268 3.0 3.0.1 3.0.2 3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . Brechungsindex und Dispersion . . . Extinktion und Absorption . . . . . . Refraktometrie . . . . . . . . . . . . 268 268 270 271 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Inhaltsverzeichnis XIII 3.2 3.3 3.4 Prismenspektrometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brechungsindex von Gasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spektralphotometetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 277 280 4 Polarisation 282 4.0 4.0.1 4.0.2 4.0.3 4.1 4.2 4.3 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polarisation durch Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . Polarisation durch Doppelbrechung . . . . . . . . . . . . Drehung der Polarisationsebene . . . . . . . . . . . . . . Polarisationswinkel und Reflexionsvermögen . . . . . . . Drehung der Schwingungsebene linear polarisierten Lichts Polarisationsgrad und Viertelwellenlängenplatte . . . . . 5 Ionisierende Strahlung 5.0 5.0.1 5.0.2 5.0.3 5.1 5.2 5.3 5.4 5.4.1 5.4.2 5.5 5.5.1 5.5.2 5.6 5.7 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . Wechselwirkung von Strahlung und Stoff . Strahlungsdetektoren . . . . . . . . . . . . Radioaktive Umwandlung . . . . . . . . . . Messungen mit dem Geiger-Müller-Zählrohr Messung der Halbwertszeit . . . . . . . . . Reichweite von D-Strahlung in Luft . . . . E-Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . Absorption von E-Strahlung . . . . . . . . E-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . J-Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwächung von J-Strahlung . . . . . . . . J-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . Compton-Effekt . . . . . . . . . . . . . . Röntgenstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 292 293 296 297 300 301 303 303 305 306 306 308 310 313 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik . . . . . . 316 6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Lichtgeschwindigkeit . . . . . . . . . Elementarladung . . . . . . . . . . . Planck’sches Wirkungsquantum . . . Äußerer Photoeffekt . . . . . . . . . Röntgenbremsspektrum . . . . . . . . Spezifische Ladung e/m des Elektrons Franck-Hertz-Versuch . . . . . . . . Rydberg-Konstante . . . . . . . . . . Avogadro-Konstante . . . . . . . . . Gravitationskonstante . . . . . . . . . 317 321 323 323 326 327 328 331 332 334 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 282 283 284 285 285 287 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV F 1.0 1.0.1 1.0.2 1.0.3 1.1 1.2 1.3 Inhaltsverzeichnis Fourier-Transformation und Signalanalyse Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Prinzip der Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . . . Diskrete Fourier-Transformation und Abtasttheorem . . . . . . . Fourier-Transformation in endlichen (Zeit)Intervallen . . . . . . Fourier-Synthese und -Analyse optischer Muster und elektrischer Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fourier-Analyse gekoppelter elektrischer Schwingungen . . . . . Fourier-Analyse akustischer Schwingungen . . . . . . . . . . . 338 338 340 341 342 345 351 Anhang A.1 A.2 A.3 A.4 A.5 A.6 A.7 A.8 A.9 A.10 A.11 A.12 Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungen linearer Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . Nichtlineare Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen digitaler Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Nuklid-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fundamentalkonstanten der Physik . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften fester Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften von Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . Dichte und dynamische Viskosität von Wasser . . . . . . . . . . Siedetemperatur des Wassers in Abhängigkeit vom Luftdruck . . Spezifische Wärmekapazität von Wasser . . . . . . . . . . . . . Dichte von Gasen, Schallgeschwindigkeit in Gasen, Flüssigkeiten und Festkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmeleitfähigkeit fester Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . Flächenträgheitsmomente ausgewählter Querschnitte . . . . . . . Beispiele stationärer Wärmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifischer elektrischer Widerstand und Temperaturkoeffizient . Beweglichkeit der Ladungsträger verschiedener Halbleiter . . . . Spektrallinien ausgewählter Elemente . . . . . . . . . . . . . . Termschema von Neon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle zur Standardnormalverteilung . . . . . . . . . . . . . . Tabelle zur t-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle zur F2-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 360 364 370 373 377 378 379 380 380 381 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 A.13 A.14 A.15 A.16 A.17 A.18 A.19 A.20 A.21 A.22 381 381 382 383 384 384 385 386 387 388 389 1 Einführung 1 Größen und Einheiten Messungen dienen der Ermittlung der Werte physikalischer Größen auf experimentellem Weg. Physikalische Größen - wenn keine Verwechslungen möglich sind, auch als Größen bezeichnet - sind direkt oder indirekt messbare Eigenschaften von Objekten (Körper, Zustände, Vorgänge) wie z. B. Masse, Ladung, Energie, die qualitativ charakterisiert und quantitativ ermittelt werden können. Nach der Norm DIN 1319 („Grundlagen der Messtechnik“) als grundlegende deutsche Norm der Messtechnik ist die Messgröße diejenige physikalische Größe, der eine Messung gilt. Dabei wird in dieser Norm der Begriff sowohl für “Messgröße im allgemeinen Sinn“ als auch für „spezielle Messgröße“ verwendet. Der Wert einer Größe wird durch den Zahlenwert und die Einheit beschrieben. Unter dem Zahlenwert versteht man die Zahl, die angibt, wie oft die Einheit in der betrachteten Größe enthalten ist. Die Einheit (auch Maßeinheit) bezeichnet die physikalische Größe, die als Bezugsgröße für die Bestimmung und Angabe des Werts von Größen gleicher Art festgelegt und der der Zahlenwert eins zugeordnet wird. Beispiel: Massewert eines Körpers: 12 kg Zahlenwert: 12 Einheit: kg . Die Gesamtheit der physikalischen Größen, die notwendig sind, um die Gesetzmäßigkeiten der Physik zu beschreiben, bildet das Größensystem. Physikalische Größen eines Größensystems, die unabhängig von anderen Größen dieses Systems sind, werden als Basisgrößen, solche, die als Funktion von Basisgrößen definiert sind, als abgeleitete Größen bezeichnet. Beispiel: Basisgrößen der Mechanik: Länge (l), Masse (m), Zeit (t). Abgeleitete Größen: Kraft (F ), Fläche (A) 2 F=m d l , A l2 . d t2 Der häufig verwendete Begriff der Dimension einer Größe gibt den Ausdruck an, der die Beziehung einer Größe zu den Basisgrößen eines Systems wiedergibt und die Größe als Potenzprodukt der Basisgrößen mit dem Zahlenfaktor eins darstellt. Beispiel: Im Größensystem l, m, t hat die abgeleitete Größe Kraft die Dimension L M T-2 . Durch physikalische Messungen werden jedoch nicht nur einzelne Größen ermittelt, sondern auch Zusammenhänge zwischen mehreren Größen, die sich als Gleichungen schreiben lassen. Beispielsweise gilt für die Schwingungsdauer T in Abhängigkeit von der Länge L eines mathematischen Pendels die Gleichung T = 2 ʌ L / g ( g Schwerebeschleunigung). In diesem Buch werden Gleichungen als Größengleichungen geschrieben, die u. a. folgende Merkmale haben: 1. In Größengleichungen symbolisieren Formelzeichen Größen. Beispiel: 2 s d l v , F=m 2 . t dt 2. Zur Auswertung werden anstelle von Formelzeichen die Werte der entsprechenden Größen eingesetzt. Es gelten formal die aus der Algebra bekannten Regeln, wobei Zahlenwert und Einheit wie zwei selbständige Faktoren behandelt werden. W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum, DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 2 Einführung 1 Größen und Einheiten Beispiel: Q 720 m 120 s 720 m 120 s 6 m s -1 . Zusätzlich ergeben sich folgende vorteilhafte Eigenschaften: 3. Größengleichungen gelten innerhalb eines einmal gewählten Größensystems unabhängig von der Wahl der Einheiten. Im Allgemeinen wählt man für Größen gleicher Dimension gleiche Einheiten. Eine Umrechnung auf andere Einheiten ist leicht möglich, indem man mit Einheiten wie mit Zahlen rechnet. 4. In Größengleichungen stehen zu beiden Seiten des Gleichheitszeichens die gleichen Größen in gleicher Dimension, so dass durch Dimensions- oder Einheitenbetrachtungen einfache Kontrollen durchgeführt werden können. Insbesondere müssen z. B. Summanden gleiche Dimension haben, Exponenten und Argumente von Winkelfunktionen dimensionslos sein usw. 1.1 Internationales Einheitensystem (SI) Die Sekunde (s) ist die Einheit der Zeit. 1 s ist die Dauer von 9 192 631 770 Perioden der Strahlung, die dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustands von Atomen des Nuklids 133Caesium entspricht. Das Ampere (A) ist die Einheit der Stromstärke. 1 A ist die Stärke des zeitlich unveränderlichen elektrischen Stroms durch zwei geradlinige, parallele, unendlich lange Leiter von vernachlässigbar kleinem, kreisförmigem Querschnitt, die den Abstand 1 m haben und zwischen denen die durch den Strom elektrodynamisch hervorgerufene Kraft im leeren Raum je 1 m Länge der Doppelleitung 210-7 N beträgt. Das Kelvin (K) ist die Einheit der thermodynamischen Temperatur. 1 K ist der 273,16te Teil der (thermodynamischen) Temperatur des Tripelpunkts von Wasser. Die Differenz aus einer Temperatur T und der Temperatur T0 = 273,15 K wird als Celsiustemperatur - bezeichnet: - T T0 . Das Meter (m) ist die Einheit der Länge. 1 m ist die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum in 1/299 792 458 Sekunden durchläuft. Damit ist das Meter metrologisch von der Zeiteinheit Sekunde abhängig, bleibt aber Basiseinheit des SI. Das Mol (mol) ist die Einheit der Stoffmenge. 1 mol ist die Stoffmenge eines Systems, das aus so vielen gleichartigen Teilchen besteht, wie Atome in 0,012 kg des Nuklids 12C enthalten sind. Die Art der Teilchen (Atome, Moleküle, Ionen, Elektronen oder auch spezielle Gruppierungen) muss jeweils angegeben werden. Die Teilchenzahl je Mol ist eine Naturkonstante und wird als Avogadro-Konstante NA bezeichnet. Der gegenwärtig beste experimentelle Wert ist N A 6,02214179(30) 1023 mol-1 . Das Kilogramm (kg) ist die Einheit der Masse. 1 kg ist gleich der Masse des Internationalen Kilogrammprototyps. Die Candela (cd) ist die Einheit der Lichtstärke. 1 cd ist die Lichtstärke in einer bestimmten Richtung einer Strahlungsquelle, die mono- Im vorliegenden Buch wird ausschließlich das Internationale Einheitensystem, abgekürzt SI (Système International d’Unités), verwendet. Die sieben Basisgrößen sind Länge, Masse, Zeit, Stromstärke, Temperatur, Stoffmenge und Lichtstärke. 1.2 Abgeleitete Einheiten chromatische Strahlung der Frequenz 540 THz aussendet und deren Strahlstärke 3 in dieser Richtung 1/683 W/sr (sr, Steradiant) beträgt. Tabelle 1.2.1 Namen und SI-Einheiten von wichtigen abgeleiteten physikalischen Größen Größe Name der Einheit SI-Einheit Fläche Quadratmeter m2 Volumen Kubikmeter m3 Frequenz Hertz Hz (s-1) Geschwindigkeit Meter/Sekunde m/s Beschleunigung Meter/Quadratsekunde m / s2 Dichte Kilogramm/Kubikmeter kg / m3 Kraft Newton N, kg m / s2 Druck Pascal= Newton/Quadratmeter Pa, N / m2 Arbeit, Energie, Wärmemenge Joule = Newtonmeter = Wattsekunde J, N m, W s Leistung Watt W, J / s Elektrische Spannung Volt1) V, W / A Elektrische Ladung Coulomb C, A s Elektrische Feldstärke Volt/Meter V/m Elektrischer Widerstand Ohm :, V / A Elektrische Kapazität Farad F, A s / V Induktivität Henry H, V s / A Magnetische Induktion Tesla = Weber/Quadratmeter T, Wb / m2 , V s / m2 Magnetische Feldstärke Ampere/Meter A/m Magnetische Spannung Ampere A Strahlungsleistung, -fluss Watt/Quadratmeter W / m2 Strahldichte Watt/( Steradiant Quadratmeter ) W/(sr m2) Spezifische Ausstrahlung Watt/Quadratmeter W/m2 Lichtstrom Lumen lm = cd sr Beleuchtungsstärke Lux lx = lm / m2 Leuchtdichte Candela/Quadratmeter Cd / m2 Die Einheit der elektrischen Spannung 1 V = 1 W / A = 1 J / (A s) ergibt sich aufgrund der Energieäquivalenz, bei der die Einheit der elektrischen Arbeit (1 V A s) gleich der Einheit der entsprechenden mechanischen Arbeit ist (1 J). 1.2 Abgeleitete Einheiten Die Einheiten aller anderen physikalischen Größen lassen sich aus den sieben Basiseinheiten des SI ableiten, sie bilden mit ihnen ein kohärentes System von Einheiten. Eine Auswahl wichtiger abgeleiteter Einheiten ist in Tab. 1.2.1 zusammengefasst. Die ergänzenden Einheiten Radiant (rad) und Steradiant (sr) sind jedoch wie Basiseinheiten anzuwenden, wenn es der physikalische Sachverhalt verlangt. Außer den SI-Einheiten sind auch einige systemfremde (inkohärente) Einheiten zugelassen. Dabei handelt es sich um Einheiten, deren Beziehung zu den SI-Einheiten einen von eins verschiedenen Zahlenfaktor enthält. Beispiele dafür sind die Zeiteinheiten Minute (1 min = 60 s) und Stunde (1 h = 60 s), auch als so genannte allgemeingültige Einheiten bezeichnet, sowie so genannte auf einem Spezialgebiet gültige Einheiten, z. B. das Elektronenvolt: 1eV 1,602176 487 1019 J . Zu den systemfremden Einheiten gehören auch die SI-Einheiten mit Vorsätzen (Tab. 1.2.2) sowie einige historisch be- 4 Einführung 2 Erfassung und Auswertung von Messwerten gründete Einheiten, die einen besonderen Namen tragen (Liter: 1 l = 10-3 m3, Tonne: 1 t = 103 kg). Die Vorsätze werden im Allgemeinen so gewählt, dass die Zahlenwerte der anzugebenden Größen zwischen 0,1 und 1000 liegen. Tabelle 1.2.2 Bezeichnungen für dezimale Vielfache und Bruchteile von Einheiten Name Zeichen Bedeutung Zetta Exa Peta Tera Giga Mega Kilo Hekto Deka Dezi Zenti Milli Mikro Nano Pico Femto Atto Zepto Z E P T G M k h da d c m ȝ n p f a z 1021 1018 1015 1012 109 106 103 102 101 10-1 10-2 10-3 10-6 10-9 10-12 10-15 10-18 10-21 In Tabellen ist jedoch möglichst für jede Größe ein einheitlicher Vorsatz anzuwenden, auch wenn dann einige Zahlen die genannten Grenzen überschreiten. In Tab. 1.2.2 sind die Bezeichnungen für dezimale Vielfache und Bruchteile von Einheiten, die auch bei Einheiten mit selbständigem Namen anzuwenden sind, zusammengestellt. Vorsätze, die einer ganzzahligen Potenz von Tausend (103n) entsprechen, sind zu bevorzugen. Die Vorsätze Hekto, Deka, Dezi und Zenti sollen nur noch in solchen Fällen verwendet werden, in denen sie sich fest eingebürgert haben. Berechnungen sind vorzugsweise mit SI-Einheiten durchzuführen. 2 Erfassung und Auswertung von Messwerten Physikalische Größen (Messgrößen) werden durch eine Messung bestimmt, wobei unter einer Messung der quantitative Vergleich der zu bestimmenden Größe mit einer vorgegebenen Größe gleicher Art (Bezugsgröße) zu verstehen ist. Träger der Messgrößen werden als Messobjekte, die Art und Weise der Durchführung einer Messung als Messmethode und die Gesamtheit der physikalischen Erscheinungen, die die Grundlage der Messung bilden, als Messprinzip bezeichnet. Ein Messverfahren ist die praktische Anwendung eines Messprinzips und einer Messmethode mit dem Ziel der Gewinnung des Werts einer Messgröße (Messwert). 2.1 Sensoren und Messgeräte Die zur Durchführung von Messungen verwendeten Messgeräte bestehen im Allgemeinen aus einem Messwertaufnehmer, einer Reihe von Wandlerelementen, in denen die Messgrößen in andere physikalische Größen umgeformt werden, und aus einer Anzeigeeinrichtung (z. B. Skalenanzeige, Ziffernanzeige). Statt der klassischen Messfühler (z. B. Thermoelement) hat man es heute zunehmend mit solchen, als Sensoren bezeichneten Messfühlern zu tun, die ein elektrisches oder elektrisch weiterverarbeitbares Signal (analog oder digital) als Information über die zu bestimmende physikalische Größe liefern und gleichzeitig zum Messinterface eines Computers oder zu elektronischen Geräteeinheiten kompatibel sind. Im Gegensatz zum reinen Zählen, das zumindest im Prinzip fehlerfrei ausgeführt werden kann, treten bei Messungen durch stets vorhandene Unzulänglichkeiten der Messgeräte, Unvollkommenheiten der Sinnesorgane und unkontrollierte äußere Ein- 2.1 Sensoren und Messgeräte flüsse immer Messabweichungen auf. Von Ausnahmen abgesehen liefern daher selbst mehrere mit der gleichen Apparatur und unter gleichen Bedingungen ausgeführte Messungen nicht das gleiche Ergebnis. Von Bedeutung ist deshalb ein vorheriges Justieren (Abgleichen) und Kalibrieren des Messgeräts, um die Messabweichungen auf Werte zu bringen, die den gerätetechnischen Möglichkeiten entsprechen. Der Vorgang des Justierens umfasst z. B. die Korrektur der Anzeige eines Messgeräts. Damit soll erreicht werden, dass der angezeigte Wert (Istwert) so gut wie möglich auf den richtigen Wert (Sollwert) korrigiert wird (z. B. Offset-Korrektur). Als Kalibrieren (Einmessen) bezeichnet man im Gegensatz dazu das Zuordnen von Werten der Messgröße zu den Anzeigen eines Messgeräts. Beim Kalibrieren wird ein Messgerät überprüft und die Abweichung zu einem bekannten (richtigen) Referenzwert oder Standard erfasst (protokolliert). Das Ergebnis einer Kalibrierung erlaubt die Schätzung der Messabweichungen des Messgeräts, der Messeinrichtung oder der Maßverkörperung oder die Zuordnung von Werten zu Teilstrichen auf beliebigen Skalen. Vielfach wird das Ergebnis einer Kalibrierung als Korrektion oder Kalibrierfaktor oder in Form einer Kalibrierkurve angegeben. Kalibrieren ist nicht gleich Eichen! Der Begriff „Eichen“ ist im offiziellen Sprachgebrauch auf das gesetzliche Messwesen beschränkt und bezeichnet amtliche Prüfungen nach dem Eichgesetz. Eine Eichung kann nur vom zuständigen Eichamt an eichfähigen Geräten durchgeführt werden. Ein digitales Messgerät besteht im Wesentlichen aus Sensor, Verstärker, A/DWandler (Analog-Digital-Wandler (ADW), auch als Analog-Digital-Converter (ADC) bezeichnet), Zähler und Digitalanzeige. Die analoge Messgröße wird erst verstärkt, danach in eine digitale Größe umgewan- 5 delt. Anschließend wird die binäre Größe in eine für die dezimale Digitalanzeige geeignete Größe umgesetzt. Zur Digitalisierung der analogen Signale werden verschiedene elektronische Verfahren verwendet (Anhang A.4). Wichtige Kenngrößen eines Analog-Digital-Umsetzers sind u. a. das Auflösungsvermögen, die Nichtlinearität und die Einstellzeit. In Abb. 1 ist das Grundschema für ein digitales Messgerät dargestellt. Sensor/ analoges Signal Verstärker, Gleichrichter, Filter ADC Digitalanzeige Abb. 1 Schematische Darstellung der wichtigsten Baugruppen eines digitalen Messgeräts Moderne Digitalmultimeter messen Spannungen und Ströme neben anderen Größen (z. B. Widerstand, Frequenz, Kapazität) digital. Dabei wird der Messgröße ein Ausgangssignal zugeordnet, das ein mit einer vorgegebenen Schrittweite (Digit) quantisierter Messwert ist. Die kleinste erfassbare Änderung der Messgröße (Auflösung der digitalen Messung, auch als least significant digit (lsd) bezeichnet), ist durch die Schrittweite bestimmt. Diese liegt in der Regel zwischen 8 Bit (28 = 256 Digits) und 16 Bit (216 = 65536 Digits, Tabelle A.4.1). Der Vorteil von digitalen gegenüber den analogen Multimetern (bei ihnen wird der Messgröße ein Ausgangssignal zugeordnet, das ein eindeutiges und stetiges Abbild dieser Messgröße ist) besteht in der direkten Ablesung des Messwerts, der Messgeschwindigkeit und dem Messkomfort sowie der Speicherung, Übertragung und Weiterverarbeitung von Messwerten. Bei kommerziellen Digitalmultimetern liegen die relativen Unsicherheiten in der Größenordnung von 0,1 % bis 1,5 % des Messwerts. Bei Präzisionsgeräten werden relative Unsicherheiten von 10-4 bis 10-5 des Messbereichsendwerts erreicht. Die Ausgangssignale moderner Sensoren können mit Hilfe von Interfaceschaltungen auch direkt einem Rechner zugeführt werden. Die Aufgabe der Interfaceschaltungen besteht in Analogie zu den digitalen Messgeräten (Abb. 1) darin, das Sensorsignal vom Sensor aufzunehmen und zu verstärken, eine Signalverarbeitung durchzuführen und abschließend das analoge Signal in ein digitalisiertes Signal umzuwandeln. Die Vorteile rechnergestützter Messungen liegen im Wesentlichen in der Messung von schnellen Vorgängen, in der digitalen Speicherung und Weiterverarbeitung der Messdaten sowie in der Realisierung von Messungen über längere Zeiträume ohne persönliche Anwesenheit. Nach Speicherung und Weiterleitung der Daten können die Messwerte auch an externen Computern weiterverarbeitet werden (z. B. Modell- und Anpassungsrechnungen, Simulationen, statistische Analysen). 2.2 Graphische Darstellung und Auswertung Die während einer Messung angezeigten Werte der Messgröße sollten in der praktischen Arbeit zunächst in Form einer Tabelle in das Versuchsprotokoll aufgenommen werden, ggf. auch direkt in eine graphische Darstellung (Diagramm), wenn es sich um den funktionellen Zusammenhang zweier Größen handelt. In Diagrammen werden auf den Koordinatenachsen die Werte der Größen in Form von Skalen abgetragen. Im rechtwinkligen Koordinatensystem ist die unabhängige Variable in der Regel auf der Abszisse darzustellen. Die positiven Werte der Größen steigen vom Schnittpunkt der Achsen aus nach rechts bzw. nach oben an. In einem Polarkoordinatensystem muss der Koordinatenursprung (Winkel 0) auf der 2 Erfassung und Auswertung von Messwerten waagerechten oder senkrechten Achse liegen. In diesem Fall soll die positive Richtung der Winkelkoordinaten der Drehrichtung entgegen dem Uhrzeigersinn entsprechen (vgl. Abb. O.4.3.5). Werden die Koordinatenachsen als Skalen verwendet, sind diese durch Teilstriche in Intervalle zu unterteilen. Neben den Teilstrichen sind die Werte der Größen anzugeben. Ist der Koordinatenursprung beider Skalen null, ist die Ziffer 0 nur einmal am Schnittpunkt anzugeben. Liegen die Messwerte innerhalb eines begrenzten Intervalls relativ weit entfernt vom Nullpunkt, ist es zweckmäßig, eine Darstellung mit unterdrücktem Nullpunkt zu wählen. Die Angaben der Zahlen an den Skalen erfolgt waagerecht außerhalb des Diagrammfelds, die Bezeichnung der Größen (Zeichen, Benennung, funktionelle Abhängigkeit) zweckmäßigerweise in Kombination mit der Angabe der Maßeinheit in Form eines Bruchs (Abb. 2) oder in Klammern gesetzt am Ende der Skala. U / mV 6 Einführung 1000 0 -1000 -2000 0 5 10 15 Δx / mm Abb. 2 Diagramm zur Kalibrierungskurve eines elektronischen Wegaufnehmers (Sensorspannung U, Verschiebung 'x, Ausgleichsgerade rot gezeichnet) Bei der Gestaltung des Diagramms ist der Maßstab so zu wählen, dass die Kurve möglichst unter einem Winkel von etwa r 45° zu den Koordinatenachsen verläuft, um auf beiden Achsen die gleiche relative 2.2 Graphische Darstellung und Auswertung Falls der physikalische Zusammenhang vorgibt, dass die auszuwertende Gerade durch den Ursprung des Koordinatensystems verläuft, ist dieser ein festgelegter Punkt für die Konstruktion der Geraden. Größe Y Ablesegenauigkeit zu erzielen. Ein Diagramm muss eine Benennung (Titel, Bildunterschrift) haben, die die dargestellte funktionelle Abhängigkeit erläutert. In den meisten Fällen erhält man in einem Experiment die gesuchte Größe nicht direkt, sondern muss sie durch mehr oder weniger umfangreiche Rechnungen aus den Messwerten bzw. durch Auswertung geeignet gewählter graphischer Darstellungen ermitteln. Bevor mit der Rechnung begonnen wird, muss man sich über die dabei erforderliche Genauigkeit klar werden. Sie ist in jedem Fall so zu wählen, dass die Messunsicherheit (Abschn. 3), die durch die experimentellen Bedingungen bestimmt wird, sich durch die Rechnung nicht vergrößert. Oft wird es bei den Auswertungen im Praktikum darum gehen, die Abhängigkeit der Messdaten x und y von zwei Messgrößen X und Y linear zu beschreiben, d. h., sie genügen einer Gleichung vom Typ Y = A + B X. Um die Werte a und b der beiden Geradenparameter A und B zu bestimmen, versucht man rechnerisch oder graphisch deren bestmögliche Werte (abest, bbest) zu ermitteln. Der rechnerische Weg basiert auf der Methode der linearen Regression, die voneinander unabhängige und zufällig streuende Messwerte voraussetzt. Eine einfache graphische Bestimmung der Geradenparameter bietet die Methode des graphischen Ausgleichs, bei der man die Gerade so über die Messpunkte legt, dass diese eine bestmögliche Anpassung erreicht. Für das Einzeichnen der bestmöglichen Geraden, auch Ausgleichsgerade genannt, in das Diagramm gibt es einige einfache praktische Regeln: Man verwendet z. B. ein durchsichtiges Lineal, um beim Einzeichnen der bestmöglichen Geraden im Mittel die Summe der Abweichungen zwischen den Messpunkten unter- und oberhalb der Geraden auszugleichen. Dadurch erreicht man, dass die Summe der Abweichungen so klein wie möglich wird. 7 P2 yS abest PS Ausgleichsgerade P1 0 xS Größe X Abb. 3 Darstellung von zwei Größen X und Y zur Ermittlung der Parameter der Ausgleichsgeraden Die Lage des Punkts PS in Abb. 3 ergibt sich aus den arithmetischen Mittelwerten x xS und y yS der x- und y-Werte. Der Schnittpunkt der Ausgleichsgeraden mit der Y-Achse bei x = 0 bestimmt den Wert abest. Den Anstieg bbest erhält man z. B. mit zwei geeignet gewählten Punkten P1(x1, y1) und P2(x2, y2) auf der in Abb. 3 eingezeichneten Ausgleichsgeraden: ' y y2 y1 bbest . ' x x2 x1 Es ist insbesondere für die Abschätzung von Unsicherheiten bei der graphischen Auswertung von Vorteil, die Messabweichungen der einzelnen Messwerte z. B. in Form von Fehlerbalken einzuzeichnen (Abb. 4). Um die Unsicherheit des Anstiegs der Geraden zu ermitteln, verwendet man die in Abb. 4 markierten Punkte P1,min und P1,max sowie P2,min und P2,max. Aus der Differenz der Werte für den größten und den kleinsten Anstieg wird man in der Regel einen guten Schätzwert für die Unsicherheit des Anstiegs bbest erhalten. 8 Einführung P2.max P2.min PS Ausgleichsgerade P1.max P1.min 1 , Y ln K sowie den GeradenparameT tern A ln K0 und B EA / R . len X η / 10-3 kg m-1 s-1 Größe Y 2 Erfassung und Auswertung von Messwerten 0,8 0,6 Größe X Wenn der theoretisch zu erwartende Zusammenhang nichtlinear ist, so wird es oft möglich sein, diesen durch geeignete mathematische Transformationen in eine Geradengleichung zu überführen. In solchen Fällen ist manchmal auch die Verwendung von speziellem Koordinatenpapier (Funktionspapier) mit geeigneten Unterteilungen (z. B. einfach- oder doppelt-logarithmisch; Ordinate logarithmisch, Abszisse reziproke absolute Temperatur T) von Vorteil, bzw. man erstellt die graphische Darstellung mit einer geeigneten Software. Beispiel: Die Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität K (Abb. 5) in Flüssigkeiten lässt sich in einem begrenzten Temperaturbereich durch eine Exponentialfunktion beschreiben: § EA · ¸ . ©RT ¹ Dabei sind T die absolute Temperatur, EA die molare Aktivierungsenergie, K0 eine Materialkonstante und R die allgemeine Gaskonstante. Die Überführung in eine Geradengleichung vom Typ Y = A + B X durch Logarithmieren E 1 mit den Variabergibt ln K ln K0 A R T K = K0 exp ¨ 0,4 300 320 340 360 T/K Abb. 5 Diagramm zur Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität einer Flüssigkeit Trägt man lnK über der reziproken absoluten Temperatur T-1 auf (Abb. 6), lässt sich graphisch die Ausgleichsgerade ermitteln. ln ( η / Pa s ) Abb. 4 Graphische Darstellung einer Gerade mit Fehlerbalken für die x- und y-Messwerte, Punkte P2.max und P1.min bestimmen den größtmöglichen und die Punkte P2.min und P1.max den kleinstmöglichen Anstieg 0,0 P2 -0,5 -1,0 P1 0,0028 0,0030 0,0032 1/T /1/K Abb. 6 lnK -1/T-Diagramm zur Auswertung der Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität, Ausgleichsgerade rot, Punkte P1 und P2 sind Bezugswerte für die Anstiegsbestimmung Zu beachten sind dabei die Maßeinheiten, die Skaleneinteilung und die Größe der logarithmischen Einheit. Mit zwei ausreichend weit voneinander entfernt liegenden Punkten P1 (K 1, T1 ) und P2 (K 2 , T2 ) , die auf der Ausgleichsgeraden liegen, kann der 2.3 Ausgleichsrechnung (lineare Regression) Wert der molaren Aktivierungsenergie EA mit Hilfe der Gleichung K E §1 1· ln 1 = A ¨ ¸ bestimmt werden. K2 R © T1 T2 ¹ 2.3 Ausgleichsrechnung (lineare Regression) Soll ein linearer Graph mathematisch analysiert werden bzw. ist die Festlegung des linearen Graphen wegen der Streuung der Messwerte nicht ohne weiteres möglich, erfolgt die Bestimmung der Geradenparameter mit Hilfe der Ausgleichsrechnung. Damit kann man bestmögliche Schätzwerte (Erwartungswerte) ermitteln. Im Fall eines linearen Zusammenhangs y =D + E x (1) besteht die Aufgabe darin, die Bestwerte (Mittelwerte) D und E für D und E zu finden. Unter Beachtung der Tatsache, dass im Experiment die Einflussgrößen xi häufig vorgegeben und die zugehörigen Zielgrößen yi mit zufälligen Messabweichungen behaftet sind, gilt 'yi = yi yi z 0 (i 1, ..., n) , (2) d. h., Messwert yi und Schätzwert yi der Zielgrößen stimmen nicht überein. Zur Berechnung von D und E wird in der Regel die so genannte Gauß’sche Methode der kleinsten Quadrate verwendet, wonach die Summe der Quadrate der Abweichungen 'yi ein Minimum werden soll: n F (D , E ) = ¦ ( yi D E xi ) 2 min . (3) i 1 Die notwendigen Bedingungen für ein Minimum lauten wF wD wF wE 0 . (3a) 9 Daraus ergeben sich zwei lineare Gleichungen (Normalgleichungen) mit den Lösungen xy x y xx x x E= (4) bzw. D= y E x y xx xy x . xx x x (5) Die arithmetischen Mittelwerte sind definiert durch x= 1 n 1 n xi , y = ¦ yi , ¦ ni1 ni1 xy = 1 n 1 n xi yi , xx = ¦ xi xi . ¦ ni1 ni1 (6a) (6b) Den Anstieg der Ausgleichsgeraden E bezeichnet man auch als Regressionskoeffizienten. Die Ermittlung der Unsicherheiten für die Geradenparameter D und E der Ausgleichsgeraden wird in Abschn. 3.2.3 beschrieben. Das Problem der Kurvenanpassung ist nicht beschränkt auf die bisher betrachtete Bestimmung der Ausgleichsgeraden bei linearen Zusammenhängen. Lässt sich z. B. eine Größe mit Hilfe eines Polynoms y = E 0 E1 x E 2 x 2 ... E n x n (7) darstellen, kann die Bestimmung der Regressionskoeffizienten E0, ȕ1, …, ȕn in analoger Weise über die Lösung einer entsprechend größeren Zahl von Normalgleichungen erfolgen. Die Software für Kurvenanpassungen für eine Vielzahl anderer nichtlinearer Anpassungen mit Hilfe der in den Praktika vorhandenen Rechner steht heute im Allgemeinen zur Verfügung. Dabei werden in der Regel auch die Standardabweichungen der betreffenden Anpassungsparameter (Fit-Parameter) berechnet. 10 Einführung 3 Messunsicherheit Die Frage nach der Genauigkeit eines Messwerts oder eines Messergebnisses ist nur im Zusammenhang mit einer genauen Analyse der verwendeten Messverfahren und Messmethoden zu beantworten. Nach der deutschen Norm DIN 1319-3 wurde der traditionelle Begriff Messfehler durch den Begriff Messabweichung ersetzt. In den folgenden Abschnitten werden in kurzen Darstellungen die auf dieser DIN basierenden Regeln für die zahlenmäßige Erfassung der Messunsicherheit einer physikalischen Messgröße vorgestellt. Diese als „Abschätzung der Messunsicherheit“ beschriebene Methode wird umgangssprachlich auch noch mit dem veralteten Terminus „Fehlerrechnung“ bezeichnet. Bei der Angabe eines Messergebnisses ist in jedem Falle die Mitteilung der Messunsicherheit erforderlich, deren Größe bei Messungen im Physikpraktikum von unbekannten systematischen (im Folgenden kurz als systematische Abweichungen bezeichnet) und zufälligen Messabweichungen bestimmt ist. Das Messergebnis, d. h., der Messwert einer Einzelmessung oder der Mittelwert einer Messreihe, enthält den korrigierten Wert (Abschn. 3.1) verbunden mit einem Intervall, in dem vermutlich der Erwartungswert der Messgröße liegt. Die Differenz zwischen der oberen Grenze dieses Intervalls und dem korrigierten Wert bzw. die Differenz zwischen dem korrigierten Wert und der unteren Grenze dieses Intervalls nennt man Messunsicherheit (Symbol u). In der Regel haben die beiden Differenzen den gleichen Wert. Das Messergebnis wird dann in der Form „Ergebnis r Messunsicherheit“ angegeben. Bei wissenschaftlichen Experimenten wird man immer bestrebt sein, die systematischen Abweichungen durch modernste Messtechniken und Messverfahren weitestgehend auszuschließen. 3 Messunsicherheit Ergänzend werden Hinweise auf die in der internationalen Metrologie üblichen Empfehlungen zur Ermittlung von Messunsicherheiten nach dem „Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen“ („Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement“, kurz „ISO-GUM“, ISO International Organization of Standardization) und des nationalen Metrologieinstituts der USA (National Institut of Standards and Technology, kurz NIST) sowie der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (kurz PTB) gegeben. In diesen Empfehlungen werden zwei Typen von Messunsicherheiten unterschieden, Typ A und Typ B. Systematische Messabweichungen werden in diesem Leitfaden nicht mehr berücksichtigt. Unsicherheiten vom Typ A beziehen sich auf mehrfach wiederholte Messungen von Zufallsmessgrößen (z. B. die Standardabweichung als Standardunsicherheit, siehe Abschn. 3.2.1) und können mit statistischen Methoden berechnet werden. Die Messunsicherheiten vom Typ B stammen aus anderen Quellen. Sie können nicht durch mehrfach wiederholte Messungen ermittelt werden. Für ihre wissenschaftliche Beurteilung sind alle verfügbaren Informationen über mögliche Abweichungen bei der Erfassung der Messwerte zu berücksichtigen. Dazu zählen u. a. die Erfahrung oder allgemeines Wissen über das Verhalten oder die Eigenschaften der relevanten Materialien, Phänomene und Instrumente, Spezifikationen und Herstellerangaben, Daten aus Kalibrierungs- oder anderen Zertifikaten und Informationen über Unsicherheiten, die entsprechenden Handbüchern entnommen werden können. Für die im Weiteren behandelten exemplarischen Beispiele werden für die Abschätzung der Messunsicherheiten auch systematische Abweichungen berücksichtigt, da diese bei den im Praktikum verwendeten Messmethoden und -verfahren nicht in jedem Falle vernachlässigt werden können. 3.1 Messabweichungen bei Einzelmessungen Aus diesem Grunde wird auch noch die so genannte Methode der „Größtfehlerabschätzung“ als ein praktikables Berechnungsverfahren zur Abschätzung der maximalen Messunsicherheit im Physikpraktikum beschrieben. 3.1 Messabweichungen bei Einzelmessungen Bei Einzelmessungen physikalischer Größen sind die Messabweichungen in Bezug auf den korrigierten Messwert unter Berücksichtigung der systematischen und der zufälligen Messabweichung zu ermitteln. Für die systematischen Abweichungen kann man im Allgemeinen keine bestimmten Ursachen angeben. Sie sind vielfältiger Natur und werden z. B. durch die Unvollkommenheiten von Messgeräten, Messverfahren oder Maßverkörperungen, die nicht exakt erfassbaren Änderungen der Umweltund Versuchsbedingungen oder die Unvollkommenheiten der menschlichen Sinnesorgane verursacht. Charakteristisch für systematische Abweichungen ist, dass bei der Wiederholung von Messungen unter gleichen Bedingungen ihre Größe nach Betrag und Vorzeichen konstant bleibt und dass sich nach gesetzmäßiger Veränderung der Messbedingungen die systematische Abweichung ebenfalls gesetzmäßig ändert oder konstant bleibt. Systematische Abweichungen können auch durch Wiederholung von Messungen bei gleichen Wiederholbedingungen nicht beseitigt werden. In einigen Fällen muss der Messwert korrigiert werden, z. B. in Form einer Nullpunkt-, Temperatur- oder Druckkorrektion. Den korrigierten Messwert erhält man meist durch Addieren der Korrektion. Die Korrektion K hat den gleichen Betrag wie die bekannte Abweichung Aa, jedoch das entgegengesetzte Vorzeichen (K = Aa). Bei allen Auswertungen ist stets der korrigierte Messwert zu verwenden. 11 Beispiel: Bei der Bestimmung des Drucks mit einem mit Quecksilber gefüllten Barometer sowie einer Glas- bzw. Messingskala ist die Korrektion der abgelesenen Höhe hc auf die Temperatur 273,15 K (Temperatur der Kalibrierung) infolge der Volumenausdehnung des Quecksilbers (Volumenausdehnungskoeffizient J ) und der linearen Ausdehnung des Materials der Skala (Ausdehnungskoeffizient D) erforderlich. Der korrigierte Wert des Barometerstands h lässt sich mit Hilfe der Korrektionsgleichung Aa 'h (J D ) hc 'T mit 'T = T 273,15 K berechnen. Mit den Differenzen der Ausdehnungskoeffizienten (J D)Messing = 1,6210-4 K-1 oder (J D)Glas = 1,7110-4 K-1 kann der korrigierte Wert h = hc 'h bestimmt werden. Die Ermittlung der systematischen Abweichungen erfordert eine umfassende Analyse des Messproblems. Durch geeignete experimentelle Maßnahmen ist zu erreichen, dass sie einen kleinstmöglichen Einfluss auf die Messung haben. In jedem Falle sollte man sorgfältig prüfen, welche systematischen Messabweichungen auftreten können. Hilfsmittel zur Abschätzung systematischer Abweichungen sind u. a. Angaben zu den Genauigkeitsklassen oder Messtoleranzen von Messmitteln, die in Standards oder in Gerätebeschreibungen mitgeteilt werden. Diese Angaben beziehen sich in der Regel auf ein zum Erwartungswert symmetrisch liegendes Intervall, sofern die vom Hersteller angegebenen Einsatzbedingungen eingehalten werden. Beispiele: Ein Zeigermessgerät besitzt die Genauigkeitsklasse 1,5. Nach der DIN 1319 bestimmt die Genauigkeitsklasse eine Klasse von Messgeräten, die vorgegebene messtechnische Forderungen erfüllen, so dass Messabweichungen dieser Messgeräte innerhalb festgelegter Grenzen bleiben. Die Angabe des Werts 1,5 bedeutet, dass eine Abweichung von maximal r 1,5 % des Messbereichsendwerts unter den festgelegten Nennbedingungen auftreten kann. Ein digitales Manometer mit einem Absolut- 12 Einführung drucksensor besitzt einen Messbereich von 0 bis 1330 hPa und hat eine digitale Auflösung von 1 hPa. Die Genauigkeit bei Einhaltung der Nennbedingungen wird mit r (0,2 % + 2 dgts.) angegeben. Die relative Abweichung von 0,2 % bezieht sich auf den angezeigten Messwert und der Wert von 2 Digits (dgts.) informiert über die Genauigkeit der Digitalisierung. Bei einem Messwert von 1003 hPa ergibt sich eine Abweichung von 4,006 hPa. Damit folgt als Ergebnis der Druckmessung nach Rundung der Unsicherheit auf die kleinste angezeigte Stelle: p = (1003 r 4) hPa. Ist ein Messwert durch zufällige Ereignisse beeinflusst, streuen die Messwerte bei Wiederholung der Messung nach Betrag und Richtung in zufälliger Weise. Sie werden u. a. durch nicht erfassbare und nicht beeinflussbare Änderungen der Versuchsund Umgebungsbedingungen (wechselnde Reibungseinflüsse bei mechanischen Bewegungen, Schwankungen von Temperatur oder Luftdruck), Unvollkommenheiten beim subjektiven Erfassen von Messwerten (Reaktionsvermögen, Ablesung von Skalenwerten) oder den statistischen Charakter der Messgröße bzw. des Messgegenstands (Zerfallsrate beim radioaktiven Zerfall, elektronisches Rauschen) hervorgerufen. Die zufälligen Abweichungen können in ihrer Gesamtheit umso zuverlässiger durch eine Rechengröße erfasst werden, je mehr Messungen vorliegen. Dabei streuen die einzelnen Messwerte um einen Mittelwert x (siehe Abschn. 3.2.1), der als bestmöglicher Schätzwert für den Erwartungswert einer Messgröße angesehen wird, sofern man die systematischen Abweichungen vernachlässigen kann und die Anzahl der Messwerte ausreichend groß ist. 3.1.1 Messunsicherheit bei direkten Messungen Die Ermittlung der Messunsicherheit im Falle einer Einzelmessung im Praktikum begründet sich auf die Abschätzung der 3 Messunsicherheit betreffenden Messabweichungen. Man wendet diese an, wenn die Messung einer umfangreichen Messreihe zu aufwendig oder nicht sinnvoll ist. Letzteres ist z. B. der Fall, wenn die systematische gegenüber der zufälligen Abweichung nicht vernachlässigbar ist. Abschätzungen in diesem Sinne erfordern ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen über die eingesetzten Messgeräte und Messgegenstände sowie über die verwendeten Mess- und Auswerteverfahren und sind nicht durch eine geschlossene Theorie darstellbar. Wird im Experiment der Wert einer Größe X nur einmal gemessen, so kann die Abschätzung einer maximalen Messunsicherheit vereinfacht durch die lineare Addition der Beträge der systematischen Gs(X ) und der zufälligen Gz (X ) Abweichung erfolgen: umax ( X ) G s ( X ) G z ( X ) . (9a) Für die Abschätzung zufälliger Messabweichungen im Falle der Einzelmessung direkter Messgrößen können im Praktikum z. B. Ableseunsicherheiten (Interpolation innerhalb der Teilung einer Skala) und Reaktionszeiten bei manuellen Zeitmessungen von Bedeutung sein. Entnimmt man den Wert für die Abweichung G s z. B. einem Kalibrierzertifikat oder einem vom Gerätehersteller mitgelieferten Prüfbericht, ist die Bestimmung der Messunsicherheit durch die quadratische Addition vorzunehmen, wenn man eine Messunsicherheit vom Typ B nach „ISOGUM“ voraussetzen kann: u( X ) G s ( X )2 G z ( X )2 . (9b) Bei Anwendung von Gl. (9b) ergibt sich infolge der Ungleichung G s ( X )2 G z ( X )2 G s ( X ) G z ( X ) immer eine kleinere Messunsicherheit gegenüber der linearen Addition nach Gl. (9a). 3.1.2 Messunsicherheit bei indirekten Messgrößen Beispiel: Eine Temperaturmessung erfolgt mit einem Laborthermometer (Messbereich: 0 bis 100 °C; Skalenteilung: 0,1 °C). Der abgelesene Wert beträgt 35,4 °C. Die unbekannte systematische Abweichung Gs(- ) = 0,2 °C und die zufällige Abweichung Gz(- ) = 0,05 °C (Ablesefehler) führen zu einer maximalen Messunsicherheit von u(- )max = Gz(- ) + Gs(- ) = 0,25 °C. Das Ergebnis lautet: - = (35,4 r0,3) °C. Bei Anwendung von Gl. (9b) erhält man einen Wert für die Unsicherheit von u(- ) = 0,2 °C. 3.1.2 Messunsicherheit bei indirekten Messgrößen Häufig wird aus einer Reihe von einzeln gemessenen Größen Xk mit k = 1, ..., m eine weitere funktionell abhängige Größe Y = Y(X1, ..., Xk) ermittelt. Sind die Größen voneinander unabhängig und besitzen ausreichend kleine Messunsicherheiten u(Xk), z. B. u ( X k ) / X k 0,1 , ermittelt man den Wert für die maximale Messunsicherheit (auch als „Größtfehlerabschätzung“ bezeichnet) der nicht direkt messbaren Größe Y über den Linearanteil einer TaylorReihenentwicklung: u (Y ) max wY wY u ( X 1) ... u ( X m ). (10) w X1 w Xm In Gl. (10) können aber die partiellen Ableitungen unterschiedliche Vorzeichen haben und sich die Komponenten der Messunsicherheiten ganz oder teilweise aufheben. Deshalb werden die Beträge der partiell abgeleiteten Terme zur Abschätzung der maximalen Messunsicherheit addiert: u (Y )max m ¦ k 1 wY u( X k ) . w Xk (11a) In Analogie zu den oben genannten Voraussetzungen, dass die Messunsicherheiten z. B. Gerätebeschreibungen oder Kalibrierzertifikaten entnommen werden können, die 13 einer Messunsicherheit vom Typ B entsprechen, wird man die quadratische Addition bevorzugen: u (Y ) 2 § wY · 2 ¨ ¸ u( X k ) . ¦ k 1© wXk ¹ m (11b) Die folgenden Sonderfälle ergeben für die Abschätzung von Messunsicherheiten bei Einzelmessungen besonders anschauliche und einfach zu handhabende Zusammenhänge: Lineare Funktion: m Y = a0 ¦ ak X k , (12) k 1 a1 u ( X 1 ) ... am u ( X m ) , (12a) u (Y ) max u (Y ) a12 u ( X 1 )2 ... am2 u ( X m )2 , (12b) Potenzprodukt: m Y = A ck X kak , (13) k 1 relative Unsicherheit: u (Y )max Y a1 u( X m ) u( X1 ) ... am , X1 Xm (13a) u (Y ) Y 2 2 § u( X m ) · § u( X1 ) · ¸ . ¨ a1 ¸ ... ¨ am X1 ¹ Xm ¹ © © (13b) Beispiele: 1. Bestimmung der Schwerebeschleunigung g mit einem Fadenpendel (Versuch M.2.1); Messgrößen sind die Pendellänge l und die Periodendauer T: 4 ʌ2 l Y (l , T ) g . T2 14 Einführung 3 Messunsicherheit Die partiellen Ableitungen ergeben w g 4 ʌ2 w g 8 ʌ2 l , . 2 T T3 wl wT Daraus folgt für u(g)max nach Gl. (11a) Bei diesen Rechnungen sind die Werte für die Unsicherheiten u(Į) und u(Ek) der Winkelmessungen in rad einzusetzen. 3.2 Messgrößen mit zufälligen Messabweichungen 4 ʌ2 8 ʌ2 l u ( g ) max u (l ) 3 u (T ) 2 T T bzw. für die relative Messunsicherheit u ( g ) max g u (l ) u (T ) 2 , l T die man auch direkt nach Anwendung von Gl. (13a) erhält. Mit Gl. (13b) folgt 2 § u (l ) · § u (T ) · ¨ ¸ ¨2 ¸ © l ¹ © T ¹ u( g ) g 2 . 2. Ermittlung der Gitterkonstante g eines Reflexionsgitters (Versuch O.2.3); Messung des Einfallswinkels D und des Beugungswinkels Ek des Maximums der k-ten Ordnung für eine gegebene Wellenlänge O: g kO ( E k E max, k ) . sin D sin E k kO wg w Ek cos D , (sin D sin E k ) 2 kO ( cos E k ) (sin D sin E k ) 2 erhält man nach Gl. (11a) u ( g ) max ª cos D kO« u (D ) sin E k ) 2 (sin D ¬ º cos E k u(E k ) » 2 (sin D sin E k ) ¼ x bzw. nach Gl. (11b) ­° ª º cos D k O ®« u (D ) » 2 ¼ °̄ ¬ (sin D sin E k ) 2 u( g ) ª º cos E k u(E k ) » « 2 ¬ (sin D sin E k ) ¼ 2 3.2.1 Mittelwert, Standardabweichung, Vertrauensbereich Für die Schätzung des Erwartungswerts einer direkt messbaren Größe X setzt man eine ausreichend große Anzahl n voneinander unabhängiger Messungen voraus, wobei man die Gesamtmenge der Messwerte für n o f als Grundgesamtheit der Messgröße X bezeichnet. Aus Zeit- und Kostengründen wird man sich jedoch mit einer begrenzten Zahl von Messungen, einer Stichprobe vom Umfang n, begnügen. Für eine vorliegende Messreihe mit den Werten x1, x2, ... , xn repräsentiert dann das arithmetische Mittel (Mittelwert) x mit Mit den partiellen Ableitungen wg wD Die Ermittlung der Messunsicherheit einer Messgröße, die mehrmals gemessen wurde und deren Messwerte zufällig schwanken, begründet sich auf folgende Voraussetzungen: 1. Die Messgröße kann beliebig oft unter konstanten Wiederholbedingungen ermittelt werden. 2. Die systematischen Messabweichungen sind korrigierbar bzw. vernachlässigbar. 3. Die Messwerte streuen zufällig um einen Erwartungswert. 1/ 2 °½ ¾ °¿ . 1 n n ¦x i (14) i 1 einen guten Schätzwert für den Erwartungswert P für nicht zu kleine n ( x o P für n o f ). Zur Ermittlung der Messunsicherheit der zufälligen Messgröße summiert man die quadrierten Abweichungen der Beobachtungswerte von ihrem arithme- 3.2.1 Mittelwert, Standardabweichung, Vertrauensbereich tischen Mittelwert und dividiert durch n1. Daraus ergibt sich die experimentelle oder empirische Varianz vom Stichprobenumfang n: s X2 1 n 1 n ¦(x x ) 2 i . (15) i 1 Ihre positive Quadratwurzel führt zur experimentellen Standardabweichung für die xiWerte: 15 bzw. die Standardabweichung für n = 5 bis n = 400 für die Zählrate N des Nulleffekts (O.5.1) dargestellt, wobei insgesamt 1000 Messungen durchgeführt wurden. Man erkennt, dass man unter den gewählten Versuchsbedingungen bereits ab n t 400 für den Mittelwert N und die Standardabweichung sN der Zählrate N gute Näherungswerte erhält, wobei die Pfeile die Werte für n = 1000 repräsentieren. 0,50 sX 1 n ¦ ( xi x )2 . n 1 i 1 (16) N s-1 0,45 Die Größe sX ist die wesentliche Kenngröße zur Beschreibung der Verteilung statistisch streuender Messgrößen um den arithmetischen Mittelwert (Abschn. 4.2). Ihren Wert verwendet man auch zur Ermittlung der Messunsicherheit (z. B. der Unsicherheit vom Typ A nach „ISO-GUM“). Für n o f erhält man die Standardabweichung ı der Grundgesamtheit. Der Quotient 1/(n 1) berücksichtigt, dass nur n 1 Messwerte aus dem Stichprobenumfang n bei Berechnung des Mittelwerts voneinander unabhängig sind. Die experimentelle Standardabweichung des Mittelwerts ist gleich der experimentellen Standardabweichung geteilt durch die Wurzel aus der Gesamtzahl der Messungen: 0,40 0,35 0,30 0 200 Abb. 7a Mittelwert N der Impulsrate des Nulleffekts in Abhängigkeit von der Anzahl der Messungen n 0,30 sN , sN s-1 0,25 sN 0,20 sX sX n 1 n (n 1) n ¦ (x i x ) 2 . (17) i 1 Im Gegensatz zur experimentellen Standardabweichung, die sich mit wachsender Anzahl von Messwerten einem endlichen Wert nähert und sich bei weiteren Messungen nicht wesentlich ändert, wird die Standardabweichung des Mittelwerts durch Vergrößerung der Zahl der Messungen um den Faktor 1/ n kleiner. In den Abbn. 7a und 7b sind der Mittelwert 400 n 0,15 0,10 0,05 sN 0 200 n 400 Abb. 7b Standardabweichung sN und deren Mittelwert sN in Abhängigkeit von der Anzahl der Messungen n (Nulleffekt) 16 Einführung 3 Messunsicherheit Die experimentelle Standardabweichung des Mittelwerts nähert sich für große n entsprechend Gl. (17) dem Wert null. In der Regel geht man von einer normalverteilten Grundgesamtheit (Abschn. 4.2) aus, so dass dann auch die Stichprobe einer Normalverteilung genügt. Unter dieser Voraussetzung kann die obere und die untere Grenze des Vertrauensbereichs berechnet werden: x r t ( P, f ) s X n . Der Faktor t (P, f ) bezieht sich auf die so genannte t-Verteilung, auch als StudentVerteilung bezeichnet, und hängt vom Vertrauensniveau P bzw. von der Irrtumswahrscheinlichkeit D (D = 1P) sowie der Anzahl der Freiheitsgrade f der Stichprobe ab. Für das unter Praktikumsbedingungen übliche Vertrauensniveau von 95 % findet man im Anhang A.20 die entsprechenden Werte. Die Zahl der Freiheitsgrade ist gleich der Anzahl der Messwerte (f = n), sofern der Mittelwert gegeben ist. Berechnet man das arithmetische Mittel aus einer Stichprobe mit n Messungen, wird f = n1. Daraus wird die Messunsicherheit u(X)z einer zufallsverteilten Messgröße begründet: u ( X )z t ( P, f ) sX n . (18) Bei einer geringen Anzahl von Freiheitsgraden (Messwerten) wird der Vertrauensbereich erheblich vergrößert. Für eine statistisch begründete Abschätzung der Messunsicherheit sollen mindestens fünf Messwerte vorliegen. Beispiel: Es wurde die Periodendauer T eines Fadenpendels (Versuch M.2.1) zehnmal mit einer digitalen Stoppuhr unter gleichen Messbedingungen gemessen. Die systematischen sind gegenüber den zufälligen Abweichungen vernachlässigbar. Messwerttabelle i Ti /s i Ti /s 1 1,92 6 1,91 2 1,95 7 1,94 3 1,90 8 1,93 4 1,89 9 1,95 5 1,93 10 1,90 T = 1,922 s , sT = 0, 0215 s , u (T ) z sT t ( P, f ) n 0, 016 s . Der Wert für u(T) ergibt sich nach Gl. (18) mit t(P = 0,95, f = n1 = 9) = 2,3 (vgl. Anhang A.20). Nach Rundung (Abschn. 3.3) erhält man die Unsicherheit u(T) = 0,016 s und für das Ergebnis folgt T = (1,922 r 0,016) s. 3.2.2 Messunsicherheit bei kombinierten Messgrößen Die experimentelle Standardabweichung einer Größe Y = Y(Xk) mit k = 1, ..., m, die eine Funktion mehrerer direkt messbarer Größen X1, ..., Xm mit den zugehörigen Mittelwerten x1 , ..., xm ist, kann mit Hilfe der Bestimmung von Messunsicherheiten zufallsverteilter Messgrößen ermittelt werden. Folgenden Voraussetzungen müssen erfüllt sein: 1. Die Messwerte der direkt messbaren Größen sind normalverteilt und ihre zufälligen Abweichungen sind unabhängig voneinander (nicht korreliert). 2. Die systematischen Abweichungen sind vernachlässigbar und die zufälligen Abweichungen sind viel kleiner als die zugehörigen Mittelwerte der Messgrößen. Dann kann die experimentelle Standardabweichung sY der Funktionsgleichung Y = Y (X1, ..., Xm) wie folgt berechnet werden: sY § wY · sXk ¸ ¨ ¦ X w k 1© k ¹ m 2 . (19) 3.2.3 Messunsicherheit beim linearen Ausgleich Die s X k werden aus Stichproben xk,i (i = 1, ... , n) vom Umfang n bestimmt. Der in Gl. (19) beschriebene Zusammenhang wird auch als „Fehlerfortpflanzungsgesetz nach Gauß“ bezeichnet. Für zwei häufig auftretende Spezialfälle vereinfacht sich die Berechnung von sY: Lineare Funktion: Y m a0 ¦ ak X k , (20) k 1 sy a1 s X1 2 ... am s X m 2 . (20a) Potenzprodukt: m Y A X kak , (21) k 1 sY Y 2 2 § sX m · § s X1 · ¸ . (21a) ¨ a1 ¸ ... ¨ am xm ¹ © x1 ¹ © Die Messunsicherheit u(Y) der indirekt gemessenen Größe Y lässt sich in diesem Fall mit u (Y ) t ( P, f ) n sY (22) berechnen. Nach den Empfehlungen im „Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement“ („ISO-GUM“) ist die Unsicherheit einer zufallsverteilten Messgröße durch die Standardunsicherheit bzw. die erweiterte Standardunsicherheit anzugeben. Für die Standardunsicherheit kombinierter, unkorrelierter Messgrößen gilt u(Y)c = sy. Als erweiterte Standardunsicherheit U wird das Produkt aus der Standardunsicherheit und einem Erweiterungsfaktor k (coverage factor) definiert: U (Y ) k u (Y )c . (22a) Der Wert des Faktors k hängt von der Größe des gewählten Vertrauensniveaus P 17 (auch Konfidenzniveau genannt) ab. Im Falle einer Normalverteilung und eines Vertrauensniveaus von P = 95 % ist k = 2. Für P = 99 % wird k = 3 gewählt. Die kWerte korrespondieren mit den betreffenden Werten der t-Verteilung im Anhang A.20 für eine ausreichend große Anzahl von Messwerten (Freiheitsgraden). 3.2.3 Messunsicherheit beim linearen Ausgleich Zur Berechnung der empirischen Standardabweichungen der Parameter D und E der Ausgleichsgeraden y D E x werden in Analogie zu Abschn. 3.2.1 die zugehörigen Werte sD und sE berechnet. Es sollen n Messwertpaare (xi, yi ) mit i = 1, ..., n der Messgrößen X (Einflussgröße) und Y (Zielgröße) vorliegen, wobei die Standardabweichungen der x i- gegenüber denen der y i-Werte vernachlässigt werden können. Die Formeln zur Berechnung der Standardabweichung des Mittelwerts E lauten dann sE 2 § wE · 2 ¨ ¸ sY , ¦ i 1 © w yi ¹ n sE 1 , n [ xx x x ] sy (23) bzw. für D sD 2 § wD · 2 ¨ ¸ sY , ¦ i 1 © w yi ¹ n sD sy xx n [ xx x x ] sE xx . (24) Die Mittelwerte entsprechen den im Abschn. 2.3 eingeführten Festlegungen. In gleicher Weise wie in Gl. (16) wird die experimentelle Standardabweichung sY für 18 Einführung 3 Messunsicherheit die y-Werte ermittelt: sY sY n 1 n2 ¦(y 1 n2 ¦(y i y )2 , i 1 n i E xi D ) 2 . (25) i 1 Die Substitution von n 1 durch n 2 gegenüber Gl. (16) ist dadurch bedingt, dass die Anzahl der Freiheitsgrade bezüglich der n voneinander unabhängigen Wertepaare durch die aus den Messwerten berechneten Parameter D und E um zwei reduziert wurde ( f = n 2). Unter der Annahme, dass die zufälligen Abweichungen der yi-Werte normalverteilt sind, können die zugehörigen Messunsicherheiten bestimmt werden: u (D ) sD t ( P, n 2) , (26) u ( E ) sE t ( P, n 2) . ln ( N / N0 ) Beispiel: In einem Experiment zur Bestimmung der Halbwertszeit T1/2 eines kurzlebigen Nuklids wurde die Zählrate N (Zahl der Zerfälle/s) in Abhängigkeit von der Zerfallsdauer t gemessen. 0 -1 y ln ( N / N 0 ) , x t , E 1/ T1/ 2 , D 0 . Das Ergebnis der linearen Regression zeigt Abb. 8. Mit dieser wurden neben dem gesuchten Parameter E (Anstieg der Geraden) auch dessen Standardabweichung sE berechnet: E = 4,49110-3 s-1 , sE = 0,056 10-3 s-1 . Mit dem Regressionsparameter E erhält man die Halbwertszeit T1/2 = 1/ E = 222,7 s und mit dem Wert für die Standardabweichung ergibt sich nach Gl. (26) eine Unsicherheit von u(E ) 2 sE 1,12 104 s 1 . Den Wert für t ( P, n 2) = 2 mit dem Vertrauensniveau P = 95 % und der Anzahl der Freiheitsgrade f = n 2 = 48 kann der Tabelle im Anhang A.20 entnommen werden. Mit u ( E ) / E = 0,02494 folgt nach Rundung als Ergebnis T1/2 = ( 222,7 r 5,6 ) s. In vielen praktischen Anwendungen wird auch die mit dem Faktor zwei multiplizierte (erweiterte) Standardunsicherheit zur Ermittlung der Messunsicherheit verwendet. 3.3 Angabe des Messergebnisses Das endgültige Ergebnis ist immer mit der aus Abschätzungen oder statistischen Berechnungen bestimmten Größe der Messunsicherheit anzugeben. Angewendet auf den Fall einer direkt gemessenen Größe X ist das Ergebnis in der Form X -2 sE t ( P, n 2) xbest r u ( X ) (27) Abb. 8 Anwendung der linearen Regression zur Bestimmung der Halbwertszeit (50 Messwerte, Regressionsgerade rot gezeichnet) anzugeben, wobei xbest der bestmögliche Wert ist, der im Falle von Zufallsgrößen dem Erwartungswert am nahesten kommt. Dabei sind die Einheiten und die Zahlenformate (dezimal, wissenschaftlich) von Ergebnis und Unsicherheit einheitlich zu wählen. Unter der Voraussetzung eines exponentiellen Zerfallsgesetzes N =N0 exp( t /T1/2) erfolgt die Auswertung mit der transformierten Gleichung ln N ln N 0 t / T1/ 2 , y D E x , Beispiele: Dichte: U = (8860 r 40) kg m-3 , Torsionsmodul: G = (145,4 r 1,3) 109 Pa , Brennweite einer Linse: f = (95 r 5) mm . -3 0 200 400 600 t/s 3.3 Angabe des Messergebnisses 19 In diesen Beispielen der Ergebnisangabe sind die Regeln für das Runden (siehe unten) berücksichtigt worden. Im Falle des Torsionsmoduls wurde auch beachtet, dass Vorsätze, die einer ganzzahligen Potenz von Tausend (103n) entsprechen, zu bevorzugen sind. Steht für die Berechnung des Ergebnisses eine ausreichend große Anzahl zufällig streuender, unkorrelierter Messwerte zur Verfügung, ist das Ergebnis als arithmetisches Mittel zu berechnen und die Messunsicherheit unter der Angabe des zugrunde gelegten Vertrauensniveaus P mitzuteilen, wobei k(P) der in 3.2.2 eingeführte Erweiterungsfaktor für normalverteilte Zufallsmessgrößen ist: X = x r k ( P) sX . (28) Für die mit der t-Verteilung begründeten Messunsicherheiten ist k(P) durch t(P, f) zu ersetzen. Beispiel: Die Konstante eines Kapillarviskosimeters nach Ubbelohde wird im Herstellerzertifikat wie folgt mitgeteilt: „K = 0,9677 mm2 s-2. Die relative Unsicherheit des angegebenen Zahlenwerts von K beträgt 0,65 % bei einem Vertrauensniveau von 95 %.“ Daraus folgt als absoluter Wert der Unsicherheit: u(K) = 0,00629 mm2 s-2. Nach Rundung der Unsicherheit auf zwei Ziffern erhält man als Ergebnis: K = (0,9677r0,0063) mm2 s-2. In einigen Fällen ist es vorteilhaft, die Messunsicherheit wie im obigen Beispiel als relative Größe in Prozent anzugeben. Die relative Unsicherheit in Prozent ergibt sich dann aus dem Verhältnis der absoluten Messunsicherheit u(X) der Messgröße X und deren Bestwert (xbest) mit urel ( X ) u( X ) 100% . xbest Dadurch wird bei einigen Versuchen eine direktere Einschätzung der Genauigkeit der Messung möglich, was insbesondere beim Vergleich von Ergebnissen einer Messgröße von Vorteil ist, wenn diese mit verschiedenen Messmethoden erhalten wurden. Analoge Betrachtungen gelten für die Ergebnisangabe kombinierter Messgrößen. Bei der Angabe eines Ergebnisses entsteht oft die Frage, wie viele Stellen (Ziffern) noch sinnvoll sind bzw. wie groß die Zahl der signifikanten Stellen ist. Vom Bureau International des Poids et Mesures (BIMP, JCGM 100:2008) wird angeregt, den Wert der Messunsicherheit maximal auf zwei Ziffern unter Berücksichtigung der Messmethode sowie spezifischer Messgenauigkeiten und Bedingungen aufzurunden. Ist die relative Messunsicherheit einer im Praktikum gemessenen Größe deutlich höher als ein Prozent, wird bei manchen Anwendungen das Aufrunden der Unsicherheit auf nur eine Ziffer zweckmäßig sein. Damit ist die Zahl der signifikanten Stellen für die Ergebnisangabe festgelegt. Es werden demnach so viele Stellen angegeben, die mit der Größe der Messunsicherheit vereinbar sind. Dabei können einige Regeln zur Ermittlung der signifikanten Stellen hilfreich sein, die aber erst im Kontext zwischen Ergebnis und Unsicherheit von Nutzen sein werden, um über die Zahl der signifikanten Stellen zu entscheiden: Alle Ziffern ( außer der Null ) sind signifikante Stellen. Wenn eine Null links vom Dezimalkomma steht und sich zwischen zwei Ziffern befindet, ist sie eine signifikante Stelle. Falls sich eine Null rechts vom Dezimalkomma befindet und rechts von einer Ziffer ist, zählt die Null als signifikante Stelle. Beispiele: 3 (eine signifikante Stelle), 17 (zwei signifikante Stellen), 4000 (vier signifikante Stellen), 40,001 (fünf signifikante Stellen), 0,4 (eine signifikante Stelle), 0,00120 = 1,20·10-3 (drei signifikante Stellen, die führenden Nullen sind nicht signifikant, die angehängte Null ist signifikant). 20 Einführung Bei Rechenoperationen entscheidet die Größe mit der kleinsten Anzahl signifikanter Stellen über die Zahl der signifikanten Stellen des Ergebnisses nach der Rechenoperation und die Angabe eines Ergebnisses im Praktikum sollte in der letzten signifikanten Stelle mit der letzten signifikanten Ziffer der immer aufzurundenden Messunsicherheit in Übereinstimmung sein. Für die Rundung des Werts des Ergebnisses gilt nach der DIN 1333 folgende Regel: Steht rechts neben der Rundestelle (letzte Stelle der Zahl, die nach dem Runden verbleibt) eine der Ziffern 0 bis 4, wird abgerundet. Steht rechts neben der Rundestelle eine der Ziffern 5 bis 9, wird aufgerundet. In speziellen Fällen, z. B. bei der Angabe von Werten physikalischer Konstanten, erfolgt die Angabe der Unsicherheit durch Einklammern der letzten signifikanten Stellen. Beispiel: Der aktuelle Wert der Planck-Konstante nach CODATA 2006 ist h = 6,626 068 96 10-34 J s, Standardunsicherheit 0,000 000 33 10-34 J s. Die kompakte Angabe dieses Werts mit Messunsicherheit ist h = 6,626 068 96(33) 10-34 J s . 4 Statistische Tests Statistische Tests verwenden Methoden und Verfahren zur Auswertung von Messergebnissen zufälliger Messgrößen, die auf den Grundlagen der mathematischen Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhen. In den folgenden Abschnitten werden einige Beispiele vorgestellt, wie man zweckmäßig statistisch begründete Analysen von Messdaten im Physikpraktikum durchführen kann. 4.1 Ermittlung von Häufigkeitsverteilungen Eine Art Vorstufe der statistischen Analyse von Messdaten stellt die Ermittlung von 4 Statistische Tests empirischen Häufigkeitsverteilungen dar. Die zufällige Messgröße X bezeichnet man in diesem Fall auch als Merkmal, die Messwerte x1, x2, ... , xn als Merkmalswerte. Treten einzelne Werte mehrfach auf, so wird man eine Häufigkeitstabelle aufstellen und daraus die absoluten Häufigkeiten bzw. die relativen Häufigkeiten oder die relativen Häufigkeitssummen (Tabelle 4.1) bestimmen. Liegt eine ausreichende Anzahl unterschiedlich großer Messwerte vor, so ist eine Aufteilung der Messwerte in eine bestimmte Anzahl r von Klassen k oder Intervallen (k = 1, ... , r) zweckmäßig. Die Klassenbreite 'xk wird so festgelegt, dass die charakteristische Größenverteilung der Merkmalswerte gut zu erkennen ist. Sowohl zu klein als auch zu groß gewählte Intervalle können ggf. das Typische der Verteilung nicht erkennen lassen. Die auf eine Intervallgrenze fallenden Werte werden je zur Hälfte den angrenzenden Intervallen angerechnet, wobei die Intervall- oder Klassenbreite 'xk in der Regel für alle Klassen gleichgroß festgelegt wird. Jedoch kann auch eine andere Intervalleinteilung sinnvoll sein. Der Wert xk repräsentiert den Mittenwert bezüglich der Klasse k. Tabelle 4.1 Übersicht über verschiedene Häufigkeitsgrößen absolute Häufigkeit Häufigkeitsdichte relative Häufigkeit hk h( xk ) hk / ǻxk hk / n n relative H k H ( xk ) ¦ hi / n Häufigkeitssumme i 1 i = 1,..., k ; k Klassenindex; r Gesamtzahl der Klassen ( ¦ H r 1 ); n Anzahl der Messwerte Die relative Häufigkeitssumme bestimmt man, indem die Summe aus den einzelnen relativen Häufigkeiten bis einschließlich zur jeweils k-ten Klasse gebildet wird. Zur Veranschaulichung von experimentell be- 4.1 Ermittlung von Häufigkeitsverteilungen 21 stimmten Häufigkeitsverteilungen bevorzugt man Histogramme und Summenpolygone (Abbn. 9a, 9b). In einem Histogramm wird die Häufigkeitsverteilung, absolute Häufigkeit dividiert durch die Klassenbreite in Abhängigkeit vom Klassenmerkmal, graphisch dargestellt. hk / ΔTk s-1 1000 Hk % 80 40 0 2,3 600 2,4 2,5 2,6 2,7 Tgk / s Abb. 9b Summenpolygon (relative Häufigkeitssumme Hk, Klassenobergrenze Tgk ) 200 0 Ordinate und der Klassenobergrenze als Abszisse verbunden werden (Abb. 9b). 2,4 2,5 2,6 2,7 Tk / s Abb. 9a Histogramm (Werte aus Tabelle 4.2), Ordinate: Häufigkeitsdichte hk /'Tk, Abszisse: Mittenwert Tk der Klasse k Für kleine Klassenbreiten konvergiert die Häufigkeitsverteilung gegen die experimentelle (empirische) Verteilungsfunktion. Ein Summenpolygon erhält man, wenn benachbarte Punkte mit der Häufigkeitssumme als Wie bei der Analyse der zufälligen Fehler führt man auch für die Häufigkeitsverteilung statistische Kennwerte, den Mittelwert und die Standardabweichung ein: x# 1 r ¦ hk xk , nk1 sX # (29a) 1 r ¦ hk ( xk x )2 . n 1 k 1 (29b) Tabelle 4.2 Beispiel zur statistischen Analyse (Messung der Periodendauer T eines Fadenpendels) k Intervallgrenzen/s Tk / s hk (hk/n) / % Hk / % (Tk T ) 2 /s2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 2,345 - 2,375 2,375 - 2,405 2,405 - 2,435 2,435 - 2,465 2,465 - 2,495 2,495 - 2,525 2,525 - 2,555 2,555 - 2,585 2,585 - 2,615 2,615 - 2,645 2,645 - 2,675 2,675 - 2,705 2,705 - 2,735 2,735 - 2,765 2,36 2,39 2,42 2,45 2,48 2,51 2,54 2,57 2,60 2,63 2,66 2,69 2,72 2,75 3 3 8 14 16 25 32 23 21 19 12 10 9 5 1,5 1,5 4,0 7,0 8,0 12,5 16,0 11,5 10,5 9,5 6,0 5,0 4,5 2,5 1,5 3,0 7,0 14,0 22,0 34,5 50,5 62,9 72,5 82,0 88,0 93,0 97,5 100 0,0408 0,0296 0,0202 0,0125 0,0067 0,0027 0,0005 0,0001 0,0014 0,0046 0,0096 0,0164 0,0250 0,0353 (Zahl der Messungen: n = 200), Mittelwert: T # 2,562 s , Standardabweichung: sT # 0,088 s 22 Einführung Der Mittelwert und die Standardabweichung wurden mit den Gln. (29a) und (29b) näherungsweise berechnet. Für die Berechnung der relativen Häufigkeitssumme zur graphischen Darstellung des Summenpolygons in Abb. 9b sind die Werte in Tabelle 4.2 verwendet worden. 4.2 Verteilungen und Prüfverfahren Ein Nachteil für die mathematische Beschreibung der im vorhergehenden Abschnitt eingeführten Häufigkeitsverteilung ist ihre Unstetigkeit und Nichtdifferenzierbarkeit. Für den Fall unendlich vieler, sich stetig ändernder Merkmalswerte konvergiert jedoch die Häufigkeitsverteilung gegen die Verteilungsfunktion der Grundgesamtheit. Mit der Verteilungsfunktion ist dann im Prinzip die Berechnung der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines bestimmten Ereignisses (Messwerts) möglich. Die Erörterung, wie gut konkrete empirische Verteilungen bzw. ihre charakteristischen Parameter durch spezielle theoretische Verteilungen wiedergegeben werden, ist Gegenstand statistischer Prüfverfahren. Diese beruhen alle auf Vergleichstests und gehen von der Hypothese aus, dass sich die aus einer konkreten Stichprobe gewonnenen Kennwerte nur durch zufällige Abweichungen von den entsprechenden Kennwerten der Grundgesamtheit unterscheiden. Diese Art der Annahme nennt man Nullhypothese H0, die gegenteilige Entscheidung wird als Alternativhypothese H1 bezeichnet. Die Annahme der Nullhypothese bedeutet aber nicht in jedem Falle, dass nur sie die richtige ist. Einerseits wurde sie gegenüber einer Alternativhypothese vorgezogen, und andererseits kann der begrenzte Stichprobenumfang n einen (statistischen) Irrtum nicht ausschließen. Deshalb ist bei einer Entscheidung noch die Irrtumswahrscheinlichkeit D zu berücksichtigen. Im Abschn. 3.2.1 wurde bereits eine 4 Statistische Tests solche Verteilung (t-Verteilung) zur statistisch begründeten Schätzung des Vertrauensbereichs des Mittelwerts einer normalverteilten Größe verwendet, bei der sowohl die Irrtumswahrscheinlichkeit D als auch die Anzahl der Messungen n bzw. der Freiheitsgrade f = n 1 eine Rolle spielten. Allgemein wird der Freiheitsgrad einer Messwertreihe bestehend aus n Messungen als die Differenz f = n m definiert, wobei m die Anzahl der aus den Messwerten berechneten Kenngrößen ist. Zum Prüfen der Nullhypothese verwendet man geeignete Prüfverteilungen z. B. die Normalverteilung, die t-Verteilung (Student-Verteilung) oder die F2-Verteilung (Chi-QuadratVerteilung), siehe Anhang A.20 bis A.22. Die wichtigste stetige Verteilung ist die Normal- oder Gaußverteilung. Sie wird mathematisch durch die Verteilungsdichtefunktion Gl. (30) mit den beiden Parametern Zentralwert P und Standardabweichung V dargestellt, die im Falle einer normalverteilten Stichprobe durch x und sX zu ersetzen sind: f ( x) ª ( x P )2 º 1 exp « » . 2 2ʌ V ¬ 2V ¼ (30) Der Faktor vor der Exponentialfunktion ergibt sich aus der Normierungsbedingung f ³ f ( x) d x 1 . f Sie besagt, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auffinden des Werts x der Messgröße X im Intervall zwischen f und f gleich eins ist. Der Verlauf des Graphen der Dichtefunktion der Normalverteilung in Abb. 10, auch als Gauß’sche Glocken- oder Fehlerkurve bezeichnet, zeigt ihr stetiges Verhalten und die typische Symmetrie der Dichtefunktion. Die Wendepunkte liegen an den Stellen P V und P + V . Außerdem erkennt man das typische Merkmal der 4.2 Verteilungen und Prüfverfahren 23 zufälligen Abweichungen, kleine Abweichungen kommen häufiger vor als große. Der Erwartungswert und die Varianz der Normalverteilung sind P und V 2. f (x) 95 % 2,5 % 2,5 % μ –2 σ μ– σ μ μ+ σ μ+2 σ x Abb. 10 Dichtefunktion f(x) der Normalverteilung mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von D = 5 % (schraffierte Fläche), Vertrauensniveau P = 1 D = 95 % für P 2V d P d P 2V Die Integration der Dichteverteilung f (x) führt zur eigentlichen Verteilungsfunktion oder so genanten Fehlerfunktion F(x) mit x F ( x) ³ f ( xc) d xc . f (31) Durch das Einsetzen von Gl. (30) folgt das Gauß’sche Fehlerintegral F(u) in Gl. (31). In Abb. 11 ist das Gauß’sche Fehlerintergral graphisch dargestellt. Die Funktion F(x) stellt die Wahrscheinlichkeit dar, mit der die Zufallsgröße X einen Wert aus dem Intervall (f, x) annimmt. Gleichzeitig entspricht der Wert von F(x) dem bestimmten Integral der Dichtefunktion f(x) und damit der Fläche von f bis zur Stelle x. Deshalb ist es möglich, die experimentell ermittelten Häufigkeitssummen in Beziehung zu den theoretischen Wahrscheinlichkeiten der Normalverteilung zu setzen. In der Praxis verwendet man für das Integral über die Dichtefunktion der Normalverteilung die standardisierte Normalverteilung (Standardnormalverteilung). Dabei wird die normalverteilte Zufallsvariable x durch die Transformation u = (xP) /V in die standardnormalverteilte Zufallsvariable u umgerechnet: erf ( z ) F (u ) 0,8413 ³ f § W2 exp ¨ © 2 · ¸ dW . (32) ¹ 2 ʌ z ³ exp(W 2 )dW , 0 ª x P º· 1§ ¨¨1 erf « » ¸¸ . 2© ¬ 2 V ¼¹ Mit Hilfe der Werte ) (u) der Verteilungsfunktion nach Gl. (32) kann die Wahrscheinlichkeit P dafür berechnet werden, dass die normalverteilte Messgröße Werte zwischen u1 und u2 annimmt: 0,5000 P ( x1 x x2 ) 0,1587 0 u Eine andere häufig verwendete Darstellung ist die Fehlerfunktion (error function, erf(z)) mit F (x) 1,0000 1 2ʌ F (u ) ) (u ) P (u1 u u2 ) ) (u2 ) ) (u1 ) . μ- σ μ μ+ σ x Abb. 11 Verteilungsfunktion F(x) der Normalverteilung (Gauß’sches Fehlerintegral) Durch geeignete Rechnungen ergeben sich z. B. die Wahrscheinlichkeiten dafür, dass die Werte einer zufallsverteilten Messgröße 24 Einführung 4 Statistische Tests in einem zum Erwartungswert P symmetrischen Intervall P r k V liegen, zu P = 0,683 für k = 1, P = 0,954 für k = 2 (Abb. 10) und P = 0,997 für k = 3. Eine graphische Prüfung, ob eine Stichprobe von Messwerten einer Normalverteilung genügt, kann unter Verwendung von speziellem Koordinatenpapier (Wahrscheinlichkeitsnetz) oder mittels geeigneter Software erfolgen. Dabei wird die Ordinate so unterteilt, dass der Graph der Verteilungsfunktion der Normalverteilung zu einer Geraden gestreckt wird (Abb. 12). Hk / % 99 95 84,13 % 50 % 15,87 % 80 60 40 20 5 1 2,4 2,5 2,46 2,7 2,6 T = 2,55 s 2,64 Tk / s 2,8 Abb. 12 Darstellung der relativen Häufigkeitssummen Hk aus Tabelle 4.2 in Abhängigkeit von den Klassenwerten Tk (Abszisse linear, Ordinate nach Fehlerintegral Gl. (31) geteilt, Ausgleichsgerade rot) Die experimentellen Werte liegen annähernd auf der Ausgleichsgeraden und der aus der Graphik bestimmte Mittelwert T 2,55 s für Hk = 50 % sowie die Werte T sT 2, 46 s (Hk = 15,87 %) bzw. T sT 2,64 s (Hk = 84,13 %) stimmen gut mit den aus den experimentellen Daten berechneten Werten (Tabelle 4.2) überein. Das bedeutet aber noch nicht, dass die zufälligen Abweichungen der vorliegenden Stichprobe in jedem Falle durch eine Normalverteilung beschrieben werden können. Für eine statistisch begründete Aussage verwendet man statistische Tests. Die Entscheidung für oder gegen die Nullhypothe- se H0 ist immer mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit verbunden, dass diese auch falsch sein kann. Der Bereich, in dem bei richtiger Nullhypothese mit einer Wahrscheinlichkeit von höchstens D (Irrtumswahrscheinlichkeit oder Signifikanzniveau) die Werte der Prüffunktion liegen, wird als kritischer Bereich bezeichnet (Abb. 13). Nimmt die Prüffunktion einen Wert innerhalb des kritischen Bereichs an, so wird die Nullhypothese mit der Wahrscheinlichkeit von maximal D abgelehnt. Der in Abb. 13 verwendete Begriff Quantil entspricht demjenigen Funktionswert, für den die Verteilungsfunktion eine vorgegebene Wahrscheinlichkeit P annimmt oder bei dem sie von einem Wert unter P auf einen Wert über P springt (Überschreitungswahrscheinlichkeit). Häufig sollen Hypothesen über die Art des Verteilungsgesetzes von gemessenen Stichprobenverteilungen geprüft werden (Anpassungstest). Einer der bekanntesten statistischen (parametrischen) Anpassungstests ist der F 2-Test mit der Prüffunktion F2 r ¦ k 1 (hkb hke ) 2 . hke (33) Dabei werden den in der Stichprobe vom Umfang n beobachteten Häufigkeiten hkb die theoretischen (erwarteten) Häufigkeiten hke mit hke = n pk gegenübergestellt. Die Größe pk ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei richtiger Nullhypothese ein Merkmalswert der k-ten Klasse angehört. Man setzt voraus, dass die Verteilung der einzelnen Summanden in Gl. (33) mit genügender Genauigkeit durch die F 2-Verteilung beschrieben werden kann. Die erwartete Häufigkeit in jeder Klasse soll mindestens fünf sein, um dem statistischen Charakter der Verteilung Rechnung zu tragen. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Anzahl der Freiheitsgrade f und der verein- 4.2 Verteilungen und Prüfverfahren 25 barten IrrtumswahrscheinlichkeitD lautet das entsprechende Entscheidungskriterium: Annahme von H0, wenn F 2 F 2f ,1D , 2 2 Ablehnung von H0, wenn F t F f ,1D . Die Anzahl der Freiheitsgrade f ist hier gleich der Anzahl r der Klassen, vermindert um die Anzahl m der aus der Stichprobe geschätzten Parameter und minus eins aufgrund der Normierung: f = r m 1. Im Falle der Poisson-Verteilung (siehe unten) ist z. B. m = 1. Für eine Normalverteilung gilt folgendes: Werden der Mittelwert und die Standardabweichung aus den Werten der Stichprobe abgeschätzt, so ist m = 2. Sind deren Werte bereits bekannt, wird m = 0 gesetzt. nung von Wahrscheinlichkeiten mit Fehlerintegral zur Ermittlung der hke-Werte erforderlich. Man verwendet dazu die transformierten Werte u (T T ) / sT und erhält für die normierte Dichtefunktion f (u ) § u2 · exp ¨ ¸ . 2ʌ © 2 ¹ 1 Für die tabellarische Darstellung der Auswertung sind die folgenden Spaltengrößen zu empfehlen: obere Klassengrenze Tgk, Normierungsvariable uk, Fehlerintegralwert ) (uk ) , Wahrscheinlichkeit pk, berechnete (erwartete) Häufigkeit hke. Zur Berechnung der Werte hke bestimmt man zunächst die Werte des Integrals (Tabelle A. 21) F (u ) ) (u ) f ( χ2 ) 1 2ʌ u § W2 · ³ exp ¨© 2 ¸¹ d W f bezüglich der oberen Intervallgrenzen Tkg. Damit erhält man die jeweilige Wahrscheinlichkeit pk für k = 1 zu p1 = ) (u1 ) , für k = 2, ... , r-1 1–α zu α χ2 χf,2 1 – α K Abb. 13 Dichtefunktion der F 2 -Verteilung, K kritischer Bereich (schraffiert) für das Quantil F 2f ,1D In Abb. 13 wurde der kritische Bereich einseitig dargestellt, da große Werte von F 2 auf große Abweichungen beobachteter von erwarteten Häufigkeiten hindeuten. für die Die Zahlenwerte F 2f ,1D , P( F 2 d F 2f ,1D ) (1 D ) gilt, sind die Quantile der F 2 -Verteilung (Anhang A.21). Beispiel: Hypothese H0: Die Häufigkeitsverteilung der gemessenen Periodendauern eines Pendels genügt einer Normalverteilung. Für die Entscheidungsfindung ist die Berech- pk ) (uk ) ) (uk 1 ) und für k = r zu pr 1 ) (ur 1 ) . Die erwarteten Häufigkeiten ergeben sich dann zu hke = n pk (k = 1, ... , r), und die Summation über die Werte F k2 liefert den F 2 -Testwert. Berechnet man mit den Daten von Tabelle 4.2 die hke-Werte und führt den F 2Test durch, ergibt sich ein experimenteller Wert von 10,7. Mit D = 5 % und f = 13 3 = 10 (Zusammenfassung der ersten beiden Klassen, um die Bedingung hke t 5 zu erfüllen.) entnimmt man Tabelle A. 21 im Anhang den Wert F th2 18,3. Damit kann die Hypothese H0, dass eine Normalverteilung vorliegt, angenommen werden. Oft wird zur Einschätzung der Anpassung die Überschreitungswahrscheinlichkeit ermittelt, die zu dem im Experiment bestimmten F 2-Wert gehört. Die in der ChiQuadrat-Tabelle im Anhang A.21 angeführten Werte (1D) in der oberen Zeile geben gerade die Wahrscheinlichkeiten an, mit 26 Einführung 4 Statistische Tests denen die darunter stehenden Chi-QuadratWerte (Quantile) erreicht oder überschritten werden. Bestimmt man unter Berücksichtigung des Freiheitsgrads f mit dem Wert von F 2f die Überschreitungswahrscheinlichkeit, so ist diese auch ein (statistisches) Maß für die Güte der Anpassung. Im folgenden Beispiel soll getestet werden, ob die Häufigkeitsverteilung des Nulleffekts durch eine Poisson-Verteilung beschrieben werden kann. Als Nulleffekt (O.5.1) soll diejenige Anzahl der Impulse m betrachtet werden, die man während des Messintervalls 't ohne Strahlungsquelle bestimmt. Die Poisson-Verteilung wird für m = 0, 1, 2, … durch die Funktion p ( m, O ) Om m! exp( O ) (34) analytisch ausgedrückt. Der Parameter O > 0 hat die Bedeutung des Erwartungswerts. Daher ist es sinnvoll, als Abschätzung für O den arithmetischen Mittelwert m zu verwenden. Wenn man p(m, O) über m darstellt, erhält man im Gegensatz zur Normalverteilung keine Kurve, sondern diskrete Wahrscheinlichkeiten. Diese sind um den Erwartungswert nicht symmetrisch verteilt. Für große O nimmt die Asymmetrie ab und die Poisson-Verteilung kann für O > 30 gut durch die Normalverteilung genähert werden (Moivre-Laplace’scher und Poisson’scher Grenzwertsatz). Beispiel: Es soll die Häufigkeitsverteilung des Nulleffekts mit Hilfe des F2-Tests unter der Annahme einer Irrtumswahrscheinlichkeit von D = 5 % analysiert werden (Güte, H0-Hypothese: Poisson-Verteilung). Die Stichprobe (Anzahl n der Messungen) hat einen Umfang von n = 2000. Es wurden für jede Klasse k die experimentellen Häufigkeiten hkb bestimmt und die Häufigkeiten hke mit hke p(mk , O ) n berechnet. Als Mittelwert ergibt sich nach Gl. (29a): m O 3,33 . In der Tabelle 4.3 wurden die Klassen 10 bis 12 für den F2-Test zu einer neuen Klasse k = 10 wegen der Forderung hke t 5 zusammengefasst. Tabelle 4.3 Statistische Auswertung zum Nulleffekt (F2-Test), Impulszahl m, 't = 6 s k mk hkb hke Fk2 = (hkbhke)2/hke 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 78 215 435 411 383 235 138 62 26 8 7 2 72 238 397 441 367 244 136 64 27 10 3 1 0,55 2,22 3,64 2,04 0,70 0,33 0,03 0,06 0,04 0,64 - hk 400 300 200 100 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 mk Abb. 14 Histogramm zur Poisson-Verteilung des Nulleffekts, Werte aus Tabelle 4.3, berechnete Häufigkeiten hke (rot), gemessene Häufigkeiten hkb (schraffiert) Die Summation der letzten Spalte in der Tabelle 4.3 ergibt F2exp = 10,3. Für die Anzahl der Freiheitsgrade der zur Verfügung stehenden Stichprobe mit r = 10 und m = 1 folgt f = r m 1 = 8. Aus der F2-Tabelle im Anhang A.21 kann abgeschätzt werden, dass die Güte der Anpassung über 70 % für 4.2 Verteilungen und Prüfverfahren ein Signifikanzniveau D von 5 % beträgt. Der im Experiment bestimmte Testwert ( F2exp = 10,2) ist kleiner als der Tabellenwert ( F28; 95 % = 15,5) und die H0-Hypothese kann angenommen werden. 5 Versuchsvorbereitung und Protokollführung Jeder Praktikant bereitet sich mit entsprechender Fachliteratur gründlich auf die Versuche vor. Notwendige Literaturhinweise und Angaben zu den Schwerpunkten der theoretischen Vorbereitung findet man in der Regel in den praktikumsspezifischen Aufgabenstellungen und Versuchsanleitungen. Die Erarbeitung der erforderlichen theoretischen und experimentellen Grundlagen sowie die gedankliche Vorbereitung der einzelnen Versuchsschritte sind in einem Protokoll in kurzer, exakter Form schriftlich festzuhalten und stellen die im Allgemeinen in Hausarbeit durchzuführende Vorbereitungsphase des Experiments dar. Jedes wissenschaftliche Protokoll stellt eine klar strukturierte, dokumentarische Zusammenstellung der Versuchsinhalte, der Messprinzipien und -methoden, der Durchführung der experimentellen Arbeiten, der Erfassung und Auswertung von Messdaten sowie der Diskussion der Ergebnisse dar. Daher sollen alle Eintragungen mit Ausnahme von Skizzen oder graphischen Darstellungen nicht mit Bleistift erfolgen. Das Protokoll soll in übersichtlicher und leserlicher Form alles Notwendige enthalten, um den Lösungsweg vollständig rekonstruieren oder wiederholen bzw. die Messergebnisse weiter verwenden zu können. Fehlerhafte Eintragungen oder Korrekturen sind unter Angabe ihrer Ursachen sauber durchzustreichen und ggf. mit einem erläuternden Kommentar zu versehen. Jeder Messwert und jede Zwischenrechnung ist unmittelbar im Versuchsprotokoll zu notie- 27 ren. Verwendet man zur Auswertung graphischer Darstellungen lineare oder nichtlineare Anpassungsrechnungen, ist der Zusammenhang zwischen den Parametern der Anpassungs- bzw. Fit-Funktion und den physikalischen Bestimmungsgrößen anzugeben. Eine zeitlich sinnvolle Reihenfolge der einzelnen Aufgaben für einen optimalen Versuchsablauf ist vor Beginn eines jeden Experiments zu überlegen. Falls spezielle Sicherheits- und Arbeitsschutzbestimmungen vorgegeben sind, müssen diese bei den entsprechenden Arbeitsschritten gewissenhaft eingehalten werden. Die erfolgreiche und qualitätsgerechte Realisierung der Praktikumsexperimente hängt nicht nur vom gewählten Messverfahren, von der Genauigkeit der Messgeräte und Messtechniken sowie der sorgfältigen experimentellen Arbeit ab, sondern auch von einer exakten und korrekten Protokollführung. Als Vorlage für die Gliederung eines Praktikumsprotokolls kann das folgende Beispiel dienen. Protokollmuster Im Kopf des Protokolls sind in der Regel folgende Angaben zu machen: Name, Arbeitsgruppe, Studienrichtung, Datum, Versuchsbezeichnung und Aufgabenstellung sowie Versuchsgeräte, Versuchsproben u. a. Der erste Abschnitt „Grundlagen“ ist Bestandteil der Vorbereitung auf den durchzuführenden Versuch und wird vor Beginn des Praktikums bearbeitet. Grundlagen Es sind die grundlegenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten anzugeben, die zum Verständnis und zur Lösung der Aufgaben benötigt werden. Wichtige Gleichungen sind aufzuschreiben und ihre Herleitungen sind in der Regel zu skizzieren bzw. zu begründen. Bei allen Gleichungen sind die vorkommenden Größen zu erläutern, und wenn erforderlich, ist deren Gültigkeitsbereich anzugeben. Gleichungen für die Berechnung der Messunsicherheiten sind her- 28 Einführung zuleiten. Die verwendeten Messprinzipien, Apparaturen, Schaltungen u. ä. sind kurz zu beschreiben. Während des Praktikums sind, wenn nicht anders vereinbart, die folgenden Abschnitte abzuschließen. Experimente & Messwerte Die für die spätere Auswertung am Versuchsplatz ausliegenden speziellen Informationen zu den Geräten und Messmitteln sowie Versuchsbedingungen und bekannte Probenparameter sind zu notieren. Direkt gemessene Werte werden in der Regel in geeignete Tabellen eingetragen, wobei ggf. weitere Spalten für Umrechnungen oder Zwischenergebnisse vorzusehen sind. Die eingestellten Messbereiche bei den verwendeten Geräten, andere spezifische Versuchsdaten und die für die Ermittlung der Messunsicherheiten erforderlichen Daten sind aufzuschreiben. Bei rechnergestützten Messungen sind die speziellen Messbedingungen zu notieren, z. B. Messintervall (Messpunktabstand), Messdauer, Verstärkungsparameter und Messtoleranzen. Wichtige während der experimentellen Durchführung beobachtete Phänomene sind ebenfalls im Protokoll zu vermerken. Auswertung & Messunsicherheit Die Berechnungen unter Anwendung der in der Vorbereitung begründeten Gleichungen sowie deren wichtigste Zwischenergebnisse sind niederzuschreiben. Alle Berechnungen müssen im Zusammenhang mit den verwendeten Gleichungen bzw. Algorithmen nachvollziehbar sein. Bei rechnergestützten Auswertungen (z. B. Anpassungsrechnungen, Simulationen) ist die verwendete Software anzugeben. In bestimmten Fällen sind die vorausgesetzten Näherungen zu überprüfen. Graphische Darstellungen und Auswertungen sind in geeigneten Maßstäben anzufertigen. Die Unsicherheiten der Messgrößen sind unter Berücksichtigung 5 Versuchsvorbereitung und Protokollführung der Messabweichungen zu bestimmen. Bei statistisch begründeten Auswertungen ist das zur Berechnung der Unsicherheit festgelegte Vertrauensniveau mitzuteilen. Zusammenfassung & Diskussion Die in den Aufgabenstellungen geforderten Ergebnisse sind zusammen mit den jeweiligen Messunsicherheiten auf signifikante Stellen gerundet in einer Ergebnisübersicht zusammenzufassen. Die geforderten Diagramme sind zu deuten und ggf. mit theoretischen Kurvenverläufen zu vergleichen. Von besonderer Bedeutung ist die Diskussion der Ergebnisse im Hinblick auf den Vergleich mit bereits bekannten Werten (Tabellenwerte mit Quellenangabe), die Übereinstimmung mit theoretischen Zusammenhängen (ggf. Literaturzitat), den Vergleich mit anderen Messprinzipien und Messverfahren, den unterschiedlichen Einfluss der Messunsicherheiten der jeweiligen Messgrößen auf das Endergebnis und ggf. eine kritische Betrachtung zusätzlicher Messabweichungen und Fehlerquellen. Für die Arbeiten im physikalischen Praktikum sind die Grundsätze zur ‚Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis’ (z. B. Deutsche Forschungsgemeinschaft, Deutscher Hochschulverband, Hochschulrektorenkonferenz) entsprechend den speziellen Aufgaben- und Zielstellungen bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung sowie Protokollierung von Praktikumsversuchen zu beachten. Dazu gehören u. a. das eigenständige, ehrliche Arbeiten, die selbstkritische Bewertung von Ergebnissen und die Kenntlichmachung von fremdem geistigem Eigentum. Die Einhaltung dieser Grundsätze sollen die Studierenden bereits zu Beginn ihres Studiums zu Ehrlichkeit und Verantwortlichkeit insbesondere im Hinblick auf ihre künftige wissenschaftliche Arbeit befähigen. 29 Mechanik 1 Wägung und Dichte 1.0 Grundlagen Die Dichte U eines homogenen Körpers ist das Verhältnis seiner Masse m zu seinem Volumen V: m U = . V (1) Somit lässt sich die Dichte von festen Körpern und Flüssigkeiten über eine Massenund Volumenbestimmung ermitteln. Die Einheit der Dichte ist kg m-3. Die Masse bestimmt man durch Wägung. Ihre Einheit ist kg. Die Masse eines Körpers kennzeichnet seine Trägheit und seine Schwere. l l FA,K FA,R FG,K FG,R Abb. M.1.0.1 Massenvergleich mit einem zweiarmigen Hebel Bei der Wägung von Festkörpern und Flüssigkeiten nutzt man meist die Eigenschaft der Schwere der Masse. Dabei wird die Masse des Körpers der Dichte U mit der Referenzmasse mR von Wägestücken bekannter Dichte U R verglichen, die auf Massennormale zurückgeführt werden können. Wird die Wägung in Luft durchgeführt, erfahren Körper und Wägestück einen Auftrieb FA,K bzw. FA,R, der die Wirkung auf die Waage im Vergleich zur Wägung im Vakuum verän- dert. Der Auftrieb ist eine der Gewichtskraft entgegen gerichtete Kraft. Nach dem Prinzip des Archimedes ist der Betrag der Auftriebskraft FA auf einen sich in einem Medium befindenden Körper gleich dem Betrag der Gewichtskraft des vom Körper verdrängten Mediums (Index M): FA V UM g m UM g . U (2) Für die Wägung in Luft (Index L) ist in Gl. (2) die Dichte des Mediums UM durch die Dichte der Luft UL zu ersetzen. Die Größen V, g und Usind der das Medium verdrängende Volumenanteil des Körpers, die Fallbeschleunigung am Aufstellungsort der Waage und die Dichte des Körpers. In Abb. M.1.0.1 ist ein Massenvergleich mit einem zweiarmigen Hebel (z. B. Balkenwaage) dargestellt. Die Gewichtskräfte FG,K und FG,R von Körper und Wägestück rufen an den Hebelarmen der gleichen Länge l ein rechtsbzw. linksdrehendes Drehmoment hervor. Sind diese bei einer Wägung im Vakuum vom Betrag gleich (m g l = mR g l), haben Körper und Wägestück die gleiche Masse. Wird beim Massenvergleich in Luft der auf der linken Seite mit dem Körper der Masse m belastete Hebel durch Anbringen geeigneter Vergleichskörper (Wägestücke der Masse mR, dem Volumen VR und der Dichte UR) auf der rechten Seite ins Gleichgewicht gebracht, ergibt sich durch die Beachtung des Auftriebs in Luft für die Drehmomente m g l UL V g l mR g l U L VR g l (3) und mit Gl. (1) folgt dann § U · § U · m ¨1 L ¸ mR ¨1 L ¸ . U © ¹ © UR ¹ W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum, DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 (4) 1 Wägung und Dichte 30 Mechanik Werden mehrere Massestücke verschiedener Dichten zum Abgleichen des Hebels verwendet, ist der rechte Term von Gl. (4) durch die § U · Summe ¦ mRi ¨1 L ¸ zu ersetzen, wobei i © U Ri ¹ mRi die Masse aller jeweilig hinzugefügten Wägestücke mit der Dichte URi ist. Weiteres Umstellen von Gl. (4) führt zur Gl. (4a), mit der sich dann die Masse m des Körpers bestimmen lässt: § UL · ¨1 ¸ UR ¹ m mR © . § UL · ¨1 U ¸ © ¹ (4a) In der Laborpraxis werden überwiegend elektronische Waagen eingesetzt. Auch hier wird die Schwere der Masse für ihre Bestimmung ausgenutzt. Elektronische Waagen bestehen in ihrer einfachsten Form aus einer Wägeplatte, einer Wägezelle und einem elektronischen Anzeigegerät. Auf die Wägezelle wirkt die Gewichtskraft des auf der Wägeplatte liegenden Körpers. Dadurch wird ein elektrisches Signal erzeugt, das eindeutig mit der Gewichtskraft zusammenhängt. Dieser Zusammenhang lässt sich durch die Wägekennlinie beschreiben. Die Wandlung der Gewichtskraft in ein elektrisches Signal führt beim Anzeigegerät zur Ausgabe des Wägewerts. Unter dem Wägewert versteht man den durch Wägung in Luft ohne Korrektur des Luftauftriebs ermittelten Näherungswert für die Masse. Neben der Beachtung des Auftriebs, den der zu wiegende Körper oder die zur Kalibrierung aufgelegten Wägestücke während der Wägung erfahren, sind alle weiteren die Messung störenden Einwirkungen (z. B. elektrostatische und magnetische Wirkungen, Luftströmung durch Konvektion) zu vermeiden. Weiterhin ist zu beachten, dass die Wägeplatte stets horizontal ausgerichtet sein muss. Da die Fallbeschleunigung einen Einfluss auf den Messwert einer elektronischen Waage hat, ist diese vor jeder Messung durch Auflegen eines zur Waage als Massenormal mitgelieferten Wägestücks zu kalibrieren. Zum Kalibrieren wird das Kalibrierprogramm gestartet und das zur Waage gehörende Kalibriergewicht auf die Waage aufgesetzt. Der Anzeigewert der Waage wird dabei auf den Nennwert des Kalibriergewichts eingestellt. Für eine genaue Wägung muss der Auftrieb beachtet werden, den die Kalibriergewichte in Luft erfahren. In der Praxis wird für Waagen der konventionelle Wägewert eingeführt. Die meisten Waagen sind so eingestellt, dass sie nicht die Masse sondern den konventionellen Wägewert anzeigen. Dieser lässt sich mit Hilfe eines speziell definierten Bezugswägestücks in der folgenden Weise ermitteln. Hält ein Bezugswägestück der Dichte U = 8000 kg m-3 einem anderen Wägestück mit einer Temperatur von 20 °C in Luft der Dichte U L,k 1, 2 kg m -3 an einer gleicharmigen Balkenwaage das Gleichgewicht, wird diesem Wägestück als konventioneller Wägewert bei gleicher Masseneinheit der Zahlenwert der Masse des Bezugswägestücks (unabhängig von seiner Dichte) zugeordnet. Der Index k steht für konventionell. Die physikalischen Eigenschaften des Kalibriermassestücks für die elektronische Waage entsprechen im Idealfall denen des konventionell festgelegten Bezugswägestücks. Durch Einsetzen in Gl. (4a) ergibt sich für die konventionelle Masse mK eines Wägestücks der Masse mR und der Dichte UR bei 20 °C: mk § UL · ¨1 ¸ UR ¹ © mR . § UL · 1 ¨ ¸ © Uk ¹ (4b) Aus Gl. (4b) ist ersichtlich, dass für die Referenzmassestücke der Dichte von 8000 kg m-3 die Masse und der konventionelle Wägewert immer identisch sind. Für Wägestücke ande- 1.0 Grundlagen 31 rer Dichte (z. B. Aluminium oder PlatinIridium-Kilogrammprototypen) lässt sich mit Gl. (4c) die relative Abweichung zwischen Masse und konventionellem Wägewert berechnen: mk mR mk 1 ( Uk U L ) UR ( UR U L ) Uk . (4c) Diese relativen Abweichungen können bis zu 3 10-4 betragen. Damit liegen sie unter der Toleranz der in der Regel für Labor- und Analysewaagen verwendeten Wägestücke der Genauigkeitsklassen F1 und E1 (Tab. M .1.1). Tab. M.1.1 Nominalwerte (Nennwerte) von Gewichtsstücken der Genauigkeitsklassen E1, F1 und M1 und ihre Messunsicherheit u(m) Nennwert m/g E1 u(m)/mg F1 u(m)/mg M1 u(m)/mg 0,01 0,002 0,025 0,25 0,02 0,003 0,03 0,3 0,05 0,004 0,04 0,4 0,1 0,005 0,05 0,5 0,2 0,006 0,06 0,6 0,5 0,008 0,08 0,8 1 0,010 0,10 1,0 2 0,012 0,12 1,2 5 0,015 0,15 1,5 10 0,020 0,20 2,0 20 0,025 0,25 2,5 50 0,030 0,30 3 100 0,05 0,50 5 200 0,10 1,0 10 Der konventionelle Wägewert vereinfacht sehr genaue Wägungen, da Schwankungen der Luftdichte bis zu 10 % rechnerisch nicht berücksichtigt werden müssen. Die Luftauftriebskorrektur für die bei der Wägung ver- wendeten Massenstücke muss dabei für viele Anwendungen im Labor nicht durchgeführt werden. Die Einheit des Volumens ist m3. Seine Bestimmung ist nach verschiedenen Methoden möglich, von denen hier nur eine Auswahl angeführt werden soll. Hat ein fester Körper eine einfache geometrische Gestalt, lässt sich die Volumenbestimmung auf Längenmessungen zurückführen, die z. B. mit mechanischen Messwerkzeugen (Messschieber, Bügelmessschraube) vorgenommen werden können. Das Volumen eines Körpers mit unregelmäßiger Gestalt, kann man durch eine Wägung der Flüssigkeitsmenge bestimmen die er an Flüssigkeit bekannter Dichte verdrängt. Die Bestimmung von Flüssigkeits- bzw. Gasvolumina erfolgt für genaue Messungen generell auf mittelbarem Weg. Mit einem Pyknometer (Versuch M.1.1) kann das Volumen für die Dichtebestimmung sehr genau bestimmt werden. Neben der direkten Dichtebestimmung nach Gl. (1) gibt es noch weitere Verfahren, die auf verschiedenen physikalischen Grundlagen beruhen. So kommen z. B. Auftriebsverfahren (Versuch M.1.2) und Resonanzverfahren (Versuche M.1.3.1 und M.1.3.2) zum Einsatz. Während die Dichte eines festen Körpers oder einer Flüssigkeit nur wenig von der Temperatur T und dem Druck p abhängt, ändert sich die Dichte eines Gases erheblich mit diesen Zustandsgrößen. Unter T ist die absolute Temperatur zu verstehen, die in der Einheit Kelvin (K) angegeben wird. Bei der Angabe einer Gasdichte sind daher stets die Versuchsbedingungen zu nennen. Im Anhang A.11 sind die Dichten von einigen Gasen bei Normbedingungen (TN = 273,15 K, pN = 101,325 kPa) gegeben. Aus diesen Werten können, wenn die nachfolgend genannten Bedingungen erfüllt sind, mit Gl. (7) die Dichten für die tatsächlichen Temperaturen und Drücke bestimmt werden. 1 Wägung und Dichte 32 Mechanik Im Folgenden werden nur noch Gase betrachtet, die sich in einem solchen Zustand befinden, dass sie als ideale Gase betrachtet werden können. Das ist erfüllt, wenn die Temperatur des Gases erheblich größer als die kritische Temperatur (W.2.0.1) des Stoffes ist. Dann lässt sich eine abgeschlossene Gasmenge mit der Masse m durch die spezielle Zustandsgleichung für ideale Gase beschreiben, wobei RS die spezielle Gaskonstante ist: pV = m RS T . (5) Aus Gl. (5) folgt p V pV = N N = const . T TN (5a) Der Index N weist auf die Normbedingungen hin. Durch Einsetzen von Gl. (1) ergibt sich U T p UN TN = const . pN (6) Für die Dichte des Gases unter den aktuellen Versuchsbedingungen gilt dann U UN TN p . pN T (7) Die Dichte weiterer Gase bei Normbedingungen kann man bestimmen, indem man die molare Masse M auf das Volumen für ein Mol (Vmol,N) eines Gases bezieht: UN M Vmol,N Aus Gl. (9) folgt für alle idealen Gase, dass sich in gleichen Volumina bei gleicher Temperatur und gleichem Druck stets die gleiche Anzahl Gasteilchen befindet (Gesetz von Avogadro). Die molare Masse lässt sich wie folgt ermitteln: Der in der Einheit Gramm angegebene Zahlenwert der molaren Masse stimmt mit dem der relativen Molekülmasse überein. Das folgt direkt aus der Definition der relativen Molekülmasse, die durch den Quotienten aus der Masse eines Moleküls des betrachteten Stoffs und dem zwölften Teil der Masse eines 12C-Nuklids festgelegt ist. Aus den Gln. (5) und (9) folgt für ein Mol eines idealen Gases eine weitere Beziehung für die Bestimmung der molaren Masse über die universelle und spezielle Gaskonstante: M . (8) (9) bestimmen. Dabei sind n die Stoffmenge in J mol und R 8,3145 die universelle mol K R . RS (10) Die molare Masse M von Gasen lässt sich u. a. auch aus der relativen Gasdichte D (Anhang A.12) ermitteln. Sie ist definiert als das Verhältnis der Gasdichte U zur Dichte trockener Luft UL bei gleichen Zustandsgrößen T und p: D Die SI-Einheit Mol für die Stoffmenge ist im Abschnitt 1.1 (Einführung) definiert. Das Volumen für ein Mol eines idealen Gases lässt sich mit der allgemeinen Zustandsgleichung pV = n RT Gaskonstante. Unter Normbedingungen gilt: Vmol, N | 22, 414 l (1 l 103 m3 ) . U T , p . U L T , p (11) Wenn man annimmt, dass das zu untersuchende Gas als ideales Gas beschrieben werden kann, folgt mit Gl. (7), dass die relative Gasdichte unabhängig von der Temperatur und dem Druck ist. Für gleiche Volumina V des Gases und der Luft ergibt sich somit D m mL M . ML (12) Bezieht man die in Gl. (12) vorkommenden Massen auf das molare Volumen bei Norm- 1.1 Pyknometer 33 bedingungen Vmol,N, kann man mit Hilfe von D die molare Masse M eines Gases berechnen. Für die molare Masse von Luft gilt M L Vmol,N U L,N . Es ergibt sich daraus die Beziehung M Vmol,N U L,N D . einem sorgfältig eingeschliffenen Thermometer geschlossen werden kann. (13) S Die Werte für D und UL,N sind dem Anhang A.12 zu entnehmen. Mit dem molaren Volumen in Litern und der Dichte der Luft in Gramm pro Liter ergibt sich dann für die näherungsweise Berechnung des Betrags der molaren Masse des Gases in Gramm: M = 22,414 1,293 D | 29 D . (14) Die Masse von nahezu idealen Gasen lässt sich mit Hilfe der molaren Masse M und der Stoffmenge bestimmen. Betrachtet man n = 1 mol idealen Gases der Masse m mit der speziellen und der allgemeinen Gasgleichung (Gln. (5) und (9)), ergibt sich m M n . (15) Mit den Gln. (1), (5) und (10) folgt für die Dichte eines idealen Gases mit der molaren Masse M bei der Temperatur T und dem Druck p die Beziehung U M p . RT (16) 1.1 Pyknometer Aufgabenstellung Die Dichte eines festen Körpers soll durch die Bestimmung seiner Masse und durch die Wägung des von ihm verdrängten Wassers ermittelt werden. Das Pyknometer (Abb. M.1.1.1) ist ein im Allgemeinen doppelwandiges Glasgefäß, an das eine mit einer Strichmarke S versehene Kapillare angeschmolzen ist und das mit Abb. M.1.1.1 Pyknometer mit Thermometer und Kapillare zur Dichtebestimmung Pyknometer sind Wägegefäße mit einem sehr genau und reproduzierbar bestimmbaren Innenvolumen. Um die Dichte eines festen Körpers zu bestimmen, sind drei Wägungen vorzunehmen. In einem ersten Schritt wird die Masse m des Körpers mit dem Volumen V direkt gewogen. Die Dichte des zu untersuchenden Stoffes ist mit ȡ gekennzeichnet. Die Berücksichtigung des Auftriebs (Gl. (2)) bei dieser Wägung führt nach Gl. (4) zu m V UL § U · mR ¨1 L ¸ . © UR ¹ (17) Im zweiten Schritt wird das mit Wasser gefüllte Pyknometer (Masse m1) gewogen. Man erhält unter Berücksichtigung der Auftriebskorrektur m1 VP U L § U · mR ,1 ¨1 L ¸ , © UR ¹ (18) wobei VP das äußere Volumen des Pyknometers beschreibt. Der dritte Schritt umfasst die Wägung des mit destilliertem Wasser und mit dem zu untersuchenden Stoff gefüllten 1 Wägung und Dichte 34 Mechanik Pyknometers (Masse m2). Es gilt m2 VP U L § U mR,2 ¨1 L ¨ UR © · ¸ . ¸ ¹ (19) Zur Vereinfachung der Gl. (17) schreibt man m* § U · mR ¨ 1 L ¸ . © UR ¹ (20) Analog werden die rechten Seiten der Gln. (18) und (19) durch m1 bzw. m2 ersetzt. Es ergeben sich damit modifizierte Gleichungen, mit denen die weiteren Berechnungen durchgeführt werden: m V UL m* , (17a) m1 VP U L m1 , (18a) m2 VP U L m2 . (19a) Die mit einem Stern versehenen Massen können auch als Ablesewerte einer auf den konventionellen Wägewert eingestellten elektronischen Waage betrachtet werden. Unter der Voraussetzung, dass die Temperatur des Wassers bei allen Wägungen konstant bleibt, wird die Differenz der Gleichungen (18a) und (19a) gebildet: m2* m1* m2 m1 . (21) Weiterhin gilt: m1 mP m W , m2 m P m W U WV U V . Es sind UW die Dichte des eingefüllten Wassers mit der Masse mW und mP die Masse des leeren Pyknometers. Damit erhält man: m2* m1* (U UW ) V . (22) m ( U U L )V . Aus Gl. (24) folgt U m U W m2 m1 U L m m2 m1 . (25) Das in Abb. M.1.1.1 dargestellte Pyknometer kann auch zur Bestimmung der Dichte UFl einer Flüssigkeit verwendet werden. In diesem Falle ermittelt man die Massen des mit Luft (m3*), des mit destilliertem Wasser (m1*) und des mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllten Pyknometers (m4*). Aus den Abgleichbedingungen, die den drei Wägungen entsprechen, erhält man analog zu Herleitung von Gl. (25) die gesuchte Dichte: U Fl m 4 m3 U W U L m 1 m3 UL . (26) Ein Pyknometer, das zur Bestimmung der Luftdichte verwendet werden kann, ist ein Glaskolben mit zwei angesetzten Rohren, die sich durch Hähne gasdicht verschließen lassen. Die Dichte der Luft kann ermittelt werden, wenn man die Masse des luftgefüllten (m3*), des evakuierten (m5*) und des mit Wasser gefüllten (m1*) Pyknometers bestimmt. Analog zur Herleitung von Gl. (25) ergibt sich für die Dichte der Luft: UL m m 3 1 m5 m5 UW . (27) Versuchsausführung Aus Gl. (17a) ergibt sich: * chungssystem zur Bestimmung der unbekannten Größen ȡ und V. Umstellen nach V und Gleichsetzen führt zu Gl. (24), die die gesuchte Dichte ȡ des festen Körpers enthält: U UW U UL (24) . m2* m1* m* (23) Die Gln. (22) und (23) bilden ein Glei- Zunächst erfolgt die Bestimmung der Masse m* des zu untersuchenden festen Körpers, der aus einer ausreichend großen Anzahl 1.2 Auftriebsverfahren 35 kleiner Probestücke besteht. Danach wird das Pyknometer mit destilliertem Wasser gefüllt, wobei darauf zu achten ist, dass sich vor dem Einsetzen des Thermometers keine Luftblasen im Inneren des Glasgefäßes befinden. Der Wasserspiegel in der Kapillare soll oberhalb der Marke S liegen. Nach einigen Minuten hat das Wasser die Gleichgewichtstemperatur -1 angenommen. Diese ist zu notieren. Das Wasser, das sich in der Kapillare oberhalb der Marke S befindet, wird vorsichtig mit Zellstoff oder Fließpapier abgesaugt. Die folgende Wägung, vor der das Pyknometer sorgfältig abzutrocknen ist, liefert m1*. Anschließend werden alle Probenstücke mit Hilfe einer Pinzette in das Pyknometer eingebracht. Es ist wieder darauf zu achten, dass vor dem Einsetzen des Thermometers alle Luftblasen aus dem Wasser entwichen sind. Nun ist so lange zu warten, bis die Temperatur im Inneren des gut abgetrockneten und bis zur Marke S gefüllten Pyknometers mit -1 übereinstimmt. Danach erfolgt die Bestimmung der Masse m2*. Die Dichte des Wassers bei der Temperatur -1 ist Anhang A.9 zu entnehmen und die der Luft bei Zimmertemperatur und herrschendem Luftdruck mit Hilfe von Gl. (7) aus der Dichte bei Normbedingungen auf zwei Stellen genau zu berechnen. Die gesuchte Dichte U des festen Stoffes erhält man dann mit Gl. (25). Die Wägungen führen zu fehlerhaften Ergebnissen, wenn sich Luftblasen im Inneren oder Wassertropfen am äußeren Umfang des Pyknometers befinden. Außerdem können Abweichungen auftreten, wenn die Temperatur -1 im Inneren des nur mit Wasser gefüllten Pyknometers von der Temperatur -2 des mit Wasser und mit dem zu untersuchenden Körper gefüllten Pyknometers abweicht. Nimmt man das Volumen V und das innere Volumen des Gefäßes Vi als konstant an, tritt an die Stelle der Gl. (22) m 2* m1* ( U U W ( - 2 )) V [ U W (-1 ) - U W (- 2 )] V i . (28) Der Term Vi ¬ª U W -1 U W -2 ¼º beschreibt eine Masse. Mit Vi = 50 cm3, -2 = 20 °C und '- = 1 K beträgt diese 10-2 g, während die aus den Wägungen resultierende Messunsicherheit von m2* m1* bei Verwendung einer elektronischen Laborwaage kleiner gehalten werden kann. Man muss sich daher im Experiment bemühen, dass die Differenz '- so klein wie nur möglich wird. Außerdem ist diese Überlegung bei der Abschätzung der Messunsicherheit zu beachten. Zweckmäßigerweise sollten sich alle für den Versuch benötigten Medien und Geräte ausreichend lange vor Versuchsbeginn im Experimentierraum befinden. 1.2 Auftriebsverfahren Aufgabenstellung 1. Die Dichten verschiedener Flüssigkeiten und eines fester Körpers sollen mit der MohrWestphal-Waage bestimmt werden. 2. Mit Hilfe einer elektronischen Laborwaage sind die Auftriebskräfte auf verschiedene Körper zu messen und deren Dichten zu ermitteln. Bei Aufgabe 1 wird eine Mohr-WestphalWaage verwendet. Diese ist eine ungleicharmige Hebelwaage. Der längere Hebelarm ist durch Kerben in Zehntel seiner Länge l geteilt. Am Ende befindet sich ein Haken, an den ein Senkkörper gehängt werden kann. Der andere Hebelarm endet in einem Metallzylinder, der mit einem Dorn versehen ist. Bei abgeglichener Waage steht die Spitze des Dorns der Spitze eines zweiten Dorns gegenüber, der am Stativ der Waage befestigt ist (Abb. M.1.2.1). Als Wägestücke dienen Reiter verschiedener Größe, deren Massen sich wie 1 : 0,1 : 0,01 verhalten. Die Masse des größten Reiters mR ist durch die Dichte des Wassers UW und das Volumen VS des Senkkörpers festgelegt. Sie wird so bemessen, dass der in Kerbe 10 aufgesetz- 1 Wägung und Dichte 36 Mechanik te Reiter die Auftriebskraft (Gl. (2)) kompensiert, die der vollständig eingetauchte Senkkörper im Wasser erfährt. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Gegengewicht Reiter Drehpunkt Senkkörper Abb. M.1.2.1 Abgeglichene Mohr-WestphalWaage Die Dichte von Wasser ist temperaturabhängig. Bei einer Temperatur von 4 °C erreicht die Dichte ein Maximum mit einem Wert von 999,97 kg m-3 (Anhang A.9). Legt man für die Dichte des Wassers UW = 1000 kg m-3 fest, ergibt sich für ein Volumen des Senkkörpers von 510-6 m3 eine verdrängte Wassermasse von 510-3 kg. Verwendet man statt Wasser eine Flüssigkeit mit der Dichte von 700 kg m-3, muss der größte Reiter in Kerbe 7 aufgelegt werden, um den Auftrieb am Senkkörper zu kompensieren. Über die Positionen der aufgelegten Reiter lässt sich somit in einem bestimmten Temperaturbereich eine näherungsweise Bestimmung der Dichte der Flüssigkeit vornehmen. Beispiel: Bei der Lage des größten Reiters in Kerbe 10, also bei der Länge (10 / 10 ) l des Hebelarms der Länge l, beträgt die Dichte der Flüssigkeit 1000 kg m-3, bei der Lage des Reiters in Kerbe 7, was (7 / 10 ) l entspricht, hat die Flüssigkeit eine Dichte von 700 kg m-3. Sind ein großer Reiter auf Kerbe 8, ein mittlerer Reiter auf Kerbe 1 und ein kleiner Reiter auf Kerbe 2 positioniert, beträgt die Dichte 812 kg m-3. Das eben beschriebene Verfahren zur Dichtebestimmung geht davon aus, dass der Wert der Dichte des Wassers nahe am angenom- menen Wert von 1000 kg m-3 liegt und sich das Volumen des Senkkörpers im Temperaturbereich der Messung kaum ändert. Die Dichte des Wassers ist aber immer kleiner als der angenommene Wert. Das im Folgenden beschriebene Verfahren lässt sich für eine genauere Dichtebestimmung verwenden. Das Verhältnis der Dichte der Flüssigkeit zur Dichte des Wassers ist gleich dem Verhältnis der Drehmomente, die durch entsprechend aufgesetzte Reiter hervorgerufen werden. Des Weiteren müssen noch der Auftrieb, den die Reiter in Luft erfahren, und die Auftriebskräfte auf den Befestigungsdraht berücksichtigt werden. Die Waage wird so justiert, dass sie bei Belastung mit dem Senkkörper (Masse mS, Volumen VS) abgeglichen ist. Die Drehmomente Mk und Ml am kurzen und am langen Hebelarm sind betragsgleich. Am Haken des längeren Hebelarmes greift das Gewicht des Senkkörpers und des Befestigungsdrahtes (Masse mD, Volumen VD) vermindert um den Luftauftrieb an. Bezeichnet man die Dichte der Luft mit UL und die Fallbeschleunigung mit g, ergibt sich für den Betrag des resultierenden Drehmoments am langen Hebelarm: Ml (mS mD VS VD U L ) g l . (29) Der Senkkörper ist nun völlig und der Befestigungsdraht mit 1/n seiner Länge in das Wasser eingetaucht. Die Waage befindet sich durch die auf den längeren Hebelarm aufgesetzten Reiter im Gleichgewicht. Es gilt: 1 · § ( mS mD ¨ VS VD ¸ U W n ¹ © § 1· ¨1 ¸ VD U L ) g l M R,W . © n¹ M l,W (30) Dabei umfasst der erste Term den Betrag des durch den Senkkörper und Draht hervorgerufenen Drehmoments, wobei die entsprechenden Auftriebskorrekturen für die Teile im Wasser und in der Luft berücksichtigt sind. MR,W ist der Betrag des durch Auflegen der 1.2 Auftriebsverfahren 37 Reiter in die Kerben des Hebelarms hervorgerufenen resultierenden Drehmoments. Der Senkkörper hängt nun in einer Flüssigkeit der Dichte UF. Nach dem Abgleich der Waage mit Reitern soll der Befestigungsdraht genau so tief in die Flüssigkeit wie zuvor in das Wasser tauchen. Analog zu Gl. (30) ergibt sich 1 · § (mS mD ¨ VS VD ¸ U F n ¹ © § 1· ¨1 ¸ VD U L ) g l M R,F . © n¹ M l,F (31) Zieht man Gl. (29) von Gl. (31) bzw. Gl. (30) ab, erhält man M R,F M R,W 1 § · ¨ VS VD ¸ ( U F - U L ) g l , n © ¹ (32) § · 1 VD ¸ ( U W U L ) g l . (33) ¨ VS ¨ ¸ n © ¹ Nach der Division von Gl. (32) durch Gl. (33), folgt UF UL UW UL UF M R,F M R,W M R,F M R,W (34) bzw. U W (1 M R,F M R,W ) UL . (35) In Gl. (35) geht nur das Verhältnis der Drehmomente durch die in die Kerben aufgesetzten Reiter zur Einstellung des Gleichgewichts ein. Bezeichnet man die Dichte der Reiter mit UR und die Masse des größten Reiters mit mR, ergibt sich für den Betrag des entsprechenden Drehmoments: 10 m i i ª 10 a m bi ,M R ¦ ¦ i ,M R « 10 i 1 10 10 ¬i 1 (36) 10 mR i º § U L · ¦ ci ,M ¨1 ¸gl . 100 10 »¼ © U R ¹ i 1 M R,M Dabei steht der Index M für das verwendete Medium und ist bei der Versuchsflüssigkeit durch den Index F und bei Wasser durch den Index W zu ersetzen. Der Index i entspricht der jeweiligen Nummer der Kerbe, in der der Reiter sitzt. Die äquidistanten Kerben werden vom Drehpunkt aus gezählt. Die Koeffizienten ai,M, bi,M und ci,M geben an, wie viele große, mittlere und kleine Reiter sich in der i-ten Kerbe befinden. Durch den Term in der zweiten Klammer wird der Luftauftrieb an den Reitern berücksichtigt. Das Verhältnis der Beträge der durch die Versuchsflüssigkeit und das Wasser verursachten Drehmomente ist dann 10 M R,F M R,W ¦ (ia i ,F i 1 10 ¦ (ia i ,W i 1 bi ,F c i i ,F ) 10 100 . bi ,W ci ,W i i ) 10 100 i (37) Beispiel: Beim Versuch mit Wasser (- = 16 °C) ist die Waage durch einen großen, einen mittleren und einen kleinen Reiter, die sich alle bei Kerbe 9 befinden, abgeglichen. Somit gilt a9,W = b9,W = c9,W = 1, alle anderen Koeffizienten sind gleich null. Beim Abgleich der Waage mit dem in der Versuchsflüssigkeit eingetauchten Senkkörper liegt ein großer Reiter in Kerbe 7, der mittlere Reiter ist bei Kerbe 8 angebracht und der kleine Reiter ist bei Kerbe 6. Damit sind a7,F = b8,F = c6,F. Die anderen Koeffizienten sind gleich null. Es folgt M R,F M R,W 7 0,8 0.06 9 0,9 0, 09 7,86 9,99 0, 787 . Nach Gl. (35) mit UW = 998,9 kg m-3 und bei Vernachlässigung des Luftauftriebs erhält man für die Dichte den Wert U F 786 kg m 3 . Die Dichte einiger fester Körper lässt sich mit der Schwebemethode bestimmen. Ein fester Körper schwebt in einer Flüssigkeit mit der Dichte U F , wenn die Beträge von Auftriebskraft FA und die Gewichtskraft FG des 1 Wägung und Dichte 38 Mechanik Körpers mit dem Volumen V und der Dichte U gerade gleich groß sind. Nach dem Prinzip des Archimedes ist die Auftriebskraft gleich der Gewichtskraft der vom Körper verdrängten Flüssigkeit und es ergibt sich FA U F VF g UV g FG . (38) Da der Körper beim Schweben vollständig eingetaucht ist, sind die Volumina V und VF gleich groß. Folglich schwebt ein Körper genau dann in einer Flüssigkeit, wenn ihre Dichte mit der des Körpers übereinstimmt. Die Bestimmung der Dichte einer solchen Flüssigkeit ist also zugleich die Bestimmung der Dichte des festen Körpers. Die Schwebemethode ist immer dann zu empfehlen, wenn die Dichte des zu untersuchenden Körpers klein ist (z. B. Kunststoffe). Die Dichte U der bei Aufgabe 2 zu untersuchenden Körper ist größer als die Dichte der verwendeten Flüssigkeiten. Ihre Dichte lässt sich mit Hilfe des Prinzips von Archimedes über die Messung der Auftriebskraft ermitteln. Der Versuchsaufbau ist in Abb. M.1.2.2 dargestellt. Der Betrag der Auftriebskraft FA am Körper wird nach dem Wechselwirkungsgesetz nach Newton (actio gleich reactio) durch die Reaktionskraft FAR auf die Flüssigkeit über die Waage erfasst. Er entspricht dem Betrag der Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeit mit der Dichte UF. Da der Körper vollständig eingetaucht ist, gilt nach Gl. (2) FA U F V g , m das Volumen und m die Masse wobei V U des Körpers ist. Es folgt U mg UF . FA (39) Genauere Betrachtungen (Berücksichtigung § U · des Luftauftriebs) mit m* m ¨1 L ¸ (siehe U ¹ © Gln. (17), (17a)) und der Auftriebskorrektur 1 VD g U F (siehe Gl. (30)) führen zu n FA U FA m* g U§ UL · ¨1 U ¸ © ¹ 1 n (40) UL . (41) U F VD g U F , m* g § FA 1 · VD g ¸ ¨ U n © F ¹ Mit FA mA* g (von weiteren Korrekturen wird abgesehen) folgt mit guter Genauigkeit: 12,34g FAR Abb. M.1.2.2 Versuchsaufbau mit elektronischer Laborwaage zur Messung der Dichte mittels Auftriebsmethode Für die vereinfachte Darstellung der Methode werden zunächst der Luftauftrieb und die durch die Aufhängung verursachte Verdrängung der Flüssigkeit vernachlässigt. U m* § mA 1 · VD ¸ ¨ © UF n ¹ * UL . (42) Versuchsausführung Für die Bestimmung der Dichte einer Flüssigkeit bei Aufgabe 1 wird der Senkkörper an einen Haken gehängt und die Waage justiert, bis diese sich im Gleichgewicht befindet. 1.3 Resonanzverfahren Anschließend wird der Senkkörper vollständig in Wasser getaucht und die Waage durch Aufsetzen von Reitern erneut abgeglichen. Anzahl und Art der Reiter und ihre Positionen (Nummer der Kerbe) werden protokolliert. Mit einem Thermometer misst man die Wassertemperatur. Danach ist der Senkkörper abzutrocknen, in die zu untersuchende Flüssigkeit zu hängen und erneut die Waage abzugleichen. Die Temperatur der Flüssigkeit sowie Art, Anzahl und Position der Reiter sind wieder zu erfassen. Man berechnet die gesuchte Dichte mit Gl. (35) unter Einbeziehung Gl. (37), wobei der benötigte Wert der Dichte von Wasser bei der Versuchstemperatur dem Anhang A.9 entnommen werden kann. Es ist zu überprüfen, ob der der zweite Summand in Gl. (35) vernachlässigt werden kann. Falls das nicht möglich ist, muss der Korrekturwert für den Luftauftrieb berücksichtigt werden. Die Dichte der Luft ist mit Hilfe von Gl. (7) zu ermitteln, wobei der atmosphärische Luftdruck mit einem Barometer ermittelt wird. Zur Bestimmung der Dichte des festen Körpers mit kleiner Dichte ist eine Flüssigkeitsmischung bzw. eine Kochsalzlösung herzustellen, in der der zu untersuchende Körper schwebt. Dazu benötigt man zwei mischbare Flüssigkeiten. Die Dichte der einen Flüssigkeit muss größer, die der anderen kleiner als die Dichte des festen Körpers sein. Die Herstellung einer homogenen Mischung, in der der feste Körper exakt schwebt, erfordert einige Zeit und Mühe. Man kommt im Allgemeinen schneller zum Ziel, wenn man zunächst eine Mischung anfertigt, in der der Körper mit sehr geringer Geschwindigkeit sinkt, und anschließend eine Mischung, in der der Körper etwa mit gleicher Geschwindigkeit steigt. Die Dichte des festen Körpers ist dann in guter Näherung gleich dem arithmetischen Mittel der beiden Flüssigkeitsdichten. Die Dichte dieser Flüssigkeiten wird anschließend mit der Mohr-Westphal-Waage bestimmt. 39 Bei Aufgabe 2 wird zunächst der Wert der Größe m* durch Auflegen des Körpers auf die elektronische Waage ermittelt. Anschließend wird ein mit destilliertem Wasser gefülltes Glas auf die Waage gestellt. Falls die Möglichkeit besteht, sollte der Anzeigewert durch Drücken der Taste „Tara“ auf null gestellt werden. Der am Haltedraht befestigte Körper wird dann vollständig in das Wasser eingetaucht (Abb. M.1.2.2) und an der Anzeige ist der Differenzwert mA* abzulesen. Dann lässt sich die Dichte des Körpers mit Gl. (42) berechnen. Die Dichte der Luft wird unter Verwendung von Gl. (7) bestimmt. 1.3 Resonanzverfahren Weitere Verfahren für die Bestimmung der Dichte sind Resonanzverfahren. Diese kommen ohne Wägung und Volumenbestimmung aus und können auch bei kleinen Substanzmengen eingesetzt werden. Es wird die Tatsache genutzt, dass die Eigenfrequenz eines mechanischen Schwingers von seiner Masse abhängt. Das Medium der Dichte U befindet sich in einem Hohlraum mit dem Messvolumen V im Inneren des Schwingers, der das Messgefäß ist. Für die folgenden Betrachtungen soll sich der Schwinger mit Messgefäß als linearer Federschwinger mit der Masse m m0 U V und der Federkonstanten c beschreiben lassen. Die Masse des Schwingers ohne Medium ist m0. Für die Eigenfrequenz f0 des Federschwingers ohne Messmedium gilt nach M.3.2.2 f0 1 2ʌ c . m0 (43) Infolge des mitschwingenden Messmediums ergibt sich die Frequenz f 1 2ʌ c . m0 U V (44) 1 Wägung und Dichte 40 Mechanik Sind Federkonstante, Masse und Messvolumen des Schwingers bekannt, ist die Dichte des Messmediums mit Gl. (44) bestimmbar. Dividiert man Gl. (43) durch Gl. (44), erhält man den folgenden Zusammenhang zwischen Dichte und Frequenz: U m0 f 02 1 m0 . V f2 V (45) Als schwingende Elemente für die Dichtebestimmung von Flüssigkeiten werden meist U-förmig gebogene Hohlrohre verwendet, die zu Schwingungen angeregt werden (Versuch M.1.3.1). Das schwingende System kann aber auch vom Messmedium umgeben sein. Dies nutzt man bei der Dichtebestimmung von Gasen (Versuch M.1.3.2). 1.3.1 Schwingrohr das elektromagnetische Erregersystem (E). Die Schwingungsaufnahme wird über einen elektromagnetischen Wandler (A) realisiert. Nach Verstärkung und Amplitudenbegrenzung wird das Signal einem elektromagnetischen Erregersystem (E) an der Stimmgabel zugeführt (Rückkopplung), um eine stabile Schwingung mit konstanter Amplitude zu erhalten. Bereits kleinste Bewegungen der Stimmgabel führen zu einem Aufschaukeln der Spannung im Erregerverstärker und damit innerhalb kürzester Zeit zu einer stabilen Schwingung. Da das an der Schwingung beteiligte Flüssigkeitsvolumen VF für den gegebenen Schwinger konstant ist, ergibt sich mit m mS mF K T2 (46) eine einfache Abhängigkeit der Schwingungsdauer T von der Flüssigkeitsdichte UFl: Aufgabenstellung Mit dem Schwingrohr ist die Dichte verschiedener Flüssigkeiten zu bestimmen. U Fl mF VF K T 2 mS VF VF (47) K1 T K 2 . 2 Im Versuch wird eine hohle Stimmgabel als Schwingrohr (Schwinggabel, Abb. M.1.3.1) verwendet. Ihre Masse m setzt sich aus der Schwingrohrmasse mS und der Flüssigkeitsmasse mF zusammen. Schwingrohr K1 Elektronischer Zähler Erregerverstärker E Die Konstanten K1 und K2 können durch Kalibrierung mit Hilfe von zwei Flüssigkeiten bekannter Dichte U1 und U2 erhalten werden. Für K1 ergibt sich A Abb. M.1.3.1 Schema der Versuchsanordnung mit Schwingrohr, Erregerspule E, Wandlerspule A (mit Amplitudenbegrenzung) Die Anregung der Schwingung erfolgt über U1 U 2 T 2 1 T22 . (48) Damit folgt unmittelbar für die Dichte ȡ einer unbekannten Flüssigkeit U K1 T 2 TR2 U R . (49) TR und UR sind Werte einer Referenzflüssigkeit. Die bei der Herleitung von Gl. (49) gemachte Annahme einer linearen Schwingung ist insbesondere für niedrigviskose Flüssigkeiten erfüllt. Im Falle hochviskoser Flüssigkeiten können Scherkräfte auftreten, die nicht mit 1.3.2 Stimmgabeldichtemesser diesem vereinfachten Ansatz berücksichtigt werden können. Dann ist die Kalibrierung des Schwingrohres nur mit Flüssigkeiten bekannter Dichte und ähnlich hohen Viskositäten möglich. Versuchsausführung Nach dem Einschalten des digitalen Zählers und des Erregerverstärkers, wird die Schwinggabel mit Hilfe einer Vakuumpumpe sorgfältig ausgepumpt, um mögliche Flüssigkeitsreste zu beseitigen. Nachdem die Schwinggabel mit den Permanentmagneten an den Schwingrohren zwischen die Feldspulen (Erreger- und Wandlerspule) gebracht wurde, kann die Ausbildung stabiler Eigenschwingungen mit einem Oszilloskop kontrolliert werden. Dazu wird die am Ausgang des Erregerverstärkers liegende Spannung auf den Y-Eingang des Oszilloskops gegeben, auf dessen Schirm ein sinusförmiges Signal erscheinen muss. Um die notwendige hohe Messgenauigkeit zu erreichen, muss die Zeit für hinreichend viele Schwingungen bestimmt werden, was durch die Einstellung entsprechend großer Messzeiten erreicht werden kann. Nach dem Auspumpen bzw. Füllen des Schwingrohrs ist vor jeder neuen Messung die Einstellung des Temperaturgleichgewichts abzuwarten. Als Kontrolle werden dazu Frequenzmessungen durchgeführt. Die Schwankungen der Frequenz sollen nach der Einstellung des Temperaturgleichgewichts nicht größer als der 510-6-te Teil des mittleren Messwerts sein. Wenn das nach einigen Minuten nicht der Fall ist, sind die Messungen trotzdem zu beginnen. Dann muss diese systematische Abweichung bei der Ermittlung der Messunsicherheit diskutiert werden. Die Schwingrohrkonstante K1 wird nach Gl. (48) mit Hilfe von zwei Referenzflüssigkeiten mit bekannten Dichten (U1, U2) ermittelt. Die Temperaturabhängigkeit der Dichte der Referenzflüssigkeiten wird am Arbeitsplatz gegeben. 41 1.3.2 Stimmgabeldichtemesser Aufgabenstellung Mit einem Stimmgabeldichtemesser sind die Druckabhängigkeit der Dichte, die relativen Gasdichten und die molare Masse von zwei verschieden Gasen zu bestimmen. Das Gas wird in eine Messkammer eingeleitet, in der sich eine Stimmgabel befindet, die zum Schwingen angeregt wird (Abb. M.1.3.2). Die Zinken einer Stimmgabel führen Biegeschwingungen aus, die sich allgemein mit der Beziehung aus M.4.0 beschreiben lassen: fn mn 2 2 ʌ l2 E IK U0 A . (50) Dabei sind mn der entsprechende Parameter für die n-te angeregte Ordnung, IȘ das Flächenträgheitsmoment, A die Querschnittsfläche und b die Zinkenbreite. Die Größen a und l kennzeichnen Zinkenstärke und Zinkenlänge. Die Größen U0 und E stehen für Materialdichte und Elastizitätsmodul der Zinken. Mit IK (1/12) b a 3 (Anhang A.14), A a b und m1 = 1,875 gilt für die Frequenz der Grundschwingung (n = 1, f0 = f1) einer Stimmgabel f0 k a l2 E U0 . (51) k bezeichnet eine Konstante, die sich aus den obigen Größen ergibt. Für die Messung wird die Tatsache genutzt, dass die Eigenfrequenz einer Stimmgabel von der Dichte U des sie umgebenden Gases abhängt. Dieser Sachverhalt lässt sich mit der folgenden Beziehung gut beschreiben: f k a l2 E . U0 U (52) Der Ansatz von Gl. (52) geschieht unter der 1 Wägung und Dichte 42 Mechanik Annahme, dass etwa ein Gasvolumen in der Größenordnung des Volumens der schwingenden Gabelzinken mitschwingt. Die Division der Gl. (51) durch Gl. (52) führt zu f0 f U0 U . U0 (53) Damit folgt für die Dichte des Gases U § f 02 · 1¸ . 2 ©f ¹ U0 ¨ (54) tätsmodul hängen von der Temperatur ab. Mit einer speziellen Eisen-Nickel-ChromLegierung (10 % Cr und 36 % Ni) kann man bei einer maximalen Temperaturänderung von 0,1 K die relativen Abweichungen auf weniger als 10-6 verringern und somit eine hohe Frequenzgenauigkeit erreichen. An der Stimmgabel sind für die Schwingungsanregung zusätzlich noch Magnete an den Enden der Zinken sowie Bleche zur Verstärkung des Effekts angebracht und die Berechnung der Eigenfrequenz nach Gl. (51) ist nicht möglich. Bei der Ausführung des Versuches ist es daher zweckmäßig, Gl. (54) zu modifizieren: Versuchsausführung Die Abb. M.1.3.2 zeigt das Schema der Versuchsanordnung. Die Aufgaben des elektronischen Teils der Messanordnung umfassen die Anregung erzwungener Schwingungen der Stimmgabel (Erregerverstärker V, Erregerspule S2 und Wandlerspule S1), die Präzisionsmessung der Schwingungsfrequenz (Digitalzähler Z) und die digitale Messwerterfassung von Temperatur (Temperatursensor TS mit Anzeigeeinheit TA) und Druck (Drucksensor DS mit Anzeigeeinheit DA). U A 1 B . f2 (55) Die Bestimmung der Konstanten A und B erfolgt dann durch Messungen der Frequenz mit Luft bei verschiedenen Gasdrücken im Messraum und anschließender linearer Regression (Abb. M.1.3.3), wobei man die Dichte mit Gl. (7) berechnet. ρ / kg m-3 1,2 TA ϑ H1 Z Hz TS T 0,8 H2 VP V EV S1 RV 0,4 S2 p H3 FV DS DA hPa GF Abb. M.1.3.2 Schema der Versuchsanordnung Da die Dichte des Gases klein gegen die Materialdichte der Stimmgabel ist, sind die Frequenzunterschiede klein. Das erfordert eine hohe Genauigkeit bezüglich der Frequenzmessung. Die Größen Zinkenstärke, Zinkenlänge, Materialdichte und Elastizi- 0,0 8,481·10-6 8,482·10-6 8,483·10-6 1/ f 2 / Hz-2 Abb. M.1.3.3 Zur Bestimmung der Konstanten A und B nach Gl. (55) mit Ausgleichsgerade Unter der Voraussetzung, dass die Temperaturen und Gasdrücke für Luft und das zu untersuchende Gas gleich groß sind, kann die Bestimmung der relativen Gasdichte direkt mit Gl. (11) erfolgen. Die molare Masse M der Gase ergibt sich nach Gl. (16). Trägt man die Dichte des Gases über dem Druck graphisch auf, kann die 2.0 Grundlagen 43 molare Masse M aus dem Anstieg (d U / d p ) der Ausgleichsgeraden bestimmt werden: M § dU · RT ¨ ¸ . ©dp¹ (56) Die Anlage ist zu Beginn der Messung mit einer Vakuumpumpe zu evakuieren, um Restgase aus vorherigen Messungen zu entfernen. Dazu sind die Hähne H1 und H3 geschlossen zu halten. Nach dem Evakuieren sind Hahn H2 zu schließen und die Vakuumpumpe abzuschalten. Für die Messung mit Luft kann über Hahn H1 nun Luft bis zum gewünschten Druck eingelassen werden. Bei der Messung mit dem Versuchsgas bleiben das Einstell-( EV) und das Reduzierventil (RV) zunächst geschlossen. Das Flaschenventil (FV) an der Druckgasflasche (GF) wird um eine viertel Umdrehung geöffnet. Durch Öffnen des Reduzierventils wird ein geringer Überdruck eingestellt. Anschließend ist die Schlauchverbindung zwischen dem Einstellventil und dem Hahn H3 herzustellen. Zum Durchspülen der Anlage wird über den Hahn H3 bei geöffnetem Hahn H1 das Versuchsgas durch Öffnen des Einstellventils EV in die Anlage geleitet. Der Hahn H2 ist dabei geschlossen. Der Spülvorgang wird beendet, indem man zuerst das Flaschenventil und nach Abbau des Überdrucks anschließend die Hähne H1 und H3 sowie Einstell- und Reduzierventil schließt. Durch diese Maßnahmen erreicht man, dass der Druck des Versuchsgases in der Anlage dem äußeren Luftdruck entspricht. Soll die Messung bei niedrigerem Druck erfolgen, lässt sich mit der Vakuumpumpe VP nach vorheriger Öffnung von Hahn H2 ein Teil des Versuchsgases aus dem Messraum auspumpen. Dies ist mit dem Druckmessgerät zu kontrollieren. Nach Schließen des Hahns H2 kann mit der Messung beim eingestellten Druck begonnen werden. Nach Abschluss der Messungen ist die gesamte Anlage durch Öffnen der Hähne H1, H2 und H3 zu belüften. 2 Schwingungen 2.0 Grundlagen Schwingungen sind zeitlich periodische Vorgänge. Das einfachste Beispiel ist der lineare harmonische Oszillator (Federschwinger), andere, im Rahmen dieses Buches behandelte mechanische Systeme sind das mathematische und das physikalische Pendel, der Drehtisch, das Torsionspendel sowie das Drehpendel. 2.0.1 Bewegungsgleichungen Bei einer mechanischen Schwingung finden Energieumwandlungen von potentieller in kinetische Energie statt. Bei vernachlässigbarer Reibung bleibt dabei die Amplitude der Schwingung konstant (ungedämpfte Schwingung) und es gilt die Bewegungsgleichung m d2 x cx 0 d t2 (1) bzw. d2 x Z02 x 0 dt2 (1a) mit der Eigenkreisfrequenz (Kennkreisfrequenz) der ungedämpften Schwingung Z0 c . m (2) In Gl. (2) bezeichnet m die Masse des schwingenden Systems und c die Federkonstante. Die momentane Auslenkung (Elongation x(t)) ergibt sich als Lösung von Gl. (1a): x t xˆ cos Z0 t M 0 (3) mit der Amplitude x̂ . In Gl. (3) ist M0 der Phasenwinkel zur Zeit t = 0. In analoger Weise stellt auch die entsprechende Sinusfunktion eine Lösung der Differentialglei- 2 Schwingungen 44 Mechanik chung (1a) dar. Bei nicht vernachlässigbarer Reibung wird die Schwingungsenergie zunehmend in Wärme umgewandelt. Für die dann gedämpfte Schwingung lautet die Bewegungsgleichung m d2 x dx r cx 0 dt 2 dt (4) mit der Reibungskonstante r . Unter Berücksichtigung von Gl. (2) und durch Einführung der Abkling- bzw. Dämpfungskonstante G = r / 2m erhält man d2 x dx 2G Z02 x 0 . 2 dt dt (4a) Eine Lösung der Gl. (4a) nach Anhang A.2.2 ist x t xˆ e G t cos Z t M0 . (5) Dabei ist Z = Zd die Kreisfrequenz der gedämpften Schwingung: Zd Z02 G 2 . (6) Bei sehr großer Dämpfung ( G 2 !! Z02 ) kommt keine Schwingung zustande. Der Körper kehrt nach der Anfangsauslenkung langsam in die Ruhelage zurück (Kriechfall). Wirkt auf ein schwingungsfähiges System mit der Eigenkreisfrequenz Z0 eine äußere periodische Kraft F F0 cos Z t , werden erzwungene Schwingungen beobachtet. In diesem Fall lautet die Bewegungsgleichung m d2 x dx r c x dt2 dt F0 cos Z t , d2 x dx 2G Z02 x dt2 dt (7) F0 cos Z t . m (7a) Eine Lösung dieser Gleichung (A.2.2) lautet x t F0 m cos Z t T Z 2 0 Z 2 2 4G Z 2 . 2 (8) Die Größe T ist die Phasenverschiebung zwischen der erzwungenen Schwingung und der Erregerschwingung. Nach dem Einschwingvorgang wird das schwach gedämpfte, schwingungsfähige System mit der vom Erreger erzwungenen Frequenz schwingen und die entsprechende Eigenkreisfrequenz ist Zr Z 02 2 G 2 . (9) Hat die Kosinusfunktion in Gl. (8) den Wert eins; ergibt sich die frequenzabhängige Amplitude A(Z). Diese wird durch den Betrag der Erregerkraft, die Differenz zwischen den Frequenzen Z und Z0 sowie die Dämpfungskonstante bestimmt, so dass gilt: A(Z ) F0 m 1 Z 2 0 Z 2 (2G Z ) 2 2 . (10) In den folgenden Beispielen (außer Drehpendel, M.2.3) werden nur Systeme mit vernachlässigbarer Dämpfung betrachtet. Ein physikalisches Pendel (Abb. M.2.0.1) ist ein starrer Körper mit einer fest vorgegebenen Drehachse (A), die nicht durch den Massenmittelpunkt des Körpers geht. Nach einer Auslenkung führt das Pendel unter dem Einfluss der Schwerkraft Schwingungen um seine Ruhelage aus. In den folgenden Überlegungen wird vorausgesetzt, dass die Reibung im Achsenlager vernachlässigbar klein ist. Der senkrechte Abstand des Massenmittelpunkts (S) eines Körpers (K) von der Drehachse (A) soll mit sA bezeichnet werden (Abb. M.2.0.1). Ein beliebiges Massenelement dm habe den senkrechten Abstand r von der Drehachse. Zwischen r und sA sei der konstante Winkel D. Bildet sA mit der Vertikalen den Winkel M, lautet die Bewegungsgleichung für das Massenelement dm r d 2M dt2 dm g sin D M . (11) 2.0 Grundlagen 45 Durch Multiplikation von Gl. (11) mit dem Kraftarm r und Integration über den gesamten Körper erhält man die Gleichung für das resultierende Drehmoment d 2M 2 ³ dt 2 r dm g K³ r sin D M dm . (11a) K wobei m die Masse des Pendels ist. Mit den Gln. (12) und (13) folgt aus Gl. (11a) die Bewegungsgleichung des physikalischen Pendels d 2M dt2 DA K A sA r α ϕ ) ϕ α+ dm in( S dm sB gs ml dm g B d 2M dt2 Abb. M.2.0.1 Physikalisches Pendel Da der Körper starr sein soll, ist die Winkelbeschleunigung d 2M / d t 2 für alle Massenelemente gleich und kann vor das Integral geschrieben werden. Die Größe 2 (12) dm K ist das Trägheitsmoment des Körpers in Bezug auf die Drehachse. Die Einheit des Trägheitsmomentes ist kg m2. Nach der Definition des Massenmittelpunkts gilt ³ r sin D M d m ³ x d m K K m xS (14) m sA sin M , m sA g (15) hat die Dimension eines Drehmoments und wird als Direktions- oder Richtmoment des Pendels bezeichnet. Das mathematische Pendel stellt eine Idealisierung dar. Man denkt sich die gesamte Masse im Massenmittelpunkt vereinigt und sieht die Bindung an die Drehachse als „masselos“ an. Dieser Idealisierung entspricht näherungsweise das Fadenpendel, das aus einer Metallkugel besteht, die an einem dünnen Faden der Länge l aufgehängt ist. Die Bewegungsgleichung des mathematischen Pendels lautet x xS x ³r m sA g sin M . IA Die Größe y IA (13) d 2M dt 2 m g sin M g sin M . l bzw. (16) Die Gln. (14) und (16), deren Lösung elementar nicht möglich ist, vereinfachen sich für kleine Auslenkungen M 5 q : d 2M dt2 d 2M dt 2 g M. l m sA g M, IA (14a) (16a) In den Gln. (14a) und (16a) wurde der Sinus durch das Argument ersetzt. [Die bisherigen Betrachtungen gelten nur für Bewegungen im Vakuum. Schwingt das Pendel in Luft (Dichte UL), ist der Auftrieb (Gl. (M.1-2)) zu 2 Schwingungen 46 Mechanik berücksichtigen. Die rücktreibende Kraft auf ein Massenelement hat dann den Betrag § UL · ¸ sin D M © U ¹ und an die Stelle der Gl. (11a) tritt dm g ¨ 1 d 2M 2 r dm d t2 ³ K § U · g ³ ¨1 L ¸ r sin D M dm . U ¹ K © Setzt sich das Pendel aus N homogenen Teilkörpern Ki zusammen, deren Massenmittelpunkte Si auf einer die Drehachse (A) schneidenden Geraden liegen und deren Massen bzw. Dichten mit mi bzw. Ui (i = 1, 2,..., N) bezeichnet werden sollen, ergibt sich d 2M ³ dt 2 r 2 dm K N § U g ¦ ¨1 L U i 1¨ i © · ¸ ³ r sin D M dm ¸K ¹ i oder IA d 2M d t2 N § U · g ¦ ¨1 L ¸ mi sAi sin M . (14b) Ui ¹ i 1© Hierbei ist sAi der Abstand des Massenmittelpunktes des i-ten Teilkörpers von der Drehachse. Die Berücksichtigung des Auftriebs bedeutet also in diesem Falle: Man ersetzt in Gl. (14) sowie in den daraus gewonnenen Gln. (14a) und (22) den Ausdruck m sA durch § UL ¨1 ¦ ¨ Ui i 1© N · ¸ mi sA i . ¸ ¹ (17) Haben alle Teile des Pendels die gleiche Dichte U, dann vereinfacht sich Gl. (17) zu § U · m sA ¨1 L ¸ . ] Ui ¹ © (17a) Unter einem Drehtisch versteht man einen starren Körper, der um eine vertikale Achse gedreht werden kann. Bindet man dieses System durch eine Spiralfeder an eine Ruhelage, führt es nach einer Auslenkung Schwingungen aus. Wenn die elastischen Deformationen der Feder hinreichend klein sind, kann man das rücktreibende Drehmoment der Auslenkung M proportional setzen. Bei Vernachlässigung der Reibung im Achsenlager lautet die Bewegungsgleichung d 2M dt 2 D M. I (18) Dabei ist I das Trägheitsmoment des Drehtisches um die vorgegebene Achse, und der Proportionalitätsfaktor D ist das Direktionsmoment (Richtmoment) der Feder. Ein Torsionspendel ist ein starrer Körper, der z. B. an einem Draht oder einem Band aufgehängt ist. Nach einer Verdrillung des Drahts bzw. Bands führt das Torsionspendel Drehschwingungen aus. Für sehr kleine Scherwinkel kann man annehmen (Gl. (M.3-26)), dass das rücktreibende Drehmoment der Auslenkung aus der Ruhelage proportional ist. Die Bewegung des Torsionspendels wird daher auch durch Gl. (18) beschrieben. Die Bewegungsgleichungen (14a), (16a) und (18) sind homogene Differentialgleichungen 2. Ordnung: d 2M dt2 Z 2M . (19) Die vollständige mathematische Lösung enthält zwei Integrationskonstanten (c1, c2): M c1 cos Z t c2 sin Z t , (20) die aus den Anfangsbedingungen zu bestimmen sind (Anhang A.2). Dem Versuchsbeginn entsprechen M M0 und d M / d t 0 für t 0 . Damit lautet Gl. (20) § © t · ¹ M M0 cos Z t M0 cos ¨ 2ʌ ¸ . T (20a) T ist die Schwingungsdauer bei sehr kleinen Auslenkungen bzw. bei geringen elastischen Deformationen. Wenn man die Schwingungsdauer messen will, wählt man den Augenblick als Anfang der Zeitmessung, in dem das Pendel die 2.0 Grundlagen 47 maximale Geschwindigkeit hat, d. h., es ist M 0, dM dt § dM · ¨ ¸ . © dt ¹max Dann ist M § dM · ¨ ¸ © dt ¹max Z § © sin Z t M0 sin Z t (20b) t· ¹ M0 sin ¨ 2ʌ ¸ . T Durch Einsetzen von Gl. (20a) oder (20b) in die Gln. (16a), (14a) bzw. (18) findet man für das Fadenpendel T 2ʌ l , g 2.0.2 Satz von Steiner Das Trägheitsmoment eines starren Körpers bezogen auf die Drehachse (A) ist gleich dem Trägheitsmoment bezogen auf die durch den Massenmittelpunkt gehende, zur Drehachse parallele und durch den Schwerpunkt des Körpers verlaufende Achse (S), vermehrt um das Produkt aus der Masse des Körpers und dem Quadrat des senkrechten Abstands der beiden Achsen. Zum Beweis dieses Satzes betrachtet man den in Abb. M.2.0.2 dargestellten ebenen Schnitt durch den Körper. y dm r (21) r' A für das physikalische Pendel T 2ʌ IA m sA g S 2ʌ I . D (22) (23) Die mathematische Behandlung der Gln. (14) und (16) liefert für die Schwingungsdauer ª § 1 ·2 M T c T «1 ¨ ¸ sin 2 0 2 2 © ¹ «¬ 2 º § 1 3 · 4 M0 ...» . ¨ ¸ sin 2 © 24 ¹ »¼ (24) Abb. M.2.0.2 Zum Satz von Steiner Der Ursprung des Koordinatensystems x, y, z (die z-Achse stimmt mit der Schwerpunktachse überein) soll im Massenmittelpunkt des Körpers liegen. Nach dem Kosinussatz gilt r2 r c2 sA2 2sA r c cos E r c2 sA2 2sA x . Dann ist das Trägheitsmoment des Körpers in Bezug auf die Drehachse A IA ³ r dm ³ r c dm s ³ dm 2 2 K Für T ist beim Fadenpendel Gl. (21) und beim physikalischen Pendel Gl. (22) einzusetzen. Wenn die Amplitude M0 kleiner als 0,1 (d. h. kleiner als 5q) ist, gilt in sehr guter Näherung 1 § · T c T ¨1 M 02 ¸ . © 16 ¹ x x und für den Drehtisch oder das Torsionspendel T β sA (24a) K 2 A K 2 s A ³ x dm , K und wegen ³ x dm xS m 0 erhält man K IA I S m sA2 . (25) 2 Schwingungen 48 Mechanik 2.0.3 Reduzierte Pendellänge Ein physikalisches Pendel hat die gleiche Schwingungsdauer wie ein mathematisches Pendel der Fadenlänge lA IA . m sA (26) Dabei ist die Größe lA die der Achse A entsprechende reduzierte Pendellänge. Gegeben sei ein physikalisches Pendel mit den parallelen Drehachsen A und B (Abb. M.2.0.1). Der Massenmittelpunkt soll auf der Geraden von A nach B liegen, und der Achsenabstand sei l sA sB . Es soll untersucht werden, unter welchen Bedingungen die Schwingungsdauern um diese beiden Achsen übereinstimmen. Aus TA 2ʌ IA m sA g 2ʌ TA 2ʌ IB m sB g TB lA bzw. g folgt bei Verwendung des Steiner’schen Satzes lA IB 1 m sB I S m l sA m l sA I A ml 2 2 ml sA m l sA lA 2 , mlA sA ml 2 2 ml sA m l sA oder l 2 lA 2 sA l 2 lA sA 0 (27) Die quadratische Gleichung (27) kann als l lA l 2 sA 0 (28) geschrieben werden. Ist l z 2 sA , muss l = lA sein, d. h. der Achsenabstand, bei dem die Schwingungsdauern gleich sind, ist gleich der reduzierten Pendellänge. Für l = 2 lA, d. h., der Massenmittelpunkt halbiert die Verbindungslinie der beiden Achsen, ist der Schluss l = lA jedoch falsch. 2.1 Fadenpendel Aufgabenstellung Die Schwerebeschleunigung g ist mit dem Fadenpendel zu bestimmen. Die relative Messunsicherheit des Ergebnisses soll 1 % nicht überschreiten. Eine Metallkugel hängt an einem dünnen Faden vor einer Spiegelskala mit einer Millimeterteilung. Der Nullpunkt des Maßstabs soll mit der Drehachse übereinstimmen. Die Fadenlänge l ist der Abstand der Drehachse vom Mittelpunkt der Kugel. Regt man das Pendel zu Schwingungen kleiner Amplitude an (M < 5°), liefert Gl. (21) den Zusammenhang zwischen der Schwingungsdauer T, der Fadenlänge l und der Schwerebeschleunigung g: 2 §2ʌ· g=¨ ¸ l . © T ¹ (29) Das Fadenpendel ist streng genommen ein physikalisches Pendel, das in einem materiellen Medium (Luft) schwingt. Es empfiehlt sich zu prüfen, ob die verschiedenen Vernachlässigungen tragbar sind, die man bei der Verwendung der Gleichungen für ein im Vakuum schwingendes mathematisches Pendel macht. Das Trägheitsmoment I des Pendels setzt sich additiv aus dem der Kugel IK und dem des Fadens IF zusammen. Da das Trägheitsmoment einer homogenen Kugel mit dem Radius R und der Masse mK bezogen auf eine durch den Kugelmittelpunkt gehenden Achse I 0 (2 / 5) mK R 2 ist, erhält man nach Gl. (25) 2.2 Reversionspendel 49 ª 2 § R ·2 º mK l 2 «1 ¨ ¸ » . «¬ 5 © l ¹ »¼ Das Trägheitsmoment IF des Fadens der Länge lF und der Masse mF bezogen auf die 1 mF l 2 . Damit gegebene Drehachse ist I F 3 folgt mit I I K I F und lF | l 2 mK l 2 mK R 2 5 IK I ª 2 § R · 2 1 mF º mK l «1 ¨ ¸ ». ¬« 5 © l ¹ 3 mK ¼» 2 (30) Bezeichnet man die Dichte der Kugel mit UK und die des Fadens mit UF, folgt nach Gl. (14b) I d 2M dt2 g mK l sin M (31) ª U L 1 mF § UL · º + ¨1 ¸» . «1 ¬ UK 2 mK © U F ¹ ¼ Setzt man I gemäß Gl. (30) in Gl. (31) ein und beschränkt die Betrachtungen auf sehr kleine Auslenkungen, erhält man mit 2 2 § R · 1 mF 1 ¨ ¸ 5 © l ¹ 3 mK l ªU 1 mF § U L 1 « L ¨1 ¬ U K 2 mK © U F l ·º ¸» ¹¼ g M . l 2 2 § 2ʌ · ª 2 § R · ¨ ¸ l «1 + ¨ ¸ © T ¹ «¬ 5 © l ¹ U 1 mF º L » . U K 6 mK ¼ g l1 g 1 l2 g 2 ... ln g n l1 l2 ... ln . Es ist zu prüfen, ob die Verwendung von Gl. (29) anstelle von Gl. (32) zur Bestimmung von g gerechtfertigt ist. Dazu berechnet man den Wert in den eckigen Klammern in Gl. (32) und ermittelt dessen relative Abweichung zu 1. Aufgabenstellung Für die Schwerebeschleunigung gilt daher Gl. (29) mit l* statt l. Da (R/l)2, mF/mK, UL/UK und UL/UF sehr klein gegen eins sind, sollen alle Produkte solcher Ausdrücke vernachlässigt werden. In dieser Näherung ist g Die Länge l des Fadenpendels ermittelt man aus der Länge des Fadens lF und dem Radius R der Kugel : l = lF + R. Beide Größen lassen sich mit hinreichender Genauigkeit mit mechanischen Messmitteln bestimmen. Zur Messung der Schwingungsdauer T werden eine Lichtschrankenanordnung und ein Digitalzähler verwendet. Bei manueller Zeitmessung mit einer elektronischen Stoppuhr misst man mehrmals die Zeit für eine größere Anzahl von Schwingungen. Der Versuch ist bei verschiedenen Fadenlängen (li, i = 1, …, n) zu wiederholen. Die Berechnung von g erfolgt mit Hilfe von Gl. (29). Da die Messungen bei großen Fadenlängen genauer als die bei kleinen sind, bestimmt man den gewichteten Mittelwert 2.2 Reversionspendel die Differentialgleichung d 2M dt2 Versuchsausführung (32) 1. Die Schwerebeschleunigung g ist mit dem Reversionspendel zu bestimmen. Die relative Messunsicherheit von g soll kleiner als 0,1 % sein. 2. Die Abhängigkeit der Schwingungsdauer T c vom Auslenkwinkel M0 ist mit dem Reversionspendel bei einer festen Lage des Laufgewichts experimentell zu ermitteln, um die Gültigkeit von Gl. (24a) nachzuweisen. Das Reversionspendel besteht im Allgemeinen aus einem Metallstab, der um zwei parallele Achsen A und B gedreht werden kann. Die Achsen haben den fest vorgegebenen Abstand l (Abb. M.2.2.1). Zwischen den 2 Schwingungen 50 Mechanik y K A (33) S0 S TA TB T, l Dabei soll mit sA der Abstand des Massenmittelpunkts S des Pendels von der Drehachse A bezeichnet werden. Wenn bei einer bestimmten Stellung x des Laufgewichts die Schwingungsdauer um die Achse A gleich der um die Achse B ist, entspricht der Achsenabstand l der reduzierten Pendellänge. Setzt man x 0 sA l / 2 . Eine analoge Beziehung gilt für die tatsächliche Schwingungsdauer um die Achse B. Im Experiment wird TA* TB* T * bestimmt. s0 sA Achsen befindet sich ein kleines Laufgewicht L der Masse mL. Durch Verschieben von L lässt sich die Schwingungsdauer des Pendels innerhalb gewisser Grenzen variieren. In der Nähe eines der beiden Enden des Stabs ist ein Zusatzkörper K (Masse mK) angebracht. Wenn mK hinreichend groß gegen mL ist, kann man den Abstand y so wählen, dass für jede mögliche Lage des Laufgewichts (0 x l ) gilt: L (34) B gilt für die Schwerebeschleunigung 2 g § 2ʌ · ¨ ¸ l. ©T ¹ (35) Die bisherigen Betrachtungen gelten streng für ein im Vakuum schwingendes Pendel, dessen Amplitude unendlich klein ist. In Wirklichkeit schwingt das Pendel in Luft mit endlicher Amplitude. Nimmt man an, dass das Pendel ein homogener Körper ist, d. h., dass alle Teile des Pendels die gleiche Dichte U haben, wird die Pendelbewegung durch Gl. (14b) mit N = 1 beschrieben. Aus den Gln. (24a) und (22) in Verbindung mit Gl. (17a) folgt für die tatsächliche Schwingungsdauer um die Achse A * A T 2ʌ IA 1 2· § ¨ 1 M0 ¸ , 16 § U · © ¹ m sA g ¨ 1 L ¸ U ¹ © Abb. M.2.2.1 Reversionspendel Dann gilt Gl. (34) mit T 1 UL U 1 1 2· § ¨1 M0 ¸ . © 16 ¹ (36) Setzt man T nach Gl. (36) in Gl. (35) ein, ergibt sich für die Schwerebeschleunigung 2 1 § · 1 M2 § 2ʌ · ¨© 16 0 ¸¹ . ¨ ¸ l U ©T ¹ 1 L 2 g U Wenn man bedenkt, dass UL /U < 10-3 und für M0 < 0,1 (Einheit rad) auch (1/16) M02 < 10-3 ist, sind alle Produkte solcher Größen vernachlässigbar und es gilt 1 U · 1 § ·§ TA ¨1 M02 ¸ ¨¨ 1 L ¸¸ . U ¹ © 16 ¹ © T* 2 g § 2ʌ · ª 1 2 U L º . ¨ ¸ l «1 M 0 U »¼ ©T ¹ ¬ 8 (37) 2.2 Reversionspendel 51 Der obigen Beschreibung liegt die Annahme zugrunde, dass mindestens eine Stellung des Laufgewichts in dem Intervall 0 < x < l existiert, für die die Schwingungsdauern um die Achsen A und B gleich sind. Deshalb ist es von Interesse, die Bedingungen zu untersuchen, unter denen Gl. (34) erfüllt werden kann. [Dazu sind die Massenmittelpunktsabstände sA und sB, die Trägheitsmomente IA und IB und anschließend die Schwingungsdauern TA und TB als Funktionen von x darzustellen. Es gilt m sA m0 s0 mL x und m sB m (l sA ) m0 (l s0 ) mL (l x) . Dabei bedeuten m die Masse des gesamten Pendels, m0 die Masse des Pendels ohne Laufgewicht und s0 den Abstand zwischen dem Massenmittelpunkt S0 des Pendels ohne Laufgewicht und der Achse A. Für die Trägheitsmomente folgt: I 0 m0 s0 2 I L mL x 2 und IB I 0 m0 (l s0 ) 2 I L mL (l x)2 . I0 ist das Trägheitsmoment des Pendels ohne Laufgewicht bezogen auf die durch S0 gehende, zu A und B parallele Drehachse, und IL ist das Trägheitsmoment des Laufgewichtes bezogen auf die zu A und B parallele Achse, die durch den Massenmittelpunkt des Laufgewichts geht. Mit der Abkürzung I 0 m0 s02 (38) erhält man für die Schwingungsdauern TA 2ʌ IA m sA g TB 2ʌ IB m sB g TB 2ʌ g 2ʌ g I mL x 2 , m0 s0 mL x I m0 l l 2s0 mL l x m0 l s0 mL l x mL ª¬ 2l m0 l l 4 s0 mL l 2 º¼ x > I m0 l s0 @ ª¬ m0 l 2 s0 mL l º¼ (39) 2 (40) Die Forderung TA = TB führt auf die nachstehende Gleichung dritten Grads in x: (41) 0. Eine der drei Lösungen von Gl. (41) kann man sofort angeben. Für x = x3 sei sA = l/2 (Gl. (28)). Dann gilt l l m m0 mL m0 s0 mL x3 , 2 2 x3 ½ 1 ­ m0 ® l 2 s0 l ¾ . 2 ¯ mL ¿ Da die Ungleichung (33) erfüllt sein soll, ist x3 größer als l, d. h., diese Stellung des Laufgewichts kommt im Experiment nicht vor. Dividiert man Gl. (41) durch x-x3, erhält man die quadratische Gleichung I m0 s0 l x2 l x 0 , deren Lösungen lauten mL l 1 r H , H 2 1 I m0 s0 l . (42) 2 §l· mL ¨ ¸ ©2¹ Gl. (42) besagt, dass in dem Intervall 0 < x < l symmetrisch zu x = l/2 zwei Stellungen x1 und x2 des Laufgewichts zu finden sind, bei denen der Achsenabstand l der reduzierten Pendellänge entspricht, sofern die in Gl. (38) definierte Größe I der Bedingung 2 §l· I m0 s0 l mL ¨ ¸ 1 H 2 (43) ©2¹ mit 0 < H < 1 genügt. Gl. (43) lässt sich durch geeignete Wahl der Masse und der Anordnung des Zusatzkörpers K stets so erfüllen, dass die Ungleichung (33) erhalten bleibt. Es kann gezeigt werden, dass die Funktionen TA(x) und TB(x), die durch die Gln. (39) und (40) gegeben sind, nur je einen Extremwert, und zwar ein Minimum haben. Die beiden Minima liegen unter den oben gemachten Voraussetzungen in der Nähe des Werts x = l/2. Abb. M.2.2.2 zeigt den prinzipiellen Verlauf der Funktionen TA(x) und TB(x). ] x1,2 IA I 2mL2 x3 mL ª¬ m0 l 2s0 3mL l º¼ x 2 Versuchsausführung Bei Aufgabe 1 werden zunächst die Schwingungsdauern TA* und TB* für verschiedene Stellungen des Laufgewichts L bestimmt, 2 Schwingungen 52 Mechanik wobei darauf zu achten ist, dass die Auslenkung bei allen Schwingungen den gleichen Wert M0 < 5° hat. Das Laufgewicht soll in dem Intervall 0 < x < l von Messung zu Messung um einen vorgegebenen Abstand verschoben werden. Um die in der Aufgabenstellung geforderte Genauigkeit zu erreichen, werden die Schwingungsdauern mit einem elektronischen Messplatz (Lichtschranke, digitaler Präzisionszähler) ermittelt. Die Periodendauermessungen werden bei jeder Position des Laufgewichts dreimal durchgeführt und die Unsicherheit der Zeitmessungen soll dabei kleiner als 5 ms sein. T gegeben. Die Voraussetzung, dass das Reversionspendel ein homogener Körper ist, trifft nur selten zu. Wenn das Pendel aus Stahlund Messingteilen zusammengesetzt ist, kann der Term für die Berücksichtigung des Luftauftriebes UL /U | 1,510-4 gesetzt und g nach Gl. (37) berechnet werden. Bei der zweiten Aufgabe ist die Schwingungsdauer T c hinreichend oft für das Intervall 1qd M0 d 10q zu messen. Trägt man T c über M02 (M0 im Bogenmaß) auf, ergibt sich nach Gl. (24a) eine Gerade, die eine Steigung von (1/16) T hat und für M0 = 0 den Wert T c = T liefert. Eventuelle Abweichungen vom linearen Verlauf sollen diskutiert werden. 2.3 Drehpendel TA=TB TB (x) TA (x) 0 l ε 2 l 2 l ε 2 l x Abb. M.2.2.2 Darstellung der Periodendauern TA(x) und TB(x) eines Reversionspendels Die gemessenen Periodendauern TA* und TB* werden als Funktionen von x graphisch dargestellt. Die Schnittpunkte der beiden Kurven werden sich im Allgemeinen noch nicht mit hinreichender Genauigkeit ermitteln lassen. Deshalb bestimmt man TA* und TB* in der Nähe von x1 und x2 in noch kleineren Abständen, um auf diese Weise eine relative Messunsicherheit von T * kleiner als 0,05 % zu erreichen. Der Achsenabstand l wird im Allgemeinen als Funktion der Temperatur In diesem Versuch werden freie, gedämpfte und erzwungene lineare sowie nichtlineare Drehschwingungen an einem Drehpendel nach Pohl untersucht. Das Drehpendel hat eine Eigenfrequenz, die vom Direktionsmoment der Feder und seinem Trägheitsmoment abhängt. Bei Erhöhung der Dämpfung beobachtet man neben dem stärkeren Abklingen der Amplitude auch eine geringe Abnahme der Eigenfrequenz. Im Falle eines periodisch angetriebenen Drehpendels kann der Resonanzfall bei Gleichheit der Erreger- und der Eigenfrequenz des Drehpendels realisiert werden. Die maximale Amplitude ist im Resonanzfall eine Funktion der Dämpfung. Zusätzlich soll das Drehpendel mit einer Zusatzmasse so versehen werden, dass eine Unwucht entsteht. Dadurch wird ein zusätzliches Drehmoment verursacht und der Zusammenhang zwischen Auslenkung und dem rücktreibenden Drehmoment ist nicht mehr linear. Das führt zu einem grundsätzlich anderen Schwingungsverhalten des Drehpendels, bei dem nun mehrere Amplitudenzustände möglich sind. Das System kann dadurch in Abhängigkeit von seinen Anfangsbedingungen und kleinen 2.3 Drehpendel 53 Störungen in verschiedenen Zuständen schwingen. Das im Versuch verwendete Drehpendel nach Pohl (Abb. M.2.3.1) besteht aus einer kreisförmigen Kupferscheibe mit einer homogenen Massenverteilung, die um eine Achse durch den Schwerpunkt drehbar gelagert ist. 0 60 30 90 90 60 Spiralfeder Kupferscheibe 2.3.1 Lineare Schwingungen und Resonanz Aufgabenstellung ϕ 30 über ein Computer-Interface die entsprechenden Signalspannungen zu speichern. An einem Zählerdisplay kann die Erregerfrequenz direkt abgelesen werden. Motor mit Exzenter 0 12 120 0 15 150 Schubstange Elektromagnet zur Wirbelstromdämpfung Abb. M.2.3.1 Zum Drehpendel nach Pohl (ohne Messelektronik) Die Ruhelage wird durch eine im Pendel befestigte Spiralfeder vorgegeben und seine Auslenkung kann an einer Gradskala abgelesen werden. Eine zusätzliche Justierung auf die Anfangsstellung M = 0 ist möglich. Die Dämpfung der Schwingung kann über die Stärke des Stroms IW, der durch den Elektromagneten einer Wirbelstrombremse fließt, variiert werden. Zur Erzeugung erzwungener Schwingungen wird das Drehpendel mit Hilfe eines drehzahlgeregelten Schrittmotors über einen Exzenter und eine Schubstange angetrieben. Ein elektronischer Bewegungsaufnehmer ermöglicht die Messung der Frequenz und der Auslenkung der Drehschwingungen der Kupferscheibe. Mit einer Extramessvorrichtung kann zusätzlich die Phasenverschiebung zwischen der Erreger- und der Pendelschwingung ermittelt werden. Die weitere elektronische Signalverarbeitung bietet auch die Möglichkeit, neben der Auslenkung die Winkelgeschwindigkeit sowie die Winkelbeschleunigung zu bestimmen und 1. Für die erzwungene Schwingung des Drehpendels ist für drei verschiedene Dämpfungen die Resonanzkurve aufzunehmen. Den Resonanzkurven ist die Resonanzfrequenz fr und der Wert für die Halbwertsbreite 'f zu entnehmen sowie die Güte Q zu bestimmen. Zusätzlich ist das Zeitverhalten der freien Schwingungen für diese drei Dämpfungen aufzunehmen und die Dämpfungskonstanten sind zu ermitteln. 2. Die Dämpfungskonstanten, die aus der Halbwertsbreite der Resonanzkurve und der gedämpften freien Schwingung bestimmt wurden, sind miteinander zu vergleichen. Der Einfluss der Dämpfung auf die Höhe und die Lage des Maximums der Resonanzkurve soll diskutiert werden. 3. Für den Fall der erzwungenen Schwingung sind für drei Frequenzen und die in Aufgabe 1 gewählten Dämpfungen die Phasenverschiebungen zu messen und mit den berechenbaren Werten zu vergleichen. Lenkt man das Pendel um einen Winkel M aus und lässt es dann los, führt es eine gedämpfte Drehschwingung um die Ruhelage aus. Die Bewegungsgleichung ergibt sich aus dem Gleichgewicht der Drehmomente: MT MF MD . (44) In Gl. (44) gilt für die entsprechenden Drehmomente M T J M , M D J M und MF = D M . Dabei beschreiben J das Trägheitsmoment des Pendels, D das Direktionsmoment der Feder und J die geschwindigkeitsproportionale Reibungskonstante. 2 Schwingungen 54 Mechanik Durch Einsetzen in Gl. (44) erhält man die Differentialgleichung für die gedämpfte Eigenschwingung des Drehpendels: J M J M DM 0 . (45) Deren allgemeine Lösung wird im Anhang A.2.2 beschrieben. Definiert man die Abklingkonstante G (oft auch als Dämpfungskonstante bezeichnet) mit G J /(2 J ) , folgt als Lösung für die schwach gedämpfte Schwingung ( Z0 2 G 2 ) M (t ) M 0 e G t cos(Zd D ) . (46) D beschreibt die Phasenverschiebung. Für die Eigenkreisfrequenz Zd der gedämpften Schwingung (Gl. (6)) gilt Zd § J · ¸ © 2J ¹ Z 02 ¨ 2 (47) mit der Eigenkreisfrequenz der ungedämpfD / J . Die Lösung ten Schwingung Z0 der Bewegungsgleichung nach Gl. (46) beschreibt eine exponentiell abklingende Schwingung (Abb. M.2.3.2), die durch die Abklingzeit W = G -1 sowie die Frequenz f d Zd / 2ʌ charakterisiert wird. ϕ ϕ0 e-δt ϕ0/e δ-1 t mische Dekrement / lassen sich experimentell über die Abnahme der Schwingungsamplitude im Zeitabstand 't = Td (Periodendauer Td 2 ʌ / Zd ) bestimmen: / G Td § Mˆ (t ) · ln ¨ ¸ . © Mˆ (t Td ) ¹ (48) Eine besonders anschauliche Darstellung des Schwingungsverhaltens ist im Phasenraum möglich. Für ein punktförmiges Teilchen im dreidimensionalen Ortsraum ist der Phasenraum als Menge aller Sechsertupel aus den drei Orts- und Impulskoordinaten definiert. Es handelt sich also um einen sechsdimensionalen Raum. Beim Pohl’schen Pendel sind sowohl die Orts- als auch die Impulskoordinate eindimensionale Größen. Der Phasenraum reduziert sich dadurch auf zwei Dimensionen. Man trägt in einer zweidimensionalen Darstellung die Winkelgeschwindigkeit M (t ) gegen den Auslenkwinkel des Pendels M (t ) auf (zeitunabhängige geometrische Kurve, auch Trajektorie genannt). Für einen schwach gedämpften Oszillators erhält man z. B. eine sich auf den Nullpunkt (so genannter Attraktor) des Koordinatensystems zu bewegende Spirale als Trajektorie. Wird über den Antrieb des Drehpendels zusätzlich ein äußeres periodisches Drehmoment M a M 0 cos (Z t ) auf das Pendel gegeben, erhält man eine erzwungene Schwingung. Die Bewegungsgleichung ergibt sich in Analogie zu Gl. (45) mit J M J M D M M 0 cos(Z t ) . (49) Als Lösung dieser inhomogenen Differentialgleichung zweiter Ordnung erhält man (Anhang A.2.2) Abb. M.2.3.2 Abklingen der Amplitude einer schwach gedämpften Schwingung Die Abklingkonstante G bzw. das logarith- M (t ) A(Z ) cos(Z t T ) C eG t cos(Zd D ) . (50) Nach einer Einschwingzeit verschwindet der 2.3 Drehpendel 55 Term mit der Eigenkreisfrequenz Z d aufgrund der exponentiellen Dämpfung und die Frequenz des Pendels entspricht der Kreisfrequenz des Antriebs Z : M (t ) A(Z ) cos(Z t T ) . A(Z ) ei (Z t T ) (52) folgt analog zur Herleitung von Gl. (27) im Anhang A.2.2 AE e iT A ª¬(Z02 Z 2 ) i 2 G Z º¼ . (53) Mit AE = M0 /J ergibt sich für den Betrag der Amplitude A A(Z ) Z Z 2 2 4G Z 2 M0 / J Amax 2G 100 δ/ω0= 0,01 Z02 G 2 δ/ω0= 0,2 M0 J Z 02 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 Abb. M.2.3.3 Resonanzkurven für verschiedene Verhältnisse der Abklingkonstanten G zur Eigenkreisfrequenz Z 0 (Ordinate: normierte Amplitude, Abszisse: normierte Kreisfrequenz) Die Amplitude der erzwungenen Schwingung (55c) Der Graph der Resonanzkurve in Bezug auf die Resonanzfrequenz ist nicht symmetrisch. Als Halbwertsbreite 'Z definiert man die Differenz zwischen den Kreisfrequenzen Z 1 und Z 2 , bei denen die Resonanzamplitude auf den Wert A(Z 2 ) A Zr (57a) 2 abgenommen hat. Das entspricht in der Darstellung der Leistung (Amplitudenquadrat) als Funktion der Anregungskreisfrequenz A2 (Z 1 ) ω / ω0 (55b) M0 , A(Z o f) 0 . (56) D 1 δ/ω0= 0,5 , (55a) Die anderen Grenzwerte von Gl. (54) sind δ/ω0= 0,05 δ/ω0= 0,1 . D . J Zr Z0 A(Z 1 ) 10 2 Für sehr kleine Dämpfungen (und nur dann) ist die Kreisresonanzfrequenz gleich der Eigenkreisfrequenz: . (54) 2 In Abb. M.2.3.3 sind für verschiedene Dämpfungen die Resonanzkurven graphisch dargestellt. A (ω) / A(0) Z Zr2 4G 2Zr2 2 0 bzw. mit Gl. (9) folgt A(0) M0 / J 2 0 M0 / J Amax A Zr (51) Dabei berücksichtigt die Größe T die Phasenverschiebung zwischen der erregten Schwingung und der Anregung. Mit dem komplexen Lösungsansatz M (t ) erreicht bei der Kreisresonanzfrequenz Z r ihren Maximalwert A2 (Z 2 ) A2 Z r 2 . (57b) Zwischen der Halbwertsbreite 'Z und der Abklingkonstanten G gilt für schwache Dämpfungen die Beziehung 'Z 2G bzw. W 'Z 2 . (58) Dadurch wird unter anderem auch die so genannte „Unschärfe“ zwischen Frequenz 2 Schwingungen 56 Mechanik (z. B. Breite einer Resonanzlinie) und mittlerer „Lebensdauer W “ eines gedämpften, linearen Oszillators beschrieben. Große Dämpfungen haben eine kurze „Lebensdauer“ der Schwingung zur Folge und verursachen breite Resonanzkurven. Sehr schmale Resonanzkurven entsprechen Systemen mit einer großen „Lebensdauer“ der Schwingung, bei denen die Dämpfung gering ist. Die Dämpfung ist ein Maß für die Dissipation der Energie, die von außen (hier vom Antrieb durch den Motor) in das System eingebracht wird. Je kleiner die Dämpfung des angetriebenen Oszillators ist, umso größer wird im Resonanzfall seine Schwingungsamplitude. Eine weitere wichtige Kenngröße zur Beschreibung des Resonanzverhaltens ist die Güte Q mit Z0 Q 'Z Z0 . 2G (59) Der frequenzabhängige Phasenwinkel T zwischen der angeregten Schwingung und der Anregung lässt sich mit Gl. (53) und Gl. (12b) im Anhang A.1 berechnen: T (Z ) arctan θ/° 2Z G . Z02 Z 2 (60) 0 -90 δ/ω0 = 0,1 δ/ω0 = 0,005 -180 0,0 0,5 1,0 1,5 δ/ω0 = 0,5 2,0 ω/ω0 Abb. M.2.3.4 Phasenwinkel T in Abhängigkeit von der normierten Kreisfrequenz Z / Z0 für verschiedene Verhältnisse der Abklingkonstanten G zur Eigenkreisfrequenz Z 0 Der Winkel T der Phasenverschiebung ist negativ und die Erregerschwingung eilt der Pendelschwingung voraus (Abb. M.2.3.4). Die Werte für T (Z) ändern sich im Bereich Z d Z0 von 0 bis -90° und für Z t Z0 von -90° bis -180°. Im Resonanzfall beträgt die Phasenverschiebung -90°. Durch den Antrieb des Pendels wird der Phasenraum des Systems dreidimensional: Die dritte Koordinate neben der Auslenkung M und der Winkelgeschwindigkeit M stellt die Zeitabhängigkeit der momentanen Stellung des Antriebs dar. Die im Experiment aufgezeichnete Darstellung des Phasenraums ist eine Projektion auf die M M Ebene. In dieser Phasenraumdarstellung erhält man im Beispiel des angetriebenen linearen Pendels eine Ellipse als Trajektorie, die sich nach der Einschwingzeit nicht mehr verändert. Versuchsausführung Für das Drehpendel wird am Exzenter (Abb. M.2.3.1) ein maximaler Anregungswinkel von wenigen Grad eingestellt. Der betreffende Wert bzw. Bereich wird am Arbeitsplatz angegeben. Zur Aufnahme der Resonanzkurve in Aufgabe 1 ist zunächst für eine vorgegebene geringe Dämpfung durch die Wirbelstrombremse (Stromstärke IW) die Resonanzfrequenz fr | f0 zu ermitteln und das Resonanzmaximum A(fr) | A(f0) zu bestimmen. Die Dämpfung infolge von Reibungseinflüssen soll hier vernachlässigt werden. Anschließend wird für jeweils etwa zehn verschiedene Anregungsfrequenzen f um die Resonanzfrequenz die Amplitude A(f ) gemessen. Die Frequenzen sind so zu wählen, dass der Graph der Resonanzkurve mit hinreichender Genauigkeit dargestellt werden kann. Nach jeder Änderung der Anregungsfrequenz ist der Einschwingvorgang abzuwarten. Anschließend sind zwei weitere Resonanzkurven für stärkere Dämpfungen aufzunehmen. Es sind die auf die Resonanzamplitude normierten Amplituden bzw. deren Quadrate in Abhän- 2.3 Drehpendel gigkeit von der Anregungskreisfrequenz Z graphisch darzustellen. Aus dem Graph der Resonanzkurve kann die Halbwertsbreite 'Z abgelesen und mit dieser die Dämpfungskonstante und die Güte ermittelt werden. Zusätzlich sind für die drei ausgewählten Dämpfungen die Schwingungsamplituden als Funktion der Zeit M (t) der freien gedämpften Schwingungen (Abb. M.2.3.2) zu messen und die Größe der jeweiligen Dämpfungskonstanten zu ermitteln. Dazu kann man z. B. unter Anwendung von Gl. (48) das logarithmische Dekrement ermitteln und mit der Periodendauer den Wert von G berechnen, oder man berechnet die Funktion der „Einhüllenden“ unter Berücksichtigung von Gl. (46) mittels nichtlinearer Regression (einer der Regressionsparameter enthält die Abklingkonstante). In Aufgabe 3 berechnet man die Phasenverschiebungen für eine der in Aufgabe 1 eingestellten Dämpfungen für drei Frequenzverhältnisse (z. B. Z /Z0 = 0,8; 1,2; 1,5) mit Gl. (60), wobei der Funktionsverlauf von inversen Winkelfunktionen zu beachten ist. Anschließend sind die Phasenverschiebungen unter den gewählten Bedingungen experimentell zu bestimmen und mit den berechneten Werten zu vergleichen. 2.3.2 Nichtlineare Schwingungen Aufgabenstellung 1. Es sollen für die gedämpften linearen Schwingungen des Drehpendels bei fünf verschiedenen Dämpfungen die Frequenz fd und die Abklingkonstante G bestimmt werden. 2. Es ist der Drehwinkel Mst des Pendels in Abhängigkeit vom statischen Drehmoment Mst zu messen und Mst = f(Mst) graphisch darzustellen. Mit dem Mittelwert von fd aus Aufgabe 1 werden das Direktionsmoment D und das Trägheitsmoment J des Drehpendels bestimmt. Die Reibungskonstante J ist in Abhängigkeit vom Quadrat der Stromstärke IW darzustellen und mittels linearer Reg- 57 ression sind die Geradenparameter zu berechnen. 3. Mit einem zur Verfügung gestellten Simulationsprogramm können die unterschiedlichen Schwingungszustände des nichtlinearen Drehpendels (Schwingung, erste und zweite Bifurkation, Chaos) simuliert werden. 4. Nach dem Anbringen einer vorgegebenen Zusatzmasse am Drehpendel sind erzwungene Schwingungen anzuregen. Man versucht durch kleine Änderungen der Dämpfung die verschiedenen Schwingungszustände zu realisieren. Die mit dem Messprogramm experimentell ermittelten Graphen der verschiedenen Schwingungszustände sind mit denen der Simulation zu vergleichen und zu diskutieren. An der Kupferscheibe des Drehpendels nach Pohl kann eine Zusatzmasse m angebracht werden. Das von der Zusatzmasse hervorgerufene zusätzliche Drehmoment M mit M m g R sin(M ) (M Auslenkung, R Abstand zwischen Drehachse und Massenmittelpunkt der Zusatzmasse) bewirkt den nichtlinearen Charakter des Systems. Das bedeutet, dass die Schwingungsparameter, z. B. die Frequenz, von der Amplitude abhängen. Diese Amplituden-Frequenzkopplung ist eine charakteristische Eigenschaft nichtlinearer Systeme. Falls man die Zusatzmasse groß genug wählt, kann man erreichen, dass sich zwei neue stabile Gleichgewichtslagen symmetrisch zur ursprünglichen Nulllage einstellen (W-Potential, siehe Anhang A.3.2.1). Zur Beschreibung der Drehschwingungen des Pendels mit Zusatzmasse (Trägheitsmoment Jz) wird der Ansatz J nl M m g R sin M M 0 sin(Z t ) D M J M (61) mit J nl J J z gewählt. Durch den Sinus des Auslenkwinkels M ist Gl. (61) nichtlinear in M und es liegt eine nichtlineare, inhomogene 2 Schwingungen 58 Mechanik Differentialgleichung zweiter Ordnung vor, die im Allgemeinen nicht mehr geschlossen lösbar ist. Dieses nichtlineare System soll in Abhängigkeit der in Gl. (61) enthaltenen Parameter untersucht werden. Dabei wird nur die Dämpfung durch die systematische Änderung der Stromstärke IW der Wirbelstrombremse variiert, alle anderen Parameter werden hier konstant gehalten. Die Möglichkeit der Simulation der unterschiedlichen Schwingungszustände basiert auf der Umstellung der Gl. (61) und wird im Anhang A.3.2.1 beschrieben: D J M M M J nl J nl (62) M mg R sin M 0 sin(Z t ) J nl J nl In den Aufgaben 1 und 2 werden einige der für die Simulation erforderlichen Werte ermittelt. Versuchsausführung Die Messungen werden mit dem oben beschriebenen Messplatz durchgeführt und es sind bei Aufgabe 1 die Eigenfrequenz fd der gedämpften Schwingung und die Abklingkonstante G für schwache Dämpfungen des Drehpendels (ohne Zusatzmasse) zu ermitteln. Es werden die Abklingkurven (Abb. M.2.3.2) nach einer maximalen Anfangsauslenkung von ca. 90° für verschiedene Stromstärken IW in einem vorgegebenen Bereich aufgenommen. Für die Bestimmung von G ermittelt man z. B. die Anzahl n der Perioden für die Abnahme der Schwingungsamplitude auf etwa die Hälfte ihres Anfangswerts. Damit kann das logarithmische Dekrement /n ln >M (t ) / M (t n Td ) @ und mit der Beziehung G /n / nTd die Abklingkon- stante bestimmt werden. In Aufgabe 2 sind das Direktionsmoment D und das Trägheitsmoment J des Drehpendels zu bestimmen, indem man für etwa fünf verschiedene Zusatzmassen m (Scheibenge- wichte) in einem vorgegebenen Bereich die statische Auslenkung (Mst) und daraus das jeweilige statische Drehmoment bestimmt. Diese Massen werden an einem festen Punkt der Kupferscheibe des Drehpendels (Nullposition ohne Zusatzmasse) befestigt. Der Wert für den Radius R ist am Arbeitsplatz angegeben. Das Drehmoment Mst ist in Abhängigkeit vom Winkel Mst (Einheit Radiant) graphisch darzustellen und aus dem Anstieg der Ausgleichsgeraden kann das Direktionsmoment D (Mst = D Mst ) bestimmt werden. Damit und mit dem Mittelwert der in Aufgabe 1 bestimmten Eigenfrequenz des Pendels ist die Berechnung des Trägheitsmoments des Pendels mit Gl. (55c) möglich. Die Reibungskonstante (J = 2 J G ) ist in Abhängigkeit vom Quadrat der Stromstärke IW graphisch darzustellen und mit der Fit-Funktion J a b I W2 erhält man mittels linearer Regression die für die Simulation erforderlichen Geradenparameter a und b. Ist das Auffinden von chaotischen Schwingungen bei kleinen Dämpfungen unkompliziert, erweist sich die Einstellung einer Bifurkation oft als relativ schwierig. Deshalb sollen in Aufgabe 3 mit einem geeigneten Programm zunächst mit Hilfe von Simulationsrechnungen die verschiedenen Schwingungszustände durch die schrittweise Variation der Stromstärke IW simuliert werden. Die Berechnungen begründen sich auf die Gl. (62) und benötigen eine Reihe von Parametern, die u. a. in den Aufgaben 1 und 2 bestimmt wurden bzw. bekannt sind: Frequenz fd, Direktionsmoment der Feder D, Trägheitsmoment J des Pendels ohne Zusatzmasse, Fitparameter a und b der Regressionsfunktion, maximales Drehmoment Mz (Mz = m g R) bedingt durch die Zusatzmasse m, maximaler Anregungswinkel und Periodendauer der Anregung. Als einzigen variablen Parameter zur Einstellung des Übergangs zum Chaos bzw. zur Einstellung der Bifurkation ändert man nur die Dämpfung (Variation der Stromstärke IW). Diese sollte 2.4 Gekoppelte Pendel 59 ausgehend von einem größeren Wert, mit dem man einen Schwingungszustand einstellt, in kleinen Schritten verringert werden. Vor dem Auftreten der ersten Bifurkation kann man in der Phasenraumdarstellung deutlich eine Veränderung der zuvor ellipsenähnlichen Trajektorie (Abb. 2.3.5) erkennen. (a) ϕ(t) ϕ(t) ϕ(t) t ( b) ϕ(t) ϕ(t) ϕ(t) t (c) ϕ(t) ϕ(t) t ϕ(t) Abb. M.2.3.5 Beispiele von Schwingungszuständen am Drehpendel mit Zusatzmasse in der Zeitund Phasenraumdarstellung, Schwingungen in einer von zwei Gleichgewichtslagen (a), erste Bifurkation (b), chaotische Schwingung (c) Bei Aufgabe 4 sind die unterschiedlichen Schwingungsvorgänge im Experiment zu realisieren. Um Bifurkationen zu finden, reduziert man die Stromstärke IW, bis man zwei unterschiedlich große Scheitelwerte erkennen kann. Indem man die Stromstärke noch mehr verringert, ist ab einem bestimmten Wert die Beobachtung chaotischer Schwingungen möglich. Im Experiment ist darauf zu achten, dass das Drehpendel stets eine gewisse Zeit zur Stabilisierung der Schwingung nach jeder Änderung der Dämpfung benötigt, die ggf. einige Minuten betragen kann. Die verschiedenen Schwingungszustände sind in der Zeit- und Phasenraumdarstellung aufzunehmen und zu diskutieren. 2.4 Gekoppelte Pendel Aufgabenstellung 1. Die Schwingungsdauern zweier mit einer Feder gekoppelter Pendel bei gleichsinnigen (T1) bzw. gegensinnigen Schwingungen (T2) sollen für mindestens fünf verschiedene Kopplungszustände gemessen werden. Die Schwingungsdauer T bei Schwebungsschwingungen und die Schwebungsdauer TS sind sowohl experimentell zu bestimmen als auch aus T1 und T2 zu berechnen. Außerdem ist der Kopplungsgrad k zu ermitteln. 2. Mit den Ergebnissen von Aufgabe 1 ist der Zusammenhang zwischen dem Verhältnis der Schwingungsdauern von gleich und gegensinniger Schwingung und der Position der Kopplungsfeder an der Pendelachse zu untersuchen. Gegeben seien zwei völlig gleiche physikalische Pendel 1 und 2 mit dem Trägheitsmoment I, die mit einer Schraubenfeder elastisch gekoppelt sind (Abb. M.2.4.1). Es sind aber auch Kopplungen mit anderen mechanischen Hilfsmitteln realisierbar. Eine physikalisch andere Kopplungsart wird z. B. durch Pendelkörper mit Dauermagneten möglich, bei denen die Kopplung durch Magnetfelder erfolgt. Die Drehachsen A und B sind so gelagert, dass beide Pendel nur in ein und derselben Ebene schwingen können. In den folgenden Überlegungen werden Winkel und Drehmomente nach rechts positiv und nach links negativ gerechnet. Außerdem wird vorausgesetzt, dass die Schwingungsamplituden der Pendel sehr klein sind und die Reibung in den Achslagern vernachlässigt werden kann. Die Kopplung bewirkt, dass sich die Ruhelage des Pendels 1 um den Winkel Į, die des Pendels 2 um den Winkel Į von der Vertikalen unterscheidet. In der Ruhelage verschwindet das resultierende Drehmoment sowohl für Pendel 1 als auch für Pendel 2. Bezeichnet man mit D das Direktionsmoment (Gl. (15)) von Pendel 1 bzw. 2 und mit M0 2 Schwingungen 60 Mechanik den Betrag des Drehmoments, das von der Feder auf jedes der beiden Pendel ausgeübt wird, gilt DD . M0 bzw. I (63) Ist Pendel 1 um den Winkel M1, Pendel 2 um den Winkel M2 aus der Ruhelage ausgelenkt, wirkt auf Pendel 1 das rücktreibende Drehmoment –D (M1+D) und das von der Kopplungsfeder herrührende Drehmoment ist M0 + DK (M2 – M1), wobei DK das Direktionsmoment der Feder beschreibt. B A d 2M 2 dt2 DM2 DK M1 M2 . (67) Durch die Substitution \ 1 M1 M 2 , \2 M1 M 2 vereinfachen sich die Gln. (66) und (67) zu I d 2\ 1 dt 2 D \1 I d 2\ 2 dt 2 D 2 DK \ 2 . Die Lösungen sind lF \ 1 a1 cos Z1t b1 sin Z1t , α \2 -α ϕ1 mit den Kreisfrequenzen ϕ2 1 Z1 2 Abb. M.2.4.1 Zwei identische Pendel 1 und 2 mit einer Schraubenfeder gekoppelt (lF Abstand zwischen der Befestigung der Feder an der Pendelachse und den Drehachsen A bzw. B) Bei Berücksichtigung von Gl. (63) kann man das resultierende Drehmoment für Pendel 1 D M1 D M 0 DK M2 M1 D M1 DK M1 M2 (64) D M 2 DK M1 M 2 . (65) Die Bewegungsgleichungen lauten daher I d 2M1 dt2 DM1 DK M1 M2 , (66) 2ʌ T1 D I (68) und Z2 2ʌ T2 D 2 DK I Z1 1 2 DK . (69) D Geht man wieder zu den Winkeln M1 und M2 über, erhält man M1 1 a1 cos Z1t b1 sin Z1t 2 a2 cos Z2 t b2 sin Z2t , (70) M2 1 a1 cos Z1t b1 sin Z1t 2 a2 cos Z2 t b2 sin Z2t . (71) schreiben. Für Pendel 2 liefert eine analoge Betrachtung D M 2 D M 0 DK M 2 M1 a2 cos Z2t b2 sin Z2 t Die Integrationskonstanten a1, b1, a2 und b2 sollen im Folgenden für drei typische Fälle bestimmt werden. 2.4 Gekoppelte Pendel 61 1. Gleichsinnige Schwingungen Beide Pendel werden um den gleichen Winkel M 0 aus ihrer Ruhelage ausgelenkt und zum Zeitpunkt t 0 losgelassen. Mit den Anfangsbedingungen M1 0 M2 0 M0 , dM1 0 dt dM 2 0 0 dt ergibt sich aus den Gln. (70) und (71) a1 2M0 , b1 a2 b2 0 , und es folgt M1 M2 M0 cos Z1t . (72) Die beiden Pendel führen gleiche Schwingungen aus, als wäre die Kopplung nicht vorhanden. 2. Gegensinnige Schwingungen Das Pendel 1 wird um den Winkel M0 und das Pendel 2 um den Winkel M 0 ausgelenkt. Zum Zeitpunkt t = 0 lässt man beide Pendel los. Aus den Anfangsbedingungen M1 0 M2 0 M0 , dM1 dM 2 0 0 0 dt dt folgt a2 2M0 bzw. a1 b1 b2 0 . Für die Zeitabhängigkeit der Amplituden ergibt sich M1 M2 M0 cos Z2 t . (73) Beide Pendel schwingen mit gleicher Amplitude und gleicher Frequenz, aber mit einer Phasendifferenz von ʌ. Die Frequenz der gegensinnigen Schwingungen ist größer als die der gleichsinnigen. 3. Schwebungsschwingungen Man hält Pendel 1 in seiner Ruhelage fest, lenkt Pendel 2 um den Winkel M0 aus und lässt beide Pendel zum Zeitpunkt t = 0 los. Aus den Anfangsbedingungen M1 0 0 , M2 0 M0 und dM1 0 dt dM 2 0 0 dt ergeben sich a1 a2 M0 bzw. b1 Die Gln. (70) und (71) lauten dann b2 0. M0 cos Z1t cos Z2t 2 ª1 º ª1 º M0 sin « Z2 Z1 t » sin « Z2 Z1 t » ¬2 ¼ ¬2 ¼ M1 (74) und M0 cos Z1t cos Z2t 2 ª1 º ª1 º M0 cos « Z2 Z1 t » cos « Z2 Z1 t » . ¬2 ¼ ¬2 ¼ (75) M2 Die durch die Gln. (74) und (75) beschriebenen Schwingungen haben im Allgemeinen einen komplizierten Verlauf. Deshalb soll vorausgesetzt werden, dass die Kopplung der beiden Pendel sehr schwach ist ( DK << D). Als Maß für die Stärke der Kopplung definiert man den Kopplungsgrad k DK . D DK (76) Mit den Gln. (68) und (69) kann man dafür k Z22 Z12 Z22 Z12 T12 T22 T12 T22 (77) schreiben. Kleiner Kopplungsgrad bedeutet also, dass das Direktionsmoment der Feder klein gegen das des Pendels bzw. dass die Schwingungsdauer der gleichsinnigen nur wenig größer als die der gegensinnigen Schwingung ist. In diesem Falle kann man die Gln. (74) und (75) wie folgt interpretieren: Beide Pendel führen Schwingungen mit der Kreisfrequenz Z 1 Z 2 Z 1 2 (78) 2 Schwingungen 62 Mechanik bzw. mit der Schwingungsdauer T aus, wobei 1 T 1§ 1 1 · ¨ ¸ 2 © T2 T1 ¹ (79) gilt. Die Amplituden M0 sin 1 Z 2 Z 1 t bzw. 2 1 Z 2 Z1 t ändern sich mit kleiner 2 Kreisfrequenz periodisch mit der Zeit. Die Amplituden von Pendel 1 verschwinden zu den Zeiten t = n TS (n = 0, 1, 2, ...) und es gilt Z Z1 daher 2 TS ʌ . Daraus folgt 2 M0 cos 1 TS 1 1 . T2 T1 (80) Dieses Schwingungsverhalten bezeichnet man als Schwebung mit TS als Schwebungsdauer (Abb. M.2.4.2). (1) Amplitude T § T1 · ¨ ¸ © T2 ¹ Zeit Amplitude Messwerterfassungssystem mit Hilfe von geeigneten Wegaufnehmern. Damit können die beiden Pendelschwingungen graphisch dargestellt und ausgewertet werden. Zunächst sind die Periodendauern der beiden Pendel ohne Kopplungsfeder zu messen. Diese müssen in den Grenzen der Messunsicherheit übereinstimmen. Man wählt die Amplitude M0 der Schwingungen so, dass die Näherung sin M0 # M0 gut erfüllt wird. Anschließend werden die Schwingungsdauern T1 und T2 bei der gleichen Lage der Kopplungsfeder gemessen. Die zur Berechnung von k und TS benötigte Differenz zwischen den Periodendauern T1 und T2 muss hinreichend genau sein. Danach sind bei gleicher Kopplung die Schwingungsdauer der Schwebungsschwingung T und die Schwebungsdauer TS zu messen. Beide Zeiten sollen auch aus den Gln. (79) bzw. (80) berechnet werden. Den Kopplungsgrad k erhält man aus Gl. (77). Der Versuch ist bei fünf verschiedenen Einstellungen der Kopplungsfeder zu wiederholen. Zur Diskussion bei Aufgabe 2 soll die folgende Gleichung verwendet werden: TS (2) Zeit Abb. M.2.4.2 Schwebungsschwingungen zweier gekoppelter Pendel (1) und (2) Versuchsausführung Die Messungen erfolgen entweder mittels einer digitalen Stoppuhr, indem man mehrmals die Zeit für mehrere Schwingungen stoppt, oder mit einem rechnergestützten 2 D 2 DK D 2c 2 lF 1 . D (81) Dabei sind D das Direktionsmoment des Pendels ( D m sA g , sA Abstand zwischen Drehachse und Massenmittelpunkt des Pendels mit der Masse m) und DK das Direktionsmoment der Feder ( DK c lF 2 , lF Abstand zwischen Drehachse und Federbefestigung, c Federkonstante). Es ist die funktionelle Abhängigkeit (T1/T2)2=f (lF2) graphisch darzustellen. Über den Anstieg (2c/D) der Ausgleichsgeraden nach Gl. (81) kann die Federkonstante ermittelt werden. Dazu ist die Kenntnis des Direktionsmoments D des Pendels erforderlich. Entweder ist der Wert für D am Arbeitsplatz gegeben oder man bestimmt die Pendelmas- 2.5 Trägheitsmomente 63 se m durch Wägung und den Abstand sA wie im Folgenden beschrieben. Man legt das Pendel auf eine schneidenförmige Kante und erhält durch das Ausbalancieren (Gleichgewichtslage) die Position des Schwerpunkts des Pendels längs seiner Stabachse. Der Abstand zwischen der Lagerung des Pendels (Drehachse) und dem Schwerpunkt ergibt den Wert für die gesuchte Größe sA. Der Wert für die Federkonstante c kann mit einem einfachen statischen Verfahren (Versuch M.3.2.1) überprüft werden. 2.5 Trägheitsmomente Zylinders IK nach dem Steiner’schen Satz Gl. (25) Lichtschranke s Zylinder Drehachse Feder 1. Das Trägheitsmoment IT und das Direktionsmoment D eines Drehtisches sollen bestimmt werden. Der Steiner’sche Satz ist experimentell zu prüfen. 2. Es sind die Hauptachsenträgheitsmomente eines Körpers mit U-Profil zu bestimmen. Ein Drehtisch enthält eine horizontal liegenden Platte oder einen Steg. Diese sind starr mit einer gut gelagerten, vertikalen Drehachse verbunden. An dieser Achse ist das innere Ende einer Spiralfeder befestigt. Das äußere Ende der Feder ist mit der Drehtischhalterung verschraubt. In die Platte bzw. den Steg sind kleine Löcher gebohrt, die definierte Abstände s von der Drehachse haben und zur Befestigung eines Testkörpers dienen. Als Körper soll bei Aufgabe 1 ein homogener Zylinder mit dem Radius R und der Masse m verwendet werden (Abb. M.2.5.1) Für die Schwingungsdauer der Schwingungen des Drehtisches gilt unter den in M.2.0 gemachten Voraussetzungen T2 (83) m R2 . 2 mit I Z Aufgabenstellung I 4ʌ 2 T . D IZ m s2 IK (82) Befestigt man den Zylinder so auf dem Drehtisch, dass die Zylinderachse parallel zur Drehachse verläuft und von ihr den Abstand s hat, ist das Trägheitsmoment des Libelle Abb. M.2.5.1 Schematischer Aufbau des Drehtisches Für das Trägheitsmoment des Systems (Is) bestehend aus Drehtisch (IT) und Zylinder gilt Is IT IK 1 IT m R2 m s2 , 2 (84) für die Schwingungsdauer Ts2 4ʌ 2 Is . D (85) Ist speziell s = 0, erhält man T02 4ʌ 2 IT I Z . D (86) Aus den Gln. (82) und (86) folgt IT IZ T2 T T 2 m R2 T 2 , 2 T02 T 2 (87) D IZ 4ʌ 2 T T2 2ʌ 2 m R 2 . T02 T 2 (88) 2 0 2 0 Den Rechnungen liegt die Annahme zugrun- 2 Schwingungen 64 Mechanik de, dass die Reibung in den Achslagern vernachlässigbar ist. In Wirklichkeit treten im Experiment stets Reibungsverluste auf, die eine Dämpfung der Schwingungen zur Folge haben. Wenn man das Drehmoment der Reibung proportional der Winkelgeschwindigkeit dM /dt ansetzt, lässt sich berechnen, dass die Schwingungsamplitude exponentiell mit der Zeit abnimmt (Abb. M.2.3.2). Ist das Verhältnis einer Amplitude zur nächstfolgenden kleiner als 2, wird die Schwingungsdauer der gedämpften Schwingung nur um weniger als 1% größer als die der ungedämpften. Aus diesem Grunde können zur Berechnung der Trägheitsmomente in guter Näherung die Gleichungen für ungedämpfte Schwingungen verwendet werden. Gegeben sei nun ein starrer Körper mit einer beliebigen Drehachse A. Ein Punkt der Achse wird als Ursprung eines rechtwinkligen Koordinatensystems mit den Einheitsvektoren i, j, k gewählt (Abb. M.2.5.1). In diesem System hat der Einheitsvektor e der Drehachse die Komponenten (Richtungskosinus) D, E, J: e Di E j J k , e e e 2 Ein beliebiges Massenelement dm des Körpers habe den Ortsvektor r x i y j z k . 0 i 2 2 2 2 gilt. Das Trägheitsmoment IA des Körpers, bezogen auf die gegebene Achse A, ist ³ l dm ³ r 2 IA 2 e dm ³ r e dm 2 2 oder ³ x y z D E J dm ³ xD y E zJ dm . 2 IA 2 2 2 2 2 2 Ordnet man nach den Komponenten des Einheitsvektors e der Drehachse, wird D 2 ³ y 2 z 2 d m E 2 ³ z 2 x 2 dm IA J 2 ³ x 2 y 2 dm 2 D E ³ x y dm E J ³ y z dm J D ³ z x dm . ³ y ³x 2 z 2 dm 2 y 2 dm I xx , ³ z 2 x 2 dm I yy , I zz I xy , ³ y z dm I yz , ³ z x dm I zx bezeichnet man als Trägheitsprodukte. Damit wird l ψ j r e r e ³ x y dm y e 2 r r cos 2M sind die Trägheitsmomente des Körpers bezogen auf die drei Achsen des Koordinatensystems. Die Größen A k 2 r sin 2M l2 Die Ausdrücke 1 D2 E2 J 2 . z Der senkrechte Abstand des Massenelements von der Achse A sei l, so dass dm IA D 2 I xx E 2 I yy J 2 I zz 2 D E I xy E J I yz J D I zx . r x Abb. M.2.5.2 Drehung eines Körpers um eine feste Achse (körperfestes x y z - System) (89) Gl. (89) sagt aus: Wenn man die drei Trägheitsmomente, bezogen auf die Achsen eines Koordinatensystems und die drei Trägheitsprodukte kennt, kann man das Trägheitsmo- 2.5 Trägheitsmomente 65 ment für jede durch den Nullpunkt des Systems gehende Achse angeben. Auf der Drehachse soll vom Nullpunkt aus die Größe R 1 IA2 X aufgetragen, d. h., es soll der Vektor R IA 1 2 Diese Betrachtungen gelten z. B. für den in Abb. M.2.5.3 skizzierten Körper mit Uförmigem Profil. Der Ursprung des Koordinatensystems soll im Massenmittelpunkt liegen. Y e RD i R E j R J k [ i K j ] k dargestellt werden. Multipliziert man Gl. (89) mit R2, erhält man für die Komponenten [, K und ] des Vektors R [ 2 I xx K 2 I yy ] 2 I zz 2 [K I xy K ] I yz ] [ I zx 1 . (90) Gl. (90) stellt eine Fläche im Raum dar. Da das Trägheitsmoment IA für keine Drehachse verschwindet, bleibt der Vektor R stets endlich. Die Fläche ist also ein (körperfestes) Ellipsoid, das Trägheitsellipsoid. Durch eine Hauptachsentransformation (Drehung des Koordinatensystems um den Nullpunkt) kann man Gl. (90) in die Form Ix X 2 I y Y 2 Iz Z 2 1 (91) bringen. Ix, Iy, Iz bezeichnet man als Hauptträgheitsmomente, die Achsen des neuen Koordinatensystems X, Y, Z als Hauptträgheitsachsen und die durch die Achsen gebildeten Ebenen als Hauptträgheitsebenen. Die Verhältnisse werden wesentlich einfacher, wenn der Körper homogen und z. B. die xy-Ebene des Koordinatensystems eine Symmetrieebene ist. In diesem Falle verschwinden die Trägheitsprodukte Iyz und Izx, und die Hauptachsentransformation wird durch eine Drehung des Koordinatensystems um die zAchse erreicht. Hat der Körper noch zusätzlich eine Symmetrieebene, die senkrecht auf der xy-Ebene steht (z. B. die xz-Ebene des Koordinatensystems), dann verschwindet auch Ixy. Die Achsen des Koordinatensystems x, y, z sind also bereits Hauptträgheitsachsen. Z Abb. M.2.5.3 Hauptträgheitsmomente eines Körpers mit U-Profil, Hauptträgheitsachsen als Koordinatenachsen gewählt (schematisch) Versuchsausführung Zunächst werden die Masse m und der Radius R des Zylinders bestimmt. Danach erfolgt die Berechnung der Trägheitsmomente IK mit Hilfe der Gl. (83) für die mit dem Drehtisch realisierbaren Abstände s (jeweils acht Abstände links (s) und rechts (+s) von der Drehachse entfernt). Vor Beginn der Periodendauermessungen ist der Drehtisch zu justieren. Die Messung der Werte für T, T0 und Ts erfolgen mit einer Gabellichtschranke und einem Digitalzähler. Das Trägheitsmoment des Drehtisches IT ergibt sich aus Gl. (87) und das Direktionsmoment D aus Gl. (88). Die Trägheitsmomente Is werden nach Gl. (84) berechnet und über s2 graphisch dargestellt. In den Graphen werden anschließend die nach Gl. (85) ermittelten Werte Is eingetragen. Wenn die Abweichungen dieser Punkte von der Geraden kleiner als die Messunsicherheiten sind, ist die Gültigkeit des Steiner’schen Satzes experimentell nachgewiesen. Bei Aufgabe 2 sollen die drei Hauptträgheitsmomente eines homogenen Körpers mit zueinander senkrechten Symmetrieebenen für den Massenmittelpunkt experimentell bestimmt werden. 3 Deformationsverhalten 66 Mechanik Zur Bestimmung der verschiedenen Trägheitsmomente des Körpers verwendet man einen Drehtisch, dessen Trägheitsmoment I und Direktionsmoment D bekannt sind. Die an den Körper zusätzlich angebrachten kleinen Stifte dienen dazu, den Körper in definierten Lagen auf dem Drehtisch zu befestigen. Es sind die Periodendauern für jede der drei möglichen Rotationsachsen analog zu Aufgabe 1 für verschiedene Positionen des Körpers (sx,i, sy,i, sz,i) auf dem Drehtisch zu messen. Daraus lassen sich die Trägheitsmomente Ix,i, Iy,i und Iz,i berechnen. Diese sind in Abhängigkeit von s graphisch darzustellen und aus den drei Kurven ermittelt man die Minima (vgl. Abb. M.2.5.4). Es gilt: Min ( I x ,i ) I xx = I X , Min ( I y ,i ) I yy = IY , Min ( I z ,i ) I zz = I Z . Ix,i 3 Deformationsverhalten 3.0 Grundlagen Jeder Festkörper erfährt unter dem Einfluss einer mechanischen Spannung Deformationen. Bei hinreichend kleiner Spannung ist die Deformation in der Regel elastisch, d. h., der Körper nimmt nach der Entlastung seine ursprüngliche Gestalt wieder an. Überschreitet die Spannung dagegen einen bestimmten Wert, können Fließerscheinungen zu bleibenden Volumen- oder Formänderungen führen. Dann nennt man die Deformation unelastisch oder plastisch. Das elastische Verhalten homogener, isotroper fester Körper wird durch vier Materialgrößen charakterisiert: den Elastizitätsmodul E, die Poisson’sche Zahl ȝ, den Torsionsoder Schubmodul G und den Kompressionsmodul K. Wenn man sich auf den eindimensionalen Fall beschränkt, wird der Elastizitätsmodul durch das Hooke’sche Gesetz in der Form V Ixx 0 sx,i Abb. M.2.5.4 Beispiel zur Bestimmung des Hauptträgheitsmoments Ixx = IX Damit ist das Trägheitsellipsoid Gl. (91) für den Massenmittelpunkt des Körpers vollständig bestimmt. Außerdem lässt sich die Lage des Massenmittelpunkts angeben. Diese und die zugehörigen drei Hauptträgheitsmomente des Körpers in Abb. M.2.5.3 können auch berechnet werden. EH (1) definiert. Gl. (1) besagt, dass bei hinreichend kleiner Deformation die Zugspannung V der Dehnung H proportional ist (typisch für Metalle, Glas, Keramik). Dabei ist die Zugspannung die senkrecht zum Querschnitt A des Körpers angreifende Kraft FZ (Abb. M.3.0.1) geteilt durch diesen Querschnitt: V FZ . A (2) Als Dehnung bezeichnet man das Verhältnis der Längenänderung 'l zur ursprünglichen Länge l: H ǻl . l (3) Die Poisson’sche Zahl ist der Quotient der 3.0 Grundlagen 67 relativen Querverkürzung 'R/R und der Dehnung H = 'l/l (Abb. M.3.0.1): P 'R 1 R H 'R l . R 'l (4) FZ gleichmäßigen Druck p, d. h. bei einer negativen mechanischen Spannung, das Volumen V. Wenn der Druck um den kleinen Wert 'p variiert wird, ändert sich das Volumen um 'V. Bei einer Druckerhöhung nimmt das Volumen ab, bei einer Druckerniedrigung zu. Der Quotient 'p /'V ist also stets negativ. Zur Charakterisierung der Kompression eines festen Körpers dient der Kompressionsmodul K: K l V dp dV (7) Den Kehrwert des Kompressionsmoduls bezeichnet man als Kompressibilität N ­ 1 'V ½ 1 dV lim ® . ¾ dp ' V p V ¯ ¿ (8) 'p o 0 Δl A FS FZ 2(R-ΔR) 2R α Abb. M.3.0.1 Deformation eines Zylinders durch eine Zugkraft Wenn auf die obere Deckfläche eines Würfels, dessen Bodenfläche festgehalten wird, eine nicht zu große Kraft FS in der in Abb. M.3.0.2 dargestellten Richtung wirkt, ist der Scherwinkel D der Schubspannung W proportional: W GD . (5) Den Proportionalitätsfaktor G nennt man Schub- oder Torsionsmodul, und die Schubspannung ist das Verhältnis der Scherkraft FS zum Querschnitt A des Würfels: W FS . A Abb. M.3.0.2 Deformation eines Würfels durch eine Scherkraft Aus den Definitionsgleichungen (1), (5) und (7) folgt, dass die Größen E, G, und K die Dimension eines Drucks haben. Ihre kohärente Einheit ist das Pascal: 1 Pa = 1 N m -2 . Mit der Elastizitätstheorie können außerdem die Zusammenhänge zwischen den Größen E, G, K und P begründet werden: P E 1 , 2G K E . 3 1 2 P (6) Ein fester Körper habe bei einem allseitig (9) (10) 3 Deformationsverhalten 68 Mechanik Falls man z. B. den Elastizitätsmodul und den Torsionsmodul experimentell bestimmt hat, können die Poisson’sche Zahl und der Kompressionsmodul aus den Gln. (9) und (10) berechnet werden. 3.1 Elastizitätsmodul Das Verhalten fester Körper bei Zugbeanspruchung wird in der Technik mit Hilfe spezieller Werkstoffprüfmaschinen (z. B. Zugprüfmaschinen) untersucht. Der Stab wird an einem Ende starr mit dem Ständer der Maschine verbunden und am anderen Ende greift eine Zugkraft FZ in Richtung der Stabachse an, so dass die Materialprobe gedehnt wird. Zur Messung der Längenänderung 'l und der Zugkraft verwendet man bei modernen Prüfmaschinen geeignete elektronische Sensoren, die über ein Interface mit einem Rechner gekoppelt werden. Damit ist die direkte Aufnahme eines 'l-Fz-Diagramms möglich. Um das Verhalten verschiedener Stoffe und von Proben mit unterschiedlichen Abmessungen bei Zugbeanspruchung vergleichen zu können, werden die Zugkraft FZ auf den Querschnitt A der Probe und ihre Verlängerung 'l auf die Anfangslänge l bezogen. Man geht also zu V (Gl. (2)) und H (Gl. (3)) über und stellt den Zusammenhang zwischen beiden Größen in einem Spannungs-Dehnungs-Diagramm dar, das für Metalle beispielsweise den in Abb. M.3.1.1 schematisch dargestellten Verlauf hat. Im Intervall 0 < V < V1 gilt das Hooke’sche Gesetz (Gl. (1)). Punkt 1 wird als Proportionalitätsgrenze bezeichnet, und der Elastizitätsmodul ergibt sich aus der Steigung der so genannten Hooke’schen Geraden zu E 'V . 'H (11) Im linearen Bereich des Diagramms nehmen die Probekörper nach einer Entlastung ohne Verzögerung ihre ursprüngliche Länge wieder an; die Stoffe verhalten sich hier elas- tisch. Im Intervall V1 < V < V2 bilden sich die Verformungen zwar auch noch zurück, wenn die Zugspannung aufgehoben wird, doch geschieht dies allmählich. Man beobachtet eine elastische Nachwirkung (Viskoelastizität), außerdem sind Spannung und Dehnung einander nicht mehr proportional. Punkt 2 des Diagramms wird Elastizitätsgrenze genannt. Sie kann weder streng definiert noch bestimmt werden und wird deshalb bei Metallen oft willkürlich als die zu einer bestimmten Dehnung gehörende Spannung festgelegt (technische Elastizitätsgrenze). σ 3 σZ 2 σ2 σ1 B 1 0 εZ εB ε Abb. M.3.1.1 Spannungs-Dehnungs-Diagramm bei Zugbeanspruchung (schematisch) Oberhalb des Punkts 2 werden die Proben irreversibel verformt. Hier sind die Stoffe plastisch, und das Spannungs-DehnungsDiagramm kann wegen strukturbedingter Fließ- und Verfestigungsprozesse kompliziert aussehen. Die höchste nominelle Spannung (Zugkraft FZ bezogen auf den Anfangsquerschnitt A0) wird Zugfestigkeit VZ genannt. Oberhalb der entsprechenden Dehnung HZ beginnt die Probeneinschnürung, die im Punkt B (Bruchdehnung HB) zum Zerreißen der Probe führt. Im oberen plastischen Bereich der Deformation schnüren sich die Zerreißproben an einer Stelle merklich ein. 3.1 Elastizitätsmodul Wird diese Querkontraktion berücksichtigt und die Zugkraft FZ jeweils auf den tatsächlichen Querschnitt der Probe bezogen, steigt die Kurve bis zum Bruch der Probe (gestrichelter Kurvenverlauf in Abb. M.3.1.1, auf die jeweilige aktuelle Querschnittsfläche der Probe bezogene Zugspannung). Einige Werkstoffe (z. B. gehärteter Kohlenstoffstahl) zerreißen bereits im oder am Ende des elastischen Bereichs, sie sind spröde. Andere Materialien werden bei Raumtemperatur schon bei den geringsten Belastungen plastisch verformt. Bei ihnen ist der elastische Bereich unterdrückt. Das deformationsmechanische Verhalten der Werkstoffe hängt außerdem von den äußeren Bedingungen während der Beanspruchung ab. So werden Metalle bei höheren Temperaturen plastischer (Schmieden, Walzen und Pressschweißen), bei tiefen Temperaturen werden sie elastischer, sogar spröde. Letzteres gilt auch bei einer mit hoher Geschwindigkeit erfolgenden Deformation. Demnach gibt es keine deformationsmechanischen Materialkonstanten im strengen Sinne. Für die Werkstoffprüfung müssen Prüfverfahren und -bedingungen vereinbart werden, durch die die Stoffgrößen dann definiert sind. 3.1.1 Dehnung Aufgabenstellung Der Elastizitätsmodul E verschiedener Metalle soll aus der Dehnung von Drähten bestimmt werden. Ein Draht sei an einem Ende eingespannt, während am anderen Ende eine Zugkraft F0 angreift. Diese wird so groß gewählt, dass der Draht straff gespannt ist. Am Draht sind zwei Marken 1 und 2 angebracht, die bei der Belastung F0 den Abstand l haben sollen. Beide Marken werden mit je einem Mikroskop beobachtet. Die Mikroskopständer dürfen während des Versuchs nicht verschoben werden. Dagegen soll sich jedes Mikroskop relativ zu seinem Ständer mit Hilfe 69 einer Messschraube parallel zu dem zu untersuchenden Draht bewegen lassen, so dass man nach Vergrößerung der Zugkraft die Verschiebung der beiden Marken messen kann. Versuchsausführung Man belastet den Draht mit der Zugkraft F0 und misst den Abstand l. Der Drahtdurchmesser 2r ist an etwa zehn verschiedenen Stellen zwischen den Marken zu bestimmen. Zur Berechnung des Querschnittes wird der arithmetische Mittelwert r verwendet. Die beiden Messschrauben werden auf null gestellt und es wird die Lage von Marke 1 bzw. Marke 2 an den Okularskalen der Mikroskope abgelesen. Nach zusätzlicher Belastung des Drahts mit der Zugkraft Fz sind die Messschrauben so zu stellen, dass die beiden Marken mit den gleichen Teilstrichen der Okularskalen wie vor der Belastung zur Deckung kommen. Die Differenz der Messschraubeneinstellung ist die der Zugkraft Fz entsprechende Verlängerung 'l. Man berechnet die Zugspannung V nach Gl. (2), die Dehnung H nach Gl. (3) und wiederholt die Messung bei mehreren verschieden großen Zugkräften. V ist über H graphisch darzustellen. Der Elastizitätsmodul E ergibt sich aus dem Anstieg der Ausgleichsgeraden nach Gl. (11). Der Versuch ist mit einem Draht aus anderem Material zu wiederholen. Es ist zu beachten, dass die Drähte keine Knicke haben dürfen. 3.1.2 Biegung Aufgabenstellung 1. Der Elastizitätsmodul E von zwei verschiedenen Metallen ist aus der Biegung von Stäben zu ermitteln. 2. Es sind für zwei Rohre aus gleichem Material mit gleichem Außendurchmesser aber unterschiedlicher Wanddicke die Flächenträgheitsmomente aus der Biegung bei zweiseitiger Auflage zu bestimmen. Mit dem 3 Deformationsverhalten 70 Mechanik gegebenen Wert für den Elastizitätsmodul sind die Biegesteifigkeiten zu berechnen und zu diskutieren. Gegeben sei ein homogener Stab (Dichte U, Querschnitt A), der auf zwei Schneiden (Abstand l) liegt. Jede der beiden Schneiden ist dadurch mit der Kraft 0,5 F0 belastet. Das Gewicht des Stabs F0 kann unter der Voraussetzung, dass die Stablänge mit dem Schneidenabstand übereinstimmt, als F0 gUAl (12) geschrieben werden. Der Stab ist infolge der Wirkung seines Gewichts auch ohne zusätzliche Belastung etwas gebogen. Lässt man in der Mitte zwischen den Auflagen senkrecht zur Stabachse eine Kraft F angreifen, wird die Durchbiegung vergrößert. a) Schichten des Stabs zusammengedrückt und die unteren gedehnt. Im Inneren gibt es eine Schicht, deren Länge sich nicht ändert. Diese Schicht bezeichnet man als neutrale Faser. Die Gleichung der neutralen Faser y(x) kann unter Erfüllung folgender Voraussetzungen berechnet werden: 1.Das Hooke’sche Gesetz Gl. (1) gilt . 2. Ein ebener Querschnitt des Stabs bleibt bei allen auftretenden Belastungen eben . 3.Die Durchbiegung ist so klein, dass für alle vorkommenden Werte von x der Betrag der Ableitung dy/dx sehr klein gegen 1 ist . Auf den Stabquerschnitt an der Stelle x (Abb. M.3.1.2b und Abb. M.3.1.3) wirkt ein Drehmoment im Uhrzeigersinn gUA M1 l x 2 ³ 0 l l 2 w dw ³ K V K dA . (13) A dl dϕ g ρAdl F b) r y w dw 1 (F+F ) 0 2 x x ξ g ρAdw η l 2 Abb. M.3.1.2. Gleichwertige Anordnungen zur Untersuchung der Biegung Abb. M.3.1.2 zeigt zwei Anordnungen zur Untersuchung der Biegung. Diese sind gleichwertig, wenn beide Stäbe aus dem gleichen Metall bestehen und den gleichen konstanten Querschnitt A haben. Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf die Anordnung in Abb. M.3.1.2b, bei der die in der Mitte des Stabs angreifende Kraft nach oben wirkt. Dadurch werden die oberen neutrale Faser ξ Schichtquerschnitt dA ξ+dξ ση Abb. M.3.1.3. Deformiertes Volumenelement als Folge der Biegung (stark vergrößert) Für die Normalspannung VK (Abb. M.3.1.3) gilt nach dem Hooke’schen Gesetz VK E HK E d[ [ E K r . (14) Dabei sind HK die relative Dehnung sich einer im Abstand K von der neutralen Faser befindenden Schicht, r der Krümmungsradius der 3.1 Elastizitätsmodul 71 neutralen Faser an der Stelle x und E der Elastizitätsmodul. Das beim Einsetzen von Gl. (14) in Gl. (13) entstehende Integral IK ³K 2 dA (15) A bezeichnet man als (axiales) Flächenträgheitsmoment. Seine Dimension ist Länge4 (Einheit m4). Für einige Stabprofile sind die Berechnungsformeln für das Flächenträgheitsmoment im Anhang A.14 dargestellt. Die Biegesteifigkeit B ergibt sich als Produkt aus dem Elastizitätsmodul des Materials und dem Flächenträgheitsmoment (B = E IK ). Wenn man das erste Integral in Gl. (13) löst und Gl. (15) verwendet, erhält man 2 1 §l · E g U A ¨ x ¸ IK . r 2 2 © ¹ M1 (16) Die Kraft 0,5 (F + F0) übt auf den Querschnitt an der Stelle x (Abb. M.3.1.2b) ein Drehmoment im mathematisch positiven Sinne der Stärke 1§l · ¨ x ¸ F F0 2©2 ¹ M2 (17) Nach Voraussetzung 3 soll d y / d x vernachlässigbar klein gegen 1 sein. In dieser 1 d2 y r 2. Näherung gilt r dx Die Integration der Gleichung 2 d2 y dx 2 1 F l 2x 4 ­°§ l · 2 ½° 1 g U A ®¨ ¸ x 2 ¾ 2 ¯°© 2 ¹ ¿° r E IK liefert bei Berücksichtigung der Randbedindy gungen x 0 y 0 0 die Gleichundx gen r E IK 1 F l x x2 4 ­°§ l ·2 1 1 °½ g U A ®¨ ¸ x x3 ¾ , 2 3 °¿ °¯© 2 ¹ 1 F l 2 x 4 ­°§ l ·2 ½° 1 g U A ®¨ ¸ x 2 ¾ . 2 ¯°© 2 ¹ ¿° (18) Die Größe 1/r ist die Krümmung der neutralen Faser an der Stelle x. Aus der Theorie der Berührung höherer Ordnung folgt für die Krümmung einer Kurve y(x) 1 r r d2 y dx 2 ª §dy · º «1 ¨ ¸ » dx ¹ » ¬« © ¼ 2 32 . dy dx (19) 1 § l 2 1 3· F¨ x x ¸ 4 ©2 3 ¹ r E IK y aus. Im Gleichgewichtsfall gilt M 1 M 2 . Aus den Gln. (16) und (17) folgt bei Verwendung von Gl. (12) 1 E IK r (18a) ­°§ l ·2 1 1 ½° g U A ®¨ ¸ x 2 x 4 ¾ . 4 6 ¿° ¯°© 2 ¹ (20) Da im vorliegenden Falle y(x) im Intervall 0 < x < l/2 positiv ist, muss in den Gln. (18a) bis (20) das positive Vorzeichen verwendet werden. Die Funktion der neutralen Faser hat an der Stelle x = l/2 sowohl die größte Steigung als auch den größten Funktionswert. Mit M | tan M dy ( x l / 2) dx folgt aus Gl. (19) E IK M 1§ 2 2 3· ¨ F l g U A l ¸ bzw. 16 © 3 ¹ 3 Deformationsverhalten 72 Mechanik M 2 · § l 2 ¨ F F0 ¸ 3 ¹ © . 16 E IK (21) Mit Gl. (20) ergibt sich für x = l/2 E IK s 1 § 3 5 4· ¨Fl g U A l ¸ 48 © 8 ¹ und man erhält für den Biegepfeil s s Versuchsausführung 5 · § l 3 ¨ F F0 ¸ 8 © ¹ . 48 E IK (22) Im Experiment ist der Stab zunächst mit einer Schale (Masse ms) belastet, die zur Aufnahme von Wägestücken dient. Man erhält den Winkel M0 bzw. den Biegepfeil s0, indem man in den Gln. (21) und (22) F ms g setzt. Anschließend wird auf die Schale ein Wägestück der Masse m gelegt. Der Winkel M ergibt sich aus Gl. (21), der Biegepfeil s aus Gl. (22) mit F (ms m) g . Gemessen werden die Differenzen M - M0 oder s - s0. Dafür können die Gln. (21) und (22) umgeformt werden: E l 2 mg , 16 IK M M0 (21a) l mg . 48IK s s0 (22a) Das Gewicht des Stabs und das der Schale müssen demzufolge nicht bekannt zu sein. Um den Elastizitätsmodul E angeben zu können, muss man das Flächenträgheitsmoment IK für den Querschnitt berechnen. Voraussetzung für die Berechnung ist, dass man die Lage der neutralen Faser kennt. Es gilt ³ V K dA 0 oder ³K dA 0 nach Gl. (15), A Bei Aufgabe 1 wird der zu untersuchende Stab so auf die Schneiden gelegt, dass die Enden des Stabs nur wenig überstehen (Abb. M.3.1.2) und der Abstand l zwischen den Schneiden gemessen. Danach wird die Schale zur Aufnahme der Wägestücke in der Mitte zwischen den Schneiden an den Stab gehängt. Man misst den Biegepfeil s0 z. B. mit einer Messuhr oder einem elektronischen Sensor (Wegaufnehmer). In gleicher Weise sind die Biegepfeile si nach Belastung der Schale mit Wägestücken der Masse mi (i = 1, 2, ..., n) zu bestimmen. Zur graphischen Auswertung wird die Kraft über den Biegepfeil dargestellt. Der gesuchte Elastizitätsmodul E ergibt sich nach Gl. (22) mit dem Anstieg ( 'F / 's ) der Ausgleichsgeraden: E 3 E weder verlängert noch verkürzt. Daraus folgt, dass der Massenmittelpunkt des Stabs in der neutralen Faser liegen muss. Hat der unbelastete Stab senkrecht zur Biegekraft eine Symmetrieebene, stellt die Symmetrieebene die neutrale Faser dar. Beispiele für diesen Fall sind Stäbe mit rechteckigem oder kreisförmigem Querschnitt, Rohre und I-Träger. Für Uoder T-Träger (Biegekraft nach oben oder unten) muss die Lage der neutralen Faser berechnet werden. A da sich der Stab bei der Biegung insgesamt l 3 'F / 's . 48 IK (23) Wenn statt des Biegepfeils s der Winkel M gemessen werden soll, befestigt man an einem Ende des Stabs einen kleinen Spiegel. Eine senkrecht stehende Skala wird über den Spiegel durch ein Fernrohr mit Visierlinie beobachtet. Anstelle eines Fernrohres kann man auch die Reflexion eines Laserstahls (Durchmesser < 1mm) nutzen, dessen reflektierter Strahl als kleiner Lichtfleck auf der Skala beobachtet werden kann. In diesem Fall sind die Sicherheitsbestimmungen beim Umgang mit Laserlicht zu beachten. 3.1 Elastizitätsmodul 73 Der Abstand L zwischen Spiegel und Skala wird gemessen. Ist der Stab nur mit der Schale belastet, wird am Maßstab der Skala der Wert z0 abgelesen, bei zusätzlicher Belastung mit einem Wägestück der Masse mi der Wert zi (i = 1, 2, ... , n). Dann gilt 2 M i M 0 | tan 2M i tan 2M 0 zi z 0 . l 2 'F / 'M 16 IK . (24) Die Gleichung zur Berechnung des Flächenträgheitsmoments IK für unterschiedliche Stabquerschnitte kann der Tabelle A.14 im Anhang entnommen werden. Alle zur Berechnung von IK benötigten Längen sind mit mechanischen Messwerkzeugen zu bestimmen. Ergänzend zur zweiseitigen Auflage kann einer der flachen Stäbe bei einseitiger Einspannung vermessen werden (Abb. M.3.1.4). TS l0 x se mit dem Korrekturterm CK Abb. M.3.1.4 Zur Messung der Biegung eines einseitig eingespannten Stabs (schematisch), Taststift TS In diesem Fall wirkt die Gewichtskraft F am freien Ende des Stabs der Länge l0 und in ­ x2 1 4 ½ 1 x ¾ , g U A ®l0 2 4 2 6 ¿ ¯ der die Eigenmasse des Stabs berücksichtigt. Kann der Korrekturterm CK vernachlässigt werden, ergibt sich für den Biegepfeil se = ye(x) im Abstand x vom Befestigungspunkt des Stabs se F 2 E IK § 2 1 3· ¨ l0 x x ¸ . 3 ¹ © (25) Besonders einfach wird Gl. (25), wenn der Biegepfeil unmittelbar am Ende (x = l0) des einseitig eingespannten Stabs gemessen werden kann: se F l03 . 3 E IK (25a) Nach dem Einspannen des Stabs misst man den Abstand x und die Stablänge l0, anschließend den Biegepfeil se mit einer Messuhr oder einem induktiven Wegaufnehmer in Abhängigkeit von der Belastung F am Ende des Stabs. Die Auswertung soll graphisch unter Verwendung des Anstiegs der Ausgleichsgeraden mit Hilfe eines se(F )Diagramms erfolgen: d se dF F 1 § 2 1 3· F ¨ l0 x x ¸ CK (20b) 2 © 3 ¹ E IK ye ( x) L Man stellt Fi = mi g über ǻMi Mi M0 dar und aus dem Anstieg der besten Geraden 'F/'M kann der gesuchte Elastizitätsmodul E ermittelt werden: E Analogie zur Herleitung der Gl. (18) folgt: l0 x 2 x3 3 . 2 E IK Mit den zu messenden Werten für l0 und x sowie dem Wert für IK kann der Wert des Elastizitätsmoduls bestimmt werden. Bei Aufgabe 2 ist für zwei Metallrohre aus demselben Material mit gleichem Außenradius aber verschiedenen Innenradien die Abhängigkeit F(s) zu messen und graphisch 3 Deformationsverhalten 74 Mechanik darzustellen. Bei bekanntem Wert für den Elastizitätsmodul des Rohrmaterials ist nach der Bestimmung des Anstiegs der Ausgleichsgeraden unter Anwendung von Gl. (23) das Flächenträgheitsmoment für beide Rohre zu bestimmen. Danach berechnet man die Biegesteifigkeit der beiden Rohre und diskutiert den Einfluss der unterschiedlichen Innenradien (Wanddicken) auf die Biegesteifigkeit auch im Vergleich zu einem entsprechenden Vollstab. Bei Verwendung einer mechanischen Messuhr zur Messung des Biegepfeils ist ggf. die Federkraft FF, mit der der Taststift auf den Stab wirkt, zu berücksichtigen. In diesem Fall muss zur Kraft F noch die Kraft FF = c (xa-x) addiert werden, wobei x den gespannten und xa den nicht gespanntem Zustand beschreibt. Die Größe von x hängt von der Größe des Biegepfeils ab. Die Federkonstante c kann mit der im Versuch M.3.3 beschriebenen Methode bestimmt werden. dFS G rc M 2ʌ r c d r c . l Durch Multiplikation mit dem Hebelarm rc geht die Schubkraft in das Drehmoment über: 2ʌ G M r c3 dr c . l dM dr' r' α l ϕ 3.2 Torsionsmodul Der Torsionsmodul G lässt sich aus Untersuchungen an verdrillten Stäben mit kreisförmigem Querschnitt bestimmen. Gegeben sei ein einseitig eingespannter Stab, dessen Länge l groß gegen den Radius r sein soll. Betrachtet man im Stabinneren einen koaxialen Hohlzylinder mit dem Radius rc und der Dicke drc (Abb. M.3.2.1) und lässt am freien Ende peripher eine Schubkraft dFs angreifen, wird eine ursprünglich senkrechte Faser des Zylindermantels um den Scherwinkel D gedreht. Für den Bogen s r c M gilt unter der Voraussetzung D 1 in guter Näherung s l D . Damit folgt nach Gl. (5) W GD G rc M . l Das Produkt aus der Schubspannung W und dem Querschnitt des Hohlzylinders ist die Schubkraft s Abb. M.3.2.1 Torsion eines Zylinders Das resultierende Drehmoment erhält man durch Integration M ³ dM r 2ʌ G M ³ r c3dr c , l 0 über alle Hohlzylinder und es folgt M ʌ G r4 M . 2l (26) Wenn zur Verdrillung des Stabs ein großes Drehmoment erforderlich ist, empfiehlt sich eine statische Bestimmung des Torsionsmoduls. Liegt dagegen das zu untersuchende Material als Draht vor, wird der Torsionsmodul zweckmäßigerweise mit einer dynamischen Messmethode ermittelt. 3.2 Torsionsmodul 75 oder für D 1 folgt 3.2.1 Statische Messmethode Aufgabenstellung M Der Torsionsmodul von Stäben aus verschiedenem Material soll statisch bestimmt werden. Die Ergebnisse sind mit den Werten im Anhang A.7 zu vergleichen. Das nicht eingespannte Ende eines Stabs wird starr mit einer zylindrischen Scheibe (Radius R) verbunden. Dabei sollen Stabund Scheibenachse übereinstimmen. Wenn man nun die Schubkraft Fs in der in Abb. M.3.2.2 dargestellten Weise an der Scheibe angreifen lässt, ist das auf den Stab übertragene Drehmoment M (27) R Fs . Aus den Gln. (26) und (27) erhält man für den Torsionsmodul G= 2 l R Fs . ʌ r4 M (28) An das freie Ende des Stabs wird ein Spiegel befestigt. Ein auf den Spiegel fallender Laserstrahl soll nach der Reflexion auf eine Skala treffen, die den senkrechten Abstand L vom Spiegel hat. 0,5 Fs 2R 0,5 Fs Abb. M.3.2.2 Wirkung der Schubkraft bei der statischen Methode Dreht sich die mit dem Stab verbundene Scheibe um den Winkel M, wird der Lichtpunkt des Lasers auf der Skala um die Strecke x verschoben. Dann gilt tan 2M x L, (29) x . 2L (29a) Versuchsausführung Man misst die Stablänge l, die Durchmesser 2r bzw. 2R des Stabs bzw. der Scheibe sowie den Abstand L zwischen Spiegel und Skala. Anschließend sind die Werte x1, x2, ..., xn für n verschieden große Schubkräfte zu ermitteln. Die zugehörigen Winkel M1, M2, ..., Mn ergeben sich aus Gl. (29) bzw. Gl. (29a). Man bestimmt den arithmetischen Mittelwert aller Quotienten Fs i /M i und berechnet den Torsionsmodul aus Gl. (28). Der Versuch ist mindestens mit einem Stab aus anderem Material zu wiederholen. Die für die betreffende Laserschutzklasse gültigen Sicherheitsbestimmungen liegen am Arbeitsplatz aus und müssen strikt eingehalten werden. 3.2.2 Dynamische Messmethode Aufgabenstellung 1. Der Torsionsmodul eines Drahts soll dynamisch bestimmt werden. 2. Das Trägheitsmoment eines Quaders in Bezug auf eine gegebene Drehachse durch den Schwerpunkt ist mit Hilfe von Drehschwingungen zu ermitteln. Ein Draht habe die Länge l und den Radius r. Das obere Ende sei eingespannt, das untere mit einer zylindrischen Scheibe belastet. Dreht man die Scheibe um den Winkel M 0 aus ihrer Ruhelage und lässt sie zum Zeitpunkt t = 0 los, führt das System unter der Wirkung der elastischen Kräfte des verdrillten Drahts Torsionsschwingungen aus (M.2.0.1). Bei einem Auslenkwinkel M ist der Betrag des rücktreibenden Drehmoments durch Gl. (26) gegeben. Die Größe D ʌ G r4 2l (30) 3 Deformationsverhalten 76 Mechanik ist das Direktionsmoment des Torsionspendels. Bezeichnet man mit J das Trägheitsmoment des Systems, lautet nach Gl. (M.2-18) die Bewegungsgleichung J d 2M dt2 D M , und für die (Gl. (M.2- 23)): T J D 2ʌ (31) Schwingungsdauer . gilt (31a) Ist das Trägheitsmoment J bekannt, kann der Torsionsmodul G aus den Gln. (30) und (31a) bestimmt werden. Im Allgemeinen lässt sich aber das Trägheitsmoment des Systems (Draht, Scheibe und Befestigungsvorrichtung) nicht berechnen. Aus diesem Grunde ist es notwendig, J zu eliminieren. Dazu schraubt man einen Zylinder (Masse m, Radius R) so an die schon vorhandene Scheibe, dass die Achse des Zylinders mit der Drahtachse übereinstimmt. Das Trägheitsmoment des Torsionspendels vergrößert sich dadurch um den Anteil J1 1 m R2 2 und die Schwingungsdauer wird T1 J J1 D 2ʌ . (31b) Wenn man die Gln. (31a) und (31b) quadriert und anschließend voneinander abzieht, ergibt sich für das Direktionsmoment 2 D 4ʌ J1 T12 T 2 2 2 2ʌ m R T12 T 2 . (32) 4ʌ lmR 2 . r 4 T12 T 2 Die Masse m und der Durchmesser 2R des Zylinders sowie die Länge l und der Durchmesser 2r des Drahts werden bestimmt. Der Drahtdurchmesser ist an verschiedenen Stellen zu messen. In Gl. (33) soll der arithmetische Mittelwert des Radius r verwendet werden. Die Schwingungsdauern T, T1 und T2 (siehe unten) können mit einer elektronischen Messanordnung (Lichtschranke, Digitalzähler) oder manuell mit einer digitalen Stoppuhr gemessen werden. Im letzteren Fall stoppt man mehrfach die Zeit für je 50 Schwingungen, um die Messunsicherheit zu verringern. Der Torsionsmodul G ergibt sich aus Gl. (33). Als Versuchskörper in Aufgabe 2 wird ein flacher Quader verwendet (Länge a, Breite b, Dicke c, a, b c , Masse M). Die Massen der Zusatzscheibe und des Versuchskörpers werden gegeben, die geometrischen Abmessungen sind selbst zu ermitteln. Zur Bestimmung des Trägheitsmoments J2 des Versuchskörpers aus den durchgeführten Messungen verwendet man J2 G r4 2 T2 T 2 , 8l ʌ (34) die unmittelbar aus den Gln. (30) und (32) folgt. T2 bezeichnet die Schwingungszeit für das System Grundscheibe mit Versuchskörper. Zur theoretischen Berechnung von J2 geht man von der Definition des Trägheitsmoments (M.2.0.1) aus und berechnet das Integral zweckmäßigerweise unter Zugrundelegung kartesischer Koordinaten: a2 J2 U b2 c2 ³ ³ ³ x a 2 b 2 2 y 2 dx dy dz . c 2 Daraus folgt nach wenigen Rechenschritten für das gesuchte Trägheitsmoment eines flachen Quaders Aus den Gln. (30) und (32) folgt G Versuchsausführung (33) J2 M 2 a b2 . 12 3.3 Federkonstante und Torsionsmodul 77 3.3 Federkonstante und Torsionsmodul Aufgabenstellung 1. Ein berührungsloser Wegaufnehmer ist zu kalibrieren. 2. Die Federkonstante einer Schraubenfeder soll mit einem Wegaufnehmer statisch und dynamisch bestimmt werden. 3. Der Torsionsmodul des Federmaterials ist zu berechnen. Eine Schraubenfeder (Drahtradius r, Windungsradius R) habe n Windungen und sei am oberen Ende eingespannt. Hängt man an das untere Ende einen Körper der Masse m, wird die Feder um das Stück x gedehnt (Abb. M.3.3.1). Im Gleichgewichtsfall ist die Summe der Kräfte gleich null: mg cx 0 . Darin sind g die Schwerebeschleunigung und c die Federkonstante. Für den Zusammenhang zwischen Federkonstante c und der Belastung der Feder mit der Masse m folgt c m g . x (35) hat eine partikuläre Lösung (Anhang A.2) x A sin Z t mg , c worin A eine Konstante und Z die Kreisfrequenz ist. Aus Gl. (37) folgt d2 x dt 2 Z 2 A sin Z t 2r ϕ x R Abb. M.3.3.1 Schnitt durch die unterste Windung einer um das Stück x gedehnten Schraubenfeder Die Bewegungsgleichung d2 x dt2 g c x m c§ mg · ¨x ¸ m© c ¹ mg · § Z 2 ¨ x ¸ . (38) c ¹ © Der Vergleich der Gln. (36) und (38) liefert für die Kreisfrequenz bei vernachlässigbarer Dämpfung Z2 § 2ʌ · ¨ ¸ ©T ¹ 2 c . m (39) Während der Schwingungen (Schwingungsdauer T ) wandeln sich kinetische und potentielle Energie ständig ineinander um. Bei diesem Prozess müssen auch die Energieanteile der schwingenden Feder (Masse mF) berücksichtigt werden. In Gl. (39) ist aus diesem Grunde m durch (m + 1/3 mF ) zu ersetzen (siehe unten). [Bei einer Längenänderung x der Feder (Federkonstante c) durch die Belastung mit einer Masse m speichert die Feder potentielle Energie: x Wenn man die belastete Feder, z. B. mit der Hand, aus ihrer Ruhelage zieht und dann loslässt, beginnt das System zu schwingen. (37) Epot x ³ Fx ' d x c ³ c xc d xc , 0 Epot 0 c x2 . 2 Zur Berechnung der kinetischen Energie wird die Feder (Federmasse mF, Länge der Feder L) in kleine Massestücke dmF zerlegt (Abb. M.3.3.2): d mF mF (d l / L) . Die gleichmäßige Federdehnung über die gesamte Federlänge L bedingt eine Auslenkung G eines Federstücks dl aus der Ruhelage: G x (l / L) . Damit ergibt sich für die kinetische Energie des Federstücks dl 2 1 dl 2 § l · mF x ¨ ¸ , 2 L ©L¹ 1 dmF G 2 2 und für die kinetische Energie der Feder Ekin,F (36) L Ekin,F ³ l 0 mF 2 2 x l 2 3 L dl mF 2 l 3 x 2 3L3 L 0 3 Deformationsverhalten 78 Mechanik 1 1 mF x 2 . Da die gesamte kineti2 3 sche Energie die Summe aus den kinetischen Energien der Feder Ekin,F und der Masse m folgt Ekin,F ( Ekin,m m 2 x 2 ) ist, erhält man unter Berücksichti- gung des Energieerhaltungssatzes als Gesamtenergie Eges Ekin Epot m · cx 2 1§ m F ¸ x 2 ¨ 2© 3 ¹ 2 const . Für die Federkonstante folgt dann 2 § 2ʌ · § 1 · c ¨ ¸ ¨ m mF ¸ . (40) ¨T ¸ © 3 ¹ © ¹ Die Feder speichert bei einer Auslenkung x aus der Ruhelage eine potentielle Energie c 2 x . (41) 2 Bei dieser Dehnung wird nach Abb. M.3.3.1 der Draht um den kleinen Winkel M = x/R gedrillt. Die potentielle Energie, die der Draht bei der Drillung aufnimmt, beträgt nach Gl. (26): Epot M l Epot 0 dl L ³ M dM M ʌG r4 M dM 2 l ³0 ʌG r4 2 M . 4l (42) dmF Für die Länge des Drahts kann man im Allgemeinen in guter Näherung 0 m x l 2ʌ Rn schreiben. Damit lautet Gl. (42) Epot Abb. M.3.3.2 Zur Begründung des Einflusses der Federmasse mF auf die Frequenz der Federschwingung, dmF mF (d l / L) Die Schwingungsgleichung (ohne Reibung) folgt aus der Ableitung d Eges / d t 0 : m · 1§ 2c x x m F ¸ 2 x x 0, 2 ¨© 3 ¹ 2 c x x 0. m m F 3 Draus ergibt sich die Eigenkreisfrequenz der Schwingung mit Z c mF 3 bei Vernachlässigung der Dämpfung. ] m G r4 2 M 8n R G r4 2 x . 8 n R3 (43) Aus dem Vergleich der Gln. (41) und (43) erhält man für den Torsionsmodul G 4 n R3 c . r4 (44) Versuchsausführung Die Bestimmung der Federkonstanten soll mit einem berührungslos messenden induktiven Wegaufnehmer erfolgen, dessen Auflösung kleiner als 0,01 mm ist. Dieser besteht aus mehreren Spulen (Primär- und Sekundärspulen SP, Abb. M.3.3.3), die sich in einem Metallzylinder (Gehäuse G) befinden. Die Längsachse des Metallzylinders und die Bewegungsrichtung des Messobjekts müssen parallel zueinander verlaufen oder die Bewe- 4.0 Grundlagen 79 gung muss durch geeignete mechanische Befestigungen in eine zum Zylinder achsenparallele Bewegung umgewandelt werden. Durch das Innere der Spulen wird ein dünner Stab mit einem magnetischen Kern (Anker A) geführt, der bei kleinen Veränderungen seiner Lage möglichst große Änderungen der Induktivität in den Spulen hervorruft und in den Sekundärspulen ausreichend hohe Spannungen induziert, die in ihrer Amplitude und in ihrer Phase zueinander von der Position des Ankers abhängen. Die Verschiebung des Ankers kann am Ausgang des Sensors als elektrische Spannung gemessen werden. In Aufgabe 1 muss der Wegaufnehmer kalibriert werden. Dazu befestigt man an der Messspindel MS einer Mikrometerschraube den Anker des Wegaufnehmers mit Hilfe eines mechanischen Adapters AD. MS SP x M AD A G Abb. M.3.3.3 Kalibrierung eines induktiven Wegaufnehmers mit einer Mikrometerschraube (schematisch), Messschraube M, Messspindel MS, Adapter AD, Anker A, Gehäuse G, Sensorspulen SP Beim Eintauchen des Ankers in das Spulensystem des Wegaufnehmers werden die Induktivität des Spulensystems und dadurch die Größe der induzierten Spannung verändert. Der Wert der Sensorausgangsspannung US ist null, wenn sich der Anker in der Mitte des Spulensystems befindet. Man misst durch Verschieben des Ankers mit Hilfe der Messschraube die Abhängigkeit der Ausgangsspannung von der Verschiebung x des Ankers. Die graphische Darstellung US(x) entspricht der Sensorkennlinie (Kalibrierkurve des Sensors). Dabei entspricht der Anstieg dUS/dx der Sensorempfindlichkeit. Um Aufgabe 2 auszuführen, wird der Sensor in senkrechter Position befestigt und man lässt den an der Schraubenfeder hängenden Anker so weit in den Wegaufnehmer hineinreichen, dass er sich im oberen Bereich der Spulen befindet. Anschließend belastet man die Feder mit verschiedenen Massen mi und misst die zugehörigen Sensorspannungen USi. Mit den in Aufgabe 1 ermittelten Parametern der Sensorkennlinie können die jeweiligen Verschiebungen xi berechnet werden. Die Federkonstante cst wird aus dem Anstieg der Ausgleichsgeraden der graphischen Darstellung m (x) unter Verwendung von Gl. (35) bestimmt. Bei der dynamischen Messung schließt man einen digitalen Zähler an die Messeinrichtung an und belastet die Feder mit Gewichtsstücken bekannter Masse m, bestimmt hinreichend oft die zugehörigen Periodendauern T des schwingenden Systems und berechnet cdyn nach Gl. (40). Dabei ist die Masse der Ankerbefestigung zu berücksichtigen. Mit den Werten von cst und cdyn ist der Torsionsmodul G nach Gl. (44) zu berechnen. Außerhalb der Messunsicherheiten auftretende Abweichungen sind unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen der statischen und der dynamischen Methode zu diskutieren. Steht kein induktiver Wegaufnehmer zur Verfügung, kann der Versuch auch mit einfachen mechanischen Messmitteln durchgeführt werden. 4 Schallmessungen 4.0 Grundlagen Erfährt in einem elastisch deformierbaren Medium ein Volumenelement durch Druck eine Verschiebung aus seiner stabilen Ruhelage, erleiden auch benachbarte Volumenelemente Verrückungen, die sich räumlich und zeitlich weiter ausbreiten. Es entsteht eine mechanische Welle. Die Gesamtheit 4 Schallmessungen 80 Mechanik aller Flächenelemente des elastischen Körpers, die sich zu einer bestimmten Zeit im gleichen Schwingungszustand (in gleicher Phase) befindet, nennt man Wellenfläche. Eine ebene Welle liegt vor, wenn das Erregungszentrum von einem Aufpunkt unendlich weit entfernt liegt. Der Bereich von Schallwellen reicht von d 1 Hz (Infraschall) bis t 10 THz (Phononen), der Bereich des für den Menschen wahrnehmbaren Schalls liegt zwischen 20 Hz und 20 kHz. In Richtung höherer Frequenzen schließt sich der Bereich des Ultraschalls (20 kHz bis 10 GHz) an. In mehrdimensionalen Festkörpern treten infolge der nicht vernachlässigbaren Schubkräfte Longitudinal1- und Transversalwellen2 auf, die nur in unendlich ausgedehnten Systemen reine Dehnungs- bzw. Biegewellen sind. In begrenzten Festkörpern sind Dehnungs-, Torsions- und Biegewellen zu beobachten. Schallwellen in Flüssigkeiten und Gasen sind Longitudinalwellen, da man in ihnen im Allgemeinen den Einfluss der inneren Reibung und damit Scherkräfte vernachlässigen kann. 4.0.1 Wellengleichung Im einfachsten (eindimensionalen Fall) kann die Ausbreitung der Verschiebungen in Richtung einer Koordinate x mit einer linearen Wellengleichung des Typs w[ wt 2 2 c2 w[ w x2 2 (1) beschrieben werden. Dabei handelt es sich um eine partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung, für die unendlich viele Lösungen existieren. Die in Gl. (1) eingeführte Größe c beschreibt eine Geschwindigkeit, mit der sich ein bestimmter Schwingungszustand (eine Phase) ausbreitet. Sie ist in homogenen Medien konstant. Partielle Differentialgleichungen des Typs der Gl. (1) sind nicht allgemein lösbar. Zu partikulären Lösungen gelangt man mit einem Funktionsansatz [ x, t [ x B ct , wobei [ eine beliebige, zweimal differenzierbare Funktion ist. Die lokalen Schallschwingungen erfolgen so schnell, dass Wärmetransport und Temperaturausgleich zwischen den durch eine halbe Wellenlänge getrennten Stellen der Erwärmung (infolge Kompression) oder Abkühlung (infolge Entspannung) des Mediums nicht wirksam werden können. Die Schallausbreitung kann deshalb im Allgemeinen als adiabatischer Prozess betrachtet werden. In Flüssigkeiten hängt die Schallgeschwindigkeit cFl vom Kompressionsmodul K ab: 1 K cFl2 Bei einer Longitudinalwelle sind Ausbreitungsund Schwingungsrichtung der Teilchen identisch. 2 Bei Transversalwellen schwingen die Teilchen in Ebenen, die senkrecht zur Fortpflanzungsrichtung der Welle liegen. Derartige Wellen sind nur in Medien möglich, in denen infolge vorhandener Formelastizität Schubkräfte übertragen werden können. 1 dV , V dp K UFl (2) . (3) Wenn keine Scherkräfte zu berücksichtigen sind, ist cFl frequenzunabhängig, d. h., es tritt keine Dispersion auf. Ist das deformierbare Medium ein ideales Gas, gilt die Adiabatengleichung (W.2.0.2): VJ p 1 (4) const . Differenziert man Gl. (4) nach V, ergibt sich J V J 1 p V J dp dV Damit lautet Gl. (2) K J p , 0 oder dp dV J p . V 4.0 Grundlagen 81 und man erhält c2 p J . U (5) In Gl. (4) bedeutet J das Verhältnis der spezifischen Wärmekapazität bei konstantem Druck cp zur spezifischen Wärmekapazität bei konstantem Volumen cV (W.2.0.2). Beachtet man die für ideale Gase gültige Beziehung p U p0 T U0 T0 p0 § T T0 · ¨1 ¸ , T0 ¹ U0 © (6) ergibt sich die Schallgeschwindigkeit in Gasen als eine vom Druck unabhängige Funktion der absoluten Temperatur: c p0 J U0 1 T T0 . T0 (7) erfolgt eine sowohl zeitliche als auch räumliche periodische Ausbreitung der Verschiebungen in Form einer harmonischen Welle: § § © © § T T0 · 1 331,5 ¨1 ¸ms . 2 T 0 ¹ © (2n 1) l O 4 cD2 cT2 E U G U ¹ (n 1, 2,3, ... ) . (12) (13) (a) n=1 n=2 (8) In der Differentialgleichung für die Wellenausbreitung in begrenzten Festkörpern können je nach Art der Anregung der Schwingungen Ausbreitungsgeschwindigkeiten auftreten, die von unterschiedlichen mechanischen Materialgrößen abhängen: · ¹ Dabei beschreiben Z die Kreisfrequenz der Frequenz f (Z 2 ʌ f ) und D die Phasenverschiebung. Unter Berücksichtigung der Randbedingungen, dass ein Stab der Länge l an einem Ende frei und in der Mitte eingespannt ist, bildet sich eine stehende Welle aus, falls die Stablänge l gleich dem ungeradzahligen Vielfachen von O/4 ist: Für Luft erhält man im Bereich der Zimmertemperatur ( T T0 T0 ) in guter Näherung cLuft x· [ x, t b0 sin ¨ Z ¨ t B ¸ D ¸ . c n=3 l (b) n=1 (Dehnungswelle) , (9) n=2 (Torsionswelle) . (10) n=3 Dabei bezeichnen E den Elastizitätsmodul und G den Torsionsmodul. Werden die Schwingungen sinusförmig angeregt gemäß b b0 sin Z t D , (11) l Abb. M.4.0.1 Longitudinalschwingungen in Stäben, (a) an einem Ende eingespannt, (b) an beiden Enden frei (Ordnung n) Für die Eigenfrequenzen fn der stehenden 4 Schallmessungen 82 Mechanik longitudinalen Welle (Dehnungswelle) der Ordnung n erhält man fn c 2n 1 On c , 4l (14a) wobei für die Grundschwingung n = 1 und für die Oberschwingungen n > 1 (n ganzzahlig) gilt. Abb. M.4.0.1a vermittelt die entsprechenden stehenden Wellen bis zur zweiten Oberschwingung. Im Falle eines an beiden Enden freien Stabs (Abb. M.4.0.1b) bilden sich stehende Wellen aus, wenn die Stablänge l ein ganzzahliges Vielfaches von O/2 ist. Die Eigenfrequenzen in Abhängigkeit von der Ordnung n ergeben sich dann nach der Gleichung fn c n On c . 2l E IK w 4] . U A w x4 (15) IK bezeichnet das Flächenträgheitsmoment des Stabquerschnitts A (M.3.1.2), E den Elastizitätsmodul und U die Dichte des Stabmaterials. Die Eigenfrequenzen der Biegeschwingungen ergeben sich zu fn mn2 2 ʌl2 E IK UA n=1 n=2 (14b) Der Abstand zwischen benachbarten Schwingungsknoten (Schwingungsenergie null) ist eine halbe Wellenlänge. Bei Biegewellen treten kompliziertere Verhältnisse auf. Die zugrunde liegende Differentialgleichung lautet in diesem Fall w 2] wt 2 Für Ordnungen n > 3 lässt sich der Wert für mn durch die Gleichung mn = (2n-1) S/2 mit hinreichender Genauigkeit berechnen. In Abb. M.4.0.2 sind die ersten drei Ordnungen einer stehenden Biegewelle eines einseitig eingeklemmten Stabs dargestellt. Im Gegensatz zu den Dehnungswellen sind die Knotenabstände nicht konstant. Schwingungsknoten treten z. B. an den Positionen x = 0 bei der ersten, x =0; 0,77 l bei der zweiten und x = 0; 0,5 l; 0,88 l bei der dritten Ordnung auf. n=3 l Abb. M.4.0.2 Biegeschwingungen in Stäben (Ordnung n), Stab an einem Ende eingespannt Außerdem ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit (Phasengeschwindigkeit) der Biegewelle cB,ph frequenzabhängig (Schalldispersion) und genügt der Gleichung cB,ph Z 4 E IK UA . (17) Mit der mittleren Wellenlänge . (16) Dabei sind die Werte von mn Wurzeln transzendenter Gleichungen vom Typ cos mn cosh mn 1, die man entsprechenden Tabellen entnehmen kann (z. B. m1 = 1,875, m2 = 4,694, m3 = 7,851). On 4l 2n 1 (18) und cB,ph = On fn erhält man cB,ph 8 mn2 ʌ (2 n 1) 2 E IK 1 . U A On (17a) 4.0 Grundlagen 83 Für Biegewellen auf Stäben folgt aus der allgemeinen Beziehung zwischen Gruppen (cgr)- und Phasengeschwindigkeit (cph), cgr cph O d cph dO , (19) dass bei diesen die Gruppengeschwindigkeit cB,gr doppelt so groß wie die Phasengeschwindigkeit ist: cB,gr (20) 2 cB,ph . Dementsprechend wird in einem Festkörper durch eine Biegewelle mechanische Energie zweimal so schnell wie die Wellenphase transportiert. Die Bewegungsgleichung eines durch eine äußere Anregung mit der Frequenz f = Z /(2S zu Schwingungen angeregten Stabs lautet analog zu den in M.2 bzw. im Anhang A.2 eingeführten Differentialgleichungen d2 z dz 2G Z02 z 2 dt dt a0 cos Z t . (21) z(t) bezeichnet die Auslenkung (Elongation), Z0 die Eigenfrequenz der freien, ungedämpften Schwingung des Systems und G die Dämpfungskonstante. Für den Schwingfall (nicht zu stark gedämpfte Schwingung, G << Z0) wurde die Lösung von Gl. (21) bereits in M.2.3.1 beschrieben: Zr Z02 2G 2 | Z0 . Verlustfaktor D : D 'Z ('Z Z2 Z1 ) , Z0 Dämpfungskonstante G : G D Z0 2 Amax 2 A(Z0 ) , Z02 4G 2Z 2 2 a0 2 G Z02 G 2 (26) Q 1 , D (27) Logarithmisches Dekrement / : / ʌD . (28) Die quadratische Form von Gl. (23) A(Z ) 2 Z a 20 2 (29) Z 02 4 G 2Z 2 2 wird durch die so genannte Lorentzkurve beschrieben (Abb. M.4.0.3). 1,0 A(ω)2 A2max 0,5 Δω (22) a0 Z 'Z , 2 Güte Q : 0 A(Z ) (25) . (23) (24) Zur Charakterisierung der materialabhängigen Dämpfung der Schallwellen werden dieselben Dämpfungsgrößen analog zum Versuch M.2.3.1 eingeführt: ω1 ω0 ω2 ω Abb. M.4.0.3 Lorentzkurve Die Zeitkonstante des durch eine Exponentialfunktion beschreibbaren Ausschwingvorgangs W = G-1, d. h., die Zeit, in der die Amplitude auf den e-ten Teil ihres Anfangswerts abgeklungen ist (Abb. M.2.3.2), entspricht gerade der halben Halbwertsbreite der stationären Resonanzkurve: ǻZ 2G . (30) 4 Schallmessungen 84 Mechanik 4.0.2 Schallwandler (1) Als Schallgeber und Schalldetektoren werden häufig piezoelektrische Wandler eingesetzt. Sie bestehen in der Regel aus speziellen Dielektrika, in denen unter dem Einfluss äußerer mechanischer Einwirkungen (z. B. Druck, Schallwellen) im Inneren elektrische Dipolmomente erzeugt bzw. vorhandene verändert werden. Dies hat zur Folge, dass an ihrer Oberfläche Ladungen messbar werden. Diese Erscheinung bezeichnet man als Piezoelektrizität. Oft wird die Piezoelektrizität ferroelektrischer Keramiken oder von Polymerelektreten genutzt. Zur Erzeugung mechanischer Deformationen eines dielektrischen Mediums nutzt man den Effekt der Elektrostriktion aus, bei der in Abhängigkeit eines angelegten periodischen elektrischen Felds die Schwingungen des Schallgebers durch geeignete Schallankopplung auf das zu untersuchende Medium übertragen werden. Alternativ werden Anordnungen verwendet, die auf dem Effekt der Magnetostriktion beruhen. Bringt man einen Stab aus ferromagnetischem Material in ein zur Stabachse parallel verlaufendes magnetisches Feld, erfährt dieser eine Längenänderung, die je nach der Magnetisierung des Materials und in Abhängigkeit von der Richtung des Magnetfelds eine Verlängerung oder Verkürzung sein kann. Die relativen Längenänderungen liegen in der Größenordnung von 10-6. Bei Anlegen eines magnetischen Wechselfelds (Frequenz f) ändert sich die Stablänge periodisch. Die im Stab auftretende mechanische Spannung ist eine Funktion der magnetischen Flussdichte und der elastischen Eigenschaften des Materials. Von den Enden des Stabs werden (Schall-) Wellen mit der gleichen Frequenz abgestrahlt. Dabei erreichen die Schwingungsamplituden ein Maximum für den Fall, dass die Frequenz der elastischen Eigenschwingung des Stabs (bzw. entsprechender Oberschwingungen) und die Erregerfrequenz übereinstimmen. G Hz f (2a) Wandler (2b) Medium (6) mV (4) Wandler (3) (5) Abb. M.4.0.4 Versuchsplatz für Schallmessungen an Metallstäben (schematisch) Der bei den hier beschriebenen Versuchen verwendete Schallmessplatz besteht im Allgemeinen aus folgenden Grundgeräten (Abb. M.4.0.4): (1) Generator zur Wellenanregung mit variabler Ausgangsfrequenz und der Möglichkeit der Feinabstimmung der Erregerfrequenz, (2a, b) Schallwandler (magnetostriktiv, piezoelektrisch) zur Anregung und zum Nachweis der Schallwelle, (3) Filter zur Beseitigung niederfrequenter Störsignale, (4) Messverstärker zur Verstärkung der Schallempfängerspannung, (5) Zweikanal-Digitaloszilloskop oder rechnergestützte Messwerterfassung zur Beobachtung, Speicherung und Verarbeitung der Signalspannungen, (6) ACMillivoltmeter für die direkte Messung des Effektivwerts der verstärkten Wechselspannung zur Aufnahme einer Resonanzkurve. 4.1 Schallgeschwindigkeit in Festkörpern 4.1.1 Dehnungswelle Aufgabenstellung 1. Es ist die Geschwindigkeit der Dehnungswelle von einem in der Mitte eingespannten Stab aus ferromagnetischem Material für verschiedene Ordnungen und der Elastizitätsmodul des Materials zu bestimmen. 2. Durch Schallübertragung mit piezokeramischen Schwingern auf einen nicht ferromagnetischen Metallstab mit freien Enden sind 4.1 Schallgeschwindigkeit in Festkörpern für verschiedene Ordnungen die Resonanzfrequenzen zu messen. Daraus sind die Schallgeschwindigkeit und der Elastizitätsmodul des Stabmaterials zu ermitteln. 3. Die Resonanzkurve ist für eine ausgewählte Ordnung der Dehnungswelle aufzunehmen. Daraus ermittelt man die Halbwertsbreite und berechnet den Verlustfaktor. Die Anpassung an eine Lorentzkurve soll überprüft werden. Versuchsausführung Bei allen Messungen werden lange und dünne Metallstäbe mit kreisförmigem Querschnitt untersucht. Die Länge der Stäbe wird mit einem Maßband bestimmt. Zur Realisierung der Aufgabe 1 ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Dehnungswelle für verschiedene Ordnungen im Frequenzbereich von etwa 2 kHz bis ca. 50 kHz zu bestimmen. Für die Erregung einer Schallwelle in dem ferromagnetischen Metallstab wird ein magnetostriktiver Schallgeber (flache Kreisspule) verwendet. Die Erregerspule wird mit einem Sinusgenerator verbunden. Das Erregersignal beobachtet man mit einem der beiden Kanäle eines Zweikanal-Digitaloszilloskops und die Frequenz wird mit einem Digitalzähler gemessen. Infolge der schmalen Resonanzkurven muss der Generator ein stabiles und in der Frequenz fein abstimmbares Ausgangssignal liefern. Der zu untersuchende Stab wird in der Mitte eingespannt und an einem seiner beiden Enden ist ein piezokeramischer Sensor befestigt, mit dem die Amplitude der Schallwelle gemessen werden kann. Im Resonanzfall erfasst man mit dem zweiten Kanal des Oszilloskops ein maximales Messsignal. In einem Vorversuch ist die Erregerfrequenz der Grundschwingung zu suchen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass wirklich Dehnungswellen und keine anderen Formen von Schallwellen im Stab gemessen werden. Die Grundschwingung (n = 1) ist daran erkennbar, dass beim Verschieben der Spule 85 längs des Stabs am Oszilloskop nur nahe der Einspannstelle ein Maximum der Signalspannung beobachtet werden kann. Mit der nun bekannten Grundfrequenz der Dehnungswelle können die Frequenzen höherer Ordnung bis etwa 50 kHz mit Gl. (14a) berechnet und experimentell ermittelt werden. Bei allen Berechnungen ist zu berücksichtigen, dass nach Abb. M.4.0.1a bei dieser Versuchsanordnung die in Gl. (14a) einzusetzende Länge l der halben Gesamtlänge lSt des Stabs entspricht (l = lSt/2). Anschließend sucht man die Resonanzfrequenzen der Oberschwingungen und berechnet mit diesen die Schallgeschwindigkeit (Mittelwert) sowie unter Verwendung der bekannten Dichte des Stabmaterials den Elastizitätsmodul. Bei Aufgabe 2 wird der Stab z. B. an dünnen Kunststofffäden aufgehängt oder auf zwei Schneiden gelagert. Sowohl die Schallanregung als auch der Schallempfang des an beiden Enden freien, nicht ferromagnetischen Metallstabs erfolgt mit Hilfe der an den Stabenden angeklebten piezokeramischen Wandler. In Analogie zu Aufgabe 1 variiert man die Anregungsfrequenz und beobachtet das Messsignal mit dem Oszilloskop. Wenn dieses maximal wird, notiert man die Frequenz als Resonanzfrequenz der betreffenden Ordnung. Mit Gl. (14b) kann dann die Geschwindigkeit der Dehnungswelle mit der zuvor gemessenen Stablänge berechnet und daraus der Elastizitätsmodul des Materials bei bekannter Dichte ermittelt werden. Zur Aufnahme der Resonanzkurve für eine ausgewählte Ordnung bei Aufgabe 3 unter Verwendung des an beiden Enden freien Stabs wird das Ausgangssignal am Verstärker direkt mit einem AC-Millivoltmeter gemessen. Man misst für etwa zehn unterschiedliche Frequenzen jeweils unter- und oberhalb der Resonanzfrequenz die Spannungswerte. Anschließend wird die Resonanzkurve analog zu dem in Abb. M.4.0.3 gezeigten Graphen dargestellt und die Halbwertsbreite 'Z ermittelt. Damit ist die Güte Q zu bestimmen. 4 Schallmessungen 86 Mechanik 4.1.2 Biegewelle Aufgabenstellung 1. Es sind die Eigenfrequenzen fn einer stehenden Biegewelle für die Ordnungen n = 4 bis n = 10 zu messen. Diese sollen in Abhängigkeit von (2n1)2 graphisch dargestellt werden und aus dem Anstieg der Ausgleichsgeraden ist der Elastizitätsmodul des Materials zu ermitteln. 2. Aus den gemessenen Frequenzen in Aufgabe 1 sind die Phasengeschwindigkeiten zu berechnen und in Abhängigkeit von der Wellenlänge graphisch darzustellen. Der Kurvenverlauf ist zum Vergleich mit der Gruppengeschwindigkeit auszuwerten. 3. Die Resonanzkurve für eine bestimmte Ordnung der Biegeschwingung ist aufzunehmen. Es sind die Halbwertsbreite, die Dämpfungskonstante, die Güte und das logarithmische Dekrement zu ermitteln. Der flache Metallstab der Länge l mit rechteckförmigem Querschnitt, (Anhang A.14, Dicke b viel kleiner als Höhe h, l h ) wird durch das magnetische Wechselfeld des Wandlers (2a), der aus einer Magnetspule mit Eisenkern besteht, zu Schwingungen angeregt. Den Wechselstrom für die Magnetspule liefert ein Sinusgenerator (1) und mit einem Digitalzähler misst man die Anregungsfrequenz f. (1) G Hz f Wandler (2a) (2) (4) (3) Wandler (6) mV Halterung (2b) (5) Abb. M.4.1.2.1 Versuchsplatz zur Messung von Biegewellen in einem Metallstab (schematisch) Der piezoelektrische Wandler (2b) wandelt die mechanischen Schwingungen in elektrische Spannungen um, die durch einen Verstärker (4) verstärkt und ggf. vorher mit einem Frequenzfilter (3) gefiltert werden. Mit einem Digitaloszilloskop (5) erfasst man die Signalamplitude sowie Signalform und mit einem AC-Millivoltmeter (6) misst man direkt den Effektivwert der Ausgangsspannung des Verstärkers. In Analogie zu den Untersuchungen von Dehnungswellen im Versuch M.4.1.1 ist es von Vorteil, in einem Vorversuch die Erregerfrequenz der Grundschwingung zu bestimmen, um eindeutig Biegewellen zu messen. Dazu wird der Stab aus seiner Ruhelage ausgelenkt und mit dem Digitaloszilloskop der Abklingvorgang aufgezeichnet. Die daraus zu ermittelnde Frequenz der freien gedämpften Schwingung entspricht infolge der kleinen Dämpfungskonstante in guter Näherung der Frequenz der Grundschwingung f1. Mit den Werten f1, m1 = 1,875 und mn ( n ! 3) # (2n 1) ʌ/2 kann man mit Hilfe der Verhältnisse fn /f1 = (mn /m1)2 nach Gl. (16) näherungsweise die Frequenzen der höheren Ordnungen berechnen. Für den Fall, dass die Anregungsfrequenz der Gl. (16) genügt, kommt es zur Ausbildung einer stehenden Welle und das Messsignal wird maximal. Um experimentell die Resonanz einer entsprechenden Ordnung zu finden, variiert man in kleinen Schritten die Frequenz der Sinusspannung des Generators nahe um den berechneten Wert bis zum Auftreten eines Maximums. Oberhalb 400 Hz ist ggf. ein Hochpass (7) einzuschalten, um niederfrequente Signalstörungen zu beseitigen. Durch Erhöhung der Verstärkung bzw. der Ausgangsspannung am Generator kann man die Signalabschwächung infolge der Signalfilterung kompensieren. Die Bestimmung des Elastizitätsmoduls E erfolgt über den Anstieg der Ausgleichsgeraden in der graphischen Darstellung fn in Abhängigkeit von (2n 1)2 für n > 3. 4.2 Schallgeschwindigkeit in Flüssigkeiten Bei Kenntnis der Dichte U des Materials und der Abmessungen des flachen Stabs (Flächenträgheitsmoment A.14, IK ( h b3 ) /12 , Querschnitt A h b ) kann mit Gl. (16) der Wert von E ermittelt werden. Zur Berechnung der Phasengeschwindigkeit cB,ph in Aufgabe 2 kann Gl. (17a) unter Berücksichtigung der Näherung für n > 3 sowie dem Flächenträgheitsmoment und der Querschnittsfläche umgeschrieben werden: cB,ph (n) 2 S Eb 1 . 12 U On (30) Die mittlere Wellenlänge On ermittelt man mit Gl. (18). Es ist cB,ph(n) = f (1/On) graphisch darzustellen und mittels nichtlinearer Regression die Funktion des Kurvenverlaufs mit der Fit-Funktion cB,ph P1 /O (Fit-Parameter P1) zu berechnen. Für zwei Ordnungen soll die Gruppengeschwindigkeit berechnet werden. Dazu verwendet man Gl. (19) und erhält mit P1 d cB,ph d(1/ O ) O 2 d cB,ph dO eine Gleichung zur Berechnung von cB,gr mit dem Fit-Parameter P1: cB,gr (n) cB,ph (n) P1 On . (31) Es ist die Gültigkeit der Gl. (20) unter Berücksichtigung der Unsicherheiten zu überprüfen. Die Aufnahme der Resonanzkurve bei Aufgabe 3 erfolgt für eine ausgewählte Ordnung. Da die Resonanzkurve sehr schmal ist, wird die verstärkte Signalspannung in kleinen Frequenzintervallen um das Resonanzmaximum gemessen (etwa je zehn Messungen unter- und oberhalb der Resonanzfrequenz). Zur graphischen Darstellung der Resonanzkurve trägt man die Quadrate der normierten Werte der Amplitude [A(Z)/Amax]2 in Abhängigkeit von der Kreisfrequenz Z = 2S f (vgl. Abb. M.4.0.3) auf und führt die Anpassung 87 mit einer Lorentz-Funktion nach Gl. (29) durch. Steht keine geeignete Software für die Anpassung zur Verfügung, kann die Bestimmung der Halbwertsbreite 'Z auch graphisch erfolgen. Damit sind die gesuchten Dämpfungsgrößen zu ermitteln. 4.2 Schallgeschwindigkeit in Flüssigkeiten Aufgabenstellung 1. Es sind die Schallwellenlänge und die Schallausbreitungsgeschwindigkeit in verschiedenen Flüssigkeiten nach der Methode von Debye und Sears zu bestimmen. 2. Es ist die Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Flüssigkeiten mit der Methode der Zentralprojektion zu ermitteln. 3. Von allen Versuchsflüssigkeiten ist der Kompressionsmodul zu bestimmen. Die infolge einer durch eine Flüssigkeit laufenden Schallwelle auftretenden periodischen Dichteschwankungen (Verdichtungen und Verdünnungen) führen zu einer in gleicher Weise periodischen Änderung des optischen Brechungsindex. Eine ebene Schallwelle bewirkt dementsprechend ein Beugungsgitter, dessen Gitterkonstante gleich der Schallwellenlänge OS im Medium ist. Ein solches Gitter bezeichnet man auch als Phasengitter. Die Lichtwellen, die an unterschiedlichen Stellen das Gitter durchlaufen, legen wegen der periodischen Änderung des Brechungsindex unterschiedliche optische Weglängen zurück und sind beim Austritt aus dem Medium gegeneinander phasenverschoben. Beim Phasengitter treten im Wesentlichen die gleichen Beugungserscheinungen auf, die man an einem üblicherweise verwendeten optischen Strichgitter (Amplitudengitter) beobachtet (O.2.0.3). Die Erscheinung der Lichtbeugung an Schallwellen bezeichnet man auch als Debye-Sears-Effekt und die Frequenz der Schallwellen liegt im Ultraschallbereich. Zum Nachweis des Beugungs- 4 Schallmessungen 88 Mechanik effekts beleuchtet man die mit der Messflüssigkeit gefüllte Glasküvette, in der sich der piezoelektrische Schallgeber befindet, senkrecht zur Schallausbreitungsrichtung mit parallelem und monochromatischem Licht. L1 SP L2 K L3 S x x2 x1 0 x1 x2 Q f SQ G Hz beschrieben (O.2.0.3); die Gitterkonstante g ist gleich der Schallwellenlänge OS. Zur Unterscheidung wird die Lichtwellenlänge hier mit OL bezeichnet. Beugungsmaxima k-ter Ordnung treten also bei Beugungswinkeln Dk auf, für die gilt: OS sin D k OS Der durch die Linse (L1) in Abb. M.4.2.1 von einer Lichtquelle (Q) beleuchtete Spalt (SP) wirkt als sekundäre Lichtquelle und wird durch die Linsen L2 und L3, zwischen denen die ungebeugten Strahlen parallel verlaufen, scharf auf einem Schirm (S) abgebildet. Anstelle des Schirms kann auch ein Messokular verwendet werden. Ein Hochfrequenzgenerator (G) mit angeschlossenem Digitalzähler bringt den Schwingquarz (SQ), der in der mit der Testflüssigkeit gefüllten Küvette (K) befestigt ist, zum Schwingen. Bei entsprechend hoher Güte der Schwingung und guter Schallankopplung an die Flüssigkeit werden ausreichend intensive Schallwellen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Lichtwelle ausgesendet. Durch die Wirkung der Ultraschallwelle treten auf beiden Seiten des zentralen Spaltbilds eine Reihe von Beugungsbildern auf. Die Beugungserscheinungen sind sehr ähnlich denen, die an einem Strichgitter entstehen. Die Lage der Beugungsmaxima wird ebenfalls durch die Formel g sin D k k OL , k 0, r 1, r 2,... 0, r 1, r 2,... . (32) Ist xk der Abstand des k-ten Maximums vom Maximum nullter Ordnung (Zentralbild), gilt für kleine Winkel Dk die Beziehung xk /f = tanDk | sinDk | Dk., wobei f hier die Brennweite der Sammellinse L3 ist. Für die Wellenlänge der Ultraschallwelle erhält man f Abb. M.4.2.1 Versuchsaufbau zum Debye-SearsEffekt (Fraunhofer’sche Beugung, stark schematisiert) k OL , k k OL f . xk (33) Die Abstände 'x benachbarter Maxima sind gleich. Es gilt 'x xk 1 xk OL f . OS (34) Mit der Frequenz QS der Schallwelle lässt sich die Schallgeschwindigkeit cS mit cS OS vS k OL f vS xk (35) oder cS OS vS OL f vS 'x . (36) berechnen. Für die Lage der Beugungsbilder bei der Fraunhofer’schen Beugung ist es gleichgültig, ob die beugende Struktur senkrecht zur optischen Achse verschoben wird oder sich bewegt. Der Debye-Sears-Effekt tritt bei fortlaufenden wie auch bei stehenden Wellen in gleicher Weise auf. Die Wellenlänge und damit die Gitterkonstante ist in beiden Fällen die gleiche. Auftretende Dopplerverschiebungen des gebeugten Lichts sind sehr klein und können in diesem Versuch vernachlässigt werden. Bei der Methode der Zentralprojektion wird 4.2 Schallgeschwindigkeit in Flüssigkeiten die Probe mit monochromatischem, divergentem Licht durchstrahlt. Infolge der sich räumlich ausbildenden Dichteverteilung kommt es auch zu räumlichen Änderungen des Brechungsindex und das Licht breitet sich nicht mehr geradlinig in der Flüssigkeit aus. Dadurch entstehen Gebiete, in denen die Phasendifferenzen zwischen den sich überlagernden Wellenbündeln eine Verstärkung oder Verringerung der Intensität hervorrufen. Als Folge davon kann man Intensitätsmuster erkennen, die im Falle einer stehenden Welle besonders stark ausgeprägt sind. Die Abstände zwischen Stellen verstärkter Intensität (konstruktive Interferenz) und abgeschwächter Intensität (destruktive Interferenz) korrespondieren mit den aus der Beugungstheorie bekannten Beziehungen (O.2.0.3). In Abb. M.4.2.2 ist schematisch die Versuchsanordnung zur Bestimmung der Wellenlänge mit der Methode der Zentralprojektion dargestellt. Für die Berechnung der Schallwellenlänge müssen neben der Geometrie der Versuchsanordnung und der bekannten Brennweite f der Linse in Luft noch Korrekturen berücksichtigt werden, die durch die verschiedenen Brechungsindizes (Flüssigkeit, Glas, Luft) bedingt sind: g1 a1 ng nfl 2 xN . (37) g1 g 2 a1 a2 · N § f s ¨ ng nfl ¸¹ © f OS Der Abstand a1 zwischen dem von der Schallquelle (S) abgestrahlten Schallfeld und der Glaswand auf der Linsenseite (Linse L) sowie der Abstand a2 können näherungsweise mit jeweils der Hälfte der betreffenden Innenabmessungen der Küvette (K) angenommen werden. Die Glasstärken der Wände der Küvette (g1, g2) und der Brechungsindex des Glases (ng) sowie der Versuchsflüssigkeit (nfl) werden am Arbeitsplatz mitgeteilt. Die Größe xN in Gl. (37) beschreibt den Abstand zwischen dem –k-ten und dem +k- 89 ten Beugungsmaximum und N die Anzahl dieser Maxima, die im Abstand xN auf einem Schirm (SC) beobachtet werden. Als Lichtquelle verwendet man einen Laser. S SC K (k) L 0 g1 xN g2 a1 a2 s Abb. M.4.2.2 Schema des Versuchsaufbaus zur Zentralprojektion Versuchsausführung Die zur Realisierung von Aufgabe 1 erforderlichen optischen Komponenten sind auf einer optischen Bank anzuordnen. Mit der Linse L1 in Abb. M.4.2.1 bildet man die Lichtquelle (z. B. Na- oder Hg-Spektrallampe mit Filter) scharf auf den Spalt ab. Um die Küvette mit parallelem Licht zu bestrahlen, wird zuerst der Schirm bzw. ein Messokular in die Brennebene der Linse L3 gebracht. Danach ist die Linse L2 bei weit geöffnetem Spalt solange zu verschieben, bis der Spalt scharf abgebildet wird. Anschließend ist die mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllte Küvette zwischen die Linsen zu stellen, die Spaltbreite zu verringern und der Generator einzuschalten. Dessen Frequenz wird in einem vorgegebenen Bereich langsam verändert, bis man eine möglichst große Anzahl heller Streifen beobachten kann. Das wird insbesondere der Fall sein, wenn sich in der Flüssigkeit eine stehende Schallwelle ausbildet. Zur Bestimmung der Schallwellenlänge verwendet man Gl. (33). Die Brennweite f der Sammellinse L3 und die Wellenlänge des monochromatischen Lichts OL sind bekannt, andernfalls kann man mit den in den Versuchen O.1.1 und O.3.2 beschriebenen Metho- 4 Schallmessungen 90 Mechanik den bestimmen. xk bzw. 'x werden am besten mit einem Messokular und die Frequenz QS mit einem Digitalzähler gemessen. Danach kann die Schallgeschwindigkeit mit Gl. (35) bestimmt werden. Verwendet man einen Laser als Lichtquelle, kann infolge der geringen Divergenz des Laserstrahls dieser direkt die Flüssigkeit durchstrahlen. In diesem Fall werden die Linsen L1 und L2 sowie der Spalt in Abb. M.4.2.1 nicht benötigt. Das Interferenzmuster wird in diesem Fall direkt auf einen ausreichend weit entfernten Schirm abgebildet (Übergang der Beobachtung der Fresnel-Beugung zur Fraunhofer-Beugung für NF < 1, Fresnel-Zahl N F g 2 /(4 a OL ) , g Gitterkonstante, a Abstand zwischen Schallfeld und Schirm). In Analogie zur Herleitung der Gl. (33) ergibt sich für den Abstand zwischen dem nicht gebeugten Licht (k = 0) und dem Maximum der Ordnung k k OL a (38) . OS Durch die Messung von a und xk kann bei bekanntem Wert von OL die Schallwellenlänge bestimmt werden. Mit anderen Flüssigkeiten ist die Messung zu wiederholen. Es bietet sich an, den Versuch mit einer anderen Lichtwellenlänge durchzuführen, um die Anwendung der Gl. (32) zu bestätigen. Bei Aufgabe 2 beginnt man mit dem Versuchsaufbau nach Abb. M.4.2.2, wobei die Halterung der Ultraschallsonde auf exakt senkrechten Einfall der Schallwelle zum einfallenden Laserstrahl justiert werden muss. An einer der Außenwände der Küvette befindet sich eine Halterung für den Laser sowie für eine Linse (L), um divergentes Licht zu erzeugen. Anschließend füllt man möglichst entgaste Flüssigkeit (z. B. destilliertes Wasser, Ethanol) in die Küvette, so dass sich die Ultraschallsonde ausreichend tief in der Messflüssigkeit befindet. Danach werden der Laser und die Ultraschallquelle eingeschaltet. Durch Variation der Frequenz der Ultraschallwelle kann man erreichen, xk dass wenigstens drei Maxima auf dem Schirm zu sehen sind. Unter optimalen Messbedingungen (stehende Welle) sind auch mehr als zehn Ordnungen zu erkennen. Es sind der Abstand xN und die zugehörige Anzahl von Maxima N mehrfach zu messen. Nach erneuter Justierung werden die Messungen bei verschiedenen Frequenzen QS bzw. nach Austausch des Lasers bei einer anderen Wellenlänge OL durchgeführt. Mittels Gl. (37) und den bekannten Abmessungen der Küvette sowie den Werten für den Brechungsindex der verschiedenen Medien kann die Schallwellenlänge als Mittelwert bestimmt und mit der gemessenen Ultraschallfrequenz die Schallgeschwindigkeit ermittelt werden. Die Messungen sollen mit anderen Flüssigkeiten wiederholt werden. Verwendet man eine Versuchsanordnung zur Zentralprojektion, bei der sich die Linse L mit der Brennweite f (Abb. M.4.2.2) zur Erzeugung von divergentem Laserlicht im Abstand sL vor der Küvette befindet, ist ebenfalls die Bestimmung der Schallwellenlänge möglich: OS 2 xN s1 . N s1 s2 (39) Nach Abb. M.4.2.2 ergibt sich der Abstand s2 aus s2 = s + a2. Für den Abstand s1 folgt der Zusammenhang s1 = a1 + (sLf ). Mit den Werten von QS und OS werden die Schallgeschwindigkeiten in den Flüssigkeiten sowie deren Kompressionsmodul K mit Gl. (3) berechnet. Die dazu erforderlichen Dichten der Flüssigkeiten können der Tabelle im Anhang A.8 entnommen werden. Es ist zu beachten, dass der piezoelektrische Schallgeber nur in Betrieb gesetzt werden darf, wenn sich Flüssigkeit in der Küvette befindet. Bei längeren Messzeiten kann es infolge der in der Flüssigkeit dissipierten Schallenergie zur Erwärmung und zu Konvektionsströmungen kommen. Die Temperaturkontrolle erfolgt mit einem in der Küvette befestigten Messfühler eines Digitalthermometers. 5.0 Grundlagen 91 5 Oberflächenspannung Luft 5.0 Grundlagen Zwischen den Molekülen einer Flüssigkeit wirken sowohl anziehende als auch abstoßende Kräfte geringer Reichweite. Der Abstand r1 zweier nächster Nachbarn stellt sich so ein, dass die Summe der abstoßenden und der anziehenden Kräfte gerade verschwindet. Wenn der Abstand zwischen zwei Molekülen etwas größer als dieser Normalabstand ist, überwiegt die Anziehungskraft, ist er dagegen etwas kleiner, stoßen sich die Moleküle gegenseitig ab. Ein beliebiges Molekül der Flüssigkeit (Zentralmolekül) wird daher von allen Nachbarmolekülen angezogen, deren Abstand vom Zentralmolekül größer als r1, aber kleiner als der Radius r2 der Wirkungssphäre der Molekularkräfte ist. Die Anziehungskräfte zwischen den Bausteinen (Molekülen, Atomen, Ionen) eines Stoffes nennt man allgemein Kohäsionskräfte, da sie für den Zusammenhalt der Stoffe sorgen. Es existieren aber auch anziehende Kräfte zwischen benachbarten Bausteinen verschiedener Stoffe, die als Adhäsionskräfte bezeichnet werden. Betrachtet man ein Molekül im Inneren einer Flüssigkeit, ist die Resultierende der Anziehungskräfte null, da die Nachbarmoleküle über alle Richtungen gleichmäßig verteilt sind. Für ein Flüssigkeitsmolekül in einer Grenzschicht (Oberfläche), deren Dicke dem Radius der Wirkungssphäre der Molekularkräfte entspricht, verschwindet dagegen die resultierende Kraft im Allgemeinen nicht. Es sind zwei Möglichkeiten zu diskutieren: 1. Die Kohäsionskräfte zwischen den Molekülen der Flüssigkeit sind größer als die Adhäsionskräfte zwischen den Flüssigkeitsmolekülen und den Bausteinen des angrenzenden Stoffs (Abb. M.5.0.1). In diesem Falle wirkt auf ein Flüssigkeitsmolekül eine resultierende Kraft F senkrecht zur Oberfläche in das Innere der Flüssigkeit hinein. r2 r1 r2 F = FK Abb. M.5.0.1 Grenzschicht zwischen Luft und Flüssigkeit (schematisch) Die Flüssigkeit ist daher bestrebt, eine möglichst kleine Grenzfläche mit dem anderen Stoff zu bilden. Zur Vergrößerung dieser Fläche um 'A muss der Flüssigkeit eine Arbeit zugeführt werden: 'W V 'A . (1) Bei einer Verkleinerung der Grenzfläche um 'A wird eine Arbeit gemäß Gl. (1) frei. Den Proportionalitätsfaktor V nennt man Oberflächenspannung. Ihre Einheit ist J m 2 N m 1 kg s 2 . Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Oberflächenspannung sowohl von der Natur der Flüssigkeit als auch von der des angrenzenden Stoffs abhängig ist. Bei Angabe eines Werts für V ist daher stets der angrenzende Stoff zu nennen. Die Oberflächenspannung kann nur dann als reine Materialeigenschaft der Flüssigkeit angesehen werden, wenn die Resultierende der Adhäsionskräfte FA vernachlässigbar klein gegen die Resultierende der Kohäsionskräfte FK ist (Beispiel: Flüssigkeit-Luft). Im Falle der Abb. M.5.0.2 bezeichnet man die Flüssigkeit als nicht benetzend für den angrenzenden festen Körper (z. B. Randwinkel bzw. Kontaktwinkel M = 140° für Grenzfläche Quecksilber-Glas). Wird der Rand- 5 Oberflächenspannung 92 Mechanik winkel M ʌ , d. h., ist FA << FK, ist die Nichtbenetzung vollständig. fester Körper FA Luft Flüssigkeit ϕ FK F Abb. M.5.0.2 Beispiel einer nicht benetzenden Flüssigkeit (schematisch) 2. Die Kohäsionskräfte sind kleiner als die Adhäsionskräfte (Abb. M.5.0.3). Dann wirkt auf ein Flüssigkeitsmolekül der Grenzschicht eine resultierende Kraft F senkrecht zur Oberfläche aus der Flüssigkeit heraus. Die beiden Stoffe bilden daher eine möglichst große Grenzfläche. In diesem Falle bezeichnet man die Flüssigkeit als benetzend für den angrenzenden Stoff. ϕ FA Luft FK F fester Körper Flüssigkeit Abb. M.5.0.3 Beispiel einer benetzenden Flüssigkeit (schematisch) Verschwindet der Randwinkel M (z. B. M | 0 für Grenzflächen Wasser-Glas und EthanolGlas), dann sind die Kohäsionskräfte viel kleiner als die Adhäsionskräfte (FK << FA) und man spricht von vollständiger Benet- zung. Taucht man einen festen Körper in eine vollständig benetzende Flüssigkeit, bleibt nach dem Herausziehen ein dünner Flüssigkeitsfilm an ihm haften. Die gründliche Entfernung solcher Flüssigkeitsschichten auf Festkörpern kann unter Umständen sehr aufwendig sein. Für die Temperaturabhängigkeit der Oberflächenspannung gilt mit guter Näherung die von Eötvös empirisch gefundene Gleichung V VM2 / 3 K E (Tc T ) . (2) In Gl. (2) ist VM das molare Volumen ( VM M /U , M molare Masse, ȡ Dichte) und Tc eine kritische Temperatur der Flüssigkeit (z. B. Tc = 647 K für Wasser). Oberhalb dieser kritischen Temperatur ist die Oberflächenspannung null. Das Produkt auf der linken Seite von Gl. (2) nennt man auch molare Oberflächenspannung (V mol V VM2 / 3 ) . Die Größe KE wird als Eötvös-Konstante bezeichnet. Für nicht assoziierte Flüssigkeiten wurde der Wert K E 2,1 107 J K -1 mol2 / 3 experimentell ermittelt. Nach Gl. (2) ändert sich die Oberflächenspannung linear mit der Temperatur. Dieses Verhalten wird von vielen Flüssigkeiten in nicht zu großen Temperaturbereichen gut erfüllt. Ein Vorteil der Eötvös-Gleichung besteht darin, dass man die V (T )-Abhängigkeit für Flüssigkeiten graphisch so darstellen kann, dass sich bei bekannten Werten für die molare Masse und die Dichte der Flüssigkeiten dieselbe lineare Abhängigkeit ergibt. Daraus folgt die Möglichkeit, die Oberflächenspannung einer beliebigen Flüssigkeit für eine bestimmte Temperatur vorhersagen zu können. Eine genauere Beschreibung der Temperaturabhängigkeit der Oberflächenspannung ist mittels einer aus experimentellen Ergebnissen gewonnenen empirischen Korrektur durch eine modifizierte Eötvös-Gleichung möglich: V VM2 / 3 K E (Tc 6 K T ) . (2a) 5.1 Abreißmethode 93 5.1 Abreißmethode Aufgabenstellung 1. Es soll die Oberflächenspannung verschiedener Flüssigkeiten nach der Abreißmethode bestimmt werden. 2. Für eine Flüssigkeit ist die Abhängigkeit der Oberflächenspannung von der Temperatur zu ermitteln. Ein Platindraht der Länge l ist in einen Bügel eingelötet, der an einer Waage hängt. Der Bügel soll so weit in die zu untersuchende Flüssigkeit eintauchen, dass sich der Platindraht unmittelbar unter der Oberfläche befindet. Es wird vorausgesetzt, dass die Flüssigkeit den Draht vollständig benetzt. Belastet man die Waage, zieht der Draht einen dünnen Flüssigkeitsfilm (Lamelle) aus der Flüssigkeit heraus (Abb. M.5.1.1). F Platindraht l Δs Abb. M.5.1.1 Bestimmung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode Diese Lamelle soll bei der Belastung F gerade noch nicht abreißen. Da sich sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite des Bügels eine Lamelle ausbildet, vergrößert sich die Flüssigkeitsoberfläche um folgt 'A = 2 l 's. Nach Gl. (1) 'W V 2 l 's , Andererseits ist 'W F 's und es ergibt sich V F . 2l (3) In der Betrachtung, die zu Gl. (3) führt, sind alle Randeffekte des Bügels und der Einfluss des Gewichts der herausgezogenen Lamelle unberücksichtigt geblieben. Wenn der Platindraht einen Durchmesser von 0,3 mm hat, ergeben sich für V nach Gl. (3) Werte, die um etwa 10 % zu groß sind. Die Abweichungen werden umso kleiner, je dünner der Platindraht ist. Lenard hat eine genauere Beziehung zur Bestimmung der Oberflächenspannung nach der Abreißmethode begründet. Diese lautet bei Vernachlässigung von Gliedern in r2 V ­° F U g F °½ F r® 2¾ . 2l l l ¿° °¯ (3a) In Gl. (3a) sind r der Radius des Platindrahts und U die Dichte der Flüssigkeit. Versuchsausführung Die Drahtbügel sind mit größter Vorsicht zu behandeln. Vor allen Dingen darf der Platindraht nicht berührt oder der Bügel verbogen werden. Die Bügel sind vor jeder Messung zur Reinigung mit destilliertem Wasser und der zu untersuchenden Flüssigkeit abzuspülen. Man misst zunächst die Drahtlänge l und hängt anschließend den Bügel an die Waage, die so abgeglichen wird, dass der Platindraht in der Ebene der Flüssigkeitsoberfläche liegt. Zur Bestimmung der Kraft F eignen sich besonders gut Spiralfederwaagen oder auch moderne rechnergestützte Kraftmessgeräte, mit denen man die Zugkraft kontinuierlich erhöhen kann, bis die Flüssigkeitslamelle abreißt. Für F ist derjenige Wert für die Zugkraft einzusetzen, bei dem die Lamelle gerade noch nicht abreißt. Die Oberflächenspannung soll nach Gl. (3a) berechnet werden. Der Drahtradius r sei gegeben oder wird mit einer Bügelmessschraube bestimmt, die Dichte der Flüssigkeit kann einer Tabelle am Arbeitsplatz entnommen werden. Die Messungen sind mit Bügeln unterschiedlicher Länge und mit anderen Flüssigkeiten zu wiederholen. Jede Messung 5 Oberflächenspannung 94 Mechanik soll mehrfach ausgeführt werden, um einen guten Mittelwert für die Abreißkraft zu erhalten. Häufig verwendet man bei der Abreißmethode statt eines Bügels einen Ring, dessen Unterkante im Allgemeinen zu einer Schneide ausgeführt ist, damit die Schichtdicke der Lamelle sehr dünn und damit das Gewicht der Flüssigkeitslamelle so klein wie möglich wird (Ringmethode nach De Noüy). Die Lamelle wird annähernd in Form eines Zylindermantels nach oben gezogen. In Analogie zur Begründung von Gl. (3) erhält man 2r (4) wobei rRing der Ringradius und F diejenige Kraft ist, die genau beim Abreißen der Lamelle gemessen wird. Im Allgemeinen ist noch eine Korrektur der nach Gl. (4) ermittelten Oberflächenspannung notwendig. Bei kommerziellen Ringtensiometern werden die Korrekturwerte vom Hersteller mitgeteilt, andernfalls bestimmt man den Korrekturfaktor mit Hilfe einer Kalibrierflüssigkeit. Für die Messung der Temperaturabhängigkeit der Oberflächenspannung wird die zu untersuchende Flüssigkeit auf etwa 60 °C erwärmt und anschließend in das Messgefäß gefüllt, das mit einer Wärmeisolierung versehen ist. Man misst während der langsamen Abkühlung der Flüssigkeit die Abreißkraft bei fünf verschiedenen Temperaturen. Kurz vor der Messung ist die Flüssigkeit gut zu mischen, um die Temperaturunterschiede in der Flüssigkeit auszugleichen. Es ist die lineare Abnahme der molaren Oberflächenspannung nach Gl. (2) zu überprüfen. 5.2 Steighöhenmethode Aufgabenstellung Die Oberflächenspannung V verschiedener Flüssigkeiten ist aus der Steighöhe in einem Kapillarrohr aus Glas zu bestimmen. Eine Glaskapillare (Innenradius r, Außenra- δh F , 4 ʌ rRing 2r1 h h+Δh V Ring dius r1) sei vollständig von der zu untersuchenden Flüssigkeit benetzt. Wenn man die Kapillare senkrecht in ein mit Flüssigkeit gefülltes Gefäß eintaucht, steigt die Flüssigkeit in dem Kapillarrohr bis zu einer Höhe h über den äußeren Flüssigkeitsspiegel an. Der innere, horizontale Querschnitt des Gefäßes soll mit A, der Umfang dieses Querschnittes mit U bezeichnet werden. Abb. M.5.2.1 Bestimmung der Oberflächenspannung mit der Steighöhenmethode Die Steighöhe h berechnet man zweckmäßigerweise nach dem Prinzip der virtuellen Arbeit. Eine unendlich langsam verlaufende Vergrößerung der Steighöhe von h auf h+'h, bei der der Flüssigkeitsspiegel im Gefäß um Gh sinkt (Abb. M.5.2.1), erfordert die Arbeit 'W1 U ʌ r 2 h g 'h įh . (5) In Gl. (5) ist U die Dichte der zu untersuchenden Flüssigkeit. Da das Volumen der Flüssigkeit konstant ist, gilt ʌ r 2 'h įh A ʌ r įh . 2 1 Durch das Anheben der Flüssigkeitssäule verkleinert sich die Grenzfläche zwischen der Luft und dem an der Innenwand der Kapillare haftenden Flüssigkeitsfilm um 'Aab 2 ʌ r 'h įh . 5.2 Steighöhenmethode 95 Gleichzeitig nimmt die Grenzfläche zwischen der Luft und dem an der Innenwand des Gefäßes sowie dem Außenmantel der Kapillare haftenden Flüssigkeitsfilm um 'Azu U 2ʌ r1 įh ʌ r 2 U 2ʌ r1 A ʌ r12 'h įh zu. Die gesamte Verkleinerung der Grenzfläche zwischen Luft und Flüssigkeit ist daher 'A 'Aab 'Azu 2 ʌ r 'h įh cG (6) kann. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, als Vorratsgefäß eine optische Küvette zu verwenden. Diese ist ein Glasgefäß mit rechteckigem Querschnitt und planparallelen Wänden, bei der die beiden gegenüberliegenden Deckflächen aus geschliffenem Glas bestehen. Wenn man auf eine solche Deckfläche blickt, kann man den Flüssigkeitsspiegel sehr deutlich erkennen. Bei Verwendung einer Küvette mit den Kantenlängen a und b folgt cG,re mit dem Korrekturfaktor cG §1 · r ¨ U ʌ r1 ¸ 2 ¹ , 1 © A ʌ r12 (6a) der von den geometrischen Abmessungen der Kapillare und des Gefäßes abhängt. Entsprechend Gl. (1) wird die Energie 'W2 V 2ʌ r 'h įh cG V U grh 1 2 cG . (8) Hat die Schale einen kreisförmigen Querschnitt (Innenradius R), erhält man für den entsprechenden Korrekturfaktor cG,kr: cG,kr ­ r ½ ®1 ¾ . ¯ R r1 ¿ (8a) Die genaue Bestimmung der Steighöhe h bereitet insofern Schwierigkeiten, als man die Höhe des Flüssigkeitsspiegels in der Schale im Allgemeinen nicht sehr genau messen (8b) Wenn der Querschnitt A des Gefäßes mit kreisförmigem Querschnitt sehr groß gegen den Querschnitt der Kapillare ist ( A ʌ r12 ), vereinfacht sich die Gl. (8) in guter Näherung zu V (7) frei. Diese Energie dient zum Anheben der Flüssigkeitssäule. Aus dem Gleichsetzen der Energien gemäß den Gln. (5) und (7) und der Berücksichtigung des Korrekturfaktors cG nach Gl. (6a) folgt die Bestimmungsgleichung für die Oberflächenspannung ­ r a b ʌ r1 ½ ®1 ¾ . ab ʌ r12 ¿ ¯ 1 U grh . 2 (9) Die Kenntnis der Höhe des Flüssigkeitsspiegels wird überflüssig, wenn man mehrere Kapillaren mit unterschiedlichen Innenradien in das Vorratsgefäß taucht. Die Oberflächenspannung lässt sich dann aus den Differenzen der verschiedenen Steighöhen berechnen. Bei nicht vollständiger Benetzung hängt die Steighöhe h noch vom Randwinkel M ab: h 2 V cosM Ugr . (10) Das hat z. B. bei einer nicht völlig sauberen Benetzungsfläche innerhalb einer Glaskapillare zur Folge, dass der Messwert von h zu klein wird und damit die Oberflächenspannung einen im Vergleich zur idealen Benetzung (cos M = 1) zu niedrigen Wert ergibt. Versuchsausführung Die benötigten Abmessungen der Gefäße (2R oder a und b) und der Außendurchmesser des 5 Oberflächenspannung 96 Mechanik Kapillarrohrs 2r1 werden mit einem Messschieber bzw. mit einer Messschraube ermittelt. Zur Bestimmung des Innenradius r der Kapillare sollen zwei unterschiedliche Methoden beschrieben werden. Strahlen lassen sich als helle Linie erkennen. Ihr Abstand 2 s kann mit einem Okularmaßstab bestimmt werden. Aus Abb. M.5.2.2 folgt: tan D E Volumenmethode Eine geeignete Flüssigkeit wird z. B. mit einem Gummigebläse in die trockene Kapillare gesaugt. Der Flüssigkeitsfaden soll eine Länge l von mehreren Zentimetern haben. Diese wird so genau wie möglich gemessen und anschließend die Masse m der in der Kapillare enthaltenen Flüssigkeit mit einer Laborwaage bestimmt. Daraus ergibt sich das auf die Länge l zu beziehende Zylindervolumen (VZyl = m /UFl) und für die Bestimmung des Kapillarradius folgt r VZyl ʌl m . ʌ l U Fl sin D cos E sin E cos D , (12) cos D cos E sin D sin E sr tan D E sin D r12 s 2 s , cos D r1 , 2 §s· 1 ¨ ¸ . © r1 ¹ r1 β (11) Die Dichte der Flüssigkeit UFl kann der Tabelle im Anhang A.8 entnommen werden. Bei der Verwendung von speziellen Kapillarpipetten, die z. B. in der Medizin zum Einsatz kommen, erübrigt sich die Volumenbestimmung. Diese Mikropipetten verfügen bereits über eine Volumenkalibrierung in Bezug auf eine an der Pipette angebrachte Ringmarke und die relativen Unsicherheiten der Volumenangaben sind kleiner als ein Prozent. Damit beschränkt sich die Radiusbestimmung auf die Messung des Abstands l zwischen der Ringmarke und dem unteren Ende der Pipette. Optische Methode Zu Beginn ist der Abbildungsmaßstab der Objektivlinse mit einer ObjektmikrometerGlasplatte zu bestimmen. Dazu vergleicht man die vergrößerte Objektmikrometerskala mit dem Maßstab einer Okularstrichplatte. Danach wird die Kapillare auf den Tisch eines Durchlichtmikroskops gelegt und mit monochromatischem parallelem Licht durchstrahlt. Die in Abb. M.5.2.2 dargestellten α s r Abb. M.5.2.2 Strahlen durch eine Kapillare Nach dem Brechungsgesetz sin D (O.3.0.1- Gl. (1)) gilt n sin E 2 § s · sin E 1 ¨ ¸ . © n r1 ¹ Drückt man in Gl. (12) alle Winkelfunktionen durch s, r1 und n aus und löst die Gleichung nach r auf, folgt 1s und cos E n r1 s n r r 1 §s· 1 ¨ ¸ © r1 ¹ 2 s 1 n cos D E 2 § s · §s· 1 ¨ ¸ ¨ ¸ © n r1 ¹ © r1 ¹ s n 2 , 1 tan 2 D E . 5.3 Tropfenmethode 97 Damit ergibt sich r s n 1 s r 2 r12 s 2 . (13) Kann man nachweisen, dass 5.3 Tropfenmethode 2 s· § ¨s ¸ n © ¹ 102 r12 s 2 Aufgabenstellung Es ist die Veränderung der Oberflächenspannung von Wasser bei Zumischung von Ethanol zu untersuchen. gilt, vereinfacht sich Gl. (13) zu r s . n Berücksichtigung der betreffenden Korrekturfaktoren in den Gln. (8a) bzw. (8b) zu berechnen. Die Dichte U kann der Tabelle A.8 im Anhang oder der Versuchsanleitung entnommen werden. (14) Für Steighöhenbestimmungen muss die Glaskapillare sehr sauber sein. Eine Reinigung ist oft aufwendig, so dass sich die Verwendung von Einweg-Kapillarpipetten empfiehlt. Man taucht die Kapillare senkrecht in die Flüssigkeit ein, saugt diese z. B. mit einem Gummigebläse hoch und wartet die Einstellung der Steighöhe h von oben her ab. Der Wert von h kann entweder mit einer Spiegelskala, die sich hinter dem Kapillarrohr befindet, ermittelt oder mit einem Kathetometer gemessen werden. Das Kathetometer besteht aus einem Fernrohr (O.1.4), das sich längs eines vertikalen Metallrohrs verschieben lässt. Nach Scharfstellung der Flüssigkeitsoberfläche in der Küvette bzw. der Flüssigkeitssäule in der Kapillare kann mit einem in der Okularbrennebene scharf abgebildeten Fadenkreuz die Messung der Steighöhe erfolgen. Dazu verwendet man die am vertikalen Führungsrohr des Kathetometers angebrachte Millimeter-Skala mit Feinablesung. Die Differenz der beiden Ablesungen ergibt den Wert für h. Bevor man mit der Messung beginnt, ist mit Hilfe einer Dosenlibelle zu überprüfen, ob das Kathetometer genau waagerecht steht. Die Steighöhenbestimmung ist für jede Flüssigkeit mehrmals auszuführen. Mit dem daraus bestimmten Mittelwert ist die gesuchte Oberflächenspannung nach Gl. (8) unter Bei der Bestimmung der Oberflächenspannung einer Flüssigkeit gegenüber Luft mit der Tropfen-Gewichtsmethode lässt man ein bestimmtes Flüssigkeitsvolumen V aus einer Kapillare mit plangeschliffener Endfläche und bekanntem Radius rK (z. B. Stalagmometer) in Luft ausfließen und misst die Zahl der sich bildenden Tropfen. Für die Auswertung der Messergebnisse geht man von der Annahme aus, dass ein Tropfen dann von der Kapillare abreißt, wenn seine Gewichtskraft FG (15) mT g gleich (oder geringfügig größer) der Kraft ist, die aufgrund der Oberflächenspannung entlang der Umfanglinie des Tropfens an der Kapillare wirkt, d. h. FV 2 ʌ rKV . (16) Da für die Masse des Tropfens mT UT VT gilt, folgt für das Kräftegleichgewicht im Moment des Abreißens UT VT g 2 ʌ rKV . (17) Dabei sind UT die Dichte der austropfenden Flüssigkeit, VT das Volumen des abreißenden Tropfens, g die Erdbeschleunigung, rK der Radius der Kapillare und V die Grenzflächenspannung. Das Volumen eines Tropfens VT lässt sich aus dem bekannten Volumen V der ausfließenden Flüssigkeit und der Tropfenzahl n berechnen: VT V / n . 5 Oberflächenspannung 98 Mechanik Versuchsauführung (a) M K (b) A Abb. M.5.3.1 (a) Stalagmometer mit Referenzmarken, (b) Austropfen einer Flüssigkeit aus einer Kapillare (schematisch) In Wirklichkeit ist die Masse des abfallenden Tropfens kleiner als nach Gl. (15) zu erwarten ist. Das hängt mit den kinetischen Vorgängen beim Abreißen des Tropfens zusammen. Deshalb wird in Gl. (17) ein empirischer Korrekturfaktor Kkorr eingeführt, der dieses Problem berücksichtigen soll: U Fl VT g 2 ʌ rK V K korr . Es ergibt sich dann für die Oberflächenspannung g U Fl VT . 2ʌ rK K korr V (18) Falls der Korrekturfaktor nicht bekannt ist, kann man diesen durch Kalibriermessungen ermitteln. In der Regel verwendet man als Kalibriersubstanz Wasser, dessen Oberflächenspannung gegenüber Luft als Funktion der Temperatur - gut bekannt ist und mit der empirischen Gleichung VH O 2 >72,9 0,155(- 18qC)@ 103 N m1 im Temperaturbereich zwischen 15 °C und 60 °C gut beschrieben werden kann (relative Abweichungen kleiner als 1 %). Wenn man den Radius der Kapillare nicht kennt, kann rK experimentell bestimmt werden (M.5.2). Bei der praktischen Durchführung von Messungen der Oberflächenspannung wird ein Stalagmometer (Gerät zur Messung der Tropfengröße, Abb. M.5.3.1) verwendet. Es besteht im Wesentlichen aus einer Kapillare, oberhalb der sich das Referenzvolumen mit Eichmarken befindet. Aus Gl. (18) folgt, dass bei Kalibrierung des Stalagmometers mit Wasser die Oberflächenspannung einer unbekannten Flüssigkeit mit einer Relativmethode durch Zählen der jeweiligen Tropfenzahl (zW Zahl der Wassertropfen, z Zahl der Tropfen der zu messenden Flüssigkeit) bestimmt werden kann: V VW U zW . UW z (19) Dabei muss die Temperatur bei allen Messungen konstant und das Ausfließverhalten der Flüssigkeiten darf nicht zu unterschiedlich sein. Falls die Dichten U und UW nicht am Arbeitsplatz gegeben sind, können diese z. B. mit einer Mohr-Westphal-Waage (M.1.2) gemessen werden. Das Stalagmometer wird senkrecht in ein Stativ eingespannt und am oberen Ende ein Schlauchstück, das mit einer Schlauchklemme versehen ist, aufgesetzt. Die zu untersuchende Flüssigkeit, die sich in einem Gefäß unterhalb der Kapillare befindet, wird vorsichtig bis über die obere Marke in das trockene und saubere Stalagmometer mit Hilfe eines Gummigebläses nach oben gesaugt. Die Schlauchklemme wird geschlossen und das Gummigebläse entfernt. Nun wird die Schlauchklemme soweit geöffnet, dass die Tropfen gut zählbar (etwa 2 Tropfen/s) abfallen. Wenn der Flüssigkeitsmeniskus während des Ausfließens die obere Marke passiert, werden die Tropfen gezählt, bis die untere Marke erreicht ist. Die Messung ist mehrfach zu wiederholen. Anschließend durchspült man das Stalagmometer zur Beseitigung von Wasserresten mit der zu untersuchenden 6.0 Grundlagen 99 Wasser-Ethanol-Mischung und beginnt wieder mit dem Zählen der Tropfen. Es ist für fünf verschiedene Konzentrationen die Oberflächenspannung bei einer konstanten Temperatur zu messen und deren Änderung in Abhängigkeit von der Konzentration von Ethanol in der Mischung graphisch darzustellen und zu diskutieren. 6 Viskosität und Strömung während die potentielle Energie um zunimmt. t t+dt ds1 dV A1 d s1 A2 d s2 . Die durch die Strömung (Verschiebung des Volumens) verrichtete Arbeit ist ǻWStr ( p1 p2 ) dV . Die kinetische Energie vergrößert sich um t ds t+dt 2 v1 A1 V p1 A2 v2 h1 p2 h2 Eine idealisierte Flüssigkeit oder ein idealisiertes Gas ströme durch ein Rohr. Die Idealisierung soll darin bestehen, dass der strömende Stoff als inkompressibel angesehen und die Wechselwirkung der Flüssigkeitsbzw. Gasmoleküle untereinander und mit der Rohrwand vernachlässigt wird. Das Volumen V eines Stromfadens, dessen Querschnitt A von Ort zu Ort verschieden sein kann, bewegt sich in der Zeit dt bei Vorhandensein einer Druckdifferenz p1 p2 gemäß Abb. M.6.0.1. Das Rohrstück mit dem größeren Querschnitt A1 befindet sich in einer größeren Höhe h1 als das mit dem kleineren Querschnitt A2 in der Höhe h2. Die betreffenden statischen Drücke und Strömungsgeschwindigkeiten sind p1 bzw. p2 und v1 bzw. v2. In einer Zeit dt kommt es zur Verschiebung des Volumens V um die Wegstücke ds1 und ds2. Da der Stoff inkompressibel sein soll (Dichte U konstant), gilt U g (h2 h1 ) d V ' Wpot 6.0 Grundlagen 6.0.1 Bernoulli-Gleichung 1 §1 2 2· ¨ U v2 U v1 ¸ dV , 2 ©2 ¹ 'Wkin Abb. M.6.0.1 Zur Herleitung der BernoulliGleichung Da jegliche Wechselwirkung vernachlässigt werden soll, muss die verrichtete Arbeit gleich der Summe der gewonnenen kinetischen und potentiellen Energie sein. Es gilt also ǻWStr ǻWkin ǻWpot , 1 p1 U v12 U g h1 2 1 p2 U v22 U g h2 2 (1) const oder unter Verzicht auf die Indizes und mit const = p0 ergibt sich p 1 U v 2 U gh 2 p0 . (2) Gl. (2) bezeichnet man nach ihrem Entdecker Daniel Bernoulli als Bernoulli-Gleichung. Diese besagt, dass die Summe aus dem statischen Druck p, dem dynamischen Druck 6 Viskosität und Strömung 100 Mechanik (2a) Im Falle eines realen Stoffs (Flüssigkeit, Gas) treten bei einer Strömung Reibungskräfte aufgrund zwischenmolekularer Wechselwirkungen auf, deren Wirkung man auch als innere Reibung bezeichnet. Wenn dieser Stoff durch ein zylindrisches Rohr strömt, hat die Geschwindigkeit in der Rohrachse einen maximalen Wert, während sie an der Rohrwand verschwindet. Bei hinreichend kleinen Geschwindigkeiten kann man annehmen, dass differentiell dünne Hohlzylinder wirbelfrei aneinander gleiten. Eine solche Strömung nennt man laminar. Zwischen benachbarten Hohlzylindern muss eine Reibungskraft FR wirken. Diese ist der Berührungsfläche A und dem Geschwindigkeitsgefälle dv/dr senkrecht zur Fließrichtung proportional. Als Proportionalitätsfaktor führt man die dynamische Viskosität (den Koeffizienten der inneren Reibung) K ein: FR KA dv dr . K U . (4) Die kinematische Viskosität hat die SIEinheit m2 s-1. 0. Für die Reibungskraft verwendet man Gl. (3) und es folgt ʌ r 2 p1 p2 K 2 ʌ r l dv p1 p2 2K l dv dr 0 , r dr . Die Lösung lautet unter Berücksichtigung der Randbedingung v(R) = 0: p1 p2 2 2 R r . 4K l vr (5) Rohrwand v(r) Rohrmitte l p2< p1 p1 (3) Der Zusammenhang in Gl. (3) wird auch als Reibungsgesetz nach Newton bezeichnet. Die SI-Einheit der dynamischen Viskosität ist kg m-1 s-1, die kohärente abgeleitete Einheit Pa s (Pascal Sekunde). Das Verhältnis von dynamischer Viskosität K zur Dichte ȡ bezeichnet man als kinematische Viskosität K * : K* Fp FR dr p0 . In einem mit Flüssigkeit oder Gas gefüllten Rohr vom Radius R entsteht eine laminare Strömung, wenn ein nicht zu großes Druckgefälle vorhanden ist. Im stationären Zustand ist für jeden koaxialen Zylinder vom Radius r die Summe von Druckkraft Fp und Reibungskraft FR gleich Null: r 1 p U v2 2 6.0.2 Gesetz von Hagen und Poiseuille R (Staudruck) und dem vom Höhenunterschied h abhängigen Druck (geodätischer Druck) konstant ist. Wenn die Strömung durch ein horizontales Rohr erfolgt, bleibt die potentielle Energie konstant und der geodätische Druck ist null. Dann vereinfacht sich die Bernoulli-Gleichung (2) zu R r Abb. M.6.0.2 Laminare Rohrströmung mit parabelförmiger Geschwindigkeitsverteilung (HagenPoiseuille’sche Gesetz) Durch einen Hohlzylinder vom Radius r und der Dicke dr fließt in der Zeit dt das Volumen dV (Abb. M.6.0.2). Dann berechnet sich der Volumenstrom mit V dV dt 2ʌ r dr v r . 6.0 Grundlagen 101 Mit v(r) gemäß Gl. (5) und Integration über alle Hohlzylinder V R ³ 0 ʌ p1 p2 2K l R 2 r 2 r dr 2 1 § p p2 · 2 2 2 dEk = ¨ 1 ¸ R r U 2ʌ r l dr . 2 © 4K l ¹ Die gesamte kinetische Energie ergibt sich durch Integration über alle Hohlzylinder zu folgt das Gesetz von Hagen und Poiseuille: V ʌ R 4 p1 p2 8K l Ek . (6) Es ist zweckmäßig, einen Mittelwert der Geschwindigkeit einzuführen. Als mittlere Geschwindigkeit v definiert man das ausfließende Volumen je Zeit, geteilt durch den Rohrquerschnitt: v V 1 . t ʌ R2 v p1 p2 R 2 8K l (8) Das Gesetz von Hagen und Poiseuille gilt unter der Voraussetzung, dass die Strömung laminar ist. Bei turbulenter Strömung, bei der durch Wirbel Teilchen aus einer dünnen Schicht in benachbarte Schichten gelangen, kann Gl. (6) nicht angewendet werden. Aber auch im Bereich der laminaren Strömung ist das Gesetz von Hagen und Poiseuille nur richtig, wenn die kinetische Energie der Flüssigkeitsteilchen nicht zu groß gegenüber derjenigen Energie ist, die durch die innere Reibung bestimmt wird. Um das zu verdeutlichen, betrachtet man die in einem Hohlzylinder mit dem Radius r und der Dicke dr bei einer Geschwindigkeitsverteilung gemäß Gl. (5) enthaltene kinetische Energie dEk 1 2 v dm bzw. 2 k 96 K 2 l . Dafür kann man Ek ªUv Rº R ʌ R 2 p1 p2 « » ¬ K ¼ 12 (9) schreiben. Der in Gl. (9) auftretende Faktor in den rechteckigen Klammern ist dimensionslos und wird Reynolds-Zahl Re genannt: Re . ³ dE 0 (7) Aus dem Vergleich der Gln. (6) und (7) folgt für die mittlere Strömungsgeschwindigkeit auch der Zusammenhang ʌ U p1 p2 R 6 2 R U vR . K (10) Bei Rohrsströmungen ist es üblich, statt des Radius R den Innendurchmesser des Rohrs als charakteristische Länge L =2 R für die Bestimmung der Reynolds-Zahl zu verwenden: Re U vL . K (10a) Die Reynolds-Zahl hat keine Dimension und beschreibt als eine wichtige Kennzahl der Strömungslehre das Verhältnis von Trägheits- zu Zähigkeitskräften. Die kinetische Energie Ek kann nun unter keinen Umständen größer als die in den strömenden Stoff hineingesteckte Arbeit W ʌ R 2 p1 p2 l (11) sein. Der Vergleich der Gln. (11) und (9) liefert l! UvR R K 12 Re R . 12 (12) Aus sorgfältigen Messungen ist bekannt, dass 6 Viskosität und Strömung 102 Mechanik für Re < 1160 die Strömung in einem Rohr mit Sicherheit laminar ist. Versteht man unter l die Länge des Rohrs, folgt aus der Ungleichung Gl. (12), dass sich eine parabolische Geschwindigkeitsverteilung im gesamten Bereich der laminaren Strömung nur dann einstellen kann, wenn das Verhältnis der Rohrlänge zum Rohrradius größer als 100 ist. Da bei der Herleitung des Gesetzes von Hagen und Poiseuille Gl. (5) verwendet wird, kann Gl. (6) nur gelten, wenn die Ungleichung Gl. (12) erfüllt ist. 6.1 Kugelfallmethode Aufgabenstellung Die dynamische Viskosität einer sehr zähen Flüssigkeit ist mit der Kugelfallmethode nach Stokes bei Zimmertemperatur zu bestimmen. FA (14) Es sind UK bzw. UFl die Dichte der Kugel bzw. der Flüssigkeit. Für eine Kugel, die sich mit der Relativgeschwindigkeit v zwischen der Kugel und einer unendlich ausgedehnten Flüssigkeit bewegt, gilt nach Stokes 6 ʌK r v . FR (15) Im Experiment fällt die Kugel in einem Rohr mit dem Radius R und der Höhe h. Der Betrag der Reibungskraft vergrößert sich mit wachsenden Verhältnissen r/R und r/h. Da nicht in jedem Fall h !! R !! r gilt, ist die Reibungskraft zu korrigieren. Unter Berücksichtigung der Ladenburg’schen Korrektur (A. Ladenburg) mit dem Korrekturfaktor r r (1 2,1 ) (1 3,3 ) R h Ckorr ϑ 4 ʌ r 3 U Fl g . 3 ergibt sich als modifizierte Gleichung für die Reibungskraft FR,korr FA+ FR 6 ʌK r v Ckorr . (15a) Nachdem die Kugel eine gewisse Strecke in der Flüssigkeit zurückgelegt hat, stellt sich eine konstante Geschwindigkeit v = l / t ein. Dann muss die Summe der auf die Kugel wirkenden Kräfte verschwinden: l FG FG FA FR 0 . (16) Setzt man die Gln. (13), (14) und die korrigierte Reibungskraft nach Gl. (15a) in Gl. (16) ein, erhält man für die dynamische Viskosität die Gleichung Abb. M.6.1.1 Kugelfallmethode nach Stokes Auf eine in einer zähen Flüssigkeit fallende Kugel (Abb. M.6.1.1) vom Radius r wirken drei Kräfte: die Schwerkraft FG, der Auftrieb FA und die Reibungskraft FR: FG 4 ʌ r 3 UK g , 3 (13) K 2 U K U Fl g 9l r2 t 1 1 r· § r· § ¨1 2,1 ¸ ¨1 3,3 ¸ . R¹ © h¹ © (17) Die Stokes-Beziehungen Gln. (15) bzw. (15a) gelten unter der Voraussetzung, dass die 6.2 Kugelfall-Viskosimeter 103 Reynolds-Zahl nach Gl. (10a) Re U Fl v L K (L = 2 r) (18) sehr klein gegen eins ist. Aus diesem Grunde ist auch Gl. (17) nur für sehr kleine Reynolds-Zahlen brauchbar. Die Kugelfallmethode zur Bestimmung der dynamischen Viskosität kann nur als Demonstrationsversuch angesehen werden. Für die meisten Flüssigkeiten sind die Fallzeiten von Glasoder Metallkugeln selbst bei großen Fallstrecken relativ klein. Außerdem ist die Viskosität aller Flüssigkeiten stark von der Temperatur abhängig. Es bereitet experimentell viel Mühe, die Temperatur einer in einem langen Rohr befindlichen Flüssigkeit konstant zu halten. einem vorgegebenen Temperaturbereich zu ermitteln und deren Beschreibung durch eine Exponentialfunktion zu überprüfen. Fällt eine Kugel in einem senkrecht stehenden Rohr, dessen Durchmesser nur wenig größer als der Kugeldurchmesser ist, berührt die Kugel im Allgemeinen in unkontrollierbarer Weise die Rohrwand. L T Versuchsausführung Man misst mit einem Maßband die Fallstrecke l, den Rohrradius R und die Höhe der Flüssigkeitssäule h. Der Durchmesser der Kugeln wird mit einer Bügelmessschraube bestimmt. Die Fallzeiten der Kugeln zwischen oberer und unterer Marke am Rohr werden mit einer elektronischen Stoppuhr gemessen. Es ist darauf zu achten, dass die Kugeln längs der Rohrachse fallen und dass keine Luftblasen an den Kugeln hängen. Die Messungen sind bei einer konstanten Temperatur durchzuführen. Man berechnet die Viskosität K nach Gl. (17), die Dichten UFl und UK können den Tabellen im Anhang (A.7, A.8) bzw. den Versuchshinweisen im Praktikum entnommen werden. Es ist zu zeigen, ob die Reynolds-Zahlen für alle verwendeten Kugelradien viel kleiner als eins ist (Gl. (18)). 6.2 Kugelfall-Viskosimeter Aufgabenstellung Es ist die Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität einer Flüssigkeit mit dem Kugelfall-Viskosimeter nach Höppler in A S Abb. M.6.2.1 Aufbau des Kugelfall-Viskosimeters nach Höppler mit den beiden Messmarken (rote Ringe), Dosenlibelle L, Thermometer T Ihre Bewegung wird reproduzierbar, wenn man das Rohr um einige Grad gegen die Vertikale neigt, d. h. die Kugel an der Rohrwand nach unten gleiten lässt. Diese Überlegung veranlasste Höppler, ein Viskosimeter mit geneigtem Rohr zu entwickeln (Abb. M.6.2.1). Das Viskosimeterrohr befindet sich in einem weiten Glasrohr, durch das man Flüssigkeit konstanter Temperatur strömen lässt. Hat die Kugel die Messtrecke (Abstand zwischen oberer und unterer Marke am Viskosimeterrohr) durchlaufen, dreht man das Viskosimeter 180q um die Achse A und lässt die Kugel zurückgleiten. Während der Messung ist das Viskosimeter mit der Schraube S zu arretieren. Die Viskosität bestimmt man mit der Gleichung K K U K UFl t . (19) 6 Viskosität und Strömung 104 Mechanik In Gl. (19) ist K die Kugelkonstante, t die Zeit, in der die Kugel die Messstrecke durchläuft, und UK bzw. UFl sind die Dichte der Kugel bzw. der Flüssigkeit. Die Gln. (17) und (19) stimmen formal überein. Während sich aber für eine in einem weiten Rohr fallende kleine Kugel die Kugelkonstante berechnen lässt, muss die Größe K in Gl. (19) gegeben sein oder mit Hilfe einer Kalibrierflüssigkeit empirisch ermittelt werden. Um das Höppler-Viskosimeter in einem sehr großen Viskositätsbereich verwenden zu können, gehört zu jedem Gerät ein Satz von Kugeln verschiedener Größe und Dichte. Eine der Kugeln ist auch zur Bestimmung der Viskosität von Gasen geeignet. Bei den Messungen ist darauf zu achten, dass man eine bestimmte Mindestfallzeit nicht unterschreitet, da anderenfalls die Strömung um die Kugel nicht mehr laminar ist. Versuchsausführung Die Versuchsflüssigkeit, die ggf. vor dem Einfüllen in das Glasrohr durch Erwärmung und anschließend durch langsames Abkühlen weitestgehend zu entgasen ist, wird in das Viskosimeter gefüllt. Alle an der Rohrwand haftenden Luftblasen sind sorgfältig zu entfernen. Dann steckt man langsam die Kugel in das Rohr, ohne dass sich um die Kugel Luftblasen bilden können. Der Einsatz am oberen Ende des Viskosimeterrohrs soll nicht vollständig gefüllt sein, damit sich die Flüssigkeit beim Erwärmen ausdehnen kann. Man schließt das Rohr mit dem dafür vorgesehenen Schraubverschluss und justiert das Viskosimeter. Danach wählt man an einem Umwälzthermostaten die gewünschte Messtemperatur und schaltet diesen ein. Die Zeit, in der sich die Kugel von der oberen bis zur unteren Messmarke am Viskosimeterrohr bewegt, wird mit einer Stoppuhr gemessen. Da die Temperatur nicht in der zu untersuchenden Flüssigkeit, sondern im Temperierbad bestimmt wird, ist die Fallzeit bei jeder Temperatur so oft zu stoppen, bis sich ein im Rahmen der Messunsicherheit konstanter Wert ergibt. Die Dichten UK und UFl sind der Anleitung am Arbeitsplatz zu entnehmen. Die Viskosität K wird nach Gl. (19) berechnet und ihre Temperaturabhängigkeit ist graphisch darzustellen. Da die Viskosität vieler Flüssigkeiten einer exponentiellen Temperaturabhängigkeit entsprechend K T A1 exp ( A2 / T ) genügt, trägt man lnK über der reziproken absoluten Temperatur 1/T auf. Mit Hilfe des linearen Ausgleichs (graphisch oder rechnerisch) bestimmt man die in einem nicht zu großen Temperaturbereich konstanten Materialparameter A1 und A2. 6.3 Kapillar-Viskosimeter Aufgabenstellung 1. Die Abhängigkeit der kinematischen Viskosität einer Flüssigkeit von der Temperatur ist in einem vorgegebenen Temperaturbereich mit dem Kapillar-Viskosimeter nach Ubbelohde zu bestimmen. 2. Aus den Werten der kinematischen Viskosität sind die Werte der dynamischen Viskosität zu berechnen. Es ist die molare Energie für die molekularen Platzwechselvorgänge bei laminarer Schichtenströmung durch graphische Auswertung zu ermitteln. Das Viskosimeter nach Ubbelohde ist ein Kapillarviskosimeter. Es unterscheidet sich von dem älteren Viskosimeter nach Ostwald durch das Rohr 3 (Abb. M.6.3.1). Dieses Rohr bewirkt, dass am unteren Ende der Kapillare (4, Rohr 2) Luftdruck herrscht. Die aus der Kapillare austretende Flüssigkeit fließt in einer dünnen Schicht an der Innenwand des Volumens C ab. Dabei bildet sich ein so genanntes hängendes Kugelniveau, das nach sorgfältigen Untersuchungen von Ubbelohde unabhängig von der Dichte, der Viskosität und der Oberflächenspannung der zu untersuchenden Flüssigkeit ist. Die untere 6.3 Kapillar-Viskosimeter 105 Grenze der Druckhöhe h ist daher das untere Ende der Kapillare (nicht wie beim OstwaldViskosimeter die variable Höhe des Flüssigkeitsspiegels im Volumen B). 2 1 3 [Zur Berechnung von įp (Hagenbach-Korrektur) schreibt man die kinetische Energie je Zeit der durch einen Hohlzylinder mit dem Radius r und der Dicke dr (Abb. M.6.0.2) strömenden FlüssigdE 1 2 keit auf: d Ekc U d V v r . dt 2 Für dV gilt d V (r ) 2 ʌ r v r d r . Daraus folgt 1 3 U 2 ʌ r d r v r bzw. mit Gl. (5) erhält 2 dEkc D M1 ªp p º 3 2 U ʌr« 1 R 2 r 2 » d r . 4 K l ¬ ¼ Die Integration über alle Hohlzylinder liefert die gesamte kinetische Energie je Zeit: man dEkc A M2 3 ª p1 p2 º R8 . » ¬ 4K l ¼ 8 Ekc h(0) h(t) U ʌ« Mit Gl. (6) ergibt sich Ekc 4 UV 3 ʌ 2 R 4t 3 . Andererseits įpV UV2 und es folgt įp . (22) ʌ 2 R 4t 2 t Die dargestellte Überlegung ist insofern nicht exakt, weil beim Eintritt der Flüssigkeit in die Kapillare eine parabolische Geschwindigkeitsverteilung gemäß Gl. (5) noch gar nicht vorliegt. Aus diesem Grunde bringt man an Gl. (22) einen Korrekturfaktor kP an, der einen Wert von etwa 1,1 hat: ist Ekc M3 C M4 B Abb. M.6.3.1 Aufbau des Kapillar-Viskosimeters nach Ubblohde Die Druckhöhe h ändert sich während der Messung von h(0) bis h(t). Man rechnet deshalb mit dem zeitlichen Mittelwert t h 1 h dt . t ³0 K 8V l U . (20) Beim Eintritt in die Kapillare muss die Flüssigkeit beschleunigt werden. Dazu ist ein Druck Gp notwendig. p1 p2 U g h įp . (21) kp U V 2 ʌ 2 R 4t 2 (23) . Setzt man die Gln. (21) und (23) in Gl. (20) ein, folgt K Für die kinematische Viskosität gilt nach den Gln. (6) und (4) ʌ p1 p2 R 4 t įp Mit ʌ g h R4 8V l den t mV 1 . 8ʌ l t Konstanten K ʌ g h R4 8V l und ª Kc º K «t ». ¬ Kt¼ Die Größe K c / ( K t ) muss die Dimension einer Zeit haben. Deshalb führt man eine Korrekturzeit ein: Kc mV wird K 8ʌl tc K c /( K t ) . ] (24) 6 Viskosität und Strömung 106 Mechanik Für die Bestimmungsgleichung der kinematischen Viskosität folgt dann der Gleichung K K t tc . (25) Die Kapillar-Viskosimeter nach Ubbelohde sind so dimensioniert, dass sich die Werte der Viskosimeterkonstanten K nur sehr wenig von 1 mm2 s-2, 0,1 mm2 s-2 bzw. 0,01 mm2 s-2 unterscheiden. Der Wert von K ist in das kalibrierte Viskosimeter geätzt oder kann dem Gerätezertifikat des Herstellers entnommen werden, in dem auch die Standardunsicherheit für K mitgeteilt wird. Versuchsausführung Zunächst wird das Rohr 1 (Abb. M.6.3.1) mit Messflüssigkeit gefüllt, bis der Flüssigkeitsspiegel zwischen den Marken M3 und M4 liegt. Danach stellt man am Regelteil des Thermostaten die gewünschte Temperatur ein und schaltet den Thermostaten ein. Dieser speist einen Glasbehälter mit der Thermostatflüssigkeit, in den das Viskosimeter einzusetzen ist. Rohr 3 wird mit dem Finger geschlossen und die Messflüssigkeit z. B. mit Hilfe eines Gummigebläses in Rohr 2 hochgesaugt. Wenn das Volumen D völlig gefüllt ist, öffnet man Rohr 3 und bestimmt die Zeit t, in der der Flüssigkeitsspiegel von der Marke M1 bis zur Marke M2 sinkt. Man notiert die Temperatur des Flüssigkeitsbads und die Ausflusszeit t bei dieser Temperatur so oft, bis sich der Wert von t nicht mehr ändert. Die der Ausflusszeit entsprechende Korrekturzeit t c wird der vom Hersteller des Viskosimeters mitgelieferten Tabelle entnommen und die kinematische Viskosität nach Gl. (25) berechnet. Der Versuch ist bei anderen Temperaturen zu wiederholen. Unter Verwendung von Gl. (4) kann die dynamische Viskosität berechnet werden. Die Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität ist graphisch in einem kartesischen Koordinatensystem mit den transformierten Koordinaten x = 1/T und y = lnK darzustellen (Ausgleichsgerade y =A + B x, Auswertung siehe Einführung 2.3 bzw. 2.4). Für viele (nicht assoziierte) Flüssigkeiten wird zur Beschreibung der Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität die Andrade-Arrhenius-Beziehung § EA · ¸ © RT ¹ K T C exp ¨ (26) verwendet, die einen direkten Zusammenhang zwischen der molaren Aktivierungsenergie EA und dem Fit-Parameter B herstellt (EA = R B). In Gl. (25) sind C eine Materialkonstante und R die universelle Gaskonstante. Die Größe EA ist eine Maß für die Größe der zwischenmolekularen Wechselwirkungen, die für das wirbelfreie aneinander Vorbeifließen der Schichten bei laminarer Strömung notwendig ist. 6.4 Strömung im Rohr Aufgabenstellung 1. Bei einer Rohrströmung soll diejenige Reynolds-Zahl bestimmt werden, bei der die laminare Strömung in einem Rohr in turbulente Strömung umschlägt. 2. Für den Bereich der laminaren Strömung ist zu zeigen, dass zwischen dem Widerstandsbeiwert und der Reynolds-Zahl ein linearer Zusammenhang besteht. Bei einer stationären Strömung durch ein Rohr vom Radius R ist die Summe aus Druckkraft Fp und Reibungskraft FR gleich null: Fp FR 0 . (27) Für FR soll ein Ansatz gewählt werden, der im Gegensatz zu Gl. (3) sowohl im Bereich der laminaren als auch in dem der turbulenten Strömung brauchbar ist. Man setzt die Reibungskraft FR proportional der angeströmten Mantelfläche A und der kinetischen Energie je Volumen mit der mittleren Ge- 6.4 Strömung im Rohr 107 schwindigkeit v (Gln. (7) und (8)): FR cW A U 2 experimenten gewonnen wurde: v2 . (28) Die Größe cW beschreibt den dimensionslosen Widerstandsbeiwert, wobei U die Dichte der Flüssigkeit ist. Aus ʌ R 2 p1 p2 cW 2 ʌ R l U 2 v2 0 folgt p1 p2 R cW U l v2 . (29) Wird die Druckdifferenz ( p1 p2 ) mit Manometerrohren (Abb. M.6.4.1) gemessen, gilt p1 p2 U g h1 h2 . cW, turb cW l v2 . Man stellt eine Druckdifferenz (p1 p2) als Höhendifferenz (h1h2) ein, die durch Manometer im Abstand l längs des Rohrs gemessen wird (Abb. M.6.4.1). Befindet sich Luft im Strömungsrohr, darf erst dann mit der Messung begonnen werden, wenn die strömende Flüssigkeit alle Luftblasen aus dem Rohr entfernt hat. Die Temperatur der Flüssigkeit (Wasser) ist abzulesen, die Werte für die Dichte ȡ sowie die Viskosität Ș können der Tabelle A.9 im Anhang entnommen werden. Man wiederholt die Messung bei etwa 20 verschiedenen Druckdifferenzen. S (30) Ist die Strömung laminar, kann man Gl. (8) als p1 p2 ʌ R 2 8 ʌK l v 0 (31) schreiben. Aus den Gln. (27) und (31) folgt FR 8ʌK l v . (32) Der Vergleich der Gln. (28) und (32) liefert den Widerstandsbeiwert einer laminaren Strömung mit der Reynolds-Zahl nach Gl. (10a): cW, lam 16 . Re (34) Versuchsausführung Damit wird der Widerstandsbeiwert g h1 h2 R 0,0791 . Re1/ 4 (33) Trägt man lg cW über lg Re auf, erhält man für den Bereich der laminaren Strömung gemäß Gl. (33) eine Gerade mit dem Anstiegswert -1. Bei turbulenter Strömung besteht zwischen cW und Re ein anderer Zusammenhang, der empirisch aus Strömungs- M h1 h1-h2 h2 2r l Abb. M.6.4.1 Schematische Darstellung der Versuchsanordnung zur Strömung in einem Rohr mit Mariott’scher Flasche (M) Als Vorratsbehälter kann eine Mariott’sche Flasche verwendet werden, die über einen Wasserzulauf verfügt, so dass sich auch bei kontinuierlichem Abfluss das untere Ende des Steigrohrs immer im Wasser befindet. Bei konstanter Höhe des unteren Ende des Steigrohrs S herrscht ein konstanter Überdruck am Auslass der Mariott’schen Flasche. Durch Variation der Höhe der Flasche gegenüber der Lage des horizontalen Strömungsrohrs sowie durch die Änderung der 108 Mechanik Eintauchtiefe des Steigrohrs, aber auch mit Hilfe eines Ausflusshahns, kann die Druckdifferenz und damit der Volumenstrom geändert werden. Am Ausgang des Strömungsrohrs wird mit einem Messzylinder das ausfließende Volumen in einer bestimmten Zeit ermittelt. Da das Gesetz von Hagen und Poiseuille nur für laminare Strömungen gilt, verwendet man für die experimentelle Bestimmung von R die bei kleinen Druckdifferenzen ermittelten Volumenströme. Die mittleren Geschwindig- 6 Viskosität und Strömung keiten erhält man aus Gl. (7), die Widerstandsbeiwerte cW aus Gl. (30) und die Reynolds-Zahlen Re aus Gl. (10). Man stellt lg cW in Abhängigkeit von lg Re graphisch dar und entnimmt dem Graphen den Wert der kritischen Reynolds-Zahl (Rekr), bei dem der Wechsel von einer laminaren in eine turbulente Strömung beobachtet wird. Unterhalb und oberhalb von Rekr ist der Verlauf des Graphen zu diskutieren. Dabei ist insbesondere die Anwendbarkeit der Gln. (33) und (34) zu überprüfen. 109 Wärmelehre 1 Temperaturmessung 1.0 Grundlagen 1.0.1 Temperatur, Maßeinheiten und Temperaturskalen Die Temperatur ist eine Zustandsgröße der Thermodynamik, die den Energiezustand eines Körpers im thermodynamischen Gleichgewicht charakterisiert. Nach der kinetischen Gastheorie hängt sie von der durchschnittlichen kinetischen Energie der sich bewegenden Teilchen ab. Die Thermodynamik verwendet die Temperatur als vierte Grundgröße neben den aus der Mechanik bekannten Grundgrößen Masse, Länge und Zeit. Die Messung der Temperatur erfolgt indirekt durch die Untersuchung physikalischer oder chemischer Stoffeigenschaften, die einer unmittelbaren Messung zugänglich sind. Eine Definition der Temperatureinheit ist nur im Zusammenhang mit der Realisierung einer Temperaturskala möglich. Die thermodynamische Temperaturskala ist zwar theoretisch über den 2. Hauptsatz der Thermodynamik und den Carnot-Kreisprozess begründbar, jedoch nur mit einem Gasthermometer weitgehend realisierbar. Mit Hilfe der thermodynamischen Temperaturskala wird die Temperatureinheit, das Kelvin, definiert: Das Kelvin (K) ist der 273,16-te Teil der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunkts von reinem Wasser. Je nach der Wahl des Nullpunkts unterscheidet man zwischen Kelvin-Skala und Celsius-Skala. Die absolute Temperatur T wird in Kelvin (K) gemessen, deren Nullpunkt der absolute Nullpunkt ist. Für die Celsius-Temperatur wählt man das Formelzeichen - oder t. Sie wird in der Einheit Grad Celsius (°C) angegeben und es gilt die Größengleichung - = (T(K) 273,15) °C. Im Falle einer Temperaturdifferenz '- -2 -1 bzw. 'T T2 T1 (1) stimmt der Zahlenwert in beiden Skalen überein und es wird die Einheit Kelvin empfohlen (DIN 1345). Daraus folgt, dass die Unterscheidung zwischen einem Skalenwert oder einer Differenz ohne eine zusätzliche Erläuterung nicht möglich ist. Bei hohen Genauigkeitsanforderungen sind Temperaturmessungen sehr schwierig und nur mit sehr hohem Aufwand zu realisieren. Deshalb wurde für den praktischen Gebrauch eine empirische Internationale Temperaturskala festgelegt, die gegenwärtig gültige ist die ITS-90. Diese beinhaltet ein System von vorgeschriebenen Messgeräten und Messverfahren zur möglichst genauen Annäherung an die thermodynamische Temperatur. Mit der ITS-90 werden spezielle Temperaturen (sogenannter Fixpunkte) festgelegt, von denen einige Beispiele in Tabelle W.1.1 aufgeführt sind. Tabelle W.1.1 Beispiele für Fixpunkte der Internationalen Temperaturskala ITS-90 Tripelpunkt Wasserstoff 13,8033 K Tripelpunk Sauerstoff 54,3584 K Tripelpunkt Wasser 273,16 K Erstarrungspunkt Zinn 505,078 K Erstarrungspunkt Aluminium 933,473 K W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum, DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 1 Temperaturmessung 110 Wärmelehre Um diese hohen Genauigkeiten zu erreichen, werden für ausgewählte Temperaturbereiche unterschiedliche Thermometer, wie Dampfdruckthermometer (0,65 K bis 25 K), Widerstandsthermometer (13,8 K bis 1235 K) und oberhalb 1235 K Spektralpyrometer als Normalgeräte vorgegeben. Aus den Anzeigen der Normalgeräte erhält man die Temperatur mit Hilfe vorgeschriebener Definitionsgleichungen. Im Jahr 2000 wurde die ITS-90 nach tieferen Temperaturen hin erweitert (Bereich zwischen 0,9 mK und 1 K). Die Kurzbezeichnung dieser Tiefsttemperaturskala lautet PLTS-2000 (Provisional Low Temperature Scale), wobei für die Kalibrierung dieser Skala die Druckabhängigkeit der Schmelztemperatur von 3He verwendet wird, die man mit einer Polynomfunktion höherer Ordnung beschreibt. 1.0.2 Ausdehnungsthermometer Bei Erwärmung bzw. Abkühlung eines Körpers ändert sich unabhängig vom Aggregatzustand seine Länge bzw. sein Volumen. Bei einer Längenänderung 'l ('l = l – l0) in einem Temperaturintervall 'T ('T = T – T0) wird als Proportionalitätsfaktor der Längenausdehnungskoeffizient Dl eingeführt: Dl 1 'l . l0 ' T (2) Für die Temperaturabhängigkeit der Länge l gilt dann l l0 1 D l 'T . J 1 'V . V0 'T (3) Analog zum Längenausdehnungskoeffizienten führt man den Volumenausdehnungskoeffizienten J ein: (4) Daraus folgt für die Temperaturabhängigkeit des Volumens V V0 1 J 'T . (5) Die Größen l0 und V0 stellen Bezugsgrößen bei der Temperatur T0 dar und die Gln. (2) bis (5) sind nur für begrenzte Temperaturintervalle gültig. Aus der dritten Potenz von Gl. (3) erhält man bei Vernachlässigung der Potenzen zweiter und dritter Ordnung Ȗ | 3 D l . Im Falle nichtlinearer Abhängigkeiten führt man differentielle Ausdehnungskoeffizienten ein, d. h., man ersetzt 'l/'T durch dl/dT bzw. 'V/'T durch dV/dT. Längen- und Volumenausdehnung werden bei der praktischen Konstruktion von Thermometern genutzt. Bei Metall-Ausdehnungsthermometer finden in der Regel Bimetallthermometer praktische Anwendungen, die in einem Temperaturbereich von etwa 70 qC bis 600 qC zum Einsatz kommen. Im Prinzip enthalten diese zwei Metalle mit unterschiedlicher thermischer Ausdehnung, die fest miteinander verbunden sind. Eine Änderung der Temperatur verursacht eine Veränderung der Krümmung des Bimetalls, deren Stärke von der Größe der Temperaturänderung abhängig ist. Flüssigkeitsthermometer beruhen auf der thermischen Ausdehnung einer Flüssigkeit in einem Gefäß mit angesetzter Kapillare und verwenden zum Anzeigen der Temperatur den Ausdehnungsunterschied zwischen Füllflüssigkeit und Gefäßmaterial. Als Thermometerflüssigkeit kommen benetzende und nicht benetzende Flüssigkeiten zur Anwendung, z. B. Alkohol (110 °C bis +60 °C), Pentan (110 °C bis +60 °C) oder Quecksilber (30 °C bis +350 °C). Die mit guten Flüssigkeitsglasthermometern erreichbaren Messunsicherheiten liegen bei 0,1 K. Um solche geringen Messunsicherheiten zu realisieren, müssen zusätzliche Korrekturen bezüglich der Temperaturanzeige erfolgen. 1.0.3 Elektrische Temperatursensoren Zu den wichtigsten elektrischen Temperatursensoren gehören Widerstandsthermometer und Thermoelemente. Bei den Widerstandsthermometern wird die temperaturabhängige 111 1.0 Grundlagen Änderung des elektrischen Widerstands als Maß für die Temperatur benutzt (E.1.0.l). Bevorzugt werden Metalle und Halbleiter, die eine große und reproduzierbare Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands aufweisen (z. B. Platin, Rhodium, Metalloxide, Germanium, Silizium u. a.). Als MetallWiderstandsthermometer verwendet man sehr oft das Platin-Widerstandsthermometer, bei dem der elektrische Widerstand als Funktion der Temperatur durch ein Polynom höherer Ordnung beschrieben werden kann (DIN EN 60751). Für kleine Temperaturintervalle 'T sowie bei nicht zu hohen Anforderungen an die Genauigkeit genügt in praktischen Fällen oftmals die Näherung durch den linearen Zusammenhang R T0 1 E 'T , R(100 qC) / R(0 qC) 138,51 : /100 : . Als Grundmaterialien für NTC-Temperatursensoren (Negative Temperature Coefficient) kommen in der Regel polykristalline Keramiken zum Einsatz. Diese bestehen im Allgemeinen aus Mischmetalloxiden, deren Temperaturkoeffizient von der Zusammensetzung und den Korngrenzeneigenschaften abhängt. Die Temperaturabhängigkeit des Widerstands der NTC-Sensoren kann in ausgewählten Temperaturbereichen mit der Beziehung °­ ª§ 1 · § 1 R0 exp ®b «¨ ¸ ¨ °¯ «¬© T ¹ © T0 I II 1 II T1 T2 I 2 (6) wobei E der lineare Temperaturkoeffizient des elektrischen Widerstands mit E > 0 ist. Eine große technische Bedeutung besitzt der Pt-100-Messwiderstand als Sensorelement, für den nach der gültigen DIN ein festes Widerstandsverhältnis festgelegt ist: R T E · º °½ ¸ »¾ ¹ »¼ °¿ (7) beschrieben werden, wobei R0 der Widerstand bei der Bezugstemperatur T0 und b eine materialabhängige Konstante sind. Die Mess- T1 > R T unsicherheiten einfacher technischer Widerstandsthermometer liegen zwischen 0,2 K und 2 K je nach Messbereich und Fertigung. Thermoelemente gehören zu den elektrischen Temperatursensoren, die in einem sehr weiten Temperaturbereich von etwa 200 qC bis 3000 qC zur Temperaturmessung geeignet sind. Bei ihnen nutzt man die Thermoelektrizität (Seebeck-Effekt) aus. T2 Abb. W.1.0.1 Messprinzip des Thermoelements mit zwei verschiedenen Metallen I und II Dazu müssen sich in einem offenen Leiterkreis zwei Kontaktstellen (Verbindung von zwei thermoelektrisch wirksamen homogenen Leitern I und II) auf verschiedener Temperatur T1 und T2 (Abb. W.1.0.1) befinden. Infolge der Temperaturdifferenz 'T T2 T1 entsteht zwischen den offenen Enden des Kreises die Thermospannung E, die einen Thermostrom bewirkt, wenn die Enden miteinander leitend verbunden sind. Bei einem Thermoelement wird demzufolge thermische Energie direkt in elektrische Energie umgewandelt. Für die meisten verwendeten Metallkombinationen liegt die Thermospannung in der Größenordnung von einigen Mikrobis Millivolt. Zur Charakterisierung der Empfindlichkeit eines Thermoelements benutzt man die differentielle Thermospannung S th dE , dT (8) 1 Temperaturmessung 112 Wärmelehre die auch als Seebeck-Koeffizient bezeichnet wird und von der Temperatur abhängt. Die thermoelektrische Spannung E einer Materialkombination lässt sich für nicht zu große Temperaturbereiche durch die quadratische Funktion E a ' T b 'T 2 (9a) beschreiben. Hierbei sind a und b thermoelektrische Materialkonstanten und 'T die Differenz zwischen der Temperatur des Messfühlers zu einer Bezugstemperatur. Für ein begrenztes Temperaturintervall kann meist mit hinreichender Genauigkeit b null gesetzt und damit die lineare Näherung verwendet werden: E a 'T . (9b) Um eine Austauschbarkeit der Thermopaare sicherzustellen, sind die Grundspannungswerte der wichtigsten Thermopaare international genormt. Diese Normen enthalten die Thermospannungs-Temperatur-Beziehungen in Form von Tabellen und Polynomen, was für computergestützte Auswertungen von Vorteil ist. Einige der technisch häufig verwendeten Drahtkombinationen (Thermopaare) sind Platin-Platin/Rhodium, KupferKupfer/Nickel und Nickel-Chrom/Nickel. Für die exakte Kalibrierung von Thermoelementen ist die entsprechende Richtlinie des Deutschen Kalibrierdienstes zu empfehlen. Für die Messung der Thermospannung werden am einfachsten empfindliche Digitalvoltmeter oder Kompensationsverfahren (E.1.3) verwendet. Bei modernen Digitalthermometern mit Thermoelement-Messfühlern wird die Bezugs- oder Referenztemperatur durch eine elektronisch erzeugte Referenzspannung ersetzt, die von einer integrierten Schaltung erzeugt wird. 1.0.4 Strahlungsthermometrie Mit den Methoden der Strahlungsthermometrie können die Temperaturen von Objekten, die Wärme emittieren, berührungslos gemessen werden. Dabei muss die abge- strahlte thermische Energie eindeutig durch die Temperatur des Objekts bestimmt sein. Ein wichtiger Spezialfall ist die spektrale Strahlungsverteilung des schwarzen Körpers (d. h. eines Körpers, der alle auftreffende Strahlung absorbiert bzw. emittiert) und dem Planck’schen Strahlungsgesetz genügt: 2 h c02 Les (O , T ) 'O = O5 1 e h c0 O kT ' O . (10) 1 Les(O, T) ist die spektrale Strahldichte unpolarisierter Strahlung im Intervall ǻO bezogen auf die Einheit des Raumwinkels, und h, c0 sowie k sind die bekannten Fundamentalkonstanten. Benutzt man statt der Wellenlänge Ȝ die Frequenz f, erhält man im Bezug auf das Frequenzintervall ǻf : Les ( f , T ) ' f 2h f3 c02 1 e hf kT ' f . (11) 1 Die spektrale Strahldichte hängt also bei einem schwarzen Strahler nur von der Wellenlänge bzw. Frequenz und von der absoluten Temperatur T ab, jedoch nicht von der Beschaffenheit des Strahlers. Mes, λ 2500 K 2200 K 2000 K 1500 K λ Abb. W.1.0.2 Spezifische Ausstrahlung Mes als Funktion der Wellenlänge O bei verschiedenen Temperaturen eines schwarzen Strahlers Zur Charakterisierung der spektralen Verteilung trägt man z. B. die in einem engen Wel- 113 1.0 Grundlagen lenlängenintervall ǻȜ gemessene Strahldichte Les(O, T) bzw. die spezifische Ausstrahlung Mes(O, T) in Abhängigkeit von der Wellenlänge O mit der Temperatur T als Parameter auf (Abb. W.1.0.2). Als spezifische spektrale Ausstrahlung definiert man den Strahlungsfluss (Strahlungsleistung) dividiert durch die emittierende Oberfläche. Führt man die Integration über alle Wellenlängen und über einen Halbraum (Abb. W.1.4.3) durch, Reale Strahler, z. B. glühende Drähte oder beheizte Metallflächen, emittieren bei gleicher Temperatur stets weniger Strahlungsenergie als schwarze Körper. Das Verhältnis der Strahldichte des betreffenden Körpers zu der eines schwarzen Körpers gleicher Temperatur bezeichnet man als den spektralen Emissionsgrad H (O, T ), so dass man für die spektrale Strahldichte LeO einer realen thermischen Strahlungsquelle schreiben kann: f ʌ/2 2ʌ M es ³ ³ ³ L O (O , T ) dO cosT sin T dT dM , e 0 0 0 (12) erhält man die gesamte spezifische Ausstrahlung eines schwarzen Körpers und es ergibt sich das Stefan-Boltzmann-Gesetz 5 M es 4 4 2ʌ k T 15 c02 h3 V T4 (13) mit der Stefan-Boltzmann-Konstante V = 5,6704·10-8 W m-2 K-4 . Befindet sich der schwarze Strahler in einem anderen Strahlungsfeld, z. B. einer Umgebung bei der Temperatur Tu , muss im Strahlungsgleichgewicht die Differenz beider Strahlungsanteile berücksichtigt werden: M es LeO 'O = H (O , T ) V (T 4 Tu4 ) . (13a) Wenn Gl. (10) einmal nach der Wellenlänge differenziert und die Ableitung null gesetzt wird, erhält man das Wien’sche Verschiebungsgesetz: Omax T 2,8978 103 m K . (14) Nach Gl. (14) verschiebt sich bei erhöhter Strahlungstemperatur das Maximum der Strahlungsleistung zu kürzeren Wellenlängen (vgl. Abb. W.1.0.2). Für eine Temperatur von 25 °C erhält man z. B. für die thermische Strahlung eine Wellenlänge von ca. 9,7 m, für 1000 °C ergibt sich eine Wellenlänge von etwa 2,3 m. 2 h c02 O5 1 e h c0 O kT ' O . (15) 1 Damit ergibt sich für die spezifische Ausstrahlung nach Gl. (13a) Me H (O , T ) V (T 4 Tu4 ) . (13b) Nach dem Kirchhoff’schen Strahlungsgesetz ist der Emissionsgrad H ( O, T ) gleich dem Absorptionsvermögen D (O, T ) eines realen Körpers im thermischen Gleichgewicht: D ( O , T ) H (O , T ) . (16a) Die Größe von D (O , T ) lässt sich durch Reflexionsmessungen bestimmen, D (O , T ) 1 R (O , T ) , (r) (16b) (e) wobei R = I / I das Verhältnis von reflektierter zu eingestrahlter Intensität bei senkrechtem Einfall ist. Falls eine Strahlung auf eine Fläche unter einem Winkel T einfällt, der größer als null ist, gilt für die einfallende Intensität das Lambert’sche Gesetz: Ie I 0 cosT . (17) Dabei sind T der Winkel zwischen der Flächennormale und I0 die Strahlstärke in Richtung der Flächennormalen (Abb. W.1.4.3). Einen Körper, bei dem der Emissionsgrad nicht von der Wellenlänge abhängt, bezeichnet man als grauen Strahler. Seine spektrale Strahldichte stimmt bis auf einen konstanten Faktor H (0< H < 1) mit der eines schwarzen Körpers überein. Für das technisch wichtige 1 Temperaturmessung 114 Wärmelehre Wolfram ist im sichtbaren Spektralbereich der Wert des Emissionsgrads in guter Näherung H = 0,47, unabhängig von der Temperatur und der Wellenlänge. Die Temperatur T des nichtschwarzen Strahlers kann auch durch seine (schwarze) Strahlungstemperatur Ts beschrieben werden. Bezogen auf die spektrale Strahldichte bei der Wellenlänge O bzw. Frequenz f folgt mit der Näherung h c0 / (O k T ) 1 (kleine Wellenlängen) bzw. h f / (k T ) 1 (große Frequenzen) aus dem Planck’schen nach Gl. (10) das Wien’sche Strahlungsgesetz: LWien (O , T ) 'O = es 2 0 2hc O5 e c2 OT 1 Ts O O c2 ln H O , T . c0 h . k GB OB D OK GF Ω' ' O . (18) (19a) In den Gln. (18) und (19a) beschreibt c2 die zweite Planck-Strahlungskonstante mit c2 AB F d Mit LWien (O , T ) H O , T LWien (O , T ) erhält man es e die Beziehung 1 T struktive Maßnahmen der Blendensysteme ist das Empfängersignal unabhängig von der Entfernung zur homogen ausstrahlenden Fläche unter der Bedingung, dass D ! d gilt. Zur Einstellung verschiedener Messbereiche kann zwischen Okularlinse und dem Filter zum Abschwächen der Strahlung z. B. eine Absorptionsplatte (Graufilter GF) eingeschoben werden. (19b) Um die Temperatur eines Messobjekts berührungslos zu messen, verwendet man häufig Strahlungspyrometer, dessen typischer Aufbau in Abb. W.1.0.3 gezeigt wird. Mit ihnen wird von dem Beobachtungsfeld (Durchmesser D) ein Teilbereich (Messfelddurchmesser d ) mit Hilfe einer Objektivlinse (OB) auf eine Gesichtsfeldblende (GB) abgebildet. Der Raumwinkel : ' wird durch die Aperturblende (AB) und ihren festen Abstand b zur Gesichtsfeldblende unabhängig von der Gegenstands (a)- und Bildweite (ac) festgelegt. Die Okularlinse (OK) sammelt den Strahlungsfluss, der ggf. nach spektraler Filterung (F) auf einen photo-, thermo- oder pyroelektrischen Empfänger (E) trifft, dessen Ausgangssignal proportional zum auftreffenden Strahlungsfluss ist. Durch geeignete kon- E b a a' Abb. W.1.0.3 Schematischer Aufbau eines Strahlungspyrometers Bei einem Glühfaden-Pyrometer, das zu den Teilstrahlungspyrometern gehört, befindet sich der Glühfaden des Pyrometers an der Position der Gesichtsfeldblende. An die Stelle des Empfängers tritt das Auge des Beobachters. Mit dem Glühfaden-Pyrometer vergleicht man die Leuchtdichte des Messobjekts mit der des Glühfadens. Letzterer kann durch die Änderung des Lampenstroms auf die Helligkeit des Messobjekts eingestellt werden. Die Stärke des den Glühfaden durchfließenden Stroms ist als Funktion der Temperatur durch Kalibrierung bestimmt worden. Bei technischen Glühfaden-Pyrometern beträgt die Messunsicherheit 4 K bis 15 K in Abhängigkeit vom Temperaturmessbereich und der Genauigkeitsklasse des verwendeten Pyrometers. Moderne Spektralpyrometer verfügen über Mikroprozessoren sowie Schnittstellen zum Anschluss an einen Computer. Bei einer festgelegten Wellenlänge bzw. in einem vorgegebenen Wellenlängenbereich erfolgt nach der Eingabe des Emissi- 115 1.0 Grundlagen onsgrads die Berechnung und Anzeige der Objekttemperatur. Außerdem verfügen moderne Pyrometer über Pilotlaser zur genauen Festlegung der erfassten Messfläche. Ein sehr empfindlicher Detektor für elektromagnetische Strahlung in einem weiten Wellenlängenbereich ist die Thermosäule. Ein oft verwendeter Thermosäulentyp ist die Thermosäule nach Moll (Abb. W.1.0.4), bei der die Empfindlichkeit im Wellenlängenbereich zwischen 0,15 m und 15 m konstant ist. Reflektorfläche Gehäuse UTS Detektorfläche Abb. W.1.0.4 Querschnitt einer Thermosäule nach Moll (schematisch) Sie besteht im Wesentlichen aus einem konischen Reflektor und der geschwärzten Detektorfläche, auf der sich in Reihe geschaltete Thermoelemente befinden, die sich durch Absorption einfallender Wärmestrahlung erwärmen. Die Referenzthermoelemente sind so befestigt, dass sie einen direkten Kontakt zu dem massiven Metallgehäuse haben, dessen Temperatur konstant auf der Umgebungstemperatur gehalten wird oder man kühlt diese mit einem Thermostaten auf eine für den speziellen Einsatz zweckmäßige tiefe Temperatur. Im thermischen Gleichgewicht ist die Ausgangsspannung der Thermosäule direkt proportional zur empfangenen Strahlungsleistung, wobei die Gleichgewichtseinstellung bis zu einigen Sekunden dauern kann. Zur Beschreibung der Abhängigkeit der Ausgangsspannung UTS einer Thermosäule von der Temperaturdifferenz 'T zwischen den bestrahlten Thermopaaren (Temperatur T1) und den unbestrahlten Referenz- thermopaaren (z. B. bei konstanter Umgebungstemperatur Tu ) setzt man im Allgemeinen folgende Gleichung voraus (kTS Sensorkonstante): U TS kTS (T1 Tu ) kTS 'T . (20) Nach einer Temperaturerhöhung 'T stellt sich nach einer ausreichend langen Wartezeit ein stationäres Gleichgewicht zwischen der empfangenen Strahlungsleistung Pauf und der von der Thermosäule abgeführten Strahlungsleistung Pab ein. Die empfangene Strahlungsleistung ist proportional zur emittierten Strahlungsleistung der Strahlungsquelle (Temperatur T) und nach dem Strahlungsgesetz von Stefan und Boltzmann genügt sie der Relation )e v (T 4 Tu4 ) , wobei )e (Einheit W m-2) den Strahlungsfluss der Quelle beschreibt. Für kleine Unterschiede zwischen T1 und Tu ergibt sich (T14 Tu4 ) (T12 Tu2 ) (T1 Tu ) (T1 Tu ) | 2 Tu2 2Tu 'T 4 Tu3 'T . Damit ist die von der Thermosäule empfangene Strahlungsleistung, die zur Erwärmung der Messstellen der Thermosäule führt, wie auch deren Ausgangsspannung UTS proportional zur Temperaturdifferenz 'T. Daraus folgt die Beziehung U TS v )e . Die Entwicklung neuer Sensormaterialien ermöglicht die Konstruktion moderner Halbleiter- oder Atomlagen-Thermosäulen. Neben den kleinen Abmessungen sind ein weiterer entscheidender Vorteil gegenüber konventionellen Thermosäulen die sehr hohen Empfindlichkeiten und kurzen Ansprechzeiten. Durch die Entwicklung von empfindlichen und kostengünstigen Detektormaterialien für den Infrarotbereich (IR-Bereich zwischen etwa 1 m und 25 m) sowie der zur Weiterverarbeitung der Detektorsignale erforderlichen elektronischen Baugruppen finden heute Infrarot-Thermometer zur kontaktlosen Temperaturmessung in vielen Bereichen eine breite Anwendung. 1 Temperaturmessung 116 Wärmelehre Objekt (a) { Sensor Optik Messfeld Sensorfläche Datenausgabe/ Anzeige b) Temperaturkompensation Temperatursensor Infrarotsensor ADC Temperatur ist zusätzlich die Kenntnis des Emissionsgrads der emittierenden Oberfläche notwendig, dessen Wert über die Bedienungstastatur des Infrarotthermometers eingestellt oder über die vom Hersteller mitgelieferte Mess- und Auswerteprogramme eingegeben werden kann. Um zweidimensionale Temperaturverteilungen eines Messobjekts zu erfassen, kommen Wärmebildkameras zum Einsatz (Thermographie). 1.1 Thermische Ausdehnung Aufgabenstellung ADC Datenverarbeitung ε- Einstellung Abb. W.1.0.5 Schema eines Infrarot-Thermometers, (a) Strahlenverlauf, (b) elektronische Komponenten Bei ihnen wird die empfangene Infrarotstrahlung über eine Linse auf einen speziellen Sensor abgebildet (Abb. W.1.0.5a). Dieser wandelt die absorbierte Strahlungsenergie in ein elektrisches Signal um. Anschließend erfolgt dessen elektronische Weiterverarbeitung, die Anzeige der Temperatur auf einem LC-Display und ggf. die Datenübertragung an ein rechnergestütztes Messwerterfassungssystem (Abb. W.1.0.5b). Besonders wichtig ist, dass man unabhängig vom Abstand zwischen der strahlenden Oberfläche und dem Infrarotdetektor dessen vollständige Bestrahlung erreicht. Dazu werden in das IR-Thermometer Laservisiere integriert, die z. B. mit zwei oder mehr Laserstrahlen den Durchmesser der erforderlichen Messfläche markieren. Moderne IR-Thermometer können auch eine umschaltbare Optik für Fernfeld- und Nahfeldmessung enthalten, mit der das Anvisieren des Messfelds optimiert wird. Für die Bestimmung der 1. Für zwei verschiedene Metalle ist der lineare Ausdehnungskoeffizient zu ermitteln. 2. Das Volumen von zwei Flüssigkeiten ist in Abhängigkeit von der Temperatur zu messen und in einem Diagramm darzustellen. Es sind die Volumenausdehnungskoeffizienten für bestimmte Temperaturen bzw. in bestimmten Temperaturintervallen zu ermitteln. Für die Messung des linearen Ausdehnungskoeffizienten Dl stehen zwei Rohre aus verschiedenen Metallen zur Verfügung, die mit wärmeisolierendem Material umhüllt sind. Ein Ende des Rohrs ist fest eingespannt, während das andere Ende den Taststift einer Messuhr berührt (vgl. Abb. W.1.1.1). Zur Messung der Änderung der Länge in Abhängigkeit von der Temperatur l(T ) wird eine mechanische Präzisionsmessuhr (Skalenteilungswert 0,01 mm) verwendet. Mit Hilfe eines elektronisch geregelten Umwälzthermostaten pumpt man Wasser konstanter Temperatur durch die Rohre. Zur Messung und Kontrolle einer konstanten Temperatur längs der Rohrachse sind an verschiedenen Stellen des Rohrs Temperatursensoren angebracht. Versuchsausführung In einem vorgegebenen Temperaturbereich werden zur Realisierung der Aufgabe 1 bei zehn verschiedenen Temperaturen die Län- 117 1.1 Thermische Ausdehnung genänderungen 'l(T ) mit 'l (T ) = l(T ) – l20 gemessen. Der Wert von l20 für die Rohrlänge bei der Temperatur von 20 °C wird am Arbeitsplatz mitgeteilt. (a) Einspannstelle Rohr Messuhr mm (b) Kapillare V02 Kolben V01 V0 zwischen dem abgelesenen (scheinbaren, nur bei -B richtigen) Volumen V01 und dem tatsächlichen Volumen der Flüssigkeit VF1 ist dann VF1 V01 ª1 3D Gl -1 -B º , ¬ ¼ wobei DGl der lineare Ausdehnungskoeffizient von Glas ist. Bei der Temperatur -2 > -1 hat sich die Flüssigkeit bis zu einer Marke M2 (scheinbares Volumen V02) ausgedehnt. Für das tatsächliche Volumen der Flüssigkeit bei dieser Temperatur gilt einerseits VF2 V02 ¬ª1 3D Gl -2 -B ¼º Abb. W.1.1.1 Anordnungen zur Messung des linearen Ausdehnungskoeffizienten (a) und des Volumenausdehnungskoeffizienten (b) Nach jeder Änderung der Temperatur ist vor dem Ablesen des Messwerts l(T ) die Einstellung des Temperaturgleichgewichts abzuwarten. Die Längenänderung 'l ist in Abhängigkeit von der Temperaturänderung 'T graphisch darzustellen. Über den Anstieg der Ausgleichsgeraden soll nach Gl. (2) der Wert für den linearen Ausdehnungskoeffizienten bei 20 °C berechnet und mit dem Tabellenwert (Anhang A.7) für jedes der beiden Metalle verglichen werden. Für die Messung der Volumenausdehnung der zu untersuchenden Flüssigkeiten wird bei Aufgabe 2 als Ausdehnungsgefäß ein Glaskolben (Abb. W.1.1.1b) verwendet, an den das Rohr einer Kapillare (Messpipette) angeschmolzen ist. Glaskolben und Messpipette befinden sich in einem Wasserbad, dessen Temperatur mit Hilfe eines Thermostaten schrittweise verändert werden kann. Das innere Volumen V0 des Gefäßes bei der Bezugstemperatur -B = 20 qC, bei der die Volumenskala des Pipettenrohrs gültig ist, sei bekannt. Bei einer Temperatur -1 > -B soll das Gefäß bis zu einer Marke M1 am Pipettenrohr gefüllt sein. Der Zusammenhang (21) (22) und andererseits VF2 VF1 ¬ª1 J 12 -2 -1 ¼º . (23) Der Ausdehnungskoeffizient der Flüssigkeit im Temperaturintervall -1 bis -2 wird hier mit J12 bezeichnet. Aus den Gln. (21) und (23) folgt V02 1 3D Gl -2 -B 1 3D Gl -1 -B V01 ¬ª1 J 12 -2 -1 ¼º oder bei Berücksichtigung der Tatsache, dass 3D Gl -i -B 1 für alle in Betracht kommenden Temperaturen -i ist, V02 ¬ª1 3D Gl -2 -1 ¼º V01 ª¬1 J 12 -2 -1 ¼º . Damit ergibt sich J 12 V02 V01 V 3D Gl 02 . V01 -2 -1 V01 (24) Führt man in Gl. (24) einen Grenzübergang -1 o -2 = - durch, erhält man den von der Temperatur abhängigen (differentiel- 1 Temperaturmessung 118 Wärmelehre len) Ausdehnungskoeffizienten J- 1 dV 3D Gl . V0 - d- (25) Die Erwärmung innerhalb des vorgegebenen Temperaturintervalls soll in Schritten von etwa 5 K erfolgen. Die abgelesenen Volumina werden in Abhängigkeit von der Temperatur graphisch dargestellt. Für den Fall eines linearen Graphen ist der Anstieg der Ausgleichsgeraden zu ermitteln, mit dem man unter Anwendung von Gl. (24) den Ausdehnungskoeffizienten bei der Temperatur -0 bestimmen kann. Verläuft der Graph nicht linear, so ist eine Tangente an die Kurve bei der Temperatur - zu legen, mit deren Anstieg sich nach Gl. (25) der Wert J- ermitteln lässt. Der lineare Ausdehnungskoeffizient DGl ist bekannt. Weitere für die Versuchsdurchführung notwendige Informationen werden am Arbeitsplatz gegeben. 1.2 Gasthermometer Aufgabenstellung 1. Der Spannungskoeffizient Dp eines idealen Gases soll mit einem Gasthermometer bestimmt werden. 2. Mit dem kalibrierten Gasthermometer sind die Temperatur in einem Wasserbad konstanter Temperatur und die Siedetemperatur von Stickstoff bei Luftdruck zu messen. Die mit Gasthermometern gemessenen Temperaturen entsprechen recht genau der thermodynamischen Temperaturskala. Man nutzt dabei die Zustandsänderung des idealen Gases aus (W.2.0). Bei der hier verwendeten Methode des konstanten Volumens bleibt das Volumen der eingeschlossenen Gasmasse in guter Näherung konstant. Das im Versuch eingesetzte Gasthermometer (Abb. W.1.2.1) besteht aus einem Glas- bzw. Metallkolben (K) mit aufgesetztem Kapillarrohr (R), das über eine kurze Schlauchverbindung direkt mit einem Drucksensor (DS) und dessen kalibrierter Anzeige verbunden ist. Zunächst soll das ideale Gas (z. B. Helium) im Gasthermometerkolben die Temperatur T0 = 273,15 K haben und unter dem Druck p0 stehen. Die zu bestimmende Temperatur berechnet man prinzipiell unter Verwendung der Beziehung p p0 1 D p 'T . (26) DS p hPa R K Abb. W.1.2.1 Gasthermometer (schematisch) Bezeichnet man das innere Volumen des Kolbens bei T0 mit V0, lautet die Zustandsgleichung Gl. (W.2-5) p0 V0 n 'n0 R T0 . (27) Dabei ist n die Gasmenge im Gasthermometer und 'n0 die Gasmenge im so genannten schädlichen Raum. Dieser entspricht etwa dem Innenvolumen 'V von Kapillarrohr und Schlauch und besitzt annähernd die Umgebungstemperatur -1, d. h., es gilt p0 'V 'n0 R T1 . (28) Eliminiert man aus den Gln. (27) und (28) 'n0, erhält man § 'V T0 · p0 V0 ¨1 ¸ n R T0 . V0 T1 ¹ © (29) Nun wird das Gas im Kolben bis zur Siedetemperatur -s von Wasser erwärmt. 119 1.2 Gasthermometer Dabei steigt der Druck des Gases im Kolben auf den Wert ps und das Innenvolumen vergrößert sich infolge der thermischen Ausdehnung gemäß Gl. (5). Es gilt mit -s Ts T0 (Einheit K) psV0 1 3D l -s n 'n RTs , (30) wobei Dl der lineare Ausdehnungskoeffizient des Kolbenmaterials ist. Im Volumen 'V, in dem die Umgebungstemperatur näherungsweise erhalten bleibt, befindet sich jetzt die Gasmenge 'n, und es gilt ps 'V 'n R T1 . (31) Aus den Gln. (30) und (31) folgt § 'V Ts · ps V0 ¨1 3D l -s ¸ n R Ts . (32) ¨ V0 T1 ¸¹ © Die Division von Gl. (32) durch Gl. (29) liefert bei Gültigkeit der Ungleichungen 3D l -s 1 und 'V 1 V0 in guter Näherung ps § 'V Ts T0 · ¨1 3D l -s ¸ p0 © V0 T1 ¹ Ts . (33) T0 Mit Ts T0 T0 Ts T0 T0 1 D p -s erhält man ps § 'V -s · ¨1 3D l -s ¸ 1 D p-s . (34) p0 © V0 T1 ¹ Aus Gl. (34) folgt durch Umstellung nach dem Spannungskoeffizienten Dp 'V -s · º 1 ª ps § « ¨1 3D l -s ¸ 1» , (35) -s ¬« p0 © V0 T1 ¹ ¼» Dp 1 ps p0 1 kc . p0 -s (36) Die Größe kc beschreibt den Korrekturterm, der sowohl das Volumen 'V als auch die Ausdehnung des Kolbens berücksichtigt: kc -s ps § 'V 1 · ¨ 3D l ¸ . ps p0 © V0 T1 ¹ Versuchsausführung Es wird die Umgebungstemperatur gemessen und an einem Barometer der Luftdruck abgelesen. Dann taucht man den Kolben des Gasthermometers in ein Eis-Wasser-Gemisch (‚Eiswasser’, T0 = 273,15 K). Nach einer ausreichenden Wartezeit (Einstellung des thermischen Gleichgewichts zwischen Gasthermometer und ‚Eiswasser’) wird der Druck p0 mit Hilfe eines digitalen Manometers mit Drucksensor bestimmt. Anschließend bringt man den Kolben in ein Gefäß mit siedendem Wasser, wartet das Temperaturgleichgewicht ab und notiert den Druck ps. Die Siedetemperatur des Wassers entnimmt man der Tabelle A.10 im Anhang. Das Verhältnis 'V/V0 und der lineare Ausdehnungskoeffizient Dl werden gegeben. Danach misst man mit dem Gasthermometer die Temperatur in einem Wasserbad, die mit der Temperaturmessung eines Thermoelements verglichen werden soll. Für die Bestimmung der Siedetemperatur von Stickstoff bei Luftdruck steht flüssiger Stickstoff in einem wärmeisolierenden Gefäß (Dewar-Gefäß) zur Verfügung. Man taucht den Kolben des Gasthermometers langsam in den Stickstoff, der dabei heftig zu sieden beginnt. Nach einiger Zeit wird das Sieden schwächer und regelmäßiger. Wenn sich das Temperaturgleichgewicht eingestellt hat, kann am digitalen Manometer der Druck des Gases im Gasthermometerkolben abgelesen und mit Gl. (36) die Siedetemperatur von Stickstoff ermittelt werden. 1 Temperaturmessung 120 Wärmelehre Nach dem Gleichsetzen der Gln. (37) und (38) sowie anschließender Integration mit der Anfangsbedingung T = Ta für t = 0 folgt das Newton’sche Abkühlungsgesetz in der Form 1.3 Abkühlungskurven und Wärmeübergang Aufgabenstellung 1. Die thermoelektrischen Konstanten eines Thermoelements und der lineare Temperaturkoeffizient des Sensors eines Widerstandsthermometers sind zu ermitteln. 2. Die Abkühlungskurven von zwei Metallwürfeln gleichen Materials aber unterschiedlicher Oberflächenbeschaffenheit sind im Vakuum und in einem Luftstrom aufzunehmen. 3. Für die beiden Metallwürfel sollen aus der Abkühlung im Vakuum die Gesamtemissionsgrade und aus der Abkühlung im Luftstrom die Wärmeübergangskoeffizienten bestimmt werden. Die Abkühlung von gegenüber der Umgebung erwärmten metallischen Körpern erfolgt überwiegend durch Konvektion und Wärmestrahlung. Die gute Wärmeleitung in Metallen erlaubt es in diesem Experiment, die Temperaturverteilung im Inneren des Probekörpers vernachlässigen zu können. Wird ein auf die konstante Innentemperatur T erwärmter Körper (Masse m, spezifische Wärmekapazität c) von Luft konstanter Umgebungstemperatur Tu umströmt, entsteht ein Wärmestrom )th aus seinem Inneren zu seiner Oberfläche AO, der proportional zur Temperaturdifferenz (TTu) ist: )th dQ D K AO T Tu . dt (37) Der Proportionalitätsfaktor DK heißt Wärmeübergangskoeffizient durch Konvektion. Wird dem Körper keine zusätzliche Wärme zugeführt, kühlt er sich mit der Abkühlungsgeschwindigkeit dT/dt ab, solange T > Tu ist. Für den Wärmestrom gilt dann )th dQ dt c m dT . dt (38) T T Tu a Tu exp K t . (39) Mit dem Abkühlungskoeffizienten K ergibt sich für den Wärmeübergangskoeffizienten DK mcK . AO (40) Die Betrachtungen vernachlässigen bisher die Abkühlung durch Wärmestrahlung, die man mit dem Stefan-Boltzmann-Gesetz (W.1.0.4) berücksichtigen kann. Dann lautet der Ansatz für den Wärmestrom )th dT D K AO T Tu dt H V AO T 4 Tu4 , c m (41) wobei H der Gesamtemissionsgrad und V die Stefan-Boltzmann-Konstante sind. Für die Bestimmung des unbekannten Werts von H untersucht man die Abkühlung im Vakuum, die ausschließlich durch Wärmestrahlung erfolgt. Wird in Gl. (41) DK null gesetzt, erhält man für die Änderung der Temperatur (dT ) in einem kleinen Zeitintervall (dt) dT dt H V AO cm T 4 Tu4 . (42) Stellt man die Temperatur T in Abhängigkeit von der Abkühlungszeit t graphisch dar und bestimmt den Anstieg dT/dt bei verschiedenen Temperaturen, kann mit Hilfe von Gl. (42) ein mittlerer Wert für den Gesamtemissionsgrad H ermittelt werden. Versuchsausführung Die Kalibrierung des Thermoelements erfolgt mit Hilfe von Temperaturfixpunkten. Als bekannte Bezugstemperatur für die Ver- 121 1.3 Abkühlungskurven und Wärmeübergang gleichsstelle wird bei diesem Versuch die Temperatur des schmelzenden Eises (T0 = 273,15 K) verwendet. Zur Erzeugung der thermoelektrischen Spannungen sind die Siedetemperatur (TS) von Wasser beim atmosphärischen Luftdruck pL und die Erstarrungstemperatur von Zinn (TE) zu verwenden. Mit den zugehörigen Thermospannungen E1 für 'T1 TS T0 und E2 für 'T2 TE T0 lassen sich die thermoelektrischen Konstanten nach Gl. (9a) berechnen: a E1 b 'T1 , 'T1 § E E · 1 b ¨ 2 1 ¸ . © 'T2 'T1 ¹ 'T2 'T1 In einem wärmeisolierenden Behälter (Dewar-Gefäß) für die Vergleichslötstelle befindet sich so genanntes ‚Eiswasser’ (schmelzendes Eis mit wenig Wasser durchmischen). Anschließend ist das Siedegefäß in Betrieb zu nehmen und der mit reinem Zinn gefüllte Schmelztiegel in den Heizofen zu stellen. Dann taucht man die Lötstelle des Messfühlers in das Wasserbad des Siedegefäßes ein. Wenn das Wasser gleichmäßig siedet, stellt sich ein konstanter Spannungswert E1 ein, der zu notieren ist. Die vom Luftdruck abhängige Siedetemperatur des Wassers entnimmt man der Tabelle im Anhang A.10. Nachdem der Messfühler sorgfältig abgetrocknet wurde, wird er in die Zinnschmelze getaucht, die man außerhalb des Heizofens langsam abkühlt. Die mit der Zeit exponentiell verlaufende Verringerung der Spannung geht bei Erstarrung der Zinnschmelze in einen konstanten Wert E2 über. Danach kühlt sich das erstarrte Zinn weiter ab. Mit den Werten von E1 und E2 sowie den zugehörigen Temperaturdifferenzen werden die thermoelektrischen Konstanten ermittelt. Die Messung der Thermospannungen E1 und E2 erfolgt mit einem Mikrovoltmeter. Den linearen Temperaturkoeffizienten eines Widerstandsthermometers bestimmt man, indem dessen elektrischer Widerstand z. B. in ‚Eiswasser’ und siedendem Wasser mit einem Ohm-Meter gemessen wird. Unter Verwendung von Gl. (6) kann der lineare Temperaturkoeffizient des Widerstandsmaterials ermittelt werden. Bei Aufgabe 2 wird zunächst der Probekörper (PR), in dessen Innerem sich der kalibrierte Fühler eines Thermoelements (T) befindet, mit einer Heizplatte auf eine vorgegebene Temperatur erwärmt. VG H VP T TU ϑ M hPa ϑ Abb. W.1.3.1 Anordnung zur Abkühlung eines Metallwürfels im Vakuum Danach schließt man die Vakuumglocke (VG) und nimmt die Vakuumpumpe (VP) in Betrieb (Abb. W.1.3.1). Nach einigen Minuten hat sich ein konstantes Vakuum (Kontrolle mit Manometer M) eingestellt und die Messung der Abkühlungszeiten in vorgegebenen Temperaturbereichen kann beginnen. Gleichzeitig ist die Umgebungstemperatur Tu (Temperatur des Rezipienten, Glasglocke VK) mit einem zusätzlichen Thermoelement zu messen, das sich in direktem Kontakt mit der Außenwand befindet. Mit der bekannten spezifischen Wärmekapazität c, der zu messenden Masse m und Oberfläche AO des Würfels sowie dem Anstieg dT/dt kann mit Gl. (42) der gesuchte Emissionsgrad bestimmt werden. Nach Belüftung über einen Laborhahn (H) und Entfernung der Vakuumglocke wird der Metallwürfel wieder erwärmt 122 Wärmelehre und anschließend durch die Konvektionsströmung eines Lüfters abgekühlt, wobei man die Temperatur des Luftstroms (Umgebungstemperatur Tu) mit dem kalibrierten Sensor eines Widerstandsthermometers misst. Es wird wieder in geeigneten Zeitabständen die Innentemperatur (T ) des Würfels gemessen. Die Messwerte sind in einem ln'T-t-Diagramm ('T = T Tu) graphisch darzustellen und aus dem sich ergebenden linearen Graphen ist der Anstieg der Ausgleichsgeraden zu bestimmen. Damit kann der Wärmeübergangskoeffizient ĮK nach Gl. (40) unter Vernachlässigung der Wärmestrahlung berechnet werden. Die Messungen sind mit einem zweiten Metallwürfel aus gleichem Material und gleichgroßer Oberfläche aber mit veränderter Oberflächenbeschaffenheit zu wiederholen. 1.4 Strahlungsmessungen Aufgabenstellung 1. Es ist die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands eines glühenden Metalldrahts zu ermitteln. Für zwei verschiedene Wellenlängen ist das Wien’sche Strahlungsgesetz zu überprüfen. 2. Die Wärmestrahlung unterschiedlicher Oberflächen ist mit einer Thermosäule bei verschiedenen Temperaturen zu messen und die Emissionsgrade der Oberflächen sind zu bestimmen. 3. Mit einem Strahlungsofen ist das StefanBoltzmann-Gesetz zu überprüfen. Für berührungslose Temperaturmessungen werden häufig Infrarot-Thermometer, Pyrometer, z. B. Wechsellicht- oder GlühfadenPyrometer, eingesetzt (W.1.0.4). Thermosäulen kommen vielfach zur Messung der Intensität einer Wärmestrahlung zum Einsatz. Versuchsausführung Zuerst bestimmt man bei Aufgabe 1 mit einem Pyrometer die „schwarze“ Temperatur 1 Temperaturmessung der glühenden Wendel einer WolframHalogenlampe. Der Emissionsgrad von Wolfram in Abhängigkeit von der Temperatur kann einem Diagramm am Arbeitsplatz entnommen werden. Damit ist mit Gl. (19a) die Temperatur des Wolframdrahts zu bestimmen. Der elektrische Widerstand kann mit einer Strom-Spannungsmessung ermittelt werden (vgl. E.1). Aus der graphischen Darstellung der Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands kann mittels einer Anpassung an ein Polynom zweiten Grads ein analytischer Ausdruck für die Abhängigkeit T(R) erhalten werden. Steht kein Pyrometer zur Verfügung, ermittelt man die Temperatur des Wolframdrahts mit einer am Arbeitsplatz ausliegenden Tabelle, in der das Widerstandsverhältnis R(T)/R(293 K) in Abhängigkeit von der Temperatur T aufgeführt ist. Der Wert für R bei T = 293 K wurde aus anderen Messungen erhalten und ist bekannt. Anschließend sind für zwei ausgewählte Wellenlängen des Lichts dieser Halogenlampe, die z. B. mit Hilfe eines Spektralphotometers mit Reflexionsgitter (O.3.4) oder durch geeignete Filter ausgewählt werden können, die von der Lampe emittierten Strahlungsleistungen bei unterschiedlichen elektrischen Leistungen in einem vorgegebenem Bereich zu messen. Die zugehörigen elektrischen Widerstände zur Ermittlung der Temperatur des glühenden Drahts werden wie oben beschrieben ermittelt. Die Strahlungsleistung PStr kann man indirekt z. B. über die Messung der Stromstärke IPh einer Photodiode (IPhvPStr) bestimmen, die in Sperrrichtung betrieben wird (E.5.0.2). Um eine möglichst hohe Lichtintensität mit der Photodiode empfangen zu können, muss ggf. die Halogenlampe den Hinweisen am Arbeitsplatz folgend nachjustiert werden. Zur Überprüfung des Wien’schen Strahlungsgesetzes (Gl. (18)) wird für jede Wellenlänge der natürliche Logarithmus der Messwerte von IPh in Abhängigkeit von der reziproken absoluten Temperatur graphisch darge- 123 1.4 Strahlungsmessungen stellt und der Anstieg d ln IPh / d (1/T ) der Ausgleichgeraden berechnet. Dieser ist mit dem berechenbaren Wert ( h co / k O ) unter Verwendung der Werte für die Fundamentalkonstanten (Anhang A.6) zu vergleichen. Treten Abweichungen größer als die abgeschätzten Messunsicherheiten auf, sind mögliche systematische Abweichungen zu diskutieren, z. B. die Erfüllung der Bedingung h f /(k T ) 1 , die Vernachlässigung der Umgebungsstrahlung oder der Einfluss anderer Arten der Wärmeübertragung. 4 1 μV 2 3 ϑ 5 ε,ϑ Abb. W.1.4.1 Schema des Versuchsaufbaus zur Messung des Emissionsgrads mit einem Strahlungswürfel (1 Mikrovoltmeter, 2 Thermosäule, 3 Strahlungswürfel, 4 Thermoelement, 5 IR-Thermometer) Für die Untersuchung des Einflusses unterschiedlich präparierter Oberflächen auf die Emission von Wärmestrahlung wird in Aufgabe 2 ein Strahlungswürfel nach Leslie verwendet. Dieser besteht aus vier unterschiedlichen aber gleichgroßen Seitenflächen (schwarz und weiß mattiert, metallisch rau, metallisch verspiegelt), die sich um die vertikale Achse des Würfels drehen lassen. Dadurch können während einer Messung die vier verschiedenen Oberflächen mit gleicher Temperatur einer Thermosäule sowie einem IR-Thermometer (W.1.0.4) in einem gleichgroßen Abstand von wenigen Zentimetern gegenüberstehen. Alle Versuchskomponenten sind auf einer optischen Bank befestigt. Die Temperatur des Innenraums des Würfels, der mit Hilfe eines Umwälzthermostaten auf eine konstante Temperatur eingeregelt wer- den kann, wird mit einem Thermoelement gemessen (Abb. W.1.4.1). Man misst nacheinander für die verschiedenen Flächen sowohl die Ausgangsspannung der Thermosäule UTS mit einem Mikrovoltmeter als auch der Emissionsgrad H mit einem IR-Thermometer. Letzteren bestimmt man, indem der Wert von H über die Emissionsfaktoreinstellung des IR-Thermometers (Wertebereich 0,1 < H d 1) so eingegeben wird, dass die mit dem Thermoelement gemessene Temperatur mit der auf dem Display des IR-Thermometers angezeigten Temperatur übereinstimmt. Da im Falle der metallisch verspiegelten Fläche der Emissionsgrad kleiner als eins ist, kann man über die Verhältnisgleichung U TS,1 H1 , U TS,2 H 2 die sich für graue Strahler mit den in W.1.0.4 beschriebenen Grundlagen begründen lässt, indirekt den Emissionsgrad dieser stark reflektierenden Fläche ermitteln. Dabei beschreibt z. B. der Index 1 den Spannungswert der verspiegelten Oberfläche und der Index 2 den der geschwärzten Oberfläche für eine speziell gemessene Temperatur unter sonst gleichen Messbedingungen. Die Messungen werden bei fünf verschiedenen Temperaturen in einem Bereich zwischen 40 °C und 90 °C durchgeführt. Es sind die Emissionsgrade in Abhängigkeit von der Temperatur in einer Tabelle zu erfassen und die Werte UTS sind in Abhängigkeit von der Würfeltemperatur graphisch darzustellen. Beide Temperaturabhängigkeiten sollen diskutiert werden. Zur Messung der Hohlraumstrahlung in Aufgabe 3 wird der in Abb. W.1.4.2 schematisch dargestellte Versuchsaufbau verwendet. Der die Wärmestrahlung emittierende Hohlraumstrahler (3) befindet sich in einem elektrischen Heizofen (2), dessen Temperatur über die dem Ofen zugeführte elektrische Leistung geregelt werden kann. Ein in den zylindrischen Körper des Hohlraumstrahlers eingebautes Thermoelement (1) ermöglicht dessen 1 Temperaturmessung 124 Wärmelehre direkte Temperaturmessung. Unmittelbar vor dem Ofen befindet sich eine mit Kühlwasser auf die Umgebungstemperatur -u thermostatisierte Lochblende (4), die zur Abschirmung der Strahlung dient, die von den Teilen des Ofens außerhalb der Austrittsöffnung des Hohlraumstrahlers kommt. 1 2 3 4 5 6 μV ϑ Messanordnung (Flächen von Strahler AOf und Detektor AD, Abstand rd ), die Thermosäulenempfindlichkeit STS , den Emissionsgrad des Hohlraumstrahlers HHS und die Abstrahlung in den Halbraum berücksichtigen: Aus Gl. (12) folgt nach der Integration über alle Wellenlängen sowie die Winkel - und M für die Nettostrahlungsleistung PS(T ) eines reellen Strahlers, die von der Thermosäule empfangen wird, die Beziehung PS (T ) H HS V ʌ AOF T 4 Tu4 d: . (44) z 7 ϑu dA Abb. W.1.4.2 Schema des Versuchsaufbaus mit Hohlraumstrahler (1 Thermoelement, 2 Rohrofen, 3 Hohlraumstrahler, 4 gekühlte Lochblende, 5 Thermosäule, 6 Mikrovoltmeter, 7 Digitalthermometer zur Messung der Umgebungstemperatur Während der Messung soll die Umgebungstemperatur -u konstant bleiben. Der Abstand rd zwischen der Blendenöffnung und der Eintrittsöffnung der Thermosäule (5), die zur Messung der Gesamtstrahlung dient, muss so gewählt werden, dass nur die Strahlung des Hohlraums detektiert wird. Um den Einfluss von Wärmequellen aus der Umgebung auf die zu messende Wärmestrahlung zu vermeiden, wird eine entsprechende Abschirmung vor die Messanordnung gestellt. Es ist die Ausgangsspannung der Thermosäule UTS, die der empfangenen Gesamtstrahlungsleistung proportional ist, in Abhängigkeit von der vierten Potenz der absoluten Temperatur T graphisch darzustellen. Bei Gültigkeit des Stefan-Boltzmann’schen Strahlungsgesetzes unter den gegebenen Versuchsbedingungen kann der Graph hinreichend genau durch den Zusammenhang U TS kM (T 4 Tu4 ) (43) beschrieben werden. Dabei enthält der Vorfaktor kM Größen, die die Geometrie der θ dΩ r x y rd Abb. W.1.4.3 Zum Raumwinkel (Halbkugel mit Radius r, differentielles Flächenelement dA, differentieller Raumwinkel dȍ) Die Größe des differentiellen Raumwinkels dȍ definiert man als die differentielle Fläche dA, die von diesem Raumwinkel aus einer Kugel mit dem Radius r ausgeschnitten wird, geteilt durch das Quadrat des Radius (Abb. W.1.4.3). Im Versuch ist die vom Detektor empfangene Strahlungsleistung durch den Raumwinkel d: AD / rd2 bestimmt. Damit ergibt sich für die Thermosäulenspannung (im thermischen Gleichgewicht): U TS(T ) STS PS (T ) STS H HS V AOF AD (45) (T 4 Tu4 ) kM (T 4 Tu4 ). ʌ rd2 Weitere praktische Hinweise sowie spezielle Versuchsdaten zur Auswertung werden am Arbeitsplatz gegeben. 125 2.0 Grundlagen 2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen 2.0 Grundlagen 2.0.1 Zustandsgleichungen Der Druck p, das Volumen V und die Temperatur T sind physikalische Größen, die den thermodynamischen Zustand eines Körpers beschreiben. Man nennt sie deshalb Zustandsgrößen oder Zustandsvariable. Während p und T zu den so genannten inneren Zustandsvariablen zählen, die sich allein auf die inneren Eigenschaften des Systems beziehen, gehört das Volumen zu den äußeren Zustandsgrößen. Letztere werden durch die Umgebung bestimmt. Ein thermodynamisches System besteht im Allgemeinen aus mehreren Phasen und Komponenten. Als Komponenten bezeichnet man die verschiedenen Bestandteile (z. B. chemische Verbindungen), die in einem System vorhanden sind. Der Begriff Phase bezieht sich auf die in physikalischer und chemischer Hinsicht homogenen Bereiche eines Systems. Die Erfahrung zeigt, dass die Anzahl der frei wählbaren Zustandsgrößen (Zahl der Freiheitsgrade) von der Zahl der Phasen und der Zahl der Komponenten abhängt. Den Zusammenhang zwischen der Zahl der Freiheitsgrade f, der Zahl der Phasen nPh und der Zahl der Komponenten nKo liefert die Phasenregel von J. W. Gibbs: f nKo 2 nPh . Zur Erläuterung soll das in Abb. W.2.0.1 dargestellte Zustandsdiagramm von Wasser betrachtet werden. Liegt dieses einkomponentige (nKo = 1) System nur in einer Phase (nPh = 1) vor, ergeben sich nach der Gibbs’schen Phasenregel zwei Freiheitsgrade. Sowohl der Druck p als auch die Tempe- ratur T sind innerhalb gewisser Grenzen frei vorgebbar. Sollen sich zwei Phasen (nPh = 2) im Gleichgewicht befinden, ist f = 1. Die Zustände können sich nur längs der Phasengrenzkurven, z. B. auf der Dampfdruckkurve, verändern. Im Falle von drei Phasen existiert kein Freiheitsgrad. Es ist nur der Zustand am Tripelpunkt (Abb. W.2.0.1) mit definierten Werten für den Druck (pTr) und die Temperatur (-Tr) möglich. p B C flüssig fest pTr pTr gasförmig A ϑTr ϑ Abb. W.2.0.1 Phasendiagramm von Wasser mit Sublimationskurve (A), Schmelzkurve (B) und Dampfdruckkurve (C) mit den drei Aggregatzuständen fest, flüssig und gasförmig (Tripelpunkt, pTr = 613 hPa, -Tr = 0,0075 °C) Zustandsänderungen sind besonders dann leicht zu überschauen, wenn eine Zustandsgröße konstant gehalten wird. Man unterscheidet zwischen isobaren (p = const), isochoren (V = const) und isothermen Zustandsänderungen (T = const). Die drei Zustandsgrößen p, V, und T können nicht beliebig geändert werden. Es besteht ein funktionaler Zusammenhang zwischen ihnen, der die Zustandsänderung beschreibt. Der Zusammenhang zwischen Volumen V und Druck p einer abgeschlossenen Menge eines idealen Gases werden bei konstanter Temperatur durch das Gesetz von Boyle und Mariotte beschrieben: pV const . (1) 2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen 126 Wärmelehre Isobare Zustandsänderungen genügen dem Gesetz von Gay-Lussac und Charles V V0 1 DV (T T0 ) (2) und isochore Zustandsänderungen dem Gesetz von Amontons p p0 1 D p (T T0 ) . (3) chen Temperatur T gehören. Daraus folgt aber, dass Dp und DV gleich sind. Das Experiment zeigt darüber hinaus, dass alle Gase etwa den gleichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten haben. Für ein ideales Gas gilt 1 1 K 1 . DV D p J 0 T0 273,15 Nach den bisherigen Überlegungen kann Gl. (2) als pV p T geschrieben werden. Die Konstante Cc muss der Masse m des Gases proportional sein, da die doppelte Gasmasse bei gleichem Druck und gleicher Temperatur das doppelte Volumen einnimmt: pV V Abb. W.2.0.2 Schematische Darstellung einer Zustandsfläche im p, V, T – Raum für ein ideales Gas: Isochoren (), Isothermen () und Isobaren (---) In den Gln. (2) und (3) sind DV der kubische Ausdehnungskoeffizient und Dp der Spannungskoeffizient des Gases. Gegeben sei ein Gas, das bei der Temperatur T0 unter dem konstanten Druck p0 steht und das Volumen V0 einnehmen soll. Erwärmt man das Gas bei dem konstanten Druck p0 bis zur Temperatur T, gilt p0 V p0 V0 1 DV (T T0 ) . Führt man die gleiche Erwärmung bei dem konstanten Volumen V0 durch, ergibt sich p V0 p0 V0 1 D p (T T0 ) . Die Produkte p0V und pV0 müssen nach Gl. (1) übereinstimmen, da sie zwei Kombinationen von p und V darstellen, die zur glei- § 1 · p0 V0 J 0 ¨ (T T0 ) ¸ C c T © J0 ¹ mCT . (4a) Wird Gl. (4a) auf ein Mol des Gases bezogen, erhält man p Vm M CT , (4b) wobei sich die molare Masse M aus dem Quotienten der Masse m und der Stoffmenge n (Anzahl der Mole) ergibt. Die Erfahrung zeigt, dass das molare Volumen Vm für alle Gase bei gleichem Druck und gleicher Temperatur den gleichen Wert besitzt. In den Gln. (4a) und (4b) ist C eine Materialkonstante, während das Produkt aus der molaren Masse M und der Konstanten C nicht von der speziellen Natur des Gases abhängt und als molare Gaskonstante R bezeichnet wird. Damit erhält man pV m RT M n RT (5) oder p Vm RT . (5a) Unter Normbedingungen (pN = 101325 Pa, TN = 273,15 K , Vm,N = 22,41 10-3 m3 mol-1) 127 2.0 Grundlagen folgt aus Gl. (5a) für die molare Gaskonstante R = 8,314 J K-1 mol-1. Ein Gas, das der Zustandsgleichung nach Gl. (5) genügt, bezeichnet man als ideales Gas. Mit Hilfe der kinetischen Gastheorie, bei der die Gasmoleküle als völlig elastische Kugeln mit dem Durchmesser null betrachtet werden und nur bei elastischen Zusammenstößen miteinander in Wechselwirkung stehen, kann Gl. (5a) theoretisch begründet werden. Dabei ergibt sich die molare Gaskonstante als Produkt aus der Avogadro- und der Boltzmann-Konstante mit R = NA k. In allen realen Gasen existieren jedoch auch Kräfte zwischen sich nicht berührenden Molekülen. Sowohl die auf ein beliebig herausgegriffenes Molekül wirkende Kraft als auch die Zahl aller wechselwirkenden Teilchen sind der Dichte proportional. Der gesamten Wechselwirkungskraft entspricht der so genannte Kohäsionsdruck, der dem Quadrat der Dichte proportional bzw. dem Quadrat des Volumens umgekehrt proportional ist. Dieser Druck muss dem in der Zustandsgleichung idealer Gase auftretenden Druck p additiv hinzugefügt werden. Außerdem kann das Volumen des Gases niemals verschwinden, da die Moleküle selbst ein endliches Volumen einnehmen. Diese beiden Überlegungen führen zu der von van-derWaals begründeten Zustandsgleichung, die sich auf ein Mol bezogen mit den beiden vander-Waals-Konstanten a und b in der Form § a · ¨ p 2 ¸ Vm b Vm ¹ © RT (6) darstellen lässt. Das van-der-Waals-Kovolumen b entspricht näherungsweise dem vierfachen Eigenvolumen der Moleküle. Die Gl. (6) kann als kubische Gleichung in Vm geschrieben werden: p Vm3 ( p b RT ) Vm2 a Vm a b 0 . (6a) Wenn T und p gegeben sind, erhält man aus Gl. (6a) entweder drei reelle Werte Vm oder nur einen. In Abb. W.2.0.3 sind drei ver- schiedene Isothermen von Kohlendioxid (CO2) graphisch dargestellt (ClapeyronDiagramm), die durch die van-der-WaalsGleichung gut beschrieben werden. Die nach Gl. (6) berechnete Isotherme für 5 °C besitzt ein Minimum und ein Maximum. Diese Extremwerte werden im Experiment nicht realisiert, da sie labilen Zuständen entsprechen. Der Übergang vom Maximum zum Minimum ist völlig ausgeschlossen, da bei konstanter Temperatur der Druck mit abnehmendem Volumen nicht sinken kann. p MPa 12 K 8 4 B 60 °C A 31 °C 5 °C 0 0,2 0,4 -3 3 -1 Vm / 10 m mol Abb. W.2.0.3 Isothermen für CO2 im p-Vm-Diagramm (Koexistenzgebiet schraffiert) Wenn man das gasförmige CO2 isotherm komprimiert, beginnt am Punkt A die Verflüssigung, die am Punkt B beendet ist. In dem Bereich, in dem der Stoff teilweise in gasförmiger und teilweise in flüssiger Phase vorliegt, bleibt der Druck konstant (Koexistenzgebiet, Sättigungsdampfdruck). Die horizontale Gerade AB (Maxwell-Gerade) ist so zu wählen, dass die schraffierten Flächen in Abb. W.2.0.3 im Übergangsbereich gleichgroß sind. Diese Forderung folgt aus dem 1. und 2. Hauptsatz der Thermodynamik. In den Isothermen, die sich nach Gl. (6) für Temperaturen zwischen 0 und 31 °C ergeben, nähern sich die beiden Extremwerte mit steigender Temperatur. Bei 31 °C fallen die Extremwerte am so genannten kritischen Punkt (K), dem Wendepunkt der kritischen 2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen 128 Wärmelehre Isotherme mit horizontaler Tangente, zusammen. Die Temperatur dieser Isothermen entspricht der kritischen Temperatur Tk, die zugehörigen Werte von p und Vm bezeichnet man als kritischen Druck pk und kritisches molares Volumen Vmk. Oberhalb der kritischen Temperatur (Isotherme für 60 qC in Abb. W.2.0.3) lässt sich CO2 auch durch Anwendung höchster Drücke nicht mehr verflüssigen. Mit weiter steigender Temperatur nähert sich der Verlauf der Isothermen derjenigen eines idealen Gases. Wenn man Tk und pk kennt, lassen sich die van-der-Waals-Konstanten a und b berechnen. Dazu müssen die erste und die zweite partielle Ableitung der Gl. (6a) nach dem Volumen für T = Tk gebildet und jeweils null gesetzt werden. Zusammen mit der van-derWaals-Gleichung verfügt man damit über drei Gleichungen, aus denen entweder die kritischen Größen bei gegebenen van-der Waals-Konstanten a 8a , Tk , Vk 3b pk 2 27b 27 Rb oder bei bekannten kritischen Größen die Werte von a und b ermittelt werden können: a 27 R 2Tk2 , b 64 pk RTk . 8 pk In Tabelle W.2.1 sind die Werte für die kritische Temperatur und den kritischen Druck einiger Stoffe angegeben. Tabelle W.2.1 Kritische Temperatur Tk und kritischer Druck pk verschiedener Stoffe Stoff Tk / K pk / MPa Ethan Helium Schwefelhexafluorid Kohlendioxid n-Pentan Sauerstoff Stickstoff Wasser 305 5,25 4,87 0,23 318,7 304,2 469,8 155,4 126,1 647,1 3,77 7,38 3,37 5,04 3,39 22,1 Eine andere Form der Zustandsgleichung realer Gase begründet sich auf die Entwicklung des Kompressionsfaktors (Realgasfaktor) Z nach Potenzen von 1/V: pV n RT Z 1 BV (T ) CV (T ) ... . (7) V V2 Gl. (7) bezeichnet man als Virialgleichung. Die Virialkoeffizienten (BV (T ), CV (T ), …) beinhalten Informationen über die Wechselwirkungen zwischen den Molekülen. 2.0.2 Energiesatz und Adiabatengleichung Der Energiesatz (1. Hauptsatz der Thermodynamik) resultiert aus der Erfahrung, dass sich keine Maschine konstruieren lässt, die mehr Energie nach außen abgibt, als man ihr zuführt. Es ist also unmöglich, ein Perpetuum mobile 1. Art, d. h. eine ständig periodisch arbeitende Maschine ohne Energiezufuhr, zu konstruieren. Der erste Hauptsatz ist ein Spezialfall der Bilanz für die innere Energie, der im Allgemeinen für stofflich abgeschlossene Systeme formuliert wird. Er lautet 'U ' Q 'W . (8) Damit besitzt jedes abgeschlossene System eine extensive Zustandsgröße U, die innere Energie. Extensive Zustandsgrößen sind der Masse der Phase, der sie zugeordnet werden, proportional. Die innere Energie wird durch die dem System zugeführte Wärmemenge 'Q und die zugeführte Arbeit 'W vergrößert. Die Wärmemenge ist eine spezielle Form der Energie, die der Masse m und der Temperaturänderung 'T proportional ist: 'Q c m 'T . (9) Das Produkt c m bezeichnet man als Wärmekapazität, den Proportionalitätsfaktor c als spezifische Wärmekapazität. Die dem System zugeführte Arbeit kann mit 'W p 'V (10) 129 2.0 Grundlagen berechnet werden, wobei 'V die Volumenänderung bei dem Druck p ist. Das Minuszeichen in Gl. (9) berücksichtigt, dass bei einer Arbeitszufuhr, z. B. der Kompression eines Gases, das Volumen abnimmt. Nach Versuchen von Gay-Lussac, Joule und Thomson ändert sich die Temperatur eines Gases, das der Zustandsgleichung (5) genügt, bei Expansion ohne Arbeitsaufwand (d. h. in das Vakuum) nicht. Aus der Voraussetzung 'W = 0 sowie für 'T = 0 und somit 'Q = 0 folgt die Gleichung 'U = 0. Die innere Energie eines idealen Gases ist nicht vom Volumen abhängig, sondern eine nur von der Temperatur abhängige Zustandsgröße. Daraus folgt, dass jede beliebige Erwärmung eines idealen Gases von der Temperatur T zur Temperatur T+'T energetisch einer isochoren Erwärmung ('V = 'W = 0) von T auf T+'T gleichwertig sein muss, d. h., es gilt 'U cV m 'T . (11) Für eine isobare Erwärmung eines idealen Gases um 'T nimmt der Energiesatz die Form cV m 'T c p m 'T p 'V (12) an. In Gl. (11) sind cp und cV die spezifischen Wärmekapazitäten bei konstantem Druck bzw. bei konstantem Volumen. Nach Gl. (5a) gilt für eine isobare Zustandsänderung p 'V m R 'T . M (13) wird ('Q = 0), lautet der Energiesatz Gl. (8) in differentieller Schreibweise dU p dV . dW (15) Es ändert sich bei einer adiabatischen Expansion oder Kompression demzufolge nur die Temperatur. Wendet man Gl. (15) auf ein ideales Gas an, ergibt sich mit den Gln. (11) und (5) dT T R dV . M cV V (16) Bei konstantem cV liefert die Integration von Gl. (16) mit dem Adiabatenexponenten J Cp cp CV cV (17) die Adiabatengleichung T V J 1 const . (18) Durch Einsetzen der Zustandsgleichung Gl. (5) in Gl. (18) lässt sich die Adiabatengleichung auch in der Form pVJ const (19) angeben. Die Gl. (19) wird auch als PoissonGesetz bezeichnet. Eine weitere Form der Adiabatengleichung ergibt sich aus Gl. (18) durch die Substitution von V durch den Druck p unter Berücksichtigung von Gl. (5a): T J p1J const . (20) Aus den Gln. (11) und (12) folgt dann R M c p cV C p CV . (14) Die molare Gaskonstante ist also die molare Wärmekapazität eines idealen Gases bei konstantem Druck Cp vermindert um die jenige bei konstantem Volumen CV. Für eine adiabatische Zustandsänderung, bei der dem System weder Wärme zugeführt noch entzogen 2.0.3 Dampfdruck Bringt man eine Flüssigkeit in ein evakuiertes Gefäß, das sich in einem Wärmebehälter konstanter Temperatur T befindet, verdampft ein Teil der Flüssigkeit. Es stellt sich ein bestimmter Dampfdruck p ein, der nur von der Temperatur, nicht aber von dem zur Verfügung stehenden Volumen abhängt. Eine 2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen 130 Wärmelehre Vergrößerung bzw. eine Verkleinerung des Volumens bei konstanter Temperatur bewirkt die Verdampfung eines weiteren Anteils der Flüssigkeit bzw. die Kondensation einer bestimmten Dampfmenge, der Dampfdruck bleibt aber konstant. Der Begriff des Dampfdrucks hat nur für solche Temperaturen einen Sinn, bei denen der betrachtete Stoff sowohl in flüssiger als auch in gasförmiger Phase vorliegen kann, da die Dampfdruckkurve für jeden Stoff im kritischen Punkt (Punkt K in Abb. W.2.0.1) endet. Für Temperaturintervalle, deren obere Grenze klein gegen die kritische Temperatur Tk ist, gilt für viele Stoffe in guter Näherung die Dampfdruckgleichung von Clausius und Clapeyron dp dT Q23 T Vm,3 Vm,2 (21) mit der molaren Verdampfungswärme Q23. Betrachtet man nur Zustände, die hinreichend weit unterhalb des kritischen Punkts liegen, kann das molare Volumen Vm,2 der Flüssigkeit gegen das molare Volumen Vm,3 des Dampfs vernachlässigt werden. Verwendet man außerdem für den Dampf die Zustandsgleichung für ideale Gase (Gl. (5a)), ergibt sich eine vereinfachte Beziehung für die Dampfdruckgleichung: dp dT p Q23 . RT2 (22) Durch Einführung der Variablen y = ln (p/p0) und x = 1/T folgt die differentielle Schreibweise der Dampfdruckgleichung nach Clausius und Clapeyron: d ln p p0 d 1 T Q23 . R (23) In analoger Näherung (Vm,3 >> Vm,1) besteht zwischen dem Dampfdruck über der Oberfläche eines festen Stoffes pf und der Temperatur T der folgende Zusammenhang: d ln ( p f p0 ) d 1 T Q13 . R (24) In den Gln. (21) und (24) sind die Indizes so gewählt, dass 1 dem festen, 2 dem flüssigen und 3 dem gasförmigen Zustand zugeordnet wird. Der Druck p0 entspricht einem Referenzdruck bei der Temperatur T0. Unter der Voraussetzung einer nicht von der Temperatur abhängigen Umwandlungswärme Q23 erhält man nach Integration von Gl. (21) °­ Q § 1 1 · °½ p0 exp ® 23 ¨ ¸ ¾ . °¯ R © T T0 ¹ ¿° p (25) Die exponentielle Abhängigkeit des Dampfdrucks von der Temperatur gilt nur für begrenzte Temperaturintervalle. Man kann die Dampfdruckgleichung in Gl. (21) mit der Methode der Kreisprozesse begründen, wenn der reversible CarnotKreisprozess betrachtet wird. In Abb. W.2.0.4 sind zwei infinitesimal benachbarte Isothermen im Phasenumwandlungsbereich Flüssigkeit-Dampf dargestellt. p A ps ps-dps D dV2 T T1=T– dT Vm,2 B dV3 Vm,3 C Vm Abb. W.2.0.4 Carnot-Kreisprozess zur Begründung der Clausius-Clapeyron-Gleichung Während des Übergangs von Punkt A nach Punkt B wird ein Mol Flüssigkeit durch Zufuhr der Umwandlungswärme Q23 bei konstantem Druck ps und konstanter Temperatur T vollständig verdampft. Durch eine adiabatische Entspannung des Dampfs von ps auf den Druck psdps gelangt man zum Punkt C 131 2.1 Isothermen realer Gase auf der Isothermen ( T d T ). Danach wird der Dampf isotherm wieder in die flüssige Phase zurückkondensiert ( C o D ). Durch Zufuhr der Wärmemenge dQ ( dQ Q23 ) kehrt man zum Punkt A zurück. Unter Vernachlässigung aller Produkte von differentiell kleinen Größen ergibt sich als Betrag der insgesamt verrichteten Arbeit W Vm,3 Vm,2 dp . (26) eingestellt und mit dem Messfühler (2) eines Digitalthermometers bestimmt werden kann. ϑ 2 1 6 UT 5 Für den Wirkungsgrad des betrachteten Kreises unter Berücksichtigung eines reversiblen Carnot-Kreisprozesses gilt K W Q23 dT . T 3 (27) Aus den Gln. (26) und (27) lässt sich sofort die Dampfdruckgleichung Gl. (21) nach Clausius und Clapeyron ablesen. 2.1 Isothermen realer Gase Aufgabenstellung 1. Die Isothermen eines realen Gases sind bei fünf vorgegebenen Temperaturen aufzunehmen. Am kritischen Punkt sollen die optisch erkennbaren Veränderungen des Stoffs beschrieben werden. 2. Es ist die Anzahl der Mole des Stoffs in der Druckkammer zu bestimmen. 3. Die Dampfdruckkurve ist graphisch darzustellen. Vor Beginn des Experiments erfolgt eine kurze Einweisung in die Bedienung der Apparatur und es werden Hinweise zu versuchsrelevanten Arbeitsschutzrichtlinien gegeben. Die Hochdruckkapillare (1) aus dickwandigem Glas (Abb. W.2.1.1) enthält den zu untersuchenden Stoff. Auf ihrem Außenmantel befindet sich eine Skala bezüglich des Innenvolumens der Kapillare. Umschlossen wird die Kapillare von einem Wasserbad, in dem über einen außen angeschlossenen Umwälzthermostaten (6) die gewünschte Temperatur MPa 4 Abb. W.2.1.1 Gerät zur Aufnahme von Isothermen realer Gase (schematisch) Die Druckerzeugung erfolgt dadurch, dass Quecksilber (3), das sich in einer Kammer unterhalb der Kapillare befindet, durch Drehen eines Handrads (4) nach oben gepresst wird und sich demzufolge das restliche Volumen verkleinert. Der Druck wird mit einem fest angeschlossenen Manometer (5) gemessen. Nach jeder Änderung von Druck, Volumen und Temperatur ist mit der Messung so lange zu warten, bis sich ein Gleichgewichtszustand eingestellt hat. Der Druck darf den am Arbeitsplatz angegebenen Maximalwert aus Sicherheitsgründen nicht überschreiten. Versuchsausführung Bei Aufgabe 1 ist die Aufnahme der Isothermen bei fünf verschiedenen Temperaturen unterhalb der kritischen Temperatur vorzunehmen. Dazu sind für etwa zehn unterschiedliche Volumina die Drücke zu messen, die letzten zwei Messungen sollen bei nahezu völlig verflüssigtem Gas erfolgen. Die kritische Temperatur des zu untersuchenden Stoffs wird am Versuchsplatz mitgeteilt oder kann mit seinen bekannten van-der-WaalsKonstanten berechnet werden. Von besonde- 2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen 132 Wärmelehre rem Interesse ist die Isotherme bei der kritischen Temperatur. Nähert man sich dem kritischen Punkt, wird es immer schwieriger, zwischen flüssiger und gasförmiger Phase infolge der abnehmenden Unterschiede der Dichten in den beiden Phasen zu unterscheiden. Gewöhnlich ist das Verhältnis der Dichten von Flüssigkeit zu Gas in der Größenordnung 103, am kritischen Punkt jedoch nahe 1. Man kann diese markante Änderung in den Dichtverhältnissen am kritischen Punkt in Form von verschiedenen optischen Effekten beobachten (z. B. Auftreten von Nebel, Schlieren, kritische Opaleszenz). Dazu ist es erforderlich, die Änderung von Temperatur und Volumen in kleinen Schritten um den kritischen Punkt herum durchzuführen (Abb. W.2.1.2). p T2 Q23 Tk pk tion (1/V ) o 0 ein Wert für den Schnittpunkt mit der Ordinate, mit dem die Stoffmenge n in guter Näherung ermittelt werden kann. Den Graphen der Isothermen entnimmt man im Koexistenzgebiet von Flüssigkeit und Gas den Sättigungsdampfdruck ps und stellt diesen graphisch in Abhängigkeit von der Temperatur dar (Aufgabe 3, Dampfdruckkurve ps(T )). Mit einer geeigneten Software ist die Anpassung an eine Funktion entsprechend Gl. (25) durchzuführen. Aus dem Anstieg (dps /dT ) und der betreffenden Differenz zwischen Dampf (Vd ) - und Flüssigkeitsvolumen (Vfl, vgl. Abb. W.2.1.2) kann man auch die Größe der molaren Verdampfungswärme unter Verwendung der in Aufgabe 2 ermittelten Stoffmenge n für eine ausgewählte Temperatur T < Tk näherungsweise bestimmen: Vd V1 Vk V2 (28) Besonders deutlich wird der Unterschied zwischen den Isothermen eines realen und denen eines idealen Gases in der graphischen Darstellung p V = f ( p), die als Amagat-Diagramm bezeichnet wird. In diesem Diagramm werden die Isothermen eines idealen Gases als horizontale Geraden dargestellt. T1 Vfl d ps 1 (Vd Vfl ) T n dT . V Abb. W.2.1.2 Messungen um den kritischen Punkt an einem p-V-Diagramm schematisch dargestellt: Beginn im Zustand (V1, T1) mit V1<Vk und T1<Tk , anschließend langsame Temperaturerhöhung auf T2 > Tk und Beobachtung der Volumenvergrößerung auf V2 > Vk, danach wieder langsame Temperaturerniedrigung auf T1, Dampf (Vd ) - und Flüssigkeitsvolumen (Vfl) an der Grenze zum Koexistenzgebiet (schraffiert) Der Bestimmung der Stoffmenge n in Aufgabe 2 liegt die Vorstellung zugrunde, dass ein sehr stark verdünntes Gas näherungsweise als ideales Gas beschrieben werden kann. Stellt man in einem Diagramm das Produkt p V in Abhängigkeit von 1/V für ausgewählte Isothermen dar, so ergibt sich aus der Extrapola- 2.2 Adiabatenexponent In einem idealen Gas vollzieht sich der Energieaustausch infolge ständiger Zusammenstöße zwischen den Molekülen. Ist der Gleichverteilungssatz der klassischen statistischen Physik anwendbar, so enthält jeder thermodynamische Freiheitsgrad fT des Moleküls im thermischen Gleichgewicht eine Energie von kT/2 pro Molekül oder RT/2 pro Mol, wobei k und R die bekannten Fundamentalkonstanten (Anhang A.6) sind. Damit ergibt sich für ein Mol eines idealen Gases die innere Energie U zu U Wkin fT 1 RT . 2 (29) 133 2.2 Adiabatenexponent Unter Berücksichtigung von Gl. (10) erhält man für die molare Wärmekapazität CV bei einer isochoren Zustandsänderung CV dU dT fT R 2 und (30) für die molare Wärmekapazität Cp bei einer isobaren Zustandsänderung mit Gl. (13) Cp CV R fT 2 R . 2 (31) Damit lässt sich der Adiabatenexponent J bei bekannter Anzahl der thermodynamischen Freiheitsgrade berechnen: J Cp cp CV cV fT 2 . fT (32) Tabelle W.2.2 Molekülart und thermodynamische Freiheitsgrade Freiheitsgrade fT Atome im Molekül ft fr fges 1 2 3 3 3 3 0 2 3 3 5 6 Ein Molekül bestehend aus n Atomen hat grundsätzlich f = 3 n dynamische Freiheitsgrade, d. h., die jeweils drei Translationsfreiheitsgrade (ft ) der ungebundenen Atome bleiben erhalten. Durch Molekülbindungen werden diese Freiheitsgrade den Translations-, Rotations- und Schwingungsfreiheitsgraden des Moleküls zugeordnet. Jedes Molekül besitzt drei Translationsfreiheitsgrade, fr Rotationsfreiheitsgerade, wobei fr = 2 für ein geradliniges und fr = 3 für ein abgewinkeltes Molekül gilt, sowie fs = 3 n 3 fr Schwingungsfreiheitsgrade. Im Gleichverteilungssatz führen nur Energieterme, die quadratisch in der entsprechenden dynamischen Variablen (Geschwindigkeit, Auslenkung, Drehimpuls) sind, zu einer thermischen Energie von kT/2. Da Translation und Rotation nur kinetische Energie enthalten, sind für diese Energieformen die Anzahl der dynamischen und thermodynamischen Freiheitsgrade gleich. Eine Schwingung enthält jedoch gleiche Beiträge von kinetischer und potentieller Energie, so dass die Schwingungsfreiheitsgrade des Moleküls 2 (3 n – 3 fr) thermodynamische Freiheitsgerade ausmachen. Die Zahl der thermodynamischen Freiheitsgerade eines Moleküls ist daher fT = 3 + fr + 2 (3 n – 3 fr). Es ist jedoch stets zu beachten, dass diese Abzählung aus der klassischen Physik folgt. Da sowohl Rotationen als auch Schwingungen quantisiert sind, werden diese nur bei hinreichend hohen Temperaturen angeregt. In der Regel sind Molekülrotationen bei Raumtemperatur angeregt, Schwingungen jedoch nicht. Eine Ausnahme von dieser Regel bildet das CO2-Molekül. Als lineares Molekül besitzt dieses zwei Rotations- und vier Schwingungsfreiheitsgrade. Dabei ist von den letzteren eine Schwingungsmode (gegenphasige Schwingung der Sauerstoffatome bezüglich des Kohlenstoffatoms) bei Raumtemperatur angeregt, so dass sich im Beispiel des CO2 zwei Schwingungsfreiheitsgrade und damit insgesamt sieben thermodynamische Freiheitsgrade ergeben: fT = 3 + 2 + 2(1) = 7. Detaillierte molekültheoretische Berechnungen zu Oszillationen im Kohlendioxid ergeben für die Zahl der Schwingungsfreiheitsgrade im Bereich der Zimmertemperatur einen etwas kleineren Wert als zwei ( f s,th = 1,857). 2.2.1 Versuch nach Clément und Desormes Aufgabenstellung Das Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten soll nach der Methode von Clément und Desormes für Luft und Kohlendioxid bestimmt und mit dem theoretischen Wert nach Gl. (32) verglichen werden. Es wird vorausgesetzt, dass während des Experiments der äußere Luftdruck pL und die Umgebungstemperatur Tu konstant bleiben. Eine Glasflasche (Volumen V = const) ist mit einem Einweghahn (H) verschlossen, der zum Entspannen des Gases in der Flasche dient (Abb. W.2.2.1). Der Verteiler im unteren Teil der Glasflasche ermöglicht über Schlauchverbindungen den Anschluss eines Drucksensors (DS) mit digitaler Anzeige und 2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen 134 Wärmelehre einer Druckgasflasche (DG). Vor dem Entspannen des Gases herrscht der Druck pL+ p1 in der Flasche. J H hPa V DG Abb. W.2.2.1 Versuchsschema zur Methode von Clément und Desormes mit Drucksensor Durch kurzzeitiges Öffnen des Einweghahns wird ein schneller Druckausgleich auf den äußeren Luftdruck erreicht, der als adiabatische Expansion betrachtet werden kann und eine Abkühlung des Gases auf die Temperatur T0 bewirkt. Dann gilt nach Gl. (20) § Tu · ¨ ¸ © T0 ¹ J § pL p1 · ¨ ¸ © pL ¹ J 1 (33) . Die Zustandsgleichung nach Gl. (5) für das Gas (Stoffmenge n) unmittelbar nach dem Entspannen lautet pL V (34) n R T0 . Das Volumen V setzt sich aus dem Innenvolumen der Glasflasche und dem Volumen der Schlauchverbindung zum Drucksensor in Abb. W.2.2.1 zusammen. Hat sich das Gas nach einer ausreichenden Wartezeit wieder auf die Umgebungstemperatur erwärmt, genügt es der Zustandsgleichung pL p2 V n R Tu . (35) Dividiert man Gl. (35) durch Gl. (34) und setzt das Verhältnis (Tu / T0 ) in Gl. (33) ein, erhält man § Tu · ¨ ¸ © T0 ¹ J Daraus folgt für den Adiabatenexponenten § pL p2 · ¨ ¸ © pL ¹ J § pL p1 · ¨ ¸ © pL ¹ J 1 . (36) § p · log ¨1 1 ¸ pL ¹ © . § § p · p · log ¨1 1 ¸ log ¨1 2 ¸ pL ¹ pL ¹ © © (37) Durch geeignete Wahl der Versuchsbedingungen, (p1/pL) und (p2/pL) sehr klein gegen eins, gilt in guter Näherung p1 J . (38) p1 p2 Versuchsausführung Bei geöffnetem Einweghahn sind die Glasflasche und die Schläuche gut mit Luft zu spülen. Danach erzeugt man einen kleinen Überdruck und misst nach dem Temperaturausgleich den Druck p1. Durch schnelles Öffnen und Schließen des Einweghahns wird das Gas anschließend adiabatisch entspannt und der Druck p2 nach Einstellung des Temperaturgleichgewichts ermittelt. Dabei ist zu beachten, dass man bei einem zu langsamen Entspannungsvorgang zu kleine Werte und bei zu kurzem Öffnen des Ventils zu große Werte für den Adiabatenexponenten erhält. Es sind mehrere adiabatische Entspannungen für verschiedene Drücke p1 durchzuführen. Nach dem Gasaustausch ist die Messung mit CO2 zu wiederholen. 2.2.2 Schallgeschwindigkeit Aufgabenstellung 1. Der Adiabatenexponent von Luft und einem einatomigen Gas soll über die Messung der Schallgeschwindigkeit bei drei verschiedenen Frequenzen bestimmt werden. 2. Es sind die molaren Wärmekapazitäten Cp und CV zu ermitteln. Der Sinusgenerator (1) mit Frequenzanzeige (Abb. W.2.2.2) ist mit einem Lautsprecher (2) für hohe Frequenzen als Schallquelle 135 2.2 Adiabatenexponent und dem X-Eingang eines Oszilloskops (3) verbunden. Versuchsausführung 3 G 6 Hz 1 f 2 Der Index N bezeichnet die betreffenden Werte unter Normbedingungen. 4 5 ϑ Abb. W.2.2.2 Schema der Versuchsanordnung zur Messung der Schallgeschwindigkeit in Gasen Als Schallempfänger dient ein Mikrofon (4) für einen Frequenzbereich bis 30 kHz, in dem das Schallsignal in eine elektrische Spannung umgewandelt und durch einen Verstärker (5) verstärkt wird. Anschließend wird die Spannung einem Hochpass (6) zugeführt und danach an den Y-Eingang des Oszilloskops gelegt. Die Auswertung der Phasenbeziehungen zwischen den Spannungen am X- und YEingang des Oszilloskops ermöglicht die Bestimmung der Schallwellenlänge OS, indem man die auf dem Bildschirm entstehenden Lissajous-Figuren (Abb. E.3.1.5) in Abhängigkeit vom Abstand zwischen Lautsprecher und Mikrofon variiert. Bei bekannter Frequenz f des Schallsenders lässt sich damit die Schallgeschwindigkeit cS berechnen. Die Schallschwingungen erfolgen so schnell, dass praktisch ein Temperaturausgleich zwischen den durch eine halbe Wellenlänge getrennten Stellen der Erwärmung (infolge Verdichtung) und Abkühlung (infolge Verdünnung) des Gases mit der Umgebung nicht wirksam werden kann. Für diesen adiabatischen Vorgang kann unter Verwendung von Gl. (M.4-7) der Adiabatenexponent bestimmt werden. Man erhält für ideale Gase mit der Temperatur T U T J cS2 N N . (39) pN T Der Lautsprecher und das Mikrofon sind in einem luftdicht verschließbaren Versuchsraum mit eingebautem Thermometer untergebracht. Man füllt Luft bzw. das zu untersuchende Gas in den Versuchsraum und bestimmt die Temperatur des Gases. Anschließend wird der Abstand zwischen Lautsprecher und Schallwandler so lange verändert, bis auf dem Schirm des Oszilloskops eine Gerade entsteht. Verschiebt man den Schallwandler gegenüber dem Lautsprecher um eine Wegdifferenz, die der Schallwellenlänge OS entspricht, beobachtet man wieder eine Gerade mit dem gleichen Anstieg. Zur Erhöhung der Genauigkeit sind etwa zehn unterschiedliche Wegdifferenzen 'li zu messen. Über die Auftragung von 'li als Funktion der Vielfachen i der Wellenlänge erhält man einen mittleren Wert für die gesuchte Wellenlänge. Die Messung ist bei drei verschiedenen Frequenzen oberhalb der Hörgrenze bis maximal 30 kHz durchzuführen. Mit den Mittelwerten der jeweiligen Schallgeschwindigkeiten werden die J-Werte mit Gl. (39, die gesuchten Wärmekapazitäten Cp und CV mit den Gln. (14) und (17) ermittelt. 2.2.3 Resonanzmethoden Aufgabenstellung 1. Mit dem Gasoszillator nach Flammersfeld sind die Adiabatenexponenten von Luft und Kohlendioxid zu bestimmen. 2. Der Adiabatenexponent eines einatomigen Gases ist mit der Resonanzrohrmethode zu ermitteln. 3. Die experimentellen Werte sind mit den nach Gl. (32) berechneten Werten zu vergleichen. Bei der Gasoszillatormethode (Abb. W.2.2.3) nach Flammersfeld befindet sich in einem 2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen 136 Wärmelehre senkrechten Präzisionsrohr (2) ein zylindrischer Körper (1) mit der Masse m und dem Durchmesser d. Das mit Gas gefüllte Volumen V des Glaskolbens (3) soll bekannt sein. 2 5 1 4 3 beschleunigende Druckkraft Fp Der zylindrische Körper schließt das Gasvolumen nach oben ab. Glaskolben und Präzisionsrohr sind über einen Glasschliff dicht miteinander verbunden. Lässt man Gas mit geringem Überdruck mittels eines Kapillarrohrs (4) in den Kolben einströmen, wird der Körper durch den sich an seiner Unterseite aufbauenden Überdruck nach oben geschoben. Gibt der Körper beim Steigen den feinen Schlitz (5) im Präzisionsrohr frei, kann Gas entweichen und der Druck fällt ab. Dadurch wird der Körper nach unten sinken und den Schlitz wieder verschließen. Der Schlitz wirkt wie ein sich periodisch öffnendes und schließendes Ventil bei kontinuierlicher Gaszufuhr und der Körper führt um diesen Schlitz periodische Bewegungen aus. Um stabile Schwingungen des zylindrischen Körpers in der Luftsäule anregen zu können, ist eine geeignete Feindosierung der Gaszufuhr (z. B. mit einem Nadelventil) vorzunehmen. Steigt der Körper um die kleine Distanz x über die Gleichgewichtslage x0 der Schwingung, dann erhöht sich der Druck p um 'p, und man erhält für die den Körper d2 x dt2 A ǻp ʌ 2 d ǻp . 4 (40) Der Luftdruck pL und der „Kolbendruck“ überlagern sich im Glasgefäß zu einem Gesamtdruck p pL 4mg , ʌ d2 der den zylindrischen Körper steigen lässt. Den Schwingungsvorgang kann man unter den vorliegenden Versuchsbedingungen (hinreichend schnelle Schwingungen) als adiabatischen Prozess annehmen und es folgt nach Gl. (19) für kleine Druckänderungen ǻp Abb. W.2.2.3 Messung des Adiabatenexponenten mit dem Gasoszillator nach Flammersfeld m J p (ǻ V / V ) . Setzt man 'p in Gl. (40) ein und berücksichtigt ǻV ʌ d 2 'x / 4 ('x = x – x0), ergibt sich bei Vernachlässigung der Reibung die Differentialgleichung für den harmonischen Oszillator (M.2.0.1): d2 x J ʌ2 d 4 p ( x x0 ) 0 . dt2 16 m V (41) Die Masse des mitschwingenden Gases wird hier vernachlässigt. Damit folgt für die Eigenkreisfrequenz des Gasozillators Z0 J ʌ2 d 4 p 16 m V , (42) und mit der Periodendauer T0 2 ʌ / Z0 erhält man die Bestimmungsgleichung für den Adiabatenexponenten: J 64 m V . T02 d 4 p (43) Der Durchmesser des Schwingkörpers d und seine Masse m sowie das Gasvolumen V sollen bekannt sein. Der Luftdruck pL wird mit einem Barometer gemessen. Mit Hilfe einer Lichtschrankenanordnung ist mit einem Digi- 137 2.2 Adiabatenexponent talzähler zehnmal die Eigenfrequenz zu messen. Daraus bestimmt man den Mittelwert der Periodendauer T0 und mit Gl. (43) kann der Adiabatenexponent berechnet werden. Die Messung wird nach dem Austausch von Luft durch Kohlendioxid wiederholt. Es sind die experimentellen Ergebnisse mit den nach Tabelle W.2.2 berechenbaren Werten zu vergleichen. Bei der Messung mit einem Gasfeder-Resonanzrohr befindet sich ein an den Rohrinnendurchmesser angepasster zylindrischer Schwingkörper (K, Querschnitt A) aus magnetischem Material in einem Glasrohr (GL), auf dem sich eine Volumenskala befindet und dessen Enden mit Laborhähnen verschließbar sind (Abb. W.2.2.4). beginnt dieser um eine Gleichgewichtslage mit kleiner Auslenkung zu schwingen. Im Resonanzfall wird die Schwingungsamplitude maximal. Mit dem Ansatz eines linearen Kraftgesetzes bei Vernachlässigung der Reibung gilt für kleine Auslenkungen dx = x x0 in Bezug auf die Gleichgewichtslage x0: dFx G f K SP Hz (44) cG ist die „Gasfederkonstante“. Die durch die Schwingungen des Körpers verursachten Druckschwankungen im Inneren des Resonanzrohrs dp = dFx /A genügen praktisch einer adiabatischen Zustandsänderung. Mit der Ableitung dp/dV = J p/V von Gl. (19), der Volumenänderung dV = A dx im Gasvolumen V sowie unter Berücksichtigung von Gl. (44) ergibt sich für die Gasfederkonstante cG GL cG dx . J p A2 V . (45) In Analogie zu Federschwingungen (M.2.0) gilt für die Eigenfrequenz f0 des in der Gassäule schwingenden Körpers (Masse mK) f0 1 2S cG , mK und mit Gl. (45) folgt für den Adiabatenexponenten J Abb. W.2.2.4 Messung des Adiabatenexponenten mit einem Gasfeder-Resonanzrohr Um das senkrecht befestigte Glasrohr ist eine längs des Rohres verschiebbare Erregerspule (SP) angebracht, an die ein Sinusgenerator (G) angeschlossen wird. Befindet sich der Schwingkörper unmittelbar oberhalb der Erregerspule im Bereich des magnetischen Wechselfelds und liegt die Frequenz des Spulenfelds nahe der Eigenfrequenz der Schwingung des Körpers in der Luftsäule, (2S f 0 ) 2 V mK . A2 p (46) Die „Gasfederkonstante“ cG kann bei bekannten Werten von V, A und p nach Gl. (45) mit einem Referenzgas, dessen Adiabatenexponent Jr (zugehörige Resonanzfrequenz f0,r) bekannt ist, ermittelt werden. Unter gleichen Messbedingungen ist die Bestimmung des Adiabatenexponenten des unbekannten Gases mittels Vergleichsmessungen möglich: Jx 2 f 0,x Jr f 0,r2 . (47) 138 Wärmelehre Versuchsausführung In das an beiden Enden geöffnete Glasrohr, lässt man von unten Gas mit bekanntem Adiabatenexponenten einströmen. Der Schwingkörper gleitet dadurch an das obere Ende des Glasrohrs. Danach wird Gas vom oberen Ende in das Rohr hineingedrückt und der Körper nach unten bewegt. Dieser Spülvorgang ist mehrmals zu wiederholen. Anschließend drückt man den Schwingkörper von unten bis zur Mitte des Rohrs nach oben, entfernt den Druckgasschlauch, um einen Druckausgleich mit dem Außendruck zu erreichen, und verschließt die Hähne an den Enden des Rohrs. Der Gasdruck im Rohr entspricht nun dem äußeren Luftdruck. Nachdem die Erregerspule kurz unterhalb des Schwingkörpers befestigt wurde, variiert man langsam die Frequenz des Generators oberhalb 20 Hz, bis der Körper mit maximaler Amplitude schwingt. Um eine konstante Anfangsposition des Schwingkörpers in der Mitte des Rohrs zu gewährleisten, muss der langsam nach unten gleitende Körper vor jeder Messung der Eigenfrequenz f0,r wieder in die Ausgangsstellung gebracht werden. Das Aufsuchen der Resonanz ist mehrfach zu wiederholen. Unter analogen Versuchsbedingungen ist die Messung mit dem einatomigen Gas durchzuführen (Eigenfrequenz f0,x). Mit Gl. (47) kann der Adiabatenexponent Jx des unbekannten Gases bestimmt und unter Anwendung von Gl. (32) mit dem theoretischen Wert für einatomige Gase verglichen werden. 2.3 Dampfdruckkurve und Verdampfungswärme Aufgabenstellung 1. Die Dampfdruckkurve einer Flüssigkeit ist in einem vorgegebenen Temperaturintervall aufzunehmen. 2. Mit Hilfe einer geeignet zu wählenden graphischen Darstellung der Dampfdruckkurve ist die molare Verdampfungswärme der Flüssigkeit zu bestimmen. 2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen Die in Abb. W.2.3.1 dargestellte Versuchsanordnung enthält einen Kältethermostaten (1), in dem sich das Vorratsgefäß (2) mit der zu untersuchenden Flüssigkeit und der Messfühler eines Digitalthermometers (3) befinden. 5 Pa H2 3 ϑ H1 1 2 4 H3 V p H4 6 Abb. W.2.3.1 Anordnung zur Dampfdruckmessung mit Drucksensor Über Schläuche sind die Druckmesszelle (4), die einen Drucksensor enthält, sowie eine Vakuumpumpe (6) miteinander verbunden. Über den Hahn H2 ist der Anschluss eines kalibrierten Druckmessgeräts möglich. Mit den Hähnen H1 bis H4 kann man Teile der Anlage voneinander trennen oder verbinden, um diese je nach Erfordernis evakuieren, belüften oder mit dem zu untersuchenden Dampf füllen zu können. Versuchsausführung Druckmessungen werden heute mit modernen Drucksensoren durchgeführt, deren Wandler die physikalische Größe Druck in eine elektrische Größe umformt. Dazu werden überwiegend Dehnungsmessstreifen, kapazitive, piezoelektrische oder piezoresistive Sensoren verwendet. Der im Versuch eingesetzte HalbleiterDrucksensor (piezoresistiver Siliziumchip) enthält als druckempfindliches Element eine Siliziummembran mit vier eindiffundierten Widerständen. Die durch äußeren Druck auf die Membran verursachten mechanischen Spannungen verändern die Größe der Widerstände durch die Änderung der geometrischen Abmessungen (insbesondere durch die 2.3 Dampfdruckkurve und Verdampfungswärme 139 Änderung des spezifischen Widerstands, piezoresistiver Effekt). Mechanisch bilden die Widerstände einen Teil der Membran, elektrisch wirken sie unabhängig voneinander. Durch spezielle Verfahren gelingt es, jeweils zwei der Widerstände so herzustellen, dass ihre Druckabhängigkeit entgegengesetzt ist, ihre Basiswerte aber annähernd gleichgroß bleiben und die (betragsmäßig gleichgroßen) Änderungen der Einzelwiderstände klein gegenüber diesen sind. Vernachlässigung von Produkten kleiner Größen (ri = 'Ri /Ri << 1, i = 1, 2, 3, 4) erhält man R1 R3 p p US p R2 p UBr R4 Abb. W.2.3.2 Schema der Brückenschaltung eines piezoresistiven Drucksensors, rote Pfeile symbolisieren die Richtung der Widerstandsänderung bei Erhöhung des Drucks In Abb. W.2.3.2 sind die in einer Brückenschaltung (Vollbrückenschaltung) verbundenen Widerstände dargestellt, die mit einer stabilen Betriebsspannung US versorgt wird. Die Brückenspannung UBr als Messsignal wird über zwei weitere Leitungen abgegriffen und kann direkt mit einem Digitalvoltmeter gemessen oder einem Messverstärkermodul zugeführt werden. Nach geeigneter Signalkonditionierung, bei der man die Werte der Brückenspannung eindeutig Druckwerten zuordnen kann, ist der Wert des Drucks dann an einer Anzeigeeinheit direkt ablesbar. In Analogie zu der in E.1.2 durchgeführten Herleitung für die Brückenspannung UBr folgt § R1 R3 · U Br ¨ (48) ¸ US . © R1 R2 R3 R4 ¹ Unter den genannten Bedingungen sowie bei U Br 1 (r1 r4 r2 r3 ) US 4 ǻR US . (49) R Damit ist die Brückenspannung in einem begrenzten Druckbereich direkt proportional zur relativen Änderung der Brückenwiderstände. Der mit Versuchsflüssigkeit gefüllte Vorratsbehälter befindet sich während der Messung im Flüssigkeitsbad eines Kältethermostaten. Man stellt am Temperaturregler eine vorgegebene Temperatur ein und schaltet den Thermostaten ein. Das Vorratsgefäß muss noch ausreichend viel Flüssigkeit enthalten. Zunächst sind bei entsprechenden Hahnstellungen die Druckmesszelle und die Verbindungsschläuche zu evakuieren. Zur Kalibrierung des Drucksensors wird über den Hahn H2 ein Manometer angeschlossen und über die Hähne H4 und H3 Luft mittels eines Dosierventils in die evakuierte Anlage eingelassen. Man misst bei etwa zehn verschiedenen Drücken p die Brückenspannung UBr und stellt UBr ( p) graphisch dar. Um das Vorratsgefäß mit der zu untersuchenden Flüssigkeit zu füllen, öffnet man bei laufender Vakuumpumpe mehrere Male kurzzeitig den Hahn H1, um Dampf der Versuchsflüssigkeit in das evakuierte Volumen strömen zu lassen. Danach ist Hahn H3 zu schließen und das Gefäß in das Flüssigkeitsbad des Thermostaten zu tauchen. Die Vakuumpumpe wird ausgeschaltet und über den Hahn H4 belüftet. Anschließend ist der Dampfdruck in Abhängigkeit von der Temperatur in einem am Versuchsplatz angegebenen Temperaturintervall zu messen. Nach jeder Änderung der Badtemperatur im Thermostaten ist der Temperaturausgleich mit der Versuchsflüssigkeit abzuwarten, ehe man den Dampfdruck ermittelt. Die Bestimmung der molaren Verdampfungswärme Q23 erfolgt unter Anwendung von Gl. (25) mittels graphischer Auswertung. 2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen 140 Wärmelehre 2.4 Wärmepumpe Aufgabenstellung 1. Es sollen die Temperatur- und Druckverläufe einer Wasser-Wasser-Wärmepumpe gemessen werden. Die zeitabhängigen Temperaturverläufe des Warm- und des Kaltwasserreservoirs sind in einem Diagramm darzustellen. 2. Die effektiven Leistungszahlen sind zu ermitteln und in Abhängigkeit von der Temperaturdifferenz zwischen Warm- und Kaltwasserreservoir graphisch darzustellen. Für unterschiedliche Betriebsdauern der Wärmepumpe sind die theoretischen Leistungszahlen zu bestimmen und mit den effektiven Leistungszahlen zu vergleichen. 3. Die zeitlichen Temperaturänderungen im Warmwasserreservoir einer Luft-WasserWärmepumpe sind bei verschiedenen Bedingungen zu messen, in einem Diagramm graphisch darzustellen und zu diskutieren. Die Wärmepumpe ist eine periodisch arbeitende Maschine, die es unter Aufwand von mechanischer Arbeit ermöglicht, eine bestimmte Wärmemenge einem Behälter mit der Temperatur Tk zu entziehen und in ein anderes Reservoir, das sich auf der höheren Temperatur Tw befindet, zu transportieren. Tw Q2 WP W Q1 Tk Abb. W.2.4.1 Prinzip der Wärmepumpe Entsprechend Abb. W.2.4.1 wird dem Behälter mit der niedrigen Temperatur Tk durch die Wärmepumpe (WP) unter Aufwendung von mechanischer Arbeit W die Wärmemenge Q1 entnommen. Beide Energien fließen als Wärmemenge Q2 ( Q2 W Q1 ) in das Wärmereservoir der hohen Temperatur Tw. Man wird stets bemüht sein, die Versuchsführung so zu gestalten, dass zum Transport einer bestimmten Wärmemenge möglichst wenig mechanische Arbeit aufgewendet werden muss. Als charakteristische Kenngröße führt man dazu die effektive Leistungszahl Heff ein. Diese ist definiert als Verhältnis von Nutzenergie, d. h., der vom Reservoir mit der Temperatur Tw aufgenommenen Wärmeenergie Q2 'Q (c m C ) 'Tw , zur aufgewandten mechanischen Arbeit W mit H eff 'Q W cm C 'Tw Pel 't , (50) wobei in der Regel die mechanische Arbeit im Zeitintervall 't von einem Kompressor (elektrische Wirkleistung Pel) verrichtet wird. Die Reservoirs sind bei der Wasser-WasserWärmepumpe mit Wasser gefüllte Behälter (Wassermasse m, spezifische Wärmekapazität c, Wärmekapazität des Behälters und des Wärmetauschers C). Im Falle der LuftWasser-Wärmepumpe ist das Reservoir tieferer Temperatur (Tk) von Luft umgeben. Die Leistungszahl dieser Kompressionswärmepumpen bestimmt man praktisch durch die Messung der elektrischen Leistung mit einem Watt-Meter sowie über den Anstieg 'Tw /'t der gemessenen Temperatur (Tw) - Zeit(t)Abhängigkeit im warmen Reservoir. Die Leistungszahl nach Gl. (50) hängt unter anderem von der Temperatur in den Reservoirs, der Umgebungstemperatur sowie von der Verteilung des Kältemittels in der Wärmepumpe ab. In Abb. W.2.4.2 ist die Funktionsweise der Kompressionswärmepumpe dargestellt. Das gasförmige Arbeitsmittel (Kältemittel) wird 141 2.4 Wärmepumpe vom Kompressor (KO) nahezu adiabatisch komprimiert und dabei stark erwärmt. Im Verflüssiger (K) kühlt es sich stark ab und kondensiert. Die dabei frei werdende Kondensationswärme führt zur Erwärmung des Reservoirs der Temperatur Tw. MPa T3 T4 MPa D p1 p2 K V Tw Tk KO T1 T2 Abb. W.2.4.2 Schema zur Funktionsweise einer Wärmepumpe Danach gelangt das kondensierte Kältemittel zum Drosselventil (D), das den notwendigen Druckabfall zwischen Kompressor und Verdampfer (V) aufrechterhält. Dieses wird auch als Expansionsventil bezeichnet und lässt von dem unter hohem Druck stehenden Kältemittel nur soviel in den Verdampfer fließen, wie dort vollständig verdampfen kann. Bei diesem Vorgang der gedrosselten Entspannung bleibt die Enthalpie H ( H U pV ) konstant. Die beim Verdampfen vom Kältemittel aufgenommene Wärmemenge führt zur Abkühlung des Verdampfers bzw. des ihn umgebenden Reservoirs (Temperatur Tk). Anschließend erreicht das Kältemittel wieder den Kompressor, wodurch der Kreis geschlossen wird. Zusätzlich ermöglichen Manometer auf der Niederdruck-(p1) und auf der Hochdruckseite (p2) der Wärmepumpe die Messung des Drucks im Arbeitsmittel. Dieses liegt im Allgemeinen als Flüssigkeits-GasGemisch vor. Je größer sein Wärmeinhalt ist, desto höher ist der Anteil des Gases im Gemisch. Den idealisierten Kreisprozess einer kompressorbetriebenen Wärmepumpe stellt man praktischerweise in einem lg p-h-Diagramm dar (Abb. W.2.4.3), das man auch als Mollier-Diagramm bezeichnet. Darin sind p der Druck und h die spezifische (massenbezogene) Enthalpie (h = H/m, Einheit J/kg). Im Mollier-Diagramm werden auch noch die Isothermen (T = const) und Isentropen (Entropie S = const) sowie der relative Masseanteil einer Phase des Kältemittels dargestellt. Damit erhält man eine vollständige Information über das thermodynamische Verhalten des Kältemittels und einen tieferen Einblick in den Kreisprozess. Gegenüber dem üblichen p-V-Diagramm besteht der Vorteil des Mollier-Diagramms auch darin, dass man bei Kenntnis der Temperaturen und der Absolutdrücke die den einzelnen Zustandsänderungen entsprechenden spezifischen Enthalpien und damit die maximal mögliche oder theoretische Leistungszahl Hth auf direktem Wege bestimmen kann. In Abb. W.2.4.3 ist der idealisierte Kreisprozess der kompressorbetriebenen Wärmepumpe schematisch dargestellt. Links von der Siedelinie (SL) ist das Arbeitsmittel vollständig kondensiert (fl). Rechts vom kritischen Punkt (K) schließt sich die Taulinie (TL) an. Das Arbeitsmittel liegt rechts von der Taulinie als überhitzter Dampf (g) und innerhalb von Siede- und Taulinie als Flüssigkeits-GasGemisch (g+fl) vor. q2 lg p S = const fl p2 K 3 2 g + fl p1 g 1 4 SL h3 = h4 TL T1 q1 w h1 T2 h h2 Abb. W.2.4.3 Idealisierter Kreisprozess einer Wärmepumpe (schematisch) 2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen 142 Wärmelehre Der in Abb. W.2.4.3 dargestellte idealisierte Kreisprozess kann in vier Schritte (Zustandsänderungen) unterteilt werden: 1o 2 : Kältemittel wird angesaugt und adiabatisch von p1 auf p2 komprimiert, dabei Erwärmung von der Temperatur T1 auf T2, S const wegen d S d Q / T 0 , (reduzierter) Energieaufwand w = h2 h1. 2 o 3: Verflüssigung am Kondensator setzt die Energie Q2 bei der Temperatur Tw frei, Q2 enthält Überhitzungswärme und Kondensationswärme, (reduzierte) gewonnene Energie q2 = h2 – h3. 3o 4: Gedrosselte Entspannung, Abnahme des Drucks von p2 auf p1, Erniedrigung der Temperatur von T3 auf T4, Enthalpie h4 bleibt konstant (h4 = h3). 4 o 1: Kältemittel verdampft vollständig, (reduzierte) Wärmeaufnahme q1 h1 h4 . Damit lässt sich die theoretische Leistungszahl des idealisierten Kreisprozesses einer solchen Wärmepumpe durch die Messung der Größen p1, p2 und T1 sowie dem Ablesen der spezifischen Enthalpien h1, h2 und h3 aus dem Mollier-Diagramm bestimmen: H th q2 h2 h3 . w h2 h1 (51) Die zusätzlichen Messungen der Temperaturen T2, T3 und T4 an den entsprechenden Stellen geben einen erweiterten Einblick in die in der Wärmepumpe ablaufenden Prozesse. Versuchsausführung Vor Beginn der Messungen ist die Wärmepumpe mit aufgefüllten Wasserbehältern etwa 15 Minuten in Betrieb zu nehmen (Einlaufphase). Anschließend ist das Wasser auszutauschen. Die für die Auswertung benötigte Wassermenge wird indirekt über Volumenmarkierungen in den Behältern ermittelt. Die Messfühler zur Messung von Tw und Tk sind in den jeweiligen Reservoirs zu befestigen. Der Messfühler zur Bestimmung der Temperatur T1 vor der Kompression wird an der Zuleitung des Kompressors angebracht. Nach dem Einschalten des Kompressors sind in Zeitintervallen von etwa 't = 120 s die genannten Temperaturen und die Drücke p1 und p2 zu messen. Zur Messung der elektrischen Kompressorleistung steht ein Leistungsmessgerät zur Verfügung. Da die Temperatur im Warmwasserreservoir einen vorgegebenen Maximalwert nicht überschreiten darf und eine Vereisung auf der Verdampferseite vermieden werden muss, ist die Messdauer auf eine vorgegebene Zeit zu begrenzen. Das Wasser ist während des Betriebs regelmäßig umzurühren. Die zur Auswertung nach Gl. (50) notwendige Temperaturänderung 'Tw als Funktion der Zeit kann über den Quotienten 'Tw/'t oder aus dem Tangentenanstieg in einem entsprechenden Temperatur-Zeit-Diagramm ermittelt werden. Die Wärmekapazität C wird gegeben oder man kann deren Wert experimentell z. B. mittels einer Abkühlungsmessung bestimmen (W.1.3). Für die Ermittlung von Hth nach Gl. (51) sind die Drücke p1 und p2, die als relative Drücke gegenüber dem Luftdruck gemessen werden, auf absolute Druckwerte umzurechnen. Mit T1 und p1 (Abb. W.2.4.3) wird der Punkt 1 im ausliegenden Mollier-Diagramm gesucht. Von diesem ausgehend verfolgt man die nächstliegende Isentrope, deren Schnittpunkt mit der Horizontalen p2 = const den Punkt 2 ergibt. Der Schnittpunkt der Horizontalen mit der Siedelinie führt dann zu Punkt 3. Fällt man von diesen Punkten das Lot auf die Koordinate h, können die gesuchten Enthalpien h1, h2 und h3 abgelesen werden. Es genügt aber, die den Enthalpiedifferenzen nach Gl. (51) entsprechenden Strecken auszumessen, da nur ihre Verhältnisse in die Rechnung eingehen. Bei Aufgabe 3 ist der Wasserbehälter vom Verdampfer zu entfernen und gut 143 3.0 Grundlagen abzutrocknen. Während des Betriebs der Luft-Wasser-Wärmepumpe ist ein beheizbares Gebläse in Höhe des Verdampfers aufzustellen, dessen Kalt- bzw. Warmluft die Verdampferschlange umströmt. 3 Kalorimetrie gehalten werden. Zur Vermeidung von Strahlungsverlusten ist die Innenwand des Kalorimetergefäßes häufig verspiegelt. Oft verwendet man auch gläserne Vakuummantelgefäße (nach J. Dewar auch als Dewar-Gefäße bezeichnet), deren Innenwand ebenfalls verspiegelt ist. Wegen der bestehenden Implosionsgefahr müssen diese Gefäße stets von einer Schutzhülle umgeben sein. 3.0 Grundlagen Gegenstand kalorimetrischer Messungen ist die Bestimmung von Wärmemengen bzw. von Umwandlungsenergien. Für die folgenden Versuche werden Flüssigkeitskalorimeter verwendet, die mit einer elektrischen Heizung ausgerüstet werden können. In ihnen befindet sich eine bestimmte Flüssigkeitsmenge bekannter spezifischer Wärmekapazität. Die zu bestimmenden Wärmemengen ergeben sich in allen Fällen aus einer Bilanz der im Inneren des Kalorimeters ausgetauschten Energieanteile. Beim Aufstellen der Wärmeenergiebilanz wird die grundlegende Beziehung benutzt, dass die ausgetauschte Wärmemenge 'Q eine Änderung der Temperatur um 'T des betreffenden Stoffs (Masse m, spezifische Wärmekapazität c) bewirkt: 'Q c m 'T . (1) Aus Gl. (1) folgt die Einheit der spezifischen Wärmekapazität: 1 J kg-1 K-1. Um das Kalorimeter näherungsweise als abgeschlossenes System behandeln zu können, wird durch geeignete Konstruktion ein Energieaustausch mit der Umgebung weitgehend vermieden. Die Grundkonstruktion eines Kalorimeters (Abb. W.3.0.1) enthält das Kalorimetergefäß (1), ein wärmeisolierendes Mantelgefäß (2) sowie eine wärmeisolierende Abdeckung (3). Die Verluste infolge von Wärmeleitung und Konvektion können bei speziellen Bauarten noch durch eine zusätzliche Unterteilung des Mantels und durch isolierende Distanzstücke (4) besonders klein ϑ 3 1 2 4 Abb. W.3.0.1 Kalorimeter mit Thermometer und Rührwerk (schematisch) Zusätzlich enthalten die in den verschiedenen Versuchen verwendeten Kalorimeter zum Durchmischen der Kalorimeterflüssigkeit ein Rührwerk (mechanisches Rührwerk, Magnetrührer) und einen Temperaturmessfühler sowie ggf. eine elektrische Heizung zur Erwärmung der Kalorimeterflüssigkeit. In die jeweilige Energiebilanz geht selbstverständlich auch die mit dem Kalorimetergefäß und dem apparativen Zubehör ausgetauschte Wärmemenge ein. Trotz aller Wärmeisolierungen kann man einen Energieaustausch des Kalorimetersystems mit der Umgebung nicht vollständig verhindern. Damit entspricht die Mischungstemperatur nicht dem Wert, der sich für den Fall eines unendlich schnellen Temperaturausgleichs einstellen würde. Für eine graphische Extrapolation auf einen idealisierten momentanen Wärmeausgleich nimmt man im Verlauf des Versuchs das in 3 Kalorimetrie 144 Wärmelehre Abb. W.3.0.2 exemplarisch dargestellte Temperatur-Zeit-Diagramm auf. Die Temperatur der Kalorimeterflüssigkeit, in diesem Falle warmes Wasser, wird während einer Vorperiode in geeigneten Zeitabständen abgelesen und notiert. Die Hauptperiode leitet man durch Abkühlung (z. B. das Eingießen von kaltem Wasser) ein und umfasst den eigentlichen Mischungsvorgang, dessen Temperaturverlauf nach Möglichkeit auch verfolgt werden sollte. Es schließt sich die Nachperiode von einigen Minuten an. Wegen der Kürze der Vor- und Nachperiode ist der an sich nach dem Newton’schen Abkühlungsgesetz (W.1.3) exponentielle Temperaturverlauf durch die Geraden AB und FG hinreichend genau wiedergegeben. A ϑ ϑw B 3.1 Wärmekapazität eines Kalorimeters Aufgabenstellung Die Wärmekapazität einer Kalorimeteranordnung ist zu bestimmen. Die Wärmekapazität CK einer Kalorimeteranordnung ist die in einem Temperaturintervall 'T ausgetauschte Wärmemenge 'Q geteilt durch 'T. Nach Gl. (1) gilt CK 'Q . 'T mc (2) Die Einheit der Wärmekapazität ist J K-1. Für die Abschätzung der Größenordnung von CK kann bei bekannten Materialkomponenten die Summe der einzelnen Wärmekapazitäten (i = 1, ... , n) gebildet werden: C n CK ¦m c i i . (2a) i 1 D ϑm E F G t Abb. W.3.0.2 Temperatur (-)-Zeit (t)-Diagramm Daraus lässt sich auf den Temperaturverlauf bei unendlich schnellem Ausgleich schließen, indem eine Senkrechte CE so gezeichnet wird, dass die Flächen BCD und DEF gleich groß sind. Als Temperaturen des warmen Wassers -w und der Mischungsphase -m werden diejenigen gewählt, die den Punkten C und E entsprechen. Da die Berechnung der Wärmekapazität der verwendeten Kalorimeteranordnung, bestehend aus Kalorimetergefäß und wärmisolierendem Mantelgefäß sowie elektrischer Heizung, Rührwerk und Thermoelement, schwierig ist, erfolgt die Bestimmung der Wärmekapazität des Kalorimeters experimentell unter Verwendung der Mischungsmethode. Die Definition der Wärmekapazität nach Gl. (2) gilt für kleine Temperaturintervalle, in denen CK praktisch konstant ist. Daraus folgt für die Wahl der Versuchsbedingungen, dass nur hinreichend kleine Wärmemengen 'Q ausgetauscht werden. Das Kalorimeter wird mit einer bestimmten Masse warmen Wassers (Masse mw, Temperatur -w) gefüllt und hierzu eine abgemessene Menge kalten Wassers (Masse mk, Temperatur -k ) gegossen. Nach erfolgtem Wärmeaustausch stellt sich eine Mischungstemperatur - m ein. Es ergibt sich folgende Energiebilanz: Das kalte Wasser nimmt die Wärme- 145 3.2 Spezifische Wärmekapazität von Festkörpern und Flüssigkeiten 'Qk 'Qw 'QK folgt c mk -m -k c mw CK -w -m , und für die Wärmekapazität des Kalorimeters ergibt sich die Gleichung CK ª - -k º mw » . c « mk m ¬ -w -m ¼ (3) Um den Wärmeaustausch mit der Umgebung zu berücksichtigen, ist ein Temperatur-ZeitDiagramm aufzunehmen. Damit sind die Temperaturen -w und -m in Gl. (3) zu ermitteln. Da die Wärmekapazität des Kalorimeters zusätzlich von der durch das Zugießen der kalten Wassermenge veränderten Füllhöhe abhängen kann, bestimmt man mit diesem Verfahren einen mittleren Wert von CK. Die Verwendung eines Kalorimeters mit elektrischer Heizung (W.3.2.1) ermöglicht die Bestimmung der Wärmekapazität CK für konstante Füllhöhen. Versuchsausführung Das Kalorimeter wird zu Beginn des Versuchs mit leicht erwärmtem Wasser etwa bis zur Hälfte gefüllt. Die Massen mk und mw des Wassers ergeben sich aus der Differenz der Wägungen des leeren, des mit warmem Wasser und des gleichzeitig mit kaltem und warmem Wasser gefüllten Kalorimeters. Bei der Berechnung von CK ist mit den aus einem Temperatur-Zeit-Diagramm erhaltenen Temperaturen zu arbeiten. Während der gesamten Messung muss auf eine gute Durchmischung der Kalorimeterflüssigkeit geachtet werden. 3.2 Spezifische Wärmekapazität von Festkörpern und Flüssigkeiten Im Allgemeinen muss man zwischen der spezifischen Wärmekapazität bei konstantem Druck (cp) und bei konstantem Volumen (cV) unterscheiden. Für Festkörper und auch für manche Flüssigkeiten (z. B. Wasser) kann wegen der geringen thermischen Ausdehnung in guter Näherung c = cp = cV gesetzt werden. Aus Gl. (2) folgt c 'Q m 'T (4) und der Wert von c entspricht dem Wert der Wärmemenge, die der Masseeinheit zugeführt werden muss, damit sich ihre Temperatur um 1 K erhöht. Die spezifischen Wärmekapazitäten sind in allen Aggregatzuständen eine Funktion der Temperatur. Die charakteristische Änderung der molaren Wärmekapazität von festen Metallen in Abhängigkeit von der Temperatur vermittelt Abb. W.3.2.1. C J mol -1 K-1 25 Pb Cu Al 15 3R menge 'Qk c1 mk (-m -k ) auf, während das warme Wasser 'Qw c2 mw (-w -m ) und die Kalorimeteranordnung die Wärmemenge 'QK CK (-w -m ) abgeben. Die geringfügige Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärmekapazität von Wasser wird hier vernachlässigt (c = c1 = c2). Aus der Energiebilanz 5 100 300 500 T/K Abb. W.3.2.1 Temperaturabhängigkeit der molaren Wärmekapazität fester Metalle Am absoluten Nullpunkt wäre die Wärmekapazität null, da die bei höheren Temperaturen stattfindenden Schwingungen der Atome um ihre Ruhelage nicht angeregt werden. Mit Erhöhung der Temperatur beginnen die Atome immer stärker zu schwingen, und die Wärmekapazität nähert sich nach der Re- 3 Kalorimetrie 146 Wärmelehre gel von Dulong und Petit dem Grenzwert 3R | 25 J mol-1 K-1. Außerdem beobachtet man eine umso stärkere Zunahme der Wärmekapazität bei Erhöhung der Temperatur, je größer die Atommasse des homogenen Festkörpers ist. Eine genauere Beschreibung der Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität ist nur mit Hilfe der Quantenmechanik möglich, bei der die Quantisierung der Schwingungszustände berücksichtigt wird. Damit kann auch begründet werden, warum der Beitrag der Elektronen zur Wärmekapazität gegenüber dem der Atome vernachlässigbar ist. 3.2.1 Spezifische Wärmekapazität fester Stoffe Aufgabenstellung 1. Die mittleren spezifischen Wärmekapazitäten von zwei Metallproben sind für ein vorgegebenes Temperaturintervall oberhalb Zimmertemperatur zu ermitteln. Die molaren Wärmekapazitäten sind zu bestimmen und mit dem Wert nach der Regel von Dulong und Petit zu vergleichen. 2. Zusätzlich ist eine Messung mit einer auf die Temperatur des flüssigen Stickstoffs abgekühlten Metallprobe durchzuführen und die mittlere spezifische Wärmekapazität zu bestimmen. Nach Gl. (4) gewinnt man die spezifische Wärmekapazität c einer Probe, indem ihre Temperatur ermittelt wird, nachdem die Probe eine Wärmemenge 'Q abgegeben bzw. aufgenommen hat. Die Wärme wird durch die Kalorimeterflüssigkeit (spezifische Wärmekapazität cfl) übertragen. In diesem Versuch wird die in Abb. W.3.2.2 dargestellte Kalorimeteranordnung mit elektrischer Heizung und computergestützter Temperaturmessung verwendet. Die Bestimmung der Wärmekapazität des Kalorimeters CK erfolgt hier durch die Zufuhr von Wärmeenergie mittels einer elektrischen Heizung. ϑ V A I PC U T H M Abb. W.3.2.2 Messplatz zur Bestimmung spezifischer Wärmekapazitäten, Kalorimeter mit elektrischer Heizung (H), Magnetrührer (M), Temperatursensor (T), rechnergestützte Messwerterfassung bzw. Digitalthermometer (-) und Schaltung zur Messung von Spannung und Stromstärke Bei einer konstanten elektrischen Leistung (Pel = U I ) steigt die Temperatur in einem Zeitintervall 't bei nicht zu großer Erwärmung oberhalb Zimmertemperatur zeitlich linear. Als Energiebilanz ergibt sich 'Q Cges 'T Pel 't U I 't . (5) Die von der Heizung abgegebene Energie wird in Form von Wärmeenergie vom Kalorimeter und der Kalorimeterflüssigkeit aufgenommen. Die Wärmekapazität Cges ergibt sich aus der Summe der Wärmekapazitäten des Kalorimeters CK und der darin enthaltenen Flüssigkeit Cfl. Mittels der Messung von Stromstärke I und Spannung U sowie durch die Bestimmung des Anstiegs b = 'T/'t der zeitabhängigen Temperaturerhöhung kann die Wärmekapazität Cges mit Cges UI b (6) und daraus die Wärmekapazität des Kalorimeters bestimmt werden. Befindet sich außer der Flüssigkeit auch der metallische Probekörper (Wärmekapazität, C = m c) im Kalorimeter, setzt sich die Wärmekapazität Cges additiv aus den drei 3.2 Spezifische Wärmekapazität von Festkörpern und Flüssigkeiten Anteilen CK, Cfl und C zusammen Cges CK Cfl C CK mfl cfl m c . (7) Zur Bestimmung der Wärmekapazität der auf die Temperatur -f des flüssigen Stickstoffs (-f = 196 qC) abgekühlten Metallprobe wird diese in die Kalorimeterflüssigkeit getaucht. Die Metallprobe (Masse mf, spezifische Wärmekapazität cf ) nimmt die Wärmemenge 'Q cf mf -m -f (8) auf, wobei -m die Temperatur nach dem Energieaustausch ist. Vom Kalorimeter und der Flüssigkeit wird diese Wärmemenge 'Q abgegeben: 'Q cfl mfl CK -fl -m . (9) Der Vergleich von aufgenommener und abgegebener Wärmemenge führt zur Bestimmungsgleichung der spezifischen Wärmekapazität der Metallprobe für den Temperaturbereich zwischen -f und -m: cf cfl mfl CK -fl -m mf -m -f . (10) In analoger Weise kann auch die mittlere spezifische Wärmekapazität einer erwärmten Metallprobe bestimmt werden, sofern keine Phasenübergänge in dem gewählten Temperaturintervall auftreten. Die veränderten Verhältnisse in Bezug auf den Energieaustausch zwischen Probekörper und Kalorimeterflüssigkeit führen zur Gl. (11): cf cfl mfl CK -m -fl mf -f -m . (11) Versuchsausführung Zu Beginn des Experiments ist die Schaltung nach Abb. W.3.2.2 (spannungsrichtige Messung, E.1.1) zur Ermittlung der elektrischen Leistung Pel aufzubauen oder man verwendet ein Leistungsmessgerät. In das Kalorimeter- 147 gefäß wird bis zu einer vorgegebenen Höhe die Flüssigkeit mit bekannter spezifischer Wärmekapazität cfl eingefüllt. Die Masse mfl der Kalorimeterflüssigkeit ergibt sich aus der Differenz der Wägungen des leeren und des mit Flüssigkeit gefüllten Kalorimeters. Anschließend sind das Rührwerk in Betrieb zu nehmen und das Kalorimetergefäß, in dessen Abdeckung der Temperatur-Messfühler und der Heizwiderstand gehaltert werden, zu verschließen. Danach beginnt man mit der Temperaturmessung. Nach wenigen Minuten (Vorperiode zur Kontrolle der Anfangsbedingungen) wird die Heizung eingeschaltet und die Temperaturerhöhung als Funktion der Zeit gemessen. Wenn die Temperatur auf einen Wert von etwa 5 K oberhalb Zimmertemperatur gestiegen ist, schaltet man die Heizung aus und nimmt einige Minuten die Nachperiode auf. Während der Messung sind die Werte für die Stromstärke I und die Spannung U zur Berechnung der elektrischen Leistung zu notieren. Mittels graphischer oder rechnerischer Auswertung (lineare Regression) wird der Anstieg b='T/'t bestimmt. Unter Anwendung von Gl. (6) werden zuerst die ggf. nicht bekannte Wärmekapazität des Kalorimeters und anschließend die gesuchten Wärmekapazitäten der metallischen Probekörper und nach deren Wägung die spezifischen Wärmekapazitäten bestimmt. Bei allen Messungen sind die Wiederholbedingungen stets gleich zu wählen, um die insbesondere bei einfachen kalorimetrischen Experimenten auftretenden nicht erfassbaren (systematischen) Abweichungen so klein wie möglich zu halten. Als ergänzende Messung soll einer der beiden Probekörper auf die Temperatur des siedenden Wassers (Druckabhängigkeit der Siedetemperatur im Anhang A.10) erwärmt und anschließend zügig in das mit destilliertem Wasser gefüllte Kalorimetergefäß überführt werden. Einem TemperaturZeit-Diagramm sind die extrapolierte Anfangs- und Mischungstemperatur zu entneh- 3 Kalorimetrie 148 Wärmelehre men und mit Gl. (11) kann der Wert der spezifischen Wärmekapazität ermittelt werden. Es sind die im Versuch erhaltenen Ergebnisse mit bekannten Werten (Anhang A. 7) zu vergleichen. Zur Realisierung von Aufgabe 2 wird ein (gut abgetrockneter) Probekörper solange in flüssigen Stickstoff getaucht, bis nach anfänglichem starkem Sieden der Stickstoff gleichmäßig siedet. Danach wird er aus dem Dewar-Gefäß möglichst schnell in das Kalorimetergefäß überführt und in die Kalorimeterflüssigkeit (Ethanol, spezifische Wärmekapazität im Anhang A.8) eingetaucht. Es ist ein Temperatur-Zeit-Diagramm aufzunehmen und mit den extrapolierten Temperaturen -fl und -m sowie den zuvor ermittelten Massen der Kalorimeterflüssigkeit und des Probekörpers kann mit Gl. (10) die mittlere spezifische Wärmekapazität cF bestimmt werden. 3.2.2 Spezifische Wärmekapazität von Flüssigkeiten Aufgabenstellung Die spezifische Wärmekapazität einer Flüssigkeit ist mit einem elektrisch beheizten Kalorimeter zu bestimmen. Die Bestimmung der spezifischen Wärmekapazität von Flüssigkeiten kann auf die bisher behandelten Methoden zurückgeführt werden, wenn die Flüssigkeiten im Bereich der Versuchstemperatur nur unmerklich verdunsten. Es wird das in Abb. W.3.2.2 dargestellte Kalorimeter mit elektrischer Heizung für die Bestimmung der spezifischen Wärmekapazität cfl einer unbekannten Flüssigkeit (Masse mfl) verwendet. Unter Anwendung von Gl. (6) erhält man die Bestimmungsgleichung für die zu ermittelnde spezifische Wärmekapazität: cfl 1 § Pel · CK ¸ . mfl ¨© b ¹ (12) Versuchsausführung Das trockene Kalorimeter wird mit der zu untersuchenden Flüssigkeit bis zu einer vorgegebenen Höhe gefüllt. Die Durchführung des Experiments und die Ermittlung der Werte für Pel sowie b erfolgt in Analogie zum Versuch W.3.2.1. Durch Differenzbildung der Wägungen des leeren und des mit Flüssigkeit gefüllten Kalorimeters erhält man die Masse der Flüssigkeit. Sofern die Wärmekapazität des Kalorimeters CK nicht bekannt ist, kann diese mit einer Flüssigkeit bekannter spezifischer Wärmekapazität mit demselben Verfahren ermittelt werden. 3.3 Umwandlungswärmen Allgemein entsprechen die spezifischen Umwandlungswärmen den je nach der Richtung des Prozesses positiv oder negativ zu rechnenden Wärmemengen, die bei der Umwandlung der Masseeinheit des Stoffs bei konstanter Umwandlungstemperatur umgesetzt werden. Die Einheit der spezifischen Umwandlungswärme qij ist J kg-1, wobei die Indizes den Phasenübergang klassifizieren. Insbesondere wird daher beim Schmelzen von 1 kg Eis eine Wärmemenge vom Betrage der spezifischen Umwandlungswärme verbraucht, wenn dabei die Temperatur konstant 273,15 K bleibt. Die spezifische Kondensationswärme des Wasserdampfs bei Siedetemperatur wird frei, wenn 1 kg Wasserdampf in Wasser gleicher Temperatur übergeht. 3.3.1 Spezifische Schmelzwärme des Eises Aufgabenstellung Die spezifische Schmelzwärme des Eises ist zu bestimmen. Die spezifische Schmelzwärme q12 eines Stoffs lässt sich immer dann nach der Mischungsmethode bestimmen, wenn als Kalorimeterflüssigkeit entweder die Schmelze des 149 3.3 Umwandlungswärmen Versuchsstoffs oder eine Flüssigkeit verwendet wird, in der sich der Versuchsstoff weder löst noch mit ihr chemisch reagiert. Stets muss die Temperatur der Flüssigkeit höher als die Schmelztemperatur des festen Stoffs sein. Wird eine Masse mf eines festen Stoffs der Temperatur -f in das Kalorimeter gegeben, erwärmt sie sich auf die Schmelztemperatur -s. Sie bleibt während des Schmelzens konstant, und erst nachdem der Stoff vollständig geschmolzen ist, steigt sie auf die Mischungstemperatur -m. Der Übergang vom Feststoff zur Flüssigkeit geschieht in drei Stufen, wobei die dabei aufgenommenen Wärmemengen mit Gl. (1) bestimmt werden können. 1. Erwärmung des festen Stoffs (spezifische Wärmekapazität cf ) auf die Schmelztemperatur -s: Q1 mf cf -s -f . 2. Schmelzen des Feststoffs mit der spezifischen Schmelzwärme q12 bei der Schmelztemperatur -s: Q2 mf q12 . 3. Erwärmung des geschmolzenen Stoffs (spezifische Wärmekapazität cs) auf die Mischungstemperatur -m: Q3 mf cs -m -s . Die entsprechenden Energieanteile werden von der Kalorimeterflüssigkeit (Masse mfl, spezifische Wärmekapazität cfl) und dem Kalorimeter (Wärmekapazität CK) durch deren Abkühlung von -fl auf die Mischungstemperatur geliefert: Q4 cfl mfl CK -fl -m . Aus der Energiebilanz Q4 Q1 Q2 Q3 folgt die allgemeine Beziehung für die Be- stimmung der spezifischen Schmelzwärme nach dieser Methode: q12 cfl mfl CK -fl -m mf cs -m -s cf -s -f . (13) Gl. (13) vereinfacht sich bei der Bestimmung der spezifischen Schmelzwärme von schmelzendem Eis, da dann wegen -f = -s= 0 auch Q1 = 0 ist (-m = (-m -s), Einheit K): q12 cfl mfl CK -fl -m cs-m . mf (14) Versuchsausführung Die Zimmertemperatur ist zu messen und das Kalorimeter wird mit vorgewärmtem Wasser bis zu einer Füllmarke gefüllt. Die Ausgangstemperatur der Kalorimeterflüssigkeit soll etwa 5 K oberhalb der Zimmertemperatur liegen. Zur Temperaturmessung wird ein Widerstandsthermometer verwendet, das ggf. noch zu kalibrieren ist. Dazu verwendet man am einfachsten ‚Eiswasser’ (T0 = 273,15 K) sowie siedendes Wasser (TS( pL)). Der Luftdruck pL wird mit einem Barometer bestimmt und der Wert für die betreffende Siedetemperatur kann der Tabelle im Anhang A.10 entnommen werden. Aus Gl. (W.1-6) folgt für den linearen Temperaturkoeffizienten E 1 R TS R T0 , ' T TS T0 . 'T R T0 Mit dem bekannten Wert für E kann die Temperatur dann indirekt über den elektrischen Widerstand des Temperatursensors gemessen werden, den man mit einem OhmMeter eines 4,5-stelligen Digitalthermometers hinreichend genau messen kann. Nach Aufnahme der Vorperiode ist das gut zerkleinerte und gut abgetrocknete Eis in kleinen Stücken in das Kalorimeter zu geben und auf regelmäßiges Durchmischen der Kalorimeterflüssigkeit zu achten. Dadurch 3 Kalorimetrie 150 Wärmelehre erreicht man eine stetige Abkühlung. Wenn die Temperatur der Kalorimeterflüssigkeit etwa 5 K unterhalb der Zimmertemperatur liegt, wird die Nachperiode gemessen. Die Masse des Eises und die Masse des als Kalorimeterflüssigkeit dienenden Wassers folgt aus der Differenz dreier Wägungen; leeres und mit vorgewärmtem Wasser gefülltes Kalorimeter sowie letzteres zusätzlich mit dem Wasser des geschmolzenen Eises. Die Temperaturen -fl und -m sind aus dem Temperatur-Zeit-Diagramm wie in W.3.0 beschrieben zu ermitteln. 3.3.2 Spezifische Kondensationswärme des Wassers Mit der molaren Masse M von Wasser lässt sich die molare Verdampfungswärme mit Q32 = M q32 berechnen, und es folgt für die Änderung der molaren inneren Energie 'U beim isobaren Verdampfen (konstanter Luftdruck pL) von Wasser bei der Siedetemperatur TS 'U U 3 U 2 | Q32 pL V3 V2 Die Näherung in Gl. (16) ergibt sich aus der Vernachlässigung des molaren Volumens der Flüssigkeit gegen das des Dampfs und der Anwendung der Zustandsgleichung idealer Gase für den Dampf. Aufgabenstellung ϑ 1. Es ist die spezifische Kondensationswärme des Wasserdampfs bei Siedetemperatur zu ermitteln. 2. Die Änderung der molaren inneren Energie von Wasser beim Verdampfen soll näherungsweise bestimmt werden. Zur kalorimetrischen Bestimmung der spezifischen Kondensations- und damit auch der Verdampfungswärme q32 des Wassers bei der Siedetemperatur -S kondensiert man eine bestimmte Menge des Dampfs (Masse mD) in die Flüssigkeit (Wasser, mittlere spezifische Wärmekapazität c) des Kalorimeters. Die Indizes 3 und 2 beziehen sich auf die gasförmige bzw. auf die flüssige Phase. Dabei werden die Wärmemenge q23 mD und bei der Abkühlung auf die Mischungstemperatur -m die Energie c mD (-S-m) frei. Diese beiden Anteile werden von der Kalorimeteranordnung mit der Wärmekapazität CK und dem darin enthaltenen Wasser (Masse mW, Temperatur -W) aufgenommen. Aus der Energiebilanz folgt q32 c mW CK -m -W c -S -m . (15) mD (16) 'U | Q32 R TS . Abb. W.3.3.1 Versuchsaufbau zur Bestimmung der Kondensationswärme des Wasserdampfs (schematisch) Versuchsausführung Das Wasser im Siedegefäß wird zum Sieden gebracht und einige Zeit gewartet, damit sich in der Dampfzuleitung ein Temperaturgleichgewicht einstellt (Abb. W.3.3.1). Der Kondensatfänger in der Zuleitung soll verhindern, dass im Rohr kondensiertes Wasser in das Kalorimeter läuft. Das Kalorimeter wird bis zu einer Füllmarke mit Wasser gefüllt, dass eine Anfangstemperatur von etwa 5 K unterhalb der Zimmertemperatur haben soll. Bei gleichmäßig siedendem Wasser wird der Dampfstrahl direkt auf die Oberfläche des Wassers im Kalorimeter geleitet. Es ist auf gutes Durchmischen der Kalorimeterflüs- 151 4.0 Grundlagen sigkeit zu achten. Erreicht die Mischungstemperatur einen Wert, der etwa 5 K oberhalb der Zimmertemperatur liegt, ist das Zuleitungsrohr zu entfernen. Die Temperatur wird mit einem Widerstandsthermometer gemessen. Es ist ein Temperatur-Zeit-Diagramm aufzunehmen, mit dem die extrapolierten Temperaturwerte für -w und -m ermittelt werden können. Der Tabelle im Anhang A.10 entnimmt man die Siedetemperatur von Wasser, wobei der Luftdruck zuvor mit einem Barometer gemessen wird. Die Masse der Kalorimeterflüssigkeit und des kondensierten Dampfs wird durch entsprechende Wägungen erhalten. Es ist der Unterschied zwischen dem Wert der molaren Kondensationswärme und dem der Änderung der inneren Energie nach Gl. (16) zu diskutieren. 4 Wärmeleitung in Festkörpern 4.0 Grundlagen Die Wärmeleitung in Festkörpern hängt von verschiedenen Transportmechanismen ab. Im Wesentlichen erfolgt die Ausbreitung von Wärmeenergie in Form von Schwingungsenergie über gekoppelte Gitterschwingungen zwischen benachbarten Atomen und in Form von kinetischer Energie über Stöße zwischen den Leitungselektronen. In reinen Metallen überwiegt der Beitrag der Elektronen zur Wärmeleitung. Nach dem WiedemannFranz’schen Gesetz existiert ein proportionaler Zusammenhang zwischen der elektrischen (V) und der thermischen (O) Leitfähigkeit bei nicht zu tiefen Temperaturen entsprechend O VT const . (1) Die Ursache für den Transport von Wärmeenergie ist das Auftreten eines im Allgemeinen zeitlich und räumlich veränderlichen Temperaturfelds T ( r , t ) T ( x, y, z , t ) , in dem die Wärme stets längs eines Temperaturgefälles in Richtung von höheren zu tieferen Temperaturen strömt. Die in der Zeit dt durch eine Fläche A fließende Wärmemenge dQ bestimmt den Wärmestrom )th d Q / d t . Das Verhältnis aus dem Wärmestrom und der von ihm durchströmten Fläche definiert man als Wärmestromdichte qth, die proportional zum Temperaturgefälle ist und senkrecht auf dieser Fläche steht. Daraus resultiert der vektorielle Charakter der Wärmestromdichte. Mit der Wärmeleitfähigkeit O, deren Wert von der Temperatur abhängt, erhält man die aus der Erfahrung abgeleitete Wärmeleitungsgleichung: qth O dT r dr . (2) Das negative Vorzeichen in Gl. (2) berücksichtigt die Richtung des Wärmestroms von höheren zu tieferen Temperaturen, d. h., der Temperaturgradient dT(r)/dr ist negativ. Die Wärmeleitfähigkeit, die eine materialabhängige Größe ist, hängt für kleine Temperaturintervalle bei nicht zu tiefen Temperaturen nur in geringem Maße von der Temperatur ab. z y x dT(x) dx ΔA dT(x + Δx) dx qth,2 qth,1 Δx Abb. W.4.0.1 Zur Differentialgleichung der Wärmeleitung In Abb. W.4.0.1 ist das vereinfachte Beispiel 4 Wärmeleitung in Festkörpern 152 Wärmelehre eindimensionaler Wärmeleitung gezeigt, bei der ein Wärmestrom )th in x-Richtung durch die Fläche 'A eines Volumenelements 'V der Dicke 'x eines Festkörpers fließt. Das Temperaturgefälle auf der einen Seite des Volumenelements beträgt dT/dx und auf der Gegenseite d T x 'x d T d 2T 'x . d x d x2 dx Die Differenz zwischen der in das Volumenelement hinein- bzw. herausströmenden Wärme ermittelt man über die Differenz der Beträge der Wärmestromdichten zu O qth,1 qth,2 d 2T 'x . d x2 (3) Mit der Definition für den Wärmestrom erhält man )th q th,1 qth,2 ' A O 'V 2 dT . (4) d x2 Andererseits ergibt sich aus der in der Zeit dt aus dem Volumenelement 'V abfließenden Wärme dQ ein Wärmestrom )th,a dQ dT mc dT dt U 'V c dT . (5) dt Aus der Kombination der Gln. (4) und (5) folgt die Differentialgleichung der Wärmeleitung (eindimensional): dT dt O dT U c d x2 2 2 aT dT . d x2 (6) Hierbei sind c die spezifische Wärmekapazität und U die Dichte des homogenen isotropen Materials, wobei die Größe aT mit aT O Uc (7) als Temperaturleitfähigkeit bezeichnet wird. Sie ist eine Kenngröße für die Beschreibung der zeitlichen Änderung der Temperatur infolge des Temperaturausgleichs zwischen Orten unterschiedlicher Temperatur. Für dreidimensionale Betrachtungen ergibt sich die allgemeine Wärmeleitungsgleichung als partielle Differentialgleichung der vier Variablen x, y, z, t. Ihre Lösung hängt entscheidend von den durch die Aufgabenstellung vorgegebenen Anfangs- und Randbedingungen ab. Bei vielen praktischen Anwendungen realisiert man ein zeitlich konstantes Temperaturfeld T(r), in dem eine stationäre Wärmeübertragung vorliegt und nur noch die Randbedingungen von Bedeutung sind. Im Anhang A.15 sind einige einfache Beispiele für die stationäre Wärmeleitung in isotropen homogenen Festkörpern unterschiedlicher geometrischer Form angeführt. 4.1 Wärmeleitfähigkeit Aufgabenstellung 1. Die Wärmeleitfähigkeit in einem Metallzylinder ist mit einem relativen Messverfahren zu bestimmen. 2. Es ist die Temperaturverteilung in einem konisch geformten Metallkörper zu messen und zu diskutieren. 3. Mit einem Zweiplatten-Messverfahren sind die Wärmeleitfähigkeit eines nichtmetallischen Stoffs und der Wärmedurchgangskoeffizient zu bestimmen. Zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit von Metallen in Aufgabe 1 werden zwei zylindrische Metallstäbe (Abb. W.4.1.1) gleichen Querschnitts A aus unterschiedlichem Material mit den Wärmeleitfähigkeiten O1 und O2 fest miteinander verschraubt, so dass ein sehr guter Wärmekontakt entsteht (Wärmeübergangskoeffizient vernachlässigbar klein). Damit sich der Temperaturgradient nur längs der Stabachsen ausbildet, sind die Mantelflächen der Stäbe wärmeisoliert. Beide Zylinder werden im stationären Zustand vom gleichen 153 4.1 Wärmeleitfähigkeit Wärmestrom )th (Anhang A.15-b) durchflossen und es gilt in guter Näherung )th § dT · O1 A ¨ ¸ © dz ¹1 § dT · O2 A ¨ ¸ . © dz ¹2 (8) Als Wärmequelle dient eine elektrische Heizung (H), die am Ende des oberen Stabs befestigt ist, während das Ende des unteren Stabs gekühlt wird und die Wärmesenke bildet. T2 (oben) bzw. T1 (unten). Zur Herleitung der Temperaturverteilung T(x) längs der Achse des Kegelstumpfs (Koordinate x) betrachtet man den Wärmestrom )th O Ax (9) ʌ Rx2 erhält man und mit Ax dT ( x) dT ( x) dx )th d x O Ax )th d x . ʌ O Rx2 (10) Rx beschreibt den in Abhängigkeit von x veränderlichen Radius der Fläche Ax. H x=l T(x)=T2 ⎛ dT ⎞ ⎜ ⎟ ⎝ dz ⎠ 2 Interface ⎛ dT ⎞ ⎜ ⎟ ⎝ dz ⎠1 Rx=R2 x T(x) Rx PC Ax l x Φth x=0 T(x)=T1 Rx=R1 Abb. W.4.1.1 Versuchsaufbau zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit von Metallen mit einem Vergleichsverfahren (schematisch) Zur Messung der Temperaturverteilung längs der Achse eines Kegelstumpfs aus Metall (Abb. W.4.1.2) wird eine Messanordnung analog zu der in Aufgabe 1 beschriebenen verwendet. Die obere Fläche (Radius R2) wird beheizt und die untere Fläche (Radius R1) gekühlt. Die Mantelfläche des konisch geformten Versuchskörpers ist thermisch isoliert. Nach einer ausreichend langen Wartezeit stellt sich bei konstanter Heizleistung ein stationärer Wärmestrom in Richtung der Wärmesenke ein und die Temperaturen an den Endflächen des Kegelstumpfs betragen Abb. W.4.1.2 Zur Messung der Temperaturverteilung an einem Kegelstumpf Unter Verwendung der Verhältnisgleichung Rx R1 x R2 R1 l (11) kann dx durch d x (l / R2 R1 ) d Rx substituiert werden und nach der Integration in den Grenzen T1 und T(x) bzw. R1 und Rx folgt T ( x) T1 § 1 )th l 1 · ¨ ¸ . (12) ʌ O R2 R1 © R1 Rx ¹ Um die unbekannte Größe [)th /(S O)] in 4 Wärmeleitung in Festkörpern 154 Wärmelehre Gl. (12) zu erhalten, wird diese mit den Randbedingungen für x = l, (T(x = l) = T2, Rx = l = R2) berechnet: )th ʌO (T2 T1 ) R1 R2 . l (13) Setzt man Gl. (13) in Gl. (12) ein und berücksichtigt Gl. (11), ergibt sich für die Temperaturverteilung T ( x) T1 (T2 T1 ) R2 ( x / l ) .(14) ( R2 R1 )( x / l ) R1 Die in Abb. W.4.1.3 dargestellten Graphen zeigen den starken Einfluss der unterschiedlich großen Radien der Endflächen des Kegelstumpfs auf die Temperaturverteilung. Tx-T1 1,0 T2-T1 (d) 0,8 (c) 0,6 (b) 0,4 (a) 0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 (x/L) Abb. W.4.1.3 Zur Temperaturverteilung in einem Kegelstumpf nach Gl. (14) für verschiedene Verhältnisse R1/R2 : 1,0 (a), 0,75 (b); 0,5 (c); 0,25 (d) Versuchsausführung Bei Aufgabe 1 ist die am Arbeitsplatz angegebene elektrische Heizleistung Pel , die mit einem Watt-Meter gemessen wird, mittels eines Labornetzgeräts einzuregeln. Nach einer hinreichend langen Wartezeit bildet sich ein stationäres Temperaturgefälle längs der Stabachsen der thermisch in Reihe geschalteten Metallstäbe aus. Um den Wärmeübergang zwischen den Messfühlern und den Messstellen an den Stäben zu verbessern, sind diese zusätzlich mit einer Wärmeleitpas- te präpariert. Die Messung der Temperaturverteilung in den beiden Metallstäben erfolgt durch mehrere in festen Abständen angebrachte Messfühler mit einem mehrkanaligen Digitalthermometer oder mit einem rechnergestützten Messwerterfassungssystem. Im letzteren Fall geschieht die Messdatenerfassung ebenfalls mehrkanalig sowie einem Messmodul zur Signalaufbereitung. Die Signalspannungen werden anschließend über eine geeignete Interface-Schaltung in digitalisierter Form in einem Rechner gespeichert, mittels der zur Verfügung stehenden Software ausgewertet und als Temperaturwerte ausgegeben. Zur Ermittlung der Temperaturgradienten in den Stäben werden die gemessenen Temperaturen T(zi) in Abhängigkeit von der Messstelle zi graphisch dargestellt und man ermittelt aus den entsprechenden Anstiegen die zugehörigen Temperaturgradienten (dT/dz)1 und (dT/dz)2. Mit der Kenntnis der Wärmeleitfähigkeit von einem der beiden Stäbe ist die Bestimmung der unbekannten Wärmeleitfähigkeit nach Gl. (8) möglich. Die in Aufgabe 2 zu untersuchende Temperaturverteilung des Kegelstumpfs bekannter Länge wird analog zur Aufgabe 1 nach Einstellung des thermischen Gleichgewichts an acht verschiedenen Messstellen erfasst. Die Temperaturen sind in ein T(x)-Diagramm einzuzeichnen, in dem auch der mit Gl. (14) berechnete Temperaturverlauf graphisch dargestellt wird. Die dazu erforderlichen Radien R1 und R2 werden am Arbeitsplatz mitgeteilt, die Temperaturen T1 und T2 können an den entsprechenden Digitalthermometern abgelesen werden. Unterschiede zwischen den gemessenen und den berechneten Werten, die größer als die jeweiligen Messunsicherheiten sind, sollen diskutiert werden. In Aufgabe 3 wird die Wärmeleitfähigkeit eines schlecht wärmeleitenden Materials ermittelt. Für die Untersuchung der Wärmeleitung in solchen Stoffen, deren Wärmeleitfähigkeit viel kleiner als die von Metallen ist, 155 4.1 Wärmeleitfähigkeit wird häufig eine relative Messmethode verwendet, bei der zwei nicht zu dicke Platten (Wandproben) aus verschiedenen Materialien übereinander gelegt werden, wobei die Wärmeleitfähigkeit eines Materials bekannt ist. Um einen guten Wärmeübergang zwischen den beiden Platten zu erreichen und um die Temperatur zwischen den Wandproben und an deren Oberflächen messen zu können, werden dünne Metallplatten einschließlich Wärmeleitpaste (Kontaktschichten) angebracht. Diese vorpräparierte Plattenanordnung wird in eine Wärmemesskammer (Abb. W.4.1.4) eingesetzt, deren Gehäuse aus thermisch isolierendem Material mit quadratischer Öffnung besteht, so dass Wärmeverluste über die Seitenwände der Platten vernachlässigbar sind. 2 b T1 : Wandtemperatur der unteren Platte, T2 : Temperatur zwischen den Platten, T3 : Wandtemperatur der oberen Platte, Tk : Temperatur oberhalb der Wandproben. Zur Bestimmung der unbekannten Wärmeleitfähigkeit (Oa) sind die Temperaturen T1, T2 und T3 zu messen. Mit Gl. (2) folgt unter der Bedingung, dass der Wärmestrom durch die beiden Platten die gleiche Stärke hat, 3 a von kleinen Kanälen in der Gehäusewand ermöglicht. Oberhalb der oberen Platte kann eine gekühlte Fläche als Wärmesenke angebracht werden, um einen ausreichend großen und stabilen Wärmestrom zu erzeugen. Nach einer hinreichend langen Einlaufzeit bei einer vorgegebenen Heizleistung wird sich ein stationärer Wärmestrom einstellen und an den fünf installierten Messstellen kann die jeweilige Temperatur abgelesen werden: Tw : Temperatur unterhalb der Wandproben, 1 Tk T3 T2 T1 Tw ϑ ϑ ϑ ϑ ϑ H UH Abb. W.4.1.4 Zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit mit einer Wärmemesskammer, oben: Messplatten mit bekannter (b) und unbekannter (a) Wärmeleitfähigkeit mit Kontaktschichten (1, 2 und 3), unten: Wärmemesskammer (Heizung H) Im unteren Bereich der Messkammer unterhalb der Wandproben befindet sich eine elektrische Heizung (H), mit der ein konstanter Wärmestrom eingeregelt werden kann. Die Befestigung von mehreren Messfühlern zur Temperaturmessung im Inneren der Wärmemesskammer wird durch eine Reihe Ob Ab (T2 T1 ) db Oa Aa (T3 T2 ) . da (15) Bei gleichgroßen Plattenflächen und -dicken erhält man die Bestimmungsgleichung für die zu bestimmende Wärmeleitfähigkeit: Oa § T2 T1 · ¸ . © T3 T2 ¹ Ob ¨ (15a) Der Wärmedurchgangskoeffizient k ist eine spezifische Kennzahl für den Wärmedurchgang durch ein- oder mehrschichtige Wände, die sowohl von der Wärmeleitung als auch vom Wärmeübergang bestimmt wird. Im vorliegenden Fall von zwei Platten bekannter Dicke sind die folgenden Anteile unter Vernachlässigung des Wärmeübergangs zwischen den beiden Platten zu unterscheiden (Abb. W.4.1.5): 1. Wärmeübergang zwischen erwärmter Luftschicht (Temperatur Tw) und der unteren 4 Wärmeleitung in Festkörpern 156 Wärmelehre Fläche der Platte b: )th D w,1 A (T1 Tw ) . (16) 2. Wärmeleitung in der Platte b (Wärmeleitfähigkeit Ob): )th Ob A (T2 T1 ) . db (17) 3. Wärmeleitung in der Platte a (Wärmeleitfähigkeit Oa): )th Oa A (T3 T2 ) . da (18) 4. Wärmeübergang zwischen der oberen Fläche der Platte b und der darüber liegenden Luftschicht (Temperatur Tk): )th D3,k A (T3 Tk ) . (19) Die Addition der Gln. (16) bis (19) und Umstellung nach dem Wärmestrom ergibt )th k A (Tw Tk ) § 1 d d 1 a b ¨¨ D O O D a b 3,k © w,1 αw,1 T2 Tw (20) mit dem Wärmedurchgangskoeffizienten k: k ständen der gesamte Wärmedurchgangswiderstand durch die Addition der Einzelwiderstände ermittelt werden. Mit den gemessenen Temperaturen Tw und Tk, der bekannten Plattenfläche sowie der mit einem Watt-Meter bestimmbaren Größe des Wärmestroms ()th = dQ / dt = Pel) wird der Wert des Wämedurchgangskoeffizienten nach Gl. (20) ermittelt. Dieser Wert soll mit dem nach Gl. (21) berechenbaren Wert verglichen werden. Die neben den bekannte Plattendicken da und db dazu erforderlichen Werte der Wärmeübergangskoeffizienten Dw,1 und D3,k können unter Verwendung der Gln. (16) und (19) bestimmt werden. Die Messungen sollen bei mindestens zwei größeren Wärmeströmen (höheren Heizleistungen) wiederholt werden, wobei deren Konstanz mit einer elektronischen Temperaturregelung kontrolliert wird. · ¸¸ ¹ 1 . (21) Der reziproke Wert des Wärmedurchgangskoeffizienten wird auch als Wärmedurchgangswiderstand Rth bezeichnet. Fließt nur ein konstanter Wärmestrom durch unterschiedliche Wärmeleiter, kann in Analogie zur Reihenschaltung von elektrischen Wider- da λa T1 db λb T3 α3,k Tk Abb. W.4.1.5 Schema zum Wärmedurchgang durch zwei ebene Platten (Bezeichnungen siehe Text) 157 Elektrizitätslehre 1 Widerstände und Stromquellen G 1.0 Grundlagen 1.0.1 Elektrischer Widerstand Dem Ladungstransport durch ein leitendes Medium wird je nach Material und Ausführungsform ein unterschiedlicher Widerstand entgegengesetzt. In Metallen wird die Ladung durch Elektronen übertragen, während in Elektrolyten und in gasförmigen Leitern (Plasmen) sowohl negative als auch positive Ladungsträger auftreten können. Zur Charakterisierung des elektrischen Widerstands von Stoffen wird der Quotient aus Spannung U und Stromstärke I gebildet, den man als elektrischen Widerstand R (Resistanz) definiert: R= U . I (1) Bei konstanter Temperatur ist der Widerstand nicht von U bzw. I abhängig und Gl. (1) beschreibt dann das Ohm’sche Gesetz. Die Einheit von R ist Ohm (: = V/A). Durch die Entdeckung des Quanten-Hall-Effekts (Klaus von Klitzing) kann die Einheit des elektrischen Widerstands unabhängig von der Geometrie und den physikalischen Eigenschaften verschiedener Materialien allein durch die Naturkonstanten h und e mit RK = h / e2 mit hoher Genauigkeit beschrieben werden (Klitzing-Konstante, RK = 25812,807 :). Anstelle des elektrischen Widerstands kann auch dessen Kehrwert G eingeführt werden, der elektrischer Leitwert (Konduktanz, Einheit Siemens, S = :-1 = V/A) genannt wird: I . U (2) Der Zusammenhang zwischen Spannung und Stromstärke bei konstanter Temperatur des Leiters lässt sich je nach Material und Art des Leiters durch eine lineare oder auch nichtlineare Funktion beschreiben. Kann die StromSpannungs-Kennlinie als Gerade dargestellt werden, d. h., der Wert des Widerstands ist konstant, bezeichnet man den Widerstand als linearen oder ohmschen Widerstand. Bei einem homogenen zylindrischen Leiter (Länge l, Querschnitt A) ergibt sich sein Widerstand zu R U l , A (3) wobei U der spezifische elektrische Widerstand (Resistivität, Einheit : m) und sein Kehrwert die elektrische Leitfähigkeit (Konduktivtät V = 1/U ) sind. Für den Leitwert (Konduktanz) gilt dann G V A . l (4) Bei guten elektrischen Leitern liegt der spezifische Widerstand in der Größenordnung von 10-8 : m, während für Isolatoren die Werte für die Resistivität größer als 1012 : m sind. Spezifischer Widerstand und demzufolge elektrischer Widerstand hängen von der Temperatur ab. Bei nicht zu tiefen Temperaturen kann in vielen Fällen die Temperaturabhängigkeit metallischer Widerstände durch ein Polynom zweiten Grads beschrieben werden: R(T ) = R0 (1 E 'T J 'T 2 ) . (5) Die Temperaturdifferenz ist 'T=TT0, und E W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum, DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 158 Elektrizitätslehre 1 Widerstände und Stromquellen (Einheit K-1) sowie J (Einheit K-2) sind die Temperaturkoeffizienten des Materials. R(T) und R0 sind die Widerstände bei der Temperatur T bzw. bei T0 = 273,15 K. Für einen begrenzten Temperaturbereich kann Gl. (5) oft mit hinreichender Genauigkeit durch einen linearen Zusammenhang beschrieben werden: R (T ) = R0 (1 E 'T ) . (6) Unter der Voraussetzung einer linearen Temperaturabhängigkeit R(T ) im Bereich zwischen den Temperaturen T1 und T2 (T2 > T1) ist mit den zugehörigen Widerständen R1 und R2 die Berechnung des linearen Temperaturkoeffizienten in Bezug auf das gewählte Temperaturintervall möglich: E= R2 R1 . R1 (T2 T0 ) R2 (T1 T0 ) (7) Die Vergrößerung des Widerstands mit zunehmender Temperatur bei Metallen ist auf die Vergrößerung der Schwingungsamplitude der Ionen im Metallgitter und die damit verbundene stärkere Behinderung der Ladungsträgerbewegung zurückzuführen. Der Widerstand in Metallen lässt sich mit einem vereinfachten Modell für die Elektronenleitung durch das klassische mikroskopische Modell von H. A. Lorentz und P. Drude begründen. Es liefert eine Gleichung, mit der der Zusammenhang zwischen der Leitfähigkeit in Metallen in Abhängigkeit von deren Eigenschaften beschrieben wird1. Nach der Drude-Lorentz-Theorie bilden die freien Leitungselektronen in einem Metall ein „Elekt1 Die klassische Behandlung der Elektronen als freies „Elektronengas“ nach der Drude-LorentzTheorie beschreibt die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands nicht für alle Temperaturen. Erst das auf der Quantentheorie basierende Modell von Bardeen, Cooper und Schrieffer (BCS-Theorie) erklärt auch die Abnahme des elektrischen Widerstands bei tiefen Temperaturen auf null (Supraleitung). ronengas“, in dem sie analog der Bewegung von Teilchen in einem idealen Gas ungeordnete thermische Bewegungen ausführen. Legt man an die Enden eines Metallstabs (Abb. E.1.0.1) eine elektrische Spannung U, werden die Elektronen durch die Feldkraft FE = e E beschleunigt. Bei den Zusammenstößen mit den Gitterionen wird kinetische Energie der beschleunigten Elektronen in Schwingungsenergie des Gitters umgewandelt. Die Leitungselektronen erhalten dabei im Mittel eine konstante (mittlere) Driftgeschwindigkeit v in Richtung der elektrischen Feldstärke E. Die mittlere Driftgeschwindigkeit kann analog zur laminaren Flüssigkeitsströmung (M.6.0.2) auf das Gleichgewicht zwischen der elektrischen Feldkraft FE und einer geschwindigkeitsproportionalen Reibungskraft FR = r v mit r als Reibungskoeffizient zurückgeführt werden. Mit FR FE ergibt sich e v= E= P E . r (8) Die Größe beschreibt die Beweglichkeit der Ladungsträger. l E I FE = -eE v A -e Δx FR= -rv U Abb. E.1.0.1 Zur Elektronentheorie der elektrischen Leitung nach P. Drude und H. A. Lorentz Die Stärke des Ladungsträgerstroms wird mikroskopisch durch die Größe der Stromdichte j(r) beschrieben. Sie ist ein Vektor, der nur einen Punkt des Leiters, nicht aber den Leiter als Ganzes charakterisiert. Wenn auf einer Querschnittsfläche A durch einen Leiter 1.0 Grundlagen 159 überall die gleiche Stromstärke auftritt (Abb. E.1.0.1), ist der Betrag der Stromdichte in allen Punkten von A j= I A bzw. I = j A . (9) Gl. (9) stellt nur einen Sonderfall dar, bei dem der Flächennormalen- (dA) und der Stromdichtevektor ( j ) parallel sind. Im allgemeinen Fall ergibt sich I aus dem Flächenintegral über das Skalarprodukt j dA, wobei die Fläche A nicht eben sein muss. Die Driftgeschwindigkeit v der Elektronen kann aus der Stromdichte j bestimmt werden. In Abb. E.1.0.1 bewegen sich die Elektronen mit v = const nach links. Die Zahl der Ladungsträger ist durch n 'V gegeben, wobei 'V = A 'x das Volumenelement des Leiterstücks und n die Elektronendichte (n = N/'V, N Anzahl freier Elektronen im Volumenelement 'V) sind. Durch die Fläche A fließt in einer Zeit 't = 'x/v eine Ladung vom Betrag 'Q n e A 'x . Mit I = 'Q/'t folgt für die Stromstärke I =n e vA . (10) Mit den Gln. (8) bis (10) und E = U/l erhält man j n e v= n e P E = n e P U /l . (11) Aus Gl. (11) folgt u. a. das Ohm’sche Gesetz für V = const in der Darstellung j =V E , (12) ohne den im Allgemeinen vektoriellen Charakter der Feldstärke und der Stromdichte zu betrachten. Für die Leitfähigkeit ergibt sich V = ne P . (13) sich sowohl auf die Elektronen als auch auf die wie positive Ladungen wirkenden Elektronenlücken (Löcher, Defektelektronen) beziehen. Die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands von Halbleitern kann in vielen Fällen in einem begrenzten Temperaturbereich durch eine Exponentialfunktion der Form §b· RT = R* exp ¨ ¸ ©T ¹ charakterisiert werden. Hierbei sind T die absolute Temperatur und b eine Materialkonstante. Der Faktor R* hat die Dimension eines Widerstands und hängt sowohl von der Geometrie des Halbleiters als auch über die Beweglichkeit und Dichte der Ladungsträger in geringem Maße von der Temperatur ab. Die Größe von b enthält die Aktivierungsenergie EA (b = EA/k, k Boltzmann-Konstante). Sie ist ein Maß für die Energie, die einem Halbleitermaterial zugeführt werden muss, damit seine Ladungsträger am Leitungsmechanismus teilnehmen können. Die Gln. (5) bzw. (6) und (14) gelten auch, wenn man die Widerstände R durch die entsprechenden spezifischen Widerstände U ersetzt. Das Verhalten der elektrischen Spannungen in einem geschlossenen Stromkreis und der elektrischen Ströme in einem verzweigten Stromkreis beschreiben die KirchhoffRegeln. 1. Kirchhoff-Regel (Knotenregel) Bei einer Parallelschaltung von Einzelwiderständen R1, R2, ... , Rn (Abb. E.1.0.2a) müssen nach dem Gesetz der Ladungserhaltung alle zu einem Stromknoten fließenden Ströme gleich der Summe der abfließenden Ströme sein. Es gilt n Bei Halbleitern wird der im gleichen Sinne wie bei den Metallen wirkende Einfluss der Temperatur auf die Beweglichkeit durch eine mit der Temperatur steigende Ladungsträgerkonzentration überkompensiert. Diese kann (14) ¦I i 0 . (15) i 1 Hierbei werden die zum Knoten fließenden Ströme positiv und die abfließenden Ströme negativ eingesetzt. Unabhängig von der Art 160 Elektrizitätslehre 1 Widerstände und Stromquellen der Ladungsträger ist die Stromrichtung nach der DIN 5489 durch die Bewegungsrichtung der positiven Ladungsträger festgelegt und wird durch entsprechende Pfeile in den elektrischen Schaltungen angegeben. Nach den Empfehlungen der DIN 5489 werden für Quellenspannungen die Bezugspfeile von Plus nach Minus und für die Spannungsabfälle über Widerständen in Richtung des Stroms festgelegt. R1 a) I1 R2 U2 I2 I3 I R2 I2 R3 Rn In U1 I U3 R1 U I1 Uq,2 R4 Uq,1 U b) I U4 R1 R2 Rn U1 U2 Un Abb. E.1.0.3 Kirchhoff’sche Maschenregel Abb. E.1.0.2 a) Parallel- und b) Reihenschaltung von Widerständen Damit kann die Maschenregel auch wie folgt formuliert werden: Die Summe aller Spannungen eines Stromkreises ist null: l ¦U Nach Abb. E.1.0.2a ergibt sich I1 I 2 ... I n I U U U ... Rn R1 R2 U R (16) In einer Parallelschaltung addieren sich die Leitwerte der Einzelwiderstände und der Gesamtwiderstand ist kleiner als der kleinste Teilwiderstand. 2. Kirchhoff-Regel (Maschenregel) Betrachtet man die Spannungsverhältnisse in einem geschlossenen Stromkreis (Masche) eines beliebigen Netzwerks, ist die Summe aller Quellenspannungen Uq,i gleich der Summe aller Spannungsabfälle an den Elementen des Netzwerks k n ¦U q,i = ¦ I j R j . i 1 j 1 i =0 . (18) i 1 Für das Beispiel in Abb. E.1.0.3 gilt: U q,2 U q,1 I 2 R2 I1 R1 I 4 R4 I 3 R3 0 . und man erhält 1 1 1 1 . = + + ...+ R R1 R2 Rn I4 (17) Für die Reihenschaltung (Abb. E.1.0.2b) von Widerständen folgt daraus die Addition der Einzelwiderstände zum Gesamtwiderstand R: R = R1 R2 ... R n . (19) Ein häufig vorkommender Fall ist die Reihenschaltung aus zwei Widerständen R1 und R2, an der die Spannung U anliegt. Aus den jeweiligen Spannungsabfällen ergibt sich die Verhältnisgleichung U1/U2 = R1/R2. Daraus folgt mit U = U1 + U2 die wichtige Gleichung einer Spannungsteiler- oder Potentiometerschaltung für den unbelasteten Fall: U1 = U R1 . R1 R2 (20) 1.0 Grundlagen 161 nung U von der Stromstärke I folgt 1.0.2 Reale Spannungsquelle Das Grundprinzip einer Spannungs- oder Stromquelle beruht auf einer Trennung von positiven und negativen Ladungen. Dadurch entsteht zwischen ihren Polen eine eingeprägte Spannung, die bereits bei der Maschenregel eingeführte Quellenspannung. Im Falle einer unbelasteten Quelle fließt kein Strom (Leerlauf) und die an den Anschlussklemmen anliegende Leerlaufspannung wird auch als Ur- oder Quellenspannung U0 oder Uq bezeichnet. Sie bewirkt den Transport der Ladungsträger in einem geschlossenen Leiterkreis. Bei realen Spannungsquellen ist die Spannung, die an den Klemmen der belasteten Quelle gemessen wird, die Klemmspannung U. Die Unterschiede zwischen U0 und U werden durch den Spannungsabfall Ui am Innenwiderstand Ri der Quelle verursacht. U0 Ri Ui U U 0 Ri I . (21a) Die Klemm- und die Urspannung bei einer unbelasteten Quelle ( I 0, RL o f) stimmen überein. Der Wert von U0 ist bei offenen Spannungsquellen, d. h. wenn kein Verbraucher angeschlossen ist, gleich der Leerlaufspannung. Im Falle des Kurzschlusses ( RL o 0, U 0) fließt der maximal mögliche Strom (Kurzschlussstrom IK = U0 /Ri). Die vom Widerstand RL (0 < RL < f) aufgenommene Leistung beträgt 2 P =U I I 2 RL § U0 · ¨ ¸ RL . © RL Ri ¹ Da die Urspannung und der Innenwiderstand der Quelle vorgegeben und nahezu konstant sind, hängt die an den Lastwiderstand RL abgegebene Leistung nur von seiner Größe ab. Die Leistung ist maximal, wenn die Bedingung dP/dRL = 0 erfüllt wird. Daraus ergibt sich folgende Bedingung: (23) RL = R i . V I U RL A Abb. E.1.0.4 Ersatzschaltung einer realen Spannungsquelle mit Lastwiderstand RL Die Ersatzschaltung für eine reale Spannungsquelle ist in Abb. E.1.0.4 dargestellt. Es gilt nach der 2. Kirchhoff-Regel, wenn der Strom I das Innere der Quelle und den Lastwiderstand RL im äußeren Kreis gleichermaßen durchfließt, U0 U Ui U I Ri I ( RL Ri ) , (21) bzw. für die Abhängigkeit der Klemmspan- (22) Diesen Fall nennt man Leistungsanpassung und die zweite Ableitung (d2P /dRL2) als hinreichendes Kriterium für ein Maximum ist negativ. Mit Gl. (23) erhält man für die vom Widerstand RL maximal aufgenommene Leistung aus Gl. (22): Pmax = U 02 . 4Ri (24) Der Wirkungsgrad K einer Gleichstromanordnung ist als Verhältnis der Nutzleistung P zu der von der Quelle insgesamt aufgebrachten Leistung Pges definiert. Mit den Gln. (21) und (22) ergibt sich unter der Voraussetzung, dass die Urspannung bei allen Belastungen der Quelle konstant bleibt: K P Pges UI U0 I RL I 2 . ( RL Ri ) I 2 (25) 162 Elektrizitätslehre 1 Widerstände und Stromquellen Für RL = Ri folgt K = 0,5, damit ist der Wirkungsgrad im Anpassungsfall 50 %. Für Lastwiderstände größer als der Innenwiderstand wird der Wirkungsgrad höher als 50 %, aber die von der Quelle zur Verfügung gestellte Leistung nimmt ab. 1.1 Widerstandsbestimmung durch Strom- und Spannungsmessung de Widerstand ist R und RA bzw. RV stellen die Innenwiderstände des Amperemeters (A) bzw. des Voltmeters (V) dar. Bei der Schaltung in Abb. E.1.1.1a, mit der die Spannung korrekt ermittelt wird, misst man mit dem Strommessgerät auch den durch das Voltmeter fließenden Teilstrom IV. a) U I Aufgabenstellung R 1. Aus der Messung von Stromstärke und Spannung soll sowohl unter Verwendung einer strom- als auch einer spannungsrichtigen Messung der elektrische Widerstand von Widerständen verschiedener Größenordnungen bestimmt werden. 2. Es ist für verschiedene Widerstände (Metall-, NTC-, und VDR-Widerstand) die Spannungs- Strom-Kennlinie aufzunehmen sowie die Änderung des statischen und des differentiellen Widerstands für ausgewählte Arbeitspunkte zu diskutieren. Zu den bekanntesten nichtlinearen Widerständen gehören die PTC- (Positive Temperature Coefficient), die NTC- (Negative Temperature Coefficient) und die VDRWiderstände (Voltage Dependent Resistor). Der Widerstand an einem Arbeitspunkt (AP) lässt sich nach Gl. (1) aus dem entsprechenden U-I-Wertepaar berechnen. Zur Diskussion des nichtlinearen Verlaufs der I-UKennlinie ist es oft zweckmäßig, die Größe des differentiellen Widerstands rd bei verschiedenen Arbeitspunkten zu bestimmen: rd § dU · ¨ ¸ . © d I ¹AP (26) Bei gleichzeitiger Erfassung von Stromstärke und Spannung werden die Schaltungsvarianten in den Abbn. E.1.1.1a oder E.1.1.1b verwendet. Ein regelbares Labornetzgerät liefert eine variable Spannung U. Der zu ermitteln- A I IV RV V IV U b) RA I R A U UA UA V U Abb. E.1.1.1 Widerstandsbestimmung durch Strom- und Spannungsmessung, (a) spannungsrichtige und (b) stromrichtige Messung Die Berechnung von R nach Gl. (1) liefert deshalb einen zu kleinen Wert, da der über den Widerstand R fließende Strom I sich nach der Knotenregel Gl. (15) aus der Differenz zwischen dem gemessenen Strom I und IV ergibt. Daraus folgt R U I IV U . I U / RV Mit dem Parallelwiderstand Rp, der aus dem zu messenden Widerstand und dem Innenwi- 1.1 Widerstandsbestimmung durch Strom- und Spannungsmessung derstand des Voltmeters gebildet wird, ergibt sich R U I I Rp U I § R · ¨1 ¸ . © RV ¹ (27) RV In der Schaltung in Abb. E.1.1.1b verfälscht der Spannungsabfall UA des Amperemeters das Ergebnis. Für den Widerstand R folgt aus dem Verhältnis UA U RA RA R und unter Berücksichtigung der Kirchhoff’schen Maschenregel R U UA I 1 RA · U§ ¨1 ¸ . I © R ¹ (28) Die Diskussion der Gln. (27) und (28) zeigt, dass für RV R die Schaltung in Abb. E.1.1.1a und im Falle RA R die Schaltung in Abb. E.1.1.1b zu bevorzugen ist. Bei Metallwiderständen erhält man bei nicht zu hohen elektrischen Leistungen (T = const) in guter Annäherung eine lineare I-UKennlinie (Abb. E.1.1.2a). Bei größeren Leistungen kann es zur Eigenerwärmung und damit nach Gl. (6) zu einer Widerstandserhöhung infolge des positiven Temperaturkoeffizienten kommen (Abb. E.1.1.2b). Zu den Widerständen mit negativem Temperaturkoeffizienten gehören NTC-Thermistoren (Abb. E.1.1.2c). Sie werden überwiegend als Temperatursensoren verwendet. VDRWiderstände oder Varistoren sind spannungsabhängige Widerstände, die überwiegend als Schutz gegen Überspannungen eingesetzt werden. Ab einer bestimmten Spannung beobachtet man ein starkes Anwachsen der Stromstärke (Abb. E.1.1.2d). In diesem Bereich lässt sich der Zusammenhang zwischen Spannung und Stromstärke durch 163 eine Potenzfunktion beschreiben: U U ref E* § I · ¸ . C ¨ ¨ I ref ¸ © ¹ * (29) C* ist ein Proportionalitätsfaktor und Uref bzw. Iref sind Referenzwerte, die Datenblättern oder der Versuchsanleitung entnommen werden können. Der Exponent E * (E * < 1) wird auch Regelfaktor genannt und hängt unter anderem von den Materialeigenschaften des Varistors ab. Der Gleichstromwiderstand und der differentielle Widerstand rd d (U / U ref ) d ( I / I ref ) E * C ( I / I ref )E * 1 (30) nehmen bei Varistoren mit steigender Stromstärke ab. I I dU = const dI (a) I (b) U (c) U (d) I U U Abb. E.1.1.2 U-I-Kennlinien von Widerständen (schematisch), (a) T = const, ohmscher Widerstand; (b) Metall-Widerstand und (c) NTC-Thermistor, Temperaturerhöhung durch Eigenerwärmung bei Vergrößerung der Stromstärke; d) Varistor, spannungsabhängiger Widerstand Das Verhalten elektrischer Bauelemente in Schaltungen wird in der Praxis nicht nur in Spannungs- Strom-Kennlinien, sondern häufig auch in Strom- Widerstands-, SpannungsWiderstands- oder Widerstands-LeistungsKennlinien dargestellt. 164 Elektrizitätslehre Versuchsausführung Zur Strom- und Spannungsmessung werden digitale Multimeter verwendet. Man beginnt die Messungen bei jeweils niedrigen Spannungswerten und stellt die günstigsten Messbereiche für die Messungen von Spannung und Stromstärke ein. Bei Aufgabe 1 sollen drei Widerstände unterschiedlicher Größenordnungen (z. B. 2 ȍ, 10 kȍ, 2 Mȍ) mit Hilfe einer spannungs- und einer stromrichtigen Messung ermittelt werden. Die schaltungsbedingten Korrektionen sind mit den bekannten Gerätetoleranzen zu vergleichen. In Aufgabe 2 werden für die drei verschiedenen Widerstandsarten (Metall-Widerstand, NTC-Thermistor, Varistor) in den am Arbeitsplatz vorgegebenen Bereichen etwa zehn (U, I )-Wertepaare gemessen. Vor dem Ablesen der Messwerte ist ggf. die Einstellung des thermischen Gleichgewichts abzuwarten. Die Spannungs-Strom-Kennlinien sind graphisch darzustellen und der Verlauf der Kurven ist unter Berücksichtigung der Veränderung des differentiellen Widerstands bei Stromerhöhung zu diskutieren. Für den VDRWiderstand soll die Größe von ȕ* mit Hilfe eines doppelt-logarithmischen Diagramms über den Anstieg der Ausgleichsgeraden bestimmt werden. 1.2 Temperaturabhängigkeit elektrischer Widerstände Aufgabenstellung 1. Für einen Metallwiderstand, einen NTCThermistor sowie PTC-Thermistor ist die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands in einem vorgegebenen Temperaturbereich aufzunehmen. 2. Es sollen der Temperaturkoeffizient für den Metallwiderstand und die Aktivierungsenergie für das Halbleitermaterial des NTCThermistors bestimmt werden. Für den PTCThermistor ist der Temperaturkoeffizient zu ermitteln. 1 Widerstände und Stromquellen Die Messung der Widerstände in Abhängigkeit von der Temperatur kann direkt mit dem in einem Digitalmultimeter integrierten OhmMeter oder mit einer Wheatstone-Brückenschaltung durchgeführt werden. Bei einem elektronischen Ohm-Meter wird ein lastunabhängiger Strom durch eine Konstantstromquelle vorgegeben, der den zu ermittelnden Widerstand durchfließt. Die über diesem Widerstand abfallende Spannung wird gemessen und in einen Widerstandswert umgewandelt. Bei 4,5-stelligen Multimetern beträgt die relative Messunsicherheit weniger als ein Prozent. Die Wheatstone-Brückenschaltung ist eine Widerstandsbrückenschaltung. Sie enthält im Allgemeinen vier Widerstände (R1, R2, RX und RN), die nach Abb. E.1.2.1 miteinander verbunden werden. Dabei sind RX der zu messende Widerstand und RN ein einstellbarer Referenzwiderstand oder bei Präzisionsmessungen ein Widerstandsnormal. C INI NI RX Ri IX A IN R2 R1 D I RN I1 B I2 I U Abb. E.1.2.1 Wheatstone-Brückenschaltung An den Punkten A und B der Schaltung liegt eine Spannungsquelle (Spannung U ), zwischen C und D ein Nullindikator (NI, Innenwiderstand Ri). Beim so genannten Brückenabgleich fließt in der Brückendiagonale zwischen den Punkten C und D (Abb. E.1.2.1) kein Strom (INI = 0), wenn diese auf dem gleichen elektrischen Potential liegen. Das ist genau dann der Fall, wenn in den an gleicher 1.2 Temperaturabhängigkeit elektrischer Widerstände Spannung liegenden Parallelkreisen ACB und ADB die Teilwiderstände RX und RN im abgeglichen Verhältnis stehen wie die Teilwiderstände R1 und R2: RX RN R1 . R2 (31) Bei verstimmter Messbrücke zeigt der Nullindikator die Stromstärke INI an, die sich mit Hilfe der Kirchhoff-Regeln berechnen lässt. Für die Ströme an den Knotenpunkten C und D gilt I N I NI , I 2 IX I1 I NI . (32) Bei Vernachlässigung der Widerstände der Zuleitungen und des Innenwiderstands der Spannungsquelle folgt für die Maschen ACD, CBD und ADB I1 R1 I X RX I NI Ri , (33) I 2 R2 I N RN I NI Ri , (34) U I1 R1 I 2 R2 . (35) Aus der Lösung des Systems der Gleichungen (32) bis (35) ergibt sich für die Stromstärke INI im Brückenzweig I NI R1 RN R2 RX U . D* (36) In Gl. (36) entspricht D* dem Nenner mit D* RX [ Ri ( R1 R2 ) R1 R2 ] RN [( RX Ri ) ( R1 R2 ) R1 R2 ] . (36a) Die Gl. (36) enthält für INI = 0 die Abgleichbedingung nach Gl. (31). Häufig wird als Nullindikator ein hochohmiges, empfindliches Voltmeter verwendet, mit dem man die Brückenspannung UBr zwischen den Punkten C und D in Abb. E.1.2.2 misst. Zur Berechnung von UBr betrachtet man zunächst wieder die Maschen ACD und CBD I1 R1 U Br I x Rx 0 , (37) 165 I 2 R2 I N RN U Br 0 . (38) Durch Einsetzen von Ix = IN in Gl. (37) sowie I2 = I1 in Gl. (38), anschließender Substitution von IN in Gl. (38) und Auflösung nach UBr folgt U Br R1 RN R2 Rx I1 . Rx RN (39) Die Anwendung der Maschenregel auf die Masche ADB liefert für I1 die Beziehung I1 U /( R1 R2 ) . (40) Damit erhält man für die Brückenspannung U Br R1 RN R2 Rx U . ( Rx RN )( R1 R2 ) (41) Für UBr = 0 ergibt sich wieder die Abgleichbedingung nach Gl. (31). Mit Gl. (41) kann auch die Veränderung der Brückenspannung bei Variation der Brückenwiderstände beschrieben werden. Brückenwiderstandsschaltungen kommen oft bei modernen elektronischen Sensoren zur Längen- und Druckmessung zur Anwendung (W.2.3). Die Gln. (36) und (41) zeigen, dass der Brückenstrom INI bzw. die Brückenspannung UBr und damit auch die Empfindlichkeit der Brücke mit der Betriebsspannung U anwachsen. Da die Eigenerwärmung in den Widerständen jedoch proportional zum Quadrat der Stromstärke zunimmt, ist eine Empfindlichkeitserhöhung über die Vergrößerung von U bzw. I durch die Belastbarkeit der Brückenwiderstände begrenzt. Eine optimale Empfindlichkeit für den Brückenabgleich erhält man, wenn der Vergleichswiderstand RN gleich dem zu messenden Widerstand RX ist, d. h. für ein Verzweigungsverhältnis 1:1. Als Nullindikatoren eingesetzte Geräte dienen zum Nachweis der Stromlosigkeit oder der Potentialgleichheit zwischen zwei Punkten einer Schaltung. Sie werden dementsprechend auch in Brücken- 166 Elektrizitätslehre sowie Kompensationsschaltungen eingesetzt (E.1.3). Neben dem Nachweis kleinster Ströme und Spannungen müssen sie u. a. eine möglichst kurze Einstellzeit, hinreichende Nullpunktstabilität und im Prinzip keine Rückwirkung auf die zu messende Größe haben. Im einfachsten Fall verwendet man als Nullindikator für Gleichströme ein hinreichend empfindliches Digitalmultimeter, bei höheren Ansprüchen Elektrometerverstärker mit statischen Eingangswiderständen von 1014 ȍ bis 1016 ȍ (Eingangsströme kleiner als 10-13 A). Für einfache Anwendungen sind auch hochohmige Voltmeter mit Innenwiderständen größer als 106 ȍ und ausreichend hoher Auflösung geeignet. Versuchsausführung Zur Durchführung von Aufgabe 1 befinden sich die zu bestimmenden Widerstände im Ölbad eines Thermostaten, in dem sich auch der Messfühler eines digitalen Thermometers befindet. Es sind für etwa zehn verschiedene Temperaturen in einem vorgegebenen Temperaturbereich die Widerstände zu messen. Dabei muss vor jeder Messung die Einstellung des Temperaturgleichgewichts abgewartet werden. Die Temperaturabhängigkeit der Widerstände soll graphisch dargestellt und der Verlauf der Kurven diskutiert werden. In Aufgabe 2 ist die Bestimmung des linearen Temperaturkoeffizienten des Metallwiderstands mit Gl. (7) möglich, sofern mit hinreichender Genauigkeit die Kurve durch eine Gerade angenähert werden kann. Im Falle des NTC-Thermistors soll der nichtlineare Kurvenverlauf durch graphisches Auswerten oder rechnergestützt durch Anpassungsrechnungen mit Hilfe einer Funktion vom Typ der Gl. (14) geprüft werden. Führt man eine geeignete mathematische Transformation der Koordinaten durch (y = lnR(T), x = 1/T), kann aus dem Anstieg der Ausgleichsgeraden der Wert von b und daraus die Aktivierungsenergie EA bestimmt werden (EA = b k, k Boltzmann-Konstante). 1 Widerstände und Stromquellen Den differentiellen Temperaturkoeffizienten des Halbleitermaterials bei einer bestimmten Temperatur T erhält man bei Anwendung von Gl. (14) mit 1 d R(T ) R(T ) dT ET EA . k T2 (42) Eine spezielle Art von PTC-Widerständen (PTC-Thermistoren) wird auf der Basis von Halbleiterkeramiken hergestellt (z. B. dotiertes Bariumtitanat). Aufgrund der ferroelektrischen Eigenschaften des Materials beobachtet man oberhalb einer bestimmten Temperatur infolge des Übergangs vom ferroelektrischen in den paraelektrischen Zustand eine starke Vergrößerung des Widerstands (um einige Größenordnungen bei einer Temperaturerhöhung von etwa 100 K). Die wichtigsten Kenngrößen von PTC-Thermistoren sind der minimale (Rmin) und der maximale Widerstand (Rmax), die Bezugstemperatur TB (RB = R(TB) = 2 Rmin) sowie der Temperaturkoeffizient EPTC. log R Rmax RB Rmin Tmin TB Tmax T Abb. E.1.2.2 Temperaturabhängigkeit (schematisch) eines PTC-Thermistors (Kaltleiter) In einem Temperaturbereich zwischen TB und Tmax (Abb. E.1.2.2) kann die Vergrößerung des Widerstands durch eine Exponentialfunktion der Form R (T ) RB exp > E PTC (T TB )@ (43) 1.3 Kenngrößen einer realen Spannungsquelle beschrieben werden, mit der die Bestimmung des Temperaturkoeffizienten EPTC möglich ist. PTC-Thermistoren werden überwiegend in elektronischen Schaltungen zur Begrenzung von Strömen und in Temperaturregelschaltungen eingesetzt. Für den zu untersuchenden PTC-Thermistor misst man im Temperaturbereich zwischen TB und Tmax (die Werte für TB und Tmax können dem Datenblatt am Arbeitsplatz entnommen werden) bei etwa zehn verschiedenen Temperaturen dessen Widerstand und über den Anstieg der Ausgleichsgeraden im linearen Kurvenbereich eines ln(R)-T-Diagramms kann der Temperaturkoeffizient EPTC mittels Anwendung von Gl. (43) bestimmt werden. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Kennlinien sind die Leitungsmechanismen in Metallen und Halbleitern in Abhängigkeit von der Temperatur zu erörtern. 1.3 Kenngrößen einer realen Spannungsquelle 167 mit denen z. B. bei bekannter Urspannung U0 der Innenwiderstand Ri nach Gl. (21a) mit U0 U Ri (44) I berechnet werden kann. Bleibt der Innenwiderstand der Quelle bei den unterschiedlichen Belastungen konstant, kann man über den Anstieg ('U/'I ) des linearen Graphen den Innenwiderstand bestimmen: § 'U · ¨ (45) ¸ . © 'I ¹ Aus den entsprechenden Schnittpunkten der Geraden mit den Koordinatenachsen ist die Ermittlung der Werte für die Kurzschlussstromstärke und die Urspannung möglich. Die I-U-Charakteristik wird mit der Schaltung in Abb. E.1.0.4 aufgenommen. Durch die Variation des Lastwiderstands (RL) ergeben sich entsprechend Gl. (21) für I und U verschiedene Werte. Ri UH I Aufgabenstellung 1. Die Strom-Spannungs-Charakteristik einer realen Spannungsquelle ist aufzunehmen. Es sind die Urspannung (Quellenspannung), der Innenwiderstand der Quelle und die Stärke des maximalen Stroms (Kurzschlussstrom) zu bestimmen. 2. Für die Spannungsquelle in Aufgabe 1 ist die Leistungsanpassung experimentell zu ermitteln und mit der Theorie zu vergleichen. 3. Es ist die Urspannung der Quelle durch Spannungskompensation zu bestimmen. Strom-Spannungs-Charakteristiken realer Spannungsquellen sind graphische Darstellungen der Stromstärke über der jeweiligen Klemmspannung. Sie geben Informationen über das Verhalten des elektrischen Kreises bei unterschiedlichen Belastungen. Aus ihnen können Wertepaare der Klemmspannung U und der Stromstärke I entnommen werden, R2 R1 U1 (INI = 0) U0X NI Abb. E.1.3.1 Spannungskompensation, Messschaltung nach Poggendorff Bei Spannungsmessungen mit einer Kompensationsmethode wird der zu messenden unbekannten Spannung U0X eine gleichgroße bekannte und sehr genaue Spannung entgegengeschaltet, so dass über das Gerät zur Nullindikation (NI) kein Strom fließt. Damit erfolgt die Messung praktisch leistungslos (ohne Stromaufnahme) und mit hochwertigen Kompensationsschaltungen erreicht man die 168 Elektrizitätslehre 1 Widerstände und Stromquellen geringsten Messunsicherheiten bei Spannungsmessungen. Eine einfache Kompensationsmethode basiert auf der nach Poggendorff benannten Kompensationsschaltung (Abb. E.1.3.1). Sie ermöglicht die Messung der Urspannung U0X von Quellen, deren Spannung bei steigender Belastung abnimmt. Dabei bewirkt eine Hilfsspannung UH in einem Widerstand den Stromfluss der Stärke I. Durch einen variablen Abgriff kann dieser Widerstand in die Teilwiderstände R1 und R2 geteilt werden, dass am Widerstand R1 die Teilspannung U1 I R1 anliegt Mit dieser Spannung ist die Kompensation der Urspannung U0X einer beliebigen Quelle möglich, sofern die Hilfsspannung größer als die zu ermittelnde Urspannung ist (UH > U0X). Der Abgleich durch Spannungskompensation liegt vor, wenn der Nullindikator praktisch den Wert null anzeigt. Mit den Beziehungen U1 U 0X I R1 , U H I ( R1 R2 ) gilt analog zur Spannungsteilerschaltung nach Gl. (19) U 0X U H R1 . R1 R2 (46) Für Präzisionsmessungen lässt sich die Hilfsspannung mit der gleichen Methode über einen Vergleich mit der Referenzspannung U0N eines elektronischen Spannungsnormals (UH > U0N) unter Verwendung der Gleichung R1c (47) U 0N U H R1 R2 bestimmen. Dabei ist R1c der Widerstand, an dem die zur Kompensation führende Spannung abgegriffen wird. Aus den Gln. (46) und (47) folgt dann R U 0X U 0N 1 . (48) R 1c In diesem Fall braucht die Hilfsspannung nicht bekannt zu sein. Versuchsausführung Für die Messungen zu den Aufgaben 1 und 2 wird eine Schaltung nach Abb. E.1.0.4 aufgebaut. Als Lastwiderstand RL kann z. B. ein Wendel-Präzisionspotentiometer mit Einstellregler oder eine Kombination aus Präzisionsdekadenwiderständen verwendet werden, an denen die eingestellten Widerstandswerte für RL direkt abgelesen werden können. Dabei ist die Belastbarkeit im Hinblick auf die maximal mögliche Stromstärke (Kurzschlussstrom) zu beachten. Im Verlauf der Messungen ist die Konstanz der Urspannung zu kontrollieren (unbelastete Quelle). Bei Aufgabe 1 wird für etwa zehn bekannte Werte des Lastwiderstands RL in geeigneten Schritten bei großen RL beginnend die Spannung U und die Stromstärke I mit Digitalmultimetern gemessen. Die I-U-Charakteristik der Spannungsquelle ist in einem linearen Koordinatensystem graphisch darzustellen. Bei linearem Verlauf der StromSpannungs-Charakteristik ermittelt man den Innenwiderstand Ri aus dem Anstieg der Geraden nach Gl. (45). Die Werte für die Urspannung und die Kurzschlussstromstärke können graphisch oder rechnerisch bestimmt werden. Für die Aufgabe 2 sollen zusätzliche Widerstände RL um den Wert des Innenwiderstands Ri eingestellt werden, damit ein aussagekräftiger Graph für die Diskussion der Leistungsanpassung erhalten wird. Die im Lastwiderstand umgesetzte elektrische Leistung ist unter Verwendung eines einfachlogarithmischen Maßstabs (P-logRLDiagramm) graphisch darzustellen, um eine bessere graphische Auflösung zur Ablesung der maximalen Leistung zu erreichen. Der im Experiment bestimmte Wert für die maximale Leistung und der nach Gl. (24) berechenbare Wert Pmax sind zu vergleichen. Außerdem soll die in Gl. (23) aufgestellte Bedingung Ri = RL am Leistungsmaximum überprüft werden, wobei ggf. der Innenwiderstand des Strommessgeräts zu berücksich- 1.4 Belasteter Spannungsteiler 169 tigen ist. Steht eine geeignete Software zur Verfügung, werden die normierten Kennlinien (Abb. E.1.3.2) mit den im Experiment bestimmten Parametern als berechnete Kurven unter Verwendung der Gln. (49) bis (51), die sich aus Gl. (22) bzw. Gl. (21) herleiten lassen, in einem Diagramm dargestellt: P Pmax 4( RL / Ri ) 1 ( RL / Ri ) , 2 U U0 1 1 Ri RL I IK 1 . 1 ( RL / Ri ) 1 1 , 1 ( RL / Ri ) y 1,0 0,8 1 3 2 0,6 0,4 0,2 (49) (50) 0,0 0,01 0,1 Für Aufgabe 3 ist die Schaltung mit der Spannungsquelle von Aufgabe 1 nach Abb. E.1.3.1 aufzubauen. Die Potentiometerschaltung verwendet kalibrierte Drahtwendelpotentiometer, die durch einen geeigneten Vorwiderstand vor Überlastung zu schützen sind. Als Nullindikator wird ein hinreichend empfindliches Digitalmultimeter verwendet. In diesem Fall ist die Spannungsmessung gegenüber einer Strommessung zu bevorzugen, da bei modernen elektronischen Voltmetern der Innenwiderstand konstant und so hoch ist, dass die Belastung der Batterie im nicht kompensierten Fall vernachlässigbar klein und die Empfindlichkeit höher als bei einer entsprechenden Strommessung sind. Durch Variation des Widerstands sucht man denjenigen Wert (R1), bei dem der Nullindikator null anzeigt. Durch die Messung der Hilfsspannung UH und die Ablesung des Werts für den Teilwiderstand R1 kann bei bekanntem Gesamtwiderstand (R1+R2) nach Gl. (46) die gesuchte Urspannung U0X ermittelt werden. Steht ein elektronisches Spannungsnormal zur Verfügung, wird der Abgleichvorgang zur Spannungskompensation zur Bestimmung von R1c wiederholt und Gl. (48) zur Bestimmung von U0X verwendet. 10 RL / Ri Abb. E.1.3.2 Kennlinien einer realen Spannungsquelle in normierter Darstellung, (1) y P / Pmax , (2) y U / U 0 , (3) y (51) 1 I / IK Dadurch entfällt die Messung der Hilfsspannung UH. Der Vorteil bei der Verwendung eines elektronischen Spannungsnormals ist die sehr genaue und von der Temperatur nahezu unabhängige Quellenspannung. Mit einem elektronischen Spannungsnormal erreicht man relative Unsicherheiten von kleiner als 10-4, die mit den im Praktikum zur Spannungsmessung eingesetzten Digitalmultimetern in der Regel nicht erreicht werden können2. 1.4 Belasteter Spannungsteiler Aufgabenstellung 1. Die Strom-Spannungs-Charakteristik eines belasteten Spannungsteilers ist aufzunehmen. Daraus sind die Maximalwerte für Strom und Spannung zu entnehmen und mit den berechenbaren Werten zu vergleichen. 2. Es sind für drei verschiedene Verhältnisse zwischen dem Potentiometerwiderstand Rpot und dem Lastwiderstand RL die Übertra2 Mit dem Josephson-Effekt können Spannungen mit relativen Unsicherheiten von kleiner als einem Zehn-Milliardstel reproduziert werden (1:1010, entsprechend 1 nV bei 10 V). Der Effekt wird deshalb als Basis für konstante Referenzspannungen in metrologischen Staatsinstituten und in Kalibrierlaboratorien der Industrie genutzt. 170 Elektrizitätslehre 1 Widerstände und Stromquellen gungskennlinien zu berechnen und graphisch darzustellen. Für fünf vorgegebene Potentiometereinstellungen sollen die Werte experimentell bestimmt und in das Diagramm eingezeichnet werden. Mit einer Spannungsteiler- oder Potentiometerschaltung ist es möglich, die konstante Klemmspannung einer Spannungsquelle z. B. zur Versorgung elektronischer Schaltungen wählbar einzustellen. Die Belastung des Spannungsteilers hängt dabei im Gegensatz zum nicht belasteten (idealen) Spannungsteiler von der Größe des Lastwiderstands ab. In diesem Fall müssen die einzelnen Maschen der Spannungsteilerschaltung berücksichtigt werden, da bei zu großen Strömen die Widerstände der Teilerschaltung überlastet und zerstört werden können. Versuchsausführung Der bei Aufgabe 1 zu untersuchende Spannungsteiler (Abb. E.1.4.1) besteht aus den zwei Widerständen Ra und Rb und einem variablen Lastwiderstand RL (z. B. 10-GangPotentiometer mit Einsteller). sowie die Spannung U0 mit hoher Genauigkeit durch die Verwendung von 4,5-stelligen Digitalmultimetern zu bestimmen. Der Innenwiderstand des Amperemeters soll vernachlässigt werden, so dass Ub = UL gilt. Nach dem Aufbau der Messschaltung werden für zehn verschiedene Lastwiderstände RL die zugehörigen UL- und IL- Werte gemessen und graphisch in einem IL(UL)-Diagramm dargestellt. Aus den Schnittpunkten der Ausgleichsgeraden mit den Koordinatenachsen kann man die Maximalwerte UL,max(IL = 0) und IL,max (UL = 0) für den belasteten Spannungsteiler ermitteln und mit den berechenbaren Werten vergleichen: U L,max U0 Rb , Ra Rb I L,max U0 . Ra Bei Aufgabe 2 wird die in Abb. E.1.4.2 dargestellte Schaltung eines belasteten Spannungsteilers verwendet, die ein Potentiometer ( Rpot = R1 + R2 ) enthält, dessen Teilwiderstand R2 durch einen konstanten Lastwiderstand RL belastet wird. A I I1 Ra U0 Ua IL Ib Rb B U0 A Ub U1 R1 V UL R2 RL U2 RL V UL I2 Abb. E.1.4.1 Messschaltung zum belasteten Spannungsteiler bestehend aus zwei Festwiderständen Ra und Rb und einem variablen Lastwiderstand RL Dabei soll der Gesamtwiderstand des Potentiometers (RL) viel größer als die Summe aus den beiden Widerständen (Ra+Rb) sein. Es sind die Werte der Widerstände Ra und Rb C IL Abb. E.1.4.2 Belasteter Spannungsteiler bestehend aus einem Potentiometer (Rpot = R1+ R2) und einem konstanten Lastwiderstand RL Die Quellenspannung U0 liegt an den Endpunkten A und C des Potentiometers. Zwi- 1.4 Belasteter Spannungsteiler 171 schen den Punkten B und C fällt die durch das Widerstandsverhältnis R1/R2 wählbare Spannung U2 ab. Bei Anwendung der Kirchhoff-Regeln (E.1.0.1) ergeben sich die folgenden Gleichungen: I1 I2 IL , U0 U1 U L U2 U L , I 2 R2 U0 R1 ( I 2 I L ) I L RL , U0 R1 (52) I1 R1 I L RL , (53) R2 U0 R1 R2 R1 RL R2 RL R2 RL U0 . R1 R2 R1 RL R2 RL (55) (56) Gl. (56) bezeichnet man auch als Übertragungsfunktion des belasteten Spannungsteilers. Nach einigen Umstellungen kann diese in eine normierte Form (x = R2/Rpot , r = Rpot/RL) überführt werden. Es gilt UL U0 R2 R1 R2 R1 R2 1 1 R1 R2 RL x R1 R2 1 1 R1 R2 RL und für den Term im Nenner kann R1 R2 1 R1 R2 RL x (57) In Abb. 1.4.3 erkennt man den starken Einfluss des Verhältnisses r = Rpot/RL auf die Übertragungskennlinie. r 0,05 1 (54) und den entsprechenden Spannungsabfall UL x . 1 r x (1 x) 0,5 Damit erhält man für den durch den Lastwiderstand RL fließenden Strom IL UL U0 UL 1,0 U0 I L RL , RL I L R1 I L RL I L . R2 gemeinerte Beziehung für die Übertragungsfunktion R1 R2 R2 RL § R R R2 · x ¨r 2 1 ¸ r x (1 x) R L R1 R2 ¹ © geschrieben werden. Damit folgt als verall- 10 0 0,5 R2 1,0 Rpot Abb. E.1.4.3 Übertragungskennlinien eines belasteten Spannungsteilers nach Gl. (57) Bei Aufgabe 2 sind die drei Graphen der Übertragungskennlinien für verschiedene Werte r (z. B. r = 0,1; 1; 5) zu berechnen und analog zur Abb. E.1.4.3 graphisch darzustellen. Die Schaltung nach Abb. E.1.4.2 ist aufzubauen und der Spannungsabfall UL über dem Widerstand RL wird mit einem Digitalmultimeter gemessen. Die Werte der Widerstände R1 und R2 können am Einstellregler des Potentiometers in Bezug auf den gegebenen Gesamtwiderstand des Potentiometers Rpot = R1 + R2 abgelesen werden. Für die Messung der Quellenspannung U0 ist ein zweites Digitalmultimeter parallel zu den Außenanschlüssen des Potentiometers zu schalten (Abb. E.1.4.2). Die Messungen sind für die drei berechneten r -Verhältnisse bei fünf verschiedenen Potentiometereinstellungen (R2/Rpot = 0,1; 0,3; 0,5; 0,7; 0,9) durchzuführen. Es sind die Messwerte in das vorbereite Diagramm mit den berechneten Graphen einzutragen und auftretende Abweichungen unter Berücksichtigung der Messunsicherheiten zu erörtern. 172 Elektrizitätslehre 2 Elektrische und magnetische Felder 2.0 Grundlagen 2.0.1 Elektrisches Feld Die Kräfte zwischen elektrisch geladenen Körpern, die auch im leeren Raum wirken, führt man auf das elektrische Feld zwischen elektrischen Ladungen zurück. Diese Kräfte sind im Allgemeinen ortsabhängig und verursachen ein Kraftfeld, durch das jedem Raumpunkt eine Kraft mit einem bestimmten Betrag und einer bestimmten Richtung zugeordnet werden kann (Vektorfeld). Bei Veränderung der Größe und der Lage der Ladung verändert sich auch das elektrische Feld. Man spricht von einem elektrostatischen Feld oder kurz von einem elektrischen Feld, das die in diesem Falle ruhenden und zeitlich konstanten Ladungen umgibt. Die Stärke des elektrischen Felds, die elektrische Feldstärke, hängt von der Größe der Ladungen und von ihrer Dichte ab. Sie kann im Prinzip durch die Kraftwirkung auf eine kleine Probeladung Q0, die sich im elektrischen Feld befindet, gemessen werden. Bedingung dafür ist jedoch, dass die Probeladung das ursprüngliche Feld nicht verändert bzw. nur eine vernachlässigbar kleine Störung verursacht. Bewegt man sich in einem elektrischen Kraftfeld von einem Raumpunkt stets in Richtung der wirkenden Kraft zu einem anderen und verbindet die Punkte miteinander, erhält man eine so genannte Feldlinie. In dieser Weise kann der gesamte Feldraum mit solchen Feldlinien gefüllt werden, die sich an keinem Ort schneiden. Das bedeutet, dass die Richtung der Kraft in jedem Punkt des Felds eindeutig bestimmt ist. Sie kann durch das Anlegen einer Tangente an die Feldlinie in einem betreffenden Raumpunkt erhalten werden. Die elektrischen Feldlinien ergeben 2 Elektrische und magnetische Felder ein anschauliches Bild der Struktur des Felds, das die Ladungen umgibt. Die Richtung der Feldlinien elektrostatischer Felder wird in Übereinstimmung mit dem Coulomb-Gesetz begründet, das experimentell von C. A. Coulomb gefunden wurde. Es besagt, dass die Kraft F zwischen zwei Punktladungen dem Produkt der beiden Ladungen Q1 und Q2, die sich auf den Körpern befinden, direkt proportional und dem Quadrat ihrer Entfernungen r umgekehrt proportional ist: F 1 Q1 Q2 . 4ʌ İ 0 r 2 (1) Der Proportionalitätsfaktor enthält die elektrische Feldkonstante H0. Besitzen Q1 und Q2 gleiches Vorzeichen, bedeutet das F > 0 und damit eine abstoßende Kraft, während sich entgegengesetzt geladene Körper wegen F < 0 anziehen. Damit wird die Richtung der Feldlinien bei positiv gewählter Probeladung von den positiven zu den negativen Ladungen festgelegt (bei nur einer Ladungsart befindet sich der Gegenpol im Unendlichen). Bedingung für die Gültigkeit des CoulombGesetzes sind punktförmige Ladungen, bei geladenen Körpern sollten ihre linearen Abmessungen vernachlässigbar gegenüber ihrem Abstand sein. Um ein elektrisches Feld quantitativ erfassen zu können, benötigt man eine entsprechende Definition der elektrischen Feldstärke. Als elektrische Feldstärke ist der Quotient aus der Kraft F, die eine Probeladung Q0 im elektrischen Feld erfährt, und der Probeladung definiert: E F . Q0 (2) Die elektrische Feldstärke E ist eine Vektorgröße und hat in den einzelnen Punkten des Raums die Richtung der Tangenten an die Feldlinien. Die Einheit der elektrischen Feldstärke nach Gl. (2) ist 1N / C = 1W s m -1 / (As) = 1 V m -1 . 2.0 Grundlagen 173 tion über eine beliebig geformte, geschlossene Oberfläche bedeutet. Berechnet man den elektrischen Fluss durch eine Kugeloberfläche (4 S R2 ), der insgesamt von einer sich im Mittelpunkt der Kugel (Radius R) befindenden Punktladung +Q ausgeht, folgt a) + <e E ϕ <e Q ³EdA= H A Abb. E.2.0.1 a) Darstellung von Äquipotential- ( ņņ ) und Feldlinien (---) um eine positive Punktladung, b) differentielle Flächennormale dA und elektrische Feldstärke E Die Dichte der Feldlinien lässt Rückschlüsse auf die Größe der Feldstärke in den einzelnen Raumpunkten zu. Je höher die Feldliniendichte, desto größer ist die Feldstärke an der betreffenden Stelle. Bei homogenen Feldern ist die Dichte der Feldlinien konstant. Von einer positiven Punktladung gehen die Feldlinien radial aus (Abb. E.2.0.1a) bzw. führen zu einer negativen Punktladung hin. Bildet man das Skalarprodukt aus der Feldstärke E und der differentiellen Flächennormale dA (Abb. E.2.0.1b), die hier senkrecht auf einer gekrümmten Fläche steht, ergibt sich in der Modellanschauung des Feldlinienverlaufs die durch diese Fläche hindurch tretende Gesamtzahl der Feldlinien, die den elektrischen Feldfluss charakterisiert. Die exakte Definition für den elektrischen Fluss im Vakuum lautet <e ³ E d A ³ E dA cosM A , Q H0 . (4) Dabei verlaufen die Feldlinien radial vom Mittelpunkt nach außen und stehen überall senkrecht auf der Kugeloberfläche. Der Vergleich der Gln. (3) und (4) führt zu b) dA 1 Q 4ʌ R 2 4ʌ H 0 R 2 (3) A wobei das A am Integralzeichen die Integra- . (5) 0 Da man jede beliebige Ladungsverteilung durch Punktladungen zusammensetzen kann, bedeutet Gl. (5) ein allgemeines Gesetz für elektrostatische Ladungen (Satz von Gauß). Es besagt, dass der gesamte elektrische Fluss durch eine geschlossene Fläche proportional der Summe der eingeschlossenen Ladungen ist. Außerdem beschreibt er das elektrostatische Feld als Quellenfeld, in dem die positiven Ladungen die Quellen und die negativen Ladungen die Senken darstellen. Um eine positive Probeladung Q0 in einem elektrischen Feld vom Punkt P(r1) zum Punkt P(r2) zu verschieben, muss man eine Verschiebungsarbeit r2 W ³ F dr r1 r2 Q0 ³ E d r (6) r1 verrichten. Wegen des Energieerhaltungssatzes muss diese Verschiebungsarbeit unabhängig vom gewählten Weg sein, so dass die Integration über einen geschlossenen Weg null ergibt. Daraus folgt, dass elektrostatische Felder wirbelfrei sind und dementsprechend keine geschlossenen elektrischen Feldlinien existieren. Das Linienintegral der elektrischen Feldstärke zwischen zwei Punkten P(r1) und P(r2) 174 Elektrizitätslehre 2 Elektrische und magnetische Felder führt zur Potentialdifferenz 'M zwischen diesen Punkten, die als elektrische Spannung definiert ist: r2 U 'M M (r2 ) M (r1 ) ³ E dr . (7) r1 Befindet sich der Punkt P(r1) im Unendlichen (dort ist nach Festlegung das Potential null), erhält man nach Gl. (7) für das Potential eines beliebigen Punkts P(r2) = P(r) im Raum r M ( r ) ³ E dr . (8) f Für kleine Ladungsverschiebungen dr in Feldrichtung ist cos(E,dr) = 1 und es gilt z. B. für die Komponente in x-Richtung Ex wM . wx (9) Für die räumlichen Komponenten in kartesischen Koordinaten verwendet man häufig die differentielle Darstellung mit dem Vektoroperator Gradient (grad) oder dem NablaOperator ( ): E ( x, y , z ) = grad M grad M M , (10) wM wM wM i j k . wx wx wx Der Vektor E zeigt in die Richtung der maximalen Änderung des Potentials, wobei das Minuszeichen in Gl. (10) seine Orientierung in Richtung abnehmenden Potentials ausdrückt. Verbindet man in einem elektrischen Feld die Punkte gleichen Potentials miteinander, erhält man eine Niveau- oder Äquipotentialfläche. Wird auf einer solchen Fläche eine Ladung verschoben, ist dazu keine Arbeit erforderlich. Daraus ist ersichtlich, dass die elektrischen Feldlinien senkrecht zu den Niveauflächen bzw. ihren Schnitten (Niveau- oder Äquipotentiallinien) verlaufen müssen. Wei- terhin ist die elektrische Spannung zwischen zwei Punkten des elektrischen Felds gleich der Potentialdifferenz zwischen den durch diese Punkte verlaufenden Äquipotentialflächen. Somit ist es möglich, die elektrischen Feldkomponenten über die Änderung des elektrischen Potentials in den entsprechenden Raumrichtungen zu bestimmen. Auf dieser Kenntnis basieren die Messungen des Vektorfelds der elektrischen Feldstärke, die sich praktisch leichter über die Ermittlung des Skalarfelds des elektrischen Potentials realisieren lassen. 2.0.2. Magnetisches Feld Stromdurchflossene Leiter erzeugen magnetische Felder. Die Bestimmung magnetischer Feldstärken und die Festlegung der Einheit der Stromstärke in Ampere nach dem SISystem (Einführung 1.1) basieren auf der gegenseitigen Kraftwirkung zweier elektrischer Ströme und ihrer Magnetfelder. Auf eine elektrische Ladung Q, die sich mit der Geschwindigkeit v durch ein Magnetfeld der Flussdichte B bewegt bzw. auf einen Strom der Stärke I in einem Leiterstück der Länge l, wirkt eine ablenkende Kraft, die Lorentz-Kraft: F Q (v u B ) I l u B . (11) Der Vektor l bestimmt außer der Länge des Leitungsstücks auch die Richtung des Stroms Für den Betrag der Kraft erhält man F Q v B sin v , B bzw. (12a) F I l B sin l , B . (12b) Die Wirkungslinie von F ist stets senkrecht zu v bzw. l sowie zur magnetischen Flussdichte B gerichtet. Zur Definition der magnetischen Flussdichte verwendet man die Kraftwirkung auf Ladungen in magnetischen Feldern in Analogie zum elektrischen Feld (E.2.0.1). Für die 2.0 Grundlagen 175 magnetische Flussdichte folgt nach Gl. (11) die Einheit 1 V s /m 2 1 T (Tesla) . P0 H 0 . A beschreibt (Durchflutungsgesetz), wobei das Integral über H längs einer geschlossenen Umlauflinie K gleich dem durch diese Fläche A fließenden Gesamtstrom I ist. Unter Berücksichtigung der in Abb. E.2.0.2 definierten Größen kann eine zu Gl. (15) analoge Beziehung geschrieben werden: P0 I d l u r dB ³ B d A ³ B d A cosD (14) A definiert, wobei D der Winkel ist, den die Feldvektoren jeweils mit der Normale des Flächenelements dA einschließen. Für den magnetischen Fluss durch eine geschlossene Fläche erhält man im Unterschied zum elektrischen Feld den Wert null, da bisher keine magnetischen Monopole nachgewiesen wurden. Demzufolge ist das B-Feld quellenfrei und die Feldlinien sind in sich geschlossen. Die Einheit des magnetischen Flusses ist das Weber: 1 Wb = 1 T m2 = 1 V s. Von praktischer Bedeutung ist die Berechnung magnetischer Felder in von einem Strom durchflossenen Spulen. Häufig geht man dabei vom Durchflutungsgesetz aus, das den Zusammenhang zwischen magnetischer (15) A (13) Die Größe P0 ist die magnetische Feldkonstante: P0 1, 2566 106 V s /(A m) . In bestimmten Stoffen beobachtet man starkes nichtlineares Verhalten zwischen B und H, das im Versuch E.2.3 untersucht wird. Das Feld der magnetischen Flussdichte lässt sich wie im Falle des elektrischen Felds durch Feldlinien darstellen, deren Verlauf und Stärke durch die Richtung und die Dichte der Feldvektoren anschaulich ausgedrückt wird. Der magnetische Fluss ) eines magnetischen Felds wird in Analogie zum elektrischen Feld über das Flächenintegral ) ³ H ds ³ j d A K Streng genommen müsste die magnetische Flussdichte B die Bezeichnung magnetische Feldstärke tragen, aus historischen Gründen wurde aber bereits H damit bezeichnet. Für Magnetfelder im Vakuum (H0) und in guter Näherung auch in Luft existiert eine strenge Proportionalität entsprechend der Beziehung B Feldstärke H und Stromdichte j mit 4ʌ . r3 (16) Gl. (16) wird als differentielles Biot-SavartGesetz bezeichnet. z y I dl r x P (x, y, 0) dB Abb. E.2.0.2 Gesetz von Biot-Savart (Stromelement I dl ) Das Stromelement I dl erzeugt einen Anteil dB des magnetischen Felds im Punkt P (x, y, 0), das sowohl zum Stromelement als auch zum Abstandsvektor r senkrecht ist. Für die Berechnung der Flussdichte des magnetischen Felds B(r) betrachtet man die Überlagerung aller Feldbeiträge dB infinitesimaler Stromelemente I dl in einem Raumpunkt P(r). Für den speziellen Fall einer kreisförmigen Leiterschleife (Abb. E.2.0.3) haben die axialen Komponenten (dBz) aller Leiterschleifenelemente die gleiche Richtung und addieren sich. 176 Elektrizitätslehre 2 Elektrische und magnetische Felder Da sich die radialen Komponenten (dBr) paarweise gegenseitig aufheben, ist die Berechnung des Betrags der axialen Feldkomponente dBz von Bedeutung. Für diese ergibt sich mit dBz = dB sinM, sinM = R/r sowie r2 = z2 + R2 und einem rechten Winkel zwischen dem Stromelement (I d l ) und dem Aufpunktvektor r P0 d Bz I Rdl 4ʌ R 2 z2 . 3 I dl (17) dBr R dBz P0 I n 2 R2 d z R 2 a z . 2 3 (19) Die Integration über die Gesamtlänge L der Spule für beliebige axiale Aufpunkte (a = z) führt zur Verteilung der Flussdichte B(z) für die Zylinderspule: dB r ϕ Durch die Spule mit N Windungen und der Windungsdichte n (n = N/L, Anzahl der Windungen pro Längeneinheit, L Länge der Spulenwicklung) fließt der Strom I. Dieser Strom erzeugt im Punkt P(z = a) eine axiale Komponente der magnetischen Flussdichte vom Betrag dBz: dBz z P (0, 0, z) B z ª z L z In « 2 « R2 z 2 2 2 R L z ¬ P0 º » ». ¼ I Abb. E.2.0.3 Berechnung der axialen Feldkomponente eines Kreisstroms Die Integration über alle Elemente der kreisförmigen Leiterschleife (Gesamtlänge 2 S R) führt zu B( z ) P0 I R2 2 R2 z 2 3 . (18) Daraus ergibt sich, dass für lange Zylinderspulen ( L R ) am Anfang (z = 0) und am Ende (z = L) der Spule der Betrag der magnetischen Flussdichte um die Hälfte kleiner als in der Mitte ( z = L/2) der Spule ist. Für die magnetische Flussdichte im Inneren einer sehr langen Zylinderspule folgt nach Gl. (20) B (z Liegen wie im Falle einer Zylinderspule (Solenoid) die Leiterschleifen eng nebeneinander, überlagern sich die Feldanteile der einzelnen Windungen zu einem resultierenden Gesamtfeld am Aufpunkt P(z = a) (Abb. E.2.0.4). z 0 (20) P (z = a) L Abb. E.2.0.4 Skizze zur Berechnung der axialen Feldkomponente in einer Zylinderspule P0 N I L / 2) P0 n I L . (21) Ausgangspunkt für die Berechnung der axialen Komponente B(z) eines Spulenpaars ist die Berechnung der magnetischen Flussdichte einer flachen Kreisspule mit dem Radius R und der Windungszahl N. Unter Verwendung von Gl. (18) kann man B(z) durch die Addition der Feldbeiträge der einzelnen Windungen unmittelbar erhalten, wobei eine flache kreisförmige Spule mit geringer Dicke vorausgesetzt wird: B z P0 I N 2 R2 R 2 z2 3 . (22) 2.0 Grundlagen 177 b 2.0.3 Magnetismus R z 0 I I Abb. E.2.0.5 Spulenpaar (schematisch) Die magnetische Flussdichte längs der Achse zweier identischer, flacher Kreisspulen (Abb. E.2.0.5) mit dem Radius R, die sich parallel und koaxial im Abstand b gegenüberstehen, erhält man aus der Addition der Felder der Einzelspulen. Es folgt für die magnetische Flussdichte im Abstand z vom Achsenmittelpunkt P0 I N R 2 B z 2 ­ ° ® ° ¯ 2 ª 2 § b· º «R ¨ z ¸ » 2 ¹ »¼ © «¬ 3 2 ª 2 § b· º «R ¨ z ¸ » 2 ¹ »¼ © ¬« (23) 3 ½ ° ¾ . ° ¿ 0 0,716 P0 NI . R B P0 H M P0 H P0 F m H = P0 1 F m H B B0 F m B0 . (24) Durchfließt der Strom die Spulen gegensinnig, nennt man die Spulenanordnung Maxwell-Spule und B(z = 0) = 0. P0 P r H . (25) In Gl. (25) sind P0 die magnetische Feldkonstante und Pr (Pr = 1 + Fm) die relative Permeabilität oder Permeabilitätszahl des magnetisierten Stoffs. Diese ist als Quotient der magnetischen Flussdichte im Stoff und der im Vakuum (Pr = B/B0) definiert. Für die durch den Stoff zusätzlich hervorgerufene magnetische Flussdichte, die auch als magnetische Polarisation J bezeichnet wird, gilt J Beide Spulen werden in gleicher Richtung vom Strom durchflossen. Für den Fall, dass der Abstand der Spulen gleich dem Spulenradius ist (Helmholtz-Spulenpaar, b = R), ergibt sich für die axiale Komponente der magnetischen Flussdichte in der Mitte zwischen beiden Spulen Bz Wird ein Stoff einem magnetischen Feld der Stärke H ausgesetzt, wird er magnetisiert. Die Magnetisierung M ist als Quotient aus dem magnetischen Moment m (Einheit A m2) der magnetisierten Probe und ihrem Volumen festgelegt. Sie hat demzufolge die gleiche Einheit wie die magnetische Feldstärke H (A/m) und wird als Beitrag eines Stoffs zum magnetischen Feld aufgefasst. Bei vielen Stoffen ist sie der magnetisierenden Feldstärke proportional, d. h. M = Fm H. Den Proportionalitätsfaktor Fm bezeichnet man als magnetische Suszeptibilität und für die magnetische Flussdichte B folgt Pr 1 P0 H (26) Damit beschreibt die magnetische Suszeptibilität Fm das Verhältnis von magnetischer Polarisation J (hervorgerufen durch einen magnetisch isotropen Stoff im Magnetfeld) und der magnetischen Flussdichte B0 im Vakuum: F m J B0 . Aus den Gln. (25) und (26) kann man den Zusammenhang zwischen Magnetisierung und magnetischer Polarisation ablesen: M J / P0 . (27) Durch die dimensionslosen Größen Fm und ȝr werden die magnetischen Eigenschaften von Stoffen charakterisiert und klassifiziert. 178 Elektrizitätslehre Für ferromagnetische Stoffe (z. B. Eisen, Nickel, Kobalt) ist Pr 1 bzw. F m 0 . Für paramagnetische Stoffe gilt Pr ! 1 bzw. F m ! 0 . Ferro- und Paramagnetika nehmen in einem magnetischen Feld eine diesem Feld gleichgerichtete Magnetisierung an. Bei diamagnetischen Stoffen erfolgt die Magnetisierung entgegen dem äußeren Feld ( Pr 1 , F m 0 ). Das unterschiedliche magnetische Verhalten der Stoffe kann durch deren unterschiedliche Elektronenstruktur erklärt werden. Die Elektronen als sich bewegende Ladungen erzeugen magnetische Momente (magnetisches Bahn- und magnetisches Spinmoment), deren Wechselwirkung mit dem äußeren Magnetfeld die Polarisation bzw. die Magnetisierung bestimmt. Bei den ferromagnetischen Stoffen, vor allem bei den Übergangsmetallen Eisen, Nickel und Kobalt, sind in erster Linie die unaufgefüllten inneren Elektronenschalen, die zu gleichgerichteten Spinmomenten führen, die Ursache der großen Pr-Werte. Dadurch bilden sich in einem ferromagnetischen Stoff als Folge der so genannten spontanen Magnetisierung auch ohne äußeres Magnetfeld größere Bereiche (lineare Ausdehnungen von 10 m bis 1 mm) gleichgerichteter Spinmomente (Elementarmagnete), die man Weiß’sche Bezirke nennt. Diese sind durch Grenzflächen, die Bloch’schen Wände, voneinander getrennt. Die Weiß’schen Bezirke sind im unmagnetisierten Zustand statistisch regellos verteilt und ergeben im Mittel keine Magnetisierung (unmagnetischer Stoff). Durch das Anlegen eines äußeren Magnetfelds an den ferromagnetischen Stoff kommt es zunehmend zur Orientierung der Weiß’schen Bezirke in Richtung des Felds. Bei Erhöhung der Temperatur nimmt die Ordnung der magnetischen Spinmomente ab, bis sie oberhalb der Curie-Temperatur TC vollständig zerstört wird. Die CurieTemperatur liegt für Eisen bei 1041 K, für 2 Elektrische und magnetische Felder Cobalt bei 1394 K und für Nickel bei 633 K. Oberhalb der Temperatur TC zeigt der ursprünglich ferromagnetische Stoff nur noch paramagnetisches Verhalten, und es gilt das Curie-Weiß-Gesetz F C /(T TC ) , wobei C die Curie-Konstante ist. Charakteristisch für ferromagnetische Materialien ist das nichtlineare Verhalten der magnetischen Flussdichte B in Abhängigkeit von der magnetischen Feldstärke H, das auf ein komplexes Verhalten der relativen Permeabilität zurückzuführen ist. Der spezielle Verlauf Pr (H ) ist nicht nur vom Material, sondern auch von dessen Herstellungsbedingungen abhängig. In Abb. E.2.0.6 ist die magnetische Flussdichte B in Abhängigkeit von der magnetisierenden Feldstärke H graphisch dargestellt (Hysteresekurve). B P1 BR P2 P6 P3 HC BR 0 HC H P5 P4 Abb. E.2.0.6 Neu- und Hysteresekurve eines ferromagnetischen Materials (schematisch) Bei vollständig entmagnetisiertem Material wächst die magnetische Flussdichte von null ausgehend bis zu einem Wert im Punkt P1 (Neukurve). Drei elementare Prozesse laufen dabei ab: 1. Mit zunehmender magnetischer Feldstärke H wächst anfangs die magnetische Flussdichte B als Folge so genannter reversibler BlochWand-Verschiebungen schnell an. 2.1 Elektrostatische Felder 2. Danach wird infolge der schwerer zu realisierenden, irreversiblen Wandverschiebungen der Anstieg geringer. Die Weiß’schen Bezirke, die annähernd in Feldrichtung orientiert sind, wachsen bei beiden Vorgängen auf Kosten benachbarter kleinerer Bereiche. 3. Wird H weiter erhöht, nimmt die Magnetisierung nur noch geringfügig durch Drehprozesse in den Weiß’schen Bezirken in Richtung des äußeren Magnetfelds zu (Sättigungsbereich). Die Vektoren der Magnetisierung weisen dann in Richtung des magnetisierenden Felds. Die Hysteresekurve nähert sich oberhalb der Sättigungsmagnetisierung Ms einer Geraden, die der Beziehung B P0 H M s genügt. Oberhalb der Sättigung wächst B demzufolge nur noch proportional zu H. Verringert man H von P1 aus, beobachtet man den Kurvenzug zwischen den Punkten P1 und P2. Bei H = 0 bleibt die Remanenz-Flussdichte BR (Remanenz) übrig. Um die magnetische Flussdichte wieder auf null zu bringen (B = 0), muss ein ausreichend großes Gegenfeld mit der Feldstärke H = HC (Koerzitivfeldstärke HC) an die Probe gelegt werden. Ist der Betrag der Koerzitivfeldstärke klein (HC < 10 A/m), spricht man von weichmagnetischen Werkstoffen, während bei großen Werten der Stoff als hartmagnetisch bezeichnet wird (z. B. Werkstoff für Dauermagnete, HC > 100 A/m). Bei einer zyklischen Veränderung der magnetisierenden Feldstärke wird der Kurvenzug P1, P2, ... , P6, P1 wiederholt durchlaufen, und die entsprechende Kurve nennt man Hysteresekurve bzw. Sättigungshystereseschleife. Die von der Hysteresekurve eingeschlossene Fläche (Einheit: Ws/m3) entspricht betragsmäßig der Energie, die bei einem Magnetisierungszyklus aufgewendet werden muss und die zur Erwärmung des Kernmaterials führt. Der Verlauf der Hysteresekurve hängt nicht nur von den Eigenschaften sondern auch von der Vorbehandlung (Vorgeschichte) des ferromagnetischen Werkstoffs ab. 179 2.1 Elektrostatische Felder Aufgabenstellung 1. Es soll der Verlauf der Potentiallinien zwischen zwei ebenen Elektroden (Plattenkondensatormodell) gemessen werden. Die Äquipotential- sowie die Feldlinien sind graphisch darzustellen und ihr Verlauf ist zu diskutieren. 2. Die Potentialverteilung im Querschnitt eines Zylinderkondensatormodells ist zu messen. Der gemessene radiale Verlauf des elektrischen Potentials soll mit dem berechenbaren Verlauf verglichen werden. 3. Der Verlauf der Äquipotential- und Feldlinien in einem Modell einer spitzenförmigen und einer ebenen Elektrode ist zu ermitteln und zu diskutieren. Für die Durchführung der Aufgaben werden zweidimensionale Elektrodenanordnungen verwendet. Das von geladenen Elektroden erzeugte elektrische Feld ist das gleiche, unabhängig davon, ob sich die Elektroden in Luft (Vakuum) oder in einem Elektrolyten befinden, sofern außer den Elektroden keine weiteren Quellen oder Senken des elektrischen Felds existieren. In den verschiedenen Versuchsanordnungen sind die Elektroden als Äquipotentialflächen zu betrachten, die an allen Stellen gleiches Potential besitzen. Diese Bedingung wird praktisch dadurch erfüllt, dass die elektrische Leitfähigkeit zwischen den Elektroden vernachlässigbar gegenüber der Leitfähigkeit der Elektrodenmodelle ist. Im Experiment erreicht man das durch schwach leitende elektrolytische Flüssigkeiten oder wie im vorliegenden Fall durch spezielles Kontaktpapier geringer Leitfähigkeit. Zur Ermittlung des Feldlinienverlaufs tastet man die Spannungen zwischen den Elektroden mit einer Messspitze in den einzelnen Punkten des Felds zwischen den Elektroden ab. Dadurch erhält man die Äquipotentiallinien, die die Flächen gleichen Potentials 180 Elektrizitätslehre 2 Elektrische und magnetische Felder repräsentieren. Die elektrischen Feldlinien sind dann die zu diesen Flächen orthogonalen Kurvenscharen. Versuchsausführung Die Elektroden werden an eine Gleichspannung (Quellenspannung U0) angeschlossen. Mit einer Messspitze wird anschließend die Oberfläche des Kontaktpapiers abgetastet und die Spannungsdifferenz zwischen einer der beiden Elektroden und einem Punkt zwischen ihnen mit einem hochohmigen Voltmeter (Innenwiderstand größer als 106 :) gemessen. Der Spannungswert entspricht dem Potential am Messpunkt in Bezug auf die mit dem Messgerät verbundene Elektrode. In Aufgabe 1 ist der Verlauf der Äquipotentiallinien zwischen zwei ebenen Elektroden mit dem Abstand d zu ermitteln und das elektrische Feld in Bezug auf seine Homogenität zu überprüfen. Dazu werden längs der mittleren Verbindungsachse der Elektroden (x-Koordinate) an verschiedenen Punkten die Spannungen U(x) gemessen. Unter der Annahme eines konstanten elektrischen Flusses (< e E A ) zwischen den Platten mit der Fläche A erhält man mit Gl. (7) U x U0 x , d (28) wobei U0 = U (x = d ) ist. Anschließend sind für eine Seite oberhalb oder unterhalb der Symmetrieachse weitere Spannungswerte zu messen, um den Potentialverlauf zwischen den Elektroden auch in der zweidimensionalen Darstellung hinreichend genau zeichnen zu können. Die Messungen sollen bis über die Enden der Elektroden erfolgen, um den Übergang zum inhomogenen Feld zu erkennen. Der Verlauf der Äquipotential- und Feldlinien ist graphisch darzustellen und soll diskutiert werden. In Aufgabe 2 ist die Potentialverteilung im Modell eines Zylinderkondensators in Bezug auf die Innenelektrode (Durchmesser 2ri) wieder mittels einer Messspitze (MS) zu messen (Abb. E.2.1.1). Das Modell besteht aus zwei konzentrischen Elektroden mit den Radien ri und ra. An den Elektroden liegt die Spannung U0 an. Es ist zu erwarten, dass die Äquipotentiallinien konzentrische Kreise um den Mittelpunkt der Elektrodenanordnung sind, da die Elektroden als Zylinderoberflächen Äquipotentialflächen entsprechen. ra V r ri MS U Abb. E.2.1.1 Versuchsanordnung (schematisch) zur Messung der Potentialverteilung in einem Zylinderkondensator-Modell Mit Hilfe der Potentialtheorie (E.2.0.1) kann die Spannungsabhängigkeit U(r) hergeleitet werden. Nach Gl. (5) gilt hier für den elektrischen Fluss <e (r) = E(r) A(r) = const und in Bezug auf die Elektrodenanordnung des Zylinderkondensators (Länge L) \ e r E r 2ʌ r L E ra 2ʌ ra L . (29) Setzt man E(r) nach Gl. (29) in Gl. (7) ein, folgt r r E ra ra U r ³ E r c d r c ³ drc . rc r r i i Nach der Integration in den Grenzen ri und r, ergibt sich U r E ra ra ln(r / ri ) . (30) Mit der Randbedingung U(ra) = U0 folgt U ra U 0 E ra ra ln( ra / ri ) und mit Gl. (30) erhält man U r §r· U0 ln ¨ ¸ . ln ra ri © ri ¹ (31) 2.2 Magnetfelder in Spulen 181 Die radiale Verteilung des Betrags der elektrischen Feldstärke erhält man gemäß Gl. (9) mit E r dU r dr U0 1 . ln ra ri r (32) Wegen der Rotationssymmetrie der Anordnung genügt es, die Messung längs eines beliebigen Radius zu realisieren. Zur Erhöhung der Genauigkeit sollen die Messungen von U(r) aber längs vier verschiedener, um etwa 90 q versetzter Radien vom Mittelpunkt nach außen erfolgen. Die gemittelten Spannungswerte sind graphisch in einem einfachlogarithmischen Koordinatensystem mit der Abszisse ln r und der Ordinate U(r) darzustellen. Mit den zu messenden Radien ri und ra ist der theoretische Verlauf nach Gl. (31) zu berechnen und in das Diagramm einzuzeichnen. Zusätzlich soll die Abhängigkeit der elektrischen Feldstärke in Abhängigkeit vom Radius unter Berücksichtigung von Gl. (32) analysiert und diskutiert werden. V MS s U U(s) Abb. E.2.1.2 Versuchsanordnung (schematisch) zur Messung der Potentialverteilung zwischen einer ebenen und spitzen Elektrode In Aufgabe 3 ist der Verlauf der Äquipotentiallinien am zweidimensionalen Modell einer positiv geladenen Elektrodenspitze gegenüber einer negativ geladenen ebenen Elektrode zu ermitteln. Für fünf vorgegebene Spannungswerte sind die Punkte gleichen Potentials in ausreichend kleinen Abständen zu messen. Dabei ist zu beachten, dass die Dichte der Äquipotentiallinien nahe der Spitze besonders hoch ist. Längs der Symmetrieachse s (Abb. E.2.1.2) zwischen der Elektrodenspitze und der ebenen Elektrode sind die Spannungswerte U(s) zu messen. Es ist der Verlauf der Äquipotentiallinien graphisch darzustellen und zu erörtern. Mittels der graphischen Darstellung U (s) soll die Änderung des Betrags der elektrischen Feldstärke zwischen der ebenen Elektrode und der Spitzenelektrode diskutiert werden. Dazu ist über den Anstieg der Tangente der Betrag der elektrischen Feldstärke für verschiedene Abstände längs der Symmetrielinie zu bestimmen. 2.2 Magnetfelder in Spulen Aufgabenstellung 1. Es ist die axiale Verteilung der magnetischen Flussdichte in einer langen Zylinderspule (Solenoid) aufzunehmen. Die gemessene und die berechnete Verteilung sollen graphisch dargestellt und verglichen werden. 2. Für eine flache Kreisspule soll die magnetische Flussdichte längs der Spulenachse gemessen und mit dem theoretischen Verlauf verglichen werden. 3. Die axialen Feldverteilungen sind für ein Paar flacher Kreisspulen für drei vorgegebene Spulenabstände zu messen. Der Verlauf der Feldverteilungen ist mit der Theorie zu vergleichen. Das Versuchszubehör enthält die verschiedenen Spulen, das Magnetfeldmessgerät (digitales Teslameter mit axialer Feldsonde), ein regelbares Gleichstrom-Labornetzgerät und ein Digitalmultimeter zur Stromstärkemessung. Bei Aufgabe 1 ist die in Abb. E.2.2.1 schematisch dargestellte Schaltung mit einer Zylinderspule bekannter Geometrie mit N Windungen aufzubauen, wobei man die Stärke des Spulenstroms über das regelbare Labornetzgerät mit Konstantstrombetrieb 182 Elektrizitätslehre 2 Elektrische und magnetische Felder einstellen kann. Es ist bei allen Messungen die für die jeweilige Spule am Arbeitsplatz angegebene zulässige maximale Stromstärke zu beachten. Die Messung der axialen Verteilung B(z) erfolgt bei allen Spulenanordnungen mit einem Teslameter, dessen Axialfeldsonde längs der Spulenachse verschoben werden kann. Die Axialfeldsonde besteht aus einem langen Rohr, in dem an einem Ende eine Hall-Sonde (Hall-Effekt, E.2.4) befestigt ist. Die zu vermessende Spule und die Axialfeldsonde befinden sich z. B. auf einer optischen Bank, an der ein Millimetermaßstab befestigt ist, um Abstände hinreichend genau einstellen zu können. Es ist darauf zu achten, dass man die Feldsonde exakt längs zur Spulenachse ausrichtet. U A mT Abb. E.2.2.1 Zylinderspule und Teslameter (mT) mit Axialfeldsonde (Hall-Sonde rot markiert) zur Messung der axialen Verteilung der magnetischen Flussdichte Zur Überprüfung der Kalibrierung des Teslameters steht eine entsprechende Kalibrierspule zur Verfügung. Für diese lassen sich die Werte der magnetischen Flussdichte bei gegebener Stromstärke nach Gl. (20) berechnen oder sind für ausgewählte Stromstärken bekannt. Bevor man mit den Messungen beginnt, wird zunächst die Nullpunkteinstellung des Teslameters kontrolliert und falls erforderlich korrigiert. Während der Messungen ist die korrekte Nullpunkteinstellung einige Male zu überprüfen. Versuchsausführung In Aufgabe 1 wird zur Messung der axialen Feldverteilung B(z) die Feldsonde in der Mitte der Zylinderspule (z = L/2) angeordnet. Anschließend verschiebt man die Sonde schrittweise bis einige Zentimeter über den Anfang der Spule (z = 0) hinaus. Die Messwerte der magnetischen Flussdichte sind in einer Tabelle zu notieren. Es genügt wegen der bestehenden Symmetrie der Feldverteilung in Bezug auf die Spulenmitte, die Messung nach einer Seite auszuführen. In die graphische Darstellung der Verteilung B(z) sind neben den gemessenen auch die nach Gl. (20) berechneten Werte einzuzeichnen. Insbesondere soll überprüft werden, ob an den Enden der Spule der Wert der magnetischen Flussdichte um die Hälfte kleiner als in der Mitte der Spule ist. Bei Aufgabe 2 wird die Zylinderspule gegen eine flache Kreisspule ausgetauscht und die Messung der Werte für die graphische Darstellung der axialen Feldverteilung ist nach beiden Seiten der Spulenebene durchzuführen. Der kleinste Wert B(z) soll etwa ein Zehntel des Maximalwerts in der Spulenmitte B(z = 0) betragen. In das Diagramm der axialen Feldverteilung sollen auch die nach Gl. (22) berechneten Werte eingezeichnet werden. Falls Abweichungen zwischen den experimentell und den rechnerisch ermittelten Werten auftreten, die außerhalb der Messunsicherheiten liegen, sind die dafür möglichen Ursachen zu erörtern und ggf. durch Wiederholung der Messung zu klären. In Aufgabe 3 sollen die axialen Feldverteilungen der magnetischen Flussdichte B(z) für drei Abstände b (b = R/2, b = R und b = 2R) zwischen zwei identischen, flachen Kreisspulen mit dem Radius R (Abb. E.2.0.5) ebenfalls mit der Axialfeldsonde aufgenommen werden. Die beiden Spulen werden in einer Reihenschaltung betrieben, d. h., der Strom durchfließt die Spulen in gleicher Richtung. Um alle drei Verteilungen maßstabsgerecht in einem Diagramm darzustellen, ist es zweckmäßig, zu Beginn der Messungen einen Maximalwert für die Flussdichte beim kleinsten Spulenabstand (b = R/2) festzule- 2.3 Magnetische Hysterese gen. Für die Diskussion der drei Verteilungskurven sollen auch die Spulenpositionen eingezeichnet werden. Im Rahmen der Auswertung bestimmt man auch die Extremwerte der Verteilungen und vergleicht diese mit den berechneten Werten nach Gl. (23). Falls eine geeignete Software zur Verfügung steht, können zusätzlich die berechneten Verteilungen in das Diagramm übernommen werden. Von Bedeutung ist die Abschätzung des homogenen Feldbereichs, z. B. für den Fall b = R die relative Änderung der magnetischen Flussdichte um 1 % gegenüber dem Wert in der Mitte des Spulenpaars. Ergänzend soll qualitativ der Fall untersucht werden, bei dem der Strom in entgegengesetzten Richtungen durch die Spulen fließt. 2.3 Magnetische Hysterese 183 men, muss man den Übergang von H0 zu H realisieren, den man Zurückscheren nennt. Nach dem Durchflutungsgesetz in Gl. (15) besteht zwischen der magnetischen Feldstärke H0 und einem die N Windungen der Spule durchfließenden Strom I im vorliegenden Fall die Beziehung H0 l NI Vm , wobei sich l auf die Länge des magnetischen Kreises bezieht und die Größe Vm die magnetische Spannung (Einheit A) ist. I lFe A d U r Aufgabenstellung 1. Mit einem Teslameter sind die Neukurve und die Hysteresekurve eines ferromagnetischen Materials aufzunehmen. Die Remanenz und die Koerzitivfeldstärke sollen bestimmt werden. 2. Die Werte der relativen Permeabilität Pr sind zu ermitteln und in Abhängigkeit von der Feldstärke HFe graphisch darzustellen. Dem Diagramm ist der Maximalwert der relativen Permeabilität zu entnehmen. Die zur Beschreibung des Verhaltens ferromagnetischer Stoffe im magnetisierenden Feld eingeführte Feldstärke H (E.2.0.3) bezieht sich auf die im Inneren des Stoffs herrschende Feldstärke H = HFe, die im Allgemeinen verschieden von der ohne magnetisierenden Stoff vorhandenen äußeren Feldstärke H0 ist. Die für einen ferromagnetischen Stoff erhaltene Kurve B(H0) nennt man gescherte Kurve, deren Verlauf außer von den magnetischen Eigenschaften des Probekörpers auch maßgeblich von dessen Form abhängt. Um zu einer formunabhängigen (ungescherten) Hysteresekurve B(H) zu kom- (33) Abb. 2.3.1 Ringspule mit Eisenkern und Luftspalt zur Aufnahme der Hysteresekurve Der in Abb. E.2.3.1 dargestellte magnetische Kreis der bei Aufgabe 1 verwendeten Ringspule (Toroid) mit Eisenkern und Luftspalt enthält zwei verschiedene magnetische Stoffe. Durch die Addition der beiden Anteile ergibt sich als magnetische Gesamtspannung Vm NI H Fe lFe H Lu d H0 l . (34) Dabei sind lFe die mittlere Länge des Eisenkerns, d die Breite des Luftspalts und l die mittlere Gesamtlänge l = lFe + d des magnetischen Kreises. Für die Normalkomponenten der magnetischen Flussdichte bei nicht zu großen Spaltbreiten gilt Bn,Fe = Bn,Lu = B. Damit folgt für die magnetische Flussdichte im Eisenkern wie auch im Luftspalt B P0 P r H Fe P0 H Lu P0 P H 0 . (35) In Gl. (35) ist B die mit dem Teslameter ge- 184 Elektrizitätslehre 2 Elektrische und magnetische Felder messene magnetische Flussdichte im Luftspalt. Mit der Bedingung d lFe und somit l # lFe ergibt sich aus den Gln. (34) und (35) in guter Näherung H Fe H0 B d P0 l . (36) Die Feldstärke HFe im Eisen ist geringer als die Feldstärke H0 außerhalb des Materials. Man bezeichnet diese Erscheinung auch als Entmagnetisierung. Mit den Gln. (34) und (35) ist die Berechnung der Flussdichte B in Abhängigkeit von der Breite d des Luftspalts möglich: B P0 Pr N I . l Pr d Die magnetische Flussdichte für einen konstanten Spulenstrom und dementsprechend für ein konstantes Magnetisierungsfeld nehmen speziell bei großen Pr-Werten mit wachsender Spaltbreite deutlich ab. Um die ungescherte Hysteresekurve B(H = HFe ) graphisch darstellen zu können, sind die korrigierten Werte der magnetischen Feldstärke nach Gl. (36) zu bestimmen. Der Pr-Wert des Eisenkerns in Abhängigkeit von der Feldstärke HFe kann unter Berücksichtigung der Gln. (35) und (36) berechnet werden: 1 Pr § 1 d· ¨ ¸ , l¹ ©P P* B P0 H 0 . (37) Versuchsausführung Zu Beginn des Versuchs ist der mit einem schmalen Luftspalt versehene Eisenkern einer Ringspule in einem magnetischen Wechselfeld abnehmender Amplitude zu entmagnetisieren. Dazu wird die Toroidspule an einem regelbaren Trennstelltransformator angeschlossen und dessen Spannung von einem vorgegebenen Maximalwert langsam bis auf null gesenkt. Bei Aufgabe 1 baut man die in Abb. E.2.3.1 dargestellte Schaltung mit einem regelbaren Gleichstrom-Labornetzgerät, der Ringspule mit N Windungen und einem Digitalmultimeter für die Messung der Stromstärke auf. Mit dem Labornetzgerät ist die Veränderung des Erregerstroms zur Erzeugung des magnetisierenden Spulenfelds möglich. Das kreisförmige magnetische Feld im Inneren einer dicht gewickelten Ringspule kann mit dem Durchflutungsgesetz nach Gl. (15) für Spulen ohne Eisenkern berechnet werden. Dabei entspricht der Radius r einem mittleren Radius der Ringspule in Abb. E.2.3.1. Ist der Radius viel größer als die Dicke der Spule, ist das Magnetfeld im Inneren der Spule ausreichend homogen. Bei Kenntnis von N und r sowie durch Messung von I ist seine Bestimmung mit H 0 N I / (2 ʌ r ) möglich. Die magnetische Flussdichte B wird mit einem Magnetfeldmessgerät (digitales Teslameter mit tangentialer Feldsonde) gemessen, dessen Feldsonde zwischen den Polflächen im Luftspalt befestigt und senkrecht zu diesen ausgerichtet wird. Für die Aufnahme der Neukurve und der Hysteresekurve bzw. -schleife wird schrittweise der Strom bis zu einem gegebenen Maximalwert (Sättigungsbereich) erhöht und anschließend der in Abb. E.2.0.6 skizzierte Zyklus durchlaufen. Die Umkehr des Felds erfolgt bei I = 0 durch Umpolung der Gleichspannung. Zur graphischen Darstellung von Neukurve und Hysteresekurve B(HFe) sind aus den Werten H0 mit Gl. (36) bei gegebenen Werten für l und d die Werte für HFe zu berechnen. Aus den Schnittpunkten des Graphen der Hystereseschleife mit den Koordinatenachsen bestimmt man die Werte für die Remanenz BR und die Koerzitivfeldstärke HC. Für Aufgabe 2 sind die Werte der Permeabilität Pr nach Gl. (37) zu berechnen und graphisch als Funktion der Feldstärke im Kernmaterial HFe darzustellen. Der Verlauf der Kurve soll diskutiert werden. Aus dem Maximum des Graphen bestimmt man den Maximalwert der Permeabilität Pr,max. 2.4 Hall-Effekt 185 2.4 Hall-Effekt Aufgabenstellung 1. Es sind die Hall- und die Probenspannung einer dotierten Halbleiterprobe bei konstanter Temperatur und konstanter Stromstärke in Abhängigkeit von der magnetischen Flussdichte zu messen. Aus dem Vorzeichen der Hall-Spannung und den Richtungen von Strom und Magnetfeld kann man die Art der Ladungsträger ermitteln. Die Hall-Spannung ist als Funktion der magnetischen Flussdichte graphisch dazustellen und aus dem Anstieg der Ausgleichsgeraden die Hall-Konstante zu bestimmen. 2. Die Leitfähigkeit der Hall-Probe ohne Magnetfeld soll bestimmt werden. Mit der Hall-Konstante von Aufgabe 1 kann die Beweglichkeit und die Dichte der Ladungsträger ermittelt werden. 3. Die Änderung des Widerstands der HallProbe ist in Abhängigkeit von der magnetischen Flussdichte in einem Diagramm darzustellen. Der Verlauf des Graphen soll diskutiert werden. Eine dotierte Halbleiterprobe (Querschnittsfläche ( A = a d ) soll parallel zu ihren Längsseiten (x-Richtung) von einem Gleichstrom der Stärke Ix durchflossen werden. Sie befindet sich in einem homogenen Magnetfeld, das in z-Richtung die Probe senkrecht durchsetzt (Abb. E.2.4.1). Als Folge der Wirkung der Lorentz-Kraft FL,y Q vx Bz (38) in y-Richtung auf die Bewegung der Ladungsträger (Ladung Q, Betrag der Geschwindigkeit vx) werden diese aus ihrer ursprünglichen Richtung zu einer der Längsseiten der Probe abgelenkt. Je nach Vorzeichen der Ladungsträger kommt es dabei zu einer Ansammlung von Ladungen an der Vorder- oder Rückseite der Probe, die ein elektrisches Querfeld (Feldstärke EH,y) verursachen, das der Lorentz-Kraft entgegen wirkt. Im stationären Fall haben die elektrostatische Feldkraft (FE,y = Q EH,y) und die Lorentz-Kraft gleichgroße Beträge, so dass sich zwischen zwei symmetrischen Punkten P1 und P2 der Probe eine konstante Spannung UH einstellt. B P2 a Ix d P1 V z UH y x Abb. E.2.4.1 Hall-Effekt (schematisch) Aus Q EH,y = Q vx Bz sowie unter der Voraussetzung eines homogenen elektrischen Querfelds EH,y=UH /a (a Breite der Probe) folgt UH a vx Bz . (39) Diese Erscheinung ist der Hall-Effekt und die Spannung UH wird als Hall-Spannung bezeichnet. Für die Stromdichte j ergibt sich mit der Probendicke d aus Gl. (E.1-10) Ix jx . (40a) ad Mit den Gln. (E.1-13) und (E.1-12) gilt jx V Ex P n q Ex n q vx . (40b) Darin sind V die elektrische Leitfähigkeit, Ex die in Stromrichtung wirkende elektrische Feldstärke, q die Ladung (Elektronen q = e, Löcher q = e, Elementarladung e), n die Ladungsträgerdichte, P die Beweglichkeit und vx die Driftgeschwindigkeit der jeweiligen Ladungsträger. Für die Beweglichkeit der Ladungsträger folgt P vx Ex V nq . (41) Mit den Gln. (39), (40a) und (40b) ergibt sich 186 Elektrizitätslehre 2 Elektrische und magnetische Felder für die Hall-Spannung UH 1 1 I x Bz a jx Bz nq nq d P I x Bz . (42) V d Tabelle E.2.1 Typische Werte des Hall-Koeffizienten AH ausgewählter Stoffe1 Die Größe AH P V 1 nq (43) nennt man Hall-Konstante oder HallKoeffizient, so dass für die Hall-Spannung auch UH AH I x Bz d (44) geschrieben werden kann. Bei der in einer Halbleiterprobe möglichen Elektronen- (nLeitung) und Löcherleitung (p-Leitung) ergibt sich unter den Voraussetzungen eines vereinfachten klassischen Modells zur Bewegung von Ladungsträgern die Beziehung AH 1 e § V p2 V2 n2 ¨¨ 2 nn V © np V · ¸¸ , ¹ (45) wobei np bzw. nn die jeweiligen Ladungsträgerdichten sind. In Gl. (45) ist berücksichtigt, dass sich die Leitfähigkeit V der Probe aus der Elektronen- (Vn ) und der Löcherleitfähigkeit (Vp ) additiv zusammensetzt. Die Größe von AH hängt somit von den Konzentrationen der Ladungsträger und den entsprechenden Beweglichkeiten ab. Im Falle einer Überschussleitung mit np >> nn und daraus folgend V | Vp erhält man als Hall-Konstante für die Löcherleitung AH,p Vorzeichen von AH lassen sich damit die Ladungsträgerdichte, der Leitungstyp und die Beweglichkeit der Ladungsträger bestimmen. 1 np e Pp . V (46a) Mit nn >> np (V | Vn) folgt für die Elektronenleitung P 1 (46b) AH,n n . V nn e Dabei sind Pp,n die Löcher- bzw. die Elektronenbeweglichkeit. Aus der Größe und dem Kupfer AH | 610-11 m3 C-1 Silber AH | 9,010-11 m3 C-1 Zink AH | 710-11 m3 C-1 Silizium und AH | 10-3…10-1 m3 C-1 Germanium 1 Der Wert AH hängt stark von Temperatur, Reinheitsgrad und Kristallstruktur ab. Versuchsausführung Bei Aufgabe 1 ist die Halbleiterprobe (PR, Abb. E.2.4.2), die sich auf einer Platine (PL) befindet, zwischen den abnehmbaren Polschuhen eines Elektromagneten zu befestigen. An dieser Stelle wird auch die Messsonde eines Teslameters zur Messung der magnetischen Flussdichte befestigt. Nachdem die Polschuhe aufgesetzt wurden, ist die Beschaltung nach Abb. E.2.4.2 vorzunehmen. UH ϑ V PL 1 A I 3 PR 4 2 V UPr Abb. E.2.4.2 Schaltung zur Hall-Probe Anschließend stellt man mit einer regelbaren Konstantstromquelle den vorgegebenen Probenstrom I = Ix ein. Es sind bei Zimmertemperatur zwischen den Anschlüssen 1 und 2 die Hall-Spannung UH und zwischen den Anschlüssen 3 und 4 die Probenspannung UPr in Abhängigkeit von der magnetischen Flussdichte B zu messen. Die Magnetstromversorgung erfolgt durch ein Labornetzgerät, wobei 2.5 Transformator 187 die angegebene maximale Stromstärke für die Magnetspulen zu beachten ist. Die auch ohne Magnetfeld (B = Bz = 0) zwischen den Kontakten 1 und 2 anliegende Spannung kann entweder elektrisch kompensiert oder rechnerisch berücksichtigt werden. Zur Kontrolle einer konstanten Probentemperatur ist ein Thermoelement an der Probe befestigt. Bei Aufgabe 1 ist mit dem Anstieg der Ausgleichsgeraden in der graphischen Darstellung UH(B) sowie mit den bekannten Werten der Probendicke d und des konstanten Probenstroms I nach Gl. (44) die Hall-Konstante zu bestimmen. Aus den bekannten Richtungen von Strom und Flussdichte sowie dem Vorzeichen der Hall-Spannung kann ermittelt werden, ob Elektronen- oder Löcherleitung vorliegt. Dementsprechend wird das Vorzeichen für die Hall-Konstante festgelegt. Bei Aufgabe 2 bestimmt man die Leitfähigkeit V0 der Probe ohne Feld aus den gemessenen Werten der Probenspannung UPr (B = 0) und des Probenstroms sowie den bekannten Abmessungen der Probe mit V0 1 l R0 A I l . U Pr B 0 A (47) Dabei sind R0 der Probenwiderstand bei B = 0 und l die Länge der Probe. Die Querschnittsfläche A der Probe wird mit den gegebenen Werten für die Dicke d und die Breite a der Probe berechnet. Damit erhält man aus den Gln. (46a) oder (46b) unmittelbar die Dichte und auch die Beweglichkeit der Ladungsträger. Die Änderung des Widerstands der Hall-Probe (Änderung der Probenspannung) in Abhängigkeit von der magnetischen Flussdichte ist auf magnetoresistive Effekte zurückzuführen. Für nicht zu große magnetische Felder entsteht dadurch ein Spannungsabfall längs der Probe, der proportional zu B2 ist. In Aufgabe 3 soll infolge der kleinen Änderungen des Probenwiderstands dessen relative Änderung (R(B)R0)/R0 in Abhängigkeit von der Flussdichte B graphisch dargestellt und mit einer Parabelan- passung die quadratische Abhängigkeit von der magnetischen Flussdichte überprüft werden. Die Temperatur muss bei allen Messungen konstant bleiben. 2.5 Transformator Aufgabenstellung 1. Es ist für den unbelasteten Transformator die Abhängigkeit des Primärstroms, der primären Wirkleistung und der Sekundärspannung von der Primärspannung zu messen. Aus den Messwerten sind die Spannungsübersetzung, der Betrag des Phasenwinkels, der Verluststrom und der Magnetisierungsstrom in Abhängigkeit von der Primärspannung zu ermitteln. Verlust- und Magnetisierungsstromstärke sowie der Betrag des Phasenwinkels sollen in geeigneten Koordinatenmaßstäben in einem Diagramm graphisch dargestellt werden. 2. Bei einer konstanten Primärspannung sind der Primärstrom, die primäre Wirkleistung und die Sekundärspannung in Abhängigkeit von der ohmschen Belastung der Sekundärseite zu messen. Der Einfluss des Sekundärstroms auf den Magnetisierungs- und den Verluststrom sowie auf den Wirkungsgrad wird in einem Diagramm mit geeigneten Koordinatenmaßstäben dargestellt. Zusätzlich sind die Änderungen des Betrags des Phasenwinkels sowie die Änderungen des Verhältnisses der Leistungen (PCu /PFe ) in Abhängigkeit von der Belastung des Transformators zu diskutieren. Der Transformator ist ein Gerät zur verlustarmen Transformation von Wechselspannungen und Wechselströmen sowie zur Widerstandsanpassung (Leistungsanpassung). Er besteht im Prinzip aus zwei über einen Eisenkern induktiv gekoppelten Spulen, der Primärspule mit der Windungszahl Np und der Sekundärspule mit der Windungszahl Ns. Beim verlustfreien (idealen) Transformator ist die der Primärspule zugeführte elektrische 188 Elektrizitätslehre 2 Elektrische und magnetische Felder Wirkleistung gleich der elektrischen Leistung, die man der Sekundärspule entnehmen kann. Im unbelasteten Fall gilt für das Verhältnis der Ausgangs- zur Eingangsspannung, d. h. der Effektivwerte von Sekundär-(Us) zu Primärspannung (Up): Us Up Ns . Np (48) Dieses wird auch als Spannungsübersetzung bezeichnet. Die Begründung von Gl. (48) ist z. B. durch die Erörterung der prinzipiellen Wirksamkeit des idealen unbelasteten Transformators möglich, wobei die Darstellung der Wechselstromgrößen analog zur DIN 5483 bzw. E.3.0.2 erfolgt. Die an den Transformator bei sekundärseitigem Leerlauf primärseitig angelegte Spannung up erzeugt eine Magnetisierungsstromstärke im in der Primärspule, deren Stärke von der Höhe der Primärspannung und dem induktiven Widerstand der Primärwicklung bestimmt wird. Dieser Strom erregt in der Primärspule ein Magnetfeld H, das im Eisenkern die magnetische Flussdichte B und den magnetischen Fluss ) erzeugt: P A Np ) t B t A im . lp Darin sind A der Querschnitt, lp die mittlere Länge des Kerns und P = Pr P0 die Permeabilität des Kernmaterials. Die Stärke des Magnetisierungsstroms ist hierbei gleich der des Primärstroms (ip = im). Die zeitlichen Änderungen von up und ip sollen harmonischen Funktionen genügen: up (t ) uˆp cos(Z t ) , ip = iˆ sin(Z t ) . Da der magnetische Fluss ) (t) im idealisierten Fall den gesamten Eisenkern ohne Verluste durchsetzt, induziert dieser sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärspule die Induktionsspannungen up,L und us,L (Index L bezieht sich auf den Leerlaufbetrieb) mit d) t up,L N p , (49a) dt us,L Ns d) t . (49b) dt Die induzierte Spannung up,L ist der am Eingang der Primärspule liegenden Spannung up entgegengesetzt gleich (up,L = up, Selbstinduktion). Zwischen den Enden der Sekundärwindungen erzeugt die induzierte Sekundärspannung us,L die Spannung us. Da die zeitliche Abhängigkeit von up,L durch die Kosinusfunktion, die von im durch die Sinusfunktion des gleichen Arguments beschrieben wird, eilt demzufolge up dem Primärstrom um 90° voraus (Abb. E.2.5.1a). Der Primärstrom als Magnetisierungsstrom ist also ein reiner Blindstrom (Pp = Up Ip cosM = 0). Seine Größe ist durch die Primärspannung Up und den induktiven Widerstand der Primärspule (Induktivität Lp) bestimmt: Im U p / (Z Lp ) . (50) a) Up I p’ Up Ip,L Im Φ b) Ip,B ϕ IB Φ Im Is Us,L Us Abb. E.2.5.1 Zeigerdiagramm eines verlustlosen Transformators, a) im Leerlauf, b) bei ohmscher Belastung (schematisch) Beim idealen belasteten Transformator erzeugt der Wechselstrom is in der Sekundärspule ein zusätzliches Feld Hs. Dieses würde den magnetischen Fluss schwächen, der aber durch die konstante äußere Spannung Up festgelegt ist. Als Folge davon entsteht in der Primärspule ein zusätzlicher Strom iB (Index B für Belastung), der ein Feld Hp,B bewirkt, das Hs kompensieren muss. Mit H s H p,B 0 , H s v N s is und H p,B v N p iB 2.5 Transformator 189 für Spulen gleicher Länge und mit konstantem Querschnitt des Eisenkerns erhält man für das Verhältnis der Effektivwerte Ns . Np IB IS (51) Die Ströme IB und Is sind entgegengesetzt gerichtet (Abb. E.2.5.1b) und für den Effektivwert des Primärstroms I pc ergibt sich I pc I p,L Ns Is . Np Für die primärseitig aufgenommene Wirkleistung des belasteten Transformators folgt Pp,w U p I p,B cos M . (52a) Beim idealen Transformator mit ausschließlich ohmscher Belastung entspricht sie der sekundärseitig entnommenen Wirkleistung Ps,w U s Is . (52b) In der Realität treten bei Transformatoren eine Reihe von Verlusten auf, z. B. Kupfer-, Eisen- und Streuverluste: Kupferverluste (RCu): Die Spulenwicklungen besitzen einen ohmschen Widerstand, der bei Stromfluss eine Erwärmung verursacht. Die entsprechende Leistung ist proportional zum Quadrat der Stromstärke. Damit steigen die Kupferverluste quadratisch mit der Größe des Belastungsstroms. Die Kupferverluste wirken wie ein Wirkwiderstand, der mit dem Blindwiderstand der Spulen in Reihe liegt. Streuverluste: Das Magnetfeld entsteht nicht nur im Eisenkern, sondern in geringem Maße auch außerhalb des Kerns. Beide Spulen werden aber vom magnetischen Fluss im gemeinsamen Kern durchsetzt, so dass der Streufeldanteil nicht zur Induktion beitragen kann. Das Magnetfeld der Spulen und deren Streuanteile hängen von der Primärspannung des Transformators ab. Die Streuverluste wirken wie ein zusätzlicher induktiver Widerstand, der mit dem induktiven Widerstand der Spulenwicklungen in Reihe liegt. Eisenverluste (RFe): Man unterscheidet bei den Eisenverlusten zwischen Wirbelstrom- und Hystereseverlusten. Der Eisenkern eines Transformators besteht aus dünnen, gegeneinander isolierten Weicheisenblechen, um die Bildung von Wirbelströmen weitgehend zu vermeiden. Ihre nicht vollständige Unterdrückung bedingt eine Erwärmung des Eisenkerns. Ebenso führt das ständige Ummagnetisieren des Eisens zur Wärmeentwicklung, die man als Ummagnetisierungs- oder Hystereseverluste bezeichnet. Ihre Größe ist durch den Flächeninhalt der Hystereseschleife und das Volumen des Kernmaterials bestimmt (E.2.0.3). In beiden Fällen wird die der Erwärmung entsprechende Leistung der äußeren Stromquelle entnommen. Der Eisenverlust wirkt wie ein ohmscher Widerstand, der zum induktiven Blindwiderstand der Primärspule parallel liegt. Der Wirkungsgrad eines Transformators ist als Verhältnis der abgegebenen zur aufgenommenen Wirkleistung definiert: K Ps,w Pp,w . (53) Zur Berechnung der Ströme und Spannungen des verlustbehafteten Transformators kann über die in der Elektrotechnik übliche Vierpoldarstellung eine Ersatzschaltung (hier unter Vernachlässigung der Streuverluste) abgeleitet werden, bei der man alle Widerstände auf die Primärseite transformiert. Es lassen sich dabei alle Sekundärgrößen so umrechnen, dass die in den beiden Windungen induzierten Spannungen die gleiche Größe haben und die Leistungen erhalten bleiben. Daraus folgt mit Rp I p2 Rs I s2 und ü = (Ns /Np), dass die Widerstände bei dieser Transformation mit 1/ü2 multipliziert werden müssen. Mit Hilfe der in Abb. E.2.5.2 darge- 190 Elektrizitätslehre 2 Elektrische und magnetische Felder stellten Ersatzschaltung ist es auch möglich, diejenigen Anteile der beiden Spulen, die zum gemeinsamen magnetischen Fluss beitragen, zu einer Induktivität (XL) zusammenzufassen. Ip F 1 ü2 Rs,Cu Rp,Cu Up des aus den Widerständen Rp,Cu und (Rs,Cu + Rs,B ) / ü2 bestehenden Teilers wird durch die Größe F dargestellt: Iv Im RFe XL 1 ü2 Rs,B Mit der in Abb. E.2.5.2 dargestellten Ersatzschaltung unter Anwendung der KichhoffRegeln für den Effektivwert der Primärstromstärke in komplexer Darstellung mit der imaginären Einheit j (vgl. E.3.0.2) folgt I p (U p Rp,Cu I p ) (54) § 1 ü j · ¨¨ ¸¸ . © RFe Rs,B Rs,Cu Z L ¹ Sind die folgenden Voraussetzungen erfüllt, Rp,Cu RFe und Rp,Cu Z L , (54a) 2 ergibt sich § ü 2 Rp,Cu · I p ¨1 ¨ R R ¸¸ s,B s,Cu ¹ © Up ü2 Up Up j RFe Rs,B Rs,Cu ZL bzw. Ip (Iv Iü j Im ) F , (56) 2 I v U p / RFe , I ü ü Up Rs,B Rs,Cu (55) , Im Up ZL . Der mit Iü bezeichnete Term beschreibt den durch die Transformation der Widerstände von der Sekundär- auf die Primärseite bedingten Strom. Die Spannungsübersetzung · ¸¸ ¹ 1 . (57) Für den Effektivwert des Primärstroms sowie für den Phasenwinkel M zwischen Strom und Spannung im Primärkreis ergibt sich nach Gl. (56) mit der Berechnung komplexer Größen (Anhang A.1): Ip Abb. E.2.5.2 Ersatzschaltung eines verlustbehafteten Transformators (ohne Streuverluste) § ü 2 Rp,Cu ¨¨1 © Rs,B Rs,Cu F ( I v I ü ) 2 I m2 , § Im · ¸ . © Iv Iü ¹ M arctan ¨ (58) (59) Die Effektivwerte des Magnetisierungs- und des Verluststroms lassen sich ebenfalls nach Gl. (56) berechnen: Im Iv Ip F Ip F sin M , (60) cos M I ü . (61) Der Betrag des Phasenwinkels M kann aus der primärseitig aufgenommenen Wirk- (Pp,w) und der Scheinleistung (Pp,s) bestimmt werden: M § Pp,w arc cos ¨ ¨ Pp,s © · ¸¸ . ¹ (62) Da die Voraussetzungen in Gl. (54a) im Allgemeinen durch die konstruktiven und materialtechnischen Eigenschaften konventioneller Transformatoren gut erfüllt werden, ist die Anwendung der oben hergeleiteten Gleichungen hinreichend genau. Versuchsausführung Es ist die Schaltung nach Abb. E.2.5.3 aufzubauen. Gegebenenfalls ist ein Wider- 3.0 Grundlagen 191 stand RE zur induktiven Entkopplung zwischen den Wicklungen des Trennstelltransformators (TST) und der Primärspule des Transformators erforderlich. Die Messung der Wirkleistung Pp,w erfolgt mit einem digitalen Leistungsmessgerät in einem vorgegebenen Messbereich, dessen Nullpunkt nach einer Einlaufzeit von einigen Minuten einzustellen ist. Spannungs- und Strommessungen werden mit digitalen Multimetern durchgeführt. RE TST Wattmeter U I cos ϕ Schalter A V V Rs,B Abb. E.2.5.3 Versuchsschaltung für die Messungen am Transformator Bei Aufgabe 1 ist der Schalter zu öffnen (Transformator im Leerlauf, Is = 0), und die Spannung Up mit einer Frequenz von 50 Hz wird durch die entsprechende Änderung der Ausgangsspannung des Trennstelltransformators variiert. Es sind etwa zehn annähernd äquidistante Primärspannungen zwischen 0 und 50 V zu wählen. Die Spannungsübersetzung sowie _M _, Im und Iv werden mit den angegebenen Gleichungen für den Transformator im Leerlauf berechnet (Iü = 0, F = 1). In einer Graphik mit zwei verschiedenen Ordinatenmaßstäben sind die Abhängigkeiten Im(Up), Iv(Up) und M (Up) darzustellen und zu diskutieren. Für die Spannungsübersetzung ist der Mittelwert anzugeben. Bei Aufgabe 2 ist im Leerlauf die Spannung Up auf einen vorgegebenen Wert einzuregeln. Danach wird der Schalter (Abb. E.2.5.3) geschlossen und für zehn ohmsche Belastungen Rs,B der Sekundärseite (z. B. durch eine Widerstandsdekade) sind die Größen Ip, Us und Pp,w zu messen. Stromstärke Is und sekundäre Wirkleistung Ps,w können mit den Werten von Rs,B und Us berechnet werden. Außerdem sind die Widerstände Rp,Cu und Rs,Cu mit einem OhmMeter zu ermitteln. Alle anderen gesuchten Größen lassen sich mit den oben begründeten Gleichungen bestimmen. Für die Diskussion des Verhältnisses der Leistungen (PCu /PFe) in Abhängigkeit von der Belastung des Transformators sind die entsprechenden Leistungen zu berechnen: PCu PFe 2 I p2 Rp,Cu I s,Cu Rs,Cu , U Fe I v (U p Rp,Cu I p ) I V . (63) (64) Es sind die Abhängigkeiten Im(Is) und Iv(Is) sowie K (Is) in einem Diagramm mit zwei verschiedenen Ordinatenmaßstäben graphisch darzustellen und zu diskutieren. Die Änderung des Verhältnisses der Leistungen (PCu /PFe) in Abhängigkeit von der Belastung des Transformators soll begründet werden. 3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen 3.0 Grundlagen 3.0.1 Einstellvorgänge An Reihenschaltungen bestehend aus einem ohmschen Widerstand und einem Kondensator bzw. einer Spule wird eine Gleichstromquelle ein- und ausgeschaltet. Im Fall einer konstanten Klemmspannung der Gleichstromquelle UK = const führt das Schalten zu Spannungssprüngen, in deren Folge Einstellvorgänge bei Strömen und Spannungen an den Bauelementen auftreten. Das Zeitverhalten dieser Sprungantworten wird im Folgenden analysiert. Der in Abb. E.3.0.1 dargestellte Kondensator mit der Kapazität C trägt zunächst keine Ladung. Zum Zeitpunkt t 0 werden mit einem Schalter (S) die Kontakte 0 und 1 verbunden. Dadurch kommt es in Masche I 192 Elektrizitätslehre 3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen zu einem Spannungssprung von null auf den Wert der Klemmspannung U K . Es beginnt ein Ladestrom der Stärke I (t ) dQ dt (1a) zu fließen, dessen Anfangswert I (0) durch den Widerstand R begrenzt wird. Der Kondensator wird aufgeladen und trägt nach einer Zeit t die Ladung t Q (t ) ³ I (t´)dt´ . (1b) 0 Mit zunehmender Ladung erhöht sich die Spannung am Kondensator und zum Zeitpunkt t gilt Q (t ) (2) U C (t ) . C Nach der zweiten Kirchhoff-Regel (E.1.0.1) folgt U K U R (t ) U C (t ) I (t ) R U C (t ) . (3) 1 S R 2 0 UK + – I II C Abb. E.3.0.1 Schaltung für das Auf- und Entladen eines Kondensators über einen Widerstand Mit zunehmender Kondensatorspannung UC nimmt die Stromstärke I ab. Setzt man Gl. (2) in Gl. (3) ein und leitet einmal nach der Zeit ab, erhält man eine homogene Differentialgleichung erster Ordnung für die zeitabhängige Stromstärke: dI 1 I dt R C 0 . (4) Die Lösung von Gl. (4) ist nach Anhang A.2 I (t ) Ke W W RC t W mit der Zeitkonstanten RC . (5) Die Integrationskonstante K wird aus den Anfangsbedingungen bestimmt. Mit U C (0) 0 ergibt sich nach Gl. (3) für die Anfangsstromstärke I (0) I0 UK R (6) und für das Zeitverhalten der Stromstärke beim Einschaltvorgang folgt t I (t ) U K W RC e . R (7) Der zeitliche Verlauf der Kondensatorspannung ergibt sich aus den Gln. (3) und (7): U C (t ) U K (1 e t W RC ) . (8) Für eine hinreichend lange Zeit nach dem Einschalten ( t W ) ist U C U K . Um mit der Entladung des Kondensators zu beginnen, werden durch den Schalter S die Kontakte 0 und 2 (Abb. E.3.0.1) verbunden und der Kondensator entlädt sich über den Widerstand R . Für die weitere Betrachtung legt man den Zeitpunkt des Schaltens wieder mit t 0 fest. Für die Masche II gilt U C (t ) U R (t ) 0 . (9) Mit UR(t) = I(t) R erhält man aus Gl. (9) analog zur Herleitung von Gl. (4) eine homogene Differentialgleichung erster Ordnung zur Beschreibung des Zeitverhaltens der Stromstärke beim Entladen des Kondensators über den Widerstand R: dI 1 I dt R C 0 . Die Konstante K = I0 = I(0) der allgemeinen 3.0 Grundlagen 193 t Lösung I (t ) K e W ( W W RC R C ) ergibt sich mit der Anfangsbedingung U C (0) U K . Damit folgt aus Gl. (9) U R (0) U K und I (0) R man erhält als vollständige Lösung t I (t ) U K W RC e . R (10) Der Vergleich der Gln. (7) und (10) zeigt, dass die Ströme beim Laden und Entladen in entgegengesetzte Richtungen fließen. Sind die Kontakte 0 und 1 verbunden (Abb. E.3.0.1), treibt die Spannung UK den Ladestrom. Bei Verbindung der Kontakte 0 und 2 wird der Entladestrom durch die Kondensatorspannung angetrieben. Mit U C (t ) I (t ) R folgt aus Gl. (10) das Zeitverhalten der Kondensatorspannung beim Entladevorgang: U C (t ) U K e t W RC . (11) Mit der in Abb. 3.0.2 dargestellten Schaltung lassen sich Schaltvorgänge an einer Spule untersuchen. Die Schaltung besteht aus den ohmschen Widerständen R und RP sowie einer Spule mit dem ohmschen Widerstand RSp und der Induktivität L. Der ohmsche Widerstand in Masche I ist RI R RSp . (12) Ein Schalter (S) soll zum Zeitpunkt t = 0 geschlossen werden. An der Schaltung liegt dann die Klemmspannung UK an und es beginnt ein Strom der Stärke I(t) durch die Spule zu fließen. Die Selbstinduktion behindert diesen Vorgang gemäß der Lenz’schen Regel und für die dabei auftretende Induktionsspannung gilt: U ind L dI . dt (13) Die Induktionsspannung ist im Weiteren wie die von einer Gleichstromquelle hervorgerufene Spannung zu behandeln. Das Zeitverhalten der allmählich zunehmenden Stromstärke I(t) wird durch eine Differentialgleichung beschrieben, die man durch Anwenden der zweiten Kirchhoff-Regel (E.1.0.1) auf die Masche I findet: U K U ind I RI . (14) S R UK + II I – RP L, RSp Abb. E.3.0.2 Schaltung für die Untersuchung der Einstellvorgänge an einer Reihenschaltung aus ohmschem Widerstand und Spule (Einschalten Masche I, Ausschalten Masche II) Mit Gl. (13) erhält man aus Gl. (14) eine inhomogene Differentialgleichung erster Ordnung (Anhang A.2): U dI RI I K dt L L 0 . (15) Die allgemeine Lösung von Gl. (15) setzt sich aus der Lösung der homogenen Differential t gleichung I (t ) K e W mit der Zeitkonstanten W W RL L / RI und einer partikulären Lösung der inhomogenen DifferentialgleiUK chung I zusammen: RI I (t ) Ke t W RL UK . RI (16) Die Integrationskonstante K wird aus der 194 Elektrizitätslehre 3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen Anfangsbedingung I(0) = 0 bestimmt und mit Gl. (12) erhält man I (t ) UK (1 e R RSp R RSp t L ) (17) mit der Zeitkonstanten für den Einschaltvorgang W RL ,e L . R RSp (17a) Nach einer hinreichend langen Zeit t !! W RL ,e nähert sich die Stromstärke dem Wert If UK R RSp (18) an. Das Zeitverhalten der Induktionsspannung U ind ergibt sich durch Einsetzen von Gl. (17) in Gl. (13): U ind (t ) U K e R RSp t L . (19) Für die Beschreibung des Einstellvorgangs nach dem Ausschalten wird die Masche II in Abb. E.3.0.2 mit dem Widerstand RP betrachtet. Zu einer festgelegten Zeit t = 0 öffnet man den Schalter (S). Die durch diesen Vorgang in der Spule ausgelöste Selbstinduktion bewirkt eine Induktionsspannung, die nach der Lenz’schen Regel bestrebt ist, den Stromfluss durch die Spule aufrechtzuerhalten. Somit fließt der Strom noch einige Zeit nach dem Öffnen von Schalter S durch die Spule in der Masche II weiter, deren ohmscher Gesamtwiderstand RII R RSp RP (20) ist. Die Induktionsspannung wird dabei wieder wie die Spannung einer Gleichstromquelle behandelt und es folgt U ind I (t ) RII . (21) Setzt man Gl. (13) in Gl. (21) ein, erhält man eine homogene lineare Differentialgleichung erster Ordnung, wie sie durch Gl. (6) im Anhang A.2 allgemein dargestellt wird. Die t Lösung lautet I (t ) K e W , wobei W die Zeitkonstante ist. Die Integrationskonstante K folgt aus der Anfangsbedingung I (0) : K I (0) UK . R RSp Für den zeitlichen Verlauf der Stromstärke nach dem Ausschalten gilt I (t ) UK e R RSp R RSp RP t L (22) und die betreffende Zeitkonstante für den Ausschaltvorgang ist W RL ,a L . R RSp RP (22a) Das Zeitverhalten der Induktionsspannung U ind beim Ausschalten ergibt sich durch Einsetzen von Gl. (22) in Gl. (13) U ind (t ) R RSp RP R RSp UKe R RSp RP t L . (23) Die Gln. (19) und (23) zeigen, dass die Induktionsspannung infolge der Lenz’schen Regel beim Einschalten den Stromfluss behindert, im Fall des Ausschaltens aber diesen unterstützt. 3.0.2 Komplexe Darstellung von Wechselgrößen Im Folgenden werden ausschließlich harmonische Wechselspannungen der Form u uˆ cos (Z t Mu ) (24a) und harmonische Wechselströme der Form i iˆ cos(Z t Mi ) (25a) 3.0 Grundlagen 195 betrachtet. Dabei sind û und iˆ die Scheitelwerte (Amplituden) von Spannung und 2ʌ Stromstärke, Z 2ʌ f die KreisfreT quenz zur Frequenz f bzw. zur Periodendauer T der Wechselgröße und die Phasenwinkel für Spannung und Stromstärke Mu bzw. Mi zur Zeit t = 0. Sie werden deshalb auch als Nullphasenwinkel bezeichnet. Die Berechnungen mit den Zeitabhängigkeiten von Spannung und Stromstärke lassen sich effizienter durchführen, wenn die Wechselgrößen als komplexe Größen (Gl. (11a) im Anhang A.1) dargestellt werden. Die entsprechenden komplexen Gleichungen mit der imaginären Einheit j lauten u i T P UI P p (t ) U2 R iˆ [cos (Z t Mi ) j sin (Z t Mi )] , u uˆ e j(Z t M u ) (24b) bzw. j(Z t M i ) . iˆ e (25b) Somit lassen sich Wechselspannungen und Wechselströme auch als rotierende Zeiger in der komplexen Zahlenebene darstellen (Abb. A.1.1 im Anhang A.1). Der Phasenwinkel setzt sich hier aus dem zeitabhängigen Teil Z t und dem entsprechenden zeitunabhängigen Nullphasenwinkel Mu bzw. Mi zusammen. Zur Charakterisierung von Wechselspannungen und -strömen können statt der Scheitelwerte û bzw. iˆ auch die von Spannungs- und Stromstärkemessgeräten angezeigten Effektivwerte Ueff und Ieff verwendet werden. Der Effektivwert ergibt sich aus dem Vergleich der elektrischen Leistung am selben ohmschen Bauelement im Gleich- und im Wechselstromkreis. Fließt infolge einer 1 u (t ) i (t ) dt und T ³0 I 2 R bzw. p(t ) u 2 (t ) R i 2 (t ) R folgt für die effektive Wechselspannung uˆ [cos (Z t Mu ) j sin (Z t Mu )] , und die Anwendung der Euler’schen Identität (Anhang A.1) führt zu i Gleichspannung U durch einen gegebenen ohmschen Widerstand R ein Gleichstrom der Stärke I, dessen Betrag gleich dem Effektivwert Ieff des Wechselstroms ist, wird in gleicher Zeit in beiden Kreisen am Widerstand die gleiche elektrische Energie in thermische Energie umgewandelt. Die Gleichstromleistung P ist somit gleich der mittleren Wechselstromleistung p (t ) . Mit T 1 2 u (t ) d t T ³0 U eff (26a) und die effektive Wechselstromstärke T I eff 1 2 i (t ) dt . T ³0 (27a) Im Falle sinusförmiger Wechselspannungen und -ströme erhält man U eff I eff uˆ 2 iˆ 2 , (26b) . (27b) 3.0.3 Schaltungen mit Wechselstromwiderständen Im Gegensatz zum ohmschen Widerstand tritt bei Spule und Kondensator im Wechselstromkreis ein frequenzabhängiges Widerstandsverhalten auf: ZL Z L (induktiver Widerstand) , (28) ZC 1 (kapazitiver Widerstand) . (29) ZC 196 Elektrizitätslehre 3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen Allgemein lassen sich Wechselstromwiderstände als komplexe Größen beschreiben: Z uˆ j(Mu Mi ) e . iˆ u i (30) Der Betrag von Z (siehe Anhang A.1) ist durch Z Z uˆ / iˆ gegeben. Zur komplexen Beschreibung der Spannungen an Spule und Kondensator werden die Gln. (1b), (2) und (13) sowie die Beziehung uL (t ) uind (t ) für die Spannung uL (t ) an der Spule verwendet. Es ergeben sich uL L uC 1 C di , dt (31) ³ i dt . (32) Das Einsetzen von Gl. (25b) in Gl. (31) bzw. Gl. (32) führt zu uL jZ L i , (33) uC 1 i . jZ C (34) Nach Gl. (30) folgen damit die komplexen Darstellungen des induktiven und kapazitiven Widerstands: ZL beim ohmschen Widerstand in Phase ( Mu Mi 0 ). Die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Stromstärke am induktiven und am kapazitiven Widerstand kann mit Hilfe der Gln. (30), (35) und (36) ermittelt werden. Es ergeben sich die Beziehungen ZL uˆ L j (Mu Mi ) e iˆ ZC uˆC j(Mu Mi ) e iˆ jZ L , j ZC . Mit der Euler’schen Identität (Anhang A.1) folgen daraus die Phasendifferenzen: M u Mi ʌ (induktiver Widerstand) , 2 Mu Mi ʌ (kapazitiver Widerstand) . 2 Die Spannung am induktiven Widerstand eilt der Stromstärke um eine viertel Periode voraus und am kapazitiven Widerstand läuft die Spannung der Stromstärke um eine viertel Periode nach. Diese Unterschiede in den Phasendifferenzen zwischen Spannung und Stromstärke an ohmschen, induktiven und kapazitiven Widerständen wirken sich auf die Umwandlung von elektrischer in thermische t Energie Eth ³ p(t´) dt´ an diesen Bauele- 0 jZ L , (35) menten aus, wobei für die mittlere Leistung T ZC 1 jZ C j . ZC (36) Für einen ohmschen Widerstand ist der Zusammenhang von Stromstärke und Spannung im reellen Bereich durch uR (t ) R i (t ) und im komplexen Bereich durch uR Ri (37) gegeben. Spannung und Stromstärke sind p (t ) 1 u (t ) i (t ) dt T ³0 (38a) gilt. Um die mittlere Leistung zu berechnen, setzt man die Gln. (24a) und (25a) für u (t ) sowie i (t ) ein und verwendet die Beziehung sin D sin E 1 cos(D E ) cos(D E ) 2 mit D Z t Mu , E Z t Mi , M Mu Mi . Da der Beitrag des Terms cos(2Z t Mu Mi ) 3.0 Grundlagen 197 nach der Integration null wird, ergibt sich für die mittlere Leistung uˆ iˆ cos(Mu Mi ) . 2 p (t ) Mit Mu Mi (38b) ʌ/2 folgt p (t ) 0 und für Mu Mi = 0 erhält man mit den Effektivwerten für sinusförmige Spannungen und Ströme (E.3.0.2) die Beziehung zur Berechnung der mittleren elektrischen Leistung: p (t ) U eff I eff . Am induktiven und kapazitiven Widerstand wird daher keine elektrische in thermische Energie umgewandelt. Man bezeichnet solche Widerstände deshalb auch als Blindwiderstände oder Reaktanzen. Ein ohmscher Widerstand ist dagegen ein Wirkwiderstand (Resistanz), in dem die elektrische Energie vollständig in thermische umgewandelt wird. Im Folgenden werden Reihenschaltungen aus k komplexen Wechselstromwiderständen Z k betrachtet, deren komplexer Gesamtwiderstand sich mit Z ¦Z (39) k k berechnen lässt. Beschreibt Gl. (39) eine Reihenschaltung bestehend aus Wirk- und Blindwiderständen, wird am gesamten Wechselstromwiderstand nur ein gewisser Teil der aufgenommenen Energie in thermische Energie umgewandelt. Deshalb bezeichnet man diesen Gesamtwiderstand auch als Scheinwiderstand oder Impedanz. Für eine Reihenschaltung aus einem ohmschen und einem induktiven Widerstand erhält man für die komplexe Impedanz Z R jZ L (40) bzw. für ihren Betrag Z Z R 2 (Z L) 2 . (41) Der in Gl. (40) beschriebene komplexe Widerstand lässt sich in der Gauß’schen Zahlenebene als Zeigerdiagramm (Abb. E.3.0.3.b) darstellen. Zur Charakterisierung der Phasenverschiebung zwischen der Gesamtspannung u und der Stromstärke i , die im Reihenkreis überall gleich ist, verwendet man den Phasenwinkel M = M u M i , wobei der Nullphasenwinkel des Stroms im Folgenden zweckmäßigerweise null gesetzt wird. Nach Anwendung der zweiten KirchhoffRegel auf die an einem Generator mit der Ausgangsspannung u angeschlossene Reihenschaltung folgt u uR uL . (42) Die Phase der Spannung an der Spule u L läuft der Phase der Stromstärke i und damit auch der Phase der Spannung am ohmschen Widerstand um ʌ/2 voraus. Nach der Division von Gl. (42) durch e jZ t ergibt sich die zeitunabhängige Beziehung uˆ uˆ R e j 0 uˆ L e j ʌ 2 , die sich in der Gauß’schen Zahlenebene als ruhendes Zeigerdiagramm (Abb. E.3.0.3a) darstellen lässt. Das Zeigerdiagramm für die komplexen Widerstände (Abb. E.3.0.3b) erhält man durch Division von Gl. (42) mit dem Betrag der Amplitude der Stromstärke iˆ iˆ . Für die Phasenverschiebung zwischen Gesamtspannung und Stromstärke folgt dann tan M Im( Z ) Re( Z ) ZL R . (43) Reale Spulen haben durch ihre Drahtwicklungen immer einen ohmschen Anteil RSp, der in der üblichen Ersatzschaltung eine Reihenschaltung mit dem induktiven Widerstand bildet. Für reale Spulen, die als induktive Widerstände eingesetzt werden sollen, muss im Anwendungsbereich bei allen Fre- 198 Elektrizitätslehre 3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen quenzen die Ungleichung RSp << Z L gültig sein. Dann unterscheidet sich der Phasenwinkel M nur wenig vom Phasenwinkel S/2 im Falle einer idealen Spule. a) Z R u^L u^ R2 Z u^R R j 1 ZC (47) 1 Z C 2 . (48) Der Phasenwinkel M (Abb. E.3.0.3.c) zwischen Gesamtspannung und Stromstärke ist negativ: j ωL Z δ 1 jZ C mit dem Betrag ϕ b) Für die Impedanz der Reihenschaltung aus einem ohmschen und einem kapazitiven Widerstand ergibt sich Im( Z ) Re( Z ) tan M ϕ 1 . Z CR (49) R, RSp c) ϕ Werden mehrere Kondensatoren und ohmsche Widerstände in Reihe geschaltet, sind in die Gln. (47) bis (49) der ohmsche Gesamtwiderstand nach Gl. (45) und die Gesamtkapazität C einzusetzen, die sich mit R -j ωC Z Abb. E.3.0.3 Spannungszeiger für eine RL-Schaltung (a), Impedanzzeigerdiagramme für eine RL(b) und eine RC-Schaltung (c) Der Winkel G ʌ / 2 M ist ein Maß für die ohmschen Verluste. Den Winkel G bezeichnet man daher als Verlustwinkel und tan G tan 1 M R (44) ZL als Verlustfaktor. Werden mehrere Spulen und ohmsche Widerstände in Reihe geschaltet, sind in die Gln. (40) bis (44) der ohmsche Gesamtwiderstand und die Gesamtinduktivität einzusetzen: R ¦R n n , L ¦L k k . (45, 46) 1 C 1 ¦C i (50) i berechnen lässt. Bei einer Parallelschaltung aus Wechselstromwiderständen erfolgt die Beschreibung zweckmäßigerweise über den komplexen Leitwert Y, den man auch als Admittanz bezeichnet. Die Admittanz des komplexen Gesamtwiderstands Z einer Parallelschaltung aus k Wechselstromwiderständen Z k ist durch Gl. (51) gegeben: Y 1 Z 1 ¦Z k . (51) k Für die Parallelschaltung aus einer Spule und einem ohmschen Widerstand folgt: Y 1 1 R jZL 1 1 j . R ZL (52) Im Falle einer Parallelschaltung addiert man 3.1 Oszilloskop und Phasenbeziehungen 199 jeweils die Wirk- und die Blindleitwerte: 1 R 1 ¦R k 1 ZL , k 1 ¦Z L k . tan M k 1 jZ C , R Y (54a) R 2 (Z C ) 2 . Y (54b) Gl. (54a) folgt auch aus der Ersatzschaltung für einen realen Kondensator, bei dem z. B. durch dielektrische Verluste elektrische Energie in Wärme ungewandelt wird. Der Verlustfaktor wird durch 1 ZCR tan G (55) beschrieben. Für einen idealen Kondensator ( R o f ) ist der Wert von tan G null. Sind k Kondensatoren parallel zueinander geschaltet, erhält man für die Gesamtkapazität C ¦C k (56) . k Für eine aus ohmschem, induktivem und kapazitivem Widerstand bestehende Reihenschaltung ergibt sich die Impedanz mit Z R jZ L 1 jZ C (57) 1 R j (Z L ) ZC bzw. für den Betrag des komplexen Widerstands folgt Z Z § 1 · R ¨Z L ¸ ZC¹ © 2 ZL (53) Man erhält für den komplexen Leitwert bzw. für dessen Betrag bei einer Parallelschaltung bestehend aus einem Kondensator und einem ohmschen Widerstand: Y Strom berechnet man mit 2 . (58) Den Phasenwinkel M zwischen Spannung und 1 ZC R . (59) Aus Gl. (58) ist abzulesen, dass sich die Blindwiderstände bei einer charakteristischen Kreisfrequenz Z0 gegenseitig aufheben: Z0 2ʌ f 0 1 LC . (60) Dieser spezielle Fall wird als Resonanz und f0 als Resonanzfrequenz bezeichnet. Der Gesamtwiderstand ist dann allein durch den Wirkwiderstand R bestimmt und die Phasendifferenz zwischen Spannung und Stromstärke beträgt null (vgl. E.4.0.2). 3.1 Oszilloskop und Phasenbeziehungen Aufgabenstellung 1. Der Phasenverlauf zwischen Strom und Spannung ist als Funktion der Frequenz für eine RC-, eine RL- und eine RLC-Reihenschaltung mit Hilfe von Lissajous-Figuren zu ermitteln. Bei der RLC-Schaltung sind für fünf ausgewählte Frequenzen die Phasenverschiebungen zusätzlich aus der Zeitdarstellung der Signale zu bestimmen. 2. Aus der Phasenverschiebung an der RLSchaltung soll die Induktivität der Spule ermittelt werden. 3. Für die RLC-Reihenschaltung ist die Resonanzfrequenz zu messen und daraus die Kapazität des Kondensators zu bestimmen. Die Messungen werden mit einem Oszilloskop durchgeführt. Damit lässt sich der Verlauf einer elektrischen Spannung in Abhängigkeit von der Zeit oder im Vergleich zu einer anderen Spannung darstellen. Neben Formmerkmalen, Amplituden und Periodendauern von Spannungen können auch Frequenzverhältnisse und Phasenlagen in Bezug 200 Elektrizitätslehre 3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen auf eine Vergleichsspannung gemessen werden. Man unterscheidet zwischen analogen und digitalen Oszilloskopen. Im Folgenden wird das Funktionsprinzip beider Oszilloskoparten kurz beschrieben. Die wesentlichen Funktionseinheiten, die man in beiden Geräten findet, sind die Y- und X-Verstärker für die entsprechenden Signaleingänge, die Einheiten für die Zeitbasis und die Triggerung sowie die Anzeigeeinheit. Die Zeitbasis bestimmt die Signaldarstellung in x-Richtung. Über den Trigger wird festgelegt, wann das Oszilloskop mit der Messung und Signalanzeige beginnt. a b UH d e f c g verkleinertes Bild der emittierenden Kathodenfläche auf dem Leuchtschirm zu erzeugen. Zur Horizontal- und Vertikalablenkung dienen die um 90q gegeneinander versetzt angeordneten Y- bzw. X-Ablenkplattenpaare (e, f), an die Mess- und Vergleichsspannungen gelegt werden können. Die entsprechenden elektrischen Felder bewirken eine proportional zur angelegten Spannung horizontale bzw. vertikale Ablenkung auf dem Leuchtschirm. Um den zeitlichen Verlauf einer Spannung auf dem Leuchtschirm abbilden zu können, wird diese an die Y-Platten angelegt und der Elektronenstrahl in x-Richtung zeitproportional mit Hilfe einer sägezahnförmigen Wechselspannung ausgelenkt (Abb. E.3.1.2), die der Zeitablenkgenerator für die eingestellte Zeitbasis erzeugt. Wartezeit ux(t) Intensitätseinstellung (a) t Fokusierungseinstellung Nachbeschleunigung UB Abb. E.3.1.1 Prinzipieller Aufbau einer Kathodenstrahlröhre (UH Heizspannung, UB Beschleunigungsspannung) Die Anzeigeeinheit in analogen Geräten ist eine Kathodenstrahlröhre (Abb. E.3.1.1). Bei dieser werden die aus einer Heizkathode (a) austretenden Elektronen zur zylindrischen Anode (d) hin beschleunigt. Der durch eine Lochblende begrenzte Teil des Elektronenstrahls trifft auf den Leuchtschirm (g), dessen Beschichtung durch die kinetische Energie der Elektronen zur Emission von sichtbarem Licht angeregt wird. Die Kathode ist vom Wehnelt-Zylinder (b) umgeben, über dessen Steuerspannung die Intensität des Elektronenstrahls geregelt werden kann. Die Hilfsanode (c) wirkt gemeinsam mit der Anode (d) als elektronenoptische Sammellinse zur Strahlfokussierung, die es ermöglicht, ein uy(t) Triggerpegel (b) t Abb. E.3.1.2 Prinzip der Triggerung, Synchronisation der Zeitverläufe von Sägezahnspannung (a) und Signalspannung (b) durch Triggerpegel und Signalflanke Während des linearen Anstiegs der Sägezahnspannung (Abb. E.3.1.2a) wird der Elektronenstrahl horizontal über den Schirm geführt. Beim Sprung der Sägezahnspannung auf den Wert null wird der Strahl auf seine Anfangsposition zurückgesetzt, wobei durch ein ausreichend hohes negatives Potential des Wehnelt-Zylinders der Strahl während dieses Vorgangs auf dem Leuchtschirm nicht sichtbar ist. Um zeitlich stabile Bilder zu erzeu- 3.1 Oszilloskop und Phasenbeziehungen gen, muss durch die Triggereinheit die Phasenlage der Sägezahnspannung in geeigneter Weise mit der Phase des darzustellenden Signals synchronisiert werden. Es ist erforderlich, den Elektronenstrahl vor jedem Durchlauf solange aufzuhalten, bis das zu messende Signal wieder einen durch die Triggereinstellung definierten Anfangszustand (Pegel und Flanke) erreicht. Dadurch werden die einzelnen Signalperioden (in Abb. E.3.1.2 rot markiert) stets genau übereinander gezeichnet und ermöglichen zusammen mit der relativ langen Nachleuchtdauer der Leuchtschicht ein stehendes Bild. Beim digitalen Speicheroszilloskop (kurz Digitaloszilloskop) wird das jeweilige analoge Eingangssignal nach seiner Verstärkung oder Abschwächung in einem festgelegten zeitlichen Abstand kontinuierlich abgetastet. Der zu einem bestimmten Zeitpunkt gehörende Analogwert der Spannung wird mit einem Analog-Digital-Wandler (Anhang A.4) in ein binär kodiertes Signal gewandelt und zwischengespeichert. Die zeitliche Genauigkeit der Erfassung nimmt mit der Häufigkeit der Signalabtastung (Abtastfrequenz fa) zu, die durch die Wahl der Zeitbasis festlegt wird. Wenn ein Signal der Frequenz f nicht schnell genug abgetastet wird (fa > 2 f ), treten Fehldarstellungen auf. Das Oszilloskop zeigt dann eine niedrigere Frequenz an oder es lässt sich trotz Triggerung kein stabiles Signal einstellen. Um diesen Effekt zu vermeiden, ist die Abtastrate (Zeitbasis) für die Signalerfassung ausreichend klein zu wählen (F.1.0.1). Die Genauigkeit der Signalwerte wird durch die Auflösung (Anzahl der verfügbaren Bits) des Analog-Digital-Wandlers festgelegt. Die binär kodierten Abtastwerte werden dann bis zu einer durch das Gerät festgelegten Maximalzahl n in den Speicher geschrieben. Im zyklisch beschreibbaren Speicher befinden sich immer die letzten n Werte. Durch das Triggersignal wird zu einem bestimmten Zeitpunkt die Übergabe der Daten an den 201 Bildspeicher ausgelöst und die Darstellung des digitalisierten Signals erfolgt z. B. mit Hilfe einer Flüssigkristallanzeige (LCD, Liquid Crystal Display). Soll das digitale Signal wieder in ein analoges Signal umgewandelt werden, ist dazu ein Digital-AnalogWandler (E.5.5.3) erforderlich. In der Regel lassen sich bei einem Digitaloszilloskop die Daten über eine Schnittstelle (Interface) zur Weiterverarbeitung mit einem Rechner oder zum Drucken auslesen. Der Phasenwinkel M zwischen Stromstärke und Spannung lässt sich aus der Darstellung der zeitlichen Verläufe der an der jeweiligen Reihenschaltung anliegenden Gesamtspannung u(t) und der Spannung am ohmschen Widerstand uR(t) = R i(t) bestimmen. Dazu werden die beiden Spannungen über die Eingangskanäle der Y-Verstärker eines z. B. zweikanaligen Oszilloskops erfasst und in Abhängigkeit von der Zeit dargestellt. Sind zwei aufeinander folgende Nulldurchgänge der Spannungen uR (t ) uˆR cos (Z t Mi ) und u (t ) uˆ cos (Z t Mu ) um das Zeitintervall 't verschoben, folgt für den Betrag des Phasenwinkels die Beziehung M Mu Mi Z 't 2ʌ 't . T (61) Verwendet man das Oszilloskop in der so genannten X-Y-Betriebsart, wird die Zeitbasis abgeschaltet und das Eingangssignal eines Kanals auf den X-Verstärker geleitet. Durch die Überlagerung beider Signale entstehen dann Lissajous-Figuren auf dem Bildschirm. Da ihre Gestalt vom Betrag des Phasenwinkels M abhängig ist (Abb. E.3.1.5), ergibt sich eine weitere Möglichkeit für seine Bestimmung. In Abb. E.3.1.3 ist dargestellt, wie in der X-Y-Betriebsart die über dem ohmschen Widerstand R abfallende und dem Strom phasengleiche Spannung uR dem XVerstärker des Oszilloskops zugeführt wird. Die gegenüber uR phasenverschobene Spannung u der jeweiligen Reihenschaltung aus 202 Elektrizitätslehre 3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen Wirk- und Blindwiderstand liegt am YVerstärker an. C G C f L, RSp L, RSp u y R ux Abb. E.3.1.3 Versuchsschaltung zur Messung des Phasenwinkels zwischen Strom und Spannung (Spule: Induktivität L, ohmscher Widerstand RSp) Am Oszilloskop beobachtet man auf der mit einem Messraster (bzw. Messcursor) versehenen Anzeigeeinheit die Überlagerung zweier zueinander senkrechter elektrischer Schwingungen mit der Phasenverschiebung M, z. B. u R (t ) u x (t ) uˆ x cos Z t , u (t ) u y (t ) uˆ y cos(Z t M ) . (62a) uˆ x , ay xˆ uˆ y . yˆ (64) y (t ) xˆ cos Z t , yˆ cos(Z t M ) yˆ (cos Z t cos M sin Z t sin M ) . 0 . (65) Diese Gleichung beschreibt eine Ellipse, deren Mittelpunkt mit dem Ursprung des x-yKoordinatensystems (Abb. E.3.1.4) zusammenfällt. Die Hauptachsen der Ellipse decken sich wegen des Produkts x y jedoch nicht mit den Koordinatenachsen. Für die weiteren Betrachtungen werden die Identitäten a xˆ und b yˆ verwendet. y x=-a x=+a y=+b y0 x0 x -x0 -y0 y=-b Abb. E.3.1.4 Entstehung einer Ellipse durch die Überlagerung zweier orthogonaler Schwingungen gleicher Frequenz Mit Gl. (65) erhält man für die Koordinaten ( x 0, y y0 ) und ( x x0 , y 0) der Schnittpunkte der Ellipse mit den Koordinatenachsen die Beziehungen x0 a sin M und y0 b sin M . Damit folgt für die Phasenverschiebung Mit Gl. (64) erhält man: x (t ) x2 y 2 xy 2 cos M - sin 2M xˆ 2 yˆ 2 xˆ yˆ (63a) Der quantitative Zusammenhang zwischen den auf dem Messraster des Bildschirms ablesbaren geometrischen Abmessungen der entstehenden Figur und den an den Kanälen anliegenden Spannungen ist über die Ablenkkoeffizienten ax bzw. ay, die am Oszilloskop eingestellt werden können, gegeben: ax 2 § x· Aus Gl. (62b) folgt sin Z t = 1 ¨ ¸ und © xˆ ¹ mit Gl. (63b) ergibt sich (62b) sin M (63b) x0 a y0 . b (66) Aus der Ellipsengleichung Gl. (65) ergeben 3.2 Tief- und Hochpass sich für M k ʌ (k 203 0,1, 2,...) zwei quadrati2 §x y· sche Gleichungen der Form ¨ B ¸ 0 ©a b¹ und die Ellipse geht in Ursprungsgeraden vom Typ y r (b / a ) x über. Weitere Spezialfälle sind in Abb. E.3.1.5 zusammengestellt. ϕ a=b a=b 0 π 4 π 2 3 π 4 π 5 π 4 3 π 2 7 π 4 2π Abb. E.3.1.5 Lissajous-Figuren zweier zueinander orthogonaler Schwingungen gleicher Frequenz Versuchsausführung Bei Aufgabe 1 erfolgt die Messung der Phasenverschiebung zunächst im X-Y-Modus. Beim Aufbau der Schaltung nach Abb. E.3.1.3 ist zu beachten, dass die Massen der Messkabel des Oszilloskops und ggf. die Masse des Generators auf einen Schaltungspunkt gelegt werden müssen. Die Amplitude der Sinusspannung des Generators und die Regler der Messverstärker am Oszilloskop sind so einzustellen, dass eine größtmögliche Lissajous-Figur auf dem Bildschirm entsteht. Anschließend sind für die RC-, RL- und RLC-Reihenschaltung in einem vorgegebenen Frequenzintervall für jeweils zehn verschiedene Frequenzen die jeweiligen Mittelwerte aus r x0 bzw. r y0 zu bestimmen und damit nach Gl. (66) die Beträge der Phasenwinkel zu berechnen. Das Vorzeichen des Phasenwinkels ergibt sich aus seiner Veränderung mit wachsender Frequenz. Wird der Wert von M bei Frequenzerhöhung kleiner, ist M < 0, andernfalls ist M > 0. Die Phasenwinkel M sind als Funktion der Frequenz f im einfachlogarithmischen Maßstab (M linear, f logarithmisch) graphisch darzustellen. Zusätzlich sind bei der RLC-Schaltung für fünf ausgewählte Frequenzen die Phasenverschiebung mit Gl. (61) aus der Zeitdarstellung der Gesamtspannung und der Spannung am ohmschen Widerstand zu bestimmen, indem man die Zeitdifferenz 't ermittelt. Die Bestimmung der Größe der Induktivität bei Aufgabe 2 erfolgt mit Gl. (43), dabei muss der Wert des Gesamtwiderstands R+RSp bekannt sein. Ansonsten kann er mit einem Ohm-Meter direkt gemessen werden. Die Größe der Induktivität lässt sich zum Vergleich mit einem LC-Meter bestimmen. Um bei Aufgabe 3 die Kapazität aus der Resonanzfrequenz f0 und der Induktivität L nach Gl. (60) zu ermitteln, wird im Falle der RLC-Schaltung diejenige Frequenz gesucht, bei der die Ellipse zu einer Geraden wird (Resonanz). Die Resonanzfrequenz kann mit einem Digitalzähler gemessen werden. 3.2 Tief- und Hochpass Aufgabenstellung 1. Für einen RC-Tiefpass sollen der Betrag der Übertragungsfunktion und die Phasenverschiebung zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung in Abhängigkeit von der Frequenz gemessen und graphisch dargestellt werden. Es sind die Grenzfrequenz des Filters und die Phasenverschiebung zwischen 204 Elektrizitätslehre 3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen Ausgangs- und Eingangsspannung bei der Grenzfrequenz zu bestimmen. 2. Die Grenzfrequenz eines RC-Hochpasses und die Phasenverschiebung zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung bei der Grenzfrequenz sind aus der Zeitverschiebung der Signale zu ermitteln. 3. Es ist die Signalverformung von Rechteckimpulsen unterschiedlicher Frequenzen durch den RC-Tiefpass zu untersuchen und zu diskutieren. zur Beziehung für die Frequenzabhängigkeit der Spannungsübertragung beim RCTiefpass: ua ue ua ue 1 , 1 jZ R C (68a) ua 1 ue 1 Z RC RC-Tief- und RC-Hochpass (Abbn. E.3.2.1 und E.3.2.2) sind frequenzabhängige Spannungsteiler. 2 (69) . C R ue ue C R ua ua Abb. E.3.2.2 RC-Hochpass Abb. E.3.2.1 RC-Tiefpass Die Eingangsspannung ue liegt an der Reihenschaltung aus ohmschem und kapazitivem Widerstand an: ue u R uC i (R j 1 ) . ZC (67) Der Betrag der Spannung am Kondensator verringert sich nach Gl. (34) mit zunehmender Frequenz. Wird die Ausgangsspannung ue am kapazitiven Widerstand abgegriffen, liegt ein Tiefpass vor, der Signale mit niedriger Frequenz passieren lässt. Mit ua = uC ergibt sich für das Verhältnis von Ausgangs- und Eingangsspannung ua ue ua ua uR 1 u 1 R ua ua jM e . ue (68) Die Verwendung der Gln. (34) und (67) führt Beim RC-Hochpass (Abb. E.3.2.2) wird die Ausgangsspannung am ohmschen Widerstand abgegriffen, daher können Signale mit höherer Frequenz diese RC-Schaltung passieren. Zum RC-Tiefpass analoge Rechnungen ergeben für das Verhältnis der Spannungen ua ue 1 j ua ue ua ue 1 1 Z RC , (68b) 1 § 1 · 1 ¨ ¸ © Z RC ¹ 2 . (70) Die Gln. (69) und (70) bezeichnet man auch als Übertragungsfunktionen von einem Tiefbzw. Hochpass. Allgemein werden diese durch das Verhältnis der komplexen Ausgangs- zur komplexen Eingangsspannung 3.2 Tief- und Hochpass 205 beschrieben: ua ue G (Z ) ua jM e ue G (Z ) e jM . (71) Dabei ist M die Phasenverschiebung zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung und es gilt nach Anhang A.1: Im(G (Z )) . Re(G (Z )) tan M Durch Erweitern der Nenner in den Gln. (68a) und (68b) mit ihren konjugiert komplexen Größen lassen sich Real- und Imaginärteil trennen und für die Phasenverschiebungen folgt M arctan Z R C (Tiefpass) , (72) 1 arctan ZRC (Hochpass) . (73) ua uC ue R i(t ) . Mit i (t ) C (75a) duC folgt daraus die Differentidt 1 RC (74) ua ue 1 §Z 1 ¨ ¨ Zg © · ¸¸ ¹ (69a) 2 ua ue dua . dt (75b) zeigt, dass ein Tiefpass unter bestimmten Bedingungen als Integrierglied eingesetzt werden kann. Der für die Integration verlangte Fall ua, v (t ) 1 RC ³ u (t ) dt e (76b) 1 ua (t )dt RC ³ 1 §Z · 1 ¨ g ¸ ©Z ¹ 1 1 ue (t ) dt ua (t ) dt (76a) RC ³ RC ³ tritt nur ein, wenn die Lösung des Integrals und beim Hochpass G (Z )HP ue R C ua (t ) erhält man für die Beträge der Übertragungsfunktionen beim Tiefpass G (Z )TP ua Die Integralform dieser Differentialgleichung Mit der Grenzkreisfrequenz Zg mit Zg M (Zg ) 45 q . Die Beträge der Übertragungsfunktionen sowohl für den Tief- als auch für den Hochpass haben in diesem speziellen Fall den Wert 1/ 2 . Für die Schaltung eines RC-Tiefpasses (Abb. E.3.2.1) gilt algleichung bzw. M die Gln. (69) und (72) sowie für den Hochpass durch die Gln. (70) und (73) vollständig beschrieben. Im Fall Z = Zg ergibt sich eine Phasenverschiebung zwischen der Ausgangs- und der Eingangsspannung beim Tiefpass von M (Zg ) 45 q und beim Hochpass von 2 . (70a) Damit ist die komplexe Übertragungsfunktion G (Z ) G (Z ) e jM für den Tiefpass durch null ist. Damit ist dieses Integral ein Maß für die Abweichung zwischen der Spannung ua(t) und ua,v(t). Der Einfluss dieser Abweichung wird deutlich, wenn man die Übertragung eines aperiodischen Signals mit dem RCTiefpass als Integrierglied betrachtet. Das aperiodische Signal sei z. B. durch die 206 Elektrizitätslehre 3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen Sprungfunktion ue(t) = 0 für t 0 und ue (t ) U K const für t t 0 gegeben. Die Lösung von Gl. (75b) lautet ua (t ) U K (1 e t RC ) . (77a) Entwickelt man die Exponentialfunktion in eine Reihe, erhält man 2 ª t º 1 § t · ua (t ) U K « ¨ ¸ ...» . (77b) ¬« RC 2! © RC ¹ ¼» Für ue(t) = UK lautet die Lösung des Integrals in Gl. (76b) ua (t ) UK t . RC Der Vergleich dieser Lösung mit Gl. (77b) ergibt bei Vernachlässigung der Glieder höherer Ordnungen den Betrag der gesuchten Abweichung: 'ua (t ) UK t2 . 2( RC ) 2 (78) Für den Betrag der relativen Abweichung in den Grenzen von 0 bis T erhält man 'ua ua T . 2RC (79) Diese wird umso kleiner, je größer das Produkt R C gegenüber der Integrationszeit T ist. Analoge Resultate erhält man, wenn zum Zeitpunkt t = 0 der Spannungssprung von ue (t ) U K const auf ue (t ) 0 erfolgt. Die Lösung der Differentialgleichung Gl. (75b) wird dann durch Gl. (11) beschrieben. Versuchsausführung Bei Aufgabe 1 ist für die Ermittlung des Betrags der Übertragungsfunktion für den Tiefpass die Schaltung nach Abb. E.3.2.1 aufzubauen. Die Sinusspannung eines Funktionsgenerators wird an die Tiefpass- Schaltung angeschlossen und mit den beiden Messkanälen eines Zweikanal-Oszilloskops erfasst man sowohl die Eingangs- als auch die Ausgangsspannung. Dabei ist zu beachten, dass die Massen beider Messkanäle und die Masse des Funktionsgenerators zusammengeschaltet sind. Mit dem Oszilloskop werden die Amplituden der Ausgangs- und Eingangsspannung der entsprechenden Signale bestimmt. Die Y-Ablenkkoeffizienten der beiden Kanäle des Oszilloskops werden zweckmäßigerweise gleichgroß eingestellt. Aus dem Verhältnis zwischen den Werten der beiden Spannungen ermittelt man bei zehn verschiedenen Frequenzen in einem vorgegebenen Frequenzbereich die Werte der Übertragungsfunktion des Tiefpasses. Bei den gleichen Frequenzen wird die Frequenzabhängigkeit der Phasenverschiebung zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung mit Hilfe von Gl. (66) aus der Lissajaous-Figur (Abb. E.3.1.4) ermittelt. Der Betrag der Übertragungsfunktion und die Phasenverschiebung sind jeweils in einem Diagramm mit logarithmisch eingeteilter Abszisse (Frequenzkoordinate) graphisch darzustellen und zu diskutieren. Zusätzlich sind die nach Gl. (69) mit den bekannten Größen für R und C berechneten Werte einzutragen. Bei Aufgabe 2 ermittelt man nach dem Aufbau der RC-Hochpass-Schaltung (Abb. E.3.2.2) wie bereits oben beschrieben die erforderlichen Spannungen mit dem Oszilloskop. Für das Spannungsverhältnis 1/ 2 und für die Phasenverschiebung von 45° ist jeweils die Frequenz zu bestimmen. Diese Werte sind mit dem theoretischen Wert für die Grenzfrequenz nach Gl. (74) zu vergleichen. Für Aufgabe 3 liefert der Funktionsgenerator eine periodische Folge von Rechteckimpulsen mit der Periodendauer T. Es sind drei charakteristische Fälle (T << RC, T | RC, T >> RC) zu untersuchen. Die Signalverläufe sind zu skizzieren und zu diskutieren sowie die Größe der relativen Abweichungen nach Gl. (79) abzuschätzen. 3.3 Sprungantworten von RC- und RL-Schaltungen 3.3 Sprungantworten von RCund RL-Schaltungen Aufgabenstellung 1. Es sind die Sprungantworten von RC- und RL-Reihenschaltungen nach dem Ein- und Ausschalten einer Gleichstromquelle zu erfassen. 2. Aus den Zeitabhängigkeiten der Stromstärken und der Spannungen am Kondensator sowie an der Spule sollen die Kapazität des Kondensators, die Größe eines unbekannten Widerstands und die Induktivität der Spule bestimmt werden. Die Messungen erfolgen mit einem Digitaloszilloskop (E.3.1) oder einem rechnergestützten Messwerterfassungssystem. Im letzteren Fall lassen sich die Zeitbasis, der Trigger und andere Messbedingungen über die zur Verfügung gestellte Software einstellen. 2 1 0 + C RA UK - UR R Abb. E.3.3.1 Erfassen des Zeitverhaltens der Stromstärke beim Aufladen eines Kondensators Die Messung der Sprungantworten der RCSchaltung erfolgt mit Hilfe der in den Abbn. E.3.3.1 und E.3.3.2 dargestellten Schaltungen. Der Kondensator wird über den Widerstand R auf- bzw. entladen. Der Widerstand RA dient jeweils der Strombegrenzung beim Auf- bzw. Entladen vor und zwi- 207 schen den einzelnen Messungen. Zweckmäßigerweise wird die Masse des zur Messung verwendeten Oszilloskops bzw. des PCInterface mit dem Minuspol der Quelle verbunden und die Messwerterfassung startet gleichzeitig mit dem Schalten des Relais. Das Zeitverhalten der Stromstärke kann indirekt über die Zeitabhängigkeit der Spannung am ohmschen Widerstand gemessen werden. RA 1 2 0 UC + UK - C R Abb. E.3.3.2 Erfassen des Zeitverhaltens der Kondensatorspannung beim Entladen Die Zeitdarstellung der Sprungantworten erfolgt auf einem Bildschirm und bereits dort können z. B. mittels eines Messcursors einzelne Werte abgelesen werden. Für die rechentechnische Auswertung mit geeigneter Software können die Messdaten in einem Rechner gespeichert werden. Mit der Zeitkonstanten für den Einstellvorgang an einer RC-Schaltung gemäß Gl. (5) lässt sich das Zeitverhalten der Stromstärke nach dem Einschalten (Abb. E.3.3.1) der Gleichstromquelle durch die Beziehung U R (t ) I (t ) R U K e t W RC (80) beschreiben. Unter Verwendung der Schaltung nach Abb. E.3.3.2 ist bei Schalterstellung 1 die Aufladung des Kondensators über den Widerstand RA möglich. Nach dem Umschalten des Schalters in die Stellung 2 entlädt sich der Kondensator über den Wider- 208 Elektrizitätslehre 3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen stand R . Im Falle eines vollständig aufgeladenen Kondensators ist die angelegte Klemmspannung gleich der Ladespannung des Kondensators (UK = U0) vor dem Umschalten und für die Zeitabhängigkeit der Kondensatorspannung gilt dann U C (t ) U 0 e t W RC . (81) Zur Untersuchung der Einstellvorgänge an der RL-Schaltung werden die in den Abbn. E.3.3.3 bzw. E.3.3.4 dargestellten Schaltungen verwendet. und der zeitabhängigen, am ohmschen Widerstand RSp der Spule abfallenden Spannung zusammensetzt: U L , RSp I (t ) RSp U ind (t ). Für die Zeitabhängigkeit von U L , RSp folgt aus den Gln. (22) und (23) U L , RSp (t ) R RP UK e R RSp R RSp RP t L mit der Zeitkonstante WRL,a (Gl. (22a)). 1 0 2 1 0 R 2 + UK L, RSp RP - + UK UL, RSp L, RSp UR - R Abb. E.3.3.3 Schaltung zur Messung des Zeitverhaltens des Stroms durch eine Spule nach dem Einschalten der Gleichstromquelle Das Zeitverhalten der Stromstärke in einer RL-Schaltung nach dem Einschalten ist mit der Schaltung in Abb. E.3.3.3 zu untersuchen, wobei die Zeitabhängigkeit der Stromstärke dem Zeitverhalten der Spannung am ohmschen Widerstand mit der Zeitkonstanten WRL,e nach Gl. (17a) entspricht: U R (t ) R I (t ) U f (1 e t W RL ,e ) . (82) Nach einer hinreichend langen Zeit liegt am ohmschen Widerstand R die Spannung U f an. In der Schaltung nach Abb. E.3.3.4 wird messtechnisch die Spannung an der Spule U L , RSp nach dem Abschalten erfasst, die sich aus der zeitabhängigen Induktionsspannung Abb. E.3.3.4 Schaltung zur Messung des Zeitverhaltens der Spannung an einer Spule nach dem Abschalten der Gleichstromquelle Alle oben beschriebenen Versuchsschaltungen ergeben Sprungantworten, die sich im Allgemeinen durch die beiden Exponentialfunktionen mit der Zeitkonstante W beschreiben lassen: t U (t ) U f (1 e W ) , U (t ) U 0 e (83) t W . (84) Für t = W erhält man mit Gl. (83) U(W ) = Uf (1 e-1) und nach Gl. (84) folgt U(W ) = U0 e-1. Damit lassen sich die Zeitkonstanten auch durch direktes Ablesen aus der graphischen Darstellung der Sprungantworten bestimmen. Aus praktischen Gründen ermittelt man häufig die Zeit t1/2, für die U(t1/2) = U0 /2 bzw. U(t1/2) = Uf /2 gilt. Aus dieser ergibt sich die Zeitkonstante mit W = t1/2 / ln 2 für beide Fälle. 4.0 Grundlagen 209 Nach der Datenübernahme in einen Rechner kann man mit geeigneter Software die Zeitkonstante mittels Anpassungsrechnungen in Bezug auf die entsprechenden Exponentialfunktionen nach den Gln. (83) bzw. (84) oder durch lineare Regression in einem lnU-tDiagramm ermitteln. 4 Elektrische Schwingungen Versuchsausführung 4.0.1 Freie gedämpfte Schwingungen Zur Realisierung der Aufgabe 1 wird zuerst die Schaltung zur Erfassung des Ladevorgangs eines Kondensators nach Abb. E.3.3.1 aufgebaut. Das Zeitverhalten der Spannung am Widerstand UR(t) wird für fünf unterschiedlich große Widerstände, die z. B. mit Widerstandsdekaden eingestellt werden können, ermittelt. Danach ist mit diesem Kondensator und einem unbekannten Widerstand R die Versuchsschaltung für den Entladevorgang nach Abb. E.3.3.2 aufzubauen und der zeitliche Verlauf der Spannung am Kondensator UC (t) zu messen. Für die Untersuchung der Sprungantworten an den RL-Kombinationen werden die Schaltung für das Einschalten nach Abb. E.3.3.3 und die Schaltung für das Ausschalten nach Abb. E.3.3.4 aufgebaut. Anschließend wird das Zeitverhalten der Spannung UR (t) bzw. U L , RSp (t ) er- Ein geladener Kondensator mit der Kapazität C wird zum Zeitpunkt t 0 über eine Spule mit der Induktivität L und dem ohmschen Widerstand RSp entladen. fasst. Für die weitere Auswertung ist der ohmsche Widerstand RSp der Spule mit einem Ohm-Meter zu messen. Bei Aufgabe 2 lassen sich aus den Sprungantworten der untersuchten RC- und RLSchaltungen wie oben beschrieben die zugehörigen Zeitkonstanten ermitteln. Die Kapazität des verwendeten Kondensators wird mit den jeweiligen Zeitkonstanten unter Verwendung von Gl. (5) bestimmt und mit dem Mittelwert der Kapazität erhält man den gesuchten Widerstandswert. Die Induktivität der Spule kann mit den Zeitkonstanten für den Ein- und Ausschaltvorgang unter Verwendung der Gln. (17a) und (22a) ermittelt werden. Weitere Hinweise zur Durchführung der jeweiligen Messungen sind den Hinweisen am Arbeitsplatz zu entnehmen. 4.0 Grundlagen RSp C L Abb. E.4.0.1 Schwingkreis aus Kondensator und Spule, rote Strichlinie kennzeichnet das Ersatzschaltbild einer realen Spule Der Entladestrom des Kondensators bewirkt dabei den Aufbau eines magnetischen Felds um die Spule. Nach der Lenz’schen Regel wirkt die Induktionsspannung an der Spule dem Strom entgegen. Die Maximalwerte für Stromstärke und magnetische Feldstärke werden daher erst zum Zeitpunkt der vollständigen Entladung des Kondensators erreicht. Die elektrische Energie des Kondensators ist dann vollständig in magnetische Energie (bei Vernachlässigung von Streufeldverlusten der Spule) und thermische Energie (ohmscher Widerstand) umgewandelt. Durch die folgende elektromagnetische Induktion wegen der nun abnehmenden magnetischen Feldstärke fließt der Strom durch die Spule gemäß der Lenz’schen Regel weiter in Richtung des ursprünglichen Entladestroms. Der Kondensator wird dadurch mit umge- 210 Elektrizitätslehre 4 Elektrische Schwingungen kehrter Polarität aufgeladen und die magnetische Feldenergie der Spule wandelt sich wieder vollständig in elektrische Feldenergie (Kondensator) und thermische Energie (ohmscher Widerstand) um. Dieser periodisch ablaufende Vorgang klingt allmählich ab, da mit jeder halben Periode Anteile elektrische Feldenergie am ohmschen Widerstand in thermische Energie umgewandelt werden. Man nennt einen solchen Vorgang eine freie gedämpfte elektrische Schwingung und die entsprechende RLCSchaltung in Abb. E.4.0.1 wird als Schwingkreis bezeichnet. In den folgenden Betrachtungen wird ein Schwingkreis bestehend aus einer idealen Spule mit der Induktivität L , einem verlustfreien Kondensator der Kapazität C (E.3.0.3) und einem ohmschen Gesamtwiderstand R , der auch den ohmschen Anteil der realen Spule RSp enthält, beschrieben. Bei der Anwendung der zweiten Kirchhoff-Regel (E.1.0.1) auf diesen Schwingkreis ist die Induktionsspannung wie die Spannung einer Stromquelle zu behandeln: uC uR . uind (1) Für die Teilspannungen an Kondensator, Spule und ohmschem Widerstand gilt: uC (t ) Q (t ) , C u L (t ) L uR d i (t ) dt (2a) uind (t ) , R i (t ) . 0 . R 2L (4) und der Eigenkreisfrequenz der freien ungedämpften Schwingung Z0 1 zur folgenden Form der homogenen linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung: d 2Q dQ 2G Z02 Q 0 . 2 dt dt (6) Mit Gl. (2a) ergibt sich aus Gl. (6) die Differentialgleichung für das Zeitverhalten der Kondensatorspannung: d 2uC du 2G C Z02 uC 2 dt dt 0 . (7) Die allgemeine Lösung von Gl. (7) wird ausführlich im Anhang A.2 beschrieben, wobei dort y(t) durch uC (t) zu ersetzen ist. Die Anfangsbedingungen für die Bestimmung der Konstanten K1 und K2 im Lösungsansatz für die freie gedämpfte Schwingung ergeben sich aus der Spannung am Kondensator und der Stromstärke zum Zeitpunkt t 0 : (2c) i (0) 0 . (3) (5) LC uC (0) uC 0 2 dQ dQ 1 R Q 2 dt dt C G (2b) Mit den Gln. (2a) bis (2c) folgt aus Gl. (1) unter Verwendung der Beziehung i dQ /dt die homogene Differentialgleichung zweiter Ordnung für das zeitliche Verhalten der Ladung Q des Kondensators: L Die Division durch L führt mit Einführung der Dämpfungskonstanten Aus i C Q0 , C (8a) (8b) duC folgt als weitere Anfangsbedt dingung duC (0) dt 0 . (8c) Mit den so bestimmten Konstanten K1 und K2 sowie durch Umformen und Zusammenfas- 4.0 Grundlagen 211 sen (vgl. Anhang A.2) folgt als reelle Lösung uC (t ) Q0 Z0 G t e cos(Z t M ) C Z (9) bzw. Z0 uC (t ) u e G t cos(Z t M ) . Z C0 R Z02 G 2 . (11) Für den Phasenwinkel M gilt: §G · M arctan ¨ ¸ . ©Z ¹ Rap 2 (10) Die Kreisfrequenz dieser gedämpften Schwingung (Abb. E.4.0.2.a) ist Z Zd Fall Z 0 = G zwischen gedämpfter Schwingung und Kriechfall nennt man aperiodischen Grenzfall (Abb. E.4.0.2c). In diesem Fall ergibt sich für den Dämpfungswiderstand (12) uC a) t osc L . C (13) 4.0.2 Reihen- und Parallelschwingkreise Bei Schwingkreisen, die mit einem Generator verbunden sind, unterscheidet man zwischen Reihen- bzw. Serien- und Parallelschwingkreisen (Abb. E.4.0.3). Mit dem Generator G wird eine harmonische Wechselspannung u uˆ cos Z t an den zu untersuchenden Schwingkreis gelegt, wobei Z die Kreisfrequenz der Erregerspannung u ist. Im Weiteren werden nur die Vorgänge beschrieben, die erst nach dem Abklingen der Einschwingvorgänge auftreten. Dementsprechend wird nur die partikuläre Lösung der Schwingungsgleichung (Anhang A.2) betrachtet. a) L R C G f uC b) c) t Abb. E.4.0.2 Abklingvorgänge an Schwingkreisen bei verschiedenen Dämpfungen: (a) freie, schwach gedämpfte Schwingung, Z0 >> G, (b) Kriechfall Z0 < G, (c) aperiodischer Grenzfall Z0 = G, Zeitmaßstäbe tosc und t verschieden b) R G f L c) G f Im Falle einer zu starken Dämpfung ( Z0 G bzw. R ! 2 L / C ) treten keine Schwingungen mehr auf. Die Amplitude von uC nähert sich nach hinreichend langer Zeit dem Wert null. Man bezeichnet diesen Fall auch als Kriechfall (Abb. E.4.0.2b). Den speziellen C C LP RP Abb. E.4.0.3 Schaltung zum Reihenschwingkreis (a) und für zwei Parallelschwingkreise mit gleicher Impedanz (b, c) Für den in Abb. E.4.0.3a dargestellten 212 Elektrizitätslehre 4 Elektrische Schwingungen Schwingkreis gilt nach der zweiten Kirchhoff-Regel (E.1.0.1) uR uC u uind (14a) uˆC (Z0 ) uˆ Z0 , 2G (14b) uˆC (Z0 ) uˆ 1 R bzw. uˆ cos Z t . uL u R uC Die Induktionsspannung uind = uL (Gl. (2b)) wird dabei wie die Spannung einer Stromquelle behandelt. Durch ein zur Herleitung der Gln. (3), (6) und (7) analoges Vorgehen erhält man aus Gl. (13b) die inhomogene Differentialgleichung zweiter Ordnung zur Beschreibung des Zeitverhaltens der Ladung des Kondensators: d 2Q dQ 2G Z02Q dt2 dt uˆ cos(Z t ) . (15a) L Bei Verwendung komplexer Größen für die Spannungen (E.3.0.2) ergibt sich mit Gl. (2a) die Differentialgleichung d2uC dt2 2G du C dt Z02 u C Z02 uˆ e jZ t . (15b) Die reelle Form der partikulären Lösung von Gl. (15b) ist nach der Gl. (32) im Anhang A.2 uˆC cos(Z t MuC ) . uC (t ) (16) C arctan L . C (18b) Wie in Abb. E.4.0.4 dargestellt, tritt jedoch das Maximum der Amplitude der Spannung am Kondensator nach Gl. (5) nicht bei der Resonanzkreisfrequenz Z0 sondern bei der Kreisfrequenz ZC,max auf, die man durch eine Extremwertbetrachtung aus Gl. (17) erhalten kann. Mit der Bedingung duˆC (ZC ,max ) dt ZC ,max 0 folgt Z02 2G 2 (19) und für Z ZC ,max ergibt sich uˆC ,max uˆ Z02 2 G Z02 G 2 (20) . i^ u^C ^i 2G Z (Z0 2 Z 2 ) beschreibt die Phasenverschiebung zwischen der Spannung am Kondensator uC (t ) und der Erregerspannung u (t ) . Für die von der Kreisfrequenz abhängige Amplitude der Spannung am Kondensator uˆC (Z ) erhält man entsprechend Gl. (31) im Anhang A.2: uˆC (Z ) (18a) u^C Der Phasenwinkel Mu Im Resonanzfall Z = Z0 beobachtet man am Kondensator eine Spannungsüberhöhung: Z02 uˆ (Z0 2 Z 2 ) 2 4 G 2Z 2 . (17) ωC,max ω0 ω Abb. E.4.0.4 Abhängigkeit der Amplituden der Kondensatorspannung (rote Kurve) und der Stromstärke von der Kreisfrequenz im Reihenschwingkreis Im Resonanzfall heben sich im Reihenschwingkreis die Spannungen am Kondensa- 4.0 Grundlagen 213 tor und an der Spule gegenseitig auf. Der Imaginärteil (E.3-Gl. (57)) wird null. Aus den Spannungsamplituden 1 uˆL (Z0 ) iˆ Z0 L iˆ Z0 C uˆC (Z0 ) und û lässt sich auch die Spannungsüberhöhung an der Spule berechnen: uˆL (Z0 ) uˆ uˆC (Z0 ) uˆ 1 R L . C (21) Um das Zeitverhalten der Stromstärke in komplexer Darstellung im Reihenschwingkreis zu beschreiben, multipliziert man Gl. (15b) mit C und differenziert nach der Zeit: d2 i di 2G Z02 i 2 dt dt jZ uˆ jZ t e . L (22) den der Euler’schen Identität (Anhang A.1) und Trennung von Real- und Imaginärteil zu M arctan (Z 2 Z0 2 ) . 2G Z Im Resonanzfall sind Erregerspannung und Stromstärke in Phase (M = 0). Für Z < Z0 folgt M < 0 und für Z > Z0 ergibt sich M > 0. Der Vergleich der Stromstärke ˆ i (t ) i cos(Z t M ) mit der Anregungsspannung u uˆ cos Z t zeigt, dass die Stromstärke der Erregerspannung um den entsprechenden Betrag des Phasenwinkels für Z < Z0 vorauseilt und für Z > Z0 nachläuft. Die Diskussion der Gl. (59) in E.3.0.3 führt zum gleichen Ergebnis. ϕ π 2 ^ i Die partikuläre komplexe Lösung (Anhang A.2) lautet i (t ) iˆ e j(Z t M ) (25) ϕ ^ i (23a) 0 und als reelle Lösung erhält man i (t ) iˆ cos(Z t M ) . (23b) Der Phasenwinkel M beschreibt die Phasenverschiebung zwischen Stromstärke i (t ) und Spannung u (t ) . Um M zu berechnen, werden vom Lösungsansatz Gl. (23a) die erste und zweite Ableitung gebildet und in Gl. (22) eingesetzt. Es ergibt sich Z 2 j 2 G Z Z02 jZ uˆ jM e ˆi L ω π 2 Abb. E.4.0.5 Frequenzgang von Phasenwinkel und Stromstärkeamplitude (rote Kurve) beim Reihenschwingkreis Die komplexe frequenzabhängige Amplitude der Stromstärke erhält man aus Gl. (24) und für ihren Betrag (Abb. E.4.0.5) ergibt sich Z uˆ und durch Multiplikation mit j folgt uˆ jM 2G Z j(Z 2 Z02 ) Z e . ˆi L ω0 iˆ(Z ) (24) Die weiteren Schritte führen durch Anwen- L . (Z Z0 ) 4 G 2Z 2 2 2 2 (26) Im Resonanzfall (Z = Z0) ist die Amplitude der Stromstärke maximal und nimmt mit 214 Elektrizitätslehre 4 Elektrische Schwingungen wachsender Dämpfung ab: iˆ(Z0 ) uˆ , 2 LG (27a) iˆ(Z0 ) uˆ . R (27b) Der Gesamtwiderstand (E.3 - Gl. (57)) des Reihenschwingkreises ist im Resonanzfall nur durch den ohmschen Widerstand R bestimmt. Dieser setzt sich aus dem ohmschen Anteil der Spule RSp und ggf. einem dazu in Reihe geschalteten zusätzlichen Widerstand Rd zusammen (Abb. E.4.2.1). Im Folgenden wird der in Abb. E.4.0.3.b dargestellte Parallelschwingkreis betrachtet, in dem R der ohmsche Gesamtwiderstand ist, der auch den Anteil der Spule enthält. Es wird ein idealer Kondensator vorausgesetzt, so dass ein zusätzlicher ohmscher Parallelwiderstand zur Beschreibung der Verluste am Kondensator (E.3.0.3) nicht berücksichtigt werden muss. Für die Gesamtstromstärke im Parallelschwingkreis gilt u i , (28) Z wobei u die anliegende Spannung und Z der komplexe Gesamtwiderstand sind. Für den komplexen Leitwert dieses Parallelschwingkreises gilt: 1 Z 1 jZ C . R jZ L (29) ZR C ZR L R (ZR L) 2 2 0. R ZL j(ZC 2 ). 2 R (Z L) R (Z L) 2 2 2 2 ª§ · § · º ZL R Z C «¨ 2 ¨ ¸ » 2 ¸ R 2 (Z L) 2 ¹ » «¬© R (Z L) ¹ © ¼ (31) Es ergibt sich eine Gleichung dritten Grades ZR (C R 2 L) ZR3 L2C 0 , die bei Nichtbeachtung der trivialen Lösung ZR 0 zu einer quadratischen Gleichung führt: (C R 2 L) ZR2 L2 C 0 . Die physikalisch relevante der beiden Lösungen ist: 2 ZR 1 §R· ¨ ¸ . LC © L¹ (32) Die unter (b) gesuchte Kreisfrequenz ZM dZ dZ 0 Z ZM . Als Lösung der Extremwertberechnung erhält man die Beziehung: Für den Betrag der Impedanz erhält man: (30) Z närteils: findet man mit dem Ansatz: Die Erweiterung von Zähler und Nenner des ersten Terms mit dem konjugiert Komplexen führt zu 1 Z Bemerkenswert im Vergleich zum Serienkreis aus gleichen Bauelementen sind die Frequenzabhängigkeit des Realteils und die Abhängigkeit des Imaginärteils vom ohmschen Widerstand. Im Folgenden soll untersucht werden: (a) Bei welcher Kreisfrequenz ist der Phasenwinkel zwischen Stromstärke und Spannung null ( Z bzw. 1/ Z ist reell.)? (b) Für welche Kreisfrequenz wird Z maximal? Die unter (a) gesuchte Kreisfrequenz ZR findet man durch Nullsetzen des Imagi- 1 2 . ZM 1 § 2 C R2 · R2 . ¨1 ¸ LC © L ¹ L2 (33) Die Gln. (32) und (33) zeigen, dass sich beim stetigen Erhöhen der Kreisfrequenz zunächst der Phasenwinkel null einstellt und erst bei einer etwas höheren Kreisfrequenz das Maximum des Betrags der Impedanz. erreicht wird. Für den Fall R 2 L gilt: ZR | ZM . C 4.0 Grundlagen 215 Für viele Anwendungen ist es zweckmäßig, die Reihenschaltung (Abb. E.4.0.3b) aus induktivem Widerstand (Z L) und ohmschem Widerstand (R) in eine Parallelschaltung (Abb. E.4.0.3c) aus den Widerständen RP und Z LP mit dem adäquaten Verhalten des Gesamtwiderstands umzurechnen. Für die komplexen Leitwerte von Reihen- und Parallelschaltung gilt dann: 1 R jZ L 1 1 . RP jZ LP (34) Der Vergleich von Real- und Imaginärteil führt zu den gesuchten Größen der Parallelschaltung: RP § (Z L) 2 · R ¨1 ¸ , R2 ¹ © § Z LP Z L ¨1 © (35a) R2 · ¸ . (Z L) 2 ¹ (35b) Mit diesen Größen ergibt sich für den komplexen Leitwert des Parallelschwingkreises 1 Z (36) 1 1 ) . j (Z C RP Z LP Für den komplexen Widerstand des Parallelschwingkreises gilt 1 , 1 1 + j(Z C ) RP Z LP (37) Erweitert man in Gl. (37) Zähler und Nenner mit dem zu Z (Z ) konjugiert komplexen Wert (vgl. Anhang A.1), ergibt sich Z (Z ) 1 1 Z C) + j( Z LP RP 2 § 1 · § 1 · ¨ ¸ +¨Z C ¸ Z R LP ¹ © P¹ © tan M Im Z (Z ) Re Z (Z ) 2 . (38) RP ( 1 Z C ) . (39) Z LP Mit der Bedingung tanM = 0 folgt für die Resonanzkreisfrequenz die Beziehung ZR 1 . LP C (40) Da für Z = ZR der Differenzterm in Gl. (36) null wird, erhält man für den komplexen Gesamtwiderstand des Parallelschwingkreises mit den tatsächlichen Größen R und L unter Berücksichtigung von den Gln. (35a) und (32) im Resonanzfall Z (ZR ) RP § (Z L) 2 · R ¨1 R 2 ¸ R © ¹ L (41) RC sowie für den Gesamtstrom iˆ(ZR ) 1 1 jZ C RP jZ LP Z (Z ) Damit lässt sich der Phasenwinkel für die Phasenverschiebung zwischen Stromstärke und Spannung berechnen: uˆ Z (ZR ) RC uˆ . L (42) Während die Gesamtstromstärke im Resonanzfall in der Nähe des Minimums ist, treten bei den Strömen durch die Spule und den Kondensator die Resonanzüberhöhungen iˆ (Z ) iˆL (ZR ) bzw. C R auf. Im Falle des realen iˆ(ZR ) iˆ(ZR ) Parallelschwingkreises (Abb. E.4.0.3.b) folgt unter Verwendung der ersten KirchhoffRegel (E.1.0.1) und den Gln. (28) und (29): u i i L i C j Z C u . (43) R jZ L Für den Resonanzfall ergeben sich damit die Amplituden der Stromstärke in Spule und Kondensator: iˆL (ZR ) uˆ R Z L 2 2 R 2 uˆ C , L (44) 216 Elektrizitätslehre iˆC (ZR ) ZR C uˆ uˆ 4 Elektrische Schwingungen C L 1 R2 C . iˆC (ZR ) iˆL (ZR ) 1 R 2 L C , (45a) L (45b) Daraus folgen nach Gl. (42) für die Resonanzüberhöhungen iˆL (ZR ) iˆ(ZR ) 1 L R C und Bereits auf dem Bildschirm können aus dem dort dargestellten Graphen einzelne Werte numerisch mit einem Messcursor ermittelt werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Daten in einem PC zu speichern und mit geeigneter Software mittels Anpassungsrechnungen (lineare oder nichtlineare Regression) auszuwerten. RA 1 (46a) 0 + iˆC (ZR ) iˆ(ZR ) 1 R L C 1 R2 C . L (46b) 2 L, RSp uC UK - C Rd 4.1 Abklingvorgänge im RLCKreis Aufgabenstellung 1. Es sollen das Ausschwingverhalten eines RLC-Kreises bei drei verschiedenen Dämpfungswiderständen untersucht und die jeweilige Frequenz und Dämpfungskonstante bestimmt werden. Die Induktivität der Schwingkreisspule ist zu ermitteln. 2. Der Dämpfungswiderstand für den aperiodischen Grenzfall ist zu bestimmen. Für die Messungen wird ein Digitaloszilloskop (E.3.1) oder ein rechnergestütztes Messwerterfassungssystem verwendet. Die Erfassung der Abklingvorgänge an dem RLC-Kreis erfolgt mit Hilfe der in der Abb. E.4.1.1 dargestellten Schaltung, in der der Kondensator C über den Widerstand RA aufgeladen wird. Mit dem Umschalten des Relais beginnt die Messwerterfassung für das Ausschwingen, wobei die Spannung am Kondensator gemessen wird. Die Masse des Messkanals wird zweckmäßigerweise mit dem Minuspol der Gleichstromquelle verbunden. Abb. E.4.1.1 Schaltung zur Erfassung des Zeitverhaltens der Spannung am Kondensator im Reihenschwingkreis Das Zeitverhalten der Kondensatorspannung (Abb. E.4.1.2) wird für den Schwingfall (G < Z0) durch Gl. (10) beschrieben. Für die im Experiment gemessene Zeitabhängigkeit (Abb. E.4.1.2) erfolgt die Beschreibung durch die Gleichung uC (t ) uˆ0 e G t cos Z t (47) mit Z = Zd (Gl. (11)). Bei kleinen Dämpfungen ist Z | Z0 und bei hinreichend langer Ladezeit vor dem Umschalten gilt û0 U K . uC T u^0 e-δt t Abb. E.4.1.2 Zeitabhängigkeit der Kondensatorspannung, Abklingfunktion (rot), Amplitudenabnahme (schwarz) 4.2 Resonanz im Reihenschwingkreis 217 Die zeitabhängige Abnahme der Amplitude wird durch die Funktion uˆ (t ) uˆ0 e G t (48) beschrieben. Als Schwingungsdauer T 1 f 2ʌ Z (49) . definiert man die Zeitdifferenz zwischen zwei aufeinanderfolgenden Amplituden. Durch Logarithmieren des Verhältnisses zweier aufeinanderfolgender Amplituden wird das logarithmische Dekrement / erhalten: / ln uˆ (t ) uˆ (t T ) GT . (50) Versuchsausführung Man baut die Schaltung nach Abb. E.4.1.1 mit einem Kondensator bekannter Kapazität C auf. Der zeitliche Verlauf der Kondensatorspannung wird für drei verschiedene Dämpfungswiderstände R erfasst: R RSp Rd . Der Widerstand Rd ist ein zusätzlicher ohmscher Widerstand, der seriell zur Spule geschaltet wird. Die Frequenz f erhält man aus der Schwingungsdauer. Um diese so genau wie möglich zu messen, empfiehlt es sich, die Messung mehrerer Perioden (n) in der Zeit tn durchzuführen: T = tn / n. Aus dem ln uˆC - t -Diagramm ist der Wert der Dämpfungskonstanten über den Anstieg der Regressionsgeraden zu bestimmen. Alternativ kann G auch mit Hilfe von Gl. (50) erhalten werden. Die Induktivität L der Spule lässt sich für den kleinsten Dämpfungswiderstand mit Gl. (5) ermitteln. Den aperiodischen Grenzfall findet man durch weitere Vergrößerung des Widerstands Rd, der z. B. ein Wendel-Präzisionspotentiometer mit Einstellregler zum direkten Ablesen der Widerstandswerte oder eine Kombination aus Präzisionsdekadenwiderständen sein kann. Der eingestellte Dämpfungswiderstand R ist mit dem nach Gl.(13) berechneten Wert zu vergleichen. 4.2 Resonanz im Reihenschwingkreis Aufgabenstellung 1. Die Frequenzabhängigkeiten der Stromstärke und der Spannung am Kondensator sind für zwei verschiedene Dämpfungswiderstände zu messen und graphisch darzustellen. 2. Aus den Resonanzkurven sollen jeweils die Dämpfungskonstante und die Güte des Schwingkreises sowie die beiden Dämpfungswiderstände bestimmt werden. 3. Für jede der beiden Dämpfungen sind die Frequenzen zu ermitteln, bei denen die Kondensatorspannung eine maximale Amplitude hat. Die Abweichungen zur Resonanzfrequenz sollen diskutiert werden. Aus der Spannungsüberhöhung am Kondensator im Resonanzfall ist die Kapazität des Kondensators zu bestimmen. UC V I A C G f L, RSp V U CH II (Y) Rd CH I (X) Abb. E.4.2.1 Schaltung zur Untersuchung von erzwungenen Schwingungen im Reihenschwingkreis Die Frequenzabhängigkeit der Amplitude der Stromstärke im Reihenschwingkreis wird durch Gl. (26) beschrieben. 218 Elektrizitätslehre 4 Elektrische Schwingungen Charakteristische Werte sind dabei iˆ(Z 1 ) iˆ(Z2 ) magnetischer Wellen gedämpft. Ein Maß für die Dämpfung ist der Verlustfaktor 1 ˆ i (Z0 ) 2 (51) und nach Gl. (27a) ergibt sich iˆ(Z 1,2 ) uˆ . G 2 L 2 1 (52) Mit den Gln. (52) und (26) erhält man 2 (Z 1,2 Z02 ) 2 2 Z 1,2 4G 2 . (53a) Unter den Bedingungen G > 0 und Z1,2 > 0 folgen daraus zwei quadratische Gleichungen: 2 Z 1,2 Z02 r 2 G Z1,2 . (53b) In deren vier Lösungen sind die gesuchten Kreisfrequenzen Z1 und Z2 enthalten: Z 1,2 r G G 2 Z02 . 'f , (55) f0 den man auch als relative Halbwertsbreite bezeichnet. Der Kehrwert des Verlustfaktors beschreibt die Güte Q des Reihenschwingkreises mit dem Dämpfungswiderstand R : Z0 Z0 'Z Q Z0 2G Z0 L 1 R R L . C (56a) Vergleicht man die sich daraus im Resonanzfall ergebenden Spannungsüberhöhungen am Kondensator (Gl. (18b)) und an der Spule (Gl. (21)) mit Gl. (56a), erhält man uˆC (Z0 ) uˆ (Z0 ) Q uˆL (Z0 ) . uˆ (Z0 ) (56b) ^i ^i (f ) 1 0 Q1 (53c) Aus dem Vergleich von Gl. (53b) mit Gl. (25) folgt, dass bei den Kreisfrequenzen Z1 und Z2 der Betrag der Phasenverschiebung zwischen Stromstärke und angelegter Spannung 45° beträgt. In diesem speziellen Fall sind die Beträge von Wirk- und Blindwiderstand im Schwingkreis gleich groß und die Hälfte der vom Generator aufgenommen Energie wird in thermische Energie umgesetzt (E.3.0.3). Die Differenz 'Z = Z2 – Z1 der Kreisfrequenzen bzw. der zugehörigen Frequenzen 'f = f2 – f1 wird deshalb auch als Halbwertsbreite (Bandbreite) bezeichnet. Für den Zusammenhang zwischen Halbwertsbreite und Dämpfungskonstante gilt nach Gl. (53c) 'Z Z2 Z1 2 G , 'f 'Z D f 2 f1 G ʌ . (54) Die Schwingung eines jeden realen Schwingkreises ohne zusätzlichen Widerstand Rd wird durch den ohmschen Anteil der Spule (Widerstand RSp), die dielektrischen Verluste des Kondensators und die Abstrahlung elektro- i^1(f0) 2 Δf1 ^i (f ) 2 0 ^i (f ) 2 0 2 Δf2 Q2 f0 f Abb. E.4.2.2 Resonanzkurven für unterschiedliche Güten Q (Q1> Q2, Halbwertsbreiten 'f1< 'f2) Versuchsausführung Für Aufgabe 1 wird die Messschaltung mit einer Spule bekannter Induktivität L nach Abb. E.4.2.1 aufgebaut. Bei Vergrößerung der Frequenz in einem vorgegebenen Bereich werden die Effektivwerte der Stromstärke I und der Kondensatorspannung UC für die beiden gegebenen Widerstände Rd erfasst, wobei die am Schwingkreis anliegenden Spannung (Effektivwert U ) stets konstant zu 4.3 Resonanz im Parallelschwingkreis in Abhängigkeit von der Frequenz für jeden Dämpfungswiderstand jeweils in einem Diagramm graphisch entsprechend Abb. E.4.0.4 darzustellen. Bei Aufgabe 2 entnimmt man den Resonanzkurven (vgl. Abb. E.4.2.2) die betreffenden Halbwertsbreiten, mit der die gesuchten Werte für die Güte und die Dämpfungskonstante berechnet werden können. Die Dämpfungswiderstände (R = RSp + Rd) können bei bekannter Induktivität mit Gl. (4) bestimmt werden. Bei der Diskussion der Frequenzabweichung 'Z = Z 0 Z C,max ist in Aufgabe 3 die Gültigkeit Z 0 ' Z | G 2 (vgl. Gl. (19), G 2 >> Z 02) zu überprüfen. Die gesuchte Kapazität kann unter Verwendung der Gln. (56a) und (56b) ermittelt werden. 4.3 Resonanz im Parallelschwingkreis Aufgabenstellung 1. Für einen Parallelschwingkreis soll die Frequenzabhängigkeit der Stromstärke für drei verschiedene Dämpfungen gemessen und graphisch dargestellt werden. Der Einfluss der Dämpfung ist zu diskutieren. 2. Aus den Messwerten sind für jede Dämpfung die Frequenzabhängigkeit der Schwingkreisimpedanz zu ermitteln und graphisch darzustellen sowie die jeweilige Halbwertsbreite und Schwingkreisgüte zu bestimmen. Die Abhängigkeit der Schwingkreisgüte von den zur Dämpfung verwendeten Widerständen ist zu begründen. 3. Für den Fall der besten Güte sollen die Phasenverschiebungen zwischen Strom und Spannung für die die Halbwertsbreite bestimmenden Frequenzen sowie die Stromstärke durch die Spule bei der Resonanzfrequenz gemessen werden. Dieser Wert ist mit der Gesamtstromstärke im Resonanzfall zu vergleichen und zu diskutieren. Wie in Abb. E.4.3.1 dargestellt ist, setzt sich der ohmsche Gesamtwiderstand R der Versuchsschaltung unter der Annahme eines verlustfreien Kondensators aus dem Spulenwiderstand RSp, dem zu variierenden Dämpfungswiderstand Rd und dem Widerstand des Strommessgeräts RAmp für die Messung von IL zusammen. I IL A G f RAmp A U V C CH I (X) CH II (Y) halten ist. Den Resonanzfall f = f0 kann man sehr genau mit Hilfe der entsprechenden Lissajous-Figur (Phasenwinkel M = 0, vgl. Abb. E.3.1.5) einstellen. Es werden die Effektivwerte für die Spannung am Kondensator UC( f0) und die Stromstärke I( f0) gemessen. Der Maximalwert des Effektivwerts der Kondensatorspannung UC ( fC,max) lässt sich durch Variation der Frequenz im Bereich des Maximums hinreichend genau ermitteln. Es sind die auf die Maximalwerte normierten Werte > I ( f ) / I ( f 0 ) @ ª¬iˆ( f ) / iˆ( f 0 ) º¼ und ª¬U C ( f ) / U C ( fC ,max ) º¼ ª¬uˆC ( f ) / uˆC ( f C ,max ) º¼ 219 Rd L, RSp Abb. E.4.3.1 Schaltung zur Untersuchung des Frequenzverhaltens eines Parallelschwingkreises Die Versuchsschaltung mit den realen Größen R, L und C wird, wie im Abschnitt E.4.0.2 beschrieben ist, im Weiteren theoretisch als Parallelschaltung aus einem Widerstand Rp nach Gl. (35a), einer idealen Spule mit der Induktivität Lp nach Gl. (35b) und dem gegebenen Kondensator behandelt (Abb. E.4.0.3c). Aus Gl. (35a) folgt, dass der Dämpfungswiderstand RP im Parallelschwingkreis für den Fall eines sehr kleinen Widerstands R (R << Z L) sehr groß ist. Der Betrag der Impedanz des Parallelkreises lässt sich mit den Größen LP und RP durch die 220 Elektrizitätslehre 4 Elektrische Schwingungen folgende Gleichung beschreiben: 1 Z (Z ) 2 § 1 · § 1 · ¨ ¸ + ZC ¸ ¨ RP ¸ ¨© Z LP ¹ © ¹ 2 . (57) 2 Die Resonanzfrequenz Z R ist nach Gl. (32) vom ohmschen Gesamtwiderstand R des Parallelschwingkreises abhängig. Für den Resonanzfall ergibt sich dann nach Gl. (41) der Zusammenhang: RP L 1 . C R Im Resonanzfall Z = ZR ist der Wert des Phasenwinkels null und es gilt für den Betrag der Impedanz des Parallelschwingkreises Z (ZR ) RP . Das Maximum der Impedanz Z (ZM ) bzw. Minimum der Gesamtstromstärke stellt sich bei der Frequenz Z = ZM (vgl. Gl. (33) ein. Für R 2 L gilt Z (ZM ) | Z (ZR ) RP . C Für diesen Fall werden die Halbwertsbreite der Resonanzkurve und die Güte des Schwingkreises berechnet. Mit den für die Halbwertsbreite 'Z Z2 Z1 definierten Kreisfrequenzen Z1 und Z2 gilt: Z (Z 1,2 ) § Z (Z 1,2 ) · ¨ ¸ © Z (ZR ) ¹ 1 2 2 Z (ZR ) RP 2 , (58a) Z 2,1 § 1 · 1 1 1 ¨ r . (59b) ¸ © 2 C RP ¹ LP C 2 C RP Für die Halbwertsbreite ergibt sich 1 'Z Z2 Z1 , C RP (60) und mit der Definition der Güte Q ZR 'Z folgt die Beziehung: QP RP C LP RP . ZR LP (61a) Setzt man in Gl. (61a) für RP(ZR) und LP(ZR) die entsprechenden Beziehungen mit den realen Größen R und L ein, erhält man für die Güte QP im Parallelschwingkreis die Beziehung ZR L QP . (61b) R Mit den Gln. (40) und (61a) ergibt sich 'Z LP 2 ZR RP 'f 'Z 2ʌ ZR QP f 2 f1 bzw. fR . QP (62) Versuchsausführung 1 . 2 (58b) Ein Vergleich zwischen den Gln. (58a) und (57) führt zu 1 RP senwinkel M (Z1,2) = ± 45°. Die Kreisfrequenzen Z1 und Z2 zur Bestimmung der Halbwertsbreite erhält man aus den Lösungen der Gl. (59a): § 1 r ¨ Z 1,2 C ¨ Z 1,2 LP © · ¸¸ , ¹ (59a) und aus der Gegenüberstellung der Gl. (59a) und Gl. (39) folgt für die zugehörigen Pha- Die Schaltung ist nach Abb. E.4.3.1 aufzubauen. Wegen der schaltungsbedingten zusätzlichen Phasenverschiebung zwischen Gesamtstromstärke und Spannung um 180° muss ein Kanal am Oszilloskop invertiert werden. Der Resonanzfall kann nur unter der Bedingung (RSp + Rd + RAmp)2 < L / C realisiert werden. Bei Aufgabe 1 wird die Frequenz f in einem vorgegebenen Bereich in geeigneten Schritten vergrößert und der Effektivwert der Stromstärke I(f) ist für jede Dämpfung zu 5.0 Grundlagen 221 5 HalbleiterBauelemente, elektronische Grundschaltungen Die Breite dieser verbotenen Zone hängt vom verwendeten Halbleiter ab und besitzt zum Beispiel für Silizium einen Wert von 1,14 eV. Das ist groß im Vergleich zur thermischen Energie der Elektronen von 25 meV bei Raumtemperatur. Wird ein elektrischer Strom durch den Übergang von Elektronen aus dem Valenz- in das Leitungsband ermöglicht, spricht man von Eigenleitung und bezüglich des Halbleiters vom intrinsischen oder Eigenhalbleiter. Um für diesen Fall die Temperaturabhängigkeit der Anzahl der Elektronen im Leitungsband zu erhalten, geht 5.0 Grundlagen 5.0.1 Leitungsvorgänge in Halbleitern Bei Halbleitern liegt der spezifische elektrische Widerstand U zwischen dem eines Leiters und dem eines Isolators, d. h., sie haben E0 E0 EL EL e Φn Werte zwischen 10-5 : m und 107 : m. Ihr Leitungsmechanismus beruht auf der Bewegung von Elektronen oder Löchern. Zudem nimmt die Leitfähigkeit von Halbleitern im Gegensatz zu Leitern in der Regel mit der Temperatur zu. Bei T 0 verhalten sich Halbleiter wie Isolatoren. Elektronen können in einem Festkörper ebenso wie in einem Atom nur diskrete Energiewerte annehmen. Diese liegen aber so dicht beieinander und „verschmieren“, so dass man von Energiebändern spricht. Das oberste, von Elektronen praktisch vollständig besetzte, nennt man das Valenzband (obere Bandkante EV) und das nächst höhere (leere) das Leitungsband (untere Bandkante EL). Valenzund Leitungsband sind durch einen im Vergleich zum Isolator schmalen Bereich nichterlaubter Energiewerte, die so genannte verbotene Zone (EL EV), getrennt. eΦp messen, dabei ist die am Schwingkreis anliegende Spannung U bei allen Messungen konstant zu halten. Eine Änderung der Dämpfung erfolgt durch das Austauschen der am Arbeitsplatz zur Verfügung gestellten Widerstände Rd . Den Phasenabgleich an der Resonanzstelle (Phasenwinkel M = 0) kontrolliert man mit Hilfe von LissajousFiguren (Abb. E.3.1.5). Es werden die Stromstärken in Abhängigkeit von der Frequenz in einem Diagramm dargestellt und unter Verwendung der Gln. (29), (42) und (57) diskutiert man den Einfluss der Dämpfungswiderstände R (R = RSp+RAmp+Rd) auf die Stromstärke im Resonanzfall. Der Betrag des komplexen Widerstands lässt sich bei Aufgabe 2 aus den Messwerten I( f ) und der Spannung U mit Z( f ) = U/I( f ) berechnen. Es ist (Z( f ) / Z( fR ))2 in Abhängigkeit von f in einem Diagramm darzustellen und daraus die Halbwertsbreite 'f zu ermitteln. Der Einfluss der Größe von R bzw. Rp auf die Güte soll mit Hilfe der Gln. (61a) und (61b) diskutiert werden. Bei Aufgabe 3 ermittelt man mit Hilfe von Lissajous-Figuren die Phasenverschiebungen bei den die Halbwertsbreite bestimmenden Frequenzen (f1, f2) und vergleicht diese mit den theoretischen Werten. Die Effektivwerte der Stromstärke durch die Spule und der Gesamtstromstärke werden im Resonanzfall direkt gemessen und ihr Verhältnis ist zu diskutieren (Gl. (46a)). EF ED EF EA EV z=0 EV z=0 z Abb. E.5.0.1 Bändermodelle für einen p- und ndotierten Halbleiter vor dem Kontakt (Bezeichnungen siehe Text) 222 Elektrizitätslehre 5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen man von ihrer Energieverteilungsfunktion aus: n gi Ni e Ei EF kT . (1) 1 Sie ergibt sich unter den Voraussetzungen, dass die Elektronen ununterscheidbar sind und dass nach dem Pauli-Verbot jeder Zustand nur von einem Elektron eingenommen werden darf (Fermi-Statistik). Ni ist die Zahl der Elektronen mit Energien zwischen Ei und Ei dEi, gi die Anzahl der Zustände, die ein Elektron in diesem Energieintervall annehmen kann, k die Boltzmann-Konstante, T die absolute Temperatur und EF die FermiGrenzenergie, die man aus der Gesamtzahl der Zustände unter der Bedingung 6Ni N ermittelt. Die Bedeutung von EF besteht darin, dass die Zustände mit der Energie EF gerade zur Hälfte besetzt werden und dass für T 0 alle erlaubten Zustände gi mit Energien kleiner als EF voll besetzt sind. Die Energieverteilungsfunktion Gl. (1) liefert unter den im Halbleiter erfüllten Voraussetzungen EL EF !! k T und EF EV !! k T (2) für die Anzahl n der Elektronen pro Volumen im Leitungsband n NL e EL EF kT , (3a) bzw. für die Anzahl p der Löcher pro Volumen im Valenzband p NV e EF EV kT . (3b) Für den Fall der Eigenleitung gilt n p. Somit folgt aus den Gln. (3a) und (3b), da die effektiven Zustandsdichten NL und NV nahezu übereinstimmen, EF sowie EL EV kT NV EL EV | ln 2 2 NL 2 (4) p NL NV e EL EV 2kT . (5) Die Fermi-Grenzenergie liegt beim Eigenhalbleiter demzufolge etwa in der Mitte der verbotenen Zone, so dass die Eigenleitung bei Zimmertemperatur vernachlässigt werden kann. Zudem zeigt Gl. (4), dass EF nur sehr schwach von der Temperatur abhängt. Dies rechtfertigt die Verwendung des Begriffs der Fermi-Grenzenergie, wie in der Halbleiterphysik üblich, als temperaturunabhängige Konstante. Im Allgemeinen gilt EF (T 0), wobei das chemische Potential darstellt. Im Gegensatz zur Eigenleitung bildet die Störstellenleitung die Grundlage der Funktionsweise von Halbleiterbauelementen. Bei ihr stammen die Elektronen im Leitungsband nicht aus dem Valenzband, und die Löcher des Valenzbands werden nicht durch die in das Leitungsband übergegangenen Elektronen erzeugt. Ein Störstellenhalbleiter entsteht aus einem Eigenhalbleiter durch den Einbau von Gitterstörungen, indem in vierwertige Halbleitermaterialien, z. B. Silizium, geringe Mengen (etwa ein Fremdatom auf 107 Gitteratome) eines fünfwertigen (Phosphor, Arsen, Antimon) bzw. eines dreiwertigen (Bor, Aluminium, Gallium) Elements eingebaut werden (Dotierung). Im ersten Fall erhält man bezüglich der Bindung im Grundgitter zusätzliche Valenzelektronen, die sehr leicht in das Leitungsband abgegeben werden. Diese Störstellen nennt man deshalb Donatoren und die so dotierten Halbleiter Überschuss- oder Störstellenhalbleiter vom n-Typ. Im zweiten Fall wird ein Loch im Kristall erzeugt, das von einem Valenzelektron aufgefüllt werden kann, wodurch eine neue Fehlstelle entsteht. Diese Störstellen nennt man deshalb Akzeptoren und die so dotierten Halbleiter Mangel- oder Störstellenhalbleiter vom p-Typ. Die elektrische Leitung im Störstellenhalbleiter ist folglich durch die Bewe- 5.0 Grundlagen gung von Majoritätsträgern (Elektronen bzw. Löchern) gekennzeichnet. Die Eigenleitung spielt im Vergleich zur Störstellenleitung keine Rolle. Die Donatoren (Dichte nD) bzw. Akzeptoren (Dichte nA) erzeugen in der verbotenen Zone zusätzliche erlaubte Energieniveaus. Bei einem Störstellenhalbleiter vom nTyp liegen diese zusätzlichen Niveaus ED nahe am Leitungsband (Abb. E.5.0.1, rechts), bei einem Störstellenhalbleiter vom p-Typ liegen diese zusätzlichen Niveaus EA nahe am Valenzband (Abb. E.5.0.1, links). Für Silizium beträgt der Abstand der Störstellenniveaus von der jeweiligen Bandkante bezüglich der Donatoren ca. 45 meV und bezüglich der Akzeptoren z. B. ca. 55 meV. Analoge Überlegungen wie im Falle des Eigenhalbleiters ergeben, dass die FermiGrenzenergie EF im Störstellenhalbleiter nach Abb. E.5.0.1 zwischen den Bandkanten (EL bzw. EV) und dem jeweiligen Störstellenniveau liegt. Je größer nD bzw. nA ist, desto näher liegt EF bei EL bzw. EV. Damit sind bei Zimmertemperatur praktisch alle Donatoren bzw. Akzeptoren ionisiert und können zur elektrischen Leitung beitragen. 5.0.2 pn-Übergang, Dioden, Transistoren Werden die beiden in Abb. E.5.0.1 getrennt dargestellten p- bzw. n-dotierten Halbleiter (nA und nD können durchaus unterschiedlich sein) zur Berührung gebracht, ändert sich an der Kontaktstelle z = z0 = 0 die Konzentration der Akzeptoren nA und die der Donatoren nD sprunghaft. Dadurch diffundieren freie Elektronen so lange vom n- zum p-Halbleiter und Löcher in die umgekehrte Richtung, bis die Fermi-Niveaus auf gleicher Höhe liegen, da die Fermi-Grenzenergie EF in zusammenhängender Materie konstant ist. Als Folge dieses Diffusionsstroms über den pn-Übergang verarmt die n-Zone an negativen Ladungsträgern und es bleibt eine positive Raumladung U (z) zurück. Ebenso verarmt die p-Zone an positiven Ladungsträgern und es bildet sich eine nega- 223 tive Raumladung (Abb. E.5.0.2). Die Ausdehnung dieser Raumladungszone (Sperrschicht) wird durch die Raumladungsbreite (zn zp) begrenzt. Das dieser Raumladung entsprechende elektrische Feld verursacht einen rückfließenden Felddriftstrom, der im thermischen Gleichgewicht (d. h., ohne eine an den pn-Übergang angelegte Spannung) den Diffusionsstrom kompensiert. Die Gesamthöhe der durch Ausgleich der FermiNiveaus verursachten Energiestufe ist nach Abb. E.5.0.1 bezüglich des Bezugspotentials E0 gleich der Differenz )p )n UD . (6) UD ist die Diffusionsspannung und muss von den Elektronen überwunden werden, um in das p-Gebiet zu gelangen (entsprechendes gilt für die Löcher). ρ enD zp 0 zn z enA Abb. E.5.0.2 Raumladungsdichte ȡ(z) in der Sperrschicht eines pn-Übergangs (- - - real, Näherung zur Lösung der Gl. (8) Legt man eine Gleichspannung U mit dem negativen Pol an die p-Zone und dem positiven Pol an die n-Zone, werden freie Ladungsträger vom pn-Übergang abgezogen und damit die Potentialstufe UD und die Breite der Sperrschicht vergrößert. Der pnÜbergang ist in Sperrrichtung vorgespannt und es kann nur ein sehr kleiner Sperrstrom fließen. Bei umgekehrter Polung der Spannung U verringert sich die Potentialstufe auf den Wert )p )n U U D U . (7) 224 Elektrizitätslehre 5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen Die Ladungsträger werden zum pn-Übergang getrieben und die Breite der Sperrschicht wird kleiner. Übersteigt U die Diffusionsspannung UD, kann ein Strom fließen, d. h. der pn-Übergang ist in Durchlassrichtungvorgespannt. Da die Gesamtladung in der Sperrschicht null, aber die Ladung nicht homogen verteilt ist, verhält sie sich wie ein Plattenkondensator mit dem Plattenabstand znzp. Dessen Kapazität (Sperrschichtkapazität) Cs dQ / d U ergibt sich nach Lösung der Poisson-Gleichung U z H H0 d 2) dz2 A H H 0 e nA nD 2 nA nD U D U H H0 A zn zp (9) . U I S (e U T 1) , (10) wobei U T k T e die so genannte Temperaturspannung bezeichnet, die bei Raumtemperatur ca. 25 mV beträgt. Die Stärke des Sättigungssperrstroms I Sv e UD UT Si GaAs U 0,7 V 1,6 V U Us Dabei bezeichnen H die relative, H0 die absolute Permittivität und A die Querschnittsfläche des Kristalls. Gl. (9) ist anwendbar für das Verhalten des pn-Übergangs im Sperrbereich (U 0), da der Ausdruck für U UD divergiert. Der quantitative Zusammenhang zwischen der Stromstärke I und der Spannung U durch den pn-Übergang (Strom-Spannungs-Kennlinie) ergibt sich näherungsweise zu I I I (8) mit der Raumladungsdichte U (z) entsprechend Abb. E.5.0.2 zu CS der Diffusionsspannung UD und somit vom verwendeten Halbleitermaterial ab. Damit durch den pn-Übergang nach dem Anlegen einer Spannung ein Strom fließen kann, muss er an beiden Seiten mit einem Metall kontaktiert werden (so genannter ohmscher Kontakt). Zusammen mit den Widerständen im Kristall bilden sie die Bahnwiderstände, die je nach Diodentyp zwischen 0,01 : bis 10 : liegen. (11) liegt zwischen 1 A und 1 pA und hängt von Abb. E.5.0.3 Schaltsymbol und StromSpannungs-Kennlinie einer Si- bzw. GaAs-Diode Diesen kontaktierten pn-Übergang nennt man eine pn-Diode. Für eine Silizium- und Gallium-Arsenid-Diode sind in der Abb. E.5.0.3 das Schaltsymbol sowie die StromSpannungs-Kennlinien entsprechend Gl. (10) dargestellt. In Abb. E.5.0.3 wurde ebenfalls berücksichtigt, dass der Bahnwiderstand ein exponentielles Anwachsen nach Gl. (10) für größere Ströme in Durchlassrichtung verhindert (Linearisierung). Die Spannung, bei der ein merklicher Diodenstrom zu fließen beginnt, nennt man die Schleusenspannung US. Ihr Wert ist durch eine Tangentenkonstruktion aus der Kennlinie, wie in Abb. E.5.0.3 dargestellt, bestimmbar. Näherungsweise beträgt sie für eine Si-Diode 0,7 V und z. B. für eine GaAsDiode 1,6 V. Für diese Dioden existiert eine maximale Sperrspannung, deren Überschreitung zur Zerstörung des Bauelements führt. 5.0 Grundlagen 225 Wichtige Anwendungen dieser pn-Dioden sind die Gleichrichtung und Begrenzung von Wechselspannungen (so genanntes Großsignalverhalten, d. h., die Diode wird als Schalter betrachtet) sowie die Modulation, Mischung und Frequenzvervielfachung (so genanntes Kleinsignalverhalten, d. h., es wird die Krümmung der Kennlinie bei der Schleusenspannung US ausgenutzt). Wird das Halbleitermaterial hoch dotiert, bildet sich eine sehr schmale Sperrschicht aus, so dass schon beim Anlegen relativ kleiner Sperrspannungen hohe elektrische Feldstärken im pn-Übergang herrschen. Dann können Valenzelektronen durch innere Feldemission aus ihren Bindungen gelöst werden und in das Leitungsband gelangen (ZenerEffekt). Dieses Durchbruchverhalten ist reversibel, so dass man die so genannten ZDioden in dem steil verlaufenden Gebiet ihrer Durchbruchkennlinie betreiben kann (Abb. E.5.0.4). Z-Dioden werden insbesondere zur Spannungsstabilisierung eingesetzt. Weitere Ausführungsformen von Dioden sind z. B. Tunneldioden, Kapazitätsdioden, PINDioden, Schottky-Dioden, Photodioden, oder Lumineszenzdioden. ment darstellt und somit als Verstärker arbeiten kann (Abb. E.5.0.5). Beim bipolaren Transistor sind sowohl Elektronen als auch Löcher am Ladungstransport beteiligt. Die Voraussetzungen für die Wirkungsweise eines Transistors als Verstärker sind: 1. Die Basis-Emitter-Diode ist in Durchlassrichtung und die Kollektor-Basis-Diode in Sperrrichtung gepolt. 2. Die Breite der Basiszone ist sehr klein (wenige ȝm), so dass sich hier Elektronen und Löcher praktisch nicht vereinigen (rekombinieren) können. 3. Die Emitterzone ist stark dotiert gegenüber der Basiszone. C IC n p n B IB UBE UCE IE E IC mA IC mA 30 UCE=const 20 UBE=700 mV 30 ΔIC=S ΔUBE 20 680 mV Δ IC 10 10 ΔUBE I ΔUz U 0 0 200 400 600 U BE I mV Uz Durchbruchkennlinie U ΔIz 0,7 V Iz Abb. E.5.0.4 Schaltsymbol und Strom-Spannungs-Kennlinie einer Z-Diode Eine Zonenfolge npn bzw. pnp mit den zugehörigen Anschlüssen Emitter E, Basis B und Kollektor C führt zu einem bipolaren npnbzw. pnp-Transistor, der ein aktives Bauele- 2 4 6 8 660 mV 640 mV 620 mV 10 UCE V Abb. E.5.0.5 Aufbau und Schaltsymbol (oben) sowie Übertragungskennlinie und Ausgangskennlinienfeld (unten) eines npn-Transistors mit typischen Zahlenwerten Da der Basis-Emitter-Übergang in Durchlassrichtung gepolt ist, fließt bei der Spannung UBE = US ein Elektronenstrom in das pGebiet der Basis. Auf Grund der geringen Breite und der geringen Dotierung dieses Gebietes rekombinieren nur sehr wenige Elektronen mit Löchern im p-Gebiet. Dadurch werden fast alle Elektronen aus dem Emitter von dem positiven Potential des Kollektors erfasst und fließen proportional zum Basisstrom als Kollektorstrom ab. Damit 226 Elektrizitätslehre 5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen wird IC | -IE und somit IB sehr klein. Das Verhältnis IC /IB nennt man den statischen Stromverstärkungsfaktor B und das Verhältnis dIC/dIB bei konstanter Spannung UCE den Kleinsignal-Stromverstärkungsfaktor E. Da weiterhin U CB U BE gewählt und folglich U CE | U CB wird, gilt U CE I C U BE I B . Das entspricht einer Leistungsverstärkung. Analoge Betrachtungen gelten für die Wirkungsweise eines pnp-Transistors, nur dass hier die Löcher die Funktion der Elektronen übernehmen und an den Kontaktierungen in Elektronenströme umgewandelt werden. Die Zusammenhänge zwischen den Eingangsgrößen UBE und IB sowie den Ausgangsgrößen UCE und IC eines Transistors lassen sich in verschiedener Weise sowohl durch Kennlinien (Großsignalverhalten) als auch durch lineare Gleichungen (Kleinsignalverhalten) darstellen bzw. analytisch beschreiben. In der Abb. E.5.0.5 sind die Übertragungskennlinie IC = f (UBE) für eine konstante Kollektor-Emitter-Spannung UCE und das Ausgangskennlinienfeld IC = f (UCE) mit UBE als Parameter für einen npn-Transistor dargestellt. Sie sind geeignet, die Spannungsverstärkung zu beschreiben und lassen sich experimentell leicht aufnehmen. Mit der Diodenkennlinie von Gl. (10), verwendet für die Basis-Emitter-Diode, ergibt sich wegen IC v IB und U BE U T die Übertragungskennlinie U BE IC f U BE I CS e UT (12) mit ICS als Sättigungssperrstrom. Damit erhält man für den bipolaren Transistor die so genannte Steilheit Sbp dI C dU BE U CE IC UT für eine bestimmte Spannung UCE. (13) Kollektor-Emitter- Im Gegensatz zu den bipolaren Transistoren beruht die Wirkungsweise der Unipolar- oder Feldeffekttransistoren (FET) auf der Bewegung nur einer Ladungsträgerart (entweder Elektronen oder Löcher) und ihre Steuerung erfolgt praktisch leistungslos mittels eines elektrischen Felds. Man kann sechs verschiedene Typen von FET unterscheiden. In der Abb. E.5.0.6 sind Aufbau und Kennlinien eines n-Kanal-Sperrschicht-FET dargestellt. UDS ID S UGS G G IG D n-Kanal U DS UGS p-Zone ID mA ID mA ΔID=S ΔUGS UGS= 0 8 8 -0,5V 6 6 -1,0V 4 Up S 10 10 UDS= const D 2 ΔID ΔUGS -3 -2 -1 0 UGS V 4 -1,5V 2 -2,0V 0 2 4 6 8 10 UDS V Abb. E.5.0.6 Aufbau und Schaltsymbol (oben) sowie Übertragungskennlinie und Ausgangskennlinienfeld (unten) eines n-Kanal-Sperrschicht-FET mit typischen Zahlenwerten An den Enden eines n-dotierten Kristalls sind zwei Elektroden, Source S und Drain D, angebracht. Diese Anordnung wirkt wie ein Halbleiterwiderstand, durch den nach Anlegen einer äußeren Spannung UDS ein Elektronenstrom fließt, der von der Polung der Spannung UDS unabhängig ist. In der Mitte wird das Material von oben und unten her pdotiert und mit einer dritten Elektrode, dem Gate G, versehen. Das Gate wird stets negativ gegen die Source vorgespannt (UGS d 0). Damit wird der pn-Übergang in Sperrrichtung betrieben, und es kann kein Strom durch diese Diode fließen. Die Sperrschicht wird umso breiter, je negativer die Vorspan- 5.0 Grundlagen 227 nung UGS ist. Da in diesem Gebiet bewegliche Ladungsträger fehlen, wird der Strompfad für die Elektronen in der Kristallmitte mehr oder weniger stark eingeschnürt. Bei einer positiven Spannung UDS fließt folglich ein durch die Spannung UGS gesteuerter Elektronenstrom ID. Bei den so genannten MOSFET isoliert eine dünne SiO2Schicht das Gate zwischen Drain und Source. Wie bei den bipolaren Transistoren gibt es ebenfalls n- und p-FET. Im Falle der Sperrschicht-FET fließt der größte Strom bei einer Spannung UGS = 0. Man bezeichnet diese FET deshalb als selbstleitend. MOSFET kann man dagegen sowohl selbstleitend als auch selbstsperrend aufbauen. Letztere sperren für UGS = 0. Die Gate-Ströme sind bei MOSFET etwa 1000mal kleiner als bei Sperrschicht-FET. Man kann dadurch Eingangswiderstände von bis zu 1015 ȍ realisieren. In der Abb. E.5.0.6 sind die Übertragungskennlinie ID = f (UGS) für eine konstante DrainSource-Spannung UDS und das Ausgangskennlinienfeld ID = f (UDS) mit UGS als Parameter für einen n-Kanal-Sperrschicht-FET dargestellt. Oberhalb von UGS = Up (pinch-off Spannung) lässt sich die Übertragungskennlinie durch die Beziehung ID § U · I DS ¨ 1 GS ¸ ¨ U p ¸¹ © 2 (14) beschreiben. IDS ist dabei der Wert des DrainStroms für UGS = 0. Daraus erhält man für die Steilheit des unipolaren Transistors S up Sup dI D dU GS 2 Up U DS 2 I DS U GS U p , (15a) U p2 I DS I D . (15b) Sie bestimmt wie beim bipolaren Transistor die Spannungsverstärkung beim Einsatz des FET in einer Verstärkerschaltung. 5.0.3 Integrierte Schaltkreise Operationsverstärker, logische Gatter Dioden und Transistoren als Einzelbauelemente haben an Bedeutung verloren, ihre Funktionsweise bleibt jedoch Grundlage der integrierten Schaltungstechnik. Der Operationsverstärker (kurz OPV) ist einer der wichtigsten Bausteine der analogen Schaltungstechnik. Sein Schaltsymbol ist in Abb. E.5.0.7 dargestellt. Er besitzt den invertierenden Ei (-), den nichtinvertierenden Eni (+) Eingang und einen Ausgang. Die Anschlüsse für die in der Regel symmetrischen Versorgungsspannungen werden in der Schaltung meist nicht angegeben. Ei Ie– _ UD Ie+ + Eni Ua Abb. E.5.0.7 OPV-Schaltsymbol (DIN 40900, Teil 13), Spannungen und Ströme des Operationsverstärkers Zur überschlägigen Berechnung von OPVSchaltungen wird von der Näherung des idealen Operationsverstärkers Gebrauch gemacht. Die drei wichtigsten Eigenschaften des idealen OPV sind: 1. Die so genannte Leerlaufspannungsverstärkung V L = U a U D ist unendlich und damit wird U D = 0, da U a endlich bleibt. 2. Die Eingangsströme Ie+ und Ie- sind null bzw. der Eingangswiderstand Re ist unendlich. 3. Das übertragbare Frequenzband (charakterisiert durch die Transitfrequenz fT) ist unendlich. In Tabelle 5.2 sind typische Kennwerte eines realen OPV den idealen Werten gegenübergestellt. 228 Elektrizitätslehre 5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen Tabelle E.5.1 Kennwerte für einen idealen bzw. realen OPV Idealer OPV Realer OPV VL 104...107 Re > 1 Mȍ R2 . R1 I1 I 2 I e- (16) (ua VL ) ergibt sich ue ua VL R1 ua R1 ue(t) I1 _ S + ua(t) b) + _ ue(t) R1 R2 ua(t) Abb. E.5.0.8 (a) invertierender und (b) nichtinvertierender Operationsverstärker ua VL R2 ua Rd VL uD und Rd 0 , wobei Rd den Differenzeingangswiderstand des OPV beschreibt. Infolge der sehr großen Verstärkung können die Quotienten, die VL im Nenner enthalten, vernachlässigt werden. u u Daraus folgt e a 0 , R1 R2 und mit V Ui ua / ue erhält man Gl. (16). Infolge der Gegenkopplung und der großen Verstärkung liegt der Punkt S unabhängig von der Eingangs- und Ausgangsspannung auf nahezu elektrischem Nullpotential und wird deshalb auch als virtueller Massepunkt bezeichnet. Analoge Überlegungen führen für den nichtinvertierenden Operationsverstärker nach Abb. E.5.0.8b zu V U ni I2 ua u D , I eR2 uD R2 a) 0 . ue u D , I2 R1 Mit I1 Bedingt durch seine sehr hohe Verstärkung wird der OPV mit Gegenkopplung betrieben. Dabei wird ein Teil der Ausgangsspannung über ein Rückkopplungsnetzwerk gegenphasig auf den Eingang zurückgeführt, wie es in Abb. E.5.0.8 dargestellt ist. Durch die beiden Eingänge des Operationsverstärkers ergeben sich zwei Grundschaltungen. Auf Grund der ersten beiden Eigenschaften des idealen Operationsverstärkers erhält man mit Hilfe der Kirchhoff-Regeln am Punkt S (auch Summenpunkt genannt) des invertierenden Eingangs in Abb. E.5.0.8a für die Verstärkung des invertierenden Operationsverstärkers V Ui Ausgehend von der Knotenregel ist 1 R2 . R1 (17) Aufgrund des hohen Eingangswiderstands zwischen dem invertierenden und dem nichtinvertierenden Eingang kann der Spannungsteiler R2/R1 als unbelastet angenommen werden (E.1.4) und es folgt R R2 , ua ue 1 R1 womit Gl. (17) begründet ist. Im Fall nach Gl. (16) wird folglich die Phase der Ausgangsspannung gegenüber der Eingangsspannung um 180° gedreht, im zweiten Fall nach Gl. (17) nicht. Damit erklärt sich die Bezeichnung der Eingänge. Weiterhin bewirkt die Gegenkopplung durch den Spannungsteiler R2/R1, dass die Spannungsver- 5.0 Grundlagen 229 stärkung ausschließlich von den beiden Widerständen R1 und R2 abhängt und damit sehr genau und stabil einstellbar ist. Die Gln. (16) und (17) gelten auch für den realen OPV unter der Bedingung, dass für die Leerlaufspannungsverstärkung V L R2 R1 gilt. Die Unterschiede zwischen realem und idealem OPV sind von dessen Aufbau abhängig. VL liegt in der Größenordnung von 104 bis 106, d. h., bei einer Ausgangsspannung Ua von 10 V arbeitet der OPV bis ca. 0,1 mV Eingangsspannung im linearen Bereich. Die Eingangsströme Ie + und Ie - liegen je nach Eingangsstufe des OPV (bipolarer oder Feldeffekt-Transistor) im nA- bzw. pA-Bereich. Bezüglich der Frequenzabhängigkeit der Verstärkung zeigt der OPV auf Grund innerer parasitärer Kapazitäten Tiefpassverhalten. Operationsverstärker finden vielfältige Anwendungen in der gesamten Elektronik. Konjunktion (UND, AND) X1 L L H H X2 L H L H Disjunktion (ODER, OR) Y L L L H X1 L L H H Y X1 X 2 X1X2 X1X2 X1 Y L H H H Y X1 X 2 X1X2 & X1 Y X2 X2 L H L H Negation (Kompliment) ≥1 X L H Y H L Y X X1 X2 1 Y Y X2 Abb. E.5.0.9 Wahrheitstabelle, logische Funktion sowie Schaltsymbol der logischen Operationen Konjunktion, Disjunktion und Negation In Digitalschaltungen wird im Gegensatz zu Analogschaltungen die Information nur in der „ja-nein“-Form übertragen (Binär-, Dualsystem): L („Low“, „nein“, in der Literatur auch 0) bedeutet kein Signal, z. B. eine Spannung nahe bei null Volt. H („High“, „ja“, in der Literatur auch 1 ) bedeutet ein Signal, z. B. eine Spannung nahe bei +5 V. Die Vorteile gegenüber analog arbeitenden Schaltungen sind insbesondere (a) „ja-nein“-Signale sind durch einen nichtzulässigen Spannungsbereich voneinander getrennt, so dass mit einer hohen Störsicherheit gearbeitet werden kann, (b) es wird theoretisch eine beliebig große Genauigkeit erreicht und (c) digitale Signale lassen sich einfach speichern und regenerieren. Ein analoges Signal muss mit Hilfe eines Analog-Digital-Umsetzers (ADU) bezüglich seines Werts Z in ein duales Signal, in dem die Stellen Potenzen von 2 entsprechen, umgesetzt werden. So gilt z. B. für Z 5 { 1 u 22 0 u 21 1 u 20 { 101 { HLH (die Stellenanzahl im Dualsystem heißt Bit, 8 Bit sind 1 Byte, 1 K =210 = 1024). Die Rückwandlung einer Dualzahl in einen analogen Wert erfolgt mit Hilfe eines DigitalAnalog-Umsetzers (DAU bzw. DAC), indem jeder duale Wert zum gegebenen Zeitpunkt einen analogen Spannungswert (der z.B. proportional zu Z ist) generiert. Diese Folge von Spannungswerten, über einen Tiefpassfilter am Ausgang des DAU zur Verfügung gestellt, reproduziert das originale analoge Signal vor der Digitalisierung. Obwohl digitale Schaltungen bezüglich ihres Aufbaus im Allgemeinen relativ kompliziert sind, werden sie mit den Mitteln der wiederholten Anwendung weniger logischer Grundoperationen realisiert. Für zwei Eingangsvariablen X1 und X2 gibt es vier mögliche Kombinationen (LL, LH, HL und HH) pro Grundoperation und entsprechende Zustände für die Ausgangsvariable Y. Die Konjunktion (logisches UND, AND), Disjunktion (logisches ODER, OR) und Negation als die drei grundlegenden logischen Verknüpfungen sind bezüglich ihrer Funktionstabelle (Wahrheitstabelle), ihrer logischen Funktionen und Schaltsymbole in der Abb. E.5.0.9 angegeben. Weitere wichtige logische Funktionen sind das NAND (negiertes UND), das NOR (negiertes ODER), das Exklusiv ODER (An- 230 Elektrizitätslehre 5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen tivalenz) und die Gleichheit (Äquivalenz, negierte Antivalenz). Die Verknüpfung der drei Grundoperationen UND, ODER und Negation erfolgt mittels der Boole-Algebra, die auch als Schaltalgebra bezeichnet wird. Wichtige Theoreme sind in den Gln. (18) bis (25) wiedergegeben. Dabei gilt wie in der Algebra des Zahlensystems, dass die UNDVerknüpfung („Multiplikation“) Vorrang vor der ODER-Verknüpfung („Addition“) besitzt, wobei diese Rangfolge durch Klammern geändert werden kann. Kommutative Gesetze: X1 X 2 = X 2 X1 X1 + X 2 = X 2 + X1 (18) Assoziative Gesetze: X1 X 2 X 3 X1 X 2 X 3 X1 X 2 X 3 X1 X 2 X 3 (19) Distributive Gesetze: X1 X 2 + X 3 = X1 X 2 + X1 X 3 X 1 + X 2 X 3 = X 1 + X 2 X 1 X 3 (20) Absorptionsgesetze: X1 X1 X 2 X1 X1 + X1 X 2 = X1 (21) Tautologien: XX = X (22) X+X=X Gesetze für Negation und doppelte Negation: XX L XX X (23) H X (24) De-Morgan-Gesetze: X1 X 2 X1 X 2 X1 X 2 X1 X 2 (25) Mittels Anwendung der De-Morgan-Regeln nach Gl. (25) kann man zeigen, dass sich alle oben genannten logischen Funktionen entweder durch die Funktion NAND oder NOR darstellen lassen. Dadurch ist es möglich, jede beliebige Verknüpfung auf der Grundlage einer einzigen logischen Grundfunktion zu realisieren. Man sieht z. B. sofort, dass ein Negator aus einem NAND dadurch entsteht, wenn man entweder alle Eingänge parallel schaltet oder außer dem Steuereingang alle anderen Eingänge auf H legt. In der Digitaltechnik unterscheidet man zwischen kombinatorischen und sequentiellen Schaltungen. Bei kombinatorischen Schaltungen tritt als Parameter nur die aktuelle Belegung H oder L der Eingangsvariablen Xi, nicht aber die Zeit auf. Die Problemstellung ist in Form einer Funktionstabelle, d. h. einer Tabelle aller möglichen Belegungen H oder L der Eingangsvariablen Xi gegeben, wobei die Ausgangsvariable Y, wenn sie wahr sein soll, mit H und andernfalls mit L belegt wird. Es ist dann die logische Funktion zu finden, die diese Wahrheitstabelle erfüllt, und auf eine Form zu bringen, die es erlaubt, sie mit den logischen Grundschaltungen möglichst einfach zu realisieren. Dazu werden aus dieser Funktionstabelle die Zeilen mit Y = H entnommen. In diesen Zeilen werden die Eingangsvariablen (bei H mit Xi, bei L mit X i ) durch UND, und danach alle diese Zeilen durch ODER verknüpft. Es entsteht die so genannte disjunktive Normalform. Durch Anwendung der Rechenregeln der BooleAlgebra (und evtl. zusätzliche Einbeziehung spezieller Verfahren wie das KarnaughDiagramm) wird die erhaltene Funktion hinsichtlich der Anzahl der Eingangsvariablen Xi minimiert und schließlich auf eine schaltungsrelevante Form gebracht. Kombinatorische Schaltungen sind z. B. Addierer, Paritätsdetektoren, Dekoder, Multiplexer und Demultiplexer. Im Falle sequentieller Schaltungen hängt die Ausgangsvariable Y nicht nur von der aktuel- 5.1 Bandlückenenergie, Sperrschichtkapazität eines pn-Übergangs len Belegung der Eingangsvariablen Xi, sondern zusätzlich vom vorhergehenden Zustand des Systems und damit von der Zeit ab. Diese Schaltungen enthalten ein Schaltungsteil, das als Speicher arbeitet. Die einfachste sequentielle Schaltung ist das RS-Flip-Flop (Abb. E.5.0.10). Es besitzt die beiden Eingänge S (Set) und R (Reset) sowie die komplementären Ausgänge Q und Q . Liegen R und S auf L, sind für Q sowohl H als auch L stabile Zustände, d. h., der bestehende Ausgangszustand bleibt erhalten. S auf H gesetzt, erzwingt Q H. S 1 & 2. Die Sperrschichtkapazität CS eines pnÜbergangs nach Gl. (9) ist am Beispiel einer Si-Diode in Abhängigkeit von der Sperrspannung U zu ermitteln. 3. Aus den Ergebnissen von Aufgabe 2 sind die Raumladungsbreite (zn zp) des pnÜbergangs als Funktion der Spannung U und die Größe der Diffusionsspannung zu bestimmen. Versuchsausführung Die Temperaturabhängigkeit der Anzahl von Elektronen bzw. Löchern pro Volumen ist durch Gl. (5) gegeben, wodurch sich die spezifische Leitfähigkeit für die Eigenleitung Q V R 1 & Q Abb. E.5.0.10 RS-Flip-Flop Ein Rücksetzen von S auf L ändert diesen Zustand nicht. Erst das Setzen von R auf H erzwingt Q L. Ein Rücksetzen von R auf L ändert auch diesen Zustand wiederum nicht. Die Belegung R S H ist nicht zulässig, da sie zu keinem stabilen Ausgangszustand führt. Weitere sequentielle Schaltungen sind z. B. andere Flip-Flops, wie z. B. das D- oder JK-Flip-Flop, Zähler, Schieberegister und Speicher. 5.1 Bandlückenenergie, Sperrschichtkapazität eines pnÜbergangs Aufgabenstellung 1. Es ist die Spannung über einer dotierten Halbleiterprobe bei konstanter Stromstärke in Abhängigkeit von der Temperatur zu messen und daraus die Energie der Bandlücke zu bestimmen. 231 V0 e Eg 2kT (26) mit der Energie der Bandlücke Eg = ELEV und der Bezugsleitfähigkeit V0 ergibt. Gl. (26) behält ihre Gültigkeit auch für dotierte Halbleitermaterialien bei ausreichend hohen Temperaturen. Aus den Gln. (E.1-2) und (E.1-4) folgt, dass zwischen Leitfähigkeit V und Spannung U die Beziehung V v 1 U gilt. Damit bietet sich zur Auswertung eine einfach-logarithmische Darstellung der Spannung (ln U) gegen das Reziproke der absoluten Temperatur (1/T ) an. Aus dem Anstieg der Ausgleichsgeraden kann dann die gesuchte Energie der Bandlücke (Eg, Einheit eV) bestimmt werden. Die Erwärmung der Halbleiterprobe bei Aufgabe 1 erfolgt mit Hilfe einer elektrischen Heizung bis auf eine am Arbeitsplatz angegebene Maximaltemperatur, wobei die Temperatur der Probe relativ zur Zimmertemperatur mit einem Thermoelement gemessen wird. Bei Aufgabe 2 wird die Diode D in der Schaltung nach Abb. E.5.1.1 durch die Gleichspannung U in Sperrrichtung vorgespannt. Der Kondensator C (ca. 2 ȝF) verhindert, dass ein Gleichstrom über die Wechselspannungsquelle ue(t) abfließt, während 232 Elektrizitätslehre 5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen der Vorwiderstand RV verhindert, dass die Gleichspannungsquelle U die Eingangswechselspannung ue (t ) uˆe cos Z t belastet. C RV CD D CS ue(t) U uM(t) RM Abb. E.5.1.1 Schaltung zur Bestimmung von Sperrschichtkapazität, Raumladungsbreite und Diffusionsspannung eines pn-Übergangs Mittels der komplexen Wechselstromrechnung (E.3.0.2) folgt für das Verhältnis aus Eingangsspannung und Spannungsabfall über dem Widerstand RM RM uM . (27) ue R 1 M jZ C D Nach der Berechnung des Betrags (vgl. Anhang A.1) und Umstellung nach der Gesamtkapazität CD der Diode erhält man 1 CD Z RM § u e ¨¨ © uM 2 · ¸¸ 1 ¹ . (z. B. 20 mV bis 200 mV). Alternativ kann die Gesamtkapazität CD der Diode nach der Beziehung (28) Entsprechend der verwendeten Diode (und deren Sperrschichtkapazität) muss die Frequenz so eingeregelt werden, dass RV (z. B. 1 kȍ) groß ist gegen den sich einstellenden Blindwiderstand der Diodenkapazität. Der Messwiderstand RM soll etwa 100 ȍ betragen, während die Wechselspannungsamplitude ûe so klein zu wählen ist, dass sie die Sperrschichtkapazität nicht moduliert 1 (29) L Z 02 ermittelt werden, wenn in der Schaltung nach Abb. E.5.1.1 oberhalb der Diode eine der Größe nach bekannte Induktivität L eingefügt wird. Der so entstandene Serienschwingkreis wird nach jeder Neueinstellung der Sperrspannung auf die Resonanzkreisfrequenz Z0 abgestimmt. Zu diesem Zweck ist die Frequenz der Wechselspannung am Frequenzgenerator zu variieren und die Resonanzfrequenz durch das Maximum des Spannungsabfalls über dem Messwiderstand RM zu bestimmen. Ein noch empfindlicherer Parameter zum Ermitteln der Resonanzkreisfrequenz Z0 ist die Phasendifferenz zwischen der Spannung über dem Schwingkreis und dem Spannungsabfall über RM. Diese wird null, wenn der Frequenzgenerator mit der Resonanzfrequenz f0 (Z0 = 2S f0) schwingt. Zur Bestimmung der Phasendifferenz soll die im Versuch E. 3.1 beschriebenen Methode unter Verwendung der Lissajous-Figuren genutzt werden. Die beiden beschriebenen Messmethoden sind geeignet, um die Diodenkapazität CD für U = 0 bis einige 10 V (etwa 15 Messwerte) ohne Überschreitung der bekannten maximalen Sperrspannung zu ermitteln. Mit dem Ansatz, dass sich die Sperrschicht(CS) und die Gehäusekapazität (CG) addieren, kann man durch geeignete Anpassung der Messwerte an die Gleichung CD CG CS CG B U D U (30) den Wert für CG und damit CS in Abhängigkeit von U bestimmen. Dabei werden auch die Werte für die Diffusionsspannung UD und den Parameter B ermittelt. Nach Gl. (9) lässt 5.2 Halbleiterdioden 233 B A H H 0 e nA nD 2 nA nD . beschreiben. Mit der Kenntnis von der Permittivität für Silizium (H = 11,8) und dem Kristallquerschnitt A der Diode ist die Raumladungsbreite (zn zp ) nach Gl. (9) als Funktion von U darstellbar. Die Ergebnisse sind unter Berücksichtigung der in E 5.0.2 beschriebenen Vorgänge in einem pn-Übergang zu diskutieren. 5.2 Halbleiterdioden nehmen. Zusätzlich soll der Diodenstrom ID in Abhängigkeit von der Spannung U in Durchlassrichtung graphisch dargestellt (ln ID = f (U )) und unter Beachtung von Gl. (10) diskutiert werden (z. B. Vergleich der Anstiege der Kurven in den linearen Bereichen). Bei Aufgabe 2 ist eine Messschaltung entsprechend Abb. E.5.2.1 mit einer Si-Diode (D) vorerst ohne Ladekondensator C aufzubauen. Es wird mit einem Oszilloskop die Spannung ua(t) an einem Widerstand R und durch Spannungsmessung an einem Vorwiderstand RV der Verlauf des Stroms i(t) bestimmt. i(t) 5.2.1 Kennlinien einer Si-Diode, Gleichrichterschaltung Aufgabenstellung 1. Es sind die I-U-Kennlinien einer Si-Diode bei verschiedenen Temperaturen aufzunehmen. 2. Man bestimme an einer Gleichrichterschaltung mit Si-Diode zunächst ohne Ladekondensator C mit einem Oszilloskop die Spannung an einem Widerstand und die Stromstärke durch Spannungsmessung an einem Vorwiderstand. Danach sind die Messungen mit einem Ladekondensator durchzuführen. Versuchsausführung Bei der Aufnahme der Kennlinie einer SiDiode (Abb. E.5.0.3) in Aufgabe 1 ist eine Messschaltung für die spannungsrichtige Messung (E.1.1) aufzubauen. Zur Messung der Spannung und der Stromstärke werden Digitalmultimeter verwendet. Es sind die Grenzwerte der Diode zu beachten. Für die Kennlinie bei Zimmertemperatur ist die Schleusenspannung US zu bestimmen. Die Temperatur der Diode kann mittels eines Thermostaten auf eine konstante, vorgegebene Temperatur erwärmt oder abgekühlt werden. Die Kennlinien sind bei zwei anderen Temperaturen in Durchlassrichtung aufzu- D R ue(t) C ua(t) RV RV i(t) Abb. E.5.2.1 Gleichrichterschaltung In der Gleichrichterschaltung sollen für die Amplitude ûe der Eingangsspannung ue (t ) etwa 5 V (bei einem Lastwiderstand von R t 470 :), für die Frequenz f = 50 Hz und für den Vorwiderstand RV ein Wert kleiner als 10 : gewählt werden. u(t) ua(t) uBrss sich B durch den Zusammenhang Ua t ue(t) i(t) isp Ia ta te t Abb. E.5.2.2 Spannungsverlauf ua(t) und Stromverlauf i(t) an der Gleichrichterschaltung nach Abb. E.5.2.1 234 Elektrizitätslehre 5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen Nach Hinzufügen des Ladekondensators sind die gleichen Messungen mit unterschiedlichen Werten von C (C 1 F } 200 F) durchzuführen. Die Messergebnisse sind mit den in der Abb. E.5.2.2 dargestellten Kurvenverläufen zu vergleichen und zu diskutieren. In der Abb. E.5.2.2 bezeichnen Ua und Ia die jeweiligen Mittelwerte von Spannung und Strom, isp den Spitzenstrom sowie uBrss den gabe 2 (Abb. E.5.2.3)ist ein Digitalvoltmeter zu verwenden. RV IZ Ub D IL RL UZ Spitze-Spitze-Wert der sogenannten Restwelligkeit der Ausgangsspannung ua(t). 5.2.2 Kennlinie einer Z-Diode, Spannungsstabilisierung Aufgabenstellung Abb. E.5.2.3 Spannungsstabilisierung mit einer Z-Diode 1. Man nehme die I-U-Kennlinie einer ZDiode im Durchlass- und Sperrbereich auf. 2. Es sind an der Stabilisierungsschaltung die Abhängigkeiten UZ = f (Ub) und UZ = g (IL) aufzunehmen. 3. An Hand des Glättungsfaktors G ist zu prüfen, unter welchen Bedingungen die Schaltung optimal arbeitet. Mit einer Eingangsspannung Ub von 12 V bis 18 V und einer Diode mit einer Z-Spannung von 6,8 V ergibt sich aus der zu überprüfenden Bedingung für die Größe des Vorwiderstands RV Zur Bestimmung des Glättungsfaktors verwendet man die Beziehung so dass RV | 100 : gewählt werden kann. Bei der Aufnahme der Abhängigkeit UZ = f (Ub) soll mit IL | 10 mA gearbeitet werden. Für die Aufnahme von UZ = g (IL) ist die Stärke des Stroms IL mit einem Potentiometer (RL,max = 1 k:) zwischen 5 mA und 40 mA zu variieren, wobei Ub = 12 V konstant gehalten wird. G dU b dU Z | IL RV . rd (31a) Um die optimalen Bedingungen für die Spannungsstabilisierung zu untersuchen, ist auch die Größe des Innenwiderstands Ri dU Z dI L | rd , (31b) Ub zu berücksichtigen, wobei rd den differentiellen Widerstand der Z-Diode im Arbeitspunkt Ub beschreibt. Versuchsausführung Bei der Aufnahme der I-U-Kennlinie (Abb. E.5.0.4) sind die Grenzwerte der Diode zu beachten. Zur Spannungsmessung in Auf- U b, max U Z I Z, max I L, min RV U b, min U Z I Z, min I L, max , (32) 5.3 npn-Transistor, n-KanalSperrschicht-FET, Verstärkerschaltung Aufgabenstellung 1. Es sind die Übertragungskennlinien und Ausgangskennlinienfelder eines npn-Transistors (Abb. E.5.0.5) und eines n-KanalSperrschicht-FET (Abb. E.5.0.6) aufzunehmen. 2. Für die in der Abb. E.5.3.1 angegebene 5.3 npn-Transistor, n-Kanal-Sperrschicht-FET, Verstärkerschaltung Emitterschaltung sind für einen mit UBE, IB, UCE und IC im Kennlinienfeld vorgegebenen Arbeitspunkt und einer vorgegebenen Betriebsspannung Ub die Widerstände R1, R2, RC und RE zu berechnen. Analog sind für die in der Abb. E.5.3.2 angegebenen Sourceschaltung mit vorgegebenem Arbeitspunkt (UGS, UDS, ID) die Widerstände RD und RS zu bestimmen. 3. Für beide Transistoren sind die Steilheiten entsprechend Gl. (13) bzw. Gl. (15) zu berechnen und die Beträge der Spannungsverstärkung beider Grundschaltungen zu bestimmen. Die in den Abbn. E.5.3.1 und E.5.3.2 dargestellten Verstärkerschaltungen werden als Emitter-Schaltung bzw. Source-Schaltung bezeichnet, da diese jeweils den gemeinsamen Anschluss für die Ein- und Ausgangswechselspannung darstellen. Der Kondensator CE bzw. CS bewirkt einen Kurzschluss der zu verstärkenden Wechselspannung. 235 verstärkung, Eingangs- und Ausgangswiderstand) von der Emitterschaltung. Vergleichbares gilt für die Drain- und Gate-Schaltung der FET. Bei der Aufnahme der Kennlinien sind die angegebenen Transistorgrenzwerte zu beachten. UBE ist in Schritten von 20 mV (beginnend bei ca. 0,5 V) und UGS in Schritten von 0,5 V zu erhöhen, um auch den nichtlinearen Teil der Übertragungskennlinien aufzunehmen (siehe dazu Abbn. E.5.0.5 bzw. E.5.0.6). Die Spannung UCE bzw. UDS ist in Schritten von etwa 1 V zu variieren. ID RD CD CG Ub UDS ue(t) UGS RG RS ua(t) CS Versuchsausführung Abb. E.5.3.2 Verstärker mit n-Kanal-Sperrschicht-FET in Sourceschaltung RC R1 CB IC CC IB Ub UCE Iq ua(t) UBE ue(t) R2 RE CE UEO Abb. E.5.3.1 Verstärker mit npn-Transistor in Emitterschaltung Die zwei anderen Grundschaltungen eines bipolaren Transistors, die Kollektor- und die Basis-Schaltung, unterscheiden sich in ihren Betriebskenngrößen (Spannungs- und Strom- Die Einstellung eines bestimmten Arbeitspunkts, der am Versuchsplatz mitgeteilt wird, sorgt für die richtige Polung der pnÜbergänge und für das Arbeiten im linearen Teil der Kennlinien, so dass Wechselspannungen möglichst unverzerrt verstärkt werden können. Die Größe der Kondensatoren in der Schaltung ist so zu wählen, dass sie unter Berücksichtigung der Frequenz der verwendeten Sinusspannung „Kurzschlüsse“ darstellen (Hochpassverhalten mit den zugehörigen Widerständen, siehe E.3.2). Bei der Kombination aus Widerstand RE und CE (bzw. analog für die Sourceschaltung RS und CS), dient RE insbesondere der Stabilisierung des Arbeitspunkts bei Temperaturschwankungen: Steigt bei Temperaturerhöhung der Emitter- 236 Elektrizitätslehre 5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen strom, verringert sich durch Vergrößerung von UE0 die Spannung UBE und als Folge wieder der Emitterstrom. Der Kondensator CE sorgt seinerseits dafür, dass diese Gegenkopplung bezüglich der zu verstärkenden Wechselspannung praktisch wirkungslos ist. Da durch den Kollektor- bzw. Emitterstrom beim Bipolartransistor am Emitterwiderstand RE die Spannung UE0 abfällt (in der Regel etwa Ub /10), muss mit Hilfe des Basisspannungsteilers R1 und R2 das Basispotential auf die Summe von der Spannung UE0 und der Schleusenspannung der Basis-Emitter-Diode von etwa 0,65 V eingestellt werden. Zur Bestimmung von R1 und R2 gibt man sich einen durch diesen Spannungsteiler fließenden Strom Iq | 10 IB vor. Da durch den Arbeitspunkt im Kennlinienfeld IC (mit einigen mA) und UCE | Ub /2 (mit Ub etwa +10V) vorgegeben sind, kann man mit Kenntnis des Stromverstärkungsfaktors B alle Widerstände mit Hilfe der Kirchhoff-Regeln (E.1.0.1) berechnen. Die Bestimmung von B erfolgt entweder experimentell bei der Kennlinienaufnahme oder wird dem Datenblatt des verwendeten Transistors entnommen. R1 oder R2 kann als veränderbarer Widerstand gewählt werden, um Abweichungen vom vorgesehenen Arbeitspunkt korrigieren zu können. Im Gegensatz zum bipolaren Transistor fließt beim FET nahezu kein Steuerstrom. Es ist deshalb ausreichend, den Gate-Anschluss mit einem großen Widerstand RG (da der Steuerstrom praktisch null ist, kann dieser Widerstand im Megaohmbereich liegen) auf Null-Potential zu legen. Mit dem Source-Strom durch RS stellt sich damit eine negative Spannung UGS ein, die den Arbeitspunkt festlegt. Dazu wird der gewünschte Drain-Strom ID (etwa 5 mA im Kennlinienbeispiel von Abb. E.5.0.6) mit der dazugehörigen Spannung UGS aus dem Kenlinienfeld abgelesen und der SourceWiderstand über die Beziehung UGS = URS = RS IS = RS ID bestimmt. Gibt man noch UDS | Ub/2 vor, erhält man mit Ub (etwa +10 V) den Wert für RD. Für die Eingangswechselspannung ue (t ) u e cos Z t soll uˆe 10 mV (bzw. 0,1 V für den FET) und für die Frequenz z. B. 1 kHz gewählt werden. Eingangs- und Ausgangswechselspannung ua (t ) uˆa cos Z t M sind bezüglich ihrer Amplitude und gegenseitigen Phasenlage mit einem Oszilloskop zu beobachten. Zur Ermittlung der Werte für die Spannungsverstärkung VU uˆa uˆe beider Grundschaltungen in Aufgabe 3 verwendet man die Beziehungen V U | S bp RC bzw. V U | S up RD . (33) 5.4 Operationsverstärker Aufgabenstellung 1. Es ist der Betrag der Spannungsverstärkung eines Operationsverstärkers im invertierenden und nichtinvertierenden Betrieb zu bestimmen. 2. Man messe die Ausgangsspannung eines Addierverstärkers in Abhängigkeit von der Überlagerung einer Gleich- mit einer Wechselspannung. 3. Ausgehend von der invertierenden Grundschaltung ist eine Logarithmier- oder eine Integratorschaltung aufzubauen. Die Ausgangsspannungen sind in Abhängigkeit von der Größe bzw. von der Frequenz der Eingangsspannungen zu messen und graphisch darzustellen. Schaltungsrelevante Parameter sollen ermittelt werden. Versuchsausführung Entsprechend dem zur Verfügung stehenden OPV sind die Betriebsspannungen (in der Regel ±15 V) zu wählen und ggf. ist eine so genannte Offsetspannungskompensation durchzuführen, so dass ohne Signal an beiden Eingängen die Ausgangsspannung null wird. Bei Aufgabe 1 ist die Spannungsverstärkung VU uˆa uˆe sowohl im invertierenden als 5.4 Operationsverstärker 237 auch im nichtinvertierenden Betrieb (Abb. E.5.0.8) in Abhängigkeit vom Widerstand R2 bei einer an den entsprechenden Eingang gelegten Wechselspannung zu bestimmen. Die Messungen sollen mit R1 = 1 kȍ bei einer festen Frequenz f = 1 kHz durchgeführt werden. Die Amplitude ûe der Eingangsspannung ue (t ) uˆe cos Z t wird so gewählt, dass sich als Amplitude der Ausgangsspannung ua (t ) uˆa cos Z t M ein Wert ûa = 5 V ergibt. Der Widerstand R2 ist im Bereich von 100 : bis 100 k: zu variieren. Mit einem Zweikanal-Oszilloskop ist die Phasenbeziehung zwischen Eingangs- und Ausgangsspannung zu beobachten. Die gemessenen und berechenbaren Spannungsverstärkungen sind für beide Verstärkerschaltungen graphisch darzustellen und zu diskutieren. Für Aufgabe 2 ist die Schaltung eines Addierverstärkers nach Abb. E.5.4.1 aufzubauen. R2 R11 E1 §R · R (34) ¨ 2 u11 2 u12 ¸ . R12 © R11 ¹ Werden die Widerstände gleichgroß gewählt, ergibt sich als Ausgangsspannung die Summe der Eingangsspannungen mit negativem Vorzeichen. An den Eingang E1 wird eine Wechselspannung u11 ue (t ) uˆe cos Z t mit konstanter Amplitude ûe und an den Eingang E2 eine veränderbare Gleichspannung u12 U angelegt. Es sollen R2 = 10 kȍ, uˆe 1V , f = 1 kHz sowie U = ( 3 V…+3 V) gewählt werden. Die Verstärkung der Schaltung soll etwa zwei betragen. Mit einem Oszilloskop ist die Veränderung der Ausgangsspannung in Abhängigkeit von der Größe der angelegten Gleichspannung zu beobachten und zu diskutieren. Ausgehend von der invertierenden Grundschaltung nach Abb. E.5.0.8a ist bei Aufgabe 3 zuerst eine Logarithmierschaltung nach Abb. E.5.4.2a aufzubauen (der Widerstand R2 in Abb. E.5.0.8a wurde durch eine Diode ersetzt). ua D a) u11(t) E2 RC R12 _ S u12(t) + b) C ua(t) R1 _ S Abb. E.5.4.1 Addierverstärker mit Operationsverstärker In dieser Schaltung schließt man die beiden zu summierenden Spannungen u11 und u12 über die Vorwiderstände R11 und R12 an den invertierenden Eingang an. Für die Berechnung der Ausgangsspannung ua folgt bei Anwendung der Kirchhoff’schen Knotenregel i11 i12 i2 0 mit i11 u11 R11 , i12 u12 R12 sowie i2 ua R2 für die Ausgangsspannung ue (t) + ua (t) Abb. E.5.4.2 (a) Logarithmier- und (b) Integratorschaltung Unter Berücksichtigung der Gl. (10) zur Beschreibung einer Diodenkennlinie gilt bei Schaltung in Durchlassrichtung für den Diodenstrom ID in guter Näherung §U · I D | I S exp ¨ ¸ . © UT ¹ 238 Elektrizitätslehre 5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen Die Ausgangsspannung ua ist bei zehn verschiedenen Eingangsspannungen ue im Bereich zwischen 10 mV bis 40 V zu messen und mittels graphischer Auswertung zu analysieren. Der Wert von UT soll bestimmt werden. Mit ID = i1= ue /R1 sowie ua = U folgt § u · § u · ue I S exp ¨ a ¸ , ua U T ln ¨ e ¸ . R1 © UT ¹ © R1 I S ¹ (35) Im Falle der Integratorschaltung wird R2 in Abb. E.5.0.8a durch eine Parallelschaltung aus einem Widerstand (RC) und einem Kondensator (C) ersetzt (Abb. E.5.4.2b). Bei einer Integratorschaltung ist die Ausgangsspannung dem zeitlichen Integral der Eingangsspannung proportional. Infolge der großen Verstärkung und des großen Eingangswiderstands gilt für den Punkt S iC ue R1 ua 1 ue dt . R1 C ³ C du a dt sowie (36) Die Zeitkonstante der Integration ist W =R1 C. Wegen der fehlenden Gleichstromgegenkopplung kann das Ausgangspotential instabil werden. Um das zu vermeiden, schaltet man einen hochohmigen Kopplungswiderstand (RC > 1 M:) parallel zum Kondensator. Wird an den nichtinvertierenden Eingang eine konstante Gleichspannung gelegt, entsteht nach Gl. (36) am Ausgang des Integrators eine zeitlinear ansteigende Spannung. Verwendet man dazu eine Rechteckimpulsfolge mit der Periodendauer T, muss die Zeitkonstante W größer als T sein. Im Falle einer Sinusspannung ergibt sich eine negative Kosinusspannung. Ist die Eingangsspannung eine mit der Zeit linear ansteigende Spannung, kann eine mit der Zeit quadratisch anwachsende Ausgangsspannung gemessen werden. Bei einer sinusförmigen Eingangsspannung ue (t ) uˆe cos Z t ist mit der Integra- torschaltung in einem vorgegebenen Frequenzbereich und bei einer konstanten Amplitude ûe = 1 V die Verstärkung zu ermitteln. Zur Messung der Spannungen ( uˆe , uˆa ) wird ein Zweikanal-Oszilloskop verwendet. Mittels einer graphischen Auswertung bestimmt man das Produkt R1 C. 5.5 Digitalelektronik 5.5.1 Addierer Aufgabenstellung 1. Für die in der Abb. E.5.5.1 angegebene kombinatorische Schaltung ist die Wahrheitstabelle bezüglich der beiden Eingangsvariablen X 1 und X 2 und der Ausgangsvariablen S aufzustellen. Es ist nachzuweisen, dass die Schaltung die Addition zweier Binärzahlen realisiert und der Ausgang Ü den Übertrag auf die nächste Stelle liefert. 2. Aus der Wahrheitstabelle ist bezüglich der Variablen X1, X2 und dem Ausgang S die disjunktive Normalform der Schaltung abzuleiten und die Schaltung nach Abb. E.5.6.1 nur mit NAND-Gattern aufzubauen. 3. Aus zwei Halbaddierern ist ein Volladdierer aufzubauen und die Wahrheitstabelle aufzustellen. Versuchsausführung Es ist die Schaltung nach Abb. E.5.5.1 aufzubauen. X1 & & X2 & S & Ü & Abb. E.5.5.1 Halbaddierer mit NAND 5.5 Digitalelektronik 239 Anhand der Wahrheitstabelle ist zu zeigen, dass die Schaltung nach Abb. E.5.5.1 einen so genannten Halbaddierer realisiert, da das Problem der Addition nur in der ersten Digitalstelle gelöst wird. 5.5.3 Digital-Analog-Wandler Aufgabenstellung Es ist aus der Funktionsweise des in der Abb. E.5.0.10 dargestellten RS-Flip-Flops die Wirkungsweise des in der Abb. E.5.5.2 wiedergegebenen taktgesteuerten RS-FlipFlops mit NAND abzuleiten. Aus der Grundschaltung eines Operationsverstärkers als invertierender Verstärker sowie aus der Anwendung als Addierverstärker (E.5.4) ist die Wirkungsweise der in der Abb. E.5.5.3 angegebenen Schaltung als Digital-Analog-Umsetzer (DAU) abzuleiten. Der Quantisierungsschritt, d. h., die Spannungseinheit ULSB für das niedrigste Bit (Least Significant Bit, LSB), ist für eine vorgegebene Referenzspannung von U0 = 10 V zu bestimmen. Versuchsausführung Versuchsausführung Es ist die Wahrheitstabelle bezüglich der drei Eingangsvariablen S, R und C (Takt, clock) aufzustellen. Dabei ist die Wirkung der acht möglichen Eingangsbelegungen auf die Ausgänge Q und Q schrittweise über die Ausgänge der ersten beiden NAND zu den Ausgängen der zweiten NAND bezüglich der Spannungspegel mit einem Digitalvoltmeter zu verfolgen. Außerdem soll nachgewiesen werden, dass das taktgesteuerte RS-Flip-Flop ebenfalls eine sequentielle Schaltung darstellt. Man beachte die Hinweise zum Versuch E.5.4. Es ist die Wahrheitstabelle bezüglich der beiden möglichen Zustände H und L der vier Schalter D, C, B und A aufzustellen. H bedeutet, dass der jeweilige Schalter geschlossen, L bedeutet, dass der jeweilige Schalter geöffnet ist. Jedem der vier Schalter ist damit eine Stelle im Binärcode zugeordnet. Man berücksichtige, dass dem Betrag nach die Ausgangsspannung UA nicht größer als die Betriebsspannung des OPV werden kann. 5.5.2 RS-Kippschaltungen Aufgabenstellung S & & Q C & & Q R U0 D R C 2R B 4R A 8R 0,8R _ + UA Abb. E.5.5.2 Taktgesteuertes RS-Flip-Flop Die unterschiedlichen Realisierungsmöglichkeiten der Schaltung sind zu diskutieren. Abb. E.5.5.3 Digital-Analog-Umsetzer mit OPV als Addierverstärker 240 Optik und Atomphysik 1 Linsen und Linsensysteme 1.0 Grundlagen Linsen sind Körper aus einer lichtbrechenden Substanz, die von zwei meist sphärisch gekrümmten Flächen begrenzt werden. Die Verbindungslinie der Mittelpunkte dieser Flächen nennt man optische Achse. Ein auf die Linse fallender Lichtstrahl wird entsprechend dem Brechungsgesetz gebrochen. Beschränkt man sich auf Strahlen, die nur kleine Winkel mit der optischen Achse bilden, vereinigt eine Linse alle von einem Gegenstandspunkt 1 ausgehenden Strahlen in einem Bildpunkt 1'. Das Bild heißt reell, wenn sich die Strahlen im Bildpunkt wirklich schneiden, und virtuell, wenn sich nur die rückwärtigen Verlängerungen der Strahlen schneiden. Zunächst werden nur dünne Linsen betrachtet. Bei diesen kann man sich die zweimalige Brechung des Lichts durch eine einzige Brechung an der Mittelebene der Linse ersetzt denken (Abb. O.1.0.1). Sammellinsen (Konvexlinsen) sind in der Mitte dicker, Zerstreuungslinsen (Konkavlinsen) dünner als am Rand. Parallel zur optischen Achse einfallendes Licht wird von einer Sammellinse im Brennpunkt F ' vereinigt; der Abstand des Brennpunkts von der Mittelebene ist die Brennweite f der Linse. Der reziproke Wert D = 1/f wird als Brechkraft bezeichnet und in Dioptrien gemessen (1 Dioptrie = 1 m-1). Bei Zerstreuungslinsen werden parallel zur optischen Achse einfallende Strahlen so gebrochen, als kämen sie von einem Brennpunkt F '; auch hier ist der Abstand des Brennpunkts von der Mittelebene die Brennweite f. Sammellinsen haben also reelle und Zerstreuungslinsen virtuelle Brennpunkte. Befinden sich die beiden brechenden Flächen einer Linse im gleichen umgebenden Medium, sind objekt- und bildseitige Brennweite gleich. b g 1 2 G F' B F 1' a) 2' G F' B F b) Abb. O.1.0.1 Bildkonstruktion a) bei einer dünnen Sammellinse und b) einer Zerstreuungslinse. G und B bezeichnen Gegenstands- und Bildgröße, g und b Gegenstands- und Bildweite; optische Achse (Strich-Punkt-Linie) Für die geometrische Konstruktion des Bilds benutzt man drei ausgewählte Strahlen: 1. den Mittelpunktsstrahl, der seine Richtung nicht ändert, 2. den objektseitigen Parallelstrahl, der zum bildseitigen Brennpunktstrahl durch F ' wird, und 3. den objektseitigen Brennpunktstrahl durch F, der zum bildseitigen Parallelstrahl wird. Abb. O.1.0.1 zeigt die Bildkonstruktionen für W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum, DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_5, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 241 1.0 Grundlagen die Sammel- und die Zerstreuungslinse. Für Hohlspiegel gelten analoge Betrachtungen (Abb. O.1.0.2). 2' 1 2 M F h f Abb. O.1.0.2 Bildkonstruktion am Hohlspiegel. M Krümmungsmittelpunkt, F Brennpunkt; die Brennweite f ist gleich dem halben Krümmungsradius: f = R/2 Das Verhältnis von Bildgröße B zu Gegenstandsgröße G bezeichnet man als linearen Abbildungsmaßstab J. Mit Hilfe des Strahlensatzes ergibt sich aus Abb. O.1.0.1a J b . g 1 fg 1 1 . f1 f 2 tan E D (4) sin D . (5) und h R Bei einer Kugelfläche geht das Einfallslot durch den Krümmungsmittelpunkt M. (1) R B , b f 1 1 . g b 1 1 d f1 f 2 f1 f 2 β-α F f Abb. O.1.0.3 Zur Berechnung der Brennweite einer dünnen Plankonvexlinse (2) Nach dem Brechungsgesetz (O.3.0.1) ist n sin D Bei virtuellen Bildern bzw. Brennpunkten sind b bzw. f negativ einzusetzen. Zwei im Abstand d voneinander angeordnete Sammellinsen mit den Einzelbrennweiten f1 und f2 ergeben eine resultierende Gesamtbrennweite fg, die sich mit Gl. (3) 1 fg h M woraus die Abbildungsgleichung folgt: 1 f β α Man erhält auch G f (3a) Die Brennweite f einer in Luft befindlichen dünnen Plankonvexlinse lässt sich aus dem Brechungsindex n des Linsenmaterials und dem Krümmungsradius R der konvexen Linsenfläche berechnen. Mit Abb. O.1.0.3 gilt 1' B G berechnen lässt. Ist der Abstand d klein gegenüber den Brennweiten (d f ), addieren sich die reziproken Brennweiten: (3) sin E . (6) Beschränkt man sich auf kleine Einfallshöhen h, sind die Winkel D und E sehr klein, und es wird wegen n Į § ȕ h f tan E D | E D | n 1 D | n 1 h . R Für die Brennweite kann man dementspre- 242 Optik und Atomphysik 1 Linsen und Linsensysteme chend ableiten: 1 f n 1 1 . R (7) Für eine dünne Plankonkavlinse gilt die gleiche Formel, man muss jedoch R negativ zählen, so dass sich eine negative Brennweite ergibt. Linsen mit zwei gekrümmten Flächen (Radien R1 und R2) kann man sich aus zwei einseitig planen Linsen zusammengesetzt denken. Die Gl. (7) gilt nur für achsennahe Strahlen. Achsenferne Strahlen haben kleinere Brennweiten (sphärische Aberration). Da der Brechungsindex von der Wellenlänge des benutzten Lichts abhängt, ist auch die Brennweite wellenlängenabhängig (Ursache für den Abbildungsfehler der chromatischen Aberration). Bei dicken Linsen (d | R) kann man sich die zweimalige Brechung der Lichtstrahlen an den Linsenflächen nicht mehr durch eine einzige Brechung an der Mittelebene ersetzt denken. Man hilft sich durch die Einführung der gegenstandsseitigen Hauptebene H und der bildseitigen Hauptebene H' (Abb. O.1.0.4), an denen man sich die Strahlen gebrochen denkt. Die Bildkonstruktion ist nach folgender Vorschrift1 auszuführen: 1. Zwischen H und H' laufen alle Strahlen parallel zur optische Achse. 2. Der Parallelstrahl 1 wird an der Hauptebene H' gebrochen und zum Brennpunktstrahl 1' durch den zu H' gehörenden Brennpunkt F '. 3. Der Brennpunktstrahl 2 durch den zu H gehörenden Brennpunkt F wird an der Hauptebene H gebrochen und zum Parallelstrahl 2'. 4. Der Mittelpunktstrahl 3 wird lediglich parallel verschoben. Bezieht man g, b und f auf die zugehörige 1 Der nach dieser Vorschrift konstruierte Strahlenverlauf hat nur für die Bildkonstruktion Bedeutung und entspricht nicht dem realen Strahlengang. Hauptebenen, gelten die Gln. (2) und (1) auch für dicke Linsen. Die Lage der Hauptebenen lässt sich nach dem in Abb. O.1.2 beschriebenen Verfahren von Abbe bestimmen. Die Methode der Hauptebenen kann auch zur Bildkonstruktion in zentrierten Linsensystemen (mehrere Linsen mit gemeinsamer optischer Achse) benutzt werden. H 1 G H' b 3 2 1' F 3' f F' B 2' g Abb. O.1.0.4 Bildkonstruktion bei einer dicken Sammellinse Die Lage der Hauptebenen des Systems lässt sich dabei aus der Lage der Hauptebenen der Einzellinsen konstruieren. Das Verfahren wird in Abb. O.1.0.5 an zwei dünnen Sammellinsen L1 und L2, die den Abstand d haben, demonstriert (die Linsen sind nur durch ihre Mittelebenen angedeutet). Zunächst konstruiert man mit Parallel- und Brennpunktstrahlen das Zwischenbild Bz und das Bild B des Gegenstands G. Nun verfolgt man den Verlauf des Parallelstrahls 1 durch beide Linsen und erhält die Strahlen 1' und 1'', da 1' an L2 so gebrochen wird, dass 1'' durch das Bild B geht. Der Schnittpunkt der Verlängerung 1''' von 1 mit 1'' bestimmt die Lage der Hauptebene H', der Schnittpunkt von 1'' mit der optischen Achse ist der bildseitige Brennpunkt F' des Systems. H und F werden analog konstruiert, indem man den Parallelstrahl 2'' rückwärts verfolgt und den Schnittpunkt seiner Verlängerung mit dem Strahl 2 bestimmt. Im Beispiel von Abb. O.1.0.5 liegt F rechts von H und F' links von H'. Die Brennweite dieses Zweilinsensystems ist negativ. Im Gegensatz zu einer einzelnen Zerstreuungslinse können hier jedoch reelle Bilder entstehen. 1.1 Krümmungsradius und Brennweite dünner Linsen H L1 243 H' L2 d 1''' 1 2'' G F'1 F1 F2 F'2 F F' 2 f B 2' Bz 1'' 1' f' Abb. O.1.0.5 Konstruktion der Hauptebenen eines Linsensystems 1.1 Krümmungsradius und Brennweite dünner Linsen diese umgekehrt und gleich groß auf dem Schirm abgebildet (Abb. O.1.1.1). Aufgabenstellung 1. Krümmungsradius und Brennweite einer dünnen Sammellinse sind nach verschiedenen Verfahren zu messen. Aus den Messwerten ist der Brechungsindex n zu berechnen. 2. Die Gültigkeit der Abbildungsgleichung ist zu überprüfen. Bei Aufgabe 1 kann der Krümmungsradius mittels mechanischer oder optischer Verfahren gemessen werden. Bei den mechanischen Verfahren misst man z. B. mit einem Tiefentaster, wie weit eine konvexe Linsenfläche in eine kreiszylindrische Vertiefung einsinkt bzw. wie weit die Mitte einer konkaven Linsenfläche über der Auflageebene liegt. Die berührungslosen optischen Verfahren benutzen die Linsenfläche als Spiegel. Bei konkaven Flächen ist das Autokollimationsverfahren am einfachsten: Befindet sich im Krümmungsmittelpunkt des Spiegels ein Schirm mit einer leuchtenden Marke, wird G M B F Abb. O.1.1.1 Zum Prinzip des Autokollimationsverfahrens beim Hohlspiegel Praktisch benutzt man als leuchtende Marke das über eine dünne planparallele Glasplatte P beleuchtete Fadenkreuz K eines so genannten Gauß’schen Okulars (Abb. O.1.1.2) und verändert den Abstand zwischen Fadenkreuz und Spiegel so lange, bis das Fadenkreuz scharf und parallaxenfrei in sich abgebildet wird. Bei konvexen Flächen entstehen dagegen virtuelle Bilder und das Autokollimationsverfahren ist nicht anwendbar. 244 Optik und Atomphysik 1 Linsen und Linsensysteme nicht direkt messbaren Größen b und B, ergibt sich K F R P R Abb. O.1.1.2 Gauß’sches Okular Man benutzt dann die Methode von Kohlrausch (Abb. O.1.1.3). Bei diesem Verfahren befinden sich vor der Linsenfläche zwei leuchtende Marken 1 und 2, deren Spiegelbilder 1' und 2' hinter der Linsenfläche liegen. 2 g Bc . G 2 Bc Die Brennweite von Sammellinsen ermittelt man bei Aufgabe 2 aus Gegenstands- und Bildweite, indem man z. B. das Bild eines beleuchteten durchsichtigen Maßstabs auf einen Schirm projiziert und die entsprechenden Abstände zum Linsenmittelpunkt misst. Mit Gl. (2) berechnet man daraus die Brennweite. Das Verfahren hat den Nachteil, dass bei einer gefassten Linse die Lage der Mittelebene nicht genau bekannt ist. Skale I 1 Fernrohr B 2' F 2 G BII BI Abb. O.1.1.3 Kohlrausch-Methode zur Messung des Krümmungsradius Den Abstand der Spiegelbilder B bestimmt man, indem dicht vor der Linse eine durchsichtige Skala befestigt wird. Mit dem Fernrohr, dessen Objektiv sich auf der Verbindungslinie der beiden leuchtenden Marken befindet, misst man die Projektion B’ der virtuellen Bilder auf dieser Skala. Nach Gl. (2) und mit «f « = R/2 folgt 1 f 2 . R Aus Abb. O.1.1.3 entnimmt man unter Benutzung des Strahlensatzes b g II |b| g 1 1 g b s e 1' B' G (8) B Bc yB | . und g b g yL Eliminiert man aus diesen Gleichungen die bI gI gII = bI bII = gI Abb. O.1.1.4 Bessel’sche Methode zur Brennweitenbestimmung In diesem Fall wird die Bessel’sche Methode verwendet (Abb. O.1.1.4). Bei festem Abstand s zwischen Gegenstand und Schirm erhält man bei zwei symmetrischen Linsenstellungen I und II scharfe reelle Bilder auf dem Schirm (in Stellung I ein vergrößertes, in Stellung II ein verkleinertes), wobei der Abstand s größer als das Vierfache der Brennweite der Linse sein muss. Ist die Größe der Verschiebung von Stellung I nach Stellung II gleich e, gilt wegen der Symmetrie der Linsenstellungen e bI g I g II bII , (9a) g I bI g II bII . (9b) s 1.1 Krümmungsradius und Brennweite dünner Linsen Löst man nach g und b auf und setzt in die Abbildungsgleichung (Gl. (2)) ein, ergibt sich2 f = 2 1 § e · ¨s ¸ . s¹ 4 © (10) LB LQ f Abb. O.1.1.5 Autokollimationsverfahren Brennweitenbestimmung zur Die Brennweitenmessung kann auch nach dem Autokollimationsverfahren erfolgen (Abb. O.1.1.5). Man bringt dazu hinter der Linse einen ebenen Spiegel senkrecht zur optischen Achse an und verschiebt eine als Gegenstand dienende und mit einer Lichtquelle (LQ) beleuchtete Lochblende (LB) so lange, bis ihr Bild in der Gegenstandsebene scharf erscheint. Ist dies erreicht, befindet sich der Gegenstand in der Brennweite der Linse. Alle von einem Punkt des Gegenstands ausgehenden Lichtstrahlen treten daher parallel aus der Linse aus, werden reflektiert und in der Brennebene wieder zu einem Punkt vereinigt. Für die praktische Ausführung benutzt man ebenso wie bei der Messung des Krümmungsradius das Gauß’sche Okular. Das Verfahren wird hauptsächlich benutzt, um ein Fernrohr auf Unendlich einzustellen (das Fadenkreuz befindet sich dann 2 Bei dicken Linsen ist s = g + b + HH', wenn HH' der Abstand der beiden Hauptebenen ist. Bei Präzisionsmessungen muss daher HH' ebenfalls gemessen werden. In (10) ist anstelle von s die Größe s HH' einzusetzen. 245 in der Brennebene des Objektivs) und um seine Sehlinie senkrecht zu einer reflektierenden Fläche zu stellen. Die Linse ist in diesem Fall das Fernrohrobjektiv und der Abstand zwischen Fernrohr und Spiegel kann beliebig groß sein. Da die Abbildung mit Zerstreuungslinsen nur virtuelle Bilder liefert, muss deren Brennweite indirekt gemessen werden. Man setzt zu diesem Zweck die Zerstreuungslinse, deren Brennweite fz zu messen ist, mit einer Sammellinse bekannter Brennweite fs zu einem zentrierten Linsensystem zusammen. Ist der Linsenabstand zu vernachlässigen, ergibt sich nach Gl. (3) für die Brennweite fg des Systems 1 1 1 = + , fg fs fz wobei fz negativ ist. Wählt man die Brennweite des Systems kleiner als den Betrag der Brennweite der Zerstreuungslinse, überwiegt die sammelnde Wirkung. Das System hat eine positive Brennweite, die sich nach den oben beschriebenen Methoden messen lässt. Aus fs und fg ergibt sich fz = f g fs fg fs . (11) Versuchsausführung Details zur mechanischen Ermittlung des Krümmungsradius sind den entsprechenden Gerätebeschreibungen zu entnehmen. Bei der Messung des Krümmungsradius nach der Methode von Kohlrausch beobachtet man außer den an der Vorderseite der Linse reflektierten Bildern auch solche, die von Reflexionen an der Rückseite stammen. Sie sind lichtschwächer; bei einer einseitig planen Linse kann man sie vermeiden, indem man die Planfläche schräg zur optischen Achse des Fernrohrs stellt. Die Brennweitenmessungen sind auf einer optischen Bank auszuführen, die Linsen sol- 246 Optik und Atomphysik 1 Linsen und Linsensysteme len dabei genau senkrecht zur optischen Achse stehen. Um chromatische Abbildungsfehler zu vermeiden, ist ggf. mit monochromatischem Licht zu arbeiten. Abbildungsfehler infolge zu weit geöffneter Bündel verringert man durch genügend enge Blenden vor den Linsen. Zur Überprüfung der Abbildungsgleichung misst man bei verschiedenen Gegenstandsweiten g die Bildweite b und trägt 1/b über 1/g auf. Dabei muss sich eine Gerade mit der Steigung minus eins ergeben. Ablesemarke A gemessen, und man erhält nach Abb. O.1.2.1 die beiden Beziehungen § 1· g c = g + h = f ¨1+ ¸ + h und © J¹ (13a) b c = b + hc = f ( 1 + J ) + h c . (13b) 1.2 Brennweite und Hauptebenen eines Linsensystems B f g g' Aufgabenstellung h' h b' b A 1. Die Brennweite und die Lage der Hauptebenen eines Systems aus zwei dünnen Sammellinsen sind zu bestimmen. Es ist eine maßstabsgerechte Zeichnung anzufertigen. 2. Die Brennweiten der Einzellinsen sind zu messen. Unter Benutzung der dabei erhaltenen Werte sind die Lagen der Brennpunkte und der Hauptebenen zu konstruieren und mit dem Ergebnis von Aufgabe 1 zu vergleichen. Die Messung der Brennweite und der Lage der Hauptebenen eines Linsensystems erfolgt nach dem Verfahren von Abbe, das auf der Messung des Abbildungsmaßstabs reeller Bilder beruht. Kombiniert man die Gln. (2) und (1) miteinander, ergibt sich Abb. O.1.2.1 Messung der Lage der Hauptebenen nach Abbe Misst man bei zwei verschiedenen Entfernungen g1c und g2c die Werte Ȗ1 und Ȗ2, kann man die Unbekannten h und hc durch Differenzbildung eliminieren und erhält f= f = Gegenstandsweite g und Bildweite b sind nicht direkt messbar, da die Lage der Hauptebenen noch unbekannt ist. Daher werden zunächst die Entfernungen gc und bc von einer beliebig am Linsensystem angebrachten (14a) b 2c b1c . J 2 J1 (14b) Die so bestimmte Brennweite f dient zur Berechnung von h gemäß Gl. (13a): h (12b) g 2c g 1c bzw. 1 1 J 2 J1 (12a) bzw. b = f (1 + J ) . F' F G § 1· g = f ¨1 + ¸ , J¹ © H' H § 1· g 1c f ¨1 + ¸ J © 1¹ § 1· = g 2c f ¨1 + ¸ . J2¹ © (15a) Für die Größe hc folgt nach Gl. (13b) hc = b1c f (1 + J 1) hc = b 2c f (1 + J 2 ) . (15b) 1.3 Lupe und Mikroskop 247 Ein negatives h bedeutet, dass die Hauptebene H rechts von der Ablesemarke A liegt, ein negatives hc, dass H ' links von A liegt (Abb. O.1.2.1). Die Brennweite f kann auch negativ werden. In diesem Fall liegt der gegenstandsseitige Brennpunkt F rechts von H, der bildseitige Brennpunkt F ' links von H '. tivs eines Labormikroskops und die Mikroskopvergrößerung zu ermitteln. Die Apertur des Mikroskops ist zu bestimmen. 3. Der Zusammenhang zwischen Apertur und Auflösungsvermögen eines Mikroskops ist mit Testobjekten zu ermitteln. Versuchsausführung Der Winkel, unter dem ein Gegenstand vom optischen Mittelpunkt des Auges aus gesehen wird, heißt Sehwinkel ı (Abb. O.1.3.1). Als Gegenstand benutzt man eine beleuchtete Glasskala, die durch Verschieben des Linsensystems auf einem Schirm mit Millimeterteilung oder auf der Okularskala einer Messlupe scharf abgebildet wird. Es empfiehlt sich, bei mäßiger Vergrößerung oder Verkleinerung zu messen (etwa 0,2 < Ȗ < 5) und möglichst enge Blenden vor die Linsen zu setzen, da sich sonst Abbildungsfehler störend bemerkbar machen. Um die Genauigkeit der Messungen zu vergrößern, misst man nicht nur bei zwei, sondern bei etwa zehn verschiedenen Gegenstandsweiten und trägt gc über 1/Ȗ und bc über Ȗ auf. Es ergeben sich zwei Geraden, deren Steigung gleich der Brennweite ist. Die Steigung ermittelt man, indem man die Ausgleichsgerade durch die Messpunkte legt oder diese mit Hilfe der linearen Regression bestimmt. Mit der so ermittelten Brennweite berechnet man mit Gl. (15a) für alle gemessenen Gegenstandsweiten die Größe h und bildet den Mittelwert. Analog erfolgt die Bestimmung von hc mit Gl. (15b). Für die Abschätzung der Messunsicherheit werden die Gln. (14) und (15) betrachtet. Die Brennweite der Einzellinsen bestimmt man mit einem der in O.1.1 beschriebenen Verfahren; die Konstruktion der Lage der Hauptebenen und Brennpunkte erfolgt nach der in O.1.0 angegebenen Methode. 1.3 Lupe und Mikroskop Aufgabenstellung 1. Die Vergrößerung einer Lupe ist zu bestimmen. 2. Es sind der Abbildungsmaßstab des Objek- σ G B g Auge Abb. O.1.3.1 Definition des Sehwinkels Er hängt von der Objektgröße G und vom Abstand des Gegenstands vom Auge ab. B G σ' F' F g s Abb. O.1.3.2 Strahlenverlauf in einer Sammellinse zur Einführung der Vergrößerung der Lupe Der Sehwinkel kleiner Gegenstände lässt sich durch Annäherung an das Auge nicht beliebig vergrößern, da unterhalb der deutlichen Sehweite s = 25 cm die Sehschärfe abnimmt. Lupe und Mikroskop dienen zur Vergrößerung des Sehwinkels kleiner Gegenstände. Als laterale Vergrößerung bezeichnet man das Verhältnis * = tan V c , tan V (16) 248 Optik und Atomphysik 1 Linsen und Linsensysteme wobei ı und ıc die Sehwinkel ohne und mit optischem Instrument sind und sich beide Sehwinkel auf die gleiche Entfernung beziehen. Das Verhältnis ı c/ ı wird auch angulare Vergrößerung genannt. Eine Lupe ist eine Sammellinse, bei der sich der Gegenstand innerhalb der Brennweite befindet, so dass ein vergrößertes, aufrechtes, virtuelles Bild entsteht (Abb. O.1.3.2). Zweckmäßigerweise arbeitet man so, dass sich das Bild in der deutlichen Sehweite s befindet. Bringt man die Lupe unmittelbar vor das Auge, gilt tan ıc= B c/s, während ohne Lupe tan ı = G/s ist. Aus der Abbildungsglei1 1 1 chung Gl. (2 ) mit f g s (das negative Vorzeichen entspricht dem virtuellen Bild) folgt s s 1 und man erhält g f *L = B s s = = +1. G g f (17) In diesem Falle ist die Vergrößerung īL gleich dem Abbildungsmaßstab Ȗ. Im Allgemeinen unterscheiden sich jedoch Vergrößerung und Abbildungsmaßstab. Beispielsweise kann man eine Lupe auch so benutzen, dass der Gegenstand in der Brennebene, das virtuelle Bild demzufolge im Unendlichen liegt. Der Sehwinkel mit Lupe ist dann gleich G / f, und man erhält *L = s / f, während der Abbildungsmaßstab J = f ist. Bei einem Mikroskop (Vergrößerung *M) wird zunächst mit einer Sammellinse (Objektiv, Ob) ein vergrößertes, reelles Zwischenbild erzeugt und dieses mit einer Lupe (Okular, Ok) betrachtet (Abb. O.1.3.3). Die erzielten Vergrößerungen sind gleich dem Produkt aus dem Abbildungsmaßstab des Objektivs J Ob BZ G bZ 1 f Ob (18) und der Lupenvergrößerung *L des Okulars: * M = J Ob * L . (19) In Gl. (18) sind fOb die Brennweite der Objektivlinse und bZ der Bildabstand für das Zwischenbild. B FOb F'Ok BZ F'Ob G FOk Ob Ok Abb. O.1.3.3 Strahlengang im Mikroskop Maßgebend für die Leistungsfähigkeit eines Mikroskops ist jedoch nicht die erreichbare Vergrößerung, sondern sein Auflösungsvermögen, das angibt, bei welchem minimalen Abstand dmin zwei Objektpunkte noch getrennt wahrnehmbar sind. Das Auflösungsvermögen wird durch die Beugung des Lichts an der Objektivöffnung begrenzt (O.2). Nach E. Abbe gilt d min = 0,61 O 0,61 O = . n sin u AN (20) Dabei ist O die Wellenlänge des benutzten Lichts (bei weißem Licht rechnet man aufgrund des Maximums der Augenempfindlichkeit mit O = 550 nm), n der Brechungsindex des Mediums zwischen Gegenstand und Objektiv und u der halbe gegenstandsseitige Öffnungswinkel (Abb. O.1.3.5). Die Größe AN = n sin u heißt numerische Apertur des Objektivs. Sie ist ein Maß für dessen Auflösungsvermögen. Versuchsausführung Zur Bestimmung der Lupenvergrößerung (Abb. O.1.3.4) betrachtet man mit einem Auge durch einen Tubus (T) die sich in der deutlichen Sehweite befindende Skala I (Sk I) 1.3 Lupe und Mikroskop 249 und mit dem anderen Auge durch eine Lupe (L) die vertikal verschiebbare Skala (Sk II). Die Skala II wird so lange verschoben, bis ihr von der Lupe erzeugtes Bild in der gleichen Entfernung wie Skala I scharf erscheint, so dass man beide Skalen übereinander sieht. T L Sk II s Sk I Abb. O.1.3.4 Ermittlung der Lupenvergrößerung det, so dass der direkte visuelle Vergleich von ausgewählten Skalenabschnitten die Bestimmung von JOb ermöglicht. Die Vergrößerung des Mikroskops lässt sich auf die gleiche Weise wie die Bestimmung der Lupenvergrößerung durchführen. Als Skala II wird ein Objektmikrometer mit einer 0,01 mm-Teilung, als Skala I z. B. eine 1 mm-Teilung verwendet. Auch hier ergibt sich die Vergrößerung *M aus dem Verhältnis der gleichzeitig sichtbaren Skalenbereiche entsprechend Gl. (17a). Zur Messung des Aperturwinkels u benutzt man das in Abb. O.1.3.5 schematisch dargestellte Verfahren. Zunächst stellt man das Mikroskop auf eine in der Mitte des Gesichtsfelds befindliche feine Lochblende LB scharf ein. Dann entfernt man, ohne an der Einstellung etwas zu verändern, das Okular und beobachtet eine kleine Lichtquelle (LQ, z. B. LED), die senkrecht zur Sehlinie auf einer Skala verschiebbar ist. Man sieht dicht vor dem Objektiv das verkleinerte Bild der Lichtquelle. LQ Bei richtiger Einstellung zeigen die Skalen keine Parallaxe gegeneinander. Das Verhältnis der gleichzeitig sichtbaren Skalenbereiche aI und aII ergibt die gesuchte Lupenvergrößerung * L, exp aI . aII (17a) Um Unterschiede der beiden Augen des Beobachters auszugleichen, vertauscht man Lupe und Tubus nach der Hälfte der Messungen und bildet den Mittelwert. Die Bestimmung des Abbildungsmaßstabs der Objektivlinse erfolgt ebenfalls durch Vergleichsmessungen. Dabei wird das vergrößerte Zwischenbild eines Objektmikrometers mit der Skala einer Okularstrichplatte verglichen. Beide Skalen werden bei geeigneter Mikroskopeinstellung scharf abgebil- B 2a u Ob b LQ Abb. O.1.3.5 Messung des Aperturwinkels beim Mikroskop Aus den beiden Stellungen, bei denen dieses gerade am Rande des Gesichtsfelds verschwindet, ergibt sich der Aperturwinkel aus tan u = a . b Zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen Apertur und Auflösungsvermögen 250 Optik und Atomphysik 1 Linsen und Linsensysteme kann man als Testobjekt Strichgitter bekannter Gitterkonstante betrachten und feststellen, welcher Abstand gerade noch aufgelöst wird. Führt man diese Messung mit monochromatischer Beleuchtung durch, lässt sich auch die Abhängigkeit des Auflösungsvermögens von der Wellenlänge prüfen. g ∞ 1.4 Fernrohr Objektiv Okular Fok' Fob' Fok σ Aufgabenstellung σ' Fob 1. Es ist die Vergrößerung eines Fernrohrs zu messen. 2. Das Gesichtsfeld des Fernrohrs ist zu bestimmen. 3. Es sind die Brennweiten von Objektiv und Okular eines astronomischen Fernrohrs zu ermitteln. 4. Der Durchmesser und die Lage der Austrittspupille des auf Unendlich gestellten astronomischen Fernrohrs sind zu bestimmen. Linsenfernrohre bestehen im einfachsten Fall aus zwei Linsen, dem Objektiv (Sammellinse) und dem Okular (Sammel- oder Zerstreuungslinse). Sie werden zur Vergrößerung des Sehwinkels eines weit entfernten Gegenstandes verwendet. Das vom Gegenstand ausgehende Licht trifft dazu nahezu parallel auf das Fernrohrobjektiv. Objektiv g ∞ tem), so dass parallel ins Objektiv fallende Lichtbündel das Okular wieder parallel verlassen. Man beobachtet deshalb mit auf Unendlich akkommodiertem Auge. Zu unterscheiden sind das Kepler’sche und das Galilei’sche Fernrohr. Okular F'ob Fok σ Bz Fob fob σ' F'ok fok Abb. O.1.4.1 Strahlengang im astronomischen Fernrohr Zur Betrachtung ferner Gegenstände lässt man beim Fernrohr den Brennpunkt Fob' des Objektivs mit dem Brennpunkt Fok des Okulars zusammenfallen (teleskopisches Sys- fob fok Abb. O.1.4.2 Strahlengang im holländischen Fernrohr Das astronomische oder Kepler’sche Fernrohr besteht aus zwei Sammellinsen, einem Objektiv großer und einem Okular kleiner Brennweite (Abb. O.1.4.1), während das holländische oder Galilei’sche Fernrohr eine langbrennweitige sammelnde Objektivlinse und eine kurzbrennweitige Zerstreuungslinse als Okular (Abb. O.1.4.2) enthält. Zur Berechnung der Vergrößerung des astronomischen Fernrohrs betrachtet man ein vom fernen Gegenstand ausgehendes paralleles Lichtbündel, das der Beobachter unter dem Sehwinkel ı wahrnimmt (Abb. O.1.4.1). Da bei einem weit entfernten Gegenstand die Länge des Fernrohrs vernachlässigt werden kann, tritt das Lichtbündel unter dem gleichen Winkel ı in das Objektiv. In der gemeinsamen Brennebene von Objektiv und Okular entsteht ein umgekehrtes reelles Zwischenbild der Größe Bz = f ob tan V . (21) Das unmittelbar vor dem Auge befindliche Okular wirkt als Lupe. Das umgekehrte Bild erscheint unter dem Sehwinkel ı c mit tan V c = B z , f ok (22) und für die Vergrößerung des astronomi- 1.4 Fernrohr 251 schen Fernrohrs ergibt sich aus den Gln. (16), (21) und (22) * ast = f tan V c = ob . tan V f ok (23) Die Objektivfassung eines astronomischen Fernrohrs, das keine weiteren Blenden enthält, wirkt als Eintrittspupille. Das vom Okular davon hinter dem Fernrohr erzeugte reelle, umgekehrte und verkleinerte Bild wird Austrittspupille genannt. Ist dEP der Durchmesser der Eintrittspupille und dAP der Austrittspupille, ergibt sich für das auf Unendlich eingestellte astronomische Fernrohr d EP d AP f ob f ok * ast . (24) Dies bestätigt sich sofort, wenn man das vom Okular erzeugte Bild der Objektivfassung geometrisch konstruiert und die Strahlensätze anwendet. Beim holländischen Fernrohr entsteht kein reelles Zwischenbild. Als Vergrößerung erhält man durch im Wesentlichen analoge Betrachtungen (Abb. O.1.4.2) * holl = f tan V c = ob . tan V f ok anderen Auge durch das Fernrohr sieht bzw. den Maßstab direkt beobachtet. (25) Das holländische Fernrohr liefert aufrechte Bilder (Theaterglas). Versuchsausführung Zur Messung der Vergrößerung visiert man mit einem Auge durch das Fernrohr einen entfernten Maßstab an, mit dem anderen betrachtet man ihn direkt, indem man seitlich am Fernrohr vorbei sieht. Es gelingt in der Regel, beide Bilder gleichzeitig wahrzunehmen. Man vergleicht nun die unvergrößerte Strecke a1 mit der Länge a2 der vergrößert gesehenen Strecke und erhält für die Fernrohrvergrößerung * = a1/a2. Man wiederholt den Versuch, indem man mit dem jeweils αm a D Abb. O.1.4.3 Zur Definition des Gesichtsfelds Eine andere Möglichkeit zur Bestimmung der Vergrößerung des astronomischen Fernrohrs besteht darin, den Durchmesser der Eintrittspupille (Objektivdurchmesser) direkt zu messen und mit Hilfe einer auf das Okular des auf Unendlich eingestellten Fernrohrs aufgesetzten Messlupe den Durchmesser der Austrittspupille zu ermitteln. Aus Gl. (24) ergibt sich die Vergrößerung. Zur Berechnung des als Winkel definierten Gesichtsfelds (Objektfeldgröße) Įm (Abb. O.1.4.3) bestimmt man den Durchmesser D des kreisförmigen Gesichtsfelds, indem wieder der Maßstab durch das Fernrohr betrachtet wird. Ist a der Abstand des Fernrohrobjektivs vom Maßstab, folgt aus tan D m / 2 | D m / 2 D / 2a das Gesichtsfeld zu Dm = D/a. Dabei ergibt sich Dm im Bogenmaß. Lassen sich Objektiv und Okular aus dem Fernrohr herausnehmen, bestimmt man ihre Brennweiten nach einem in (O.1.1) beschriebenen Verfahren und ermittelt mit Gl. (23) oder Gl. (25) die Vergrößerung. Es empfiehlt sich der Vergleich mit dem direkt gemessenen Wert. Sind Objektiv und Okular einzeln keiner Brennweitenbestimmung zugänglich, bestimmt man etwa mit Hilfe eines Okularmikrometers (Messschraubenokular) in der Zwischenbildebene die Zwischenbildgröße Bz eines hinreichend weit entfernten Gegenstands (z. B. eines Maßstabs in einer Entfernung a > fob + fok , Abstand Objektiv-Okular) und berechnet tan Įm direkt aus Gegenstandsgröße und Gegenstandsentfernung vom 252 Optik und Atomphysik 2 Kohärenz, Interferenz und Beugung Objektiv. Aus Gl. (21) ergibt sich dann fob. Günstiger ist es, für einige Gegenstandsgrößen tan ı als Funktion der Zwischenbildgröße Bz graphisch darzustellen und fob aus dem Anstieg der sich ergebenden Geraden zu entnehmen. Die Brennweite des Okulars berechnet man aus Gl. (23), wenn īast und fob bekannt sind. Den Durchmesser der Austrittspupille dAP misst man mit Hilfe einer Messlupe oder berechnet ihn mit Gl. (24). Die Lage der Austrittspupille wird ermittelt, indem man in die Abbildungsgleichung Gl. (2) für das Okular als Gegenstandsweite fob + fok einsetzt. 2 Kohärenz, Interferenz und Beugung E x, t E0 e § x· jZ ¨ t ¸ © c¹ . (1) Die Benutzung der komplexen Schreibweise (Anhang A.1) hat rechentechnische Gründe, physikalische Bedeutung hat nur der Realteil der Gleichung. E0 E0 ist die Amplitude der Welle, Z = 2 S f die Kreisfrequenz und c die Ausbreitungsgeschwindigkeit. Frequenz f und Wellenlänge O sind durch die Gleichung c O f (2) miteinander verknüpft. 2.0 Grundlagen 2.0.1 Licht als elektromagnetische Welle In vielen Fällen kann Licht als elektromagnetische Welle beschrieben werden, bei der elektrische und magnetische Felder gekoppelt sind. Darauf weisen z. B. Interferenz- und Beugungsphänomene hin. Die Vektoren der elektrischen E (r , t ) und magnetischen Feldstärke H ( r , t ) stehen senkrecht aufeinander und auf der Ausbreitungsrichtung (Abb. O.2.0.1). x E Beschränkt man sich auf ebene harmonische Wellen, die sich in die positive x-Richtung ausbreiten, zieht man zur Beschreibung nur die elektrische Feldstärke heran und schreibt (Abb. O.2.0.2) E0 ng chtu gsri tun brei Aus H0 H Abb. O.2.0.1 Elektromagnetische Welle mit den Amplituden der elektrischen und magnetischen Feldstärke λ Re E E(x,t - Δt) E(x,t = 0) x Δ x = c Δt Abb. O.2.0.2 Örtliche Verteilung der elektrischen Feldstärke einer harmonischen Welle für zwei verschiedene Zeiten Eine solche Gleichung, die Teilchen- (Frequenz) und Welleneigenschaften (Wellenlänge) miteinander verknüpft, nennt man Dispersionsrelation. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit c ist dabei die Koppelgröße. Direkt beobachtbar ist die Intensität; sie ist dem Zeitmittel des Betragsquadrats der Feldstärke proportional: I v E x, t ! E x, t E 2 x, t ! .(3) 2.0 Grundlagen 253 Überlagern sich zwei oder mehrere räumlich und zeitlich unbegrenzte Wellen gleicher Frequenz, tritt Interferenz ein: Je nach ihrer Phasenlage ist das resultierende Superpositionsbild hinsichtlich der Intensität verstärkt oder geschwächt (analoge Erscheinungen werden bei Schallwellen beobachtet). Die Beträge der elektrischen Feldstärke von zwei Wellen werden in komplexer Notation durch E1 x, t E01 e E 2 x, t § x· jZ ¨t ¸ © c¹ E02 e und ª § x· º j «Z ¨ t ¸ G » ¬« © c ¹ ¼» beschrieben, wobei G 2ʌ 'x / O die Phasenverschiebung der Welle 2 gegenüber der Welle 1 ist und umgekehrt (mit anderem Vorzeichen). Da sich elektrische Feldstärken ungestört überlagern, erhält man am Ort x zu der Zeit t die Feldstärke E x, t E 01 E02 e jG e § x· jZ ¨ t ¸ © c¹ , (4) die einer Intensität I v E01 E02 e jG E01 E02 e jG E012 E022 2 E01 E02 cos G (5) entspricht. Drückt man die reellen Amplituden E01 und E02 durch die Intensitäten I1 und I2 der Einzelwellen aus, folgt für die Gesamtintensität I I1 I 2 2 I1 I 2 cos G , (6) die nicht gleich der Summe der Intensitäten der Einzelwellen ist. Infolge des Interferenzglieds 2 I1 I 2 cos G entsprechend der Pha- senverschiebung G kann diese größer oder kleiner sein. Der Phasendifferenz G = 2 k S entspricht eine Wegdifferenz von k O und für G = (2 k + 1) S eine Wegdifferenz von k Ȝ +O/2, wobei k eine ganze Zahl ist (Ordnung der Interferenz). Die Größe K I max I min I max I min I1 I 2 2 I1 I 2 (7) nennt man auch Kontrast. 2.0.2 Kohärenz und Laser Für räumlich und zeitlich begrenzte Wellenzüge lassen sich Interferenzexperimente mit Licht aus getrennten Lichtquellen, aber auch mit Licht von verschiedenen Stellen einer ausgedehnten Lichtquelle nicht ausführen. Streng betrachtet gibt es praktisch gar keine punktförmigen Lichtquellen. Die Kohärenzlänge l ist die Länge einer räumlich begrenzten Wellengruppe. Die Kohärenzzeit IJ ist die Zeitdauer eines zeitlich begrenzten Wellenzugs. Für punktförmige Lichtquellen lassen sich die Bedingungen für Kohärenz wie folgt formulieren: 1. Es muss hinreichende Überlappung der Wellengruppen im Beobachtungsgebiet vorliegen, d. h., die Wegdifferenz der interferierenden Wellen muss kleiner als die Kohärenzlänge sein. 2. Die Phasendifferenz darf sich zeitlich nicht (oder nur sehr langsam) ändern, damit die Lage der Interferenzfigur während der Beobachtungszeit konstant bleibt. Beide Bedingungen lassen sich durch Aufspalten einer Wellengruppe in zwei (oder mehrere) realisieren. Bei Verwendung räumlich ausgedehnter Lichtquellen kommt noch eine weitere Bedingung hinzu. 3. Nur innerhalb eines Öffnungswinkels 2D K, der der räumlichen Kohärenzbedingung sin D K O 2y (8) 254 Optik und Atomphysik y genügt, kann eine Lichtquelle der linearen Ausdehnung y als punktförmiges Wellenzentrum betrachtet werden (Abb. O.2.0.3). αK Abb. O.2.0.3 Skizze zur Begründung der räumlichen Kohärenzbedingung Während in gewöhnlichen Lichtquellen die spontane Emission von Photonen vorherrscht, d. h. alle Atome unabhängig voneinander Licht aussenden, dominiert bei Lasern (Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation) die induzierte Emission. Die Wirkungsweise eines Lasers als Quelle für kohärente elektromagnetische Strahlung beruht darauf, dass in einem geeigneten Stoff, dem aktiven Medium, z. B. einem Helium-Neon-Gasgemisch, einem Rubinstab oder einem Halbleiter, durch äußere Anregung - den Pumpprozess - eine Besetzungsinversion erzeugt werden kann. Im Gegensatz zum thermischen Gleichgewicht sind dann mehr Atome im angeregten, energetisch höheren Zustand als im Grundzustand. Befindet sich das aktive Medium in einem optischen Resonator, führt ein spontaner Übergang vom angeregten in den Grundzustand zur induzierten (erzwungenen) Emission weiterer Photonen. Im einfachsten Fall befindet sich das aktive Medium zwischen zwei planparallelen Spiegeln. Durch diese Rückwirkung in das aktive Medium werden alle Atome durch das Strahlungsfeld gekoppelt, die atomaren Dipole senden synchron Licht aus. Laser stellen daher räumlich einheitlich schwingende Lichtquellen sehr großer Kohärenzlänge dar. Während die Kohärenzlänge bei kommerziellen Niederdruck- 2 Kohärenz, Interferenz und Beugung Spektrallampen bei einigen 10-3 m bis 10-2 m liegt, kann sie bei stabilisierten Gaslasern größer als 103 m sein. Bei Laserdioden sind Kohärenzlängen von einigen 10-3 m bis 102 m möglich. Die von einem Laser erzeugte Strahlung wird charakterisiert durch eine räumliche und zeitliche Kohärenz, eine hohe spektrale Energiedichte, hohe Monochromasie, große Amplitudenstabilität und eine geringe Divergenz des Strahls. Beim Umgang mit Lasern sind die gültigen Arbeitsschutzbestimmungen einzuhalten. Bei der Justierung von Laserapparaturen ist besondere Sorgfalt erforderlich und stets darauf zu achten, dass der Laserstrahl niemals auf die Netzhaut des Auges gelangen kann. 2.0.3 Beugung an Spalt, Doppelspalt und Gitter Trifft eine Lichtwelle auf ein Hindernis, dessen Abmessungen in der Größenordnung der Wellenlänge der verwendeten Strahlung sind, tritt Beugung auf: Die Welle wird von der geradlinigen Ausbreitungsrichtung abgelenkt. Die Erklärung für diese Erscheinung liefert das Huygens’sche Prinzip, nach dem jeder Punkt in einem Wellenfeld Ausgangspunkt einer Elementarwelle ist, die sich nach allen Richtungen gleichmäßig ausbreitet (Kugelwelle). Werden von einer Welle mehrere Elementarwellen an verschiedenen Orten erzeugt (z. B. bei mehreren Öffnungen in einer Wand), können diese miteinander interferieren. Zunächst sollen die Verhältnisse an einem Doppelspalt mit sehr schmalen gleichbreiten Einzelspalten betrachtet werden. Die in Abb. O.2.0.4 gezeichneten Strahlen (Ausschnitte aus den in den beiden Spalten entstehenden Kugelwellen) verlaufen praktisch parallel, wenn man ihre Vereinigung auf einem sehr weit entfernten Schirm untersucht (Fraunhofer’sche Beobachtungsart). In der Praxis beobachtet man die Interferenz in der 2.0 Grundlagen 255 Brennebene einer Linse, in der parallele Bündel vereinigt werden. Die Linse erzeugt keine zusätzlichen Phasenverschiebungen. Bei der Fresnel’schen Beobachtungsart betrachtet man die Interferenz beliebig gegeneinander geneigter Bündel, also bei endlicher Entfernung zwischen beugendem Objekt und Beobachtungsort. In diesem Fall muss für den Übergang der Beobachtung der FresnelBeugung zur Fraunhofer-Beugung die Fresnel-Zahl NF ( N F g 2 /(4 L O ) , L Abstand zwischen Doppelspalt und Schirm, O Wellenlänge des monochromatischen Lichts) kleiner als eins sein. I(α) α auf, wobei k eine ganze Zahl ist. Vollständige Auslöschung (destruktive Interferenz, Minima) hingegen wird beobachtet, falls die Beziehungen 'x k O O 2 bzw. sin D min, k O 2g (2 k 1) (10) bei ganzzahligen k-Werten erfüllt werden. Zu beachten ist, dass k wegen sinD d 1 einen bestimmten Größtwert nicht überschreiten kann. Es sind also nicht beliebig viele Ordnungen beobachtbar. Intensitätsbetrachtungen entsprechend Gl. (6) ergeben dasselbe Ergebnis: Zum Beugungswinkel D gehört eine Phasenverschiebung G von G 2ʌ 'x O = 2ʌ g sin D O . (11) Bezeichnet man die von jedem Einzelspalt durchgelassene Intensität mit I0, wird nach Gl. (6) α Sp1 Spaltbreite b I (D ) 2 I 0 (1 cos G ) 4 I 0 cos 2 Δ x = g sin α α Sp2 g Spaltebene einfallendes Licht Abb. O.2.0.4 Beugung am Doppelspalt und Intensitätsverteilung bei zwei schmalen Einzelspalten (Sp1, Sp2) der Breite b, g Abstand zwischen den Spaltmitten Die unter dem Winkel D abgelenkten (also gebeugten Strahlen) besitzen eine Gangdifferenz von 'x = g sinD. Bei der Überlagerung auf dem weit entfernten Bildschirm tritt maximale Verstärkung (konstruktive Interferenz, Maxima) unter den Bedingungen 'x kO bzw. sin D max, k O g k (9) G 2 , (12) wobei Gl. (11) den Zusammenhang zwischen G und D beschreibt. Die Intensitätsverteilung I (D) ist in Abb. O.2.0.4 dargestellt. Beugungsmaxima findet man für G max,k 2 k ʌ (k = 0, r 1, r 2, ...) , (13) Minima liegen bei G min,k 2 k ʌ ʌ 2 (k = 0, r 1, r 2, ...) . (14) Experimentell ist jedoch die Voraussetzung sehr schmaler Spalte (b | Ȝ) am Doppelspalt nicht realisierbar, da die Beugungserscheinungen zu lichtschwach werden; man beobachtet dann eine Streuung des Lichts. Vor der Betrachtung des Doppelspalts mit 256 Optik und Atomphysik 2 Kohärenz, Interferenz und Beugung endlicher Spaltbreite soll die Intensitätsverteilung bei der Beugung an einem Einzelspalt der Breite b für die Fraunhofer’sche Beobachtungsart berechnet werden. Hier hat man es mit der Interferenz vieler Parallelstrahlbündel der Breite dy zu tun (Abb. O.2.0.5), die jeweils einen Feldstärkebeitrag dE = E dy/b liefern und deren Phasenverschiebung G (y ) = 2 ʌ y sinD O G y b I(D) über, ergibt sich (Abb. O.2.0.6): I (D ) I0 2 2cos G * G *2 sin 2 (G * / 2) I0 . (G * / 2) 2 f (δ*) (18) 1 (15) beträgt. Dabei beschreibt G* 2ʌ b sinD (16) O 0,5 die Phasendifferenz zwischen interferierenden Elementarwellen von den Orten y = 0 und y = b des Einzelspalts, wobei die Beobachtung unter dem Winkel D erfolgt. Δ xmax = b sin α 1 2 α 0 Δ x = y sin α y Spaltebene b y-Richtung Abb. O.2.0.5 Beugung am Einzelspalt, Spaltbreite b, Wegdifferenz zwischen beiden Strahlen: 'x = y sin D, Phasendifferenz:G (y) = (2S y sin D ) / O Analog zu Gl. (4) ist über alle Teilbündel zu summieren (hier integrieren). Man erhält dann für die Feldstärke beim Beugungswinkel D § x· E (D ) E0 j Z ¨© t c ¸¹ b j G * by e ³0 e dy , b E (D ) j Z¨t ¸ E0 jG * (e 1) e © c ¹ . * jG § (17) x· Geht man entsprechend Gl. (3) zur Intensität 1. Nebenmaximum π 2 0 π 3π 2 δ* 2 2π Abb. O.2.0.6 normierte Intensitätsverteilung bei der Beugung am Einzelspalt, Spaltfunktion f(į*) = sin2(į*/2)/(į*/2)2, I1, max /I0 = 0,0472 Im Falle des Einzelspalts liegen entsprechend Gl. (18) die Beugungsminima bei * G min, k k ʌ bzw. 2 b sin D min,k k O ( k (19a) 0, r1, r 2,...) . (19) Beugungsmaxima treten bei D = 0 und in der Nähe von (aber bei exakter quantitativer Analyse nicht genau bei) * G max, k 2 ʌ (2k 1) bzw. 2 b sin D max,k (k (2k 1) O 2 0, r 1, r 2, ... ) auf. (20a) (20) 2.1 Interferenzen gleicher Dicke 257 Mit Gl. (18) kann die exakte Lage der Maxima berechnet werden. Für die Lage der ersten drei Nebenmaxima erhält man: k * r 1, G max,1 / 2 1, 43 k ʌ , k * r 2 , G max,2 / 2 12, 46 k ʌ k * r 3 , G max,3 / 2 13, 47 k ʌ . Die Minima liegen bei G 2 ʌ (k p / N ) mit ganzzahligen Werten p ( |p| < N 1 ). Bei einem Beugungsgitter ist über N Spalte zu integrieren und man erhält I (D ) = I 0 Ist b < Ȝ, gibt es keinen Winkel, der Gl. (19) erfüllt, also auch keine Intensitätsminima. So schmale Spalte werden zum Ausgangspunkt von Kugelwellen, leuchten also den Halbraum hinter dem Spalt ohne Beugungsstreifen relativ gleichmäßig aus (Streuung). 2 * 2 sin (G / 2) sin ( N G / 2) (22) . 2 2 sin (G / 2) (G * / 2) Der erste winkelabhängige Faktor ist auch hier die Intensitätsverteilung (Spaltfunktion) des Einzelspalts (Abb. O.2.0.8). fg(δ) 60 50 40 I I0 30 20 g b III 10 π k – 1 (k π) π k + 1 N N ( II I ) ( ) π(k + 1) δ 2 Abb. O.2.0.8 Intensitätsverteilung bei der Beugung am Gitter, Gitterfunktion: f g (G ) sin 2 ( N G / 2) / sin 2 (G / 2) , N = 8 δ* 2 Abb. O.2.0.7 normierte Intensitätsverteilung am Doppelspalt, Spaltabstand/Spaltbreite (g /b), b = const , (I) g/b = 2, (II) g/b = 4, (III) g /b = 6, rot: Einzelspaltfunktion Gl. (18), schwarz: Doppelspaltfunktion Gl. (21) 2.1 Interferenzen gleicher Dicke Die Berechnung der Intensitätsverteilung bei der Beugung am Doppelspalt mit endlich breiten Einzelspalten erfolgt analog zur Berechnung beim Einzelspalt, dabei ist über beide Spalte zu integrieren. Als Ergebnis erhält man die Intensitätsverteilung 1. Der Krümmungsradius einer Sammellinse ist mit monochromatischem Licht mit Hilfe Newton’scher Ringe zu bestimmen. 2. Die Wellenlänge der Spektrallinie einer Atomspektrallampe ist mittels Newton’scher Ringe zu ermitteln. 3. Es sind die Schichtdicke einer Folie und der Durchmesser eines Drahts zu ermitteln. I( D )= 4 I 0 2 sin (G / 2) 2 cos (G / 2) , 2 * ( G / 2) (21) die sich hinsichtlich der Winkelabhängigkeit als Produkt der Intensitätsverteilungen entsprechend der Gln. (12) und (18) darstellt (Abb. O.2.0.7). Aufgabenstellung Newton’sche Ringe entstehen beispielsweise durch die Interferenz von Licht an der dünnen Schicht zwischen einer schwach gewölbten Linse und einer ebenen Glasplatte. Man beobachtet im Allgemeinen das von dieser Anordnung reflektierte Licht (Abb. O.2.1.1). 258 Optik und Atomphysik 2 Kohärenz, Interferenz und Beugung In diesem Fall interferieren die an der Unterseite der Linse bzw. an der Oberseite der Glasplatte reflektierten Strahlen 1 und 2. Beide Strahlen sind der Deutlichkeit halber versetzt gezeichnet. Ihre Richtungsänderungen bei der Brechung bzw. Reflexion an der Linsenfläche sind für die weiteren Betrachtungen unwesentlich und werden vernachlässigt. Im Abstand r vom Berührungspunkt der Linse mit der ebenen Glasplatte3 hat die Luftschicht zwischen Linse und Glasplatte die Dicke d0 + d. zum Beobachter nisse bestehen bei der Reflexion von Schallwellen), so dass sich insgesamt ein Gangunterschied von ' 'x 2 (d 0 d ) O (23) 2 und damit eine Phasenverschiebung G = 2ʌ 'x O = 4ʌ O (d0 + d ) + ʌ ergibt. Ist G = 2 ʌ k (k = r 1, r 2, ... ) , (25) verstärken sich die interferierenden Wellenzüge, und es entsteht ein heller Ring, da längs eines Kreises um den Berührungspunkt von Glasplatte und Linse die Phasenverschiebung į konstant bleibt. Ist dagegen G = ʌ (2k 1) (k = r 1, r 2 , ... ) , d0+d d0 2 Abb. O.2.1.1 Entstehung der Newton’schen Ringe (schematisch) Der Anteil d0 berücksichtigt, dass keine ideale Berührung vorliegt: Durch Staub kann der Abstand vergrößert, durch Deformation verkleinert werden. Sieht man von der geringfügigen Brechung der Lichtstrahlen in der Linse ab, beträgt der Wegunterschied in Luft (Brechzahl nL | 1) der beiden interferierenden Wellenzüge 2(d0+d). Die Reflexion des zweiten Wellenzugs erfolgt am optisch dichteren Medium und es ist noch ein Gangunterschied von Ȝ/2 zu addieren (analoge Verhält3 Flächen nennt man optisch eben, wenn diese nicht mehr als ein Viertel der Wellenlänge von einer idealen Ebene abweichen. (26) löschen sich die interferierenden Wellenzüge aus und es entsteht ein dunkler Ring. Den Zusammenhang zwischen dem Radius rk des k-ten Rings und der Dicke d kann man mit Hilfe des Höhensatzes ermitteln (Abb. O.2.1.2). R M rk d r 1 (24) Abb. O.2.1.2 Zusammenhang zwischen Schichtdicke d und Radius rk des k-ten Rings Es ist d (2 R d ) = rk2 . (27) 2.1 Interferenzen gleicher Dicke 259 rk2, min = (k 1) R O 2 d0 R (28) und für die hellen Ringe 1· § rk2, max = ¨ k ¸ R O 2 d 0 R . 2¹ © (29) Bestehen die Schichtdicken d und d0 nicht aus Luft, sondern aus einem Stoff mit dem Brechungsindex n > 1, gibt es einen Gangunterschied von ǻx = 2 n (d0+d) + Ȝ /2, und man erhält die Gleichungen rk2, min = (k 1) R O n 2R d0 , n d 1· O § rk2, max = ¨ k ¸ R 2 R 0 . 2¹ n n © eine gute Näherung wegen des kleinen Neigungswinkels der Keilflächen gegeneinander ist. Auch hier wird das Licht in zwei interferierende Strahlen durch die Reflexion an der Unterseite der geneigten Deckglasplatte und der Oberseite der ebenen Glasplatte zerlegt. Das zu messende Objekt der Dicke D bestimmt die Keilhöhe. Unter Vernachlässigung der geringen Brechung an den Glasplatten ergibt sich als Phasenverschiebung į zwischen den beiden Strahlen mit n | 1 für Luft die in Gl. (24) angegebene Beziehung, wobei in diesem Fall d0 = 0 gesetzt wird. dk α l (28a) D Bei schwach gewölbten Linsen ist d R , so dass in Gl. (27) das Glied d 2 vernachlässigt werden kann. Aus den Gln. (24), (25) und (27) folgt dann mit ganzzahligem k für die dunklen Ringe xk x Abb. O.2.1.3 Interferenz an einer keilförmigen Schicht (Tolansky-Verfahren) (29a) Im Falle der Interferenz von reflektiertem Licht bei zwei unter einem kleinen Winkel geneigten dünnen Planglasplatten spricht man ebenfalls von der Interferenz an dünnen Schichten bzw. von der Interferenz am Keil. Im Gegensatz zu den Newton’schen Ringen, bei denen die Luftspaltdicke annähernd quadratisch mit dem Abstand vom Ringzentrum zunimmt, ändert sich die Dicke der Luftschicht bei der Interferenz am Keil linear mit dem Abstand von der Keilkante. Man beobachtet demzufolge in der Keilfläche parallel zur Keilkante ein System äquidistanter heller und dunkler Interferenzstreifen (FizeauStreifen). In Abb. O.2.1.3 ist schematisch die Erzeugung eines Luftkeils z. B. mit Hilfe einer Folienkante durch zwei planparallele Glasplatten dargstellt. Wie im Beispiel der Newton’schen Ringe beobachtet man die Keilinterferenz bei senkrechtem Lichteinfall, wobei der „senkrechte“ Einfall des Lichts Damit folgt aus den Gln. (24), (25) und (26) sowie mit d0 = 0 und der Beziehung dk xk tan D D l (Abb. O.2.1.3) für die Lage der hellen Streifen xk , max = lO lO k , D 2 4D (30) für die der dunklen xk ,min = lO lO k . 2D 2D (31) Die äquidistanten Abstände 'x zwischen benachbarten hellen oder dunklen Streifen sind ǻx = lO . 2D (32) Auch hier ergeben sich wie im Falle der 260 Optik und Atomphysik 2 Kohärenz, Interferenz und Beugung Newton’schen Ringe für einen Brechungsindex n > 1 modifizierte Gleichungen: xk , max = l O l O k 2D n 4D n xk , min = l O l O k 2D n 2D n ǻx = l O . 2D n , , (30a) (31a) (32a) Versuchsausführung Eine plankonvexe Linse wird mit der gewölbten Seite auf eine optisch ebene Glasplatte und beide zusammen auf einen mittels Messschraube verschiebbaren Tisch gelegt und mit parallelem monochromatischem Licht der Wellenlänge Ȝ bestrahlt. Zur Vermeidung störender Reflexionen legt man unter die Glasplatte schwarzes Papier. Systematische Abweichungen können sich ergeben, wenn die Linse nicht in allen Richtungen den gleichen Krümmungsradius hat. Dies lässt sich überprüfen, indem man den Durchmesser der Ringe in verschiedenen Richtungen misst. Zur Auswertung trägt man rk2 über k auf und erhält eine Gerade mit dem Anstieg S RO . Je nachdem, ob R oder Ȝ bekannt ist, lässt sich aus dem Anstieg R oder Ȝ berechnen (Aufgabe 1 bzw. 2). Bei bekanntem Ȝ liefert diese Methode für Linsen mit sehr großem Krümmungsradius genauere Werte für R als andere Messmethoden. Für die Ermittlung der Messunsicherheit legt man die Gleichung RO (rk22 rk21 ) /(k1 k2 ) (33) zugrunde, die durch Differenzbildung aus den Gln. (28) bzw. (29) folgt. Strebt man eine hohe Genauigkeit an, kann man die Ausgleichsgerade mittels linearer Regression berechnen. Nachdem die Anordnung nach Abb. O.2.1.3 auf dem verschiebbaren Tisch für Aufgabe 3 aufgebaut ist, misst man die Werte xk für die hellen oder dunklen Streifen in Abhängigkeit von k und trägt xk über k auf. Aus der Steigung der Ausgleichsgeraden S = d xk /d k kann man unter Verwendung der Gln. (30) oder (31) die gesuchte Größe D ermitteln. Es ist aber auch möglich, mehrfach die Abstände ǻx zwischen benachbarten hellen oder dunklen Streifen zu messen und mit deren Mittelwert die Foliendicke bzw. den Drahtdurchmesser zu bestimmen. Für die Auswertungen ist zuvor mit der Messanordnung noch die Größe von l zu messen. 2.2 Beugung an Spalt und Doppelspalt Aufgabenstellung 1. Die Wellenlänge einer monochromatischen Lichtquelle ist zu bestimmen. 2. Die Intensitätsverteilung bei der Beugung an einem Einzel- und an einem Doppelspalt ist mittels eines geeigneten Sensors auszumessen. 3. Die Gültigkeit der Kohärenzbedingung ist zu überprüfen. Zur Untersuchung der Beugung an Spalten benutzt man spaltförmige Lichtquellen (z. B. einen Beleuchtungsspalt Sp 1) oder auch einen Laser und beobachtet das Beugungsbild direkt auf einem Schirm (Fresnel’sche Beobachtungsart) oder besser in der Brennebene einer Sammellinse L (Fraunhofer’sche Beobachtungsart) z. B. mit einer Messlupe (Abb. O.2.2.1). Die Registrierung der Intensität erfolgt mit einem lichtelektrischen Empfänger, z. B. einer CCD-Zeile (Charge Coupled Devices). Ist der Beleuchtungsspalt genügend schmal, erhält man in der Beobachtungsebene Minima und Maxima. Bei bekanntem Spaltabstand g des Doppelspalts lässt sich über die Messung der Winkel Įmax, k 2.2 Beugung an Spalt und Doppelspalt 261 bzw. Įmin, k entsprechend den Gln. (9) bzw. (10) die Wellenlänge Ȝ der verwendeten Strahlung bestimmen. Beleuchtungsspalt L erzeugen sie unabhängig voneinander drei Beugungsbilder, wobei die von den beiden äußeren Lichtquellen stammenden um den Winkel M gegen das mittlere verschoben sind. Spalt Messlupe Sp2 2ϕ Abb. O.2.2.1 Wellenlängenmessung durch Beugung am Spalt (SP2 Einzel- oder Doppelspalt) Beim Einzelspalt sind die Gln. (19) bzw. (20) zu benutzen. Die Winkel Įmax, k bzw. Įmin, k, unter denen die Maxima bzw. Minima beobachtet werden, ergeben sich entsprechend Abb. O.2.2.2 mit tan D k = xk . f (34) Zweckmäßigerweise misst man 2xk als Abstand der Streifen gleicher Ordnung k rechts und links des Maximums nullter Ordnung. x xk αk 0 αk f Spalt- Linse ebene Brennebene Abb. O.2.2.2 Sammlung von Parallelstrahlen in der Brennebene einer Sammellinse Für breite Beleuchtungsspalte sind zusätzliche Überlegungen erforderlich. Betrachtet werden hier die Verhältnisse für drei linienförmige Lichtquellen, die sich im Abstand a vom beugenden Doppelspalt befinden und voneinander den Abstand y/2 haben (Abb. O.2.2.3). Da ihr Licht inkohärent ist, y Sp1 Lichtquellen a Abb. O.2.2.3 Zur Begründung der Kohärenzbedingung Wenn die Lichtquellen weit vom beugenden Doppelspalt entfernt sind, ist M klein, und es gilt M | tan M = y . 2a (35) Ist M gerade so groß, dass die hellen Streifen des Beugungsbilds der mittleren Lichtquelle mit den dunklen Streifen der Beugungsbilder der äußeren Lichtquellen zusammenfallen, kann kein Beugungsbild beobachtet werden. Dieser Fall tritt beim Doppelspalt ein, wenn M D1 = O 2g ist, da entsprechend der Gln. (9) und (10) Maxima und Minima um den Winkel D1 = O / 2g gegeneinander verschoben sind. Scharfe Beugungsstreifen sind daher nur zu erhalten, wenn die Bedingung tan M y O 2a 2 g (36) erfüllt ist, die der Kohärenzbedingung Gl. (8) entspricht. Für die Beugung am Einzelspalt ist 2 g in Gl. (36) durch die Spaltbreite b zu ersetzen. Ausgedehnte Lichtquellen kann man sich aus einer Reihe punktförmiger Lichtquellen zusammengesetzt denken; die 262 Optik und Atomphysik 2 Kohärenz, Interferenz und Beugung Bedingung Gl. (36) muss dann für die Ränder der Lichtquelle erfüllt sein. Die Benutzung ausgedehnter Lichtquellen setzt also sehr große Entfernungen oder schmale Beugungsspalte voraus, andernfalls muss die Ausdehnung der Lichtquelle durch Vorsetzen eines schmaleren Beleuchtungsspalts verringert werden. Versuchsausführung Als monochromatische Lichtquelle wird eine Spektrallampe (z. B. Natrium- oder Quecksilberdampflampe mit einem entsprechenden Filter) verwendet. Zur Erfüllung der Kohärenzbedingung nach Gl. (36) dient Spalt 1 (Sp1), der sich in großem Abstand vom beugenden Spalt (Sp2 ) befindet (Abb. O.2.2.1), so dass dieser praktisch mit parallelem Licht beleuchtet wird. Die Beugungserscheinung kann man direkt mit einer Messlupe beobachten, deren Okularskala sich in der Brennebene der Linse L befindet. Man erreicht dies, indem man zunächst Spalt 2 entfernt und Spalt 1 scharf auf die Okularskala abbildet. Mit Spalt 2 werden dann die Abstände 2xk der hellen Streifen gleicher Ordnung gemessen. Aus den Gln. (9) und (35) ergibt sich, da die Beugungswinkel Įmax, k sehr klein sind, xmax, k f = Ok g . (38) Man trägt xmax, k über k auf und bestimmt den Anstieg S der Ausgleichsgeraden: S = f O . g (39) Zur Bestimmung der Wellenlänge sind noch der Spaltabstand g des Doppelspalts und die Brennweite f der Linse zu ermitteln. Diese Größen sind entweder gegeben oder mit den in O.1 beschriebenen Methoden zu ermitteln. Bei photoelektrischer Registrierung tastet man die Beugungsfigur mit einem lichtemp- findlichen Sensor ab, vor dem sich ein feiner Messspalt befindet, der zusammen mit dem Sensor messbar verschoben werden kann. Die über den Sensor registrierte Größe ist ein Maß für die Lichtintensität am Ort des Messspalts. Schneller erfolgt die Messung, wenn man das Beugungsbild direkt auf einen möglichst hochauflösenden CCD-Sensor abbildet. Dieser bildet die Hauptkomponente einer CCD-Kamera und besteht in der Regel aus einem Raster von Photodioden bzw. Speicherzellen, in denen einfallende Photonen Elektronen erzeugen (innerer Photoeffekt). Nach einer gewissen Belichtungszeit kann das CCD-Ausgangssignal in einem PC gespeichert und anschließend mit geeigneter Software weiterverarbeitet werden. Zu erwarten sind Intensitätsverläufe analog zu den in den Abbn. O.2.0.6 und O.2.0.7 dargestellten Beispielen. Wegen der endlichen Breite b der Einzelspalte hat das Verhältnis zum Spaltabstand g einen starken Einfluss auf die Intensitätsverhältnisse im Beugungsbild. Die theoretischen Intensitätsverhältnisse für den Doppelspalt bei bekannten Verhältnissen b/g lassen sich mittels bereitgestellter Software berechnen. Im Fall ganzzahliger Werte z (b/g = z) ergeben sich z. B. (2 z+1) Maxima bzw. 2 z Minima innerhalb der einhüllenden Spaltfunktion. Um die Kohärenzbedingung zu überprüfen, benutzt man einen Beleuchtungsspalt variabler Breite. Diese wird so weit vergrößert, bis das durch den Spalt 2 (Abb. O.2.2.1) erzeugte Beugungsmuster in der Messlupe verschwindet. Man misst diejenige Spaltbreite y, bei der dies eintritt. Über die Beziehung Gl. (36) kann dann die Erfüllung der Kohärenzbedingung Gl. (8) geprüft werden. Dabei ist mit ruhendem Auge zu beobachten, da bei schräger Blickrichtung eine Bündelbegrenzung durch die Pupille erfolgt. Das entspricht einer Verkleinerung des Beleuchtungsspalts, so dass auch dann noch Beugungsstreifen zu beobachten sind, wenn Gl. (36) nicht mehr erfüllt ist. 2.3 Beugung am Gitter 263 Normalen des Gitters, beträgt die Phasenverschiebung į benachbarter Wellenzüge (z. B. 1 und 2 in Abb. O.2.3.1) 2.3 Beugung am Gitter Aufgabenstellung 1. Es ist die Gitterkonstante eines Reflexionsgitters zu bestimmen. 2. Die Wellenlängen der intensivsten Linien eines Atomspektrums sind zu messen. 3. Die Formel für das Auflösungsvermögen des Beugungsgitters ist zu überprüfen. Ein optisches Beugungsgitter besteht aus einer Glas- oder Metallplatte, die viele eng benachbarte, äquidistante linienartige Strukturen aufweist. Dabei werden sehr verschiedene Herstellungsverfahren angewendet, die die Herstellung qualitativ hochwertiger Transmissions- und Reflexionsgitter ermöglichen. Die Flächen zwischen den Strichen wirken als enge durchlassende (oder reflektierende) Spalte. Beleuchtet man das Gitter mit parallelem Licht, wird jeder dieser Spalte zur Quelle einer Elementarwelle. Vereinigt man das gesamte unter einem bestimmten Winkel gebeugte Licht in der Brennebene einer Sammellinse (Abb. O.2.3.1), kann dort das Interferenzbild beobachtet werden. Normale Lichtquelle 1 Beobachtungsebene 2 G = 2ʌ g (sin D sin E ) Gitter g Abb. O.2.3.1 Beugung am Reflexionsgitter Ist Į der Einfallswinkel des parallelen Lichts und beobachtet man unter dem Winkel ȕ zur . (40) In Gl. (40) ist g die Gitterkonstante, die den Abstand der äquidistanten Striche des Gitters angibt. Beobachtet man auf der Seite, auf der das Licht einfällt, ist ȕ negativ zu rechnen, d. h., in Gl. (40) ist das Minuszeichen durch ein Pluszeichen zu ersetzen. Die Intensitätsverteilung wird durch Gl. (22) beschrieben. Die bei einem Gitter mit vielen Spalten allein beobachtbaren Hauptmaxima der Intensitätsverteilung liegen bei den Nullstellen des Nenners, d. h. bei į/2 = k ʌ. Für sie gilt bei ganzzahligen k-Werten: sin E max, k = sin D kO . g (41a) Man beobachtet also in der durch ȕmax,k gegebenen Richtung nur Licht, dessen Wellenlänge die Gl. (41a) erfüllt. Da den verschiedenen Wellenlängen verschiedene Ablenkwinkel ȕmax,k entsprechen, kann man das Gitter zur Zerlegung des Lichts in sein Spektrum benutzen (Gitterspektrometer). Im Falle eines Transmissionsgitters erhält man bei senkrechtem Lichteinfall (D = 0) analog zur Herleitung von Gl. (41a) die Beziehung sin Emax, k = αβ O kO . g (41b) Je nach der Größe des Betrags von k spricht man von einem Spektrum 1., 2., 3. Ordnung usw.; das zu k = 0 (ȕmax, 0 = Į) gehörende Licht bezeichnet man als Spektrum nullter Ordnung, das wie eine Abbildung des Spalts in der Farbe des unzerlegten Lichts erscheint. Von entscheidender Bedeutung für die Leistungsfähigkeit eines Spektrometers ist sein 264 Optik und Atomphysik 2 Kohärenz, Interferenz und Beugung Gleichsetzen der Gln. (43) und (45) liefert Auflösungsvermögen A: O . 'O A= (42) In dieser Gleichung ist ǻO die kleinste Wellenlängendifferenz, die man mit dem Spektrometer noch getrennt wahrnehmen kann. ǻO hängt von der Breite der bei der Beugung am Gitter entstehenden hellen Beugungsstreifen ab. Zur Berechnung des Auflösungsvermögens nimmt man an, dass das einfallende Licht die Wellenlängen Ȝ und O+'O ('O O) enthält. Das Hauptmaximum k-ter Ordnung für die Wellenlänge O liegt bei ȕmax, k, für die Wellenlänge O+'O liegt es bei ȕcmax, k , wobei ȕcmax, k durch c k sin E max, sin D k O + 'O (43) g § © O ¨k + 1 N 'O 1 · = . ¸ = k (O + ' O ) , O kN ¹ Das Auflösungsvermögen des Gitters ist also unabhängig von der Einfallsrichtung lediglich durch die Strichzahl N und die Beugungsordnung k bestimmt: O = kN . 'O A= (46) Zur Ausmessung von Spektren wird ein Spektrometer benutzt. Die Hauptteile Spaltrohr (Kollimator) mit Eintrittsspalt, Spektrometertisch mit Justierschrauben (1, 2 ,3), Beobachtungsfernrohr mit Fadenkreuz sind in Abb. O.2.3.2 zusammen mit dem Strahlengang schematisch dargestellt. Lichtquelle gegeben ist. Eine getrennte Wahrnehmung ist gerade noch möglich, wenn ȕcmax, k mit der ersten Nullstelle der Intensitätsverteilung neben dem Hauptmaximum ȕmax,k der Wellenlänge Ȝ zusammenfällt. Aus Gl. (22) und Abb. O.2.0.8 ergibt sich, dass diese Nullstelle bei einer Phasenverschiebung liegt, die durch N Gc 2 = N G 2 2 ʌ g (sinD sin E c G c= 2ʌk + max, k O ) , (44) 1 3 Spektrometertisch mit Gitter Fernrohr zum Beobachter Abb. O.2.3.2 Strahlengang im Gitterspektrometer 2ʌ , N c k ergibt und die Umstellung nach sin E max, c k = sin D sin E max, Spaltrohr 2 + ʌ gegeben ist, während das Hauptmaximum k-ter Ordnung bei į/2 = k ʌ liegt. Daraus folgt G c= Spalt O§ 1· ¨k + ¸ . g© N¹ (45) Spalt und Spaltrohr dienen der Erzeugung parallelen Lichts. Der Spektrometertisch trägt das dispergierende System, hier das Beugungsgitter. Das Objektiv des Fernrohrs erzeugt ein Bild des Spalts in der Farbe des gebeugten Lichts, das mit dem Okular beobachtet werden kann. Die Verdrehung des 2.4 Michelson-Interferometer 265 Fernrohrs gegenüber dem Spektrometertisch misst man über die Winkelteilung eines Teilkreises. In der Praxis verwendet man für spektrometrische Untersuchungen oft auch Monochromatoren. Die verschiedenen Wellenlängen werden durch Drehung des Gitters (bzw. des Prismas bei Prismenmonochromatoren) nacheinander auf den feststehenden Austrittsspalt abgebildet. Das austretende Licht wird mittels lichtempfindlicher Detektoren nachgewiesen. Versuchsausführung Vor der Messung muss das Spektrometer entsprechend den Hinweisen am Arbeitsplatz justiert werden oder es steht vorbereitet zur Verfügung. Der am Teilkreis ablesbare Winkel gibt die Richtung der Gitternormalen an. Den Einfallswinkel Į bestimmt man durch Beobachtung des Spektrums nullter Ordnung, indem man bei möglichst engem Eintrittsspalt das Fadenkreuz im Okular des Fernrohrs mit dem entsprechenden Spaltbild zur Deckung bringt und den zugehörigen Winkel am Teilkreis abliest. Die ggf. vorhandenen und um 180q gegeneinander versetzten Nonien sind zu nutzen, um Teilungsfehler zu eliminieren. Die direkte Messung der Gitterkonstanten g, z. B. mit einem Mikroskop, ist zu ungenau. Man ermittelt daher g mit Licht bekannter Wellenlänge, indem man die entsprechenden Beugungswinkel misst und mit der aus Gl. (41) folgenden Formel g = kO sin D sin E max, k (47) berechnet. Ist g bekannt, ergibt sich aus den Beugungswinkeln ȕmax,k die Wellenlänge zu O = g (sin D sin E max,k ) k . (48) Zur Überprüfung des Auflösungsvermögens wählt man geeignete Linienpaare des Queck- silber- oder Natriumspektrums aus (Tabelle A.18 im Anhang ) und verändert mittels einer Spaltblende den Querschnitt des aus dem Spaltrohr austretenden Lichtbündels und damit die Zahl N der an der Beugung beteiligten Gitterspalte. Wenn b die Breite der Spaltblende ist, ergibt sich die Zahl N der ausgeleuchteten Gitterspalte durch N = b/g. 2.4 Michelson-Interferometer Aufgabenstellung 1. Es ist die Längenänderung eines Piezoaktors in Abhängigkeit von der angelegten Gleichspannung zu messen. 2. Der Brechungsindex eines Gases ist für Normbedingungen zu ermitteln. 3. Es ist der thermische Längenausdehnungskoeffizient eines Metalls zu bestimmen. Der prinzipielle Aufbau eines Interferometers nach Michelson ist in Abb. O.2.4.1 dargestellt. Das von einem Gaslaser (z. B. He-NeLaser mit Ȝ0 = 632,8 nm) oder Diodenlaser mit bekannter Wellenlänge ausgesandte parallele Lichtbündel wird über einen Strahlteiler (halbdurchlässige Platte P oder Strahlteilerwürfel) in zwei Teilbündel gleicher Intensität aufgeteilt. Im Beispiel der Abb. O.2.4.1 wird das Bündel 1 zunächst an P, am Spiegel S1 erneut reflektiert und gelangt schließlich nach Durchdringen von P zum Schirm. Das Bündel 2 durchsetzt zuerst die Platte P, wird am Spiegel S2 und danach an P zum Schirm reflektiert. Dort sind Interferenzen gut zu beobachten, wenn a) sich die beiden Teilbündel geometrisch überlagern, also parallel verlaufen oder nur wenig gegeneinander geneigt sind, b) sich die getrennt durchlaufenen Wege l1 und l2 nicht mehr als um eine halbe Kohärenzlänge des verwendeten Lichts unterscheiden, c) die Platte P und die beiden Spiegel S1 und S2 optisch eben sind. 266 Optik und Atomphysik 2 Kohärenz, Interferenz und Beugung S1 M = ʌ + 2ʌ 1 l1 P' Δl P 2 Laser LF S2 l2 LA Schirm Abb. O.2.4.1 Prinzip des Michelson-Interferometers mit Strahlteilerplatte P (Korrekturplatte P ' gestrichelt) Für die Phasendifferenz zwischen den beiden sich überlagernden (ebenen) Wellen am Schirm sind die geometrische Wegdifferenz e = 2 (l2 l1) und die Gangunterschiede zu berücksichtigen, die durch Reflexionen an den spiegelnden Flächen sowie beim Durchsetzen der Platte P entstehen. Die als Strahlteiler wirkende Platte P steht um 45q geneigt zum einfallenden Strahl, Reflexionen treten nur an der dem Laser zugewandten Seite auf, die andere Seite ist entspiegelt. Das Teilbündel 1 erfährt bei der Reflexion an P (am optisch dichteren Medium) einen Phasensprung von ʌ. Das Teilbündel 2 wird bei seiner Reflexion an P (am optisch dünneren Medium) nicht phasenverschoben. Beide Bündel durchlaufen die Platte unterschiedlich oft. Zur Aufhebung der dadurch zusätzlich entstehenden Phasendifferenz kann man eine passende Korrekturplatte P' in den Strahlengang des Teilbündels 1 setzen, die bei Verwendung eines Strahlteilerwürfels entfällt. Bei den Reflexionen an den Spiegeln erfahren beide Teilbündel jeweils einen Phasensprung um ʌ. So ergibt sich für den Phasenunterschied M der Teilbündel am Schirm 2 (l2 l1 ) . (49) O0 In Gl. (49) sind Ȝ0 die Wellenlänge des verwendeten Lichts und der Faktor 2 im Zähler berücksichtigt, dass die Strecken l2 und l1 zweimal durchlaufen werden. Ist M gleich einem ungeraden Vielfachen von ʌ, sollte der Interferenzfleck auf dem Schirm dunkel erscheinen, maximale Helligkeit könnte sich für Vielfache von 2ʌ ergeben. Da aber stets einer der beiden Spiegel leicht gegen das auftreffende Licht geneigt ist, ändert sich e über den Bündelquerschnitt, und es ergeben sich Interferenzstreifen auf dem Schirm. Eine Aufweitungslinse (LA) dient zu ihrer besseren Beobachtung. Wird der optische Weg in einer der beiden getrennt durchlaufenen Strecken verändert, verschieben sich die Streifen. Aus der Zahl der durch eine festgehaltene Stelle des Schirms laufenden Streifen kann man auf die Veränderung der optischen Weglänge schließen. Setzt man in das vom Laser ausgehende parallele Lichtbündel eine weitere Linse (LF) ein, die das Licht vor der Platte P fokussiert, beobachtet man auf dem Schirm nicht mehr die Interferenz von ebenen Wellen, sondern die von Kugelwellen. Diese Kugelwellen gehen vom Brennpunkt der Linse LF aus. Anstelle von Streifen erscheinen Interferenzringe. Bei jeder Änderung der optischen Weglänge eines Teilbündels um Ȝ (z. B. durch Verschieben des Spiegels S2 um Ȝ/2) entsteht oder verschwindet im Zentrum der Interferenzfigur ein Ring. Bei allen Messungen muss man Erschütterungen aus der Umgebung vermeiden. Versuchsausführung Zu Beginn des Experiments ist das Interferometer sorgfältig zu justieren. Dazu werden der Laser und der Strahlteiler auf einem optischen Tisch in geeignetem Abstand aufgestellt sowie die Spiegel S1 und S2, wie in Abb. O.2.4.1 dargestellt, positioniert. Die Korrekturplatte P' kann weggelassen werden, 2.4 Michelson-Interferometer da nur die Änderung einer Länge bzw. die eines Brechungsindex bestimmt werden soll. Man beachte bzw. bedenke, dass Michelson, der in seinem Versuch historisch eigentlich die Lichtgeschwindigkeit bestimmen wollte, außerdem keinen Laser, sondern nur normales, sichtbares Licht hatte und die Kohärenzlänge der heute verwendeten Laser alle deutlich größer sind als die Dicke der verwendeten Korrekturplatte. Ohne die Linsen LA und LF werden auf dem Schirm die beiden Teilbündel durch Feinjustage von S1 zur Deckung gebracht. Interferenzringe erscheinen, wenn die Linsen an den apparativ festgelegten Orten einsetzt werden, ggf. ist eine geringe Nachjustage an S1 erforderlich. Bei Aufgabe 1 befindet sich der Spiegel S2 am Ende eines Piezoaktors (Stapeltranslator), der in der Praxis als Positionierungssensor verwendet wird. Er enthält in seinem zylindrischen Gehäuse eine große Anzahl dünner piezoelektrischer Scheiben in geeigneter elektrischer Verschaltung in Stapelanordnung. Durch Ausnutzung des inversen Piezoeffekts kommt es beim Anlegen einer elektrischen Gleichspannung und dem damit im Inneren des piezoelektrischen Kristalls wirkenden elektrischen Feld zu einer direkten Umwandlung von elektrischer in mechanische Energie, die bei diesem Sensortyp zu einer Längenänderung des Aktors führt. Diese ist proportional der angelegten Spannung und lässt sich in begrenzten Einstellbereichen näherungsweise durch einen linearen Zusammenhang beschreiben. Bei den spannungsgesteuerten piezoelektrischen Aktoren können auch geringfügige Hystereseerscheinungen auftreten. Durch das Anlegen einer Gleichspannung in einem vorgegebenen Spannungsbereich unter Beachtung der vorgegebenen Anschlusspolaritäten an den Piezoaktor wird der Spiegel um ǻl verschoben, da dieser fest mit dem optischen Tisch verbunden ist. Man bestimmt für zehn unterschiedlich große Spannungswerte U bei Erhöhung bzw. Erniedrigung der 267 angelegten Spannung die Zahl z der das Zentrum des Interferenzbilds durchlaufenden Ringe. Mit der Beziehung zwischen ǻl und z ('l = z (O0/2)) berechnet man die Längenänderung und stellt diese in Abhängigkeit von der Spannung (ǻl(U)) graphisch dar. Der Kurvenverlauf ist zu diskutieren und bei linearem Verhalten der Anstieg des Graphen zu ermitteln. Für die Aufgabe 2 bringt man eine evakuierbare Glasküvette bekannter Länge d in den Strahlengang, so dass die optisch ebenen und parallel zueinander angeordneten Begrenzungsfenster vom Bündel 2 genau senkrecht durchsetzt werden. Zum Evakuieren verwendet man eine Vakuumpumpe. Zwischen dem evakuierten und dem langsam wieder belüfteten Zustand mit dem Testgas konstanter Temperatur (Druck p, Temperatur T = const) ermittelt man die Zahl z = z(p) der durchlaufenden Ringe. Für jeden Ring gilt mit ǻn als Brechzahländerung 2d 'n = O0, und für die Druckabhängigkeit der Brechzahl n = n(p) gegenüber dem Wert im Vakuum (nvac = 1) ergibt sich 'n n nvac n 1 = z O0 , 2d (50) wobei z die Zahl der das Zentrum durchlaufenden Ringe darstellt. Außerdem gilt nach Gl. (O.3-25a) p T0 'n n 1 = (n0 1) . (51) p0 T Es ist 'n in Abhängigkeit des Gasdrucks p in der Küvette graphisch darzustellen und mit dem Anstieg der Ausgleichsgeraden der Wert für n0 zu berechnen. Bei Aufgabe 3 ist der Spiegel S2 auf einen Metallstab montiert, der mit Hilfe einer elektrischen Heizung z. B. auf etwa 60 qC erwärmt wird. Durch die thermische Ausdehnung des Stabs wird nur der Spiegel um ǻl verschoben, da die dem Spiegel abgewandte Seite fest mit dem optischen Tisch verbunden ist. Beim Abkühlen wird die 268 Optik und Atomphysik 3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption Temperatur im Stabinneren mit einem Digitalthermometer gemessen und die Zahl z der das Zentrum des Interferenzbilds durchlaufenden Ringe während der langsamen Temperaturänderung gezählt. Mit 'l = 'z (O0/2) und Gl.(W.1-2) folgt 'z 'T 2 l0 O0 Dl , (52) wobei l0 die Länge des Metallstabs bei 293 K beschreibt und am Arbeitsplatz mitgeteilt wird. Aus dem Anstieg der graphisch darzustellenden Abhängigkeit z(T ) kann man auf den thermischen linearen Ausdehnungskoeffizienten Įl des eingesetzten Metalls schließen. Bei der Auswertung wird die sehr geringe thermische Ausdehnung des Spiegelmaterials vernachlässigt. 3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption 3.0 Grundlagen 3.0.1 Brechungsindex und Dispersion Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts in Stoffen hängt von der betrachteten Substanz und von seiner Frequenz ab. Ursache dafür ist, dass alle Stoffe aus geladenen Teilchen (Protonen und Elektronen) aufgebaut sind, die durch die einfallende elektromagnetische Welle in Schwingungen versetzt werden und dadurch zum Ausgangspunkt neuer Lichtwellen werden. Von zwei Stoffen bezeichnet man den mit der größeren Lichtgeschwindigkeit als den optisch dünneren, den mit der kleineren Lichtgeschwindigkeit als den optisch dichteren Stoff. Trifft eine Lichtwelle auf die Grenzfläche zwischen zwei verschiedenen Stoffen, ändert sich ihre Ausbreitungsrichtung, sie wird gebrochen (und teilweise reflektiert bzw. absorbiert). Einfallslot optisch dünner Stoff: c1, n1 α Grenzfläche optisch dichter Stoff: c2, n2 βg totalreflektierter β Strahl Grenzstahl gebrochener Strahl Abb. O.3.0.1 Snellius’sches Brechungsgesetz (Strahlengang ist umkehrbar) Für die Brechung einer ebenen Welle (in Abb. O.3.0.1 durch Lichtstrahlen, d. h. durch ihre Flächennormalen, gekennzeichnet) an einer ebenen Grenzfläche gilt das Brechungsgesetz von Snellius sin D sin E c1 c2 n2 n1 n21 . (1) Das Verhältnis n1 = c0 /c1 (c0 Lichtgeschwindigkeit im Vakuum, c1 Lichtgeschwindigkeit im Stoff 1) heißt (absoluter) Brechungsindex des Stoffs 1; n21 ist der relative Brechungsindex des Stoffs 2 gegenüber dem Stoff 1. Aus Gl. (1) ergibt sich: Geht der (auf der Wellenfront senkrecht stehende) Lichtstrahl vom optisch dünneren zum optisch dichteren Stoff über (z. B. von Luft in Glas), wird er zum Einfallslot hin, im umgekehrten Fall vom Lot weg gebrochen. Der gebrochene Strahl liegt dabei in beiden Fällen in der durch das Einfallslot und den einfallenden Strahl gebildeten Einfallsebene. Beim Übergang vom optisch dichteren zum optisch dünneren Stoff ist der Brechungswinkel stets größer als der Einfallswinkel, er erreicht daher bereits bei einem Einfallswinkel Eg < 90q den Wert 90q. Wird der Einfallswinkel größer als Eg, wird nach den Modellvorstellungen der Strahlenoptik das gesamte Licht in 3.0 Grundlagen 269 den dichteren Stoff zurückgeworfen. Es tritt Totalreflexion ein und Eg heißt daher Grenzwinkel der Totalreflexion. Die Lichtgeschwindigkeit hängt nicht nur vom Stoff ab, in dem sich das Licht ausbreitet, sondern auch von der Frequenz (außer im Vakuum). Diese Erscheinung nennt man Dispersion. Sie wird dadurch verursacht, dass die Moleküle des Stoffes, die durch die Lichtwelle in erzwungene Schwingungen versetzt werden, eine (oder mehrere) optische Eigenfrequenzen Z0 besitzen. Demzufolge hängt die Größe des elektrischen Dipolmoments p, das durch das elektrische Feld E der Lichtwelle in einem Molekül hervorgerufen wird, von der Frequenz Z der Lichtwelle ab. Das Verhältnis Dp = p/E eines Atoms oder Moleküls ist ein Maß für die Deformierbarkeit der Elektronenhülle und wird Polarisierbarkeit genannt. Aus der Theorie der erzwungenen Schwingungen ergibt sich Dp e2 1 , m Z02 Z 2 (2) wobei e die elektrische Ladung und m die Masse des für die optische Resonanz verantwortlichen Teilchens sind. Berücksichtigt man den Beitrag benachbarter Moleküle zu dem elektrischen Feld der Lichtwelle erhält, man für die Abhängigkeit des Brechungsindex n von der Kreisfrequenz Z n 1 n2 2 2 1 N Dp 3H 0 dient in diesem Bereich die Differenz der Brechungsindizes für die Wasserstofflinien HD und HE, die als mittlere Dispersion nF - nC bezeichnet wird (F und C sind die Fraunhofer’schen Bezeichnungen für HD und HE). n,α nF nC (3) (Lorentz-Lorenz’sche Formel). N ist dabei die Teilchenzahldichte, H0 die Permittivität des Vakuums. Schematisch ergibt sich daraus, wenn man auch den Einfluss der Dämpfung berücksichtigt, die Kurve 1 in Abb. O.3.0.2. Bei genügend langen Wellenlängen (bei üblichen Gläsern im sichtbaren Bereich) nimmt der Brechungsindex mit zunehmender Wellenlänge ab (normale Dispersion). Als Maß für die Größe der Dispersion Kurve 2: α ( λ ) anomale Dispersion Hα Hβ λ Abb. O.3.0.2 Dispersion n(O) und Absorption D (O) in der Umgebung einer optischen Resonanzstelle In dem in Abb. O.3.0.2 dargestellten Gebiet anomaler Dispersion, in dem der Brechungsindex mit wachsender Wellenlänge zunimmt, tritt gleichzeitig starke Absorption auf (Kurve 2), so dass dort n nicht mehr mit den sonst üblichen Methoden gemessen werden kann. Die aus dem Brechungsindex n berechenbare Größe RM 2 e N 1 2 3H 0 m Z 0 Z 2 Kurve 1: n ( λ ) n2 1 M n2 2 U (4) (M molare Masse, U Dichte) heißt Molrefraktion. Sie ist eine Stoffkonstante, die von Druck, Temperatur und Aggregatzustand weitgehend unabhängig ist. RM kann genähert als Summe der Refraktionsanteile der Bindungen betrachtet werden: RM a x b y c z ... , (5) wobei x, y, z, ... die Bindungsrefraktionen, a, b, c, ... die Anzahl der jeweiligen Bindungen im betrachteten Molekül sind. Infolge der vorausgesetzten Addition der Bindungsre- 270 Optik und Atomphysik 3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption fraktionen ist RM eine wichtige Größe in der organischen Chemie. Zur Berechnung von RM steht eine Tabelle mit den entsprechenden Bindungsrefraktionen zur Verfügung. 3.0.2 Extinktion und Absorption Für vollständig durchsichtige Stoffe genügt im Allgemeinen der Brechungsindex n zur optischen Charakterisierung. Tatsächlich wird jedoch ein Lichtbündel beim Durchgang durch einen Stoff auch geschwächt. Die Schwächung wird durch Lichtstreuung (Richtungsänderung eines Teils der Welle) und durch Absorption (Umwandlung von Lichtin Wärmeenergie) verursacht. Bei senkrechtem Durchgang einer Lichtwelle (Intensität I0) durch eine planparallele Schicht der Dicke d erhält man für die Intensität I hinter der Schicht in guter Näherung I I 0 1 R e K d . 2 (6) K heißt Extinktionskoeffizient, 1/K entspricht der mittleren Reichweite des Lichts in dem betrachteten Stoff und kann auch als mittlere freie Weglänge der Photonen interpretiert werden. R ist der Reflexionskoeffizient der Grenzfläche Durch den Faktor (1 R)2 wird die Reflexion an Vorder- und Rückseite der Schicht berücksichtigt. Mehrfachreflexionen und Interferenzen werden in Gl. (6) vernachlässigt. Bei verdünnten Lösungen ist K proportional zur Konzentration c der gelösten Moleküle (Beer’sches Gesetz): K Hc . (7) Die Wechselwirkung der gelösten Moleküle untereinander ist hier unwesentlich. Die Proportionalitätskonstante H heißt spezifischer Extinktionskoeffizient und ist für den gelösten Stoff charakteristisch. Gl. (6) geht damit über in das Lambert-Beer’sche Gesetz: I I 0 1 R e H c d . 2 Die in einer dünnen Schicht der Dicke dx dem einfallenden Lichtbündel entzogene relative Intensität ergibt sich aus Gl. (6) zu (9) K dx . Diese Größe stimmt überein mit der Wahrscheinlichkeit für das Verschwinden eines Photons aus dem Strahl auf der Strecke dx. Andererseits enthält die Schicht im durchstrahlten Querschnitt A (Abb. O.3.0.3) dN N A dx (10) Moleküle, wobei N die Teilchenzahldichte (Zahl der gelösten Moleküle je Volumen) ist. Ordnet man jedem Molekül einen extingierenden Querschnitt q zu, ist der Bruchteil q dN A N q dx der durchstrahlten Fläche von gelösten Molekülen bedeckt. I0 Schichtdicke d x I Querschnitt A Abb. O.3.0.3 Zur Berechnung des extingierenden Querschnitts Diese Größe ist daher ebenfalls gleich der Wahrscheinlichkeit für das Verschwinden eines Photons aus dem Lichtbündel. Setzt man die beiden Wahrscheinlichkeiten gleich (K dx = N q dx), ergibt sich q (8) dI I K N . (11) Der Teilchenzahldichte N entspricht eine 3.1 Refraktometrie 271 Konzentration c = N m, wobei m die Molekülmasse (m = M / NA, M molare Masse, NA Avogadro-Konstante) ist. Damit folgt für den extingierenden Querschnitt q H M , NA (12) so dass man aus der (makroskopischen) spezifischen Extinktion den (mikroskopischen) Extinktionsquerschnitt eines Moleküls ermitteln kann. Ist die Extinktion ausschließlich durch Absorption bedingt (keine Streuung), spricht man nicht vom Extinktionskoeffizienten, sondern vom Absorptionskoeffizienten DA. Der Absorptionskoeffizient ist stark von der Wellenlänge der einfallenden Strahlung abhängig, so dass sich für jeden Stoff ein charakteristisches Absorptionsspektrum DA (O) ergibt, das z. B. zur Identifizierung des betreffenden Stoffs herangezogen werden kann. Starke Absorption tritt insbesondere im Bereich der anomalen Dispersion auf (Abb. O.3.0.2). 3.1 Refraktometrie Aufgabenstellung 1. An einem Refraktometermodell sind der Brechungsindex des Prismas und eines Glasplättchens mit Na-Licht zu messen. 2. Die Brechungsindizes und die mittleren Dispersionen von fünf organischen Verbindungen sind zu messen. Mit den Brechungsindizes sind die jeweiligen Molrefraktionen zu ermitteln. 3. Der Brechungsindex einer Flüssigkeit ist in Abhängigkeit von der Temperatur zu messen und graphisch darzustellen. Es ist der Volumenausdehnungskoeffizient bei 20 °C zu bestimmen. Geräte zur Bestimmung des Brechungsindex heißen Refraktometer. Oft wird mit ihnen der Grenzwinkel der Totalreflexion bei streifendem Lichteinfall an einem Prisma (Bre- chungsindex n1, brechender Winkel İ) gemessen, an dessen Grundfläche sich die Messprobe mit dem Brechungsindex n2 befindet. Der streifend einfallende Strahl (Į = 90 q) wird unter dem Winkel ȕg in das Prisma hinein gebrochen, trifft unter dem Winkel Ȗg auf die zweite Prismenfläche und verlässt das Prisma unter dem Winkel įg (Abb. O.3.1.1). βg n1 ε ε δg n ~1 γg L n2 Abb. O.3.1.1 Brechung am Prisma bei streifendem Lichteinfall Nach dem Brechungsgesetz gilt beim Eintritt des Strahls sin E g = n2 n1 (13) und beim Austritt in Luft (nL § 1) sin G g = n1 sin J g | n1 J g . nL (14) Aus Abb. O.3.1.1 ist ersichtlich, dass Eg + Jg= H (15) gilt, da İ Außenwinkel in dem vom Lichtstrahl und den beiden Loten gebildeten Dreieck ist. Zur Bestimmung des Brechungsindex n1 des Messprismas misst man neben dem brechenden Winkel İ zunächst įg ohne Messprobe (die Prismengrundfläche befindet sich in Luft: n2 = nL § 1). Setzt man Ȗg nach Gl. (15) in Gl. (14) ein, ergibt sich mit Gl. (13) cot E g = sin G g + cos H . sin H (16) 272 Optik und Atomphysik 3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption Saum, da der Brechungsindex und damit auch die Lage der Grenzlinie von der Wellenlänge abhängen. Versuchsausführung hell dunkel δg Abb. O.3.1.2 Prinzip des Strahlengangs im Refraktometer Aus Gl. (16) lässt sich ȕg und damit aus Gl. (13) n1 berechnen. Ist n1 bekannt, erhält man den Brechungsindex n2 der Messprobe (Glasplättchen), indem man mit Probe den Winkel įg misst, aus Gl. (14) Ȗg und aus Gl. (15) ȕg bestimmt. Aus Gl. (13) folgt schließlich n2. Strahlen, die unter einem kleineren Einfallswinkel als 90q einfallen, verlassen das Prisma unter einem größeren Winkel als įg, so dass nur Strahlen austreten, die mit dem Lot einen Winkel größer als įg bilden. Beobachtet man das austretende Licht mit einem auf Unendlich eingestellten Fernrohr, entspricht jeder Strahlrichtung ein Punkt in der Brennebene (Abb. O.3.1.2). Da in dem aus dem Prisma austretenden Lichtbündel nicht alle Richtungen enthalten sind, bleibt ein Teil des Gesichtsfelds dunkel. Der Richtung des Grenzstrahls entspricht daher bei Verwendung monochromatischen Lichts eine scharfe Grenze zwischen hellem und dunklem Teil des Gesichtsfelds. Bei Verwendung von weißem Licht entsteht anstelle der scharfen Grenzlinie ein farbiger Die Aufgabe 1 wird mit einem Refraktometermodell ausgeführt, das aus einem drehbaren Prisma, einem Teilkreis und einem auf Unendlich eingestellten Fernrohr besteht. Den brechenden Winkel İ bestimmt man, indem man das Fernrohr senkrecht zu einer an İ anliegenden Prismenfläche einstellt (Ablesung M1 am Teilkreis) und dann das Prisma dreht, bis die zweite an İ anliegende Prismenfläche senkrecht zum Fernrohr steht (Ablesung M2). Für den Drehwinkel folgt dann M1 M2 = 180° H. Die Senkrechtstellung des Fernrohrs erfolgt nach dem in O.1.1 beschriebenen Autokollimationsverfahren mittels des am Fernrohr befindlichen GaußOkulars. Der Winkel įg wird gemessen, indem man das Prisma streifend beleuchtet, das Fadenkreuz auf die Hell-Dunkel-Grenze des Gesichtsfeldes einstellt und die Winkeldifferenz zwischen austretendem Strahl und Lot bestimmt. Um den Brechungsindex n2 des Glasplättchens zu messen, klebt man es mit einer Flüssigkeit mit höherem Brechungsindex (häufig Monobromnaphthalin) an die Eintrittsfläche des Refraktometerprismas und bestimmt den Austrittswinkel įg bei streifendem Lichteinfall. Die zwischen Glasplättchen und Prisma befindliche Flüssigkeit hat auf die Messung keinen Einfluss, solange ihr Brechungsindex größer als der des Glasplättchens ist. Sie bildet nämlich eine sehr dünne planparallele Schicht, die nur zu einer geringen Parallelverschiebung der einfallenden Lichtstrahlen führt, die Strahlrichtung jedoch unverändert lässt. Die Aufgaben 2 und 3 werden mit einem Abbe-Refraktometer ausgeführt. Dieses Refraktometer besitzt ein aufklappbares Doppelprisma, in dessen Zwischenraum die Flüssigkeit mit einer Pipette eingefüllt wird. Da- 3.1 Refraktometrie 273 bei darf die Fläche des Messprismas nicht berührt werden, um Kratzer zu vermeiden. Messprisma Beleuchtungsprisma der eine scharfe Hell-Dunkel-Grenze erscheint. Aus der Größe der dazu erforderlichen Drehung kann über eine Kalibrierung die mittlere Dispersion der Flüssigkeit bestimmt werden. Um die Ablenkung von Licht als Folge der Brechung auch in Abhängigkeit von der Wellenlänge des verwendeten Lichts zu messen, kann z. B. ein Pulfrich-Refraktometer verwendet werden (Abb. O.3.1.5). Messprobe Grenzstrahl Abb. O.3.1.3 Beleuchtung beim Abbe-Refraktometer Die der Flüssigkeit anliegende Fläche des unteren Prismas ist aufgeraut und dient als sekundäre Lichtquelle, wodurch günstige Beleuchtungsverhältnisse geschaffen werden (Abb. O.3.1.3). Das Prisma kann mittels durchströmender Flüssigkeit, die von einem Thermostaten geliefert wird, gekühlt oder erwärmt werden. Statt eines Teilkreises ist eine Skala vorhanden, an der der Brechungsindex nD für Natriumlicht (O = 589 nm) direkt abgelesen werden kann. Kron Kron Flint rot gelb blau Abb. O.3.1.4 Amici-Prisma: Kronglas hat einen kleinen Brechungsindex und geringe Dispersion; Flintglas hat einen großen Brechungsindex und große Dispersion Die Messung erfolgt mit weißem Licht. Dabei erscheint zunächst ein farbiger Saum. Im Fernrohr des Refraktometers befinden sich jedoch zwei so genannte Amici-Prismen, die für Licht der Na-D-Linie geradsichtig sind, für andere Wellenlängen aber eine schwache Brechung bewirken (Abb. O.3.1.4). Durch Verdrehen der beiden Prismenkombinationen gegeneinander kann der farbige Saum zum Verschwinden gebracht werden, so dass wie- n2 n1 ε = 90 ° βg γg δg Glaswürfel Abb. O.3.1.5 Prinzip des Pulfrich-Refraktometers mit Glaswürfel Dabei wird statt eines Prismas z. B. ein Glaswürfel benutzt, um dessen Oberseite eine (zumindest teilweise aus Glas bestehende) Berandung zur Aufnahme der Messflüssigkeit angebracht ist. Der brechende Winkel İ (Winkel zwischen einfallendem Licht und Grenzflächen-Normale, Abb. O.3.1.1) beträgt jetzt 90q. Aus Gl. (14) ergibt sich unter Berücksichtigung von Ȗg = 90q ȕg die Beziehung sin G g = n1 cos E g = n1 1 sin 2 E g . (17) Verwendet man Gl. (13), folgt für den zu bestimmenden Brechungsindex n2 der zu untersuchenden Flüssigkeit n2 n12 sin 2 G g . (18) Beim Pulfrich-Refraktometer muss mit streifend einfallendem monochromatischem Licht 274 Optik und Atomphysik 3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption gemessen werden. Hat man Gg aus der Lage der Hell-Dunkel-Grenze bestimmt, kann man bei bekanntem Brechungsindex n1 des Glaskörpers für die entsprechende Wellenlänge aus Gl. (18) den Brechungsindex der Flüssigkeit berechnen. Ist der Brechungsindex des Glaswürfels unbekannt, misst man mit einer Flüssigkeit mit bekanntem Brechungsindex n2 den Winkel įg und berechnet n1 aus n1 = n22 + sin 2G g . (18a) Verwendet man ein V-Prisma, das im Prinzip aus zwei aneinander gekitteten Glasprismen mit zwei seitlich abschließenden Glasplatten besteht, beträgt der Winkel des V-Lagers 90°. Dadurch ist der Einfallswinkel des aus dem Glas in die Flüssigkeit übergehenden parallelen und monochromatischen Lichts 45°. Unter Berücksichtigung der gegenüberliegenden Grenzfläche Wasser-Glas, (Winkel zwischen V-Symmetrieebene und Grenzfläche ebenfalls 45°) erhält man mit J = 90° Gg die Gleichung n2 n sin (90q J ) 2 1 n12 sin 2 (90q J ) . (19) Der Winkel J wird gegen die Austrittsfläche des V-Messprismas mit einem Fernrohr gemessen. Die Berechnung der Molrefraktionen erfolgt nach Gl. (4). Diese sollen mit berechenbaren Werten verglichen werden, die man mit den am Arbeitsplatz angegebenen Werten der Bindungsrefraktionen unter Verwendung von Gl. (5) ermitteln kann. Zur Lösung der Aufgabe 3 geht man zur Beschreibung der Temperaturabhängigkeit des Brechungsindex in Flüssigkeiten von der Lorentz-Lorenz’schen Formel nach Gl. (3) aus: n2 1 N A D P U aU . (20) n2 2 3 H 0 M Im Allgemeinen bleibt die Polarisierbarkeit unter den gegebenen Messbedingungen bei Änderung der Temperatur im Gegensatz zur Dichte konstant. Erhöht man die Temperatur, wird die Dichte infolge der thermischen Ausdehnung und dadurch der Brechungsindex abnehmen. Für kleine Änderungen von U und n erhält man dU dn 6n 1 (n 2 2) 2 a 6n U . (n 2 2) (n 2 1) Mit dV dT d (m/U ) dT m dU U 2 dT folgt für den Volumenausdehnungskoeffizienten JV 1 dV V dT 1 dU U dT 1 dU dn , U d n dT bzw. JV 6n § dn · . (n 2 2) (n 2 1) ¨© dT ¸¹ (21) Es wird der Brechungsindex der Versuchsflüssigkeit bei etwa acht verschiedenen Temperaturen gemessen und n(T) graphisch dargestellt. Aus dem Anstieg d n/d T der Ausgleichsgeraden und mit dem Wert n bei - = 20 °C, den man durch graphische Extrapolation oder rechnerisch mit Hilfe der Geradenparameter der Ausgleichsgeraden erhält, kann der Volumenausdehnungskoeffizient der untersuchten Flüssigkeit für 20 °C ( J V20 ) bestimmt werden. 3.2 Prismenspektrometer Aufgabenstellung 1. Die Dispersionskurve eines Prismas ist zu ermitteln. 2. Für die Wasserstofflinien HĮ, Hȕ und HȖ sind die Wellenlängen zu bestimmen. 3. Das Auflösungsvermögen des Prismas ist zu berechnen und der gefundene Wert experimentell zu überprüfen. 3.2 Prismenspektrometer 275 Beim Durchgang durch ein Prisma wird ein Lichtstrahl zweimal an den Grenzflächen gebrochen. Für den Fall, dass der Strahl in einem Hauptschnitt (senkrecht zur brechenden Kante) verläuft und das Prisma symmetrisch durchsetzt (Abb. O.3.2.1), tritt die kleinste Ablenkung į auf. Ist Į der Einfallswinkel und İ der brechende Winkel, gilt sin D = n sin E . Mit ȕ = İ/2 und į = 2Į İ ergibt sich sin n= 1 (G + H ) 2 . H sin 2 (22) Da der Brechungsindex von der Frequenz f abhängt, wird das benutzte Licht in sein Spektrum zerlegt (Prismenspektrometer). Verwendet man eine Lichtquelle, die ein Linienspektrum aussendet (z. B. eine Quecksilberdampflampe), kann man durch die Messung der Ablenkwinkel die Dispersionskurve ermitteln. betreffende Wellenlänge misst und damit aus der Dispersionskurve O bestimmt. Man kann sich dabei die Umrechnung von į in n ersparen, indem man sofort į = į(O) darstellt und nach Messung des Ablenkwinkels die gesuchte Wellenlänge direkt abliest. Das Auflösungsvermögen eines Prismenspektrometers ist durch die apparativ bedingte Breite der Linien begrenzt. Ist der Eintrittsspalt breit, sind es auch die im Fernrohr beobachteten Spaltbilder. Durch Verringerung der Spaltbreite lässt sich diese aber nicht beliebig schmal machen. Die untere Grenze ist durch die Beugung bestimmt. Da das Prisma höchstens von einem Lichtbündel der Breite a durchsetzt werden kann, wirkt es wie ein Spalt gleicher Breite (Abb. O.3.2.2). Man erhält bei Verwendung monochromatischen Lichts in der Brennebene des Fernrohrs die in Abb. O.2.0.6 dargestellte Intensitätsverteilung. ε 2 s ε a δ+ ε 2 δ α α β s β Abb. O.3.2.1 Brechung am Prisma bei symmetrischem Strahlengang Üblicherweise bezeichnet man als Dispersionskurve die Abhängigkeit des Brechungsindex von der Wellenlänge n = n (O) mit O = c0 / f, wobei man unter c0 die Vakuumlichtgeschwindigkeit versteht. Ist die Dispersionskurve bekannt, kann man umgekehrt das Prisma zur Wellenlängenmessung benutzen, indem man den Brechungsindex für die 90°- ε 2 δ/2 b Abb. O.3.2.2 Auflösungsvermögen des Prismas Für den Winkelabstand der ersten Minima vom Hauptmaximum ergibt sich nach Gl. (O.2-17): sin Į = O /a § Į. Zwei Wellenlängen Ȝ und O + ǻO mit ǻO O werden dann noch als getrennte Spektrallinien wahrgenommen, falls das Hauptmaximum der Linie O + ǻO mit dem 1. Minimum der Linie Ȝ zusammenfällt, d. h., es gilt G (O 'O ) G (O ) r D G (O ) r O . (23) a Als Größe des Auflösungsvermögens defi- 276 Optik und Atomphysik 3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption niert man (in Analogie z. B. zum Mikroskop) A = O / 'O und man erhält durch die Taylor-Entwicklung der linken Seite von Gl. (23) A= O 'O = a wG . wO (24a) Für die partielle Ableitung w į/ w Ȝ ergibt sich aus Gl. (22) H sin wG wn 2 = 2 , wO wO cos G + H 2 und durch Einsetzen in Gl. (24a) folgt dann H sin wn 2 A= 2a . G +H wO cos 2 (24b) Ist das Prisma voll ausgeleuchtet, ergeben sich aus der Abb. O.3.2.2 die Beziehungen a = s cos G +H 2 und b H = s sin 2 2 mit der Basis- (b) und Seitenlänge (s) des Prismas. Damit vereinfacht sich Gl. (24b) zu A= b dn . dO (24) Das Auflösungsvermögen lässt sich also aus der Steigung an einem bestimmten Punkt längs der Dispersionskurve berechnen und ist wie diese von der Wellenlänge abhängig. Versuchsausführung Die Bestimmung von n nach Gl. (22) erfordert die Messung des brechenden Winkels İ und des Winkels der minimalen Ablenkung į. Die Winkelmessung erfolgt mit einem Spektrometer, das ggf. vor den Messun- gen noch zu justieren ist. Die brechende Kante des Prismas ist senkrecht zur Sehlinie des Fernrohrs zu stellen, damit das Prisma im Hauptschnitt durchstrahlt wird. Dies geschieht, indem man beide brechende Flächen senkrecht zur Sehlinie stellt. Das Prisma stellt man dazu zweckmäßigerweise so auf den Spektrometertisch, dass eine der brechenden Flächen senkrecht zur Verbindungslinie zweier Justierschrauben (Abb. O.2.3.2) verläuft, und verstellt diese Fläche unter alleiniger Benutzung dieser beiden Schrauben. Für die Justierung der zweiten Fläche benutzt man dann ausschließlich die dritte Justierschraube. Die Messung des brechenden Winkels kann in der in O.3.1 beschriebenen Weise erfolgen. Ein weiteres Verfahren besteht darin, das Prisma so aufzustellen, dass beide brechende Flächen gleichzeitig vom Spaltrohr beleuchtet werden. Man erhält dann zwei Strahlenbündel, die einen Winkel von 2 İ einschließen. Zur Messung der Dispersionskurve wird der Spalt mit dem Licht einer Quecksilberdampflampe beleuchtet. Nach dem Durchgang des Lichts durch das Prisma beobachtet man mit dem Fernrohr voneinander getrennte farbige Bilder des Spalts, die bei hinreichend kleiner Spaltbreite als Spektrallinien bezeichnet werden und den verschiedenen Wellenlängen des vom Quecksilberdampf ausgestrahlten Lichts entsprechen. Zur Bestimmung des Minimums der Ablenkung dreht man den Spektrometertisch mit dem Prisma und verfolgt die zu messende Linie im Fernrohr. Bei einer bestimmten Stellung kehrt sich bei gleichbleibender Drehrichtung des Prismas die Bewegung der Linie um. In dieser MinimumStellung bringt man das Fadenkreuz mit der Spektrallinie zur Deckung und liest den Einstellwinkel ab. In dieser Weise ist bei jeder Linie zu verfahren. Anschließend dreht man das Prisma so, dass das einfallende Licht nach der anderen Seite abgelenkt wird und wiederholt das Verfah- 3.3 Brechungsindex von Gasen ren. Die Differenz der beiden Einstellwinkel ist dann gleich dem doppelten Ablenkwinkel für die betreffende Wellenlänge. Die zu den einzelnen Spektrallinien gehörenden Wellenlängen können dem Anhang A.18 entnommen werden. Damit kann die Kalibrierkurve į = į ( Ȝ) des Prismenspektrometers erstellt werden. Zur Ermittlung der Wellenlängen der Wasserstofflinien ersetzt man die Quecksilberdampflampe z. B. durch eine wasserstoffgefüllte Entladungsröhre und misst wieder die Ablenkwinkel. Die gesuchten Wellenlängen werden mittels der Kalibrierkurve bestimmt. Eine experimentelle Überprüfung des Zusammenhangs von Auflösungsvermögen und Bündelbreite a lässt sich mit Hilfe eng benachbarter Spektrallinien ausführen. Dazu bringt man vor dem Objektiv des Fernrohrs oder des Spaltrohrs eine Spaltblende an, deren Breite a veränderlich ist. Es ist diejenige Breite zu ermitteln, bei der die gewählten Linien gerade noch getrennt erscheinen, und Gl. (24b) zu überprüfen. Geeignete Linienpaare können der Tabelle A.18 im Anhang entnommen werden. 3.3 Brechungsindex von Gasen Aufgabenstellung 1. Es ist das Rayleigh-Löwe-Interferometer mit monochromatischem Licht zu kalibrieren. 2. Der Brechungsindex von Luft und Kohlendioxid ist als Funktion des Drucks zu messen. Für beide Gase ermittle man die Brechkraft bei Normbedingungen. Aus der Lorentz-Lorenz’schen Formel Gl. (3) ergibt sich für Gase bei nicht zu hohen Drücken (Brechungsindex n | 1) und bei konstanter molekularer Polarisierbarkeit, dass die Differenz (n 1) proportional zur Teilchenzahldichte N (Anzahl der Teilchen pro Volumen) ist: NA U (25) n 1 v N , N . M 277 In Gl. (25) sind NA die Avogadro-Konstante, U die Dichte und M die Molmasse des Gases. Für ideale Gase (W.2.0.1) und mit N v U folgt n 1 p T0 = . n0 1 p0 T (25a) Dabei bezeichnet der Index 0 die NormbeT0 1 'T T T0 , T 1 J 'T J 1 T0 ) ergibt sich für die Druckabhängigkeit des Brechungsindex dingungen. Mit n 1 = ( n0 1) p 1 , p 0 1 + J 'T (26) wobei Ȗ = 1/T0 der Ausdehnungskoeffizient des idealen Gases ist. Der Wert von n0 ist dann nur noch von der Stoffart und der Frequenz des Lichts abhängig. Üblicherweise arbeitet man nicht mit der sehr kleinen Größe n0 – 1, sondern mit der Brechkraft: E (n0 1) 106 . Wegen der sehr geringen Änderung des Brechungsindex von Gasen bei Veränderung des Drucks bestimmt man die Brechzahldifferenz 'n = n nV , wobei nV der Brechzahl eines Gases in der Vergleichsküvette bei konstantem Druck und bei konstanter Temperatur T entspricht. Es gilt 'n n0 1 p (nV 1) . (27) p0 (1 J 'T ) Mittels Gl. (27) kann der Wert für n0 des Testgases ermittelt werden. Da der Brechungsindex von Gasen nur sehr wenig von eins verschieden ist, erfolgt die Messung mit einem Interferometer, mit dem die Differenz der optischen Weglängen (n nV ) l von zwei kohärenten Strahlenbündeln, die zwei gleichlange Küvetten durchlaufen, gemessen wird. 278 Optik und Atomphysik 3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption bewegliche Kompensationsplatten Seitenansicht Spaltrohr Doppelspalt Draufsicht L1 Beobachtungsfernrohr feste Kompensationsplatten Messküvette Vergleichsküvette Abb. O.3.3.1 Schema eines Rayleigh-Löwe-Interferometers In diesem Versuch wird ein Rayleigh-LoeweInterferometer (Abb. O.3.3.1) verwendet. Bei diesem Interferometertyp werden die beiden Strahlenbündel durch zwei Spalte erzeugt. Bei ihrer Vereinigung durch die Linse L1 entsteht daher in der Brennebenen des Fernrohrs das Beugungsbild eines Doppelspalts (Spaltabstand g), das bei Verwendung von monochromatischem Licht aus äquidistanten hellen und dunklen Streifen besteht. mit dem Brechungsindex nv, erhalten die beiden Wellen zusätzlich eine Differenz der optischen Weglängen, die gleich (n nv) l ist, wenn l die Länge der Küvetten ist und die geringe Neigung der Strahlen vernachlässigt wird. Der helle Streifen k-ter Ordnung wandert dadurch an eine Stelle, die durch den Winkel Įk' bestimmt ist. Es gilt: g sin D kc (n nV ) º ª l» O «k O ¬ ¼ kλ l Messküvette n g nv Doppelspalt Vergleichsküvette Abb. O.3.3.2 Zur Herleitung der InterferometerGleichung (Gl. (29)) Nach Gl. (O.2.9) erhält man helle Streifen für alle Winkel Dk, die der Beziehung g sin Dk = k O genügen. Der helle Streifen kter Ordnung kommt durch Überlagerung zweier Wellen zustande, zwischen denen bei leeren Küvetten eine Wegdifferenz von k O besteht (Abb. O.3.3.2). Befindet sich in der Messküvette ein Gas mit dem Brechungsindex n und in der Vergleichsküvette ein Gas k O (n nV ) l ( k h) O . (28) Da eine Differenz der optischen Weglängen von Ȝ gerade einer Streifenbreite im Beugungsbild entspricht, entspricht das einer Verschiebung des ganzen Beugungsbilds um h Streifenbreiten, wobei gilt ( n nV ) l (29) . O Um diese Verschiebung messen zu können, lässt man einen Teil der beiden Strahlenbündel unterhalb der Küvetten in Luft verlaufen, so dass sie von Unterschieden im Brechungsindex unbeeinflusst bleiben und infolgedessen ein feststehendes Streifensystem erzeugen. Die Messung der Verschiebung des beweglichen gegenüber dem feststehenden Streifensystem erfolgt durch Kompensation: Im Strahlengang der Vergleichsküvette beh 3.3 Brechungsindex von Gasen findet sich eine durch eine Messtrommel drehbare Glasplatte (Kompensationsplatte), die eine kontinuierliche Veränderung der Plattendicke und damit der optischen Weglänge des Vergleichstrahls ermöglicht, wodurch die Verschiebung messbar kompensiert werden kann. Versuchsausführung Zur Kalibrierung bei Aufgabe 1 ist zunächst festzustellen, bei welcher Stellung der Kompensationsplatte die Wegdifferenz der beiden Strahlenbündel gleich null ist. Dabei bleiben die beiden Küvetten offen (Luft, gleicher Druck) und die Beleuchtung der Spalte erfolgt mit weißem Licht. Das Streifensystem besteht aus einer Überlagerung der Beugungsstreifen aller Farben. Da der Abstand der Streifen von der Wellenlänge abhängt, treten jetzt nur der helle Streifen nullter Ordnung und die beiden dunklen Streifen erster Ordnung deutlich hervor. Der helle Streifen nullter Ordnung hat zwei rote Säume, die dunklen Streifen 1. Ordnung haben innen (d. h. dem hellen Streifen nullter Ordnung zugewandt) blaue Säume. Dadurch ist eine eindeutige Festlegung des Nullpunkts möglich, indem man entsprechende Streifen vom feststehenden und beweglichen Streifensystem genau übereinander stellt und an der Messtrommel die zugehörige Lage der Kompensationsplatte abliest. Nun beleuchtet man mit monochromatischem Licht (Wellenlänge O) und erhält ein System von hellen und dunklen Streifen. Die Streifen von Mess- und Vergleichssystem stehen bei richtiger Nullpunktsfestlegung genau übereinander. Verschiebt man durch Drehen der Messtrommel die beiden Systeme genau um eine Streifenbreite, erzeugt die Kompensationsplatte eine Wegdifferenz von Ȝ für die Wellenlänge des zur Kalibrierung benutzten Lichts. Bei Verschiebung um zwei Streifenbreiten beträgt die Wegdifferenz zwei Wellenlängen usw. Es wird die Anzahl der Streifenverschiebungen h in Abhängigkeit von 279 den an der Messtrommel abgelesenen Werten x graphisch dargestellt und eine nichtlineare Regression z. B. mit einem Polynom zweiten Grads durchgeführt: h( x ) A0 A1 x A2 x 2 . Um den Brechungsindex bei Aufgabe 2 zu messen, ist es am günstigsten, die Vergleichsküvette zu evakuieren. Ist das nicht möglich, benutzt man z. B. eine mit einem Vergleichsgas gefüllte verschlossene Küvette. Temperaturänderungen und Schwankungen des äußeren Drucks haben dann wegen der konstanten Teilchenzahldichte N keinen Einfluss auf nv. Die Messküvette füllt man mit Luft, der Druck wird mit einem digitalen Manometer gemessen. Zur Bestimmung des Brechungsindex wird weißes Licht verwendet und man kompensiert die bei einem bestimmten Druck auftretende Verschiebung der Interferenzstreifen mit der Kompensationsplatte. Mit der Kalibrierfunktion h(x) kann die zugehörige Streifenverschiebung und mit Gl. (29) die Differenz des Brechungsindex bei bekannter Länge der Küvetten berechnet werden: ' n = n nv = h ( x) O . l (30) Für Ȝ ist die bei der Kalibrierung benutzte Wellenlänge einzusetzen. Zur Bestimmung von n0 trägt man ǻn als Funktion von p auf (nv braucht dazu nicht bekannt zu sein) und ermittelt durch lineare Regression die Parameter der Ausgleichsgeraden. Aus Gl. (27) folgt für die Steigung S dieser Geraden S= (n0 1) 1 , p0 1 + J 'T und man erhält n0 = 1 + S p0 (1 + J 'T ) . (31) Damit ergibt sich die Brechkraft unter Norm- 280 Optik und Atomphysik 3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption bedingungen. Die zur Ermittlung der Temperaturdifferenz 'T = T – T0 in Gl. (31) erforderliche Temperatur T wird mit einem Thermometer bestimmt. Anschließend werden die Messungen anlog zu der oben beschriebenen Versuchdurchführung für Kohlendioxid durchgeführt. Von Vorteil ist es, auch die Vergleichsküvette mit CO2 durchzuspülen und danach wieder zu verschließen, um annähernd den gleichen Messbereich an Streifenverschiebungen wie bei der Messung mit Luft nutzen zu können. 3.4 Spektralphotometrie Aufgabenstellung 1. Durch Messung des Reintransmissionsgrads von wässrigen Kupfersulfatlösungen verschiedener Konzentration bei konstanter Schichtdicke und durch Messung des Reintransmissionsgrads einer wässrigen Kupfersulfatlösung bestimmter Konzentration bei verschiedenen Schichtdicken soll die Gültigkeit des Lambert-Beer’schen Gesetzes mittels graphischer Darstellungen überprüft werden. 2. Der extingierende Querschnitt von Kupfersulfat ist zu ermitteln. 3. Man bestimme die Extinktion einer Farbstofflösung in Abhängigkeit von der Wellenlänge. Der Kurvenverlauf ist zu diskutieren. Der prinzipielle Aufbau eines Spektralphotometers ist in Abb. O.3.4.1 dargestellt. d Aus dem von der Lichtquelle ausgehenden Licht wird durch Filter bzw. einen Gitteroder Prismenmonochromator Licht einer bestimmten Wellenlänge ausgesondert und als Parallelbündel durch die mit der Messprobe gefüllte, von planparallelen Wänden begrenzte optische Glasküvette hindurchgeleitet. Die Messung der Intensität nach der Transmission erfolgt durch optoelektronische Sensoren. Von den drei Prozessen, die zur Intensitätsabnahme des Lichts beim Durchgang durch eine Stoffschicht führen (Reflexion an den Grenzflächen, Absorption und Streuung), kann der Anteil der Lichtstreuung bei Lösungen absorbierender Teilchen in einem nichtabsorbierenden Lösungsmittel, die im folgenden ausschließlich zum Einsatz kommen, vernachlässigt werden. Durch Vergleichsmessungen besteht die Möglichkeit, den Einfluss der Reflexionsverluste an den Grenzflächen und die Extinktion des Lösungsmittels weitgehend eliminieren. Um die Extinktion des gelösten Stoffs zu bestimmen, misst man zunächst die Extinktion des Systems mit Küvette, Lösungsmittel und gelöstem Stoff. Danach wird davon die Extinktion des Bezugssystems (Küvette und Lösungsmittel) abgezogen. Bei allen Messungen ist monochromatisches Licht zu verwenden. Da durch die gewählte Messmethode der Einfluss der Reflexion nicht mehr wirksam wird, kann man Gl. (6) in der Form I = I0 e K d (32) schreiben und Gl. (8) lautet dann: I = I 0 e -H c d . (33) Für den Exponenten in Gl. (33) wird die dimensionslose Größe E eingeführt: Lichtquelle Filter , Gitter- Küvette mit oder Prismen- Messprobe monochromator Detektor Abb. O.3.4.1 Schematischer Aufbau eines Spektralphotometers E Kd H cd . (33a) Beim letzten Gleichheitszeichen setzt man die Gültigkeit des Beer’schen Gesetzes voraus. Die Größe E wird auch als Extinktion im 3.4 Spektralphotometrie 281 engeren bezeichnet, so dass stets gilt: I = I0 e E . (34) Ebenso schreibt man für den Reintransmissionsgrad -= I = e E . I0 (35) Oft verwendet man zur Definition der Extinktionsgrößen aus praktischen Gründen anstelle der Exponentialfunktion Zehnerpotenzen. So schreibt man für Gl. (32) I = I 0 10 K c d bzw. - = 10 K c d , (36) für Gl. (33) I = I 0 10H c c d bzw. - = 10H c cd (37) und anstelle der Gln. (34) und (35) I = I 0 10 Ec bzw. - = 10 Ec . (38) Die Umrechnung zwischen den unterschiedlich definierten Größen ist leicht möglich: K = 2,303 K c , ½ ° H = 2,303 H c , ¾ ° E = 2,303 E c . ¿ (39) Versuchsausführung Für diesen Versuch wird ein Spektralphotometer verwendet, in dem die spektrale Zerlegung des Lichts einer Wolfram-Halogenlampe mittels eines Beugungsgitters realisiert wird. Das Licht kommt als paralleles Lichtbündel aus dem Kollimator und fällt auf das Beugungsgitter (Reflexionsgitter, O.2.3). Es wird mittels einer zweiten Linse auf den Austrittsspalt fokussiert, hinter dem sich die Küvette befindet. Nach dem Durchgang durch die Probe fällt das Licht auf einen Detektor, dessen Photostrom verstärkt und als Extinktionswert an der Anzeigeeinheit abgelesen werden kann. Alle Messungen werden als Vergleichsmessungen durchgeführt. Als Vergleichsnormal dient eine Küvette gleicher Schichtdicke, die mit dem Lösungsmittel, im vorliegenden Fall destilliertes Wasser, gefüllt ist. Misst man eine absorbierende Probe (bestehend aus Küvette, Lösungsmittel und gelöster absorbierender Substanz) und liest am Photometer einen bestimmten Wert E ab, ist dieser zu korrigieren, indem man den bei der Vergleichsmessung (Küvette und Lösungsmittel) gewonnenen Extinktionswert davon abzieht. Liest man den Reintransmissionswert der Messprobe direkt ab, ist dieser Wert entsprechend Gl. (35) durch den Reintransmissionsgrad des Vergleichsnormals zu teilen. Durch dieses Vorgehen erreicht man, dass Lichtverluste im Lösungsmittel oder durch Reflexion an den Grenzflächen in das Messresultat nicht mehr eingehen. Die Mess- und Vergleichsküvette müssen genau gleich sein. Sie sind vor den Messungen innen und außen sorgfältig zu reinigen. Man misst den Reintransmissionsgrad - bei konstanter Wellenlänge in Abhängigkeit von der Konzentration c der Kupfersulfatlösungen und der Schichtdicke d. Aus - berechnet man nach Gl. (35) jeweils die Extinktion E. Bei industriell gefertigten Spektralphotometern wird oft E ' nach Gl. (38) angezeigt. Zur Umrechnung benutzt man Gl. (39). Das Lambert-Beer’sche Gesetz überprüft man, indem man den Reintransmissionsgrad - in einfachlogarithmischer Darstellung als Funktion der Konzentration c bzw. der Schichtdicke d aufträgt. In beiden Fällen muss sich bei Gültigkeit des Lambert-Beer’schen Gesetzes eine Gerade ergeben. Aus dem Anstieg lässt sich die spezifische Extinktionskonstante İ berechnen. Ist das Beer’sche Gesetz erfüllt, ist die Extinktionskonstante eine lineare Funktion der Konzentration c. Man prüft dies, indem man die für die verschiedenen Konzentrationen berechneten Werte K = E/d über der Konzentration c aufträgt. Der Anstieg der 282 Optik und Atomphysik Geraden liefert direkt die spezifische Extinktionskonstante İ. Zur Bestimmung des extingierenden Querschnitts q verwendet man die Gln. (11) oder (12). Bei der Messung der Wellenlängenabhängigkeit der Extinktion E einer Farbstofflösung ist bei jeder Wellenlänge die Extinktion der Vergleichsprobe mit zu messen und die Korrektur in der oben beschriebenen Weise vorzunehmen. Die Messwerte sind graphisch darzustellen und bei der Diskussion ist zu beachten, dass die Probenfarben als Komplementärfarben erscheinen. 4 Polarisation 4.0 Grundlagen Licht lässt sich als transversale elektromagnetische Welle beschreiben. Magnetische und elektrische Feldstärke stehen senkrecht aufeinander, die Schwingungen der Feldvektoren erfolgen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung (Abb. O.2.0.1). Den Beweis dafür liefert die Polarisierbarkeit des Lichts. Im Folgenden wird linear polarisiertes Licht betrachtet, bei dem die Schwingungen des elektrischen Feldstärkevektors nur in einer bestimmten Ebene, der Schwingungsebene, erfolgen. Die dem magnetischen Feldvektor zuzuordnende Ebene wird als Polarisationsebene bezeichnet. Natürliches Licht ist unpolarisiert, die Schwingungsebene wechselt innerhalb sehr kurzer Zeiten völlig unregelmäßig. Um linear polarisiertes Licht zu gewinnen, kann man z. B. die Reflexion an durchsichtigen Flächen oder die Doppelbrechung nutzen. 4.0.1 Polarisation durch Reflexion Die Intensität I (r) eines an einem durchsichtigen Medium reflektierten parallelen Strahlenbündels ergibt sich bei Polarisation parallel zur Einfallsebene zu 4 Polarisation 2 I & r § n cos D cos E · e ¨ ¸ I& © n cos D cos E ¹ (1) und bei Polarisation senkrecht zur Einfallsebene zu 2 r IA § cosD n cosE · e ¨ ¸ IA , © cos D n cos E ¹ (2) wobei D der Einfallswinkel, E der Brechungswinkel, n der Brechungsindex des reflektierenden Mediums und I(e) die Intensität des einfallenden Strahlenbündels sind. Die Gln. (1) und (2) sind zwei der vier FresnelFormeln für den Fall des Übergangs eines Lichtstrahls von Luft in das brechende Medium und umgekehrt. R 1 R R 0 αp π 2 α Abb. O.4.0.1 Reflexionskoeffizient R als Funktion des Einfallswinkels D Ist n > 1, ergibt sich die in Abb. O.4.0.1 gezeigte Abhängigkeit des Reflexionskoeffizienten R = I (r)/I (e) vom Einfallswinkel D. Bei einem bestimmten Einfallswinkel Dp verschwindet die Intensität des reflektierten Strahls, wenn dieser parallel zur Einfallsebene polarisiert ist. Lässt man daher unpolarisiertes Licht unter dem Winkel Dp einfallen, werden nur die senkrecht zur Einfallsebene polarisierten Anteile reflektiert, das reflektierte Licht ist daher linear polarisiert. Der 4.0 Grundlagen 283 Winkel Dp wird Polarisationswinkel genannt. Aus Gl. (1) folgt, indem man I(r) = 0 setzt und das Brechungsgesetz berücksichtigt, D p Ep 90 q . (3a) Reflektierter und gebrochener Strahl stehen also in diesem Fall senkrecht aufeinander (Brewster’sches Gesetz, Abb. O.4.0.2). Setzt man Gl. (3a) in das Brechungsgesetz (Gl. (O.3-1)) ein, ergibt sich tan D p n . (3b) Bei der Diskussion des Schwingungszustands, der Polarisierbarkeit und der Phasensprünge an Grenzflächen ist es von Bedeutung, ob die Betrachtung aus der Sicht eines außen stehenden Beobachters geführt wird oder etwa vom Standpunkt des auf dem Lichtstrahl mitbewegten Beobachters, der in einem anderen Bezugssystem sitzt. Dies soll hier aber nicht weiter vertieft werden. optisch dünnes Medium αp αp βp 90° optischen Achse oder senkrecht dazu verläuft) in zwei Strahlen verschiedener Richtung aufgespaltet. Der eine der Strahlen verhält sich nach dem Snellius’schen Brechungsgesetz und wird als ordentlicher Strahl bezeichnet; der andere gehorcht diesem Gesetz nicht und heißt außerordentlicher Strahl. Für den außerordentlichen Strahl hängt der Brechungsindex von der Ausbreitungsrichtung ab. Beide Strahlen sind senkrecht zueinander linear polarisiert; da im einfallenden natürlichen Licht beide Polarisationsrichtungen mit gleicher Stärke enthalten sind, haben beide Strahlen die gleiche Intensität. Will man mittels Doppelbrechung linear polarisiertes Licht erzeugen, muss man einen der beiden Strahlen ausblenden. Dies geschieht beim Glan-Thompson-Prisma in folgender Weise: Aus einem doppelbrechenden Kalkspatkristall werden zwei Prismen mit ihren brechenden Kanten parallel zur optischen Achse herausgeschnitten und mit Kanadabalsam gekittet (Abb. O.4.0.3). Für den ordentlichen Strahl (Index o) ist der Brechungsindex des Kalkspats (no = 1,66) größer als der des Kanadabalsams (n = 1,54), er wird daher an der Kittfläche totalreflektiert und an der geschwärzten Fassung des Prismas absorbiert. Für den außerordentlichen Strahl (Index ao) ist dagegen der Brechungsindex des Kalkspats in der betreffenden Richtung (nao = 1,49) kleiner als der des Kanadabalsams, er tritt daher als linear polarisierter Strahl aus dem Prisma aus. otisch dichtes Medium ao o Abb. O.4.0.2 Brewster’sches Gesetz 4.0.2 Polarisation durch Doppelbrechung Trifft ein Lichtstrahl auf einen optisch einachsigen Kristall, z. B. Kalkspat, wird er im Allgemeinen (wenn er nicht in Richtung der Abb. O.4.0.3 Glan-Thompson-Prisma Auf dem gleichen Prinzip beruht die polarisierende Wirkung des nach Nicol bezeichneten Prismas, bei dem jedoch die Eintrittsfläche schräg zur Längsrichtung steht und das 284 Optik und Atomphysik 4 Polarisation nur einen kleineren Gesichtsfeldwinkel (beim Glan-Thompson-Prisma 42 q) auszunutzen gestattet. Anstelle von Polarisationsprismen lassen sich auch dichroitische Kristalle zur Herstellung polarisierten Lichts benutzen, z. B. Turmalin. Bei diesen Kristallen wird der eine der beiden Strahlen stark absorbiert. Bei den häufig benutzten Polarisationsfiltern sind derartige Kristalle geordnet in geeignete Folien eingelagert. 4.0.3 Drehung der Polarisationsebene Beim Durchgang von linear polarisiertem Licht durch optisch aktive Substanzen wird die Schwingungsebene gedreht. Optisch aktive Substanzen treten stets in zwei Formen auf, die gleich stark, aber in entgegengesetzten Richtungen drehen. Liegen diese Substanzen als Kristalle vor, unterscheiden sich die rechts- und linksdrehenden auch in ihrer äußeren Form, sie verhalten sich wie Bild und Spiegelbild (Enantiomorphie). CH3 HO H3C H COOH H OH HOOC Abb. O.4.0.4 Stereoisomerie der Milchsäure (CH3 CHOH COOH, das asymmetrische Kohlenstoffatom hat man sich in der Mitte des gezeichneten Tetraeders zu denken) Die Drehung ist durch den Aufbau der Substanz bedingt und geht bei Stoffen, die auch in Lösung optisch aktiv sind, auf eine asymmetrische Molekülstruktur zurück, die meist durch ein asymmetrisches Kohlenstoffatom (C-Atom mit vier verschiedenen Substituenten) bedingt ist. Abb. O.4.0.4 zeigt für die einfachste optisch aktive Substanz, die Milchsäure, schematisch die beiden möglichen Molekülformen. Die optische Aktivität von Kristallen ist nicht notwendig durch asymmetrische Moleküle bedingt, sie kann auch durch eine schraubenförmige Anordnung der Gitterbausteine hervorgerufen werden (z. B. beim Quarz oder bei der DNADoppelhelix). Blickt man der Ausbreitungsrichtung des Lichts entgegen, heißt eine Substanz rechtsdrehend, wenn sie die Schwingungsebene im Uhrzeigersinn dreht, andernfalls linksdrehend. Bei festen Stoffen muss man zur Messung des Drehwinkels eine planparallele Platte der Dicke d aus dem zu untersuchenden Material herausschneiden. Der Drehwinkel M ist dann proportional zu d: MO >M @O d . (4) Die Materialkonstante [M]O (meist in Grad pro mm angegeben) nennt man spezifische Drehung oder Rotation. Sie hängt von der Schnittlage und von der Wellenlänge des Lichts ab (Rotationsdispersion) und nimmt im Allgemeinen mit zunehmender Wellenlänge ab. Bei Lösungen hängt der Drehwinkel außer von den durchstrahlten Schichtdicken auch noch von der Konzentration c ab. Für verdünnte Lösungen gilt M >M @O c d T , (5) und die spezifische Drehung hängt nicht nur von der Wellenlänge sondern auch noch von der Temperatur ab. Manche Stoffe werden erst optisch aktiv, wenn man sie in ein Magnetfeld bringt, dessen Richtung parallel oder antiparallel zur Ausbreitungsrichtung des Lichts liegt. Diese Erscheinung bezeichnet man als Faraday-Effekt. Die Drehung der Polarisationsebene ist bei nicht zu starken Magnetfeldern auch hier proportional zur Schichtdicke d und hängt linear von der magnetischen Flussdichte B ab. Es gilt daher M KV d B . (6) Den Proportionalitätsfaktor KV bezeichnet 4.1 Polarisationswinkel und Reflexionsvermögen 285 man als Verdet-Konstante, deren Wert sowohl vom Stoff als auch von der Wellenlänge bestimmt wird und bei Flüssigkeiten auch noch von der Temperatur abhängen kann. Eine positive Verdet-Konstante bewirkt eine Drehung der Schwingungsrichtung im mathematisch negativen Sinn, sofern das Magnetfeld parallel zur Ausbreitungsrichtung des Lichts ist bzw. umgekehrt, d. h., dass sich bei Umpolung des Magnetfelds der Drehwinkel gegenüber dem Schwingungszustand vor der Umpolung verdoppelt. der Polarisator so lange gedreht, bis die minimale Helligkeit des Spaltbilds erreicht ist. Nun wird der Einfallswinkel verändert, ohne dass das Spaltbild aus dem Gesichtsfeld verschwindet. Hat man auf diese Weise den Polarisationswinkel erreicht, tritt völlige Verdunklung des Spaltbilds ein (ggf. den Polarisator noch geringfügig nachdrehen) und die Durchlassrichtung des Polarisationsfilters liegt in der Einfallsebene, steht also senkrecht zur Drehachse des Spektrometers. Zur Messung des Refelexionsvermögens ersetzt man das Okular des Fernrohrs durch den Strahlungsempfänger und misst bei verschiedenen Einfallswinkeln die Intensität des reflektierten Strahls bei parallel und bei senkrecht zur Einfallsebene polarisiertem Licht. Dabei ist sorgfältig darauf zu achten, dass das gesamte aus dem Spaltrohr austretende Licht an der Glasplatte reflektiert wird und ins Fernrohr fällt. Falls erforderlich, muss der Durchmesser des Lichtbündels durch geeignete Blenden begrenzt werden. Ferner ist zu beachten, dass die Messung nicht durch Streulicht verfälscht wird. Schließlich entfernt man die Glasplatte und misst die Intensität des einfallenden Lichts, indem man das Fernrohr in die Richtung des Spaltrohrs dreht. Die gefundene Abhängigkeit des Reflexionsvermögens vom Einfallswinkel ist graphisch darzustellen und mit den über die Gln. (1) und (2) berechneten Werten zu vergleichen. Für die Berechnung ist der aus dem Polarisationswinkel nach Gl. (3b) ermittelte Wert des Brechungsindex zugrunde zu legen. 4.1 Polarisationswinkel und Reflexionsvermögen Aufgabenstellung 1. Der Polarisationswinkel von Glas ist zu bestimmen. 2. Das Reflexionsvermögen als Funktion des Einfallswinkels ist zu messen. Unter Benutzung eines Spektrometers lässt sich die in Abb. O.4.0.1 gezeichnete Abhängigkeit des Reflexionskoeffizienten R vom Einfallswinkel Į überprüfen. Man verwendet dazu ein Messgerät mit einem optoelektronischen Sensor, dessen Ausgangssignal proportional zur Lichtintensität ist. Versuchsausführung Für die Messung benutzt man eine Platte aus geschwärztem Glas, um störende Reflexionen von der Rückseite zu vermeiden. Diese Platte wird so auf den Tisch eines Spektrometers gestellt, dass die Normale der reflektierenden Fläche senkrecht zur Drehachse steht (O.2.3). Zur Messung des Polarisationswinkels bringt man vor dem Spaltrohr ein Polarisationsfilter an. Ist dessen Durchlassrichtung nicht bekannt, ermittelt man sie zusammen mit dem Polarisationswinkel in folgender Weise: Zunächst wird bei beliebigem Einfallswinkel das Bild des Spalts nach Reflexion des Lichts an der Glasplatte im Fernrohr beobachtet und 4.2 Drehung der Schwingungsebene linear polarisierten Lichts Aufgabenstellung 1. Die Konzentrationsabhängigkeit einer Zuckerlösung ist zu untersuchen und das spezifische Drehvermögen zu ermitteln. Die Konzentration von weiteren Lösungen derselben Zuckerart ist zu bestimmen. 286 Optik und Atomphysik 4 Polarisation 2. Die Wellenlängenabhängigkeit der spezifischen Drehung eines Quarzplättchen und einer optisch aktiven Flüssigkeit ist zu messen und graphisch auszuwerten. 3. Es ist die Verdet-Konstante für Wasser und eine organische Flüssigkeit zu bestimmen. Die Drehung der Schwingungsebene linear polarisierten Lichts wird mit dem Polarimeter (Abb. O.4.2.1) gemessen. Hauptbestandteile dieses Geräts sind zwei Polarisationsprismen oder -filter. Das erste Prisma, der Polarisator (P), erzeugt linear polarisiertes Licht; mit Hilfe des zweiten Prismas, des Analysators (A), lässt sich die Lage der Schwingungsebene feststellen. Stehen die Durchlassrichtungen von Polarisator und Analysator parallel, ist das Gesichtsfeld des Fernrohrs (F) hell; stehen sie senkrecht aufeinander (gekreuzt), ist es dunkel. Bringt man zwischen die gekreuzten Polarisationsprismen eine Küvette (K) mit einer optisch aktiven Substanz, wird das Gesichtsfeld aufgehellt, da die Schwingungsebene des Lichts gedreht wurde. Der Drehwinkel M lässt sich messen, indem man den Analysator so lange dreht, bis wieder Dunkelheit herrscht. Dies ist dann der Fall, wenn der Analysator entweder um M oder um 180q- M gedreht wird, je nachdem, ob eine rechts- oder linksdrehende Probe vorliegt. Um zwischen diesen beiden Fällen zu unterscheiden, muss der Drehsinn der betreffenden Substanz ermittelt werden. Verwendet man weißes Licht, werden infolge der Rotationsdispersion bei rechtsdrehenden bzw. im mathematisch negativen Sinne drehenden Stoffen die Farbanteile in der Reihenfolge rot - gelb - grün - blau nach rechts gedreht, rot also am schwächsten und blau am stärksten. Beim Rechtsdrehen des Analysators werden die Farben in der oben genannten Reihenfolge ausgelöscht, man beobachtet die Komplementärfarben. Findet man daher beim Rechtsdrehen die Farbfolge grün - blau - rot gelb, ist der Stoff rechtsdrehend. Entsteht diese Farbfolge beim Linksdrehen, ist der Stoff linksdrehend. Da die Einstellung auf völlige Dunkelheit schwierig ist, benutzt man für genauere Messungen ein Halbschatten-Polarimeter. Bei diesem wird durch ein Zusatzprisma (N) oder auch eine Laurent-Platte (O/2-Quarzplatte) das Gesichtsfeld in zwei Hälften geteilt. Bei parallelen Polarisationsprismen bewirkt das Zusatzprisma eine Verdunklung der einen Hälfte des Gesichtsfelds, wenn seine Durchlassrichtung schräg zu der des Polarisators steht. Dreht man nun den Analysator, dass der helle Teil des Gesichtsfelds dunkler wird, wird die vorher verdunkelte Hälfte aufgehellt. Dadurch kann man erreichen, dass bei einer Stellung des Analysators beide Teile gleich hell erscheinen. Bei einer Drehung um 360 q erscheinen die beiden Gesichtsfeldhälften in zwei Stellungen gleich hell und in zwei anderen gleich dunkel (vgl. Gesetz von Malus, O.4.3). Die dunkle Halbschattenstellung ist für das Auge die empfindlichere Ablesung (Weber-Fechner-Gesetz), sie wird als Ausgangsstellung für die Messung des Drehwinkels benutzt. N P K A F Abb. O.4.2.1 Aufbau eines Polarimeters mit Halbschatteneinrichtung (schematisch) 4.3 Polarisationsgrad und Viertelwellenlängenplatte Versuchsausführung Das spezifische Drehvermögen wird bei Aufgabe 1 nach Gl. (5) mit einer Lösung bekannter Konzentration unter Verwendung von monochromatischem Licht ermittelt. Ist [M] bekannt, kann man über die Messung des Drehwinkels die Konzentrationsbestimmung in Zuckerlösungen verschiedener Konzentration bestehend aus der gleichen Zuckerart durchführen. Da der Drehwinkel mit wachsender Konzentration zunimmt, ergibt sich auch der Drehsinn der Lösung. Die Schichtdicke d ist bekannt. Um die Abhängigkeit der spezifischen Drehung von der Wellenlänge zu messen, wird bei Aufgabe 2 mit Hilfe von Filtern monochromatisches Licht unterschiedlicher Wellenlänge gewonnen. Für jede Wellenlänge wird der zugehörige Drehwinkel gemessen. Die Dicke des Quarzplättchens wird am Arbeitsplatz gegeben. Um den optischen Drehsinn festzustellen, verwendet man zweckmäßigerweise weißes Licht. Die spezifische Drehung wird als Funktion der Wellenlänge in einem zweifach-logarithmischen Diagramm graphisch dargestellt und der Anstieg der Ausgleichsgeraden ist zu bestimmen. In gleicher Weise wird die Messung mit einer optisch aktiven Flüssigkeit realisiert und ausgewertet. Zur Messung der VerdetKonstante bei Aufgabe 3 werden die mit den Testflüssigkeiten gefüllten Messküvetten in eine Zylinderspule geschoben, in der ein ausreichend starkes Magnetfeld erzeugt werden kann. Die Spule muss ggf. gekühlt werden. Monochromatisches und linear polarisiertes Licht erhält man nach Filterung (Interferenz- und Polarisationsfilter), paralleles Licht mit Hilfe einer Kollimatorlinse. Gemessen wird der Drehwinkel M in Abhängigkeit von der magnetischen Flussdichte B. Zur Verbesserung der Messgenauigkeit polt man den Spulenstrom um, misst also bei wechselnden Richtungen der magnetischen Feldstärke und erhält dadurch den doppelten 287 Drehwinkel. Die magnetische Flussdichte innerhalb der Magnetspule wird mit einem Teslameter gemessen. Um thermische Schäden in der Spule zu vermeiden, sind die am Arbeitsplatz angegeben maximalen Stromstärken zu beachten. Ein Thermoelement im Inneren der Spule kontrolliert die Temperatur in der Umgebung der Messküvette. Die Abhängigkeit M (B) ist graphisch darzustellen und der Anstieg der Ausgleichsgeraden zu bestimmen. Damit berechnet man mit Gl. (6) bei bekannter Schichtdicke d den Wert für die Verdet-Konstante. 4.3 Polarisationsgrad und Viertelwellenlängenplatte Aufgabenstellung 1. Für verschiedene Lichtquellen (Diodenlaser, Glühlampe, Atomspektrallampe) ist der Polarisationsgrad zu bestimmen. Für die Auswertung ist das Gesetz von Malus zu verwenden. 2. Mit Hilfe von Reflexions- und Transmissionsmessungen ist abzuschätzen, ob Korrekturen bei der Ermittlung des Polarisationsgrads der Lichtquellen notwendig sind, die auf die optischen Eigenschaften des Analysators zurückzuführen sind. 3. Es ist der Einfluss einer O/4-Platte auf linear polarisiertes Licht zu untersuchen. Im Versuch durchläuft das von verschiedenen Quellen (L) emittierte Licht eine Kollimatorlinse (K), eine Blende (B) sowie ggf. einen Farbfilter zur Erzeugung von monochromatischem Licht und trifft danach auf einen Linearpolarisator (Analysator A), der in einer Drehvorrichtung mit Winkelskala befestigt ist (Abb. O.4.3.1). Der Analysator lässt das Licht nur in einer bestimmten Schwingungsebene durch, d. h., der E-Vektor des Lichts schwingt nach dem Durchgang durch den Polarisator in einer Schwingungsebene. 288 Optik und Atomphysik K B 4 Polarisation A D L Abb. O.4.3.1 Schema der Versuchsanordnung zur Messung des Polarisationsgrads von Lichtquellen (L), Kollimatorlinse (K), Lochblende (B), Analysator (A), Detektor (D) Die Intensität wird mit einem optoelektronischen Detektor D gemessen. Fällt eine linear polarisierte elektromagnetische Welle der Amplitude E0 auf den Analysator und ist dieser um einen Winkel D gegenüber der Schwingungsrichtung des Lichts verdreht, wird vom elektrischen Feldvektor nun nur die Projektion E0 cos D vom Analysator durchgelassen, d. h., das Licht schwingt parallel zur Durchlassrichtung des Analysators. α E E=E0 cos α E0 Abb. O.4.3.2 Zum Gesetz von Malus (Durchlassrichtung des Analysators A rot gepunktet) Da die Intensität I proportional zum Quadrat der Amplitude der Schwingung ist, beträgt die vom Analysator durchgelassene Intensität bei einem Winkel D zwischen der Durchlassrichtung des Analysators und der Schwingungsebene des linear polarisierten Lichts I 0 cos 2 (D D 0 ) . Ip (7) Gl. (7) wird auch als das Gesetz von Malus 1 ʌ ʌ 2 ³I 0 cos 2 (M ) dM . (8) ʌ 2 Daraus folgt Ip = Ie /2 als Intensität hinter dem Analysator (Ie Intensität des einfallenden Lichts). Oft ist es nützlich, den Polarisationsgrad von teilweise polarisiertem Licht zu kennen, der als Verhältnis der Intensität des polarisierten Lichts zur Summe der Intensitäten aus unpolarisiertem und polarisiertem Licht definiert ist. Sind Ip,min und Ip,max die kleinste bzw. größte Intensität, die in Abhängigkeit vom Drehwinkel D gemessen wird (Abb. O.4.3.3), kann der Polarisationsgrad P bestimmt werden: P A I (D ) bezeichnet (Abb. O.4.3.2). Dabei sind I0 die vom Analysator durchgelassene maximale Intensität und D0 ein Korrekturwinkel, sofern die mit dem Analysator verbundene Winkelskala eine Korrektur in Bezug auf das Maximum der Intensität erfordert (I (D0 ) = I0). Licht braucht jedoch nicht vollständig polarisiert zu sein. Unter der Annahme, dass im natürlichen Licht alle Schwingungsebenen statistisch verteilt sind, folgt nach Gl. (7) und der Integration über alle Schwingungsebenen die Gleichung I p,max I p,min I p, max I p, min . (9) Reale Polarisatoren werden infolge von Absorptions- und Streueffekten sowie Reflexionen an den Grenzflächen die Amplitude von natürlichem Licht um mehr als die Hälfte abschwächen. Diese Einflüsse können u. a. durch Messung des Reflexionsgrads der Oberfläche sowie des Transmissionsgrads für natürliches und linear polarisiertes Licht abgeschätzt und bei der Berechnung des Polarisationsgrads berücksichtigt werden. Der Anteil des reflektierten Lichts kann bei den im Versuch verwendeten Linearpolarisatoren vernachlässigt werden. 4.3 Polarisationsgrad und Viertelwellenlängenplatte 289 I Ip,max E E α E Ip,min 0 α Abb. O.4.3.3 Intensität I in Abhängigkeit vom Winkel D zwischen Linearpolarisator und der Schwingungsebene von nicht vollständig linear polarisiertem Licht (schematisch) Eine Viertelwellenlängenplatte (Ȝ/4-Platte) ist ein spezielles optisches Gerät, das Licht in einer Richtung um ein Viertel der Wellenlänge (oder –ʌ/2 bzw. ʌ/2) gegen die dazu senkrechte Richtung verzögert. Damit kann aus linear polarisiertem Licht zirkular oder elliptisch polarisiertes Licht und aus zirkular polarisiertem Licht wieder linear polarisiertes Licht erzeugt werden. Bei einer optischen Wellenplatte (-folie) handelt es sich um eine dünne Schicht eines optisch an-isotropem Materials, also ein Material, das für unterschiedlich polarisiertes Licht verschiedene Ausbreitungsgeschwindigkeiten (bzw. verschiedene Brechzahlen) in verschiedenen Richtungen aufweist. Beim Eintritt von polarisiertem Licht in einen einachsig optischen Kristall findet eine Zerlegung der elektrischen Feldkomponenten in einen Feldvektor parallel und einen Feldvektor senkrecht zur optischen Achse statt (Abb. O.4.3.4). Die den Feldkomponenten entsprechenden Geschwindigkeiten v& und vA stehen in Beziehung zu dem außerordentlichen (extraordinären, Index e) bzw. zu dem ordentlichen Strahl (Index o) sowie deren Brechzahlen (Hauptbrechungsindizes): ne c0 , no v& c0 . vA (10) Abb. O.4.3.4 Zerlegung linear polarisierten Lichts in zwei senkrecht zueinander schwingende Anteile E& E cos D , E A E sin D Dabei ist c0 die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. Die Differenz zwischen den Brechzahlen ne und no ( 'n ne no ) ist ein Maß für die Doppelbrechung und bestimmt deren optischen Charakter, d. h., ob der Kristall optisch negativ oder positiv einachsig ist. Bei optisch positiv einachsigen Kristallen, beispielsweise Quarz (kristallines Siliziumdioxid, 'n ! 0 ), ist vA > v& , d. h., die ordentliche Welle bewegt sich schneller als die außerordentliche Welle. Im Beispiel des Kalkspats als Vertreter eines optisch negativ einachsigen Kristalls ist v& größer als vA . Nach dem Durchlaufen der Kristallplatte entsteht eine Phasenverschiebung von 'M 2ʌ O d (ne no ) (11) zwischen den beiden Komponenten der Welle. Dabei ist d die geometrische Dicke des Plättchens und Ȝ die Wellenlänge des eingestrahlten Lichts. Die beiden Strahlen (Wellenanteile) überlagern sich hinter dem Kristall im austretenden Licht. Dadurch entsteht eine neue Polarisation des Lichts (Frequenz und Wellenlänge bleiben erhalten). Eine derartige Wellenplatte ist also immer nur für eine bestimmte Wellenlänge angefertigt, wobei die Größe der Phasenverschiebung 'M 290 Optik und Atomphysik 4 Polarisation durch die Dicke d der Platte bestimmt wird. Je nach den Amplituden von ordentlichem und außerordentlichem Strahl erhält man linear polarisiertes (ein Strahl hat die Amplitude null), elliptisch oder zirkular polarisiertes Licht (beide Strahlen haben die gleiche Amplitude). Das Verhältnis der Amplituden der beiden Strahlen kann durch verschiedene Winkeleinstellungen der optischen Achse der O/4-Platte zum auftreffenden linear polarisierten Licht verändert werden. Statt einer O/4-Platte wird im Versuch eine O/4-Folie verwendet. Diese Verzögerungsfolien sind farblose Klarfolien, in die entweder dichroidische Moleküle eingebettet sind oder die aus speziell präparierten Polymerfolien bestehen. Dadurch kommt es zur Entstehung von zwei sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausbreitende Wellen, die senkrecht zueinander linear polarisiert sind. Die Phasendifferenz zwischen den beiden Wellenanteilen hängt von der Dicke der Folie ab. Viertelwellenlängen-Folien können in der Regel im Wellenlängenbereich von 480 nm bis 640 nm verwendet werden. Zum Nachweis der Polarisationsrichtung nach dem Durchgang des linear polarisierten Lichts durch die O/4-Folie dient wie im Falle der Messungen zur Bestimmung des Polarisationsgrads ein Linearanalysator, dessen Durchlassrichtung gegen die ursprüngliche Schwingungsrichtung um den Winkel D drehbar ist. Für die Intensität I = I (D) hinter dem Analysator ergibt sich mit dem Parameter T (Winkel zwischen E-Vektor des linear polarisierten Lichts und der optischen Achse der O/4-Folie) die Beziehung I (D ) E02 [cos 2T cos 2 (D T ) 2 sin 2T sin 2 (D T )] . (12) Gl. (12) kann durch Vektorzerlegung begründet werden. Durch weitere Umformungen erhält man die Gleichung I (D ) I0 [1 cos 2T cos 2(T D )] . (13) 2 Versuchsausführung In Aufgabe 1 ist für verschiedene Lichtquellen die Abhängigkeit der von einem Analysator durchgelassenen Intensität vom Drehwinkel D zu bestimmen. Dazu wird mit einem optoelektronischen Detektor (Photodiode, optisches Leistungsmessgerät) die Intensität I in Abhängigkeit vom Winkel D in Abständen von etwa 10° über einen Winkelbereich von 180° gemessen und graphisch dargestellt. Mit Hilfe des Gesetzes von Malus nach Gl. (7) ist mittels nichtlinearer Regression eine rechnerische Anpassung an den Kurvenverlauf vorzunehmen. Die Ergebnisse der Anpassung sind mit den entsprechenden experimentellen Werten unter Berücksichtigung der Standardabweichungen zu vergleichen. Bei Aufgabe 2 erfolgt die Bestimmung des Transmissionsgrads des Analysators mit natürlichem und teilweise linear polarisiertem sowie monochromatischem Licht. Mit Hilfe eines dem Analysator analogen Polarisators wird das Licht zunächst so linear polarisiert, dass maximale Intensität hinter dem Polarisator gemessen wird. Danach stellt man den Analysator zwischen den Polarisator und den Detektor, wobei die Polarisator- und die Analysatorrichtungen parallel zueinander sind. Aus der Differenz der Intensitäten kann der Anteil der durch den Analysator absorbierten Intensität bestimmt werden. Mit Hilfe des Gesetzes von Malus und unter Berücksichtigung der Absorption sowie der Abschwächung des nicht polarisierten Anteils ist für jede Lichtquelle der korrigierte Polarisationsgrad Pkorr zu ermitteln: Pkorr I max, korr I min, korr I max, korr I min, korr . (14) Dabei entsprechen Imax,korr und Imin,korr den 5.0 Grundlagen 291 korrigierten Werten der maximalen bzw. minimalen Intensität. In Aufgabe 3 stellt man zwischen die Blende und den Analysator (Abb. O.4.3.1) einen Linearpolarisator zur Erzeugung linear polarisierten Lichts und dahinter stellt man die O/4-Folie auf, deren Durchlassrichtung markiert ist. Eine Halterung verfügt über eine Winkelskala und ermöglicht die Drehung der Platte zur Einstellung des Winkels T . 5 Ionisierende Strahlung 90 1 I (α) / I0 5.0 Grundlagen (1) (2) (3) 0 180 0 α 1 neten Graphen dargestellt werden. Die im Polardiagramm dargestellten Graphen sowie Abweichungen zwischen den experimentellen und den berechneten Werten sind zu diskutieren (z. B. im Hinblick auf die exakte Erzeugung linear polarisierten Lichts und die korrekte Winkeleinstellung der Viertelwellenlängenplatte). 270 Abb. O.4.3.5 Polardiagrammdarstellung der mit Gl. (13) berechneten, normierten Lichtintensitäten hinter dem Analysator in Abhängigkeit des Winkels D bei drei verschiedenen Winkeleinstellungen der O/4-Platte (1: T = 0, 2: T = 45°, 3: T = 30°) Die Intensität des den Analysator passierenden Lichts soll in Abhängigkeit von der Analysatorstellung (Winkel D) bei drei verschiedenen Einstellungen für den Winkel T (T = 0, 30° und 45°, T Winkel zwischen der Polarisationsrichtung des Linearpolarisators und der Durchlassrichtung der O/4-Folie) mit einem optoelektronischen Detektor gemessen werden. Dazu dreht man den Analysator von D = 0 über D = 180° bis D = 360° im mathematisch positiven Sinn und ermittelt alle 10° die Intensität. Die normierten Intensitäten I/I0 sollen in zwei verschiedenen Diagrammen graphisch dargestellt werden, in kartesischen Koordinaten in Analogie zu Abb. O.4.3.3 und in Polarkoordinaten (Abb. O.4.3.5). In letzteres sollen auch die mit Gl. (13) berech- Ionisierende Strahlung tritt in geringer Dosis als natürliche Strahlenbelastung auf. Diese besteht unter anderem aus der kosmischen Strahlung, die auf der Erdoberfläche trotz atmosphärischer Schichten noch vorhanden ist, und der Strahlung radioaktiver Stoffe, die natürlich in der Erdkruste und Atmosphäre vorkommen. Dazu zählen z. B. die radioaktiven Isotope der lebenswichtigen Elemente Kohlenstoff und Kalium. Die kosmische Strahlung besteht hauptsächlich aus schnellen geladenen Teilchen, die Sekundärstrahlung durch Wechselwirkung mit der Atmosphäre gelangt bis zur Erdoberfläche und ist verantwortlich z. B. für die Strahlungsbelastung beim Flugverkehr. Die Strahlung der Sonne enthält einen hohen Anteil an Ultraviolett. UV-B wird fast vollständig absorbiert und führt u. a. zu Sonnenbrand, UV-C wird vollständig in der Atmosphäre absorbiert und führt durch Auftrennen des molekularen Sauerstoffs zur Ozonschicht. Teilchenstrahlung führt zu Polarlichtern. Radiometrie umfasst ursprünglich den Nachweis und die Analyse der primären Korpuskular- und Quantenstrahlung bei der Atomkernumwandlung sowie die mit der Röntgendosimetrie verbundenen messtechnischen Aufgaben. Eine durch Protonen- (Z) und Neutronen- (N) bzw. Massenzahl (A), (A = Z + N) gekennzeichnete Atomart heißt Nuklid (siehe Anhang A.5). Es gibt natürli- 292 Optik und Atomphysik 5 Ionisierende Strahlung che und künstliche Radionuklide und man unterscheidet heute noch drei natürliche Zerfallsreihen, in die sich etwa 30 bis 40 Nuklide einordnen lassen (A.5-Abb. A.5.1). Am Ende dieser radioaktiven Zerfallsreihen stehen jeweils stabile Bleiisotope. Beispielsweise koexistieren in einem Stück Uranerz alle Mitglieder der zwei Reihen 238Uran und 235 Uran. Die Zahl der Uranatome nimmt dabei ständig ab und die Zahl der Bleiatome ständig zu. Für alle Zwischenglieder der Reihe hat sich im Laufe der Zeit ein (so genanntes radioaktives) Gleichgewicht herausgebildet, bei dem pro Zeiteinheit genau soviel Atome eines solchen Nuklids zerfallen, wie von der Muttersubstanz durch Zerfall nachgeliefert werden. Arten und Energie der Strahlung eines radioaktiven Stoffes können aus dem Zerfallsschema des betreffenden Nuklids abgeleitet werden. Bildet das Nuklid beim Zerfall radioaktive Tochtersubstanzen, müssen auch deren Strahlungen berücksichtigt werden. Dieser Fall ist immer dann gegeben, wenn die Halbwertszeiten der Folgeprodukte mit dem Alter des Präparates vergleichbar sind. Bestimmungen oder sind so abgeschirmt und nicht direkt zugänglich, dass sie keine Gefahr darstellen, wenn die Arbeitsvorschriften konsequent eingehalten werden. Man unterscheidet zwischen Partikel- und Quantenstrahlung. 5.0.1 Wechselwirkung von Strahlung und Stoff Quantenstrahlung: Die J-Strahlung ist eine elektromagnetische Welle, die nur in Verbindung mit einem Doder E-Prozess auftritt. Sie besitzt als Folge angeregter Kernniveaus eine diskrete, vom jeweiligen Radionuklid abhängende Energieverteilung im Bereich von etwa 0,1 MeV bis 3 MeV und durchdringt unter Umständen noch einige Dezimeter dicke Stoffe. Die Intensität elektromagnetischer Strahlung nimmt quadratisch mit der Entfernung von der Strahlungsquelle ab. Theoretisch ist ihre Reichweite deshalb unendlich groß; praktisch kann man sich mittels ausreichend dicker Blei- oder Eisenabschirmung schützen. Röntgenstrahlung ist der J-Strahlung wesensgleich, ihre Photonen sind energieärmer. Sie entsteht bei Übergängen der Hüllenelekt- Bei der Wechselwirkung von ionisierender Strahlung mit Stoffen werden physikalische, chemische und biologische Veränderungen beobachtet, die von der Strahlenart und vom bestrahlten Stoff abhängen. Hier interessieren solche primären und sekundären Prozesse, die in radiometrischen Detektoren ausgenutzt werden, und der biologische Einfluss der Strahlen insofern, als er zu erheblichen irreversiblen Schädigungen biologischer Objekte führen kann. Deshalb müssen beim Umgang mit derartigen Strahlungsquellen die jeweiligen Strahlenschutzvorschriften streng beachtet werden. Die im Praktikum verwendeten Quellen unterliegen entweder aufgrund ihrer geringfügigen Strahlung keinen besonderen Partikel- bzw. Teilchenstrahlung: Die Partikel der D-Strahlung sind 42 He -Kerne mit diskretem Energiespektrum bei einer vom jeweiligen Radionuklid abhängenden Energie zwischen 2 MeV und 10,5 MeV. Sie werden schon von sehr dünnen Metall- und Kunststofffolien vollständig absorbiert. Selbst in Luft beträgt die Reichweite nur einige cm. Die E+-(Positronen-) und E--(Elektronen-) Strahlungen besitzen kontinuierliche Energiespektren mit einer von der Strahlungsquelle abhängenden Maximalenergie zwischen 18 keV und 5 MeV. Der E-Prozess ist aus Gründen verschiedener Erhaltungssätze, wie z. B. der Energie- und Impulserhaltung, stets von einer Neutrinoemission begleitet. Das Neutrino ist ein ganz spezielles Elementarteilchen, welches hier nicht näher betrachtet werden soll. Die E-Strahlung ist in der Lage, dünne Folien (bis zum mm-Bereich) zu durchdringen. 5.0 Grundlagen ronen zwischen kernnahen Energieniveaus entweder als Folge einer Kernreaktion (Elektronen-Einfang) oder durch Beschuss der Stoffe mit Elektronen-, Ionen- oder Quantenstrahlungen entsprechender Energie. Diese für den emittierenden Stoff „charakteristische“ Röntgenstrahlung besitzt ein diskretes Energiespektrum im Gegensatz zur so genannten „Bremsstrahlung“. Im Ergebnis einer elektrostatischen Wechselwirkung mit der Elektronenhülle von Atomen gasförmiger, flüssiger oder fester Stoffe werden die zuvor genannten Strahlungen gestreut und (oder) absorbiert. Kernstöße oder Kernreaktionen sind unter normalen Bedingungen selten. Bei der Wechselwirkung mit Stoffen zerlegen die Į- und ȕStrahlen die von ihnen getroffenen Atome in ein Ladungsträgerpaar aus positivem Ion und Elektron (direkte Ionisation). In Stoffen mit molekularem Aufbau werden auch negative Ionen beobachtet. Bei jedem Stoß erleiden die Partikel der Strahlung einen Energieverlust in der Größenordnung von 10 eV, so dass bis zur Abbremsung auf thermische Energien eine große Anzahl von Stößen erforderlich ist. Die Zahl der Ladungsträgerpaare ist der Partikelenergie proportional und ermöglicht daher eine Energiebestimmung. Die Quanten der elektromagnetischen Strahlung geben bei der Wechselwirkung mit Stoffen ihre gesamte Energie oder einen erheblichen Teil davon auf einmal ab. Da diese Wechselwirkungsprozesse im Vergleich zu den Į- oder ȕ-Stößen weniger wahrscheinlich sind (kleinerer „Wirkungsquerschnitt“), sind Ȗ- und Röntgenstrahlen durchdringungsfähiger als Teilchenstrahlen. Bei der Wechselwirkung von Quanten mit Stoffen entstehen erst geladene Teilchen, die ihrerseits Ionenpaare erzeugen und so beispielsweise den Nachweis der J-Quanten ermöglichen (indirekte Ionisation). Bei der Wechselwirkung von J-Strahlung mit Materie werden hauptsächlich drei Prozesse beobachtet: 293 1. Photoeffekt (O.6.3.1): Ein Quant (Photon) wird vollständig absorbiert und befreit ein Elektron, das die um die Ablösearbeit verminderte, aber dennoch große Energie des Photons besitzt. Der Wirkungsquerschnitt für J-Quanten ist dabei V a Z 5 (Z Kernladungszahl des Absorbers). Energien im Bereich des Ultravioletten sind ausreichend. 2. Compton-Effekt (O.5.3): Bei höheren Energien überträgt ein J-Quant beim Stoß nur einen Teil seiner Energie auf ein quasifreies Elektron. Dabei stellen sich eine typische vom Streuwinkel abhängende Verteilung der Elektronen- und Photonenenergie und eine entsprechende richtungsabhängige Änderung der Wellenlänge der elektromagnetischen Strahlung ein. Der Wirkungsquerschnitt bei der Compton-Streuung ist V ~ Z. 3. Paarbildung: Bei einer Quantenenergie EJ > 1,02 MeV können Elektron-PositronPaare erzeugt werden, die ihrerseits ihre Umgebung ionisieren und dadurch ihre kinetische Energie verlieren. Das Positron zerstrahlt zusammen mit einem Elektron und bildet dabei zwei J-Quanten zu je 0,51 MeV, die einen Photoeffekt auslösen können. Der Wirkungsquerschnitt bei der Paarbildung ist V ~ Z 2. Ionisierende Strahlen können außerdem Hüllenelektronen bestimmter Stoffe anregen und strahlende Übergänge erzeugen (Lumineszenz). 5.0.2 Strahlungsdetektoren In radiometrischen Detektoren wird die Energie der Strahlung durch die zuvor behandelten Wechselwirkungen mit dem Detektormedium in Signale umgewandelt, die es ermöglichen, Partikel im klassischen Sinne sowie Photonen als Quanten der elektromagnetischen Strahlung zu zählen, ihre Energie und die Energieverteilung zu bestimmen, die Partikelspuren und die räumliche Verteilung der Bahnen aufzunehmen sowie die Intensität der Strahlung zu messen. 294 Optik und Atomphysik 5 Ionisierende Strahlung In Tabelle O.5.1 sind die in der Labor- und Betriebsmesstechnik üblicherweise verwendeten Detektoren und einige wichtige charakteristische Parameter aufgeführt, die ihre Einsatzgebiete vorwiegend bestimmen. Zählrohr und Ionisationskammer sind mit einem Zylinderkondensator zu vergleichen, dessen Dielektrikum vom Detektorgas gebildet wird und an dem eine Spannung im kV-Bereich liegt. Der Gasdruck ist so bemessen, dass die mittlere freie Weglänge der Gasmoleküle klein gegenüber den Abmessungen des Detektors ist. Eine in das Detektorvolumen eindringende Strahlung ionisiert das Gas, die positiven Ionen und Elektronen wandern infolge der elektrischen Feldkraft in entgegengesetzte Richtungen zu den Elektroden. Unterwegs rekombiniert ein Teil der Ladungsträgerpaare. Bei genügend hoher Spannung ist dies jedoch kaum noch möglich, so dass sich ein Sättigungsstrom Is im Detektor einstellt (Abb. O.5.0.1). Dessen Größe ist der Zahl der Ionenpaare proportional. Unter solchen Bedingungen arbeitet beispielsweise eine in Abb. O.5.0.2 schematisch dargestellte Ionisationskammer. Der Ionisationsstrom I wird entweder über einen geeigneten Gleichstromverstärker gemessen oder mit einem empfindlichen Elektrometer bestimmt, das durch diesen entweder aufgeladen (Auflademethode) oder entladen (Entlademethode) wird (Abb. O.5.0.2). I Ionisationskammer Zählrohr unge- gesättigt Proportional- Auslösesättigt bereich α Is β Is U Abb. O.5.0.1 Arbeitsbereiche von Gas-Ionisationsdetektoren (schematisch) Tabelle O.5.1 Eigenschaften ausgewählter Detektoren Typ Ionisationskammer Proportionalzählrohr Auslösezählrohr, GMZ2) Halbleiterdetektor Szintillationszähler Nebelkammer 1) 2) Detektormedium Raumauflösung mm Energieauflösung % Totzeit1) s gasförmig Nachweisbare Strahlenarten Į, ȕ, Ȗ gasförmig 1 ... 10 1 ... 10 | 10-6 Į, ȕ gasförmig 1 ... 10 - 10-4... 10-3 Į, ȕ, Ȗ fest 1… 2 0,2 … 0,3 > 10 5 … 10 gasförmig flüssig fest gasförmig + H2O 1 Į, ȕ, Ȗ < 10-6 Į, ȕ, Ȗ > 10 Į, ȕ Zeitspanne, während der Detektor nach der Erfassung eines Ereignisses nicht anspricht. GMZ Geiger Müller-Zählrohre 5.0 Grundlagen 295 Der Grad der Ionisation des „Zählgases“ und der Strom I in der Ionisationskammer sind der Intensität I * (Dimension: Leistung pro Fläche) der einfallenden Strahlung bzw. auch der Aktivität A der Strahlungsquelle (Zahl der Zerfälle / pro Zeiteinheit) direkt und der Auf- bzw. Entladezeit 't des Elektrometers umgekehrt proportional: 1 I ~ I , I ~ . (1) 't Eine Erhöhung der Spannung der Ionisationskammer über den Sättigungsbereich hinaus (Abb. O.5.0.1) führt zu einer „Gasverstärkung“, indem die primär erzeugten Elektronen zwischen zwei Zusammenstößen so viel kinetische Energie gewinnen, dass sie ihre Stoßpartner ionisieren (Stoßionisation). In einem gewissen Spannungsbereich ist die Anzahl der sekundär durch Stoß erzeugten Ionen der Anzahl der Primärionisationen proportional. In diesem Bereich arbeiten Proportionalzählrohre. a) b) IK UH – + S IK über einen Verstärker dem Impulszähler (IZ) zugeführt wird (Auslöse- bzw. GeigerMüller-Zählrohr). Das Löschen kann statt durch einen hohen Widerstand auch durch den Zusatz eines „Löschgases“ (z. B. von Alkoholen) erreicht werden, dessen Moleküle die Energie der Ionen lediglich als Rotationsund Schwingungsenergie übernehmen und dadurch Dauerentladungen verhindern (selbstlöschendes Zählrohr). Eine weitere Steigerung der Spannung bewirkt eine die Zählrohre gefährdende Dauerentladung. C R A IZ K U + Abb. O.5.0.3 Prinzipschaltung für den Betrieb eines Zählrohrs (K Zählrohrmantel - als Kathode geschaltet; A Zähldraht - als Anode geschaltet, IZ Impulszähler) S E + UH – E Abb. O.5.0.2 Schaltung von Ionisationskammer IK und Elektrometer E, a) Auflademethode, b) Entlademethode Wird eine für jede Anordnung und Gasfüllung charakteristische Spannung, die so genannte Geiger-Schwelle (vgl. Abb. O.5.1.1), überschritten, wächst die Zahl der Ionen unabhängig von der Größe der primären Ionisation sprunghaft an. Der so fließende Strom erzeugt über dem Widerstand R einen Spannungsabfall (Abb. O.5.0.3), so dass die Spannung am Zählrohr unter den Wert von UG sinkt und die Entladung erlischt. Es entsteht dadurch ein zeitlich begrenzter Impuls, der über den Kondensator C ausgekoppelt und Die Ladungsmenge, die durch ein Primärereignis in einem Proportionalzählrohr erzeugt wird, ist durch Art und Energie des auslösenden Teilchens bestimmt. Mit Proportionalzählrohren können daher Energieverteilungen mit ausreichendem Auflösungsvermögen aufgenommen werden. Beim Auslösezählrohr bestimmen die Betriebsspannung und die Zählrohrgeometrie die Ladungsmenge. Es dient daher der Impulszählung. J-Quanten lassen sich im Prinzip durch Detektormedien von hoher Ordnungszahl und größerer Dichte besser nachweisen. Dem kommen Halbleiterdetektoren (Si, Ge) entgegen, die eine Art Festkörperionisationszähler mit kleinem Volumen darstellen. Der pnÜbergang ist in Sperrrichtung geschalten (die Spannung beträgt größenordnungsmäßig 50 V). Dadurch bildet sich im pn-Über- 296 Optik und Atomphysik 5 Ionisierende Strahlung gangsgebiet eine an Ladungsträgern verarmte Raumladungszone aus, die das empfindliche Detektorvolumen darstellt (Abb. O.5.0.4). Eine ionisierende Strahlung erzeugt auf ihrem Weg durch die „Zähldiode“ ElektronenLöcher-Paare, die im p- und n-Gebiet rekombinieren, in der Grenzschicht aber getrennt werden und so einen Stromimpuls erzeugen. Seine Höhe ist der Energie der ionisierenden Strahlung proportional. pn - Grenzschicht 1,0 μm 100–1000 μm + n p - ++ + - - + + - + - + + - + + xn xp Eγ= h f Ra U Raumladungszone Abb. O.5.0.4 Prinzip eines Festkörperdetektors mit pn-Übergang, xn und xp stellen die Schichtdicken der Verarmungsgebiete im n- und p-Gebiet dar (E.5.0.2) Das Energieauflösungsvermögen dieser Detektoren ist sehr gut. Sie erfordern nur etwa 3 eV Ionisationsenergie/Ionenpaar, besitzen aber einen starken Rauschuntergrund, so dass sie in der Regel bei tiefen Temperaturen betrieben werden müssen. Abb. O.5.0.5 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines Szintillationszählers. Die ionisierende Strahlung erzeugt in einem Gas, einer Flüssigkeit oder in einem Festkörper Szintillationen (Lichtblitze), die in der Photokathode eines angekoppelten Sekundärelektronenvervielfachers (SEV) Elektronen auslösen. Der Elektronenstrom wird in dem mehrstufigen Dynodensystem verstärkt (Abb. O.5.0.5). Die Anordnung ermöglicht je nach Betriebsbedingungen Teilchenzählungen oder Energiemessungen. S PK D1 D3 D2 D4 D5 A SEV R1 R2 R3 R4 R5 R6 R -U Abb. O.5.0.5 Szintillationszähler (schematisch), S Szintillatorkristall, PK Photokathode, SEV Sekundärelektronenvervielfacher, D1,..., D5 Dynoden, A Anode, R1,..., R6 Spannungsteiler Nebelkammern dienen zur Sichtbarmachung der Bahnen hochenergetischer geladener Teilchen. Man nutzt dabei aus, dass die von den Teilchen erzeugten Ionen als Kondensationskerne bei der Bildung von Nebeltröpfchen aus übersättigten Dämpfen dienen können. Die Übersättigung kann durch adiabatische Expansion (Wilson-Kammer) oder durch Diffusion erzeugt werden. 5.0.3. Radioaktive Umwandlung Die radioaktive Umwandlung eines Nuklids ist ein statistischer Prozess. Es lässt sich nicht vorhersagen, wann welcher Kern zerfallen wird, sondern nur, dass in einer bestimmten Zeit im Mittel stoffspezifisch immer der gleiche Bruchteil der vorhandenen Kerne sich umwandeln wird. Man definiert als Aktivität A die Anzahl der Umwandlungen dN* im Zeitintervall dt A d N *(t ) O N * t . dt (2) Die Einheit der Aktivität ist das Becquerel (Bq), nach Antoine Becquerel genannt, dabei entspricht 1 Bq einer Kernumwandlung pro Sekunde. Als spezifische Aktivität bezeichnet man das Verhältnis der Aktivität zur Masse der Probe. Die Integration von Gl. (2) führt zum bekannten Gesetz der radioaktiven Umwandlung: N * t N 0* e O t . (3) 5.1 Messungen mit dem Geiger-Müller-Zählrohr 297 N0* ist die Zahl der Ausgangskerne einer radioaktiven Nuklidsorte für t = 0, N*(t) ist die Zahl der zum Zeitpunkt t noch nicht umgewandelten Kerne. Nach der Halbwertszeit T1/2 hat die Aktivität definitionsgemäß um die Hälfte abgenommen. Für die materialspezifische Umwandlungskonstante Ȝ folgt Verseuchung der Messanordnung und der Umgebung verursacht, ist somit nicht vermeidbar und daher stets vom Messergebnis als Korrektion (Einführung 3.1) abzuziehen. In einem gewissen Bereich der Zählrohrcharakteristik (Abb. O.5.1.1), dem Arbeitsbereich oder Plateau, ist die Zählrate nahezu unabhängig von der Spannung. ln 2 . T1/2 (4) N Geigerschwelle Arbeitsbereich 5.1 Messungen mit dem GeigerMüller-Zählrohr Aufgabenstellung 1. Es ist die Zählrohrcharakteristik eines Geiger-Müller-Zählrohrs aufzunehmen. Die Einsatz- und Arbeitsspannung sowie die Mindestplateaulänge und die Plateausteigung sind anzugeben. 2. Die Kalibrierkurve eines Flüssigkeitszählrohrs mit Kaliumlösungen bekannter Konzentrationen ist aufzustellen. Damit soll die unbekannte Konzentration in einer Kaliumlösung bestimmt werden. 3. Es ist die Aktivität eines ThalliumPräparats (204Tl) abzuschätzen. 4. Die Ansprechwahrscheinlichkeit des Zählrohrs für Ȗ-Strahlung ist zu ermitteln. Die Messergebnisse von (Partikel-) Zählungen werden als (zeitliche) Impulsdichte oder Zähl- bzw. Impulsrate N angegeben. Definitionsgemäß ist dies die auf das Messintervall ' t bezogene Anzahl m der Impulse: N m 't . (5) Ihre Einheit ist s-1 oder min-1. Der Nulleffekt N c = m c/ǻ t c ist diejenige Zählrate, die auch bei Abwesenheit eines Messobjekts beobachtet wird. Er wird durch Höhenstrahlung sowie natürlich radioaktive Länge des Plateaus Arbeitspunkt Dauerentladung O ΔN UG UA U Abb. O.5.1.1 Zählrohrcharakteristik N = f (U), N Zählrate, UG Spannung in Bezug auf die Geiger-Schwelle, UG Spannung am Arbeitspunkt, U Zählrohrspannung, 'N =N2 – N1 (vgl. Text) Die Plateaulänge soll bei guten Zählrohren etwa 200 V betragen und die Plateausteigung 5 % nicht überschreiten. Die Steigung wird für den Arbeitspunkt angegeben. Dieser liegt etwa 100 V über der Geiger-Schwelle oder 50 V über dem Anfang des Plateaus. Sind N die Impulsrate im Arbeitspunkt, N1 und N2 die Impulsraten bei um 50 V geringerer und höherer Spannung, beträgt die vereinbarungsgemäß auf 100 V bezogene und daher in der Einheit % / V angegebene Steigung des Plateaus im Arbeitspunkt S N 2 N1 100 % / 100 V . N (6) Die Empfindlichkeit der Stabzählrohre nimmt nach dem Ende hin ab (Feldverzerrungen, Ausdiffundieren von Ladungen aus 298 Optik und Atomphysik 5 Ionisierende Strahlung dem aktiven Volumen). Ähnliche Erscheinungen treten auch in Randpartien von Stirnfenster- und Glockenzählrohren auf. Die Längs- und Querempfindlichkeit der Zählrohre lassen sich durch Scannen mit einem scharf ausgeblendeten Strahl nachweisen. Eine Alterung dieser Zählrohre erkennt man daran, dass das Plateau kürzer und steiler sowie der Arbeitspunkt nach höheren Spannungen verschoben wird. Fehlerquellen bei Zählrohrmessungen sind (a) Absorption der Strahlung im Präparat und im Zählrohrmantel, (b) Rückstreuung der Strahlen am Präparatträger, (c) Koinzidenzfehler, d. h., ein Quant oder Teilchen kann mit einem anderen koinzidieren oder in die durch den vorangegangenen Zählvorgang verursachte „Totzeit“ des Zählrohrs fallen sowie (d) Verteilungsfehler infolge zeitlich schwankender Intensität der Strahlung und des „Hintergrunds“ (Nulleffekt). Die Impulszahl ist eine mit der PoissonVerteilung beschreibbare Zufallsgröße (Einführung 4.2). Für hinreichend lange Messzeiten und bei genügend hoher Zählrate kann auch mit einer Normalverteilung gerechnet werden. Die Grenzen, innerhalb derer der Mittelwert einer Messreihe mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 68 % anzunehmen ist, sind durch die mittlere zufällige Abweichung G festgelegt: G m . (7) Die Messunsicherheit der Zählrate beträgt uN G 't m , 't (8) bzw. die relative Messunsicherheit uN N m m 1 m . (9) Bei kleiner Impulsrate ist daher im Interesse einer möglichst hohen Genauigkeit das Messintervall ǻt groß zu wählen. Die Messunsi- cherheit für die Zählrate des Nulleffekts N c ergibt sich analog, und für die Messunsicherheit der Nettozählrate u(NN) = N – N c folgt damit (Einführung 3.2.2) u NN 2 2 § m · § mc · ¨ ¸ ¨ ¸ . © 't ¹ © 't c ¹ (10) Darin sind m' und m die Anzahl der im Zeitintervall ǻt' bzw. ǻt gemessenen (Nulleffekt-) Impulse. Der Nulleffekt sollte möglichst klein und hinreichend genau bekannt sein. Kalium ist ein in der Natur häufig vorkommendes Element. Die Isotopenzusammensetzung des Kaliums und seiner Verbindungen ist konstant und unabhängig von dessen Her40 kunft. Das instabile 19 K- Nuklid tritt mit einem Anteil von 0,0117 % im natürlichen Kalium auf und besitzt eine Halbwertszeit von 1,277109 Jahren. Es wandelt sich unter Aussendung von E -Strahlung ( 40 19 K (- , ȕ )) in 40 20 Ca (etwa 89,3 % aller Zerfälle) bzw. durch Elektroneneinfang ( 40 19 K (e , Ȗ)) in 48 18 Ar um. Im letzteren Fall kann begleitend J-Strahlung auftreten, wenn zuvor ein angeregter Kern entsteht. Versuchsausführung Nach einem Vorversuch, bei dem man sich mit der Messapparatur vertraut macht, wird nach den Gln. (7) bis (9) die relative Unsicherheit festgelegt, die bei jeder Einzelmessung nicht überschritten werden soll. Die Messunsicherheit sollte so bemessen werden, dass die Messzeit je Messpunkt vertretbar ist. Es wird daher empfohlen, mit einer entsprechenden „Impulsvorwahl“ zu arbeiten und die zugehörige Messzeit zu erfassen. Als Präparat verwendet man bei Aufgabe 1 eine geeignete Strahlungsquelle (z. B. Uranglaswürfel, 60Co-Prüfstrahler). Von der Geiger-Schwelle an wird die Spannung am Zähl- 5.1 Messungen mit dem Geiger-Müller-Zählrohr 299 rohr in Schritten von etwa 10 V, im Bereich des Plateaus um jeweils 20 V verändert und bei jeder Spannung mehrmals die Zählrate bestimmt. Dauerentladungen müssen vermieden werden. Man begnügt sich deshalb mit der Angabe der Mindestplateaulänge. Der Anstieg ist unter Verwendung von Gl. (6) für einen gegebenen Arbeitspunkt zu ermitteln. Bei Aufgabe 2 wird von einer bei Zimmertemperatur gesättigten wässrigen Lösung bekannter Konzentration eines Kaliumsalzes ausgegangen, von der man eine Verdünnungsreihe (etwa fünf Verdünnungsgrade) herstellt. Chemisch und radiologisch ist das verwendete Kaliumsalz ungefährlich und es kann auf besondere Sicherheitsmaßnahmen verzichtet werden. Der Nulleffekt wird bei dem mit destilliertem Wasser gefüllten, zuvor gründlich gesäuberten Flüssigkeitszählrohr gemessen. Die Messungen beginnen mit der Lösung geringster Konzentration. In einer Abgleich- oder Kalibrierungskurve (Zählrate als Funktion der Konzentration) werden die um den Nulleffekt verminderten Impulsraten in einem Diagramm dargestellt. Damit ist die Bestimmung der Konzentration in einer Kaliumlösung unbekannter Konzentration möglich. Die Ermittlung der Aktivität eines radioaktiven Präparats (204Tl, E--Strahler) bei Aufgabe 3 kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen. Zum einen wird bei der Aktivitätsbestimmung die Probe unbekannter Aktivität mit einer Probe bekannter Aktivität unter gleichen geometrischen und apparativen Bedingungen unter Verwendung entsprechender Eichpräparate verglichen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die absolute Aktivität A nach Gl. (11) zu bestimmen, die einen direkten Zusammenhang zwischen A und gemessener Zählrate N beschreibt: der Absorptionsfaktor, fS der Selbstabsorptionsfaktor, fT der Zeitauflösungsfaktor, fR der Rückstreufaktor, fU die Einstreuung aus der Umgebung, fA die Ansprechwahrscheinlichkeit und fE die Anzahl der Quanten pro Zerfall. Die angegeben Faktoren können zum Teil nur empirisch ermittelt oder näherungsweise abgeschätzt werden. Beispielsweise lässt sich der Absorptionsfaktor der Probenmatrix im realitätsnahen Fall (Sand, Erde, Gestein) nur experimentell bestimmen. Bei Kenntnis der geometrischen Anordnung des Präparats im Versuchsaufbau lässt sich der Geometriefaktor abschätzen. Die von einem Präparat ausgehenden Strahlen verlaufen nach allen Richtungen des Raums, d. h., sie verteilen sich gleichmäßig auf den Raumwinkel 4ʌ. Das Zählrohr erfasst hiervon nur einen bestimmten Anteil, der als Verhältnis des wirksamen Raumwinkels zum Raumwinkel 4ʌ aufgefasst werden kann. Dieses Verhältnis wird als Geometriefaktor fG bezeichnet. Für spezielle Anordnungen ergeben sich für den Geometriefaktor einfache analytische Ausdrücke. A N . f G f AB fS f T f R f U f A f E (11) In Gl. (11) sind fG der Geometriefaktor, fAB 5 4 3 2 a r 1 Abb. O.5.1.2 Vom Glockenzählrohr erfasstes Bündel ankommender Strahlung 1 Probe, 2 Zählrohrfenster, 3 Glasperle, 4 Anode (Zähldraht), 5 Katode Dabei sind a der Abstand Quelle-Detektor und r der Radius der Strahleneintrittsfläche 300 Optik und Atomphysik 5 Ionisierende Strahlung Der Geometriefaktor für ein punktförmiges Präparat (Abb. O.5.1.2) kann z. B. mit der folgenden Beziehung berechnet werden: fG § · a 0,5 ¨1 ¸ . 2 2 a r ¹ © (12) Für a >>r folgt mit der Detektorfläche AD die Näherung fG | r2 4 a2 AD , 4 ʌ a2 (12a) die das quadratische Abstandsgesetz ausdrückt (vgl. auch Abb. W.1.4.3). Die Präparatabdeckung und die Dicke des Zählrohrfensters bestimmen den Absorptionsfaktor für die gegebene ȕ--Strahlung zu fAB = 0,8. Eine der wichtigsten Eigenschaften einer Zähleinrichtung ist die Ansprechwahrscheinlichkeit fA, d. h. die Anzahl der registrierten Impulse bezogen auf die Anzahl der auf den Detektor treffenden Teilchen oder Quanten. Sie hängt entscheidend von den Eigenschaften des Detektors (Abmessung des Detektors, Art des Detektormediums) und von den Eigenschaften der Strahlung (Art und Energie der Strahlung) ab. Bei Quanten und ungeladenen Teilchen wird die Ansprechwahrscheinlichkeit sehr stark durch die Wahrscheinlichkeit bestimmt, mit der die geladenen Sekundäreilchen entstehen können. Bei Auslösezählrohren gilt für geladene Teilchen fA § 1. Alle anderen Faktoren in Gl. (11) sind unter den gegebenen Messbedingungen eins zu setzen. Nach der Vorwahl des sich aus der gemessenen Kennlinie des Geiger-Müller-Zählrohrs ergebenden Arbeitspunkts (Gl. (6)) ist die Impulsrate mit einer vorgegebenen Unsicherheit zu messen. Die Aktivität A(t) des 204Tl-Präparats (Halbwertszeit 3,78 a) zum aktuellen Zeitpunkt wird über das Zerfallsgesetz (Gl. (2)) berechnet. Diese soll mit dem nach Gl. (11) abgeschätzten Wert verglichen werden. Bei Aufgabe 4 bestimmt man die Ansprechwahrscheinlichkeit des Zählrohrs für JStrahlung mit einer punktförmigen 60CoQuelle, deren ȕ-Strahlung von der Umhüllung absorbiert wird. Die relative Unsicherheit der gemessenen Impulsrate soll kleiner als 1 % sein. Man bestimmt die Ansprechwahrscheinlichkeit mittels Gl. (11). Der Faktor fE ergibt sich hier aus dem Zerfallsschema von 60Co (Abb. O.5.5.3) mit fE = 2 und die erforderliche Aktivität des 60Co-Strahlers (60Co-Halbwertszeit T1/2 = 5,27 a) unter Berücksichtigung von Gl. (2). 5.2 Messung der Halbwertszeit Aufgabenstellung Es sind die Halbwertszeit und die Zerfallskonstante von 220Rn zu bestimmen. Die meisten natürlichen radioaktiven Nuklide gehören Zerfallsreihen an. Bei der Bestimmung der Halbwertszeit eines derartigen Nuklids durch Messung des zeitlichen Abklingens seiner radioaktiven Strahlung ist darauf zu achten, dass die Strahlung der Vorläufersubstanzen und seiner Folgekerne das Ergebnis nicht verfälschen. Diese Bedingung lässt sich sehr gut bei einem Radiumisotop, dem 220Radon (auch als Thoron bezeichnet), das der Thoriumzerfallsreihe angehört, erfüllen. Radon ist ein Edelgas, das sich über jedem Radiumpräparat ansammelt und daher von der Muttersubstanz leicht abgetrennt werden kann, so dass dadurch keine Beeinflussung der Zeitabhängigkeit des Zerfallsprozesses möglich ist. Wegen der kurzen Lebensdauer des Folgeprodukts (216Po, T1/2 = 0,15 s) wird man neben der DStrahlung von 220Rn auch solche des 216Po erfassen. Letztere erhöht zwar die Gesamtaktivität, hat aber aufgrund des sich einstellenden Gleichgewichts und der geringen Intensität keinen Einfluss auf den zeitlichen Verlauf des Zerfalls von 220Rn. Da der zeitliche Ab- 5.3 Reichweite von Į-Strahlung in Luft 301 fall der Gesamtaktivität AG nach der Einstellung des Gleichgewichts nur noch durch die Zerfallskonstante des Radons ȜRn bestimmt wird, lässt sich diese bzw. T1/2, Rn aus dem Anstieg der zeitlichen Änderung der Gesamtaktivität bestimmen. Aufgrund der großen Halbwertszeiten der weiteren Folgeprodukte kann auch deren Einfluss auf die Zeitabhängigkeit der Zählrate vernachlässigt werden. Versuchsausführung Zur Aufnahme der zeitlichen Änderung der Aktivität wird Radon aus dem Vorratsbehälter mit Thoriumsalz in eine Ionisationskammer gepumpt. Aufgrund der anliegenden Hochspannung (bis maximal 5 kV) wird dadurch in der Ionisationskammer ein Ionenstrom erzeugt, der über einen Messverstärker verstärkt und mit einem computergestützten Messwerterfassungssystem registriert wird (Abb. O.5.2.1). Ionisationskammer Rn A K I 0...5 kV R Abb. O.5.2.1 Versuchsaufbau zur Bestimmung der Halbwertszeit (schematisch) Ist die Stärke des Ionisationsstroms I hinreichend groß, schließt man die Radonzufuhr und beginnt mit der Aufnahme der Zeitabhängigkeit von I. Lässt sich praktisch keine zeitliche Änderung des Ionisationsstroms (Aktivität) mehr nachweisen, wird die Messung beendet. Aufgrund der Proportionalität zwischen Ionisationsstrom und Gesamtaktivität kann aus der erhaltenen I(t)-Kurve die Halbwertszeit T1/2 bzw. die Zerfallskonstante O Gl. (4) ermittelt werden. 5.3 Reichweite von Į-Strahlung in Luft Aufgabenstellung 1. Mit einem 226Ra-Präparat ist die Luftäquivalenz der Abdeckung durch Reichweitenmessungen von D-Strahlung bei zwei verschiedenen Luftdichten zu bestimmen. Die beim D-Zerfall entstehenden D-Teilchen haben definierte Energien und damit besitzt die D-Strahlung ein diskretes Energiespektrum, das für jedes Nuklid charakteristisch ist. Im Beispiel des D-Zerfalls des Radiumisotops 226Ra entsteht als Nachfolgeprodukt 226 Ra, und 94,6 % der emittierten D-Teilchen besitzen eine kinetische Energie von 4,87 MeV (vgl. Abb. A.5.2). Durchdringen D-Teilchen eine absorbierende Materialschicht, verlieren diese aufgrund von Wechselwirkungen mit den Elektronen der Atome bzw. Moleküle des Absorbermaterials kinetische Energie. Dieser Absorptionsprozess wird auch als Ionisationsbremsung bezeichnet. Aufgrund ihres diskreten Energiespektrums haben D-Teilchen näherungsweise alle die gleiche Reichweite, die jedoch infolge der statistischen Prozesse bei der Energieabsorption eine charakteristische Streuung um eine mittlere Reichweite aufweist. N N0 p1 p2 N0 2 0 Rm Rex a Abb. O.5.3.1 Absorptionsverhalten von D-Strahlung in Gasen, Zählrate N in Abhängigkeit vom Abstand a zwischen Detektor und Strahlungsquelle, Rm mittlere Reichweite, Rex extrapolierte Reichweite, Druck p1 > p2 302 Optik und Atomphysik 5 Ionisierende Strahlung In Abb. O.5.3.1 wird eine typische Reichweitenkurve für D-Strahlung gezeigt. Zuerst bleibt die Zählrate trotz zunehmenden Abstands zwischen Strahlungsquelle und Detektor nahezu konstant, um dann stark innerhalb einer kleinen Vergrößerung des Abstands abzunehmen. Als mittlere Reichweite Rm wird derjenige Abstand definiert, bei dem die Zählrate N auf die Hälfte ihres Anfangswertes N0 abgenommen hat (Abb. O.5.3.1). Verlängert man den annähernd linearen mittleren Teil der Kurve bis N = 0, lässt sich auch der Wert für die extrapolierte Reichweite Rex bestimmen. In der natürlichen Zerfallsreihe kommen mehrere verschiedene D-Strahler mit vergleichbaren Lebensdauern vor. Die energiereichste Nuklidsorte besitzt die maximale Reichweite. Bei praktischen Anwendungen werden häufig empirische ReichweiteEnergie-Beziehungen benutzt. Für die mittlere Reichweite Rm von D-Strahlung (ED > 2,5 MeV) in Luft wendet man oft die von Geiger eingeführte empirische Beziehung an: Rm mm § E · 3,1 ¨ D ¸ © Me V ¹ 3/ 2 . (13) Da die Absorption in Gasen von deren Dichte und diese wiederum von Druck und Temperatur abhängt, ist es üblich, die mittlere Reichweite bei Normbedingungen Rm, 0 anzugeben. Mit Gl.(M.1. - 7) folgt für die Umrechnung T p Rm, 0 Rm (T , p) N . (13a) T pN Versuchsausführung Die Intensität der D-Strahlung wird mittels eines Halbleiterdetektors in Abhängigkeit vom Abstand zwischen Strahlungsquelle und Detektor in einem vorgegebenen Bereich gemessen. In Abb. O.5.3.2 wird das Schema der Versuchsanordnung zur Messung der Zählrate in Abhängigkeit vom Abstand zwischen Detektor und Strahlungsquelle sowie vom Luftdruck in einer evakuierbaren Messkammer gezeigt. Der Abstand a zwischen dem Detektor und der Quelle, die sich am Ende einer Gewindestange befindet, kann mittels einer mechanische Vorrichtung verändert werden, an der man auch den Abstandswert ablesen kann. Die Gewindestange wird über eine geeignete Vakuumabdichtung nach außen geführt, so dass man ein relativ stabiles Grobvakuum (ca. 300 hPa, Leckrate etwa 0,5 hPa/h) erreicht. 1 5 4 3 Z 2 10 ϑ 6 a 9 7 hPa 8 Abb. O.5.3.2 Schema der Versuchsanordnung zur Messung der Reichweite von D-Strahlung bei unterschiedlichem Luftdruck: 1 Vakuumrezipient mit Abschirmung, 2 punktförmiger D-Strahler, 3 Strahlungsdetektor, 4 Messelektronik, 5 Zählgerät, 6 Gewindestange mit Antrieb, 7 Vorvakuumpumpe, 8 Druckmessgerät, 9 Nadelventil, 10 Temperatursensor Der Vakuumrezipient ist mit einer Abschirmung versehen und besitzt einen Anschluss, der die Verbindung zur Vorvakuumpumpe, die Druckanzeige und das Belüftungsventil (Nadelventil) ermöglicht. Zur Temperaturmessung der Luft ist ein Temperatursensor (Thermoelement) innerhalb des Rezipienten befestigt. Zuerst führt man die Messung zur Abstandsabhängigkeit der Zählrate bei aktuellem Luftdruck durch. Danach wird die Vorvakuumpumpe in Betrieb genommen und ein Grobvakuum von etwa 500 hPa erzeugt (ggf. über das Nadelventil einregeln) und anschließend mit der Messung der Zählrate 5.4 ȕ-Strahlung 303 begonnen. Die Abstände sind so zu wählen, dass die charakteristischen Bereiche für die Bestimmung der mittleren Reichweite hinreichend genau erfasst werden. Es werden die Nettozählraten in Abhängigkeit vom Abstand graphisch so dargestellt, dass man mit größtmöglicher Genauigkeit die Werte von Rm aus den Graphen ablesen kann. Mit Gl. (13a) sind die Werte auf Normbedingungen umzurechnen. Die Ergebnisse sollen in Bezug auf die Luftdichte diskutiert werden. Die Luftäquivalenz der Abdeckung des Präparats folgt aus der Differenz zwischen dem mittleren Wert der experimentell bestimmten Reichweiten sowie dem nach Gl. (13) berechneten Wert entsprechend der in der Zerfallsreihe vorkommenden Nuklide, deren Energien am Versuchsplatz mitgeteilt werden. 5.4 ȕ-Strahlung 5.4.1 Absorption von ȕ-Strahlung Aufgabenstellung 1. Die Energie des verwendeten Strahlers soll abgeschätzt werden. 2. Es ist die Schichtdicke von dünnen Platten zu bestimmen. 3. Der Massenabsorptionskoeffizient verschiedener Materialien ist zu ermitteln. Beim ȕ-Zerfall ist ein kontinuierliches Energiespektrum zu beobachten. Elektronen- und Positronenspektren unterscheiden sich nur im Bereich des Koordinatenursprungs. Im Strahlenschutz ist es üblich und von Vorteil, anstatt der Schichtdicke x die Flächenmasse dƍ = ȡ x des Absorbers anzugeben, wobei ȡ die Dichte des Absorbermaterials ist. In guter Näherung gilt das Schwächungsgesetz I I0 e P d' U . (14) Dabei sind I die Teilchenflussdichte bzw. Intensität der Strahlung hinter dem Absorber, I0 entsprechend davor und P der materialspezifische Schwächungskoeffizient. P /U ist der Massenabsorptionskoeffizient für ein bestimmtes Material. Für den Gültigkeitsbereich von Gl. (14) ist ȝ /ȡ näherungsweise nur von der Energie der Strahlung, nicht aber vom Material abhängig (mit Ausnahme von stark wasserstoffhaltigen Materialien). Es gilt P Z | . U Z n (15) Z ist die Protonen- und n die Neutronenzahl. Für die Halbwertsflächenmasse d1/c 2 folgt definitionsgemäß aus Gl. (14) d1/c 2 ln 2 . P/U (16) Für die Beschreibung der Abhängigkeit der Halbwertsflächenmasse von der Energie ( d1/c 2 f ( Emax ) ) gibt es mehrere empirische Beziehungen. Die beste Übereinstimmung mit den Messergebnissen liefert erfahrungsgemäß die folgende Größengleichung: d1/c 2 kg/m 2 3/2 §E · 0,0046 ¨ max ¸ . © MeV ¹ (17) Bei relativ großen absorbierenden Schichtdicken (größer als etwa drei Halbwertsdicken) sinkt die Impulsrate N schneller als es der exponentiellen Abnahme entspricht (Abb. O.5.4.1) und die reale Absorptionskurve zeigt größere Abweichungen vom exponentiellen Verlauf. Auch noch bei sehr großen Absorberdicken kann weiterhin eine Strahlung gemessen werden. Dieser Strahlungsuntergrund wird im Wesentlichen durch die beim Abbremsvorgang erzeugte Röntgenbremsstrahlung (O.5.7) verursacht. Mit Hilfe der Absorptionskurve ist die Bestimmung der maximalen Reichweite Rmax möglich, wobei sich diese auf die energiereichsten Teilchen des E-Spektrums bezieht. Dazu wird der Wert für die maximale Flächenmas- 304 Optik und Atomphysik 5 Ionisierende Strahlung se ȡ Rmax ermittelt, der über den Einmündungspunkt der Absorptionskurve in den Strahlungsuntergrund (Abb. O.5.4.1) bestimmt werden kann. Mittels des Schnittpunkts der Wendetangente mit der geradlinigen Verlängerung des Bremsstrahlungsuntergrunds ist auch die Bestimmung der mittleren Reichweite Rm der E-Teilchen möglich. 1 po 10-1 Ex I I0 Versuchsausführung ne nt Die für die Versuchsdurchführung erforderlichen Geräte- und Messparameter werden am Arbeitsplatz mitgeteilt. Bei den Messungen der Teilchenflussdichte I bzw. Impulsrate N (Iv N) der E-Strahlung ist zu berücksichtigen, dass nach dem Ansprechen des Zählrohrs eine Entladung aufgebaut wird, die ca. IJ | 200 ȝs dauert. Die in dieser Zeit eintreffen Partikel werden demzufolge nicht gezählt („Totzeit“). Deshalb muss die gemessene Impulsrate Ng, wenn sie größer als 50 Impulse/s ist, korrigiert werden: ia lg 10-2 es et Nk Ng z 1 W Ng . (18) -3 10 Bremsstrahlung -4 10 10-50 6 ρRm 12 ρRmax 18 -2 ‚ d kg m Abb. O.5.4.1 Absorption von E-Strahlung in Abhängigkeit von der Flächenmasse d ƍ des Absorbers, mittlere (ȡ Rm) und maximale (ȡ Rmax) Massenreichweite Der Massenabsorptionskoeffizient ist nur von der Energie der E-Strahlung abhängig. Da das Verhältnis Z/(Z+n) bei stabilen Isotopen etwa 0,5 beträgt (mit Ausnahme von Wasserstoff und bei Elementen mit sehr hoher Ordnungszahl), ist auch der Massenabsorptionskoeffizient ȝ /ȡ für alle Elemente ungefähr gleich groß. Aufgrund dieser Tatsache lässt sich unter Anwendung der Gl. (14) für einen bestimmten Strahler nach der Aufnahme einer Kalibrierungskurve (in der Regel mit Al-Absorbern) bei gegebener Dichte der zu untersuchenden Probe und durch die Messung der entsprechenden Zählrate deren Schichtdicke ermitteln. In Gl. (18) ist Nk die korrigierte Zählrate. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass durch die Höhenstrahlung und andere Strahlungsquellen stets eine Nulleffektrate N c vorhanden ist. Die korrigierte Nettoimpulsrate der Anordnung ist deshalb NN = Nk – N c. Die Absorptionsmessungen in Aufgabe 1 beginnt man zunächst ohne Absorber (Impulsrate N0) und misst dann die Impulsraten N(x) mit den Al-Folien bekannter Dicke x. Die normierten Nettoimpulsraten sind in Abhängigkeit von der Massenreichweite halblogarithmisch graphisch darzustellen und die Werte ȡ Rm sowie ȡ Rmax zu ermitteln. Aus letzterem Wert kann Rmax und mit Gl. (17) die Größe von Emax berechnet werden, die zumindest näherungsweise die Abschätzung der gesuchten Maximalenergie ermöglicht. Der im Experiment bestimmte Wert ist mit Werten zu vergleichen, die am Arbeitsplatz mitgeteilt werden. Danach wird in Aufgabe 2 die Schichtdicke von zwei unterschiedlich dicken Glimmerblättchen bekannter Dichte sowie der zugehörigen gemessenen Impulsraten ermittelt, die der Absorptionskurve entnommen werden können. Bei Aufgabe 3 ist für zwei verschiedene Substrate (z. B. Folie, Papier) der Mas- 5.4 ȕ-Strahlung 305 senabsorptionskoeffizient durch die Messung der zugehörigen Impulsraten zu bestimmen, die dazu erforderliche Flächenmasse der untersuchten Proben wird am Arbeitsplatz gegeben. 5.4.2 E-Spektroskopie Aufgabenstellung Es ist das E-Spektrum verschiedener Radionuklide aufzunehmen. Beim Zerfallsprozess besitzen Elektronen und Positronen eine diskrete Energie, die teilweise an die Neutrinos abgegeben wird. Die Energieübertragung ist ein statistischer Prozess und damit die Ursache für den kontinuierlichen Verlauf des Spektrums. Ein solches Spektrum besitzt zwei charakteristische Größen (Abb. O.5.4.2), Ew ist die wahrscheinlichste und Emax die maximale Energie der E-Teilchen. I Ew Emax I0 E Abb. O.5.4.2 Schema eines E-Spektrums, Untergrund I0 Da die Strahlung aus geladenen Teilchen besteht, kann diese durch elektrische oder magnetische Felder beeinflusst werden. Diese Art der Dispersion kann man dazu verwenden, um E-Teilchen hinsichtlich ihrer Energie zu trennen. Ein E-Spektrometer selektiert die einzelnen Energien der E-Strahlung durch ein senkrecht zur Flugbahn der Elektronen gerichtetes Magnetfeld. Die Elektronen mit der Ladung e und der Masse m erfahren durch die Lorentz-Kraft (O.6.4) eine Ablenkung. Die Kraftwirkung durch das Magnetfeld wird durch die Zentrifugalkraft kompensiert, so dass die Elektronen auf eine stabile Kreisbahn gezwungen werden. Der Radius dieser Kreisbahn ist von der Geschwindigkeit v und damit von der Energie der Elektronen abhängig. Das Spektrometer ist so konstruiert, dass der Radius der Kreisbahn konstant bleibt und die Flussdichte des Magnetfelds verändert werden kann. Mit Hilfe der beiden Größen Kreisbahnradius r und magnetische Flussdichte B ist es möglich, die Energie der Elektronen zu berechnen. In der Regel besteht ein E-Spektrometer aus einem relativ flachen massiven Hohlzylinder, der an Grund- und Deckfläche verschlossen ist. Im Mantel des Hohlzylinders befinden sich drei radiale Bohrungen (Abb. O.5.4.3). Eine von ihnen ist für die Aufnahme der Hall-Sonde (Hall-Effekt, E.2.4) zur Bestimmung der magnetischen Flussdichte vorgesehen, die beiden anderen Bohrungen sind in einem bestimmten Winkel zueinander positioniert und liegen auf einem Kreisbogen mit dem Radius r und sind für die Aufnahme eines E-Strahlers und eines Detektors vorgesehen. Im Inneren des Hohlzylinders sind zur Vermeidung von Messfehlern durch Streueffekte Halbkreisschalen aus Blei angebracht. Die Elektronen bzw. Positronen der EStrahlung besitzen Energien im MeVBereich. Bei so großen Energien muss die Rechnung bezüglich der Geschwindigkeit der Teilchen relativistisch durchgeführt werden. Befindet sich das Elektron innerhalb des homogenen Magnetfelds, herrscht ein Gleichgewicht zwischen Zentrifugal- und Lorentz-Kraft. Mit Gl. (O.6.4-29) ergibt sich für den Impuls des Elektrons p = e B r. Mit der Gleichung für die kinetische (relativistische) Energie des Elektrons Ekin c0 2 p 2 m0,e c02 m0,e c02 (19) erhält man die kinetische Energie des Teil- 306 Optik und Atomphysik 5 Ionisierende Strahlung chens in Abhängigkeit vom Bahnradius r und von der magnetischen Flussdichte B: Ekin (r , B) 2 (e B r c0 ) 2 m0e c04 m0e c02 . (20) In Gl. (20) sind e und m0e die c0 bekannten Fundamentalkonstanten (Anhang A.6). Der Term unter der Wurzel entspricht der Gesamtenergie. Subtrahiert man davon die Ruheenergie, erhält man den Anteil an Bewegungsenergie des Elektrons. Versuchsausführung Mit dem Versuchsaufbau nach Abb. O.5.4.3 ist das E-Spektrum verschiedener Radionuklide aufzunehmen. Man verwendet einen Elektromagneten mit geeigneter Stromversorgung sowie einen Geiger-Müller-Zähler oder auch einen Szintillationszähler. Die magnetische Flussdichte wird variiert und damit der Bahnradius geändert. 5 6 4 3 2 1 r M Abb. O.5.4.3 Messapparatur zur Bestimmung des Energiespektrums eines E-Strahlers (schematisch), 1 nicht magnetisierbare Wand, 2 Öffnung für den Probekörper, 3, 6 Irisblenden, 4 Öffnung für eine tangentiale Hall-Sonde, 5 Öffnung für das Zählrohr, r Bahnradius in Bezug auf Punkt M Als Ergebnis erhält man ein Spektrum wie in Abb. O.5.4.2 schematisch dargestellt, das mit einer mathematischen Verteilung, der so genannten E-Verteilung analysiert werden kann. Die Auswertung der Energieverteilung, und damit die konkrete Bestimmung der einzelnen Energiearten erfolgt numerisch mittels zur Verfügung gestellter Software. 5.5 Ȗ-Strahlung 5.5.1 Schwächung von J-Strahlung Aufgabenstellung 1. Die Charakteristik eines Szintillationszählers für Ȗ-Strahlung ist aufzunehmen und die Arbeitsspannung zu ermitteln. 2. Es sind die Schwächungskoeffizienten und Halbwertsdicken verschiedener Metalle für monoenergetische Ȗ-Strahlung zu bestimmen. 2. Die Abstandscharakteristik ist aufzunehmen. Die Spannungscharakteristik eines Szintillationszählers wird analog zu der eines GeigerMüller-Zählrohrs bestimmt (O.5.1). Bei niedrigen Spannungen ist die Verstärkung des Sekundärelektronenvervielfachers (SEV) gering, so dass nur starke Lichtblitze zu Stromimpulsen führen, die den Impulsverstärker und die elektronische Zähleinrichtung zum Ansprechen bringen. Erst im Bereich eines Plateaus wird die Impulsrate nahezu spannungsunabhängig. Bei hohen Spannungen führen auch die durch Temperatureffekte in der Photokathode oder in den Dynoden des SEV ausgelösten einzelnen Elektronen zu zählbaren Impulsen. Dieses thermische Rauschen (Dunkelstrom) begrenzt den Einsatz des SEV. Für den realen Verlauf der Charakteristik haben Strahler, Szintillator, SEV und Verstärker einen bedeutenden Einfluss. Wegen der relativ schwachen Wechselwirkung von Ȗ-Strahlung (O.5.0.2) mit Substanzen muss als Szintillator ein Festkörper gewählt werden, der hinreichend schwere Atome enthält und andererseits die entstehenden Lichtblitze zur Kathode des optisch gut angekoppelten SEV leitet. Beim Durchgang durch feste, flüssige und in geringem Maße auch gasförmige Stoffe erleiden Ȗ- und die ihnen wesensgleichen Röntgenstrahlen eine Schwächung, wie sie in O.5.4 für die ȕStrahlung diskutiert wird. Für den linearen 5.5 Ȗ-Strahlung 307 Schwächungskoeffizienten gilt in Analogie zu Gl. (14): P= 1 I ln . d I0 (21) Die Schwächung der Ȗ-Strahlung wird durch Photoeffekt, Compton-Effekt und ggf. durch Paarbildung hervorgerufen, wobei jeder dieser Effekte von der Ordnungszahl Z, der relativen Atommasse A des Absorbers und der Energie der Ȗ-Photonen abhängt (O.5.0.3). Unter der Halbwertsdicke d1/2 definiert man diejenige Schichtdicke (Materialstärke), bei der die Intensität I0 auf die Hälfte herabgesetzt wird: d 1/ 2 = ln 2 P . (22) Versuchsausführung Die Aufnahme der Charakteristik des Szintillationszählers in Aufgabe 1 erfolgt in einer geometrischen Anordnung, die schematisch in Abb. O.5.5.1 dargestellt ist und auch für die Aufgabe 2 verwendet wird. Ausführliche Informationen zu den Betriebsdaten und spezielle Hinweise zur Versuchsdurchführung sowie zum Strahlenschutz liegen am Arbeitsplatz aus. Als Ȗ-Strahlungsquelle wird ein 60 137 Co- oder Cs-Präparat verwendet. Um die gleichzeitig mit der Ȗ-Strahlung auftretende ȕ-Strahlung zu unterdrücken, befindet sich vor dem Szintillator eine hinreichend dicke Al-Absorberschicht. Die Betriebsspannung U (Beschleunigungsspannung) für den SEV wird in Schritten von etwa 50 V erhöht. Nach jeder Änderung der Spannung U ist zur Einstellung stabiler Messbedingungen ausreichend lange zu warten, bevor die Impulsrate N bestimmt wird. Zu jeder eingestellten Betriebsspannung muss auch der Nulleffekt Nƍ bestimmt werden. Um das Plateau besser erkennen zu können, stellt man den Logarithmus der Nettoimpulsrate NN = N – Nƍ als Funktion der Betriebsspannung U dar. Die Spannung darf nicht über die in der Arbeitsanleitung genannte Größe hinaus erhöht werden, um eine Zerstörung des SEV zu vermeiden. Impuls zu Verstärker und Zähleinrichtung SEV (Abb. O.5.0.6) Photokathode Szintillator Absorber Probenwechsler γ–Quelle Abb. O.5.5.1 Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus für Ȗ-Absorptionsmessungen in einer Abschirmkammer Bei Aufgabe 2 werden zuerst der Nulleffekt zur gewählten Arbeitsspannung im Bereich des Plateaus und die Nettoimpulsrate NN ohne Absorber bestimmt. Anschließend ermittelt man für verschiedene Materialien mit deutlich unterschiedlich großen Ordnungszahlen Z (z. B. Al, Fe, Pb) die Abhängigkeit der Nettoimpulsrate NN von der Schichtdicke d. Zur Bestimmung von ȝ trägt man den natürlichen Logarithmus der Nettoimpulsrate NN in Abhängigkeit von d auf und bestimmt mit dem Anstieg der Ausgleichsgeraden den linearen Schwächungskoeffizienten und damit die Halbwertsdicke. Bei Aufgabe 3 wird die Zählrate in Abhängigkeit von der Entfernung zwischen Strahlungsquelle und Detektor gemessen. Bei Aufgabe 2 wird eine vergleichbar zu der in Abb. O.5.3.2 dargestellte Versuchsanordnung verwendet (ohne Vaku- 308 Optik und Atomphysik umkammer). Die mit dem Nulleffekt korrigierten Nettozählraten werden in Abhängigkeit vom Quadrat des Abstands graphisch dargestellt und der Verlauf des Graphen ist zu diskutieren (vgl. Gl. (12a)). 5.5.2 J-Spektroskopie Aufgabenstellung 1. Mit Ȗ-Strahlern unterschiedlicher Quantenenergie wird ein Ȗ-Spektrometer kalibriert und sein Energieauflösungsvermögen bestimmt. 2. Mit diesem Spektrometer ist das Impulshöhenspektrum eines unbekannten Ȗ-Strahlers aufzunehmen. Das Spektrum soll interpretiert und der Strahler identifiziert werden. Zur Aufnahme des Energiespektrums einer JStrahlung werden im Wesentlichen Halbleiterdetektoren, Szintillationszähler und Proportionalzählrohre eingesetzt. Diese Detektoren geben in der Regel einen Spannungsimpuls ab, dessen Höhe eine meist lineare Funktion der von ihnen absorbierten JEnergie ist. Nach der Verstärkung der Impulse werden diese einem Analysator zugeführt, der nur solche Impulse an das Zählwerk abgibt und registrieren lässt, deren Spannung innerhalb eines gewählten Kanals zwischen der Diskriminator- und der Analysatorspannung liegt. Eine bestimmte im Szintillator absorbierte J-Energie liefert also Impulse, die bei einer ganz bestimmten Kanallage registriert werden. Da die Kanallage außer von dieser Energie noch von apparativen Parametern, insbesondere der eingestellten Hochspannung und der Impulshöhenverstärkung abhängt, muss für die verwendete Apparatur und die gewählten Einstellungen eine Energiekalibrierung der Kanäle auf der Basis der Messungen bekannter J-Spektren vorgenommen werden. Da die Impulshöhe annähernd eine lineare Funktion der absorbierten Energie ist, lässt sich diese Kalibrierung schon 5 Ionisierende Strahlung mit Hilfe von nur zwei bekannten J-Energien als Energie- oder Kalibrierungsgerade durchführen. Bei der Auswertung der aufgenommenen J-Spektren muss berücksichtigt werden, dass die Wechselwirkung der Strahlung mit Materie infolge unterschiedlicher Effekte erfolgt (Photo-, Compton- und Paarbildungseffekt), bei denen unterschiedliche Anteile der einfallenden J-Quantenenergie absorbiert werden. Somit kann eine monoenergetische J-Strahlung mehrere Impulsratenmaxima bei verschiedenen Spannungskanallagen bedingen. Für die Energiebestimmung wird meist das durch den Photoeffekt bedingte Impulsratenmaximum genutzt, das bei dem Kanal mit der höchsten Spannungsschwelle liegt. Die Energiegerade für die Messapparatur mit festgelegten Betriebsparametern lässt sich mit Hilfe eines gemessenen Spektrums von 60 Co darstellen, da 60Co beim Zerfall zwei JQuanten mit den Energien EJ1 = 1,33 MeV und EJ2 = 1,17 MeV abstrahlt. Nach Darstellung der Energiegeraden lässt sich dann auch mit ihrer Hilfe die Energie der J-Strahlung des unbekannten Nuklids nach Aufnahme seines Impulshöhenspektrums bestimmen. Ein Ȗ-Spektrometer erlaubt es also, den quantitativen Zusammenhang zwischen Intensität und Energie von Ȗ-Strahlung zu messen. Im Impulshöhenanalysator werden die Spannungsimpulse fein unterteilten Spannungsbereichen (Kanälen, Speichern) zugeordnet. Die Darstellung der in jedem Kanal gezählten Impulse über der Spannungshöhe bezeichnet man als Impulshöhen- oder Energiespektrum. Verwendet man einen Szintillationszähler, ist als markanteste Wechselwirkung der Photoeffekt zu erörtern. Dabei wird ein Ȗ-Quant von einem Atom vollständig absorbiert und ein gebundenes Elektron aus der Elektronenhülle herausgeschlagen, das die um die Ablösearbeit verminderte Energie E des Quants hat. Dieses Elektron wird im Szintillator unter Erzeugung von Lumineszenzlicht abgebremst. Auch durch die Sekundärstrahlung 5.5 Ȗ-Strahlung 309 (meist Röntgenstrahlung) des bei der Absorption des Ȗ-Quants angeregten Atoms entsteht Lumineszenzlicht. Das gesamte Licht wird möglichst vollständig auf die Photokathode des Sekundärelektronenvervielfachers (SEV) geleitet. Dort werden durch den äußeren Photoeffekt Elektronen ausgelöst. Der am Ausgang des SEV beobachtbare Spannungs- oder Stromimpuls besitzt eine Höhe, die der Energie des ursprünglichen Ȗ-Quants proportional ist. Aufgrund der statistischen Prozesse im Szintillator und im SEV besitzen die Impulshöhen eine gewisse Verteilung. Der sich ausbildende Photo- oder Vollenergiepeak besitzt näherungsweise eine Gauß-Verteilung (Einführung, 4.2). Das Maximum UȖ dieses Peaks wird der Energie EȖ des Ȗ-Quants zugeordnet. Stehen mehrere Ȗ-Strahler mit bekannten Quantenenergien zur Verfügung, kann man die energetische Linearität des Ȗ-Spektrometers überprüfen. Das Energieauflösungsvermögen R des Spektrometers ist über die relative Halbwertsbreite definiert: R= '1/ 2 E 100 % , EȖ (23) wobei '1/2 E die Halbwertsbreite des Photopeaks bei E = Emax/2 beschreibt. Für ein Szintillationsspektrometer wird R < 10 % erwartet. Das Energieauflösungsvermögen von Halbleiterdetektoren (O.5.0.6) ist wesentlich besser. Eine weitere Wechselwirkung der ȖStrahlung mit Materie ist die ComptonStreuung (O.5.6). Dabei überträgt das einfallende Quant nur einen Teil seiner Energie auf ein locker gebundenes oder nahezu freies Elektron und erfährt eine Richtungsänderung. Die gestreuten Ȗ'- Quanten besitzen Streuwinkel im Bereich 0 d - d 180° und können, wenn die Streuung im Szintillator erfolgt, diesen zum Teil verlassen. Die ComptonElektronen geben in jedem Fall ihre Energie an den Szintillator ab. Wegen der möglichen Verteilung der Streuwinkel - besitzen sie eine kontinuierliche Energieverteilung von Ee = 0 für - = 0 bis zu einer maximalen Energie Emax = EC für - = 180° (O.5.6). Im Energiespektrum der rückgestreuten Compton-Elektronen, das gemeinsam mit dem Photopeak am Ausgang des SEV in Erscheinung tritt (Abb. O.5.5.2), ist diese maximale Energie EC als Compton-Kante zu beobachten. Photopeaks I Cs 2 1 3 EC Co E Abb. O.5.5.2 Beispiel eines Impulshöhenspektrums von Ȗ-Strahlung (Überlagerung einer 60Cound einer 137Cs-Quelle), 1 K-Linie (Abschirmung), 2 Rückstreupeak, 3 Compton-Kante Das sich zu niedrigeren Energien anschließende Compton-Kontinuum überdeckt vielfach die Photopeaks energieärmerer Strahler. Bei einer Versuchsanordnung, wie sie in Abb. O.5.5.1 dargestellt ist, muss man auch die Compton-Streuung in den Wänden der Abschirmung beachten. Die von dort in den Detektor rückgestreuten Ȗ'-Quanten können im Szintillator absorbiert werden. Den durch Compton-Effekt etwa um 180° gestreuten Ȗ'Quanten entspricht ein Rückstreumaximum bei ER = EJ EC , das sich ebenfalls dem Compton-Kontinuum überlagert. Die Paarbildung (O.5.0.2) und der Kernphotoeffekt sollen auf Grund ihres geringen Einflusses hier nicht betrachtet werden. Der Photoeffekt tritt nicht nur im Szintillator 310 Optik und Atomphysik auf, sondern auch in den Materialien der Strahlerumgebung. Die herausgeschlagenen Elektronen stammen zu 80 % aus der jeweiligen K-Schale. Die entstandene Lücke wird durch ein Elektron aus einer höheren Schale aufgefüllt. Die dabei freiwerdende Energie kann als Röntgenfluoreszenzstrahlung emittiert werden und im Zähler einen entsprechenden Peak erzeugen (z. B. Pb-KĮStrahlung mit 0,074 MeV). Der nach der ȕ -Umwandlung eines 137CsKerns entstehende 137Ba-Kern regt sich nicht nur über die Emission eines Ȗ-Quants ab, sondern übergibt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit seine Energie auch an ein Elektron aus der K-Schale, das das Atom als monoenergetisches Konversionselektron verlässt. Das in der K-Schale fehlende Elektron wird durch ein Elektron aus höheren Schalen ersetzt. Die dabei abgestrahlte Energie tritt wieder in Form von Röntgenfluoreszenzstrahlung auf, die hauptsächlich als KĮStrahlung des 137Ba (0,032 MeV) entsteht. Versuchsausführung Bei Verwendung eines SEV ist in einem Vorversuch der Arbeitspunkt festzulegen. Für diese Messungen wird ein Ȗ-Strahler mit genügend großer Halbwertszeit benutzt. Zur Kalibrierung (Aufgabe 1) werden ein 137CsPräparat (Halbwertszeit 30 a) und ein 60CoPräparat (Halbwertszeit 5,27 a) benutzt. Die Umwandlungsschemas sind in Abb. O.5.5.3 dargestellt. Anschließend wird das Impulshöhenspektrum von 60Co mit einer ausreichend kleinen Kanalbreite (0,1 V bis 2 V) aufgenommen. Die jeweils zu beobachtende diskrete ȖStrahlung ist die Folge einer vorangehenden ȕ-Umwandlung. Für die Untersuchung der Photopeaks sind die Einstellungen einschließlich der Messdauer einer Betriebsanleitung am Arbeitsplatz zu entnehmen. Bei 60Co findet man zwei Peaks bei den für das Nuklid charakteristischen J-Energien von 5 Ionisierende Strahlung 1,173 MeV bzw. 1,333 MeV. Nach Kalibrierung mittels Energiegerade ermittelt man für das 137Cs-Präparat eine Ȗ-Energie von 0,662 MeV. 60 27 β- 137 55 Co [5,27 a] 0,315 MeV (90%) β- Cs [30 a] 0,518 MeV (94%) 2,506 MeV γ2 0,662 MeV γ 1,333 MeV 0 137 56 Ba γ1 0 60 28 Ni Abb. O.5.5.3 Umwandlungsschema für 60Co und 137 Cs (in den eckigen Klammern sind die Halbwertszeiten angegeben) Mit Hilfe von Gl. (23) lässt sich aus Lage und Form des Photopeaks das Energieauflösungsvermögen R bestimmen. Bei Aufgabe 2 wird nur das 137Cs-Präparat verwendet. Diesmal interessiert das gesamte Spektrum vom Photopeak bis zur Ba-KĮRöntgenfluoreszenzstrahlung. Die beobachtbaren Peaks sind zu interpretieren und die energetische Lage der registrierten Comptonkante (halbe Höhe der Abbruchflanke des Compton-Kontiniums) ist mit dem nach Gl. (28) berechenbaren Wert zu vergleichen. 5.6 Compton-Effekt Aufgabenstellung 1. Es sind die Energiespektren der an einem Streukörper unter verschiedenen Winkeln gestreuten Röntgenstrahlung aufzunehmen. 2. Die Energie der gestreuten Photonen ist in Abhängigkeit vom Streuwinkel zu bestimmen. 3. Es sollen die gemessenen Energien mit den 5.6 Compton-Effekt aus Energie- und Impulserhaltung berechneten verglichen werden. Als Thomson-Streuung (Joseph John Thomson) wird die elastische Streuung von Licht (Photonen) an geladenen Teilchen (i. A. quasifreie Elektronen) bezeichnet. Die geladenen Teilchen werden dabei durch das Feld einer elektromagnetischen Welle zu kohärenten harmonischen Schwingungen in der Ebene des elektrischen Felds angeregt. Da diese Oszillation eine beschleunigte Bewegung ist, strahlen die Teilchen gleichzeitig Energie in Form einer elektromagnetischen Welle gleicher Frequenz ab (Dipolstrahlung). Thomson-Streuung ist eine rückstoßfreie Streuung, d. h., es findet kein Energieübertrag vom Photon auf das Elektron statt. Sie tritt nur auf, solange die Energie der einfallenden Photonen klein genug ist, d. h. die Wellenlänge der elektromagnetischen Strahlung viel größer ist als ein Atomradius (z. B. weiche Röntgenstrahlung). Bei kürzeren Wellenlängen, also höheren Energien, muss der Rückstoß des Elektrons berücksichtigt werden (Compton-Streuung). Dieses Modell gilt auch für (quasi-)freie Elektronen im Metall, deren Resonanzfrequenz aufgrund fehlender Rückstellkräfte gegen Null geht. Streuung an gebundenen Elektronen oder ganzen Atomen bezeichnet man als RayleighStreuung. Während beim Photoeffekt das Photon seine gesamte Energie an ein gebundenes Elektron abgibt und damit eine (vollständige) Absorption stattfindet, wird mit zunehmender Energie der einfallenden elektromagnetischen Welle (EJ > EK,L,M..., wobei EK,L,M.. die Bindungsenergie der Elektronen auf der jeweiligen Schale ist) die ComptonStreuung immer wahrscheinlicher, bei der das Photon nur einen Teil seiner Energie auf ein mehr oder weniger stark gebundenes oder ein (fast) freies Elektron überträgt und eine Richtungsänderung erfährt. In Abb. O.5.6.1 ist dieser Prozess schematisch dargestellt. Es handelt sich im klassisch-mechanischen Sin- 311 ne um einen normalen (elastischen) Stoß. Die Behandlung der Wechselwirkung zwischen einem Photon mit der Energie E1 = h f1 und dem Impuls p1 = E1 /c0 mit einem freien Elektron erfolgt demzufolge nach den Gesetzmäßigkeiten des elastischen Stoßes im Laborsystem. Nach dem Stoß hat das Photon die verminderte Energie E2 = h f2 und den Impuls p2 = E2 / c0. E2 freies Elektron E1 γ - Quant p1 gestreutes Quant p2 ϑ ϕ pe Ee=E1 – E2 Compton-Elektron Abb. O.5.6.1 Schematische Darstellung des Compton-Effekts als Stoß zwischen einem Photon und einem (quasi-) freien Elektron Der Impuls des anfangs ruhenden Elektrons ist null und seine Energie gleich der Ruheenergie m0e c02 . Dabei ist m0e die Ruhemasse eines Elektrons und c0 die Vakuumlichtgeschwindigkeit. Das Rückstoßelektron (Compton-Elektron) bewegt sich mit relativ hoher Geschwindigkeit v, so dass sich seine Masse geschwindigkeitsabhängig und damit relativistisch ändert. Die Gesamtenergie, die sich aus der Summe von Ruheenergie und Bewegungsenergie ergibt, sowie der Gesamtimpuls bleiben beim Compton-Effekt erhalten. Der relativistische Energieerhaltungssatz liefert m c2 (24) h f1 m0 c02 h f 2 0 0 , 1E2 wobei E der Quotient aus Geschwindigkeit des Elektrons v und der Lichtgeschwindigkeit c0 im Vakuum ist. Der Impulserhaltungssatz lautet in Komponentenschreibweise z. B. 312 Optik und Atomphysik 5 Ionisierende Strahlung in einem (x, y)-Koordinatensystem für die xRichtung h f1 c0 m v h f2 cos- 0e cos M c0 1 E 2 (25a) m0e v 1 E 2 sin M (25b) E1 . E1 1 1 cos- m0e c02 (26) Häufig wird auch die Änderung der Wellenlänge der gestreuten Photonen in Abhängigkeit vom Streuwinkel - angegeben: 'O 1 0,5 h f2 sin - c0 für die y-Richtung. Aus den Erhaltungssätzen kann die folgende Beziehung für die Energie der gestreuten Strahlung erhalten werden: E2 Erel Elektron (1) und 0 nen weisen daher ein breites Energiespektrum zwischen E2, min und E1 auf. O 1 O 2 h (1 cos- ) . (27) me c0 Der Quotient h / (m 0e c0) = OC = 2,426 pm wird auch als Compton-Wellenlänge OC bezeichnet. Sie ist identisch mit der Wellenlänge eines Photons, dessen Energie gleich der Ruheenergie des Elektrons ist. Die Änderung der Photonenenergie beim Compton-Effekt hängt somit vom Streuwinkel - des Photons ab. Es sind sämtliche Streuwinkel im Bereich 0 d - d 180° möglich. Bei kleiner Primärenergie ist die Winkelverteilung der gestreuten Photonen symmetrisch zu - = 90°. Mit wachsender Energie EJ wird mehr und mehr die Streuung in Vorwärtsrichtung (kleine Winkel - ) bevorzugt. Gemäß Gl. (26) verliert ein Photon bei Vorwärtsstreuung (- = 0) keine Energie ( E2 E1 ). Den größten Energieverlust erleidet es bei Rückwärtsstreuung, wenn der Streuwinkel - = 180° beträgt. Die durch Compton-Effekt rückgestreuten Photo- Photon (2) π 0 ϑ/rad 2π Abb. O.5.6.2 Zur Energie-Winkel-Abhängigkeit bei Compton-Streuung (1) Erel = Ee /E1, (2) Erel = E2 / E1 Der Rückstoßwinkel M des Compton-Elektrons liegt im Bereich 0 d M d 90°. Dieses Elektron besitzt eine kinetische Energie zwischen Ee = 0 (für - = 0, M = 90° ) und einem Maximalwert für - = 180°, M = 0. Im Energiespektrum der Rückstoßelektronen bestimmt Ee,max = EC die Lage der so genannten Compton-Kante. Die Größe von EC ist gegeben durch EC 2 E12 . m0e c02 2 E1 (28) Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Compton-Effekt auftritt, kann mit quantenmechanische Berechnungen erhalten werden. Sie steigt mit der Kernladungszahl und fällt mit zunehmender Quantenenergie. Der Streuquerschnitt je Elektron ist unabhängig von den Eigenschaften des Wechselwirkungsmaterials und in erster Näherung umgekehrt proportional von der Energie des Primärphotons abhängig. Bei Elementen mit kleiner Ordnungszahl tritt der ComptonEffekt zwischen 50 keV und 15 MeV und bei Elementen mit hoher Ordnungszahl zwischen 0,5 MeV und 5 MeV als wahrscheinlichster Wechselwirkungsprozess auf. 5.7 Röntgenstrahlung 313 Versuchsausführung 5.7 Röntgenstrahlung Die Messungen erfolgen mit einem Röntgengerät mit Energiedetektor, das mit einem computergestützten Messwerterfassungssystem verbunden ist. Als Streuobjekt wird für diese Messungen ein Plexiglas-Körper verwendet. In Aufgabe 1 ist zunächst das Primärspektrum, d. h., das Emissionsspektrum der Röntgenröhre (z. B. Mo-Anode mit ZrFilter) aufzunehmen. Dabei sind die am Arbeitsplatz angegebenen maximalen Betriebsparameter der Röntgenröhre zu beachten. Die zu messende Röntgenstrahlung erzeugt im Gehäuse des Röntgenenergiedetektors zusätzlich Röntgenfluoreszenzstrahlung, die ebenfalls registriert wird. Im Primärspektrum sind daher neben der Mo KD- und der Mo KELinie auch die Au LD- und die Au LE-Linie zu erwarten. Mit Hilfe dieser Linien kann die Energiekalibrierung der Spektren durchgeführt werden (z. B. Mo KD-Linie: 17,44 keV, Au LD-Linie: 9,71 keV). Nach dem Entfernen der Abschwächerblende sind der Probenhalter auf dem Goniometer zu montieren sowie der Plexiglas-Streukörper aufzulegen und festzuklemmen. Anschließend können mit den am Arbeitsplatz angegebenen Parametern des Emissionsstroms und der Hochspannung weitere Spektren für verschiedene Streuwinkel (in 30 GradSchritten) aufgenommen werden. In Aufgabe 2 werden aus den aufgenommen Spektren mit den jeweiligen Peak-Schwerpunkten die Energien E2 der gestreuten Photonen ermittelt und in Abhängigkeit vom Streuwinkel in ein Diagramm eingetragen. Die Energie nach der Streuung wird nach Gl. (26) mit den Parametern E = 17,44 keV (Mo KD-Linie) und m0e c02 = 511 keV für die gemessenen Winkel in Aufgabe 3 berechnet. In das energiekalibrierte Diagramm (EnergieIntensität-Abhängigkeit) werden die gemessenen Energien mit den berechneten Werten eingetragen. Abweichungen außerhalb der Messunsicherheiten sollen diskutiert werden. Aufgabenstellung 1. Es ist das Röntgenfluoreszenzspektrum eines Kalibriertargets aufzunehmen. 2. Die Röntgenfluoreszenzspektren unterschiedlicher Legierungen sind aufzunehmen. Es ist eine qualitative Analyse des Fluoreszenzspektrums vorzunehmen, wobei die in der Legierung vorhandenen Elemente bestimmt werden sollen. 3. Die quantitative Zusammensetzung einer Messingprobe soll bestimmt werden. Fluoreszenz ist eine charakteristische Leuchterscheinung bestimmter Stoffe, die bei deren Bestrahlung mit Licht, Röntgen- oder Korpuskularstrahlung auftritt. Die Energie der auftreffenden Strahlung wird zur Anregung oder Ionisierung der Atome bzw. Moleküle ausgenutzt und bei der Rückkehr in den Grundzustand teilweise als sichtbares Licht wieder abgegeben. Die Übergänge erfolgen sehr schnell (< 10-5 s), so dass die Fluoreszenz im Gegensatz zur Phosphoreszenz nur während der Bestrahlung sichtbar ist. Röntgenstrahlung entsteht, wenn schnelle Elektronen in Materie auf kurzem Wege abgebremst werden. Beim Auftreffen der Elektronen auf das Anodenmaterial wird deren kinetische Energie in Wärme und Röntgenstrahlung umgewandelt. Gemäß den Gesetzen der klassischen Elektrodynamik wird beim Abbremsen elektromagnetische Strahlung erzeugt, die für Elektronenenergien unter 50 keV überwiegend senkrecht zur Beschleunigungsrichtung, hier also senkrecht zur Richtung der auf die Anode treffenden Elektronen abgestrahlt wird. Dieser Anteil der Röntgenstrahlung wird entsprechend seiner Entstehung als Bremsstrahlung bezeichnet. Diese Bremsstrahlung hat ein kontinuierliches Spektrum (Abb. O.5.7.1), das sich bis zu einer bestimmten maximalen Frequenz fmax oder einer minimalen Wellenlän- 314 Optik und Atomphysik 5 Ionisierende Strahlung ge Omin erstreckt. Diese markante kurzwellige Grenze wird allein durch die angelegte Beschleunigungsspannung der Röntgenröhre bestimmt. Überschreitet die Energie der Elektronen einen bestimmten Wert, wird zusätzlich zur kontinuierlichen Bremsstrahlung die im Spektrum in Form von einzelnen Linien auftretende charakteristische Röntgenstrahlung angeregt. Diese entsteht dadurch, dass energiereiche Elektronen tief in die Atomhüllen des Anodenmaterials eindringen und dort durch Stöße Elektronen aus kernnahen Schalen herausschlagen. Die entstehenden Lücken werden unter Abgabe von Röntgenstrahlen durch Elektronen aus den äußeren Schalen der Atomhülle aufgefüllt. schen Röntgenstrahlung: Die Schalen sind durch eine bestimmte Bindungsenergie charakterisiert und werden von innen nach außen mit den Buchstaben K, L, M, N usw. bezeichnet. O N Mα M β M Lα Lβ Lγ L Kα Kβ Kγ K δ Intensität K charakteristisches Spektrum Abb. O.5.7.2 Vereinfachtes Termschema eines Atoms und Definition der K-, L- und M-Serie der charakteristischen Röntgenstrahlung Kα(1) Kα(2) Bremsspektrum Kβ λmin λ Abb. O.5.7.1 Röntgenspektrum mit Bremsstrahlungsspektrum und Spektrum der charakteristischen Röntgenstrahlung Die Röntgenstrahlung ist für das Anodenmaterial typisch und entspricht ungefähr dem optischen Linienspektrum eines Stoffs im gas- oder dampfförmigen Zustand. Auch Festkörper emittieren im Röntgenbereich einzelne, scharfe Linien, deren Lage, anders als das in den äußeren Schalen der Atomhülle erzeugte sichtbare Licht, kaum von der chemischen Umgebung der emittierenden Atome oder vom Aggregatzustand des Stoffs abhängt. Abb. O.5.7.2 verdeutlicht die dem Schalenmodell der Atomhülle angepasste Nomenklatur für die Linien der charakteristi- Zwischen den Schalen sind Übergänge in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Quantenmechanik möglich, die je nach Richtung mit der Absorption oder Emission von Strahlung verbunden sind. Dabei tritt z. B. Strahlung aus Übergängen zur K-Schale als Serie benachbarter Linien auf, die mit KD, KE, KJ usw. bezeichnet werden. Von KD ausgehend nimmt die Energie der Übergänge zu bzw. die zugehörige Wellenlänge ab. Beim Einsatz hochauflösender Goniometer wird eine Aufspaltung der K-Linien nachweisbar. Die KD-Linie spaltet dadurch z. B. in die beiden dicht nebeneinander liegenden Linien KD1 und KD2 auf (Feinstruktur als Folge der Nebenquantenzahlen). Die Energie und damit auch die Wellenlänge von Röntgenstrahlen können mittels eines geeigneten Röntgenenergiedetektors sehr einfach bestimmt werden. Grundelement eines solchen Detektors kann z. B. eine Halbleiterdiode sein, die zur Verringerung des Rauschuntergrunds oft mit einem Peltier-Element gekühlt wird. Be- 5.7 Röntgenstrahlung 315 strahlt man eine Probe mit hochenergetischen Röntgenphotonen, emittiert diese charakteristische Röntgenstrahlung, deren Energie von der Ordnungszahl des Elements des Probenmaterials abhängt. Nach dem von H. Moseley empirisch gefundenen und nach ihm benannten Gesetz ist die Frequenz f der entsprechenden charakteristischen Linien proportional zum Quadrat der Ordnungszahl Z. In Form einer allgemeinen Gleichung ausgedrückt lautet es: f § 1 1 · f R ( Z K )2 ¨ 2 2 ¸ , © n1 n2 ¹ (29) Rydberg-Frequenz fR, Abschirmungskonstante K, Hauptquantenzahlen der inneren (n1) und äußeren (n2) Schale. Wenn die Probe eine chemische Verbindung oder ein Gemisch darstellt, ist auch ihr Fluoreszenzspektrum von komplexer Natur. Da die inneren Elektronenschalen, zwischen denen die Röntgen-Übergänge stattfinden, nicht in die chemische Bindung einbezogen werden, sind auch die charakteristischen Linien weitgehend von der chemischen Bindung des Elements unabhängig. Somit sind deren Röntgenfluoreszenz-Spektren in erster Näherung eine Überlagerung von Spektren ihrer Komponenten. Um eine qualitative Analyse der chemischen Zusammensetzung einer Probe durchzuführen, werden zunächst alle im Fluoreszenzspektrum vorhandenen Peaks den Elementen zugeordnet. Dies geschieht mit Hilfe von Tabellenwerten für die Energien der charakteristischen Linien. Für die Zuordnung wird auch das „Muster“ jeder Spektralserie berücksichtigt. So muss zusammen mit der KD-Linie die KE-Linie mit einer ca. fünf- bis zehnmal kleineren Intensität im Spektrum vorhanden sein. Die LDLinie erscheint in Begleitung von der LELinie mit ähnlicher Intensität und die LJLinie mit geringerer Intensität. Die Aussagen über die relativen Anteile einzelner Elemente in der Verbindung können anhand der relati- ven Intensitäten ihrer Fluoreszenz-Linien gemacht werden. Soll jedoch eine quantitative Analyse durchgeführt werden, spielen so genannte Matrixeffekte eine wesentliche Rolle. Die Oberflächenqualität und die geometrische Beschaffenheit der Probe sowie spezielle Parameter (Ansprechzeit, Totzeit) des Messsystems sind ebenfalls bei der Auswertung zu berücksichtigen. Zur quantitativen Bestimmung der Massenanteile in einer Probe kann die Tatsache ausgenutzt werden, dass die Höhe H0 eines Peaks eines elementaren Materials, z. B. eines reinen Metalls, zur Anzahl der strahlenden Atome n0 proportional ist. Sie ist bestimmt durch: n0 Sd U . A Dabei sind S die bestrahlte Fläche, d die effektive Schichtdicke, ȡ die Dichte und A das Atomgewicht des Stoffs. Die Anzahl der Atome in einer Legierung ergibt z. B. eine Peak-Höhe H und in guter Näherung kann mit der Verhältnisgleichung H H0 n n0 V U H A H0 (30) der Wert von n ermittelt werden. H und H0 beschreiben die Höhen zugehöriger Peaks des zu analysierenden Stoffs bzw. des Referenzmaterials (Elements) und V das analysierte Volumen. Für den relativen Masseanteil Ci des i-ten Elements in einer Legierung ergibt sich damit Ci ni Ai ¦ ni Ai i Ui ( H i H 0 i ) . ¦ Ui ( H i H 0 i ) (31) i Versuchsausführung Die Messungen werden mit einem Röntgengerät durchgeführt, das eine Molybdänanode enthält. Die Röhrenhochspannung liegt erfahrungsgemäß im kV-Bereich, und die Messungen sind bei kleinen Emissionsströmen zu 316 Optik und Atomphysik beginnen. Die Aufnahme der Energiespektren erfolgt mit einem computergestützten Messwerterfassungssystem, wobei zur Impulshöhenanalyse ein Energiedetektor (Vielkanalanalysator) verwendet wird. Der Energiedetektor wird senkrecht zum Röntgenstrahl positioniert und die Probe auf dem Probenhalter unter einem Winkel von 45 Grad unterhalb des Energiedetektors befestigt. Zur Energiekalibrierung nimmt man bei Aufgabe 1 das Energiespektrum eines Kalibriertargets (verzinkter Stahl) auf und ordnet die Peaks den beiden Elementen zu. Mit bekannten Energien, z. B. der Fe-KĮLinie (6,40 keV) und der Zn-KĮ-Linie (8,63 keV) erfolgt eine Zweipunktkalibrierung der Energiekanäle des Detektors. Nach erfolgter Energiekalibrierung werden in Aufgabe 2 in gleicher Weise die Spektren der verschiedenen Legierungen aufgenommen und die jeweiligen Peak-Schwerpunkte bestimmt. Die damit erhaltenen Energiewerte werden mit den am Arbeitsplatz ausliegenden Tabellenwerten bzw. mit den in der bereitgestellten Software enthaltenen Referenzwerten verglichen. Anschließend können die Komponenten der Legierungen bestimmt werden. Bei Aufgabe 3 werden zunächst die Peaks im Spektrum der Messingprobe (Cu-ZnLegierung) identifiziert. Da es zwischen den Peaks von Cu und Zn zu einer teilweisen Überlagerung kommt, ist eine Entfaltung mit separaten Gauß-Kurven erforderlich. Aus den mit einer zur Verfügung gestellten Software angepassten Gauß-Verteilungen werden die Höhen Hi der jeweiligen Peaks ermittelt und mit den Referenzspektren der identifizierten Elemente erhält man die zugehörigen PeakHöhen H0 i. Mittels Gl. (31) kann dann der prozentuale Anteil der ermittelten Bestandteile des Messings berechnet werden. Die erforderlichen Dichten sind dem Anhang A.7 zu entnehmen. Auf Grund von sekundären Fluoreszenzerscheinungen in Kupfer-ZinkLegierungen kann ein zu hoher Kupfergehalt erhalten werden. 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik 6.0 Grundlagen Viele physikalische Gesetze enthalten Fundamentalkonstanten, die die Eigenschaften des Vakuums sowie fundamentale Wechselwirkungen charakterisieren und nur durch Experimente bestimmt werden können. Dazu gehören u. a. die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c0, die Elementarladung e, die Avogadro-Konstante NA, die Boltzmann-Konstante k, das Planck’sche Wirkungsquantum h, die Elektronenmasse me und die Gravitationskonstante G. Im Folgenden werden Methoden zur Bestimmung von Fundamentalkonstanten beschrieben, die relativ einfache Versuchsanordnungen erfordern. Die Elementarladung e kann z. B. mit Hilfe des Millikan-Versuchs (O.6.2) ermittelt werden. Bei einem einwertigen Elektrolyten ist die Faraday-Konstante F die bei der Elektrolyse überführte Ladungsmenge Q pro Mol F = Q/NA und bei Kenntnis von e kann man die Avogadro-Konstante bestimmen: NA F . e (1) Die Bedeutung der Avogadro-Konstante liegt darin begründet, dass mit ihr eine Umrechnung von mikroskopischen auf makroskopische Größen möglich ist. Bei Kenntnis von NA lassen sich weitere Fundamentalkonstanten berechnen. Die Protonenmasse mp lässt sich z. B. durch Wägung aus der Masse M eines Mols Wasserstoff bestimmen. Da M(H2)/NA gleich der Masse von zwei Wasserstoffatomen ist, folgt mp 1 M H2 me . 2 NA (2) 6.1 Lichtgeschwindigkeit 317 Dabei liefert die Elektronenmasse me nur eine geringe Korrektur. Analog ergibt sich die Neutronenmasse mn aus der Wägung von Deuterium. Die Boltzmann-Konstante k lässt sich mit der bekannten Gaskonstanten R mit k R NA (3) berechnen. Die Größe von R kann z. B. mit einer Methode bestimmt werden, bei der man eine genau messbare Ladung einer bekannten Gasmenge durch Elektrolyse abscheidet und deren Zustandsgrößen Druck p, Volumen V und Temperatur T misst. Eine Bestimmung der Elektronenmasse me kann durch die Messung der Ablenkung von Elektronenstrahlen in einem magnetischen Feld bestimmt werden (O.6.4). Es ergibt sich die spezifische Ladung e/me, aus der man me mit dem bekannten Wert für e berechnen kann. Alle Methoden zur Bestimmung des Planck’schen Wirkungsquantums h beruhen auf dem quantenhaften Charakter der Wechselwirkung zwischen Licht und Materie. Am einfachsten zu überblicken ist die Ermittlung von h/e aus der Einstein’schen Gleichung zum äußeren Photoeffekt (O.6.3.1) oder aus der kurzwelligen Grenzwellenlänge des Spektrums der Röntgenstrahlung (O.6.3.2). Während diesen Methoden die Umwandlung der Energie eines Lichtquants in kinetische Energie zugrunde liegt, stellt der FranckHertz-Versuch (O.6.5) im physikalischen Sinne die Umkehrung dazu dar: Die kinetische Energie von Elektronen wird bei unelastischen Zusammenstößen mit Atomen in die Energie eines Lichtquants umgewandelt. Dieser Versuch vermittelt die Realisierung einer Messmethode zur Bestimmung von h/e, wenn man neben den Anregungspotentialen auch die Frequenz des emittierten Lichts misst. Als eine weitere Methode zur Ermittlung von h wird in O.6.6 die Berechnung von h aus der Rydberg-Konstanten des Wasserstoffatoms beschrieben. 6.1 Lichtgeschwindigkeit Aufgabenstellung 1. Die Lichtgeschwindigkeit c ist in verschiedenen Stoffen mit einem elektronischen Modulationsverfahren zu bestimmen. 2. Es soll die Brechzahl n verschiedener Stoffe ermittelt werden. Die Geschwindigkeit des Lichts im Vakuum c0 gehört zu den Naturkonstanten. Wie die Relativitätstheorie beschreibt, ist sie unabhängig von den Geschwindigkeiten der Quelle bzw. des Empfängers. In einem Stoff (Medium) ergibt sich die Geschwindigkeit des Lichts aus den Maxwell‘schen Gleichungen zu c 1 H H 0 P P0 . (4) Dabei sind H0 die elektrische, P0 die magnetische Feldkonstante, H die Dielektrizitäts- und P die Permeabilitätszahl des Mediums. Die Brechzahl n eines Mediums ist das Verhältnis der Geschwindigkeiten des Lichts im Vakuum c0 und im entsprechenden Medium c n c0 c PH . (5) Für die meisten transparenten Stoffe ist ȝ = 1. Die Dielektrizitätszahl H und die Brechzahl n sind frequenz- bzw. wellenlängenabhängige Größen, d. h., es gilt n = n (O) (Dispersion O.3.0.1). Versuchsausführung Bei der eingesetzten Methode wird die Geschwindigkeit eines sinusförmig modulierten Lichtsignals durch Phasenvergleich bestimmt. Der Abstand zweier Messpunkte gleicher Phase ist dann ǻs = Ȝ. Eine zusätzliche Messung der Modulationsfrequenz erlaubt die Berechnung der Ausbreitungsge- 318 Optik und Atomphysik 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik schwindigkeit c aus der fundamentalen Beziehung der Wellenausbreitung c O f . (6) Gl. (6) ist eine Dispersionsrelation, die Teilchen- (Frequenz f) und Welleneigenschaften (Wellenlänge Ȝ) über die Größe der Ausbreitungsgeschwindigkeit c miteinander verknüpft. Die Modulation ist erforderlich, da die Frequenz des Lichts f § 1015 Hz nicht direkt messbar und die Messung der Wellenlänge zwar prinzipiell möglich, aber sehr aufwendig ist. Beträgt dagegen die Frequenz der Modulationswelle z. B. f = 50 MHz, ist die Wellenlänge Ȝ § 6 m. Für die Durchführung der Messungen wird rotes Licht einer Senderdiode (LED, Light Emitting Diode) mit bekannter Wellenlänge O verwendet. An der Senderdiode liegt eine hochfrequente Wechselspannung an, so dass die Intensität des emittierten Lichts periodisch moduliert wird. Der Modulationsfrequenz von 50 MHz entspricht eine Periodendauer von T = 2·10-8 s. Das Licht, das nach Durchlaufen einer gewissen Wegstrecke auf die Empfängerdiode (Photodiode) trifft, erzeugt an dieser eine Wechselspannung mit der gleichen Frequenz, die Phasenlage wird im Allgemeinen jedoch verschieden sein. Über die Phasenbeziehung zwischen beiden Spannungen ist zunächst keine Aussage möglich, da die einzelnen Perioden nicht unterschieden werden können. Misst man jedoch den Lichtweg, für den die Phasenverschiebung null ist, und einen zweiten Lichtweg, für den sich die Phasenlage des Empfängersignals gerade um 180° (im Bogenmaß ʌ) verschoben hat, kann die Laufzeitdifferenz zwischen den beiden Lichtwegen z. B. für f = 50 MHz errechnet werden: 't 1 1 2 f 108 s . (7) Mit der Differenz ǻl beider vom Licht durch- laufenen Wegstrecken ergibt sich für die Lichtgeschwindigkeit: c 'l 't . (8) Ein sehr empfindlicher Phasenvergleich ist mit Hilfe eines Oszilloskops möglich. Legt man die beiden zu vergleichenden Wechselspannungen an den X- und den Y-Eingang des Oszilloskops, erscheint auf dem Bildschirm eine Lissajous-Figur. Bei zwei Spannungen gleicher Frequenz ergibt sich eine Ellipse (da die Amplituden der Spannungen nicht exakt gleich sein werden). Die Lage der Ellipse hängt vom Phasenverhältnis beider Spannungen ab (vgl. E.3.1). Beim Phasenunterschied null oder ʌ (bzw. ganzzahlige Vielfache von ʌ) wird die Ellipse zu einer Geraden. Das zur Messung der Lichtgeschwindigkeit verwendete Gerät gestattet keinen direkten Vergleich der Phasenverschiebung bei 50 MHz. Deshalb wird den Spannungen von Sender und Empfänger (Frequenz f1 = 50,1 MHz) zusätzlich eine hochfrequente Spannung der Frequenz f2 = 50,05 MHz über lagert (Abb. O.6.1.1). Die zur Anwendung kommende Methode wird auch als multiplikative Mischung bezeichnet. Diese verwendet man häufig zur Konvertierung eines Signals hoher Frequenz in ein Signal tieferer Frequenz unter Beibehaltung der ursprünglichen Phaseninformation. Dabei wird ein hochfrequentes Signal uA(t) mit der Frequenz f1 mit einem Signal uB(t) der Frequenz f2 multipliziert, dessen Frequenz sich nur wenig von der Frequenz des Originalsignals unterscheidet. Nach der multiplikativen Mischung ergibt sich ein zusammengesetztes Signal uM (t ) mit einer tieferen (Differenzfrequenz f1 f 2 ) und einer höheren Frequenz (Summenfrequenz f1 f 2 ): uM (t ) uA (t ) uB (t ) uˆA cos(2 ʌ f1 t M ) uˆB cos(2 ʌ f 2 t ) , 6.1 Lichtgeschwindigkeit uM (t ) 319 ­cos[2 ʌ ( f1 f 2 ) t M ] ½ 1 uˆA uˆB ® ¾. 2 ¯cos[2 ʌ ( f1 f 2 t ) M ] ¿ Durch Abtrennung des hochfrequenten Anteils mittels elektronischer Filterung verbleibt im Signal nur noch die tieffrequente Komponente. S f Hz f 1000 G 50,1MHz G X 50,05MHz Y ϕ Δx Abb. O.6.1.1 Schema des Versuchsaufbaus zur Messung der Lichtgeschwindigkeit in Luft mit einem Modulatiosnverfahren (multiplikative Mischung) Dementsprechend lässt sich das Ausgangssignal am Ausgang der elektronischen Mischstufe durch uM (t ) 1 uˆA uˆB cos ¬ª 2ʌ f1 f 2 t M ¼º 2 beschreiben, wobei die Phasenverschiebung konstant bleibt. Jedoch entspricht diese Phasenverschiebung jetzt einer anderen Zeitskala als derjenigen bei der ursprünglichen Modulationsfrequenz von f1, da die Zeitskala um den Faktor f1/(f1f2) größer geworden ist. Dementsprechend gilt für eine Zeitdifferenz 't die Umrechnung 't f1 f 2 ' tM . f1 Dabei ist 'tM die nach der Mischung z. B. mit einem Oszilloskop gemessene Zeitdiffe- renz zwischen Empfänger- und Sendersignal, letzteres in derselben Weise wie das Empfängersignal gemischt. In dem oben beschriebenen Beispiel ergeben sich zwei Spannungen mit einer Frequenz von etwa 50 kHz für die Messung zum Phasenvergleich. Der Umlenkspiegel (S) und die Linsen werden so justiert, dass die hin- und zurücklaufenden Lichtstrahlen parallel zur Grundplatte verlaufen und das Signal der Empfangsdiode maximal wird. Zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit in Luft wird der Umlenkspiegel zuerst möglichst dicht an das Betriebsgerät gestellt. Mit Hilfe eines Phasenreglers wird die Lissajous-Figur am Oszilloskop zu einer Linie (z. B. Gerade mit positivem Anstieg) verformt. Nun wird der Spiegel um ǻx verschoben, bis sich die Phase um ʌ geändert hat. Diese Messungen sind mehrmals zu wiederholen. 320 Optik und Atomphysik 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik Zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit in einem vorgegebenen Medium wird dieses so in den Strahlengang gebracht, dass die Endflächen senkrecht zur optischen Achse stehen. Mit Hilfe des Phasenabgleichs wird die Lissajous-Figur am Oszilloskop zunächst wieder zu einer Linie verformt. Das Medium wird dann aus dem Strahlengang entfernt und der Spiegel um ǻx soweit verschoben, bis die Lissajous-Figur wieder die gleiche Phase wie bei der Messung mit dem Medium aufweist. Mit Hilfe eines Digitalzählers kann die Frequenz f / 1000 mit hoher Genauigkeit überprüft werden. Bei allen Messungen ist eine exakte Justierung des Strahlengangs erforderlich (maximale Intensität auf der Empfängerfläche der Photodiode). Steht keine Spiegelanordnung zur Reflexion des ausgesendeten Lichtstrahls zur Verfügung, reduziert sich der Lichtweg auf den einfachen Abstand zwischen Sender und Empfänger. Dann wird es zweckmäßig sein, die Phasenverschiebung bzw. die Zeitverschiebung zwischen Senderund Empfängersignal für verschiedene Wegstrecken des Lichts zu messen und diese statistisch oder graphisch auszuwerten. Zur Messung der Lichtgeschwindigkeit bei Aufgabe 1 in Luft wird der Lichtweg um ǻl = 2ǻx (Abb. O.6.1.1) vergrößert, so dass eine Phasenänderung um ʌ eintritt. Das Licht benötigt für diesen Weg 't 'l 't 4 'x f . t1 1 1 (l1 lM ) + lM . cL cM (1) M lM (10) x2 Δx x1 x2 (2) Abb. O.6.1.2 Messung der Lichtgeschwindigkeit für transparente Medien: Messung mit Medium M (1) und mit Luft (2) Mit der zweiten Messung (ohne Medium) legt das Licht die Strecke l2 = l1 + 2ǻx in der Zeit t2 1 (l1 2 ǻ x) cL (11) zurück. Da die Phasenbeziehung zwischen Sender und Empfänger in beiden Fällen gleich ist, gilt demzufolge 1 , 2f wobei f die Modulationsfrequenz des roten Lichts, 50,1 MHz ist. Damit ergibt sich für die Lichtgeschwindigkeit cL in Luft: cL Bei der ersten Messung (mit Medium) legt das Licht in der Zeit t1 eine Gesamtstrecke l1 = 2 x1 + x2 zurück, wobei die Strecke (l1lM) mit der Lichtgeschwindigkeit cL und die Strecke lM mit cM durchlaufen wird. Damit ergibt sich für t1 (9) Anschließend wird die Messung der Lichtgeschwindigkeit in einem transparenten Medium mit Hilfe von Vergleichsmessungen durchgeführt (Abb. O.6.1.2). t1 t2 k f ,k 0,1, 2,3,... . (12) Mit der in sehr guter Näherung erfüllten Beziehung cL = c0 folgt für die Brechzahl n n c0 cM 1 2'x k cL . lM f lM (13) Die Messungen sind für zwei verschiedene Medien durchzuführen. 6.2 Elementarladung 6.2 Elementarladung Aufgabenstellung Es ist die Elementarladung durch Messen der Sink- und Steiggeschwindigkeit von Öltröpfchen im elektrischen Feld einer MillikanKammer zu ermitteln. Die Messwerte sollen in einem Histogramm graphisch dargestellt und statistisch ausgewertet werden. Kleine Flüssigkeitströpfchen sind im Allgemeinen geladen. Ihre Ladung ist notwendigerweise ein ganzzahliges Vielfaches der Elementarladung. Betrachtet man ein in Luft befindliches geladenes Tröpfchen in einem vertikal gerichteten elektrischen Feld E, wirken die Beträge der folgenden Kräfte: 1. Summe von Schwerkraft F0 im Gravitationsfeld der Erde und Auftriebskraft FA in Luft: F0 FA 4ʌ 3 r ( U UL ) g . 3 2. Stokes’sche Reibungskraft in Luft (M.6.1): FW 6 ʌK r v . Das Minuszeichen steht, weil die Reibungskraft immer der beabsichtigten Bewegungsrichtung entgegengerichtet ist. 3. Elektrische Kraft: Fe rqE , Ihre Richtung hängt von der Richtung des Felds ab (positives Vorzeichen bedeutet Feldstärke in Richtung der Schwerkraft für positive Ladungen). Dabei sind r der Radius, q die Ladung und U die Dichte des Tröpfchens, U L die Dichte der Luft, K der Koeffizient der inneren Reibung der Luft und E die Feldstärke. Unter Einwirkung dieser Kräfte bewegt sich das Tröpfchen bereits nach kurzer Zeit 321 gleichförmig mit der Geschwindigkeit v. Sind elektrisches Feld und Schwerkraft gleichgerichtet, ergibt sich 4ʌ 3 r ( U U L ) g 6ʌK rv qE 3 0 , (14a) sind sie entgegengerichtet, erhält man 4ʌ 3 r ( U U L ) g 6ʌK rv qE 3 0 . (14b) Ohne elektrisches Feld errechnet man die Fallgeschwindigkeit v0 aus 4ʌ 3 r ( U U L ) g 6ʌK rv0 3 0 . (14c) Die Addition der Gln. (14a) und (14b) liefert 8ʌ 3 r ( U UL ) g 3 6ʌK r (v v ) , woraus sich der Tröpfchenradius ergibt: r 3 2 K (v v ) . g ( U UL ) (15) Bildet man die Differenz der Gln. (14a) und (14b) und berücksichtigt außerdem Gl. (15), erhält man für die Ladung des Tröpfchens q 3ʌ K r (v v ) E (16) bzw. q 9 K3 1 ʌ 2 g ( U U L ) E (16a) (v v ) (v v ) . Die Gleichung für die Stokes’sche Reibungskraft setzt voraus, dass sich die kugelförmigen Tröpfchen in einem homogenen Medium bewegen. Diese Voraussetzung ist aber bei dem vorliegenden Experiment nur schlecht erfüllt, da die Radien der Tröpfchen r in der Größenordnung der mittleren freien Weglänge O in Luft bei Normaldruck liegen. Diese 322 Optik und Atomphysik 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik Tatsache wird durch eine Korrektur der dynamischen Viskosität der Luft berücksichtigt (Cunningham-Korrektur): 1 § O· K K0 ¨1 0,63 ¸ . r¹ © (17) Die Viskosität K0 beschreibt den für große Tröpfchendurchmesser gültigen Koeffizienten der inneren Reibung. Bei der Berechnung von q nach Gl. (16) muss deshalb die Viskosität nach Gl. (17) verwendet werden, wobei der Wert von O bekannt und der Tröpfchenradius experimentell zu ermitteln ist. Versuchsausführung Zur Messung werden in einen seitlich beleuchteten Kondensator (Abb. O.6.2.1) Öltröpfchen mit Hilfe eines Zerstäubers eingeblasen, wodurch gleichzeitig eine Ladung der Öltröpfchen erfolgt. Gesichtsfeld Polwender E U0 Kondensator Abb. O.6.2.1 Schema des Versuchsaufbaus zur Bestimmung der Elementarladung nach Millikan Diese Tröpfchen beobachtet man mit einem Mikroskop mit kalibrierter Okularskala; die optische Achse des Mikroskops steht dabei senkrecht zum elektrischen Feld und zum einfallenden Licht (Dunkelfeldbeleuchtung, die Tröpfchen erscheinen hell auf dunklem Grund). Man wählt ein Tröpfchen aus, schaltet das elektrische Feld ein und ermittelt die Zeit, in der es eine bestimmte Anzahl von Marken der Okularskala passiert. Noch ehe das Tröpfchen den Skalenrand verlässt, polt man das Feld um und misst in gleicher Weise bei entgegengesetzt gerichte- tem Feld die Zeit für die zurückgelegte Wegstrecke. Anschließend bestimmt man die Geschwindigkeit v0 des freien Falls ohne elektrisches Feld. Zur Auswertung überprüft man zunächst, ob die folgende Beziehung 2v0 v v innerhalb der Fehlergrenzen der Geschwindigkeitsmessung erfüllt ist. Ist das nicht der Fall, sind die Messwerte infolge von Umladungen des Tröpfchens während der Messung verfälscht und deshalb unbrauchbar. Ist obige Beziehung erfüllt, berechnet man zunächst nach Gl. (15) den Tröpfchenradius r. Man setzt hier für K näherungsweise K | K0. Für die Berechnung von K0 wird die zugeschnittene Größengleichung K0 kgm1s 1 [1,835 105 4,9 108 (20 - )] genutzt, dabei ist - der Zahlenwert der in Grad Celsius gemessenen Temperatur im Kondensator. Die Temperatur wird mit einem Digitalthermometer mehrfach während der gesamten Versuchszeit gemessen. Mit Hilfe des so gewonnenen Näherungswerts für den Tröpfchenradius berechnet man nach Gl. (17) den für diesen Radius gültigen K -Wert ( O = 610-8 m für Luft unter Normbedingungen). Die Feldstärke E ermittelt man aus der angelegten Spannung U0 und dem bekannten Abstand d der Kondensatorplatten; für die Dichte U der Tröpfchen benutzt man den Wert für das verwendete Öl. Es sind möglichst viele Tröpfchen auszumessen; die Größe der Elementarladung erhält man aus den q-Werten als größten gemeinsamen Teiler. Eventuell auftretende Strömungseffekte, die z. B. durch das Einströmen der Öltröpfchen und Temperaturdifferenzen verursacht werden, können zu Turbulenzen in der Messkammer und damit zu systematischen Abweichungen führen. Ein geeigneter Wärmefilter kann den Wärmeeintrag in die Konden- 6.3 Planck’sches Wirkungsquantum 323 satorkammer durch die Beleuchtungsquelle abschwächen. Um die Genauigkeit bei der Zuordnung zu den Vielfachen der Elementarladung zu erhöhen, kann mit einem bereits aus mehreren hundert Messungen bestehender Datensatz und den eigenen Ergebnissen ein Häufigkeitsdiagramm angefertigt und statistisch analysiert werden. 6.3 Planck’sches Wirkungsquantum 6.3.1 Äußerer Photoeffekt Aufgabenstellung Es sind das Planck‘sche Wirkungsquantum und die Grenzfrequenz zu bestimmen. Als äußeren photoelektrischen Effekt bezeichnet man die Erscheinung, dass durch Einwirkung von elektromagnetischer Strahlung Elektronen aus einem Material freigesetzt werden, wobei das ursprünglich eingestrahlte Photon im Material (vollständig) absorbiert wird. In Abb. O.6.3.1 ist das Prinzipschema des Versuchsaufbaus zur Messung des äußeren lichtelektrischen Effekts dargestellt. quelle, einem Strom- und Spannungsmessgerät, einer Beleuchtungseinrichtung und einer Photozelle. Letztere stellt im Allgemeinen einen evakuierten Kolben dar, in dem sich die Photokatode und die Anode, die zum Sammeln der aus der Kathode ausgelösten Elektronen dient, befinden. Fällt nun Licht (Abb. O.6.3.1) auf die Photokathode, ist (unter bestimmten Voraussetzungen) am Messgerät ein Stromfluss nachweisbar. Zum Verständnis dieses Phänomens ist es von Vorteil, sich zunächst die physikalische Zustand in der Photokatode zu veranschaulichen (Potentialtopf-Modell Abb. O.6.3.2). Metalle sind elektrische Leiter mit Elektronen als frei bewegliche Ladungen (Elektronengas) und positiv geladenen Atomrümpfen (Metallgitter). Die Wechselwirkung beider kann hierbei zunächst vernachlässigt werden. Soll ein Elektron aus dem Gitterverband herausgelöst werden, muss dem Elektron Energie zugeführt werden. Alle Elektronen im Metallinneren haben auch bei T = 0 eine von Null verschiedene kinetische Energie Ekin,i, die aber einen bestimmten Betrag, die so genannte Fermi-Energie EF, nicht übersteigt. EF ist somit das höchste Energieniveau eines Elektrons im Metall bei T = 0. E K - A Ekin,a hf hf Φ EA Metall A Außenraum EF V Epot,a Epot,i e- Ekin,i x + – U Abb. O.6.3.1 Prinzip des Versuchsaufbaus beim äußeren photoelektrischen Effekt Der Messplatz besteht aus einer Spannungs- Abb. O.6.3.2 Potentialtopfmodell für freie Elektronen an der Grenzfläche Metall/Vakuum Bei höheren Temperaturen ist diese Grenze nicht mehr so scharf, was auf die zusätzliche 324 Optik und Atomphysik 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik thermische Energie der Elektronen zurückzuführen ist. Dieses Verhalten ist aber in diesem Versuch nicht von Bedeutung, da dieser Effekt unterhalb der Nachweisgrenze der Apparatur liegt. In Abb. O.6.3.2 (Potentialtopfmodell) ist ein freies Elektron durch seine Gesamtenergie Eges = Epot + Ekin charakterisiert. Es muss dem Elektron also noch die Energie EA zugeführt werden, damit es den Potentialtopf verlassen kann. Man bezeichnet diejenige Energie, die benötigt wird, um Elektronen von der Fermi-Energie aus dem Potentialtopf ins Vakuum zu bringen und die spezifisch für das jeweilige Metall ist, als Austrittsarbeit ). Wird also dem Elektron (das im Metallinneren eine Energie Ekin,i < EF besitzt und somit einen energetischen Abstand EA vom Vakuumniveau Epot,a hat) eine Energie E > EA > ) zugeführt, besitzt es im Außenraum eine kinetische Energie von Ekin,a me va 2 2 E EA . (18) Wird die Energie nun in Form von Licht zugeführt, kann man folgende Sachverhalte zusammenfassen: 1. Das Auftreten des photoelektrischen Effekts hängt nicht von der Intensität des eingestrahlten Lichts ab, sondern nur von dessen Frequenz f. 2. Dieses Verhalten ist nur erklärbar, wenn dem Licht auch ein Impuls und damit Teilchencharakter zugesprochen wird. Die Lichtteilchen (Photonen) stoßen mit den Elektronen zusammen und geben ihren Impuls und ihre Energie an diese weiter. 3. Photonen haben eine Energie E = h f, wobei die Proportionalitätskonstante das Planck‘sche Wirkungsquantum h ist. Bei dem beschriebenen Versuchsaufbau muss vermieden werden, dass auch aus der Anode Elektronen ausgelöst werden. Deshalb be- steht die Anode in der Regel aus einem dünnen ringförmig angeordneten Draht. Weiterhin verwendet man als Anodenmaterial ein Metall möglichst hoher Austrittsarbeit, während die Kathode aus einem Material mit möglichst niedriger Austrittsarbeit hergestellt ist (z. B. Kalium). Der photoelektrische Effekt lässt sich demnach auch in Form des Energieerhaltungssatzes darstellen, wobei va,max die Geschwindigkeit der Elektronen im Außenraum ist, die im Metallinneren die Fermi-Energie h f 2 me va,max 2 +) (19) hatten. Diese Tatsache macht man sich bei der Bestimmung des Planck‘schen Wirkungsquantums h zu Nutze. Legt man eine Gegenspannung zwischen Photokatode und Anode an, so dass der Photostrom gerade verschwindet, entspricht diese neue Potentialbarriere gerade der Energie der schnellsten Elektronen. Für die Gegenspannung UG ergibt sich damit: UG 2 me va,max 2e 1 h f ) . e (20) Versuchsausführung Zur Messung der Gegenspannung bei der Gegenfeldmethode wird die in Abb. O.6.3.3 dargestellte Schaltung genutzt. Zur Strommessung ist ein Gerät mit geringem Spannungsabfall zu verwenden, ggf. muss ein Gleichstromverstärker eingesetzt werden. Für die Beleuchtung der Photozelle kann man die Spektrallinien von Quecksilber nutzen, die mit geeigneten Filtern oder einem Monochromator aus dem Spektrum ausgeblendet werden. Bei jeder Lichtwellenlänge wird durch Einregeln des Potentiometers die Gegenspannung so eingestellt, dass kein Stromfluss mehr nachweisbar ist. Wesentlich für eine exakte Bestimmung ist dabei eine 6.3 Planck’sches Wirkungsquantum stabile und reproduzierbare Einstellung des Nullpunkts des hochempfindlichen Strommessgeräts. V A Rs U Abb. O.6.3.3 Schaltung zur Messung der Gegenspannung UG in einer Photozelle bei der Gegenfeldmethode (Vorwiderstand RS), Photostrom I wird mit einem hochempfindlichen Strommessgerät erfasst Wird die jeweilige gemessene Spannung UG über der Frequenz f des eingestrahlten Lichts graphisch dargestellt, erhält man eine Gerade mit der Steigung h/e. Ist e aus anderen Versuchen (z. B. Millikan-Experiment, O.6.2) bekannt, kann aus dem Anstieg der so genannten Einstein’schen Geraden die Größe von h bestimmt werden. Aus Gl. (20) folgt, dass aus dem Ordinatenabschnitt die Austrittsarbeit ) bestimmt werden kann. Es handelt sich jedoch dabei nicht, wie man zunächst vermutet, um die Austrittsarbeit der Kathode ) K. Werden zwei Metalle mit unterschiedlicher Austrittsarbeit elektrisch leitend miteinander verbunden, bildet sich eine Kontaktspannung UK aus. Deren Größe wird durch die Differenz der Austrittsarbeiten beider Metalle 1 ()A )K ) (21) e bestimmt, wobei )A die Austrittsarbeit der UK 325 Anode ist. Messtechnisch kann aber nur die Summe aus Gegenspannung und Kontaktspannung ermittelt werden. Bei Kombination der Gln. (20) und (21) wird die Austrittsarbeit )K der Kathode eliminiert und der Ordinatenabschnitt ergibt die Austrittsarbeit der Anode. Die Austrittsarbeit aus einer Metalloberfläche hängt sehr stark von der Kristallorientierung und von Verunreinigungen der Oberfläche (z. B. durch Restgasatome und Oxidation) ab. Deshalb ist der Photoeffekt wenig geeignet zur Bestimmung von Austrittsarbeiten. Ist h f < ), genügt die bei der Absorption des Lichts von den Elektronen aufgenommene Energie nicht zur Überwindung der Austrittsarbeit, es treten keine Elektronen aus. Der äußere lichtelektrische Effekt tritt daher nur oberhalb der Grenzfrequenz fg mit der Grenzwellenlänge Og auf: h c0 Og . (22) ) Nach den bisherigen theoretischen Betrachtungen ist zu erwarten, dass für negative Vorspannungen größer als die Gegenspannung UG kein Stromfluss festgestellt wird. In der Praxis ist dies aber nicht der Fall. Da sich auf der Gegenelektrode (Anode) nach einiger Zeit Kathodematerial ablagern kann, wird so auch die Gegenelektrode bei indirektem Lichteinfall zu einer Photokathode. Dieser sehr geringe Strom kann zu einer erheblichen Verfälschung der Gegenspannung führen, wenn der Nullpunkt der Strommessung nicht hinreichend genau bestimmbar bzw. stabil ist. Abschirmung V Abb. O.6.3.4 Messschaltung zur Bestimmung der Gegenspannung mit Hilfe der Kompensationsmethode 326 Optik und Atomphysik 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik Bei der Kompensationsmethode nach Abb. O.6.3.4 erfolgt die Beleuchtung der Photozelle in Analogie zur Gegenfeldmethode. Bei dieser Messmethode wird jedoch ein Kondensator durch die freigesetzten Elektronen so lange geladen, bis die Spannung U über dem Kondensator, die mit einem hochohmigen Spannungsmessgerät gemessen wird, gleich der Gegenspannung UG ist. Vor jeder neuen Messung ist der Kondensator mit dem Taster zu entladen. Die Auswertung erfolgt analog zur Gegenfeldmethode. 6.3.2 Röntgenbremsspektrum Aufgabenstellung 1. Es ist das Bremsstrahlungsspektrum bei verschiedenen Beschleunigungsspannungen aufzunehmen. 2. Aus den Bremsstrahlungsspektren soll die jeweilige Grenzwellenlänge der Röntgenbremsstrahlung ermittelt und damit das Planck‘sche Wirkungsquantum bestimmt werden. Das Bremsstrahlungskontinuum im Emissionsspektrum einer Röntgenröhre (vgl. dazu auch O.5.7) ist durch eine maximale Frequenz fmax bzw. durch die Grenzwellenlänge Omin gekennzeichnet (Abb. O.6.3.5). Nach dem Duane-Hunt’schen Verschiebungsgesetz, das den Zusammenhang zwischen der Beschleunigungsspannung Ua einer Röntgenröhre und der maximalen Frequenz bzw. der minimalen Wellenlänge beschreibt, gilt für letztere Omin v 1/Ua . Somit entspricht der Grenzwellenlänge Omin eine maximale Energie Emax = h fmax = (h c0) / Omin der emittierten Röntgenquanten. Eine maximale Energie erhält ein Röntgenquant aber nur dann, wenn es die gesamte kinetische Energie Ekin = e Ua eines in der Anode abgebremsten Elektrons aufnimmt. Für die Grenzwellenlänge Omin folgt damit Omin h c0 1 . e Ua (23) Sind c0 und e bekannt, kann mit Hilfe von Gl. (23) das Planck’sche Wirkungsquantum bestimmt werden. Versuchsausführung Zur Ermittlung der Grenzwellenlänge Omin wird eine Röntgenanlage mit einer BraggBrentano-Anordnung (Abb. O.6.3.6) genutzt. 3 2θ θ I 2 1 Ua Abb. O.6.3.6 Prinzipskizze einer Bragg-Brentano-Beugungsanordnung (1 Kollimator, 2 NaCl-Kristall, 3 Zählrohr) λmin λ Abb. O.6.3.5 Bremsstrahlungsspektrum einer Röntgenröhre, Intensität I in Abhängigkeit von der Beschleunigungsspannung Ua, Grenzwellenlänge Omin Dazu wird auf dem Goniometer ein NaClKristall optimal zur Lage des Detektors (Geiger-Müller-Zählrohr, O.5.1) positioniert. Aus dem Bragg’schen Reflexionsgesetz kann für den jeweiligen Streuwinkel T die zugehörige (Grenz-) Wellenlänge mit der Beziehung 6.4 Spezifische Ladung e/m des Elektrons n Omin 2 d sin T 327 (24) ermittelt werden, wobei n die Interferenzordnung beschreibt (erste Beugungsordnung n = 1) und ein Netzebenenabstand für NaCl von d = 282,01 pm eingesetzt wird. Für unterschiedliche Beschleunigungsspannungen (üblicherweise zwischen 20 kV und 35 kV) wird bei maximalem Emissionsstrom der jeweilige Intensitätsverlauf im Bereich der Grenzwellenlänge aufgenommen. Aus allen ermittelten Wertepaaren wird eine Graphik Ua-1 = f (Omin)) erstellt, und mit dem Anstieg der Ausgleichsgeraden kann entsprechend Gl. (23) das Planck’sche Wirkungsquantum mit den bekanten Werten für die Fundamentalkonstanten c0 und e (Anhang A.6) berechnet werden. 6.4 Spezifische Ladung e/m des Elektrons Aufgabenstellung Aus dem Krümmungsradius eines Elektronenstrahls in einem homogenen Magnetfeld ist in Abhängigkeit von der Beschleunigungsspannung und der magnetischen Flussdichte die spezifische Ladung e/m des Elektrons zu bestimmen. Bewegt sich ein Elektron in einem magnetischen Feld der Flussdichte B, unterliegt es dem Einfluss der Lorentz-Kraft F e v u B , e v u B . FA e vA B , (27) die senkrecht zur Bewegungsrichtung wirkt. Es bewegt sich dadurch auf einer Kreisbahn, deren Radius sich aus dem Gleichgewicht zwischen Zentrifugalkraft und Lorentz-Kraft (Radialkraft) ergibt: 1 me vA2 r e vA B . (28) Für den Radius erhält man die Beziehung r me vA . eB (29) Elektronen einheitlicher Geschwindigkeit erzeugt man, indem die aus einer Glühkathode austretenden Elektronen durch eine an die Anode angelegte Spannung UA beschleunigt werden und sie sich nach dem Passieren einer Lochblende in der Anode senkrecht zum Magnetfeld bewegen (Abb. O.6.4.1). Die Richtung des Magnetfelds zeigt in die Zeichenebene hinein. a UA b UW 2r c UH (25) seine Bewegungsgleichung lautet daher dv me dt wird entsprechend Gl. (25) nicht beeinflusst. Ein senkrecht zum Magnetfeld fliegendes Elektron unterliegt der Kraft (26) Den Vektor v zerlegt man zweckmäßigerweise in eine Komponente parallel ( v& ) und in eine senkrecht ( vA ) zum Magnetfeld. Ein parallel zum Magnetfeld fliegendes Elektron Abb. O.6.4.1 Schema zur e/m-Messung mit BFeld, a: Anode, b: Wehnelt-Zylinder, c: Heizung. Anodenspannung UA, Wehnelt-Zylinder-Spannung UW, Heizspannung UH Aus dem Energieerhaltungssatz me 2 vA 2 e UA (30) 328 Optik und Atomphysik 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik folgt dann 2e U A me vA (31) bzw. 2 me U A 1 , e B r (32) und somit ergibt sich für die spezifische Ladung des Elektrons: e me 2 UA . B2 r 2 (33) Das erforderliche homogene Magnetfeld wird mit einem Helmholtz-Spulenpaar erzeugt. In dem frei zugängigen Innenraum zwischen den Spulen ist das Magnetfeld weitgehend homogen und hat die Flussdichte (E.2.2) B 8 P0 I n . 125 R (34) Die Bahn der Elektronen wird dadurch sichtbar, dass sich in der nicht vollständig evakuierten Messröhre z. B. eine geringe Menge Wasserstoff befindet. Die mit den Wasserstoffmolekülen zusammenstoßenden Elektronen regen diese zur Lichtemission an. Bei einem Teil der Zusammenstöße entstehen positive Ionen. Sie bleiben wegen ihrer im Vergleich zu den Elektronen großen Masse in der Nähe des Entstehungsorts, d. h. auf der Elektronenbahn, und kompensieren durch ihre Ladung die Raumladung des Elektronenstrahls. Infolge dieser Raumladungsfokussierung entsteht ein enges Elektronenbündel (Fadenstrahl). Ist das Magnetfeld nicht hinreichend homogen, beobachtet man eine spiralförmige Bahnkurve senkrecht zur Achse des Helmholtz-Spulenpaars. Versuchsausführung Nach dem Einschalten der Versuchsapparatur, die einen konstanten Heizstrom für die Kathode liefert, beobachtet man nach einer gewissen Verzögerung bei genügend hoher Anodenspannung den Elektronenstrahl als Leuchtspur. Mit Hilfe der Wehnelt-Spannung kann der Elektronenstrahl in der Regel zusätzlich fokussiert werden. Der Radius r der sich nach dem Einschalten des B-Felds ausbildenden kreisförmigen Elektronenbahn wird bei verschiedenen Beschleunigungsspannungen UA und magnetischen Flussdichten B gemessen. Zur Auswertung bieten sich zwei Möglichkeiten an. Trägt man bei konstantem UA den Radius r über 1/B auf, ergibt sich nach Gl. (32) eine Gerade mit dem Anstieg S1, aus dem e/me ermittelt werden kann. Trägt man in einem zweiten Diagramm bei konstantem B die Größe r2 über UA auf, erhält man nach Gl. (33) eine Gerade mit dem Anstieg S2, aus dem wiederum e/me ermittelt werden kann. Die Anstiege S1 und S2 werden mittels linearer Regression bestimmt. Mögliche Ursachen für systematische Abweichungen (z. B. Magnetfeld der Erde, thermische Geschwindigkeit der Elektronen beim Austritt aus der Kathode) sollen diskutiert werden. 6.5 Franck-Hertz-Versuch Aufgabenstellung Das Anregungspotential von Quecksilber und Neon ist mit Hilfe des Elektronenstoßversuchs nach Franck und Hertz zu bestimmen. Daraus soll das Verhältnis h/e ermittelt werden. Atome können sich nur in diskreten Energiezuständen befinden, sie können daher nur Energiebeträge aufnehmen oder abgeben, die gerade Energiedifferenzen zwischen erlaubten Energieniveaus entsprechen. Ein Nachweis für den quantenhaften Charakter der Energieübertragung wird durch den Elektronenstoßversuch von J. Franck und G. Hertz erbracht. 6.5 Franck-Hertz-Versuch 329 Der für die Versuchsausführung erforderliche Versuchsaufbau ist in Abb. O.6.5.1 schematisch dargestellt. In einer mit Hg-Dampf gefüllten Triode beschleunigt man die von der geheizten Kathode (Heizspannung Uh) emittierten Elektronen durch eine positive Gitterspannung U; zwischen Gitter und Anode liegt ein Bremspotential Ug von etwa 0,5 V. Ia A Ug V U V Uh Abb. O.6.5.1 Schaltung zur Messung des Anregungspotentials von Gasen Misst man die Stärke des Anodenstroms Ia als Funktion der Beschleunigungsspannung U, erhält man die in Abb. O.6.5.2 schematisch dargestellte Kurve. Bei niedriger Spannung steigt der Strom wie in einer Hochvakuumröhre mit wachsender Spannung an, sinkt jedoch beim Erreichen einer bestimmten Spannung plötzlich ab. Ia 1 2 3 U0 U Abb. O.6.5.2 Messkurve beim Franck-HertzVersuch (Parameter Röhrentemperatur: Röhre zu kalt (1), Röhre richtig temperiert (2), Röhre zu heiß (3) Nach Durchlaufen des entsprechenden elektrischen Felds zwischen Kathode und Anode haben die Elektronen genügend Energie, um die Hg-Atome anzuregen, während bei niedrigerer Energie die Zusammenstöße völlig elastisch sind. Bei der Anregung der HgAtome verlieren die Elektronen fast ihre gesamte Energie und können daher nicht mehr das Bremspotential Ug überwinden. Weitere Minima in der Anodenstromkurve entstehen infolge der aufeinanderfolgenden Anregung von zwei oder mehr Atomen durch das gleiche Elektron. Der Abstand zwischen zwei aufeinander folgenden Minima ist gleich dem Anregungspotential U0 der HgAtome; infolge der Differenz der Austrittsarbeiten von Kathode und Anode kann jedoch das erste Minimum bei einer von U0 abweichenden Spannung liegen. Die angeregten Atome gehen unter Lichtemission wieder in den Grundzustand über, die Energie der ausgestrahlten Lichtquanten ist dabei gleich e U0. Man kann daher bei gleichzeitiger Bestimmung der Energie h f der Lichtquanten die Größe h/e = U0 / f ermitteln. Für Neon gelten die gleichen Aussagen, jedoch tritt in diesem Fall eine andere Differenz der Spannung zwischen den einzelnen Peaks auf. Versuchsausführung Um sich einen Überblick zur Abhängigkeit des Anodenstroms von der Beschleunigungsspannung zu verschaffen, kann die in Abb. O.6.5.3 angegebene Schaltung benutzt werden. An der Kathode der Messröhre liegt eine Sägezahnspannung, die man z. B. der Zeitablenkung eines Oszilloskops entnimmt. Dadurch wird die Beschleunigungsspannung U linear mit der Zeit t erhöht. Der am Widerstand R entstehende Spannungsabfall ist proportional zur Stromstärke Ia. Benutzt man diesen nach entsprechender Verstärkung für die Vertikalablenkung und die Sägezahnspannung für die Horizontalablenkung, erhält man auf dem Oszilloskopschirm die Abhängigkeit I a f (U a ) dargestellt. 330 Optik und Atomphysik Ug y 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik R x G f Uh Abb. O.6.5.3 Schaltung zur Optimierung der Messbedingungen für den Elektronenstoßversuch von Franck und Hertz Damit können sehr praktisch die bestmöglichen Betriebsbedingungen für die Messung von U0 ermittelt werden. Der Kurvenverlauf wird von der Größe der Gegenspannung Ug und der Kathodenheizung beeinflusst und hängt stark von der mittleren freien Weglänge der Elektronen in der Röhre und damit vom Dampfdruck des Quecksilbers ab. Letzterer lässt sich durch Änderung der Temperatur der Röhre regulieren, die sich vollständig in einem elektrisch geheizten Ofen befindet. Nach Ermittlung der optimalen Messbedingungen nimmt man mit der Schaltung von Abb. O.6.5.1 den Verlauf der Kurve Ia = f(U) mit Hilfe eines geeigneten computergestützten Messwerterfassungssystems auf. Aus den gewonnenen Kurven kann dann das Anregungspotential U0 bestimmt werden. Die bei der Elektronenstoßanregung von Quecksilber ausgestrahlte Resonanzlinie liegt im ultravioletten Spektralbereich. Zur Ermittlung der gesuchten Größe h/e ist die betreffende Wellenlänge O = 253,65 nm zu verwenden. Als Messröhre wird praktisch häufig eine Tetrode benutzt, die gegenüber einer Triode den Vorteil hat, die Auflösung des Spektrums deutlich zu verbessern. Durch die zusätzliche Elektrode wird die Beschleunigung der Elektronen nur auf eine kurze Wegstrecke begrenzt. Der Stoßraum zwischen Elektronen und Hg-Dampf ist dann weitestgehend feldfrei. Mit dieser Anordnung gelingt es, höhere (auch metastabile) Energieniveaus des HgAtoms aufzunehmen. Für die Bestimmung des Anregungspotentials von Neon wird in ähnlicher Weise verfahren wie bei den Messungen mit Quecksilber. Da Neon ein Edelgas ist, benötigt man für diese Messungen keine zusätzliche Heizung der Röhre. Der Übergang aus dem angeregten Zustand in den Grundzustand ist hier aber nur über ein Zwischenniveau möglich. Das dabei emittierte Licht liegt im sichtbaren Bereich und kann deshalb direkt mit dem Auge beobachtet werden (rot leuchtende ringförmige Schicht nahe des Beschleunigungsgitters). Bei Erhöhung der Spannung wandert der Leuchtring in Richtung Kathode. Das lässt sich dadurch erklären, dass die Elektronen nun schon früher die erforderliche kinetische Energie erreichen, um das Neongas zum Leuchten anzuregen. Bei ca. 40 V erscheint eine zweite leuchtende Schicht, die sich nach Erhöhung der Spannung ebenso in Richtung Kathode bewegt. In diesem Fall erfahren die Elektronen, die beim ersten Stoß ihre kinetische Energie verloren haben, nochmals eine hinreichend große Beschleunigung, die zur Anregung weiterer Ne-Atome ausreicht. Die Aufgabenstellung beim Franck-HertzExperiment mit Neon wird oft dahingehend ergänzt, dass die wahrscheinlichsten Energieübergänge nicht nur des Anregungsvorgangs, sondern auch des Abregungsvorgangs untersucht werden sollen. Hierzu kann das Spektrum einer Ne-Spektrallampe mit einem Gitterspektrometer (O.3.2) untersucht werden und jene Spektrallinien für eine Wellenlängenabschätzung herangezogen werden, die der beobachteten Lichtfarbe im FranckHertz-Experiment entsprechen. Alternativ kann auch ein automatisch arbeitendes Spektrometer zum Einsatz kommen, das direkt an die Lichtquelle der Franck-HertzRöhre gekoppelt ist. Mit Hilfe eines Term- 6.6 Rydberg-Konstante 331 schemas (Anhang A.19) können dann die wahrscheinlichsten (beobachteten) Energieübergänge identifiziert werden. In diesem Zusammenhang muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass bei vielen NeTermschemen die Energieniveaus oft mit dem Termschema nach Paschen bezeichnet werden (z. B. 2p5-3s bedeutet fünf nichtangeregte Elektronen im 2p-Orbital, ein angeregtes im 3s-Orbital). Dieses Termschema wurde etwa 1919 eingeführt, ist rein phänomenologisch und beschreibt nicht die korrekte Elektronenkonfiguration. Neon verhält sich im Bereich der Energieübergänge des FranckHertz-Experiments so wie ein Zweielektronensystem. Die angeregten Zustände sind nur unter Angabe der Hauptquantenzahl, der Einstellung des Gesamtspins, der Form des Zweielektronenorbitals und der Multiplizität (Singulett- oder Triplett-Zustand) exakt beschreibbar (z. B. 3 3P2, vgl. Termschema im Anhang A.19). 6.6 Rydberg-Konstante (Proton) und einem Elektron, das sich auf einer Kreisbahn um diesen Kern bewegt. Es herrscht ein Gleichgewicht zwischen Zentrifugalkraft und elektrischer Anziehungskraft (Coulomb-Kraft): 2 me me v r = n = 1 · §1 v = RH ¨ 2 ¸ ©4 m ¹ (m = 3, 4, 5, .. .) n = 1, 2, 3, . . . , (37) n ist die Hauptquantenzahl, die den angeregten Zustand des Atoms charakterisiert. Aus den Gln. (36) und (37) kann man den Bahnradius r und die Geschwindigkeit v der Elektronen auf diesen Bahnen berechnen: Aufgabenstellung Das Spektrum des atomaren Wasserstoffs besitzt im sichtbaren Spektralbereich die Linien HĮ, Hȕ, HȖ usw., deren Wellenzahlen v = f / c = 1 / Ȝ (Einheit cm-1) sich durch die experimentell gefundene Beziehung (36) Das erste Bohr’sche Postulat verlangt, dass für Elektronen nur Bahnen erlaubt sind, auf denen der Drehimpuls ein ganzzahliges Vielfaches der Größe = h / 2ʌ ist. Das bedeutet für den Drehimpuls des Elektrons r= Die Rydberg-Konstante RH für das Wasserstoffatom ist zu bestimmen und daraus das Planck’sche Wirkungsquantum h zu berechnen. 2 v e = . r 4 ʌH0 r2 v 4 ʌ H 0 =2 n2 = a0 n 2 , e2 me n = me r = . me a0 n (38) (39) Der erste Bohr’sche Radius ist der Radius der kernnächsten Bahn: a0 = 5,2910 11 m. Auf der Bahn mit der Hauptquantenzahl n hat das Elektron die Energie En = Ekin + Epot 2 1 e me v 2 . 2 4 ʌH0 r Setzt man r und v ein, erhält man (35) beschreiben lassen (Balmer-Formel). Eine Begründung dieser Formel wurde von Bohr gegeben. Danach besteht das Wasserstoffatom aus einem positiv geladenen Kern En = me e 4 1 = 1 = . (40) 2 me a02 n 2 8 H 02 h 2 n 2 Gl. (40) gibt die für das Elektron erlaubten Energiewerte an (vgl. Termschema in Abb. O.6.6.1). E ist negativ, da das Elektron gebunden ist und zu seiner Ablösung vom 332 Optik und Atomphysik 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik Kern Energie aufgewendet werden muss. Geht das Elektron von einem Zustand hoher Energie (kernferne Bahn) in einen Zustand niedriger Energie (kernnahe Bahn) über, wird Energie frei. Die Frequenz des ausgestrahlten Lichts ist durch die Gleichung h f = 'E = Em En (41) gegeben (zweites Bohr’sches Postulat). In der Spektroskopie rechnet man statt mit der Frequenz f meist mit der Wellenzahl Q und erhält dann aus den Gln. (40) und (41) (42a) 1 · §1 2¸ . 2 ©n m ¹ Q R f ¨ (42b) Rf ist die Rydberg-Konstante für den unbewegten (unendlich schweren) Kern. 8 n= n=5 n=4 n=3 0 Hα Hβ Hγ RH = -1 bzw. me e . § me · 2 3 8 H 0 h c0 ¨1 + ¸ ¨ mp ¸¹ © (44) Alle Übergänge, die zum gleichen Endzustand n führen, liefern eine Serie von Spektrallinien. Insbesondere erhält man für n = 2 und m t 3 die Balmer-Formel Gl. (35). Versuchsausführung me e 4 § 1 1 · v = 2 ¸ bzw. ¨ 2 3 2 8 H 0 h c0 © n m ¹ Energie § m · RH = Rf ¨1 + e ¸ mp ¹ © n=2 Mit einem Gitter- oder Prismenspektrometer (O.2.3 bzw. O.3.2) bestimmt man die Wellenlängen der Balmer-Linien HĮ (m = 3), Hȕ ( m =4) und HȖ (m = 5). Wird als Lichtquelle eine wasserstoffgefüllte Gasentladungsröhre verwendet, beobachtet man eine Vielzahl von zusätzlichen Linien, die vom molekularen Wasserstoff herrühren; die Balmer-Linien unterscheiden sich davon durch größere Intensität. Günstiger ist der Einsatz einer speziellen Balmer-Lampe, bei der nur die Wasserstofflinien auftreten. Für jede gemessene Linie bestimmt man nach Gl. (35) den Wert für RH, berechnet den Mittelwert und ermittelt daraus das Planck’sche Wirkungsquantum, indem man Gl. (44) nach h auflöst. 6.7. Avogadro-Konstante n=1 -13,6 eV Aufgabenstellung Abb. O.6.6.1 Termschema des Wasserstoffatoms Berücksichtigt man die Mitbewegung des Kerns, folgt für Wasserstoff §1 1 · v = RH ¨ 2 2 ¸ ¨n m ¸¹ © mit (43) Es ist die Avogadro-Konstante mittels Röntgenbeugung zu bestimmen. Als Einheit der Stoffmenge ist im SI-System das Mol definiert (Einführung 1.1). Die Art der Teilchen (Atome, Moleküle, Ionen, Elektronen oder auch spezielle Gruppierungen) muss jeweils angegeben werden. Die Teilchenzahl je Mol ist eine Naturkonstante und wird als Avogadro-Konstante NA be- 6.7. Avogadro-Konstante 333 zeichnet. Entsprechend der obigen Definition folgt für die Berechnung der AvogadroKonstante NA Vmol , VT (45) wobei Vmol das Molvolumen und VT das Volumen eines Teilchens des Systems ist. Wird das Molvolumen durch den Quotienten von Molmasse M und Dichte U ersetzt, geht Gl. (45) über in NA M U VT . (46) Die Molmasse für Elemente kann dem Periodensystem entnommen werden. Für Verbindungen berechnet sie sich additiv aus den einzelnen Komponenten entsprechend ihrer Häufigkeit M Ax B y C z x M A y M B z M C . (47) Die Dichte U des betrachteten Stoffs ist in der Regel hinreichend gut bekannt. Als wesentlich problematischer erweist es sich, das Volumen eines Teilchens des betrachteten Stoffsystems zu bestimmen. a) a d b) a 2 Chlorionen (Cl-) Natriumionen (Na+) Abb. O.6.7.1 Kristallgitter von Natriumchlorid: a) Einheitszelle, b) Teilausschnitt des Natriumchlorid-Gitters In Abb. O.6.7.1 ist der Aufbau eines Natriumchloridkristalls schematisch dargestellt. NaCl besitzt ein so genanntes kubischflächenzentriertes Gitter (auch fcc, face centered cubic), wobei sich NaCl nicht als Molekül auf einem Gitterplatz befindet, sondern die Na+ - und Cl– -Ionen einen Abstand von d haben (Ionenkristall). In einfacher Weise kann man sich das NaCl-Gitter auch aus zwei getrennten kubisch-flächenzentrierten Gittern aufgebaut vorstellen, d. h. jeweils ein separates für die Na+ - bzw. die Cl--Ionen, die gegeneinander um d = a/2 versetzt angeordnet sind. Im NaCl-Kristallgitter besetzen dann die Na+- und die Cl -Ionen abwechselnd die Ecken eines Würfels mit der Kantenlänge a/2, wobei a die Gitterkonstante der Na+bzw. der Cl--Elementarzelle (auch Einheitszelle genannt) ist. Unter der Elementarzelle versteht man die kleinste Einheit eines Kristalls, die eine identische Fortsetzung dieses kleinsten Elements in alle drei Raumrichtungen in gleicher Weise gestattet. Damit kann eine auf die Festkörperdimensionen angepasste periodische Fortsetzung der Kristall-Elementarzellen realisiert werden. Die im betrachteten Würfelvolumen (a/2)3 enthaltene Anzahl von NaCl-Molekülen kann in einfacher Weise aus Abb. O.6.7.1 abgeleitet werden. Da jedes Ion (z. B. das Cl--Ion im Zentrum der Einheitszelle, Abb. O.6.7.1a) zu gleichen Anteilen zu acht dieser Teilwürfel (Abb. O.6.7.1b) beiträgt, sind in jedem Teilwürfel 1/8 der vier NaCl-Moleküle der Elementarzelle enthalten. Entsprechend Gl. (46) folgt für die Avogadro-Konstante: NA 1 M 4 8 U d3 1 M . 2 U d3 (48) Mittels Röntgenbeugung kann das Volumen (VT) eines NaCl-Moleküls bestimmt werden. Ähnlich wie bei der Interferenz an planparallelen Platten kann auch bei der Röntgenbeugung davon ausgegangen werden, dass die einfallende Röntgenstrahlung an den verschiedenen parallelen Netzebenen (Abb. O.6.7.2) teilweise reflektiert wird und 334 Optik und Atomphysik 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik diese reflektierten Anteile anschließend untereinander interferieren. Für das Maximum n-ter Ordnung gilt dann die Bragg’sche Gleichung Gl. (24). Versuchsausführung: In diesem Versuch wird die KD-Strahlung (O = 71 pm) einer Röntgenröhre mit Molybdänanode und Zr-Filter genutzt. Als Spektrometer dient ein Goniometer mit einem Einkristall, z. B. NaCl, und ein Geiger-MüllerZählrohr als Detektor. einfallender Strahl 1 2 I Netzebenen II reflektierter Strahl θ d Gitterpunkte Abb. O.6.7.2 Strahlenverlauf bei der Beugung an einem Einkristall Die Messungen werden mit dem so genannten Bragg-Brentano-Verfahren (O.6.3.2) durchgeführt, d. h., bei einer konstanten Wellenlänge wird der Einkristall und das Zählrohr im Verhältnis der Winkel T : 2T gedreht (Abb. O.6.3.6). Es ist zu beachten, dass NaCl - Kristalle hygroskopisch und zerbrechlich sind, daher ist der NaCl-Kristall nach den Messungen auszubauen und im Exsikkator aufzubewahren. Mechanische Belastungen des Kristalls sind zu vermeiden und nur die Seitenflächen der Halterung anzufassen. Die Aufzeichnung der Spektren erfolgt mit einem computergestützten Messwerterfassungssystem. Aus einem Übersichtsspektrum, aufgenommen mit Zr-Filter, sind zunächst grob die Lagen der ersten Beugungsreflexe zu ermitteln. Um eine hinreichend hohe Genauigkeit bei der Ermittlung der Linienposition (Peaklage T P) zu erreichen, ist anschließend im Winkelbereich 1q T P d 1q die Intensitätsverteilung des jeweiligen Peaks mit entsprechend langer Messzeit aufzunehmen. Aus den so bestimmten Peakschwerpunkten wird mit der Bragg’schen Gleichung (Gl. (24)) die mittlere Gitterkonstante des verwendeten Kristalls berechnet. Sind Dichte und Molmasse des Kristalls bekannt, kann mittels Gl. (48) die Avogadro-Konstante ermittelt werden. 6.8. Gravitations-Konstante Aufgabenstellung 1. Die Gravitationskonstante G ist mit a) der Beschleunigungsmethode und b) der Endausschlag-Methode zu bestimmen. 2. Es ist der Korrekturfaktor zu berechnen. Nach Newton übt eine Masse m1, die sich im Abstand r von einer zweiten Masse m2 befindet, auf diese eine Anziehungskraft F vom Betrag F G m1 m2 r2 (49) aus. Wegen des Reaktionsprinzips wirkt dieselbe Kraft von m2 auf m1 zurück. a) Beschleunigungsmethode In der Ruhelage I (Abb. O.6.8.1) herrscht Gleichgewicht zwischen der Anziehungskraft von großen und kleinen Kugeln und der Verdrillung des Torsionsfadens. Schwenkt man die äußeren großen Kugeln auf ihrem drehbaren Halter in Stellung II, wird dadurch das Gleichgewicht gestört; denn der Torsionsfaden ist wegen der großen Schwingungsdauer noch in der alten Richtung verdrillt, und die großen Kugeln ziehen die kleinen Kugeln nun in umgekehrter Richtung an. Deshalb ist die zu Beginn der Bewegung zwischen je einem Kugelpaar wirkende Kraft F doppelt so groß wie die wechselseitige Anziehung allein, da die zunächst noch vollständige Verdrillung des Fadens einer Kraft gleicher 6.8. Gravitations-Konstante 335 Größe und Richtung entspricht: 2 G m1 m2 . r2 F (50) Unter der Wirkung der Kraft F bewegen sich die beiden kleineren Kugeln beschleunigt auf die ihnen gegenüberliegenden großen Kugeln zu. Dabei wird der Torsionsfaden zuerst mehr und mehr entspannt und dann in entgegengesetzter Richtung verdrillt. L m1 m2 d α0 2 α0 II X I s r Skala Abb. O.6.8.1 Gravitationsdrehwaage nach Cavendish (Draufsicht), Gleichgewichtslagen I, II, D0 Winkel zwischen den Gleichgewichtslagen, r -Abstand zwischen den Mittelpunkten der großen und kleinen Kugeln in der Gleichgewichtslage, s -Weg der kleinen Kugel, d -Abstand der kleinen Kugel von der Achse, X -Weg des Lichtzeigers auf der Wand (Skala), L -Abstand zwischen Skala und Spiegel in der Waage, m1 und m2 große bzw. kleine Kugelmasse Die Bewegung kann in diesem Zeitintervall als gleichförmig beschleunigt mit der Beschleunigung a beschrieben werden. Für diesen Teil des Einschwingvorgangs gilt m2 a 2 G m1 m2 r2 (51) Mit a =2 s t -2 (s Weg der kleinen Kugel) folgt aus Gl. (51) für die Gravitationskonstante G s r2 . t 2 m1 (52) Wenn L der Abstand zwischen dem Spiegel in der Drehwaage und der Skala sowie d der Abstand der kleinen Kugeln vom Torsionsfaden ist, gilt für den Weg s der kleinen Kugeln in der Waage: s d X . 2L (53) Dabei muss die Winkelverdopplung bei der Reflexion des Lichtstrahls am ebenen Spiegel beachtet werden. Setzt man Gl. (53) in Gl. (52) ein, erhält man G d r2 X . 2 L m1 t 2 (54) b) Endausschlag-Methode Durch Umlegen der großen Kugeln geht die Drehwaage aus der Ruhelage I nach einigen Schwingungen in die neue Ruhelage II über. 336 Optik und Atomphysik 6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik Der Winkel zwischen diesen beiden Endlagen ist D0. In den Ruhelagen herrscht Momentengleichgewicht. Infolge der Massenanziehung der beiden Kugelpaare wirkt auf das Messsystem das Drehmoment M = 2 F d, wobei F entsprechend Gl. (49) bestimmt und d der Abstand der kleinen Kugel vom Torsionsband ist. Diesem ist entgegengesetzt gleich groß das Drehmoment, das durch die Verdrillung des Torsionsfadens verursacht wird. Dadurch kommt es zu einer Drehung um den Winkel D 0 / 2 : M D D0 2 2G D J . bzw. 2 m1 m2 d r2 tan D 0 | D 0 D D0 2 (56) . s0 d X0 , 2L DD 4 ʌ2 J . T2 F1 r (59) (60) F1' FK d F (58) über die Schwingungsdauer T bestimmt D (62) Bei der Ermittlung der Gravitationskonstanten gibt es in beiden Fällen eine systematische Abweichung, da die kleinere Kugel auch von der mehr entfernten großen Kugel angezogen wird (Abb. O.6.8.2). (57) wobei X 0 der Abstand des Lichtzeigers auf der Skala zwischen den beiden Gleichgewichtslagen vor und nach Umlegen der großen Kugeln ist. Die Richtgröße D des Torsionsfadens wird mit hinreichender Genauigkeit aus der ungedämpften Schwingung des Waagensystems d 2D d t2 ʌ2 d r 2 X 0 . m1 L T 2 (55) D0 (61) Indem man die Gln. (58), (60) und (61) in Gl. (57) einsetzt und nach J auflöst, erhält man Gl. (62) für die Bestimmung der Gravitationskonstanten: Für kleine Winkel D0 gilt nach Gl. (53) J 2 m2 d 2 . G D ist das Direktionsmoment (Richtgröße) des Torsionsfadens. Für das Momentengleichgewicht folgt somit 2F d Das Trägheitsmoment J für die beiden kleinen Kugeln hat unter Vernachlässigung der Spiegelaufhängung und der endlichen Ausdehnung der Kugeln den Wert Abb. O.6.8.2 Skizze zur Berechnung des Korrekturfaktors E Der im Experiment gemessene Betrag der Kraft FK, die die Kugel beschleunigt, ist gegeben durch die vektorielle Addition der Kräfte FK F F1c F 1 E mit dem Korrekturfaktor 3 § · b ¸ . E ¨ (63) ¨ b 2 4d 2 ¸ © ¹ Die Gravitationskraft F und damit auch die Gravitationskonstante G wird infolgedessen 6.8. Gravitations-Konstante 337 um den Faktor (1E ) zu klein bestimmt. Für den korrigierten Wert von G folgt Gkorr G . 1 E (64) Versuchsausführung: Für diese Messungen wird eine Drehwaage nach Cavendish verwendet. Vor der eigentlichen Messung ist die Nullpunktstabilität mindestens 10 Minuten lang zu kontrollieren. Aus diesen Messungen sind der Mittelwert ( X I ) und die zugehörige Standardabweichung zu bestimmen. Der eigentliche Versuch beginnt mit dem Umlegen der großen Bleikugeln. Das muss sowohl recht schnell als auch so behutsam wie möglich erfolgen. Das Gehäuse darf dabei weder von den Fingern noch von den Bleikugeln berührt werden, um Erschütterungen zu vermeiden. Gleichzeitig ist die Stoppuhr zu starten (t = 0). Zu Beginn der Schwingungen ist zunächst die Bewegung des Lichtzeigers auf der Skala alle fünf Sekunden abzulesen. Das Zeitintervall kann nach etwa zwei Minuten auf 10 s bzw. 30 s erhöht werden. Es sind mindestens drei volle Schwingungsperioden aufzunehmen. Außerdem ist der Abstand L zwischen Skala und Spiegel in der Drehwaage zu bestimmen, dabei darf die Drehwaage nicht berührt werden. Die Werte für die Größen m1, r und d liegen am Arbeitsplatz aus. a) Beschleunigungsmethode Für die Ermittlung der Gravitationskonstanten mit Hilfe der Beschleunigungsmethode wird zunächst die Änderung 'X des Lichtzeigerwegs für die ersten 100 s in Abhängigkeit von t2 graphisch dargestellt. Für den Bereich der Messwerte, für die sich eine Gerade ergibt, ist der Anstieg der Ausgleichgerade zu ermitteln, und mit Gl. (55) berechnet man die Gravitationskonstante. b) Endausschlagsmethode Mit der Endausschlagsmethode wird die Änderung des Lichtzeigerwegs in Abhängigkeit von der Messzeit dargestellt. Die neue Gleichgewichtslage XII des Lichtzeigers nach Abklingen der Schwingung ermittelt man aus drei aufeinander folgenden Scheitelwerten der Lichtzeigerauslenkung, z. B. xˆ1 , xˆ2 , xˆ3 usw. wie folgt: X II ( xˆ1 2xˆ2 xˆ3 )/ 4 (65) Aus der gleichen Darstellung wird ebenfalls an drei Stellen die Schwingungsdauer T bestimmt. Eine Berechnung der Gravitationskonstanten erfolgt nach Gl. (62). Entsprechend Gl. (64) kann man den korrigierten Wert für die Gravitationskonstante G ermitteln. Es sollen die Ergebnisse der beiden Methoden mit dem CODATA-Wert von 2006 (Anhang A.6) unter Berücksichtigung der Messunsicherheiten verglichen werden. 338 Fourier-Transformation und Signalanalyse 1.0 Grundlagen 1.0.1 Das Prinzip der FourierTransformation Das Theorem von Jean Baptiste-Joseph de Fourier (1768 – 1830) besagt, dass jede periodische Funktion f (t) mit der Periode T exakt oder angenähert durch eine Summe aus trigonometrischen Funktionen mit Z (2 ʌ T ) dargestellt werden kann: f t a0 f ¦ ª¬ a n n 1 cos n Z t bn sin n Z t º¼ . (1) Die Größen a0, an und bn (n = 1, 2, ...) heißen Fourier-Koeffizienten. Für sie gilt Wegunterschied (in cm) und Wellenzahl Q 1 O (Einheit cm-1) in der FourierSpektroskopie. Die Fourier-Koeffizienten an und bn können auch durch die Amplituden cn und die Phase In beschrieben werden: an cos n Z t bn sin n Z t mit cn an2 bn2 , (6a) In §a · arctan ¨ n ¸ . © bn ¹ (6b) Damit wird aus Gl. (1) f a0 an bn 1 T 2 T 2 T ³ f t d t ³ f t cos n Z t d t n 1 (2) , T 2 T 2 , (3) T 2 ³ f t sin n Z t d t (7) wobei c0 { a0 ist. Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht, in dem durch die Überlagerung von drei Wellen ein periodisches Signal entsteht: f t c0 c1 sin Z t I 1 c2 sin 2Z t I 2 (8) c3 sin 3Z t I 3 . T 2 f t c0 ¦ cn sin n Z t I n , T 2 (5) cn sin n Z t I n , (4) T 2 wie durch Integration über f (t) gezeigt werden kann. Die Koeffizienten an und bn sind symmetrisch bzw. unsymmetrisch bzgl. der Frequenz. Gemäß Gl. (1) wird die periodische Funktion f (t) durch Funktionen beschrieben, die im „reziproken Raum“ der Frequenz durch n Z n (2 ʌ / T ) definiert sind. Eine analoge Beziehung gibt es z. B. zwischen Mathematisch entspricht das der Addition von Grundwelle und ihrer zweiten und dritten Harmonischen (Abb. F 1 (a-c)). In der mathematischen Beschreibung einer beliebigen Funktion ersetzt man die Summe in Gl. (1) durch ein Integral und erhält bei Verwendung der Euler’schen Identität (Anhang A.1) f t 1 2ʌ f ³ F Z e f W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum, DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_6, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 iZ t dZ . (9) 1.0 Grundlagen 339 Dabei ist F(Z) die Fourier-Transformierte von f (t) und in Analogie zu den FourierKoeffizienten definiert als (a) -iZ t f2(t) t t f3(t) t f3(t) f3(t) t t f (t) t f (t) f (t) t t F(ω) F(ω) 2 2 1 1 ω3 ω (10) t t f2(t) f2(t) f t d t . f f1(t) t ω2 ³e (c) f1(t) ω1 2ʌ f (b) f1(t) 0 1 F Z 0 t F(ω) 2 1 ω1 ω2 Abb. F.1.0.1 Überlagerung von drei Wellen, f n ω3 ω 0 ω1 ω2 ω3 ω cn sin(n Zn t )n ) , n = 1, 2, 3; f (t ) 3 ¦f n 1 (a) )1 (c) )1 )2 )3 0 , c1 c2 c3 , (b) )1 )2 )3 0 , c1 0,5 c2 2 c3 0, )2 30 q, )3 60 q , c1 c2 c3 , n 340 Fourier-Transformation und Signalanalyse f(t) Sinusfunktion F(ω) f (t ) sin(Z0 t ) t ω f(t) F(ω) t Überlagerung von vier Sinusfunktionen 1 f (t ) sin(Z0 t ) sin(3Z0 t ) 3 1 1 sin(5Z0 t ) sin(7Z0 t ) 5 7 ω Rechteckfunktion f(t) F(ω) f (t ) rect(t ) t ω f(t) exponentiell gedämpfte Sinusfunktion F(ω) f (t ) A e G t sin(Z0 t ) t ω Deltafunktion f(t) F(ω) f (t ) G (t t0 ) t ω Abb. F.1.0.2 Beispiele für den Zusammenhang zwischen der Funktion f(t) und ihrer FourierTransformierten F(Z ) im inversen Raum der Frequenz für zeitlich nicht begrenzte Zeitintervalle 1.0.2 Diskrete Fourier-Transformation und Abtasttheorem Oft liegt die Funktion f (t) nicht analytisch vor, sondern sie wird in äquidistanten Zeitintervallen 't als Funktionswerte yj = f(tj) mit tj =j 't (Index j ` ) gemessen. Man nennt fa = 1/' t die Abtastrate. Die Fourier-Analyse eines so digitalisierten Signals lässt sich nur näherungsweise durchführen, weil das Signal nur in diskreten Schritten (an den Stellen tj ) 341 1.0 Grundlagen bekannt ist. Bei m Messwerten pro Periode yj = f (tj) (j = 0, 1, ..., m) mit f (t0) = f (tm) folgt für die Fourier-Koeffizienten nach den Gln. (2) bis (4): a0 an 1 m m ¦y j , (11) j 1 2 m § 2ʌn j · ¦ y j cos ¨© m ¸¹ m j1 (12) 2 m § 2ʌn j · y j sin ¨ ¦ ¸ mj1 © m ¹ (13) f Fgem Z ³ f gem t e-i2ʌZ t d t (16) f als Approximation von F(Z). Mit der Fourier-Transformierten f S Z mit n 1, 2,..., m und bn Transformierte Fgem(Z) ³ s t e -i2ʌZ t dt (17) f von s(t) ergibt sich nach dem Faltungssatz der Fourier-Theorie, der besagt, dass die Fourier-Transformierte einer Produktfunktion gleich der Faltung (Symbol ) ihrer FourierTransformierten ist, Fgem Z F Z S Z f ³ F Z Z c S Z c d Z c mit n 1, 2,..., m 1. (18) f Das Abtasttheorem von Nyquist und Shannon besagt nun, dass die Frequenz f 0 Z 0 / (2ʌ) einer im Signal f (t) enthaltenen harmonischen Schwingung nur dann detektiert werden kann, wenn für die Abtastrate fa ! 2 f0 (14) gilt, d. h., es müssen pro Schwingungsperiode mindestens zwei Abtastwerte yj gemessen werden. Die Frequenz 0,5 f a wird auch als Nyquist-Frequenz bezeichnet. Die Funktion f(t) in Gl. (10) kann immer nur in einem endlichen (Zeit)intervall (0 d t d tmax ) gemessen werden. Mathematisch entspricht dies der Multiplikation von f(t) mit einer Apodisationsfunktion s(t), so dass für die gemessene Funktion gilt. f (t ) s (t ) Daraus folgt (15) für die ³ f (t ) s t e-i2ʌZ t d t . f Die gemessene Funktion ist also gleich der wahren Funktion F (Z) gefaltet mit der Fourier-Transformierten S (Z) der Apodisationsfunktion. Für letztere können verschiedene Modellfunktionen angenommen werden. Die symmetrische Rechteckfunktion mit sr t 1 für t d tmax 0 für t ! tmax (19) führt zu der Fourier-Transformierten 1.0.3 Fourier-Transformation in endlichen (Zeit)Intervallen f gem (t ) f Fourier- Sr Z 2 tmax sin(2ʌ Z tmax ) , 2ʌ Z tmax (20) die eine Halbwertsbreite von 'Z 1, 25 1 | hat, 2 tmax 2 tmax (21) aber als Artefakt Seitenmaxima produziert (Abb. F.1.0.3, unten). Diese können durch Apodisationsfunktionen minimiert werden, 342 Fourier-Transformation und Signalanalyse die steile Flanken vermeiden, wie z. B. die Gauss- (sG) oder die Happ-Genzel-Funktion (sHG) : ª § 2 t ·2 º sG (t ) exp « ¨ ¸ » sr (t ) , «¬ © D tmax ¹ »¼ (22) die Messfunktion ebenfalls an den Grenzen ( 1 s und + 1 s) abgeschnitten, zusätzlich wird aber die Intensität der Seitenmaxima wie in Abb. F.1.0.4 (unten) am Beispiel einer Sinusfunktion gezeigt, deutlich vermindert. (1) ª § 2ʌ t · º sHG (t ) « 0,54 0, 46cos ¨ ¸ » sr (t ) . (23) © tmax ¹ ¼» ¬« (2) (3) 0,5 0 -1 Bei realen Anwendungen der Fourier-Transformation muss also immer die Apodisationsfunktion mit berücksichtigt werden. s (t) f (t) - 0,5 0,5 1 t s - 0,5 F(ω) + S (ω) (a) 0.4 (1) (b) (2) 0.2 0,5 (c) (3) 0 1 -1 - 0,5 0 0,5 1 t s (1) S (ω) (2) 0,5 (3) 0 -2 -1 0 1 2 ω Hz 2π Abb. F.1.0.3 Graphische Darstellung einer Rechteck- (1), Happ-Genzel- (2) und GaussApodisationsfunktion (3) sowie deren FourierTransformierte S(Z) Bei der in den Grenzen ¨tmax» = 1 s abrupt abfallenden Rechteckfunktion erkennt man deutlich die nach der Fourier-Transformation auftretenden Nebenmaxima, die Frequenzanteile vortäuschen, die nicht vorhanden sind. Um diesen Fehler zu unterdrücken, wird die Messfunktion apodisiert, indem die ursprüngliche Rechteckfunktion durch eine Apodisationsfunktion entsprechend den Gln. (22) und (23) ersetzt wird. Durch diese Funktion wird 2 3 4 ω Hz 2π Abb. F.1.0.4 Beispiele zur Apodisation einer idealen Sinusfunktion (rote Kurve oben) im Intervall 1 s d t d 1 s, Faltung F(Z) S(Z) mit verschiedenen Apodisationsfunktionen (unten): (a): Sr (Z) , (b): SHG (Z) , (c): SG (Z) Die Apodisation führt die fouriertransformierte Signalfunktion stetig auf null, erzeugt jedoch eine Linienverbreiterung. Bei der Wahl der Apodisationsfunktion muss deshalb immer ein Kompromiss zwischen optimaler Dämpfung der Seitenmaxima und minimaler Linienverbreiterung gewählt werden. 1.1 Fourier-Synthese und -Analyse optischer Muster und elektrischer Signale Aufgabenstellung 1. Für ein periodisches optisches Muster ist die Periodizität der Schwebung in Abhängigkeit von der Frequenz zweier Grundwellen und ihrer Phasenbeziehung zu diskutieren. Aus der Periodizität der Schwebung soll bei 1.1 Fourier-Synthese und -Analyse optischer Muster und elektrischer Signale Kenntnis der Frequenz des einen Musters auf die des anderen geschlossen werden. Es sind quantitativ die unterschiedlichen Periodizitäten in horizontaler und vertikaler Richtung bei zweidimensionalen Mustern zu interpretieren. 2. Durch die Überlagerung von Sinusspannungen mit Hilfe eines Addierers soll sowohl ein Rechteck- als auch ein Dreiecksignal erzeugt werden. Davon ist die Fourier-Transformierte zu berechnen und zu analysieren. 3. Eine periodische Funktion mit einer Oberschwingung soll digital mit unterschiedlichen Abtastraten gemessen und mittels FourierTransformation ausgewertet werden. 0 0,5 1 1,5 x 0 0,5 1 1,5 x 0 0,5 1 343 erzeugen, die nach der Überlagerung Schwebungen unterschiedlicher Frequenz in x- und y-Richtung zeigen (Abb. F.1.2). 1,5 x Abb. F.1.1 Optische Muster mit der Periodizität 8 (links) und 10 (Mitte), und ihre Phasenverschiebung von null (oben) sowie S (unten). Die Schwebung in der Intensitätsverteilung (Einhüllende rot hervorgehoben) ist oben rechts dargestellt Die Überlagerung von zwei optischen Mustern unterschiedlicher Frequenzen bzw. Periodizitäten (f1, f2) in Bezug auf ihre Intensitätsverteilungen führt zu einer Schwebung und damit zu einer neuen Periodizität. In der oberen Hälfte von Abb. F.1.1 erkennt man auf der rechten Abbildung das Auftreten einer Schwebung ( (f1f2) / 2). Im unteren Teil der Abbildung weist das zweite gegenüber dem ersten Muster eine Phasenverschiebung von 180° auf. Als Folge davon kommt es auch zu einer Verschiebung der Schwebung. Im Zweidimensionalen lassen sich Muster Abb. F.1.2 Optische Muster von Periodizitäten, die zueinander senkrecht stehen, oben: Periodizität in horizontaler (x) und vertikaler (y) Richtung ist 10, Mitte: Periodizität in x-Richtung ist 7 Perioden pro Längeneinheit und in y-Richtung 8 Perioden pro Längeneinheit, unten: Überlagerung beider Muster führt zu neuem Muster mit unterschiedlichen Schwebungen der Intensitäten in x- und y- Richtung Mittels der Additionstheoreme für trigonometrische Funktionen sin(Z1 t ) sin(Z2 t ) (24a) § Z Z2 · § Z Z2 · t ¸ cos¨ 1 t¸ , 2sin ¨ 1 © 2 ¹ © 2 ¹ 344 Fourier-Transformation und Signalanalyse sin Z1 t sin Z2t ʌ § Z Z2 · § Z Z2 · 2sin ¨ 1 t ¸ cos¨ 1 t¸ . © 2 ¹ © 2 ¹ (24b) ergeben sich zwei neue Kreisfrequenzen, die Summen- und die Differenzkreisfrequenz: Z1 Z 2 2 , Z1 Z2 2 (25) . Letztere stellt die Modulationsfrequenz („Einhüllende“) dar, mit der die Amplitude der Summenfrequenz moduliert wird. Aus den Gln. (24a) und (24b) ist ersichtlich, dass eine Phasenverschiebung um 180 Grad eines der beiden Signale mit den Kreisfrequenzen Z 1 oder Z 2 die Phase von Summenund Differenzfrequenz um den gleichen Betrag verändert. In Abb. F.1.2 ist das obere im Gegensatz zu dem mittleren Muster symmetrisch in den Flächendimensionen x und y. Analog zu den obigen Überlegungen ergeben sich in x- bzw. y-Richtung die Modulationsfrequenzen von 3 Hz und 2 Hz, die direkt der unteren Abbildung in Abb. F.1.2 entnommen werden können. Eine periodische Rechteckfunktion (rect(t)) kann durch die Fourier-Reihen f ( 1) n ¦ 2 n 1 cos((2 n 1)Z t ) , schwingungen bei einer festen Phasenbeziehung zwischen den Signalen so überlagert werden, dass annähernd die gewünschten Funktionen synthetisiert werden. Versuchsausführung Für die Aufgabe 1 werden verschieden dimensionale Muster unterschiedlicher Periodizität (Frequenz) auf transparenten Folien zur Verfügung gestellt. Durch Übereinanderlegen der Folien entstehen Muster mit einer neuen Periodizität. Die entstehenden Schwebungsmuster sind unter Verwendung der Gln. (24a) und (24b) auch unter Berücksichtigung unterschiedlicher Phasenverschiebungen zu diskutieren. Zur Realisierung von Aufgabe 2 können mit einem elektronischen Addierer (Abb. F.1.3) bis zu sechs phasenstarr miteinander gekoppelte Sinussignale unterschiedlicher Frequenz überlagert werden. Mit Hilfe eines Digitaloszilloskops oder eines computergestützten Messwerterfassungssystems, mit dem auch FFT-Rechnungen (Fast Fourier Transformation) möglich sind, werden die Einzelsignale und das nach der Überlagerung entstehende Signal erfasst und analysiert. Spezielle Hinweise zu den versuchstechnischen Parametern und zur Software für die Auswertung der Daten liegen am Arbeitsplatz aus. (26a) n 0 f ¦ n 0 1 sin((2 n 1) Z t ) 2n 1 (26b) G f und eine periodische Dreiecksfunktion durch f 1 ¦ (2 n 1) n 0 f ¦ n 0 2 cos((2 n 1)Z t ) , (27a) ( 1) n sin ((2 n 1)Z t ) (2 n 1) 2 Addierer G f (27b) approximiert werden. Mittels eines elektronischen Addierers können z. B. n Grund- Abb. F.1.3 Zur Überlagerung von zwei Sinusspannungen mit einem elektronischen Addierer (schematisch) 1.2 Fourier-Analyse gekoppelter elektrischer Schwingungen Entsprechend der Gln. (26) und (27) sind ein Rechteck- und ein Dreiecksignal zu synthetisieren, wobei die Anzahl der überlagerten Sinussignale von n = 2 bis auf n = 6 erhöht werden soll. Es sind die Veränderungen der resultierenden Signale auch in Bezug auf eine mit n = 5 berechnete Rechteck- bzw. Dreiecksfunktion zu diskutieren. Letztere sollen im Rahmen der Versuchsvorbereitung mit geeigneter Software erstellt werden. f (t) Δt t Abb. F.1.4 Beispiel zur Digitalisierung der analytisch gegebenen Funktion nach Gl. (28) mit der Abtastrate 1/'t = 5fa. Die Oberschwingung bei 8 fa ist wegen 1/'t < 16 fa nach der Digitalisierung gemäß dem Abtasttheorem von Nyquist und Shannon (Gl. (14)) nicht mehr nachweisbar Bei Aufgabe 3 ist unter Berücksichtigung von Gl. (28) eine Funktion zu synthetisieren, die neben niederfrequenten Anteilen Z L eine Oberschwingung der Kreisfrequenz Z H mit Z L ZH enthält. Als Beispiel dient die in Abb. F.1.4 dargestellte Funktion vom Typ f t uˆ1 sin (Z t ) uˆ1 sin(2 Z t ) uˆ1 sin(8 Z t ) . (28) Durch Abtasten des Signals mit einer Rate fa = Z a /(2 S) werden mit einem computergestützten Messwerterfassungssystem diskrete Werte erfasst, mit denen man gemäß der Gln. (11) bis (13) eine Fourier-Tranformation durchführen kann. Für mindestens drei verschiedene Abtastraten (fa << 2 fL, fa | 2 fL, fa >> 2 fL) sind die Messungen durchzuführen 345 und die Fourier-Transformierten unter Berücksichtigung des Abtasttheorems nach Gl. (14) zu diskutieren. 1.2 Fourier-Analyse gekoppelter elektrischer Schwingungen Aufgabenstellung 1. Für zwei kapazitiv gekoppelte Schwingkreise sind mit Hilfe von Abklingvorgängen die Schwebungsschwingungen zu messen und aus den Fourier-Transformierten die Frequenzen der gleich- sowie der gegensinnigen Schwingung zu bestimmen. Damit sind die Kopplungsgrade zu ermitteln und mit den berechenbaren Werten zu vergleichen. 2. Die Frequenzen zweier kapazitiv gekoppelter Schwingkreise sollen bei gleich- und gegensinniger Anregung gemessen werden. Zusätzlich ist die Schwebungsschwingung zu messen und zu analysieren. Die Änderung des Kopplungsgrads ist in Abhängigkeit von der Kapazität des Kopplungskondensators im Vergleich zu Aufgabe 1 zu diskutieren. 3. Für den Fall zweier induktiv gekoppelter Schwingkreise ist der Kopplungsgrad in Abhängigkeit vom Abstand zwischen den Schwingkreisspulen qualitativ zu untersuchen. Zwischen zwei miteinander verbundenen Schwingkreisen, z. B. in kapazitiver oder induktiver Kopplung, gibt es eine Wechselwirkung wie beim mechanischen Analogon, den gekoppelten Pendeln (M.2.4). Die mathematische Beschreibung gekoppelter Schwingkreise erfolgt unter der Annahme, dass die Verluste von Spulen und Kondensatoren (vgl. E.3) vernachlässigbar und die Größe der Kondensatoren (CA, CB) bzw. der Induktivitäten (LA, LB) in den beiden Schwingkreisen (A, B) gleichgroß sind. Bei einer kapazitiven Kopplung können praktisch zwei Fälle unterschieden werden, die so genannte „Tiefpunkt-“ und die „Hoch- 346 Fourier-Transformation und Signalanalyse punkt-Schaltung“. Im ersten Fall (Schaltung I, Grundschaltung nach Abb. F.1.2.1) UC,A CA UL,A L A A Uk I A I B I A,0 I B,0 cos Z 1 t UC,B CB Ik IA IB Ck B Die Lösung von Gl. (34) lautet (vgl. Anhang A.2) LB UL,B . (35) Dabei ist Z 1 die Eigenkreisfrequenz der Schwingung mit Z 1 Z0 1 LC (36) . Subtrahiert man die Gln. (32) und (33), folgt Abb. F.1.2.1 Grundschaltung kapazitiv gekoppelter Kreise (Schaltung I, „TiefpunktSchaltung“) erhält man für die Spannungen UC,A und UC,B nach der 2. Kirchhoff-Regel (E.1.0.1, Maschenregel) U C ,A U L ,A U k 0 (29) und U C ,B U L ,B U k 0 . (30) L §1 d2 2 · I I B ¨ ¸ IA IB 0 . 2 A dt © C Ck ¹ (37) Als Lösung ergibt sich I A I B I A,0 I B,0 cos Z 2 t mit der Eigenkreisfrequenz Z2 Mit den Beziehungen 1 I d t und U L C³ UC L dI dt (31) ergeben sich die beiden Differentialgleichungen (vgl. E.4) L d2 I A 1 1 IA IA IB 0 , 2 dt C Ck (32) 2 L d IB 1 1 I B I A I B 0 , (33) 2 dt C Ck wobei Ck den Kopplungskondensator beschreibt. Nach Addition der Gln. (32) und (33) erhält man L d2 1 I A I B I A I B 0 . (34) dt 2 C (38) 1 §1 2 · L¨ ¸ © C Ck ¹ 1 . (39) Nach Umstellung der Gln. (35) und (38) nach IA und IB erhält man 1 I A0 I B0 cos Z 1t 2 1 I A0 I B0 cos Z 2t , 2 (40) 1 I A0 I B0 cos Z1t 2 1 I A0 I B0 cos Z 2t . 2 (41) I A (t ) I B (t ) Werden die Schwingungen beider Schwingkreise mit gleichgroßen Amplituden phasengleich angeregt, dann oszillieren beide Schwingkreise in derselben Weise mit der gleichen Frequenz f1 = Z 1/2S (gleichsinnige Schwingung). 347 1.2 Fourier-Analyse gekoppelter elektrischer Schwingungen folgt mit den Gln. (36) und (39) der Kopplungsgrad für Schaltung I (Abb. F.1.2.1): U T kC ,I t TS Abb. F.1.2.2 Schwingung mit Schwebung, Schwingungsdauer T, Schwebungsdauer TS Intensität Für den Fall, dass die Anregung beider Schwingkreise mit gleichgroßen Amplituden aber mit einer Phasenverschiebung von 180° (IA = IB) erfolgt, ist die Frequenz f2 = Z 2/2S (gegensinnige Schwingung). 1 2 C . C Ck (43) Bei schwacher Kopplung sind die Unterschiede zwischen den Kreisfrequenzen Z2 und Z1 nicht sehr groß und analog zu den gekoppelten Pendelschwingungen (M.2.4) schwingen in diesem Fall beide Schwingkreise mit der Kreisfrequenz 2 ʌ Z 1 Z 2 Z . (44) T 2 Für die Kreisfrequenz der Schwebung gilt 2ʌ Z2 Z1 . (45) TS Für die zweite Schaltungsvariante (Schaltung II, „Hochpunkt-Schaltung“) zur Untersuchung kapazitiv gekoppelter Schwingungen verwendet man die in Abb. F.1.2.4 dargestellte Grundschaltung. ZS Ik b a 3 IL,A LA ω1 ω2 Abb. F.1.2.3 Fourier-Spektrum kapazitiv gekoppelter Schwingkreise mit den Kreisfrequenzen Z1 und Z2, gleichsinnige (1) und gegensinnige (2) Kopplung, Schwebungsschwingung (3) Wird nur einer der Kreise zum Zeitpunkt t = 0 angeregt (IA 0, IB = 0), entstehen für nicht zu starke Kopplungen Schwebungsschwingungen (Abb. F.1.2.2), die die Frequenzen f1 und f2 enthalten (Abb. F.1.2.3). Aus der Definition des Kopplungsgrads k mit k Z 22 Z 12 Z 22 Z 12 (42) A CA IC,A Kreisfrequenz IL,B Ck C CB IC,B B LB Abb. F.1.2.4 Grundschaltung kapazitiv gekoppelter Kreise (Schaltung II, „HochpunktSchaltung“) Wendet man die Kirchhoff-Regeln (E.1.0.1) auf die Masche C sowie die beiden Knoten a und b an, werden die folgenden Beziehungen erhalten: 0 I L ,A I k I C ,A I C ,B (Masche C) , Ck C C I k I C ,A (Knoten a) , (46) (47) 348 Fourier-Transformation und Signalanalyse I L,B I k IC ,B (Knoten b) . (48) Unter der Annahme dI 1 I C dt L L ³ dt C 0 (49) folgt für den Schwingkreis A mit den Gln. (46) und (47) die Differentialgleichung 0 § d2 I C d2 I+ · L ¨ C2,A k ¸ . (50) ¨ dt C C d t 2 ¸¹ © I C ,A Mit I+ = IC,A+IC,B und mit den Gln. (46) und (48) kann für den Kreis B eine entsprechende Gleichung aufgestellt werden: 0 § d 2 I C ,B Ck d 2 I + · L¨ ¸ . ¨ dt2 C C d t 2 ¸¹ © I C ,B 0 (52) 2 0 Id I L 2- . C dt (53) Mathematisch lässt sich das Zeitverhalten des Stroms als Linearkombination I (t ) A+ cos(Z+ t ) A- cos(Z- t ) (54) mit den Kreisfrequenzen Z+ und 1 L (C 2 C k ) , (55) 1 LC (56) beschreiben (Ck > 0, Z > Z+). Die Beiträge der Amplituden A+ und A- der beiden Eigenschwingungen zur Gesamtschwingung hängen dabei von den Anfangsbedingungen ab. Für den Kopplungsgrad erhält man wie für den Fall der „Tiefpunktschaltung“ in Analogie zu Gl. (42): kC ,II Z2 Z2 Z2 Z2 Ck . C Ck (57) Die Herleitung der Differentialgleichungen im Fall von zwei induktiv gekoppelten Schwingkreisen (Abb. F.1.2.5) erfolgt wieder unter Verwendung der Kirchhoff-Regeln. (51) Die Gln. (50) und (51) beschreiben wieder ein gekoppeltes System von Differentialgleichungen. Durch Addition und Subtraktion erhält man aus diesen Gleichungen unter Verwendung von I+ und I = IC,AIC,B die entkoppelten Differentialgleichungen: I+ C d2 I+ (L 2L k ) , C C dt2 Z IA IB UB UA CA A LA LB CB B M Abb. F.1.2.5 Grundschaltung induktiv gekoppelter Schwingkreise In jedem der Kreise gibt es vom Kondensator und von der Spule einen Beitrag zur Spannung. Durchdringt das Magnetfeld der einen Spule die Windungen der anderen Spule, erfolgt nach dem Faraday’schen Induktionsgesetz eine Kopplung der Ströme der beiden Kreise. Mit C = CA = CB und L = LA = LB erhält man: IA d2 IA d2 IB L M C dt2 dt2 0 , (58) IB d2 IB d2 IA L M C dt2 dt2 0 . (59) 349 1.2 Fourier-Analyse gekoppelter elektrischer Schwingungen Die Stärke dieser Kopplung wird durch die Gegeninduktivität M beschrieben. Eine Entkopplung dieses Differentialgleichungssystems erfolgt in Analogie zum kapazitiv gekoppelten Fall. Durch die Addition und Subtraktion der Gln. (58) und (59) und mit I+ = IA+IB bzw. I= IAIB folgt: I d2 I ( L M ) 2 C dt 0 , (60) Id2 I ( L M ) 2C dt 0 . (61) Die entsprechenden Kreisfrequenzen sind Z 1 , C (L M ) (62) Z- 1 C (L M ) (63) . Unter Berücksichtigung der Eigenkreisfrequenz Z 0 = (L C)-1/2 der ungekoppelten Schwingung erhält man Zr Z0 M 1r L = Z0 1 r kL . (64) Der Kopplungsgrad kL der induktiv gekoppelten Schwingungen wird in Analogie zu Gl. (57) definiert: kL M . L (65) Für den Fall einer schwachen Kopplung folgt 'Z Z Z 'f f f kL Z0 bzw. kL f 0 . (66a) (66b) Die Aufspaltung der Linien im FourierSpektrum ist deshalb symmetrisch zur Eigen- frequenz f0 = Z0 / (2S). In der Zeitdarstellung beobachtet man Schwebungsschwingungen analog zu den gekoppelten Pendelschwingungen (M.2.4) oder den kapazitiv gekoppelten Schwingungen (Abb. F.1.2.2). Versuchsausführung In einem Vorexperiment ist mit den im Versuch verwendeten Bauteilen ein ungekoppelter Schwingkreis aufzubauen (Abb. F.1.2.6). Der Kondensator (Kapazität C) wird mittels der Gleichspannung Ua aufgeladen. Nach dem Schließen des Stromkreises bestehend aus Spule (Induktivität L) sowie dem Kondensator mit einem elektronischen Umschalter (S) kommt es zum exponentiell gedämpften Ausschwingverhalten (vgl. E.4.1). L S Ua C Abb. F.1.2.6 Messschaltung zur Ermittlung der Eigenfrequenzen und der Dämpfungskonstanten der nicht gekoppelten Schwingkreise Mit einem Digitaloszilloskop mit mathematischen Funktionen bzw. eines rechnerunterstützten Messwerterfassungssystems sind in einem Vorversuch die Identität der Eigenfrequenzen der ungekoppelten Schwingkreise zu überprüfen sowie deren Dämpfungskonstanten mit Hilfe der Abklingfunktion (vgl. E.4.0.1) zu ermitteln. Mit diesen Werten kann die Bedingung für schwach gedämpfte Schwingungen kontrolliert werden. Sind die Eigenfrequenzen unterschiedlich, ist die Frequenzabstimmung der Kreise mit zusätzlich zur Verfügung gestellten Bauteilen (regelbare Kapazitäten) durchzuführen. 350 Fourier-Transformation und Signalanalyse C C Ck L L S Ua Abb. F.1.2.7 Messschaltung I für kapazitiv gekoppelte Schwingkreise Für Aufgabe 1 ist die in Abb. F.1.2.7 dargestellte Messschaltung aufzubauen und anschließend werden die Kondensatoren mit Hilfe eines Labornetzgeräts (Quellenspannung Ua) geladen. Die Ladezustände der Kondensatoren bestimmen die Anfangsbedingungen und damit auch die Größe von IA0 und IB0 (Gln. (40) und (41)). Bei der Schaltung in Abb. F.1.2.7 erkennt man, dass hier eine Reihenschaltung des linken Kondensators mit einer Parallelschaltung bestehend aus variablem Kopplungskondensator Ck und der Reihenschaltung am rechten Kondensator C und der rechten Spule (Induktivität L) vorliegt. Der linke und rechte Kondensator sind also verschieden geladen (die Vorzeichen der Ladungen sind jedoch gleich). Es handelt sich um einen „gemischten“ Ausgangszustand und dementsprechend treten Schwingungen mit den Frequenzen f1 und f2 gemäß der Gln. (36) und (39) auf. Um die Messung zu starten, wird der Umschalter (S) geschlossen. Es wird die über der Spule abfallende Spannung gemessen und mittels FFT das Frequenzspektrum berechnet, das anschließend mit einem Mess-Cursor-System ausgemessen werden kann. Es sind für zehn unterschiedliche Kapazitäten des Kopplungskondensators die jeweiligen Frequenzen f2 bei konstanter Frequenz f1 und die Kopplungsfaktoren zu ermitteln, wobei darauf zu achten ist, dass die betreffenden Linien (Peaks) bezüglich ihrer Frequenzunterschiede im Spektrum noch deutlich unterschieden werden können. Bei Aufgabe 2 ist die Messschaltung nach Abb. F.1.2.8 aufzubauen. Diese ermöglicht durch die eindeutig bestimmten Anfangszustände der geladenen Kondensatoren die Eigenschwingungen eines kapazitiv gekoppelten Systems separat zu messen. Mit der Anfangsbedingung Ua = Ub wird der Fall der gleichsinnigen Schwingungen (Frequenz f1) realisiert, während man für Ua = Ub die gegensinnigen Schwingungen (Frequenz f2) erfassen kann. Für etwa zehn verschiedene Werte der Kopplungskapazität werden mittels FFT die Frequenzen f1 und f2 bestimmt und daraus die Periodendauer T und die Schwebungsdauer Ts unter Berücksichtigung der Gln. (44) und (45) berechnet. C C Ck S Ua S L Ub L Abb. F 1.2.8 Messschaltung II für kapazitiv gekoppelte Schwingkreise Danach sind durch Überbrücken des rechten Schalters und Laden des linken Kondensators sowie nach Schließen des linken Schalters Schwebungsschwingungen aufzunehmen und die Periodendauer und die Schwebungsdauer zu bestimmen. Die aus den Frequenzen f1 und f2 berechneten Werte T und Ts sind mit den aus den Schwebungsschwingungen erhaltenen Werten zu vergleichen. Der Kopplungsfaktor kC,II ist zu bestimmen. Zur Durchführung von Aufgabe 3 ist die in der Abb. F.1.2.9 dargestellte Schaltung aufzubauen. Als Kopplungsspulen werden zwei flache, identische Kreisspulen verwendet, die sich auf einer optischen Bank parallel und koaxial gegenüber stehen. 351 1.3 Fourier-Analyse akustischer Schwingungen CB LB S Ua Abb. F.1.2.9 Messschaltung für induktiv gekoppelte Schwingkreise Nach dem Laden des Kondensators CA wird der Umschalter (S) geschlossen und die gekoppelten Schwingungen können während des Ausschwingens aufgenommen sowie anschließend kann das Fourier-Spektrum berechnet werden. Es sind für etwa fünf unterschiedliche Abstände zwischen den Kreisspulen die Frequenzen f+ und f- sowie die Frequenz f0 des ungekoppelten Schwingkreises zu ermitteln. Damit ist der Kopplungsgrad nach Gl. (66b) zu berechnen, dessen Abhängigkeit vom Abstand der Spulen graphisch darzustellen und zu diskutieren ist. 1.3 Fourier-Analyse akustischer Schwingungen Aufgabenstellung 1. Es ist für drei unterschiedlich abgestimmte Stimmgabeln die Eigenfrequenz der jeweiligen Einzelschwingung sowie die Überlagerung der Einzelschwingungen zu messen und zu analysieren. 2. Die Hohlraumschwingungen von Rundhalskolben verschiedener Abmessungen sollen untersucht und deren Eigenfrequenzen bestimmt werden. 3. Mit einem Monochord sind Saitenschwingungen unter verschiedenen Bedingungen zu untersuchen. Zur Messung der unterschiedlichen Schallsignale wird ein Messmikrofon mit Verstärker verwendet, das mit dem Interface eines rechnerunterstützten Messwerterfassungssys- Versuchsausführung Für die Realisierung von Aufgabe 1 stehen drei gleichartige Stimmgabeln zur Verfügung, deren Eigenfrequenz durch Verschieben eines kleinen Reiters längs der Achse eines Gabelzinkens gegenüber der Grundfrequenz ohne Reiter verändert werden kann. Die Schwingungen der Stimmgabelzinken kann man durch Biegeschwingungen (M.4.1) beschreiben. Bei dieser speziellen Form von Schwingungen in Festkörpern hängt die Frequenz unter anderem von der Masseverteilung längs der Achse des Gabelzinkens ab. Im vorliegenden Beispiel bewirkt der Reiter am Ende eines Zinkens die größtmögliche Änderung (Verringerung) der Grundfrequenz der Stimmgabel. Intensität LA Amplitude CA tems verbunden ist und mit dem neben der Signalaufzeichnung auch eine Fourier-Transformation der Signale möglich ist. Ausführliche Hinweise zur Bedienung des Messmikrofons und des Messwerterfassungssystems sowie zur Datenanalyse liegen am Versuchsplatz aus. Zeit f1 f2 f3 Frequenz Abb. F.3.1 Beispiel eines Signals f (t) nach der Überlagerung von drei Stimmgabelschwingungen mit den Frequenzen f1, f2, f3 und dessen FourierTransformierte An den Gabelzinken sind in definierten Abständen Markierungen angebracht, so dass man die verschiedenen Positionen des Reiters auf dem Zinken gut reproduzieren kann. Nachdem man die Reiter an drei ausgewählten Stellen (jeweils etwa 10 Hz Unterschied zwischen den Eigenfrequenzen) festgeklemmt hat, sind die Stimmgabeln einzeln mit einem kleinen Gummihammer anzu- 352 Fourier-Transformation und Signalanalyse schlagen, die jeweiligen Einzelschwingungen aufzunehmen und deren Frequenz dem Fourier-Spektrum zu entnehmen. Zur Optimierung der Signalamplitude wird das Messmikrofon nahe der Öffnung des Resonanzkastens aufgestellt und der Grad der Verstärkung am Mikrofon geeignet gewählt. Anschließend sind erst zwei und danach alle drei Stimmgabeln kurz nacheinander anzuschlagen und in Schwingungen zu versetzen. Die überlagerten Schwingungen sind zu messen und die Frequenzen mittels anschließender FourierTransformation zu bestimmen. In der Diskussion sind die Frequenzen, die aus den überlagerten Schwingungen erhalten werden, mit denjenigen der Einzelschwingungen zu vergleichen. Bei Aufgabe 2 werden mit Luft gefüllte Rundhalskolben zu Hohlraumschwingungen angeregt. Bereits Hermann von Helmholtz entwickelte diese Art von akustischen Resonatoren (Helmholtz-Resonatoren), die heute noch in der Raumakustik praktische Anwendungen finden. Diese Hohlraumschwingungen werden in Analogie zur Schwingung eines Masse-Feder-Systems beschrieben (Masse m, Federkonstante c, M.3.3). Für die Eigenfrequenz dieses Systems gilt f0 1 2ʌ c . m (67) Das kompressible Gasvolumen VH des Hohlraums wirkt wie eine Feder mit der Masse m = mG (Gasmasse mG = UG l A , l Länge des Resonatorhalses, A Querschnittsfläche der schwingenden Masse, UG Dichte des ruhenden Gases). Zunächst berechnet man die Federkonstante c des Gasvolumens (vgl. W.2.2.3). Unter der Annahme, dass die Änderungen des Drucks im Gas so schnell erfolgen, dass kein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfinden kann, gilt für den Kompressionsmodul K: 1 K 1 ǻV VH ǻ p 1 . J pG (68) Dabei sind J der Adiabatenexponent (W.2.2) und pG der Druck des ruhenden Gases. Die Druckänderung 'p entsteht durch eine Kraft 'F, die auf die Fläche A wirkt: 'p 'F . A (69) Eine Verschiebung der schwingenden Gasmasse mG aus der Ruhelage um die Strecke 'l in Richtung des Hohlraumvolumens VH bewirkt eine Verringerung des Resonatorvolumens um den Wert 'V. Demzufolge verhalten sich Volumen- und Längenänderung entgegengesetzt ('V = A ' l ). Mit 'F = c ' l und den Gln. (68) und (69) folgt ǻF ǻl c pG J A2 VH . (70) Nach Einsetzen der Federkonstante c und der Masse mG in Gl. (67) erhält man f0 1 A pG J . 2ʌ VH l UG (71) Addiert man zur Länge l die so genannte Mündungskorrektur ( ʌ R / 4 , R Radius des Halses, Abb. F.3.2) auf beiden Seiten des Resonatorhalses, folgt für die Eigenfrequenz f0 des Helmholtz-Resonators f0 1 2ʌ J pG ʌ R 2 VH U G (l ʌR ) 2 . (72) Zunächst wird das Mikrofon ein Stück in den Hals des eingespannten Resonatorvolumens hinein geschoben (Abb. F.3.2). Ein Lautsprecher, der mit Hilfe eines Funktionsgenerators zu Sinusschwingungen angeregt wird, ist so aufzustellen, dass sein abgestrahltes Schallfeld im Hohlraum zu erzwungenen Schwingungen führt. Bei langsamer Variation der Generatorfrequenz in einem vorgegebenen Frequenzbereich wird das Ausgangssignal des Mikrofons mit einem 353 1.3 Fourier-Analyse akustischer Schwingungen rechnerunterstützten Messwerterfassungssystem bei ausreichend kleiner Abtastrate (F.1.0.1) aufgenommen und das Frequenzspektrum mittels FFT berechnet. Computer Signalverarbeitung Interface (II) b (I) a c l 2R VH Rauschgenerator Abb. F.3.2 Schema des Messplatzes zur Messung von Hohlraumschwingungen (Rundhalskolben (a), Messmikrofon (b), Lautsprecher (c)), weißes Rauschen1 (I) zur Anregung von Hohlraumschwingungen, Frequenzspektrum (II, roter Peak entspricht der Eigenfrequenz der Hohlraumschwingung) Im Frequenz-Spektrum sind dann die beiden Frequenzen der Schallwelle und der Hohlraumschwingung deutlich zu erkennen. Stimmen beide Frequenzen nahezu überein, beobachtet man maximale Intensität der Linie für die betreffende Eigenfrequenz der Hohlraumschwingung. Weitere Messungen sollen nach Anregung der Hohlraumschwingungen durch Anschlagen mit einem kleinen Gummihammer und durch ein Rauschsignal (weißes Rauschen) eines Lautsprechers durchgeführt und deren Fourier-Spektren diskutiert werden. Die Eigenfrequenzen der unter1 Beim weißen Rauschen verteilt sich die Rauschleistung pro Frequenzintervall konstant über alle Frequenzen. Thermisches Rauschen (elektronisches Rauschen, Johnson-Nyquist-Rauschen) ist ungefähr weißes Rauschen. Es entsteht durch die thermische Bewegung von Ladungsgträgern (insbesondere von Elektronen) innerhalb eines elektrischen Leiters im thermischen Gleichgewicht unabhängig von der angelegten Spannung. schiedlich großen Resonatoren, deren Abmessungen bekannt sind, sollen berechnet und mit den im Experiment bestimmten Werten verglichen werden. Bei Aufgabe 3 werden u. a. die Saitenschwingungen von dünnen Stahldrähten in Abhängigkeit von der Spannkraft (Zugspannung) und der Saitenlänge untersucht (Abb. F.3.3). Die Saiten sind auf einem Resonanzkasten (z. B. Monochord) befestigt. Durch diesen werden die Saitenschwingungen akustisch verstärkt. Zur Variation der Länge L der schwingenden Saite stehen zwei verschiebbare Keile zur Verfügung. Der Einfluss der Spannkraft F und der Länge L auf die Eigenfrequenzen der Saitenschwingung wird mit einem rechnerunterstützten Messplatz ermittelt. Keil Spannvorrichtung Schwingungsrichtung Saite Keil Resonanzkasten L Abb. F.3.3 Zur Messung von Saitenschwingungen mit Resonanzkasten (schematisch) Ausgangspunkt der theoretischen Behandlung von Saitenschwingungen (beide Enden fest eingespannt, axiale Normalspannung V F / A ) ist die Wellengleichung vom Typ w2 y wt 2 F w2 y . U A w x2 (73) Es ist U die Dichte des Drahts und die Koordinaten x bzw. y beschreiben die Richtungen der ruhenden Saite sowie die Auslenkung der Saite. Die Differentialgleichung in Gl. (73) zeigt, dass die Transversalschwingungen nicht von der Elastizität des Materials (EModul) sondern nur von der Spannkraft F und der so genannten linearen Massendichte P U A abhängen. Für die Phasengeschwin- 354 Fourier-Transformation und Signalanalyse O f ct F UA . (74) l n=1 t Grundschwingung f 1 n=2 t 1. Oberschwingung f =2f 2 1 t n= 3 2. Oberschwingung f =3f 3 1 Abb. F.3.4 Stehende Welle bei beidseitig eingespannter Saite für die ersten drei Harmonischen einer Saitenschwingung Im Falle beidseitig fixierter Saiten existieren bei einer stehenden Welle an den Enden der Saite immer Knoten. Infolge des Abstands O /2 zwischen den Knoten gilt L n On / 2 bzw. On 2L ( n 1, 2,3, ...) . n (75) f1 Damit folgt aus Gl. (74) für die Eigenfrequenzen (fn = ct /On) fn n 2L F UA . An den fixierten Stellen (Keile, Befestigungspunkte) erfahren die Wellen bei der Reflexion einen Phasensprung von S. Zur Erregung transversaler Saitenschwingungen zieht man im einfachsten Fall die Saite in der Mitte kurz nach oben (Anzupfen). Es ist aber auch möglich, die Saite durch geeignete äußere Beeinflussung (z. B. mechanisch oder magnetisch) zu erzwungenen Schwingungen anzuregen. Dabei kann auch die Frequenzabhängigkeit der Schwingungsamplitude in Form einer Resonanzkurve (M.2.3) erfasst werden. Die Aufnahme und Auswertung der Schallwellen erfolgt analog zu den bereits oben beschriebenen Messungen. In Abb. F.3.5 ist das Frequenzspektrum einer gemessenen Saitenschwingung nach der Fourier-Transformation dargestellt. Intensität digkeit c der sich ausbildenden transversalen Welle ergibt sich (76) Die in Abb. F.3.4 dargestellte Amplitudenverteilung längs der Saite zeigt den momentanen Schwingungszustand für den Zeitpunkt t (schwarze Kurven) und für den ZeitT punkt t n 1 mit n = 1, 2, 3, …(rote Kur2 ven). T1 entspricht der Periodendauer und f1 der Frequenz der Grundschwingung. Zwischen diesen beiden Zuständen schwingt die Saite mit den Frequenzen fn (fn = n f1). f2 f3 f4 f5 f Abb. F.3.5 Fourier-Transformierte einer Saitenschwingung, Grundfrequenz f1 (roter Peak) und Oberschwingungen Außer der Frequenz f1 der Grundschwingung sind auch die Frequenzen einiger Oberschwingungen zu erkennen. Unter Anwendung von Gl. (76) können die Frequenzen des Spektrums eindeutig zugeordnet werden. Die experimentell bestimmten Grundfrequenzen der Saitenschwingung in Abhängigkeit von der Spannkraft F sind mit den nach Gl. (76) berechneten Werten zu vergleichen. Dazu werden neben der Größe von F, die mit der zur Verfügung stehenden Spannvorrichtung bestimmt wird, die Länge L und der Durchmesser (2r) der Saite ermittelt, die Dichte U 1.3 Fourier-Analyse akustischer Schwingungen des Materials ist bekannt. Für die Diskussion der Abhängigkeit der Eigenfrequenz der Saitenschwingung von der Länge der Saite ist eine graphische Darstellung f1(L) anzufertigen, in die auch die mit Gl. (76) berechneten Werte einzutragen sind. Abweichungen, die außerhalb der Messunsicherheiten liegen, 355 sollen diskutiert werden. Zusätzlich können auch Messungen mit einer Saite aus einem anderen Material oder mit einem anderen Durchmesser durchgeführt werden, um den Einfluss des Materials und des Querschnitts auf die Grundfrequenz unter Beachtung von Gl. (76) zu erörtern. 357 Anhang A.1 Komplexe Zahlen 358 A.2 Lösungen linearer Differentialgleichungen 360 A.3 Nichtlineare Dynamik 364 A.4 Grundlagen digitaler Messungen 370 A.5 Nuklid-Zerfall 373 A.6 Physikalische Fundamentalkonstanten 377 A.7 Eigenschaften fester Stoffe 378 A.8 Eigenschaften von Flüssigkeiten 379 A.9 Dichte und dynamische Viskosität von Wasser 380 A.10 Siedetemperatur des Wassers in Abhängigkeit vom Luftdruck 380 A.11 Spezifische Wärmekapazität von Wasser 381 A.12 Dichte von Gasen, Schallgeschwindigkeit in Gasen, Flüssigkeiten und Festkörpern 381 A.13 Wärmeleitfähigkeit fester Stoffe 381 A.14 Flächenträgheitsmomente ausgewählter Querschnitte 382 A.15 Beispiele stationärer Wärmeleitung 383 A.16 Spezifischer elektrischer Widerstand und Temperaturkoeffizient 384 A.17 Beweglichkeit der Ladungsträger verschiedener Halbleiter 384 A.18 Spektrallinien ausgewählter Elemente 385 A.19 Termschema von Neon 386 A.20 Tabelle zur Standardnormalverteilung 387 A.21 Tabelle zur t-Verteilung 388 A.22 Tabelle zur F 2-Verteilung 389 W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum, DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_7, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 Anhang 358 A.1 Komplexe Zahlen A.1.0 Bedeutung komplexer Zahlen für die Physik Alle messbaren physikalischen Größen sind durch Zahlenwert und Einheit gekennzeichnet (siehe Einführung 1). Die Zahlenwerte sind dabei reelle Zahlen. Dennoch rechnet man in der Physik und der Elektrotechnik häufig mit komplexen Zahlen, da sich dadurch die Rechnungen oft wesentlich vereinfachen. Im Allgemeinen wird dabei der physikalischen Größe mit reellem Zahlenwert eine komplexe Größe zugeordnet. Die Berechnungen erfolgen im Bereich der komplexen Zahlen und führen zu einem komplexen Ergebnis. Dieses ist entsprechend zu interpretieren und auf den aus physikalischer Sicht relevanten reellen Fall zurückzuführen. Für komplexe Zahlen gibt es die kartesische und die trigonometrische Form (Polarform), die sich mit der Euler’schen Identität in eine Exponentialform überführen lässt. A.1.1 Kartesische Form (1) Die reellen Zahlen x = Re( z ) und y = Im ( z ) sind dabei der Real- und der Imaginärteil der komplexen Zahl z . Für die imaginäre Einheit i gilt: i = 1 . Im (2) Die komplexe Zahl z lässt sich als Punkt P(x,y) in der Gauß’schen Zahlenebene (Abb. A.1.1) darstellen. Die y-Achse trägt die imaginäre Einheit i. Diese wird in der Elektrizitätslehre auch mit j bezeichnet, um Verwechslungen mit dem Symbol i für die P(x,y) y z ϕ x -z Re z* Abb. A.1.1 Darstellung einer komplexen Zahl und der konjugiert komplexen Zahl in der Gauß’schen Zahlenebene (Im: imaginäre Achse mit der imaginären Einheit i, Re: reelle Achse) Die Länge des Zeigers charakterisiert den Betrag z = z der komplexen Zahl: z Komplexe Zahlen stellen eine Erweiterung der Menge der reellen Zahlen dar. Sie haben die Struktur z = xiy . Wechselstromstärke zu vermeiden. Der Punkt P(x,y) bildet die Spitze eines Zeigers, dessen anderer Begrenzungspunkt im Ursprung der Gauß’schen Zahlenebene liegt. x2 + y 2 . (3) Die Zahl z * = x -i y ist die zu z konjugiert komplexe Zahl und es gilt: z = z z* . (4) Es seien z 1 = x1 + i y1 und z 2 = x2 + i y2 zwei von null verschiedene komplexe Zahlen. Für das Rechnen mit komplexen Zahlen in kartesischer Form gelten die folgenden Regeln: Komplexe Zahlen werden in kartesischer Form addiert bzw. subtrahiert, indem man jeweils ihre Real- und Imaginärteile getrennt addiert bzw. subtrahiert und zum komplexen Ergebnis zusammensetzt: z = z 1 ± z 2 = (x1 ± x2 ) + i (y1 ± y2 ) . (5) Komplexe Zahlen werden in kartesischer 359 A.1 Komplexe Zahlen Form multipliziert, indem man die Klammerausdrücke nach den aus dem Bereich der reellen Zahlen bekannten Regeln ausmultipliziert. Anschließend wird nach Realund Imaginärteil sortiert und zusammengefasst: z z1 z2 = (x1 +i y1 ) (x2 +i y2 ) = (x1 x2 y1 y2 ) +i (x1 y2 y1 x2 ) . (6) Das Produkt einer komplexen Zahl mit ihrer konjugiert komplexen Zahl ist gleich dem Quadrat des Betrages der komplexen Zahl: z 2 zz * x y . 2 2 (7) Bei der Division zweier komplexer Zahlen macht man den Nenner durch Erweitern mit seiner konjugiert komplexen Zahl rational: z z1 z2 ( x1 i y1 ) ( x2 i y2 ) ( x2 i y2 ) ( x2 i y2 ) (x1 x2 + y1 y2 ) (x2 y1 x1 y2 ) +i . x2 2 + y2 2 x2 2 + y2 2 1 x i y ( x i y) x2 y 2 x y i 2 . x y2 x2 y 2 z cos M , y x z sin M . (10) Damit geht die in Gl. (1) gegebene kartesische Form der komplexen Zahl in die trigonometrische Darstellung über: z (cos M isin M ) . z (11a) Die dazu konjugiert komplexe Zahl ist z* z (cos M i sin M ) . (11b) Der Zeiger der konjugiert komplexen Zahl schließt in diesem Fall mit der Abszisse den Winkel -M ein (Abb. A.1.1). Aus der Beziehung tanM = Im(z ) Re(z ) y x (12a) lässt sich der Winkel M mit (8) § Im( z ) · § y· ¸ = arctan ¨ ¸ z Re( ) ©x¹ © ¹ M = arctan ¨ Für den Reziprokwert der komplexen Zahl z (Gl. (1)) ergibt sich somit 1 z schließt, darstellen. Es gilt: (9) Potenzieren und Radizieren ist in der kartesischen Form möglich. Günstiger ist allerdings das Ausführen solcher Rechnungen in der Exponential- oder der trigonometrischen Form, die im Folgenden beschrieben werden. A.1.2 Trigonometrische Form Wie aus Abb. A.1.1 ersichtlich ist, lässt sich die komplexe Zahl z auch durch ihren Betrag z (Länge des Zeigers) und den Winkel ij, den der Zeiger mit der Abszisse ein- (12b) berechnen. Die Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division werden nach den für die kartesische Form beschriebenen Regeln ausgeführt. Durch die Anwendung von Additionstheoremen ist bei der Multiplikation und der Division eine weitere Zusammenfassung der Winkelfunktionen möglich. Für zwei von null verschiedene komplexe Zahlen z1 z1 (cos M1 i sin M1 ) und z2 z2 (cos M2 i sin M2 ) ergibt sich durch Multiplikation bzw. Division z z1 z 2 z1 z2 cos (M1 M 2 ) i sin(M1 M 2 ) , (13) Anhang 360 z1 z z2 z1 cos (M1 M2 ) i sin (M1 M2 ) . z2 (14) Bei der Berechnung der n-ten Wurzel ergeben sich genau n verschiedene Wurzeln wn: 1 zn zz * z cos M sin M 2 2 2 2 z . (15) Die Euler’sche Identität und ihre konjugiert komplexe Form eiM = cosM i sinM , (16a) e = cosM i sinM (16b) ermöglichen eine Beschreibung beliebiger komplexer Zahlen in exponentieller Form: z (cos M i sin M ) z ei M , z (cos M i sinM ) = z e-iM . z* (17a) (17b) Rechenoperationen wie Multiplikation, Division, Potenzieren und Radizieren im Bereich der komplexen Zahlen vereinfachen sich damit wesentlich. Für die Multiplikation und Division folgt: z z1 z 2 z z1 z2 z1 z2 ei (M1 M2 ) , z1 eiM1 z2 eiM2 z1 i(M1 M2 ) e . z2 z n (ei M ) n z n ei n M z n cos (n M ) i sin (n M ) . M k 2ʌ n (20) 1 1 e i ʌ k 2ʌ 2 ª § ʌ k 2ʌ · § ʌ k 2ʌ · º ¸ +i sin ¨ ¸» . «cos ¨ 2 2 ¹ © ¹¼ ¬ © Mit k = 0 und 1 erhält man w1 §ʌ· §ʌ· (cos ¨ ¸ +i sin ¨ ¸ = i , ©2¹ ©2¹ w2 § 3ʌ · § 3ʌ · (cos ¨ ¸ +i sin ¨ ¸ )= i . 2 © ¹ © 2 ¹ Damit sind i und –i Lösungen der Gleichung w2 = 1. Mit der Euler’schen Identität lassen sich auch der Sinus bzw. der Kosinus eines Winkels M in exponentieller Form darstellen. Es gilt: eiM e-iM , cos M 2i eiM + e-iM . (21a,b) 2 (18a) sin M (18b) A.2 Lösungen linearer Differentialgleichungen Durch Verwenden der Euler’schen Identität erhält man daraus die durch die Gl. (13) bzw. Gl. (14) gegebenen trigonometrischen Darstellungen. Für das Potenzieren einer komplexen Zahl z mit der Zahl n folgt: zn i k = 0 … n1. Zum Beispiel folgt mit z = 1 und n = 2 sowie M ʌ aus Gl. (20): 1 z 1 zn e z 2 = 12 =1 (ei(ʌ k 2ʌ) ) 2 A.1.3 Exponentielle Darstellung -iM 1 1 ª § M k 2ʌ · § M k 2ʌ ·º z n «cos ¨ ¸isin ¨ ¸» , © n ¹¼ ¬ © n ¹ Die Anwendung von Gl. (7) zur Berechnung des Betrags der komplexen Zahl z führt mit cos 2M sin 2M 1 zu 1 z n (ei(M k 2ʌ) ) n (19) A.2.0 Lineare Differentialgleichungen erster und zweiter Ordnung In den verschiedenen Kapiteln dieses Buches findet man Gleichungen vom Typ a dy by dt f (t ) bzw. (1) 361 A.2 Lösungen linearer Differentialgleichungen d2 y dy b c y f (t ) 2 (2) dt dt zur Beschreibung physikalischer Sachverhalte. In diesen linearen inhomogenen Differentialgleichungen erster und zweiter Ordnung stehen y für eine zeitabhängige physikalische Systemgröße und t für die Zeit. Die Funktion f (t) kennzeichnet einen zeitabhängigen äußeren Einfluss auf das System und wird daher als Störfunktion oder auch als Störglied bezeichnet. In den hier behandelten Fällen sollen die Koeffizienten a, b und c konstante physikalische Größen sein. Das Lösen solcher Differentialgleichungen erfolgt stets in zwei Teilschritten: Zuerst setzt man f (t) = 0 und löst die homogenen Differentialgleichungen: a dy b y dt a Die homogene Differentialgleichung dy 1 y 0 dt W 0 , (3) 0 . (4) Die entsprechenden Lösungen yh(t) gewinnt man bei Gl. (3) durch Trennung der Variablen und bei Gl. (4) über die Ansatzmethode. Beim zweiten Schritt wird ein partikuläres Integral yp(t) bestimmt. Darunter versteht man eine spezielle Lösung, die die inhomogene Differentialgleichung erfüllt. Wenn das Störglied f (t) der Differentialgleichung eine Konstante f (t) = const oder eine harmonische Wechselgröße f (t) = f0 cosZ t ist, dann ergibt sich als partikuläre Lösung yp(t) = ye, wobei ye der Zustand des Systems ist, der sich nach hinreichend langer Zeit einstellt. Bei den folgenden Betrachtungen werden ausschließlich diese Fälle behandelt. Die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung ist die Summe aus der Lösung der homogenen Differentialgleichung und einer partikulären Lösung: y h (t ) y p ( t ) . (5) (6) mit der Zeitkonstanten W a / b löst man durch Trennung der Variablen: dy/ y dt / W . (7) Die anschließende Integration führt zur Funktion ln( y ) W t C , woraus sich dann die Lösung der homogenen Differentialgleichung mit den Integrationskonstanten C bzw. K eC ergibt: yh (t ) d2 y b d y c y dt 2 a dt a y (t ) A.2.1. Lösung der linearen Differentialgleichung erster Ordnung Ke t W . (8) Für den Fall einer sprunghaften Änderung der Funktion f (t) von null auf einen konstanten Wert bzw. von einem konstanten Wert auf null ist eine partikuläre Lösung yp (t ) ye const bzw. yp (t ) ye 0 und die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung lautet: y (t ) Ke t W ye . (9) Die Integrationskonstante K lässt sich aus den jeweiligen Anfangsbedingungen bestimmen: 1. Fall: Für t = 0 gilt y(0) = 0 und durch die sprunghafte Änderung von f (t ) wird nach hinreichend langer Zeit der Zustand ye ymax z 0 erreicht. Es folgt K ymax und die allgemeine Lösung lautet dann: y (t ) t ymax (1 e W ) . (10) 2. Fall: Für t 0 gilt y (0) ymax . Der durch die physikalische Größe y beschriebene Vorgang klingt gegen null ab. Anhang 362 Mit ye y (t ) 0 folgt als Gesamtlösung: ymax e t W . (11) 2.2. Lösung der linearen Differentialgleichungen zweiter Ordnung Die homogene Differentialgleichung Gl. (4) lässt sich mit 2G b / a und Z0 2 c / a in der Form d2 y dy 2G Z0 2 y dt 2 dt Man nennt das durch diese Lösung beschriebene Verhalten des Systems einen aperiodischen Ausgleichsvorgang oder Kriechfall (Abb. A.2.1a). y b) td y c) (12) 0 a) t darstellen. Die Lösung erfolgt über die Ansatzmethode. Es sei: yh (t ) K eO t . (13) Das Einsetzen dieses Lösungsansatzes sowie seiner ersten und zweiten Ableitung nach der Zeit in Gl. (12) mit anschließender Division durch K eO t führt zur charakteristischen (quadratischen) Gleichung: O 2 2 G O Z0 2 0 . (14) Deren Lösungen lauten: O1,2 G r G 2 Z0 2 . (15) Die Beträge der Größen Ȧ0 und į, die die Kreisfrequenz der Eigenschwingung und die Dämpfungskonstante des Systems beschreiben, beeinflussen somit das Verhalten des schwingungsfähigen Systems. Fall 1: Es sei į > Ȧ0 und damit į2 Ȧ02 > 0. Die quadratische Gleichung hat zwei reelle Lösungen Ȝ1 und Ȝ2, die beide kleiner als null sind. Die Gesamtlösung der homogenen Differentialgleichung ist dann die Überlagerung zweier abklingender Exponentialfunktionen: yh (t ) K1 e O1t K2 e O2 t . (16) Abb. A.2.1 a) Kriechfall (į > Ȧ0, starke Dämpfung), b) aperiodischer Grenzfall (į = Ȧ0), c) Schwingfall ( į < Ȧ0 , schwache Dämpfung), verschiedene Zeitmaßstäbe td bzw. t Fall 2: Es sei į = Ȧ0 und damit į2 Ȧ02 = 0. Die quadratische Gleichung beschreibt eine Doppelnullstelle (O = G). Wie sich durch Einsetzen in Gl. (12) zeigen lässt, ist neben y1 K1 eO t auch y2 K 2 t eO t eine Lösung der homogenen Differentialgleichung. Für die Gesamtlösung gilt: y h (t ) ( K1 K 2 t ) e O t . (17) Diese Lösung beschreibt den aperiodischen Grenzfall (Abb. A.2.1b). Fall 3: Es sei į < Ȧ0 und damit į2 Ȧ02 < 0. Die beiden Lösungen Ȝ1 und Ȝ2 sind komplexe Größen (A.1). Aus Gl. (15) ergibt sich unter Verwendung der imaginären Einheit i = 1 : O1,2 G r i Z 02 G 2 . (18) Mit der Kreisfrequenz des gedämpften Sys- 363 A.2 Lösungen linearer Differentialgleichungen tems Z Zd Z 02 G 2 und O1,2 G r iZ lässt sich die Gesamtlösung yh (t ) als Summe der Einzellösungen darstellen: yh (t ) K1 eO1 t K 2 eO2 t K1 e( G iZ )t K 2 e( G iZ )t e G t ( K1 e iZ t K2 e iZ t (19) ) . d y (0) dt ymax K1 K 2 , O1 K1 O2 K 2 (20a) 0 . (20b) Aus den Lösungen dieses Gleichungssystems O2 ymax O1 ymax K1 und K 2 (O2 O1 ) (O1 O2 ) ergibt sich K1 G iZ ymax bzw. K2 2i Z G iZ ymax . 2iZ Das Einsetzen in Gl. (19) und anschließendes Umordnen führt zu: yh § G (eiZ t e iZ t ) eiZ t eiZ t ymax eG t ¨ 2i 2 ©Z · ¸. ¹ Unter Berücksichtigung der Gln. (21a) und (21b) aus A.1 ergeben sich yh §G · e G t ymax ¨ sin(Z t ) cos(Z t ) ¸ ©Z ¹ bzw. nach Ausklammern von (Z0 / Z) yh eG t ymax cos M · Z0 § G Z ¨ sin(Z t ) cos(Z t ) ¸ . Z © Z0 Z0 ¹ Das Umschreiben unter Verwendung des Additionstheorems cos(D E ) sin D sin E cos D cos E Z , sin M Z0 Zt , E M, G und Z Zd zur Z0 reellen Lösung der homogenen Differentialgleichung für den Fall einer freien gedämpften Schwingung (Abb. A.2.1c): yh (t ) Die Konstanten K1 und K 2 werden aus den y (0) ymax und Anfangsbedingungen d y (0) / dt 0 bestimmt. Es gilt: y (0) führt mit den Festlegungen D ymax e G t Z0 cos(Zd t M ) . (21) Zd Für den Phasenwinkel gilt: tan M G . Zd (22) Um die inhomogene Differentialgleichung (Gl. (2)) zu lösen, ist nun noch eine partikuläre Lösung yp(t) zu suchen. Die allgemeine Lösung ist die Überlagerung der Lösung der homogenen Differentialgleichung und der partikulären Lösung: y (t ) ymax yh (t ) yp (t ) (23) Z0 G t e cos(Zd t M ) yp (t ) . Zd Nach Gl. (21) klingt yh(t) exponentiell mit der Zeit ab, so dass die partikuläre Lösung nach hinreichend langer Zeit die Gesamtlösung allein bestimmt. Als Störglied wird eine harmonische Anregung f (t ) f 0 cos (Z t ) des Systems in Gl. (2) gewählt, wobei Z nun die Kreisfrequenz der Anregung ist. Um die Vorteile des Rechnens mit komplexen Zahlen (A.1) zu nutzen, wird f (t ) in die komplexe Form f (t ) f 0 ei Z t überführt. Die inhomogene Differentialgleichung (Gl. (21)) lautet dann d2 y dy 2G Z0 2 y dt2 dt AE eiZ t , (24) f0 ist. Die partikuläre Lösung a hierfür findet man ebenfalls über einen wobei AE Anhang 364 folgt für die frequenzabhängige Amplitude geeigneten Lösungsansatz: y p (t ) Ae i ( Z t M ) (25) . Für Gl. (25) sind zunächst die erste und die zweite Ableitung nach der Zeit zu bilden: d yp i AZ e dt i(Z t M ) , (26) d 2 yp A Z 2 ei (Z t M ) dt2 Das Einsetzen in Gl. (24) sowie die anschließende Division durch ei (Z t M ) ergibt AE eiM A (Z0 2 Z 2 ) i 2 G A Z (27) und das Anwenden der Euler’schen Identität führt zur Beziehung AE eiM AE cos M i AE sin M . (28) Durch Vergleich der Real- und Imaginärteile der Gln. (27) und (28) erhält man die Beziehungen cos M A (Z0 2 Z 2 ) / AE und sin M 2 G AZ / AE , woraus sich der Phasenwinkel ij nach Gl. (12b) im Anhang A.1 bestimmen lässt: M arctan 2G Z . (Z0 2 Z 2 ) (29) Ersetzt man den Lösungsansatz nach Gl. (25) durch yp (t ) A ei (Z t M ) , gilt für den Phasenwinkel die Beziehung 2G Z M arctan 2 . (Z0 Z 2 ) Die im Lösungsansatz nach Gl. (25) enthaltene Amplitude A ergibt sich durch Multiplikation von Gl. (27) mit der konjugiert komplexen Beziehung AE e -iM A (Z0 2 Z 2 ) i 2 G A Z . Aus AE 2 A2 (Z0 2 Z 2 )2 A2 4G 2Z 2 (30) A(Z ) AE (Z Z ) 4 G 2Z 2 2 0 2 2 . (31) Damit ist die durch den Lösungsansatz nach Gl. (25) beschriebene partikuläre Lösung vollständig bestimmt. Das Anwenden der Euler’schen Identität ermöglicht die Rückführung in den reellen Bereich: yp (t ) A(Z ) cos(Z t M ) . (32) A.3 Nichtlineare Dynamik Im Gegensatz zur linearen Dynamik können sich im Falle einer nichtlinearen Dynamik kleine Veränderungen der Anfangsbedingungen erheblich auf den Verlauf und das Ergebnis eines physikalischen Vorgangs auswirken. Eine geringe Abweichung der Startwerte kann zu einer nicht vorhersagbaren Entwicklung des Systems führen. Ein schwingendes System, das chaosfähig ist, muss drei Bedingungen erfüllen: o Es muss nichtlinear sein. o Es muss eine sensitive Abhängigkeit von den Startbedingungen vorliegen. o Es muss mindestens drei effektive Freiheitsgrade haben, damit es bei den Trajektorien im Phasenraum zu keinen Überschneidungen kommt, die der Determinismus verbietet. Diese Bedingungen sind notwendige aber nicht hinreichende Bedingungen für chaosfähige Systeme. A.3.1 Verhulst-Dynamik In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stellte sich in den industriell entwickelten europäischen Staaten ein rascheres Anwachsen der Bevölkerung ein. Dies weckte Befürchtungen einer Überbevölkerung, die zu kontroversen Diskussionen führte. Der belgische Mathematiker Pierre Francois 365 A.3 Nichtlineare Dynamik Verhulst (1804-1849) entwickelte vor diesem Hintergrund ein Modell, um die Bevölkerungsentwicklung seines Heimatlands zu beschreiben. Zentrale Idee war die Annahme eines beschränkten Wachstums. Es galt, einen verträglichen Maximalwert für die Bevölkerung zu finden und die Annäherung an diesen Grenzwert als Extrapolation der bisherigen Bevölkerungsentwicklung mathematisch allgemein zu beschreiben. Heute wird dieses Modell in der Populationsdynamik häufig als Wechselwirkungsterm in Differentialgleichungssystemen oder in diskretisierter Form genutzt. Während die Differentialgleichung stets zu einer kontinuierlichen Veränderung der Population führt, offenbart die diskretisierte Form eine vielschichtige Abhängigkeit vom Wachstumsparameter. N (t ) Mit N0 N (t ) Nmax N max . (2) N 0 ( N max N 0 ) exp( At ) x(t ) und N0 N max x0 x (0) erhält man die normierte Darstellung x(t ) x0 , x0 (1 x0 ) exp( A t ) (3) wobei x0 im Intervall 0 x0 1 zu wählen ist. Diese Funktion erreicht für t o f stets den Maximalwert eins, d. h., die Maximalpopulation (Abb. A.3.1). 1,0 x A.3.1.1 Differentialgleichung Das damals befürchtete exponentielle Wachstum setzt eine Wachstumsgeschwindigkeit dN/dt voraus, die proportional zur aktuellen Populationszahl N ist. Aus der zugehörigen Differentialgleichung dN dt AN (1) 0 folgt dann die Exponentialfunktion N (t ) N 0 exp( At ) , wobei A der Wachstumsparameter und N0 die Ausgangspopulation sind. Im VerhulstModell wird ein zusätzlicher Faktor eingeführt, der die Wachstumsgeschwindigkeit umso stärker abschwächt, je mehr sich die Population einem Maximalwert N max nähert. Für die zeitliche Entwicklung der Population N kann als Differentialgleichnung dN dt 0,5 § N · A N ¨1 ¸ © N max ¹ (1a) geschrieben werden, deren Lösung zur sigmoidalen Funktion führt: 0,2 0,4 0,6 0,8 t Abb. A.3.1 Sigmoidales Populationswachstum x(t) nach Gl. (3), x0 = 0,25, A = 0.75 (roter Graph), A = 2.0 (schwarzer Graph) A.3.1.2 Logistische Abbildung und diskretisierte Beschreibung Wenn das Wachstum streng zyklisch verläuft, kann die Populationsentwicklung genau in diesem Rhythmus beschrieben werden. So stellt sich in Gebieten mit ausgeprägten Jahreszeiten für viele Tier- und Pflanzenpopulationen ein Jahresrhythmus oder ein Vielfaches davon ein. Für unbegrenztes Wachstum gilt für eine anwachsende Population mit der Anfangszahl N0 und dem Wachstumsfaktor c ! 0 Anhang 366 wegen N1 c N 0 und N 2 c N1 c2 N0 n 1 allgemein N n 1 c N n c N 0 . Eine einfache Annahme für begrenztes Wachstum besteht darin, den Wachstumsfaktor von der Differenz zwischen maximaler und aktueller Populationszahl abhängig zu machen (Veränderung der Ressourcen). Mit c r N n 1 ( N max N n ) folgt N max r N n (1 Nn ), N max r xn (1 xn ) r xn r x . 2 n (4) Die Nichtlinearität der logistischen Abbildung ist offensichtlich. Für die Diskussion der Populationsdynamik ist das Intervall 0 r d 4,0 für den Wachstumsparameter r besonders interessant, weil dann die zugehörigen normierten Populationen im Intervall {0, 1} bleiben. Für 0 < r < 1 stirbt die Population analog zum einfachen Ansatz N n 1 c N n für alle Startwerte 0 < x0 < 1 aus. Für 1 r d 3,0 strebt die Population unabhängig vom Startwert x0 festen Grenzwerten zu, die mit r kontinuierlich wachsen. Da für diese Fixpunkte xn*1 xn* gilt, folgt aus Gl. (4) x* r x* (1 x* ) bzw. x* (r 1) r für 1 r d 3,0 . Aus Abb. A.3.2 ist ersichtlich, dass bei Vergrößerung von r die Annäherung an den jeweiligen Fixpunkt erst nach immer mehr Iterationsschritten erfolgt. Für noch größere r (3 r d 4) könnte man annehmen, dass die Einschwingzeit ohne das Auftreten prinzipiell neuer Verhaltensmuster des Systems gegen unendlich geht. 1,0 r = 2,8 0,5 0,5 0 1,0 0 20 40 k x r = 3,2 1,0 0,5 0,5 x 0 woraus sich nach Division beider Seiten durch Nmax mit 0 < xi < 1 die logistische Abbildung ergibt: xn1 x x 1,0 20 40 k r = 3,0 40 k 20 r = 3,52 0 20 40 k Abb. A.3.2 Entwicklung der Population x(k) für 50 Zyklen und steigenden Wachstumsparameter r Ein Blick auf das Teilbild für r = 3,2 in Abb. A.3.2 zeigt jedoch, dass ein schnelles Einschwingen auf zwei alternierend angenommene Werte eintritt. x 1,0 0,5 0 2,5 3,0 3,5 4,0 r Abb. A.3.3 Feigenbaum-Diagramm x(r ) für den Bereich 2,5 d r d 4, 0 Einen Überblick über die Eigenschaften des Systems liefert das FeigenbaumDiagramm (Abb. A.3.3), in dem die Zustände x als Funktion des Wachstumsparameters r dargestellt werden. Um dieses Diagramm zu gewinnen, lässt man das Sys- 367 A.3 Nichtlineare Dynamik tem für jeden Wachstumsparameter einschwingen und trägt alle folgenden Werte über diesem Wachstumsparameter auf. So verfährt man in kleinen Schritten für möglichst viele Wachstumsparameter im ausgewählten Intervall. In Abb. A.3.3 ist eine Folge von Bifurkationen zu erkennen, die für r t 3,570 in einen chaotischen Bereich führen. Diese Aufspaltungen der Fixpunkte folgen immer enger aufeinander, wobei sich die Abstände etwa um einen Faktor f | 4,7 ( f 'ri 1 / 'ri ) verringern. Tabelle A.3.1 Bifurkationspunkte in Abb. A.3.3 i ri 'ri fi 1 3,00 - - 2 3,449 0,449 - 3 3,544 0,095 4.726 4 3,5644 0,0204 4,657 5 3,56876 0,00436 4.679 x Bifurkationsfolge: Eine genaue Analyse der Bifurkationspunkte führt zu den in Tabelle A.3.1 zusammengestellten Werten für die ersten fünf Bifurkationen, mit denen man deren Abstände 'ri berechnen und die Feigenbaumkonstante fi abschätzen kann. Ein exakterer Wert ergibt sich erst als Grenzwert für den Übergang ins Chaos: f lim i of lim i of 'ri 1 | 4,669 . (5) 'ri 1,0 x 0,8 0,6 0,4 0,2 0 1,0 ri 1 ri 2 ri ri 1 10 20 30 40 k 50 Abb. A.3.5 Population x in Abhängigkeit von der Zyklenzahl k, Sensitivität bei r = 4,0 (Entwicklung für zwei nahezu identische Startwerte) 0,5 0 3,82 3,84 3,86 r Abb. A.3.4 Ausschnitt aus dem FeigenbaumDiagramm x(r) von Abb. A.3.3 („DreierFenster“ um den Wert r = 3,84) Sowohl für die Bifurkationsfolge als auch den chaotischen Bereich können typische Eigenschaften herausgearbeitet werden. Chaotischer Bereich: 1. Im chaotischen Bereich entstehen Bänder, deren Ränder eine höhere Punktdichte haben. 2. Innerhalb des chaotischen Bereichs öffnen sich Fenster periodischen Verhaltens, die wiederum über Bifurkation ins Chaos führen. Besonders ausgeprägt ist das „Dreierfenster“ bei r | 3,84 in Abb. A.3.4. 3. Vergrößert man geeignete Bereiche des Feigenbaumdiagramms, so entstehen Diagramme, die dem Original ähneln (Selbstähnlichkeit). 4. Variiert man die Startwerte der Iteration nur geringfügig, so stellen sich stark von einander abweichende Entwicklungen ein (vgl. Abb. A.3.5). Anhang 368 A.3.2 Praktische Beispiele Beispiele für Systeme mit einer nichtlinearen Dynamik sind u. a. das Drehpendel nach Pohl mit Unwucht, der nichtlineare elektrische Schwingkreis, das Magnetpendel und das Doppelpendel. Die beiden erstgenannten Beispiele sollen kurz näher beschrieben werden. A.3.2.1 Nichtlineare Drehschwingungen Im Beispiel des nichtlinearen Drehpendels nach Pohl (Versuch M.2.3.2) erreicht man durch das geeignete Anbringen einer Zusatzmasse m, dass ein zusätzliches Drehmoment m g R sin(M ) entsteht (Auslenkung M, Abstand zwischen Drehachse und Massenmittelpunkt der Zusatzmasse R). Wenn die Zusatzmasse groß genug gewählt wird, stellen sich zwei neue stabile Gleichgewichtslagen symmetrisch zur ursprünglichen Nulllage ein. Als Gesamtpotential ergibt sich U ges 0,5 D M 2 m g r cos M (6) und die Differentialgleichung zur Beschreibung der (nichtlinearen) Drehschwingungen des Pendels mit Zusatzmasse lautet J nl M mg R sin M M 0 sin(Z t ) D M J M . Die Simulationen mit einem Computeralgebraprogramm basieren auf dieser Differentialgleichung. Als Lösungsverfahren bieten sich das Zeitschrittverfahren nach Euler ( M o M o M ) oder die Überführung in ein autonomes Differentialgleichungssystem an. In Abb. A.3.7 sind drei Ergebnisse graphisch dargestellt. (a) Upot (1) (b) (3) (2) ϕ (c) Abb. A.3.6 Schematische Darstellung zur Entstehung des W-Potentials Upot(M), (1) Spiralfeder, (2) Zusatzmasse, (3) Gesamtpotential Uges Diese neue Situation ist in Abb. A.3.6 anhand der Potentiale graphisch dargestellt. Das gezeigte W- Potential beim Drehpendel entsteht aus der Überlagerung eines Anteils, der von der Spiralfeder herrührt ( v M 2 ), und des Anteils, der durch die Zusatzmasse bestimmt wird (v cos M). Abb. A.3.7 Ergebnisse der Simulation des nichtlinearen Drehpendels nach Pohl bei abnehmender Dämpfung; rote Kurven: Phasenraumdarstellung M (M ) , graue Kurven: Zeitdarstellung M (t ) ; a) Grundschwingung, b) 1. Bifurkation, c) chaotische Schwingung 369 A.3 Nichtlineare Dynamik Für die Simulationsrechnungen werden u. a. die im Experiment bestimmten Größen (Trägheitsmoment des Pendels, Richtmoment der Feder) sowie des Antriebsmoments verwendet. Als Dämpfungseinfluss wird im Experiment nur die Wirbelstromdämpfung beachtet, die von der Stromstärke abhängt (vgl. Versuch M.2.3.2). Um die Sensitivität des Systems noch besser zu beschreiben, müsste man auch die geringe Gleitreibung in den Lagern des Drehpendels und andere Reibungseinflüsse berücksichtigen. A.3.2.2 Nichtlinearer elektrischer Schwingkreis H0 Hr A d , d v (U D U ) m . (7) (8) Dabei sind H0 die elektrische Feldkonstante, Hr die relative Permittivität, A die Fläche der Platten des Kondensators und UD die Diffusionsspannung (Versuch E.5.1). Der Exponent m in Gl. (8) wird in diesem Fall vereinfacht mit m = 1 angenommen. Daraus folgt die Beziehung C (U ) C0 U D , UD U dQ / dU folgt dU c UD U c 0 U Q C0 U D ³ C0 U D ln U UD UD und für die Diodenspannung ergibt sich § § Q U D ¨ exp ¨ ¨ © C0 U D © U · · ¸ 1¸¸ . ¹ ¹ (10) Im Falle des elektrischen Reihenschwingkreises nach Abb. A.3.8 addieren sich zu jedem Zeitpunkt die Teilspannungen zur Gesamtspannung: uL (t ) uR (t ) uC (t ) u (t ) . Ersetzt man in einem elektrischen Schwingkreis (E.4.0.2) den Kondensator durch eine Halbleiterdiode (Abb. A.3.8), ist zu erwarten, dass deren Sperrschichtkapazität CS von der Amplitude der Anregungsspannung U abhängt. Für die Simulation benötigt man einen Zusammenhang zwischen der Diodenspannung U und der Ladung Q. Ein einfaches Modell geht von dem Vergleich aus, dass man die Sperrschichtkapazität wie die Kapazität eines Plattenkondensators mit einem variablen Plattenabstand d beschreiben kann. Es gelten die folgenden Beziehungen: C CS schreibt. Aus C (9) wobei C0 die Kapazität bei U = 0 be- R G L C(U) U Abb. A.3.8 Elektrischer Reihenschwingkreis mit einer Halbleiterdiode als nichtlineare Kapazität (schematisch) Als Differentialgleichung für den nichtlinearen Schwingkreis erhält man: L d 2Q dQ R dt 2 dt § § Q ·· U D ¨ exp ¨ ) 1¸ ¸ uˆ sin(Z t ) . ¨ ¸ © C0 U D ¹¹ © (11) Für die prinzipielle Simulation des nichtlinearen Schwingkreises wird die oben begründete Differentialgleichung verwendet. Der dabei verwendete Ansatz stellt eine Vereinfachung dar. Zur theoretischen Beschreibung der Sperrschichtkapazität CS bei Halbleiterdioden in Abhängigkeit von der an die Diode angelegten Spannung U kommt in der Regel ein von eins verschiedener Exponent m zur Anwendung, dessen Wert vom Verlauf des Störstellenprofils am pn-Übergang abhängt. Anhang 370 Die Ergebnisse der Simulation, die wie im Fall des nichtlinearen Drehpendels mit Hilfe von zwei verschiedenen mathematischen Verfahren durchgeführt werden können, zeigt Abb. A.3.9. Es ist deutlich zu erkennen, dass man mit dem verwendeten Modell das prinzipielle Verhalten eines nichtlinearen dynamischen Systems auch im Fall des elektrischen Schwingkreises richtig beschreiben kann. Durch die systematische Variation der Amplitude der Anregungsspannung können die Bifurkationspunkte und die Feigenbaumkonstante abgeschätzt werden. (a) A.4 Grundlagen digitaler Messungen Eine analoge Messgröße G wird mit Hilfe eines geeigneten Messverfahrens bzw. Messwandlers in eine Eingangsgröße Xe sowie in eine Ausgangsgröße Xa umgewandelt, dass dadurch die Ausgabe des Messwerts {G} in digitaler Form und in einer vorgegeben Maßeinheit [G] realisiert wird. Messgerät G Messgröße {G} [G ] ÜbertragungsMesswert(anzeige) einheit Eingangsgröße A/D-Wandler Ausgangsgröße (analog) (digital) Abb. A.4.1 Prinzipschema der digitalen Umwandlung einer Messgröße G in einen Messwert {G} mit der Maßeinheit [G] (b) (c) Abb. A.3.9 Ergebnisse der Simulation zum nichtlinearen Schwingkreis bei verschiedenen Anregungsspannungen U; rote Kurven: Phasenraumdarstellung UD(U), graue Kurven: Zeitdarstellung UD(t); (a) Grundschwingung, (b) 1. Bifurkation, (c) chaotische Schwingung Bei der Messung einer Vielzahl physikalischer Größen erhält man primär analoge Messwerte, d. h., es ergibt sich ein zum Eingangssignal proportionales Ausgangssignal. Für eine Weiterverarbeitung dieser Ausgangssignale mittels moderner Rechenbzw. Anzeigetechnik ist eine entsprechende Umwandlung der analogen in digitale Signale erforderlich. Hierfür werden spezielle Analog/DigitalWandler (A/D-Wandler) genutzt, die kommerziell in vielfältigen Formen und verschiedenen Genauigkeiten als integrierte Schaltkreise zur Verfügung stehen. Schaltungstechnisch werden unterschiedlichste Wandlungsverfahren, wie Stufenumsetzer, Spannungs-Frequenzumsetzer, Dual-SlopeVerfahren und Sägezahnumsetzer, genutzt. Als ein Beispiel soll hier der Sägezahnumsetzer in seiner Grundfunktion erläutert werden. In Abb. A.4.2 sind für den Sägezahnumsetzer das Blockschaltbild (a) und die zugehörigen Spannungs-Zeit-Verläufe (b bis f) schematisch dargestellt. 371 A.4 Grundlagen digitaler Messungen Messkomparator a) Ux Zu Zählimpulse Tor Auf Zähler Löschen Start Sägezahngenerator t2 Steuerteil Starten/ Löschen Impulsgenerator b) Ux U2 zu messende Spannung t3 t Sägezahngenerator t Steuerimpulse für die U1 0 c) t0 t1 Nullimpuls 0 d) Messimpuls Tor offen Tor offen 0 t Torschaltung e) 0 t f) 0 t0 Zählimpulse für U1 Zählimpulse für Ui Ansteige- und Rückstellzeit t1 t2 t Impulsgenerator Zählimpulse t3 Abb. A.4.2 a) Blockschaltung eines A/D-Umsetzers nach dem Sägezahnverfahren, b) bis f) Spannung-Zeit-Diagramme für den Sägezahnumsetzer Von einem Sägezahngenerator wird eine Sägezahnspannung (Abb. A.4.2b) mit konstantem Spannungsanstieg (ǻU/ǻt = const) an den Eingang des Messspannungskomparators gegeben, die zu messende analoge Spannung Ux(t) liegt am zweiten Eingang Anhang 372 an. Hier erfolgt ein ständiger Vergleich zwischen den beiden Spannungen, sind beide gleich groß, so wird über den Ausgang ein Messimpuls („zu“) auf den Eingang des Tor-Schalters gegeben. Ein Impulsgenerator liefert für den TorSchalter symmetrische Rechteckimpulse mit einer wesentlich geringeren Periodendauer (Abb. A.4.2e) als die der Sägezahnspannung. Vom Steuerteil wird zum Zeitpunkt t0 ein so genannter „Nullimpuls“ abgegeben, der sowohl die Sägezahnspannung startet als auch den Tor-Schalter „öffnet“ und damit die Zählung der Rechteckimpulse beginnt. Da die Periodendauer der Rechteckimpulse konstant und bekannt ist, kann darüber eine Zeitmessung realisiert werden. Zum Zeitpunkt t1 ist die Sägezahnspannung gleich der zu messenden analogen Spannung Ux(t), d. h., der Tor-Schalter wird durch den Messimpuls des Messkomparators „geschlossen“. Bis zum Zeitpunkt t2 erfolgt das Rücksetzen der Sägezahnspannung auf den Ausgangswert null und die Ermittlung der im Zeitintervall von t0 bis t1 gezählten Rechteckimpulse durch einen Zähler. Anschließend (Zeitpunkt t2) wird der nächste Vergleichszyklus wieder mit einem Nullimpuls gestartet und die Zählung läuft bis zum Zeitpunkt t3 (Abb. A.4.2). Mit der Anzahl n der gezählten Rechteckimpulse kann der Messwert der zu messenden Spannung Ux(t) zum Zeitpunkt t wie folgt ermittelt werden: U x (t ) n TR ǻU . ǻt (1) Dabei ist TR die Periodendauer der Rechteckimpulse. Die Umwandlung eines analogen Messsignals in ein digitales Signal ist in Abb. A.4.3 schematisch dargestellt. Das Abtastintervall des analogen Messsignals ist durch die Intervallzeit von t0 bis t2 des A/D-Wandlers bestimmt, d. h., mit diesem Intervallabstand ǻT werden die zum jeweiligen Zeitpunkt t zugehörigen Messsignalwerte Ux ermittelt. a) Ux t ΔT b) Ux ΔU t Abb. A.4.3 a) Veranschaulichung der Umwandlung eines analogen Messsignals (schwarze Kurve) in diskrete digitale Messwerte (rote Pfeile), Abtastintervall ǻT, b) Gegenüberstellung des Zeitverlaufs des analogen Eingangssignals (schwarze Kurve) und des digitalen Ausgangssignals (rote Kurve) Da nur zu bestimmten Zeitpunkten ein Wert des zu messenden Signals bestimmt wird, ist für eine möglichst getreue Wiedergabe des Signalverlaufs eine hohe Abtastrate bzw. ein kleines Abtastintervall ǻT erforderlich. Dies ist einer der Nachteile dieses A/D-Wandlungsverfahrens. Sind z. B. dem zu messenden Signal Störsignale, was in der Realität nicht selten vorkommt, überlagert, so kann genau zu dieser „Wandlungszeit“ ein Wert eines Störimpulses bestimmt werden. Eine weitere Messunsicherheit ist in der Diskretheit der Impulse für die Zeitmessung begründet, d. h., es werden nur ganze Zahlen für die Anzahl der Rechteckimpulse erfasst. Für eine hohe Genauigkeit der A/D-Wandlung mit diesem Verfahren ist außerdem eine sehr gute Konstanz der Frequenz der Rechteckimpulse erforderlich. Das Auflösungsvermögen bzw. die kleinste nachweisbare Änderung der Spannung 'Umin (minimale Eingangssignaländerung) eines A/D-Wandlers ergibt sich aus der maximal möglichen Zahl der Rechteck- 373 A.5 Nuklid-Zerfall ' U min Wandlungsbereich U . 2n 2(Bit-Zahl) (2) Für einen Wandlungsbereich von 2 V ergeben sich als kleinste unterscheidbare Spannungsänderung die in der Tabelle A.4.1 gezeigten Werte. Tabelle A.4.1 Auflösungsvermögen eines A/DWandlers für einen Messbereich von 2 V (theoretisch) Bitzahl 8 12 16 Schrittzahl 265 4096 65536 'Umin (mV) 7,8 0,49 0,031 Grel (%) 0,4 0,02 0,001 Häufig sind einfache A/D-Wandler so ausgelegt, dass z. B. für einen Messbereich von 2 V eine 4-stellige Anzeige genutzt wird. Praktisch wird dabei in vielen Fällen die so genante 3½-stellige Anzeige verwendet, d. h. von 0000 bis 1999. Für die vierte Stelle (0 oder 1) ist dann nur ein Binärübertrag von 0 auf 1 erforderlich, der ohnehin als Zahlenübertrag von der dritten Stelle geliefert wird. Andere Messbereiche werden in der Regel durch entsprechende Messbereichserweiterungen bzw. Vorverstärker vor der A/D-Wandlung realisiert. Da die A/D-Wandlung stets auf dem Vergleich von Spannungen beruht, ist für die Messung anderer physikalischer Größen zunächst eine geeignete Umwandlung in Spannungswerte erforderlich, d. h., es sind speziell angepasste Messsensoren notwendig. Um eine hinreichend geringe Messunsicherheit zu erreichen, werden in der Regel Referenzspannungsquellen (in Form integrierter Schaltkreise) verwendet. Deren Genauigkeit und Stabilität muss dem kleinsten unterscheidbaren Wert der Spannungsänderung 'Umin genügen. A.5 Nuklid-Zerfall A.5.1 Nuklidkarte In Analogie zum Periodensystem der Elemente (PSE) kann man sämtliche Nuklide in einem Z-N-Nuklid-Diagramm (Nuklidkarte) darstellen. Die meisten Nuklide liegen in dieser Darstellung (Abb. A.5.1) unterhalb der quadrantenhalbierenden Gerade Z = N auf bzw. in der näheren Umgebung einer „stabilen Linie“. Diese ist konkav nach rechts gekrümmt, da bei schwereren Kernen die Neutronenzahl N schneller wächst als die Protonenzahl Z. β+ Z α Z N N Protonenzahl Z impulse (Zählerstand), die in der Zeit, in der die Sägezahnspannung den Wandelbereich durchläuft, erreicht werden kann. Dies ist abhängig von der genutzten Bit-Technik, standardmäßig werden Zähler mit 8-, 12bzw. 16-Bit-Technik eingesetzt. Das bedeutet, dass der Wandlungsbereich in 2nSchritte unterteilt wird. Für das Auflösungsvermögen, d. h., für die kleinste unterscheidbare Spannungsänderung 'Umin ergibt sich infolgedessen 82 126 Z 50 20 28 8 28 20 2 8 2 50 82 N Z βN Neutronenzahl N Abb. A.5.1 Darstellung der Nuklide im Z-NDiagramm (stark vereinfachte Darstellung), auf der stabilen Linie liegen z. B. die Nuklide molekularer Wasserstoff (Z = 1, N = 0, A = 1), Kohlenstoff (Z = 6, N = 6, A = 12), Stickstoff (Z = 7, N = 7, A = 14) und Sauerstoff (Z = 8, N = 8, A = 16), schwarze Quadrate charakterisieren stabile Kerne Oberhalb der stabilen Linie finden im Be- 374 reich leichterer Kerne E+-Umwandlungen (d. h. ein Proton wandelt sich mit Hilfe eines Elektrons in ein Neutron um), im Bereich schwererer Kerne gleichwertige Elektroneneinfangsreaktionen statt. Ursache dafür ist, dass die Radien der Elektronenbahnen immer näher an den durch das Vorhandensein vieler Protonen und Neutronen stark vergrößerten Kern rücken und die Aufenthaltswahrscheinlichkeit auch innerhalb des äußeren Kernradius liegen kann. Unterhalb der stabilen Linie treten E-Umwandlungen auf. Das Nuklid 208Blei ist der schwerste stabile Kern. Somit sollte die Reihe natürlich vorkommender Elemente beim Blei abbrechen. In Wirklichkeit endet die stabile Linie aber nicht nur dort. Es existiert bei genauer Betrachtung z. B. das mit einer Halbwertszeit von mehr als 1019 Jahren quasistabile Nuklid 209Bi aus der bereits abgeklungenen NeptuniumReihe. Beta-Strahler (E+, E ) besitzen häufig eine kurze Halbwertszeit. Im rechten oberen Bereich der Nuklidwolke treten bevorzugt D-Umwandlungen auf, weil mit diesen der instabile Kern aufgrund des höheren Massendefekts wesentlich schneller in den stabilen Bereich wechseln kann. Da bei schweren Kernen eine Umwandlung allein nicht ausreicht, um auf die stabile Linie zu gelangen, treten ganze Zerfallsreihen auf, die im Folgenden näher beschrieben werden. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit der spontanen oder auch induzierten Kernspaltung eines relativ schweren Kerns (Uran) in zwei mittelschwere Kerne, die dann in Abhängigkeit von der nach dem Zerfall entstandenen Kernart nach nochmaliger radioaktiver Umwandlung stabil werden. A.5.2 Natürliche Zerfallsreihen In der Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems, das sich aus Materie zusammen setzen muss, die nach der gegenwärtig existierenden Theorie der Astrophysik als Anhang Folge einer Supernova - Explosion entstand, existierten auch „Atomsorten“ mit bis zu 100 Protonen in ihren Kernen. Fast alle Kerne mit mehr als 82 Protonen sind jedoch so instabil, dass sie innerhalb kurzer Zeit zerfallen. Es gibt jedoch auch Ausnahmen: Während Kerne mit Protonenzahlen zwischen 84 und 89 relativ instabil sind und schnell zerfallen, existieren Kerne von 90 (Thorium), 92 (Uran), 93 (Neptunium), 94 (Plutonium) oder 96 (Curium) Protonen, die eine außerordentlich große Halbwertszeit (HWZ) haben. Dabei handelt sich um die Nuklide 232Thorium (HWZ: 14 Milliarden Jahre), 235Uran (700 Millionen Jahre), 238 Uran (4,5 Milliarden Jahre), 237Neptunium (2 Millionen Jahre), 244Plutonium (80 Millionen Jahre) und 247Curium (15 Millionen Jahre). Im Vergleich dazu beträgt das Alter der Erde etwa 4,6 Milliarden Jahre. Man geht davon aus, dass die Sonne in fünf Milliarden Jahren in das Stadium eines Roten Riesen übergehen und ihre Sternhülle so groß sein wird, dass die inneren Planeten in dieser liegen. Auf dieser Vorstellung beruhend schätzt man die mittlere Lebensdauer unseres Sonnensystems (und damit unserer Erde) auf etwa 10 Milliarden Jahre. Demzufolge bleiben von den oben genannten Nukliden diejenigen übrig, die eine Halbwertszeit von mindestens einem Zehntel dieser Zeitspanne (etwa 500 Millionen Jahre) aufweisen. Plutonium, Neptunium und Curium existieren dann nicht mehr. Von den drei verbleibenden Nukliden 238 Uran, 235Uran und 232Thorium entstehen durch deren radioaktiven Zerfall nun noch immer Elemente, die Ordnungszahlen zwischen 82 und 92 besitzen. Sie werden aus diesen drei Nukliden ständig nachgebildet und stehen mit diesen in einem Gleichgewicht (Säkular-Gleichgewicht, radioaktives Gleichgewicht). Für den radioaktiven Zerfall von instabilen Atomkernen besteht eine grundlegende Gesetzmäßigkeit: Wandelt sich ein Kern A.5 Nuklid-Zerfall durch E-Zerfall oder Elektronen-Einfang um, ändert sich seine Massenzahl A nicht, erleidet dieser einen D-Zerfall, nimmt die Massenzahl A des Tochter-Nuklids gegenüber dem Mutter-Nuklid um vier Einheiten ab. Daraus folgt, dass sich von einem bestimmten Mutternuklid nur Tochternuklide ableiten können, die sich von jenem um vier oder keine Massen-Einheiten unterscheiden. Es gibt prinzipiell vier mögliche Zerfallsreihen: 1. Das 232Thorium hat eine Massenzahl, die durch 4 teilbar ist (4n, n natürliche Zahl). Von ihm leiten sich Nuklide ab, deren Massenzahl ebenfalls durch vier teilbar ist. Das stabile Endglied der Reihe ist 208Pb. 2. Das 237Neptunium hat eine Massenzahl, bei der ein Rest von eins verbleibt. Als es in der Frühgeschichte unseres Sonnensystems noch 237Neptunium gab, leitete sich von ihm eine Zerfallsreihe ab, die Nuklide besaß, deren Massenzahlen 4n+1 betragen haben. Das letzte zurückbleibende Nuklid dieser Zerfallsreihe ist 209Bi, das mit einer sehr großen Halbwertszeit (> 1019 Jahre) weiter zum stabilen 205Thallium zerfällt. 375 3. Vom 238Uran ausgehend leiten sich Nuklide ab, deren Massenzahl sich mit einem Rest von zwei durch vier teilen lassen. Sie zerfallen im Endeffekt zum 206Blei. Zu den Nukliden dieser Zerfallsreihe gehören unter anderem das 226Radium, 222Radon sowie 210 Polonium. Demzufolge nennt man diese Zerfallsreihe auch Uran-Radium-Reihe. 222 Radon tritt als natürliche Strahlenbelastung überall dort auf, wo z. B. das Muttergestein Uranerze enthält. 4. 235Uran hat Tochternuklide mit Massenzahlen von 4n+3. Sie zerfallen zu 207Blei. Da 235Uran eine Halbwertszeit von etwa 700 Millionen Jahren hat (von ursprünglich einem Kilogramm sind dann noch etwa ein Gramm vorhanden), wird es in etwa zwei bis drei Milliarden Jahren auf der Erde nahezu kein 235Uran mehr geben. Zu dieser Zerfallsreihe gehören unter anderem 227 231 Actinium, Protactinium und 223 Francium, die dementsprechend auch als Uran-Actinium-Reihe bezeichnet wird. In Abb. A.5.2 auf der folgenden Seite ist exemplarisch das Beispiel für eine natürliche Zerfallsreihe (Uran-Zerfall) dargestellt. Anhang 376 A 238 238 U α 4,47 . 109 a 24,1 d 1,17 m 234 Th β-,γ 234 234 Pa β-,γ 234 U α 2,455 . 105 a 230 Th α,γ 230 7,54 .104 a 226 Ra α,γ 226 1602 a 222 Rn α 222 3,825 d 218 Po α 218 3,10 m 26,8 m 19,9 m Pb 214Bi β- α, β- ,γ 214 214 214 Po α 19,7 m 164 μs 19,4 a 5,01 d 210 210 Tl β- 210 Pb β-,γ 210 Bi β- 210 Po α 1,30 m 138 d 206 Pb stabil 206 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 Z Abb. A.5.2 Darstellung der Nuklide im Ordnungszahl (Z) – Massenzahl (A) – Diagramm am Beispiel der Uran-Zerfallsreihe (4n+2 - Reihe), relevante D-Energien: 230Th (4,770 MeV), 226 Ra (4,871 MeV) , 222Rn (5,590 MeV), 218Po (6,615 MeV), 214Po (7,883 MeV), 210Po (5,407 MeV), Abkürzungen für die Halbwertszeiten: a Jahre, d Tage, h Stunden, m Minuten, s Sekunden Anhang 377 A.6 Fundamentalkonstanten der Physik (CODATA-Werte 2010, Committee on Data for Science and Technology1) Planck-Konstante h = 6,626 069 57 10-34 J s Boltzmann-Konstante k = 1,380 6488 10-23 J K-1 Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c0 = 299 792 458 m s-1 Elementarladung e = 1,602 176 565 10-19 A s Gravitationskonstante G = 6,673 84 10-11 m3 kg-1 s-2 Avogadro-Konstante NA = 6,022 141 29 1023 mol-1 Faraday-Konstante F = 96485,3365 A s mol-1 Molare Gaskonstante R = 8,314 4621 J mol-1 K-1 Elektrische Feldkonstante H0 = 8,854 187 817 10-12 F m-1 Magnetische Feldkonstante P0 = 12,566 370 61 10-7 V s A-1 m-1 Molares Volumen idealer Gase unter Normbedingungen 2 Vm = 22,413 968 10-3 m3 mol-1 Temperatur des absoluten Nullpunktes -0 = 273,15 °C 1 2 Ruhemasse des Elektrons m0e = 9,109 382 91 10-31 kg Ruhemasse des Protons m0p = 1,672 621 777 10-27 kg Stefan-Boltzmann-Konstante V = 5,670 373 10-8 W m-2 K-4 Sommerfeld-Feinstrukturkonstante D = 7,297 352 5376 10-3 Compton-Wellenlänge OC = 2,426 310 2389 10-12 m Rydberg-Konstante Rf = 10 973 731, 568 539 m-1 Atommassenkonstante mu = 1,660 538 921 10-27 kg NIST Reference on Constants, Units and Uncertainty Normbedingungen: TN = 273,15 K ; pN = 101,325 kPa 378 Anhang A.7 Eigenschaften fester Stoffe Mechanische Eigenschaften fester Stoffe Stoff Aluminium Blei Eisen Gold Kupfer Magnesium Messing (62% Cu, 38% Zn) Nickel Platin Silber Wolfram Zink Zinn 1 ) Werkzeugstahl Dichte (20 °C) 103 kg m-3 2,70 11,35 7,86 19,29 8,92 1,74 8,4 Elastizitätsmodul GPa 73 1517 200220 1) 79 120 42 80103 Torsionsmodul GPa 24 58 7781 1) 27 3847 1619 2641 8,90 21,45 10,5 19,3 7,14 7,28 200220 170 6080 355 80130 4654 76 64 2428 130150 39 18 Thermische Eigenschaften fester Stoffe Stoff Aluminium Blei Eisen Gold Kupfer Magnesium Messing (62% Cu, 38% Zn) Nickel Platin Silber Wolfram Zink Zinn Linearer Ausdehnungskoeffizient (0 bis 100 °C) 10-6 K-1 24 31 12 14,3 17 26 18 Spezifische Wärmekapazität (20 °C) J kg-1 K-1 895 128 450 130 385 1020 380 Schmelztemperatur Spezifische Schmelzwärme °C 660 327 1535 1063 1083 651 910 103 J kg-1 398 24 269 65 205 373 201 13 9,0 19,5 4,3 26 27 445 135 235 135 385 225 1455 1769 960 3422 419 232 300 100 105 192 100 60 Anhang 379 A.8 Eigenschaften von Flüssigkeiten Stoff Dichte (20 °C) 103 kg m-3 0,789 0,714 0,879 1,490 0,779 1,261 0,791 0,804 0,786 13,546 0,867 0,998 Ethanol Ethylether Benzol Chloroform Cyclohexan Glycerin Methanol 1-Propanol 2-Propanol Quecksilber Toluol Wasser Stoff Ethanol Ethylether Benzol Chloroform Cyclohexan Glycerin Methanol 1-Propanol 2-Propanol Quecksilber Toluol Wasser 1) bei 20 °C Spezifische WärmeKapazität 1) 103 J kg-1 K-1 2,43 2,30 1,72 0,96 1,85 2,40 2,50 2,35 2,56 0,139 1,69 4,182 2) Kubischer Ausdehnungskoeffizient (20 ° C) 10-3 K-1 1,1 1,6 1,2 1,3 1,2 0,5 1,2 1,0 1,1 0,18 1,1 0,2 Schmelztemperatur °C -114,5 -116,3 5,53 -63,5 6,72 18,1 -97,7 -126,2 -88,5 -38,87 -95,0 0,0 Oberflächenspannung (gegen Luft bei 20 °C) 10-3 N m-1 22,8 17 29 27 26 66 23 23,8 21,7 465 29 73 Spezifische Schmelzwärme 105 J kg-1 1,08 0,98 1,27 0,75 0,79 2,0 0,92 0,87 0,89 0,118 0,72 3,337 bei Normdruck pN = 101,325 kPa Siedetemperatur 2) °C 78,3 34,6 80,1 61,3 80,7 290 64,6 97,8 82,5 356,6 110,6 100,0 Dynamische Viskosität (20 ° C) 10-3 Pa s 1,20 0,24 0,66 0,56 0,98 1412 0,597 2,3 2,2 1,554 0,585 1,005 Spezifische VerdampfungsWärme 2) 105 J kg-1 8,4 3,8 3,9 2,8 3,6 8,5 11,0 7,0 6,7 2,85 3,6 22,56 Anhang 380 A.9 Dichte U und dynamische Viskosität K von Wasser - / °C U / 103 kg m-3 K / 10-3 Pa s - / °C U / 103 kg m-3 K / 10-3 Pa s 0 1 2 3 4 5 6