Wolfgang Schenk Friedrich Kremer Hrsg. 14. Auflage

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Wolfgang Schenk
Friedrich Kremer Hrsg.
Physikalisches
Praktikum
14. Auflage
Physikalisches Praktikum
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. habil Gunter Beddies
Diplom in Physik 1974. Promotion 1979. Wiss. Mitarbeiter und Oberassistent. Promotion-B 1987. Verleihung
der facultas docendi 1991, seit 1992 Dr. rer. nat. habil., Ernennung zum Privatdozenten 1994. Leitung des
Physikalischen Grundpraktikums an der TU Chemnitz bis 2012.
Dr. rer. nat. Thomas Franke
Diplom 1982. Promotion 1986. Wiss. Mitarbeiter der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und Entwicklungsingenieur. Wiss. Assistent an der TU Chemnitz. Leitung des Fortgeschrittenen- und Laborpraktikums seit 2005.
Dr. rer. nat. Petrik Galvosas
Dipl.-Ing. (FH) 1993. Diplom in Physik 1998. Promotion 2003. 2005 bis 2009 Juniorprofessor an der Univ.
Leipzig. Betreuer im Physikalischen Fortgeschrittenenpraktikum und Verantwortlicher für die Elektronikausbildung, seit 2009 Victoria University of Wellington (NZ).
Prof. Dr. rer. nat. habil Friedrich Kremer
Diplom in Physik 1973. Promotion 1977. Wiss. Mitarbeiter am Max-Planck-Inst. für Festkörperforschung in
Stuttgart und am Max-Planck-Inst. für Polymerforschung in Mainz. Habilitation 1993. Professor für Experimentalphysik an der Univ. Leipzig seit 1993. 2005 Karl Heinz Beckurts Preis. 2009 Whitehead Memorial
Award-Lecture. 2011Wolfgang-Ostwald-Preis der Kolloid-Gesellschaft.
Dr. rer. nat. Peter Rieger
Diplom Lehramt Physik/Mathematik 1979. Lehrer und Fachberater. Wiss. Mitarbeiter an der Univ. Leipzig
seit 1990. Promotion 1997. Betreuer im Physikalischen Grundpraktikum. Verantwortlicher für das Praktikum
Physikalische Schulexperimente seit 2001.
Dr. rer. nat. Wolfgang Schenk
Diplom in Physik 1970. Promotion 1981. Wiss. Mitarbeiter und Lektor 1970 bis 1993 (TH Merseburg, Univ.
Leipzig). Leitung des Physikalischen Grundpraktikums an der Univ. Leipzig bis 2010.
Wolfgang Schenk ⋅ Friedrich Kremer ⋅
Gunter Beddies ⋅ Thomas Franke ⋅
Petrik Galvosas ⋅ Peter Rieger
Physikalisches Praktikum
14., überarbeitete und erweiterte Auflage
Begründet von W. Ilberg,
Weitergeführt von M. Krötzsch und D. Geschke
Herausgegeben von W. Schenk und F. Kremer
Wolfgang Schenk, Friedrich Kremer
Leipzig, Deutschland
Petrik Galvosas
Wellington, Neuseeland
Thomas Franke
Jahnsdorf, Deutschland
Peter Rieger
Böhlen, Deutschland
Gunter Beddies
Chemnitz, Deutschland
ISBN 978-3-658-00665-5
DOI 10.1007/978-3-658-00666-2
ISBN 978-3-658-00666-2 (eBook)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
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benutzt werden dürften.
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Vorwort
Zur ersten Auflage
Die „Grundaufgaben des physikalischen Praktikums“ von Schaefer, Bergmann und Kliefoth
haben durch mehrere Jahrzehnte in zahlreichen
Auflagen und Neudrucken viele Generationen
von Studenten erfolgreich durch das physikalische Praktikum an unseren Hoch- und teilweise
auch Fachschulen geführt. Wenngleich auch bei
jeder neuen Auflage einige als wünschenswert
erkannte Änderungen und Ergänzungen angebracht worden sind, so verlangte doch die in
den letzten Jahren erfolgte Neuordnung der
Ausbildung künftiger Physiker und anderer
Naturwissenschaftler sowie der Lehrerstudenten
eine eingehende Überarbeitung sowohl des
Versuchsbestandes als z. T. auch der Darstellung. Ebenso musste die Tatsache Berücksichtigung finden, dass einfachere Versuche heute
vielfach schon im Schulunterricht als Schülerversuche durchgeführt werden, so dass sich ihre
Wiederholung im Physikalischen Praktikum der
Hochschule zumeist erübrigt. Im Laufe der
Vorarbeiten für eine in solchem Sinne beabsichtigte Neubearbeitung des genannten Lehrbuches
zeigte sich, dass diese der Herausgabe eines
völlig neu geschriebenen Werkes entsprechen
würde, so dass es durchaus berechtigt erschien,
im Titel den Bezug auf das frühere Werk fallen
zu lassen.
Eine gewisse Schwierigkeit besteht bei der
Schaffung eines Praktikumsbuches immer darin, eine angemessene Auswahl von wirklich
zweckmäßigen Versuchen zu treffen. Dies ist
umso schwerer, als an den verschiedenen Ausbildungsstätten sich im Laufe der Zeit auch
verschiedene Aufgabenbestände herausgebildet
haben. Um hierüber zunächst eine Übersicht zu
bekommen, wurden zahlreiche Universitätsund Fachschulinstitute innerhalb der Deutschen
Demokratischen Republik um Mitteilung des
derzeitigen Versuchsbestandes gebeten. Den
betreffenden Praktikumsvorständen, die uns
durch die Beantwortung unserer Fragen entgegenkommend unterstützten, sei auch an dieser
Stelle herzlich gedankt. Als Ergebnis der Umfrage kann festgestellt werden, dass, gewisse
Grundversuche mit geringfügigen Varianten
mehr oder weniger überall vorhanden sind,
wozu je nach Eigenart des betreffenden Instituts
bzw. der zuständigen Praktikumsleiter noch
unterschiedliche Spezialversuche kommen. Es
musste nun Aufgabe des vorliegenden Praktikumsbuches sein, durch die aufgenommenen
Versuchsbeschreibungen
die
wichtigsten
Grundversuche möglichst weitgehend zu erfassen, wobei ein Verzicht auf speziellere Aufgaben in Kauf genommen werden konnte, zumal
für diese an den betreffenden Instituten Einzelbeschreibungen vorhanden sein werden. Ebenso
wird es öfters nützlich sein, dem Studenten die
örtlich unterschiedlichen Abweichungen von
der Versuchsbeschreibung in vorliegendem
Buch durch schriftliche Anweisung oder auch
nur mündlich zu erläutern.
Herausgeber und Mitarbeiter sahen es für
zweckmäßig an, sachlich verwandte Versuche
zu Versuchsgruppen zu vereinigen, denen jeweils allgemeine Ausführungen vorangestellt
sind, die dem Studenten den zugrunde liegenden Stoff in großen Zügen in Erinnerung bringen sollen. Dass es nicht die Aufgabe sein kann,
hiermit ein Lehrbuch zu ersetzen, versteht sich
von selbst. Zu den einzelnen Aufgaben werden
anschließend noch die speziellen Grundlagen
gegeben und schließlich die Versuchsdurchführung beschrieben. Der zunehmenden Bedeutung
der Atomphysik entsprechend wurden auch
einige einfache Versuche aus diesem Gebiet mit
aufgenommen, die sich mit Praktikumsmitteln
durchführen lassen. Kritische Beurteilung des
unmittelbar gemessenen oder aus Messungen
gefundenen Resultates ist grundsätzliche Forderung jeder wissenschaftlichen Arbeit und außerdem von hohem erzieherischem Wert. Es
sollte daher stets im Anschluss an jeden Versuch eine Fehlerrechnung oder wenigstens Fehlerabschätzung durchgeführt werden. Es ist
kaum vermeidbar, dass ein neu geschriebenes
Buch noch Mängel und Fehler aufweist.
Herausgeber und Verfasser wären für entsprechende Hinweise dankbar, um sie bei einer
späteren Auflage berücksichtigen zu können.
Leipzig, Januar 1966
Waldemar Ilberg
VI
Zur dreizehnten Auflage
Das Teubner-Buch „Physikalisches Praktikum“
- 1966 von W. Ilberg begründet und von der
vierten bis zur neunten von M. Krötzsch sowie
von der zehnten bis zur zwölften Auflage von
D. Geschke herausgegeben - bewährt sich als
Lehrbuch für die Studierenden der Physik, anderer naturwissenschaftlicher und technischer
Studiengänge sowie für Lehramtsanwärter entsprechender Fachkombinationen, die ein physikalisches Grundpraktikum an Universitäten und
Fachhochschulen absolvieren.
Die vorliegende 13. Auflage wurde umfassend
neu bearbeitet und in einem zweifarbigen Layout gestaltet. Es sind unter Beibehaltung der
bewährten Grundkonzeption mehr als zwanzig
Versuche neu aufgenommen oder stark überarbeitet worden, um der Entwicklung in den Physikalischen Praktika in den letzten Jahren gerecht zu werden. Dabei wurden die geltenden
Normen des Deutschen Instituts für Normung
(DIN) weitestgehend berücksichtigt. Einige
Versuche sind aus Gründen der Aktualisierung
nicht mehr enthalten.
Die Neubearbeitung des Kapitels Mechanik
übernahmen Dr. P. Rieger und Dr. W. Schenk,
der auch die Einführung und das Kapitel Wärmelehre überarbeitet hat. Im Kapitel Elektrizitätslehre erfolgte die Bearbeitung der Themengebiete Widerstände und Stromquellen sowie
elektrische und magnetische Felder durch
Dr. W. Schenk, die Versuche zum Gebiet Halbleiter-Bauelemente und elektronische Grundschaltungen wurden durch Dr. P. Galvosas
bearbeitet. Eine inhaltliche Neugestaltung der
Versuche zu den Themengebieten Spulen und
Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen sowie elektrische Schwingungen ist von
Dr. P. Rieger übernommen worden. Priv.-Doz.
Dr. habil. G. Beddies und Dr. T. Franke sind für
die Bearbeitung des Kapitels Optik und Atomphysik verantwortlich, wobei einige neue Versuche zu den Themen ionisierende Strahlung
sowie fundamentale Konstanten und Effekte der
Physik hinzugekommen sind. Das neu konzipierte Kapitel zur Fourier-Transformation und
Signalanalyse, das von Prof. Dr. F. Kremer und
Vorwort
Dr. W. Schenk bearbeitet wurde, enthält drei
ausgewählte Versuche aus verschiedenen Themengebieten, um die Bedeutung dieser heute in
vielen Gebieten der Wissenschaft zur Auswertung von Messdaten etablierten Methode hervorzuheben.
Mit der getroffenen Versuchsauswahl, die auf
die Erfahrungen der Arbeitsgruppe „Physikalische Praktika“ im Fachverband „Didaktik der
Physik“ der Deutschen Physikalischen Gesellschaft sowie auf gründliche Internetrecherchen
zurückgreift, möchten wir den Bedingungen
und Anforderungen in möglichst vielen Physikalischen Praktika gerecht werden. Auf die
Erstellung einer neuen CD-ROM wurde aus
verschiedenen Gründen verzichtet. Einige der
ergänzenden Inhalte, die auf der in der zwölften
Auflage mitgelieferten CD-ROM enthalten
waren, sind in das Internetportal OnlinePlus des
Verlags übernommen worden. Dort werden
auch die im Anhang des Buches enthaltenen
Textabschnitte zu wichtigen Grundlagen im
Physikpraktikum, die von Dr. P. Rieger (Komplexe Zahlen, Lösungen linearer Differentialgleichungen), Prof. Dr. W. Oehme aus Leipzig
(Nichtlineare Dynamik), Priv.-Doz. Dr. habil.
G. Beddies (Grundlagen digitaler Messungen)
und Dr. T. Franke (Nuklid-Zerfall) erstellt wurden, sowie weitere Informationen publiziert.
Für seine engagierte Unterstützung bei der Entwicklung sowie Erprobung neuer Versuche und
bei der Gestaltung der Druckvorlage gilt unser
besonderer Dank Herrn C. Hanisch (Leipzig).
Bei Herrn Sandten und Frau Hoffmann vom
Verlag Vieweg+Teubner möchten wir uns für
die freundliche Unterstützung und fachkundige
Beratung bis zur Fertigstellung dieser Auflage
herzlich bedanken.
Die Herausgeber und die Autoren wünschen
sich auch für die dreizehnte, neu bearbeitete
Auflage einen breiten Nutzerkreis. Dankbar
nehmen wir Verbesserungsvorschläge und sachkundige, kritische Hinweise zu Inhalt und Form
des Buches entgegen.
Leipzig,
Dezember 2010
Wolfgang Schenk
Friedrich Kremer
Vorwort
VII
Zur vierzehnten Auflage
Das Lehrbuch „Physikalisches Praktikum“ 1966 von W. Ilberg begründet und von der
vierten bis zur neunten von M. Krötzsch sowie
von der zehnten bis zur zwölften Auflage von
D. Geschke herausgegeben – ist seit Jahrzehnten ein anerkanntes Praktikumsbuch für die
Studierenden der Physik, anderer naturwissenschaftlicher und technischer Studiengänge sowie für Lehramtsanwärter entsprechender Fachkombinationen, die ein physikalisches Praktikum an Universitäten und Fachhochschulen
absolvieren.
Die dreizehnte neubearbeitete Auflage hat eine
gute Resonanz gefunden und damit eine vierzehnte Auflage notwendig gemacht, in der alle
bisher bekannt gewordenen Druckfehler korrigiert wurden. Des Weiteren haben wir Änderungen bzw. Ergänzungen im Text und in einigen Abbildungen vorgenommen, die zur Verbesserung der Darstellung einiger Inhalte beitragen soll. Die bisherigen Onlinematerialien
zum Buch wurden durch zusätzliche Ergänzungen zu ausgewählten Themen (z. B. Simulationsprogramm zum nichtlinearen Drehpendel
nach Pohl, Fourier-Transformation und -Analyse, Ermittlung der Unsicherheit bei Messungen, Begründungen von Gleichungen) erweitert.
Diese Zusatzmaterialien und andere Informationen, die den jeweiligen Hauptkapiteln zugeordnet sind, findet man über die Internetadresse
http://www.springer.com/physics/book/978-3658-00666-2 unter der Rubrik „Zusätzliche
Informationen“ auf der rechten Seite.
Bei Frau Hoffmann vom Springer-Verlag
möchten wir uns für die freundliche Unterstützung und Beratung bis zur Fertigstellung dieser
Auflage herzlich bedanken. Weiterhin gilt unser
Dank Prof. Dr. M. Ziese (Leipzig) für seine
Hinweise zu notwenig gewordenen Korrekturen
und Vorschläge zu einigen inhaltlichen Verbesserungen.
Die Herausgeber und die Autoren wünschen
sich, dass auch die vierzehnte Auflage für die
Studierenden bei der Vorbereitung von Versuchen im physikalischen Praktikum ein hilfreiches und nützliches Lehrbuch sein wird und
wieder einen breiten Nutzerkreis findet.
Konstruktive Verbesserungsvorschläge und
sachkundige, kritische Hinweise zu Inhalt und
Form des Buches nehmen wir dankbar entgegen.
Leipzig,
Juli 2013
Wolfgang Schenk
Friedrich Kremer
Inhaltsverzeichnis
EF
Einführung
1
Größen und Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.1
1.2
Internationales Einheitensystem (SI-Einheiten) . . . . . . . . . .
Abgeleitete Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
3
2
Erfassung und Auswertung von Messwerten . . . . . . . . . .
4
2.1
2.2
2.3
Sensoren und Messgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Graphische Darstellung und Auswertung . . . . . . . . . . . . .
Ausgleichsrechnung (lineare Regression) . . . . . . . . . . . . .
4
6
9
3
Messunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
3.1
3.1.1
3.1.2
3.2
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.3
Messabweichungen bei Einzelmessungen . . . . . .
Messunsicherheit bei direkten Messgrößen . . . . .
Messunsicherheit bei indirekten Messgrößen . . . .
Messgrößen mit zufälligen Messabweichungen . . .
Mittelwert, Standardabweichung, Vertrauensbereich
Messunsicherheit bei kombinierten Messgrößen . . .
Messunsicherheit beim linearen Ausgleich . . . . .
Angabe des Messergebnisses . . . . . . . . . . . .
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11
12
13
14
14
16
17
18
4
Statistische Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
4.1
4.2
Ermittlung von Häufigkeitsverteilungen . . . . . . . . . . . . . .
Verteilungen und Prüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
22
5
Versuchsvorbereitung und Protokollführung . . . . . . . . . .
27
M
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Mechanik
1
Wägung und Dichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
1.0
1.1
1.2
1.3
1.3.1
1.3.2
Grundlagen . . . . . . .
Pyknometer . . . . . . .
Auftriebsverfahren . . .
Resonanzverfahren . . .
Schwingrohr . . . . . . .
Stimmgabeldichtemesser
.
.
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29
33
35
39
40
41
2
Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
2.0
2.0.1
2.0.2
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Satz von Steiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
43
47
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Inhaltsverzeichnis
IX
2.0.3
2.1
2.2
2.3
2.3.1
2.3.2
2.4
2.5
Reduzierte Pendellänge . . . . . . .
Fadenpendel . . . . . . . . . . . . .
Reversionspendel . . . . . . . . . .
Drehpendel . . . . . . . . . . . . .
Lineare Schwingungen und Resonanz
Nichtlineare Schwingungen . . . . .
Gekoppelte Pendel . . . . . . . . .
Trägheitsmomente . . . . . . . . .
.
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48
48
49
52
53
57
59
63
3
Deformationsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
3.0
3.1
3.1.1
3.1.2
3.2
3.2.1
3.2.2
3.3
Grundlagen . . . . . . . . . . . . .
Elastizitätsmodul . . . . . . . . . .
Dehnung . . . . . . . . . . . . . .
Biegung . . . . . . . . . . . . . . .
Torsionsmodul . . . . . . . . . . .
Statische Messmethode . . . . . . .
Dynamische Messmethode . . . . .
Federkonstante einer Schraubenfeder
.
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66
68
69
69
74
75
75
77
4
Schall
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
4.0
4.0.1
4.0.2
4.1
4.1.1
4.1.2
4.2
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . .
Wellengleichung . . . . . . . . . . .
Schallwandler . . . . . . . . . . . . .
Schallgeschwindigkeit in Festkörpern .
Dehnungswelle . . . . . . . . . . . .
Biegewelle . . . . . . . . . . . . . .
Schallgeschwindigkeit in Flüssigkeiten
.
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79
80
84
84
84
86
87
5
Oberflächenspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
5.0
5.1
5.2
5.3
Grundlagen . . . .
Abreißmethode . .
Steighöhenmethode
Tropfenmethode . .
.
.
.
.
91
93
94
97
6
Viskosität und Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
6.0
6.0.1
6.0.2
6.1
6.2
6.3
6.4
Grundlagen . . . . . . . . . . .
Bernoulli-Gleichung . . . . . . .
Gesetz von Hagen und Poiseuille
Kugelfallmethode . . . . . . . .
Kugelfall-Viskosimeter . . . . .
Kapillar-Viskosimeter . . . . . .
Strömung im Rohr . . . . . . . .
99
99
100
102
103
104
106
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X
Inhaltsverzeichnis
W
Wärmelehre
1
Temperaturmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
109
1.0
1.0.1
1.0.2
1.0.3
1.0.4
1.1
1.2
1.3
1.4
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Temperatur, Maßeinheit und Temperaturskalen
Ausdehnungsthermometer . . . . . . . . . . .
Elektrische Temperatursensoren . . . . . . . .
Strahlungsthermometrie . . . . . . . . . . . .
Thermische Ausdehnung . . . . . . . . . . .
Gasthermometer . . . . . . . . . . . . . . . .
Abkühlungskurven und Wärmeübergang . . .
Strahlungsmessungen . . . . . . . . . . . . .
. .
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. .
. .
...
109
109
110
110
112
116
118
120
122
2
Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen . . . . . . .
125
2.0
2.0.1
2.0.2
2.0.3
2.1
2.2
2.2.1
2.2.2
2.2.3
2.3
2.4
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zustandsgleichungen . . . . . . . . . . . .
Energiesatz und Adiabatengleichung . . . .
Dampfdruck . . . . . . . . . . . . . . . . .
Isothermen realer Gase . . . . . . . . . . .
Adiabatenexponent . . . . . . . . . . . . .
Versuch nach Clément und Desormes . . . .
Schallgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . .
Resonanzmethoden . . . . . . . . . . . . .
Dampfdruckkurve und Verdampfungswärme
Wärmepumpe . . . . . . . . . . . . . . . .
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125
125
128
129
131
132
133
134
135
138
140
3
Kalorimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143
3.0
3.1
3.2
3.2.1
3.2.2
3.3
3.3.1
3.3.2
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wärmekapazität eines Kalorimeters . . . . . . . . . . . . . . .
Spezifische Wärmekapazität von Festkörpern und Flüssigkeiten
Spezifische Wärmekapazität fester Stoffe . . . . . . . . . . . .
Spezifische Wärmekapazität von Flüssigkeiten . . . . . . . . .
Umwandlungswärmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Spezifische Schmelzwärme des Eises . . . . . . . . . . . . . .
Spezifische Kondensationswärme des Wassers . . . . . . . . .
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143
144
145
146
148
148
148
150
4
Wärmeleitung in Festkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
4.0
4.1
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wärmeleitfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
152
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Inhaltsverzeichnis
E
XI
Elektrizitätslehre
1
Widerstände und Stromquellen
1.0
1.0.1
1.0.2
1.1
1.2
1.3
1.4
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Elektrischer Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Reale Spannungsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Widerstandsbestimmung durch Strom- und Spannungsmessung .
Temperaturabhängigkeit elektrischer Widerstände . . . . . . .
Kenngrößen einer realen Spannungsquelle . . . . . . . . . . .
Verlustbehafteter Spannungsteiler . . . . . . . . . . . . . . . .
.
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157
157
161
162
164
167
169
2
Elektrische und magnetische Felder . . . . . . . . . . . . . .
172
2.0
2.0.1
2.0.2
2.0.3
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
Grundlagen . . . . . .
Elektrisches Feld . . .
Magnetisches Feld . .
Magnetismus . . . . .
Elektrostatische Felder
Magnetfelder in Spulen
Magnetische Hysterese
Hall-Effekt . . . . . .
Transformator . . . . .
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172
172
174
177
179
181
183
185
187
3
Spulen und Kondensatoren in Gleich- und
Wechselstromkreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191
3.0
3.0.1
3.0.2
3.0.3
3.1
3.2
3.3
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Einstellvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . .
Komplexe Darstellung von Wechselgrößen . . .
Schaltungen mit Wechselstromwiderständen . .
Oszilloskop und Phasenbeziehungen . . . . . .
Tief- und Hochpass . . . . . . . . . . . . . . .
Sprungantworten von RC- und RL-Schaltungen
.
.
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191
191
194
195
199
203
207
4
Elektrische Schwingungen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
209
4.0
4.0.1
4.0.2
4.1
4.2
4.3
Grundlagen . . . . . . . . . . . .
Freie gedämpfte Schwingungen . .
Reihen- und Parallelschwingkreis .
Abklingvorgänge im RLC-Kreis . .
Resonanz im Reihenschwingkreis
Resonanz im Parallelschwingkreis
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157
209
209
211
216
217
219
XII
Inhaltsverzeichnis
5
Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen . .
221
5.0
5.0.1
5.0.2
5.0.3
5.1
5.2.
5.2.1
5.2.2
5.3
5.4
5.5
5.5.1
5.5.2
5.5.3
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Leitungsvorgänge in Halbleitern . . . . . . . . . . . . . . . . .
pn-Übergang - Dioden und Transistoren . . . . . . . . . . . . .
Integrierte Schaltkreise - Operationsverstärker und logische Gatter
Bandlückenenergie, Sperrschichtkapazität eines pn-Übergangs . .
Halbleiterdioden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kennlinien einer Si-Diode, Gleichrichtung . . . . . . . . . . . .
Kennlinie einer Z-Diode, Spannungsstabilisierung . . . . . . . .
npn-Transistor, n-Kanal-Sperrschicht-FETcs, Verstärkerschaltung
Operationsverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Digitalelektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Addierer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
RS-Kippschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Digital-Analog-Wandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
221
221
223
227
231
233
233
234
234
236
238
238
239
239
O
Optik und Atomphysik
1
Linsen und Linsensysteme
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.0
1.1
1.2
1.3
1.4
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Krümmungsradius und Brennweite dünner Linsen
Brennweite und Hauptebenen eines Linsensystems
Lupe und Mikroskop . . . . . . . . . . . . . . .
Fernrohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
240
243
246
247
250
2
Kohärenz, Interferenz und Beugung . . . . . . . . . . . . . .
252
2.0
2.0.1
2.0.2
2.0.3
2.1
2.2
2.3
2.4
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . .
Licht als elektromagnetische Welle . . . .
Kohärenz und Laser . . . . . . . . . . . .
Beugung an Spalt, Doppelspalt und Gitter
Interferenzen gleicher Dicke . . . . . . .
Beugung an Spalt und Doppelspalt . . . .
Beugung am Gitter . . . . . . . . . . . .
Michelson-Interferometer . . . . . . . . .
.
.
.
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.
.
252
252
253
254
257
260
263
265
3
Brechung, Dispersion und Absorption . . . . . . . . . . . . .
268
3.0
3.0.1
3.0.2
3.1
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . .
Brechungsindex und Dispersion . . .
Extinktion und Absorption . . . . . .
Refraktometrie . . . . . . . . . . . .
268
268
270
271
.
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240
Inhaltsverzeichnis
XIII
3.2
3.3
3.4
Prismenspektrometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Brechungsindex von Gasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Spektralphotometetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
274
277
280
4
Polarisation
282
4.0
4.0.1
4.0.2
4.0.3
4.1
4.2
4.3
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Polarisation durch Reflexion . . . . . . . . . . . . . . .
Polarisation durch Doppelbrechung . . . . . . . . . . . .
Drehung der Polarisationsebene . . . . . . . . . . . . . .
Polarisationswinkel und Reflexionsvermögen . . . . . . .
Drehung der Schwingungsebene linear polarisierten Lichts
Polarisationsgrad und Viertelwellenlängenplatte . . . . .
5
Ionisierende Strahlung
5.0
5.0.1
5.0.2
5.0.3
5.1
5.2
5.3
5.4
5.4.1
5.4.2
5.5
5.5.1
5.5.2
5.6
5.7
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wechselwirkung von Strahlung und Stoff .
Strahlungsdetektoren . . . . . . . . . . . .
Radioaktive Umwandlung . . . . . . . . . .
Messungen mit dem Geiger-Müller-Zählrohr
Messung der Halbwertszeit . . . . . . . . .
Reichweite von D-Strahlung in Luft . . . .
E-Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . .
Absorption von E-Strahlung . . . . . . . .
E-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . .
J-Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schwächung von J-Strahlung . . . . . . . .
J-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . .
Compton-Effekt . . . . . . . . . . . . . .
Röntgenstrahlung . . . . . . . . . . . . . .
.
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291
292
293
296
297
300
301
303
303
305
306
306
308
310
313
6
Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik . . . . . .
316
6.1
6.2
6.3
6.3.1
6.3.2
6.4
6.5
6.6
6.7
6.8
Lichtgeschwindigkeit . . . . . . . . .
Elementarladung . . . . . . . . . . .
Planck’sches Wirkungsquantum . . .
Äußerer Photoeffekt . . . . . . . . .
Röntgenbremsspektrum . . . . . . . .
Spezifische Ladung e/m des Elektrons
Franck-Hertz-Versuch . . . . . . . .
Rydberg-Konstante . . . . . . . . . .
Avogadro-Konstante . . . . . . . . .
Gravitationskonstante . . . . . . . . .
317
321
323
323
326
327
328
331
332
334
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
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.
282
282
283
284
285
285
287
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
291
.
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.
XIV
F
1.0
1.0.1
1.0.2
1.0.3
1.1
1.2
1.3
Inhaltsverzeichnis
Fourier-Transformation und Signalanalyse
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Prinzip der Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . . .
Diskrete Fourier-Transformation und Abtasttheorem . . . . . . .
Fourier-Transformation in endlichen (Zeit)Intervallen . . . . . .
Fourier-Synthese und -Analyse optischer Muster und elektrischer
Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fourier-Analyse gekoppelter elektrischer Schwingungen . . . . .
Fourier-Analyse akustischer Schwingungen . . . . . . . . . . .
338
338
340
341
342
345
351
Anhang
A.1
A.2
A.3
A.4
A.5
A.6
A.7
A.8
A.9
A.10
A.11
A.12
Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Lösungen linearer Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . .
Nichtlineare Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Grundlagen digitaler Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nuklid-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fundamentalkonstanten der Physik . . . . . . . . . . . . . . . .
Eigenschaften fester Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eigenschaften von Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dichte und dynamische Viskosität von Wasser . . . . . . . . . .
Siedetemperatur des Wassers in Abhängigkeit vom Luftdruck . .
Spezifische Wärmekapazität von Wasser . . . . . . . . . . . . .
Dichte von Gasen, Schallgeschwindigkeit in Gasen, Flüssigkeiten
und Festkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wärmeleitfähigkeit fester Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . .
Flächenträgheitsmomente ausgewählter Querschnitte . . . . . . .
Beispiele stationärer Wärmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . .
Spezifischer elektrischer Widerstand und Temperaturkoeffizient .
Beweglichkeit der Ladungsträger verschiedener Halbleiter . . . .
Spektrallinien ausgewählter Elemente . . . . . . . . . . . . . .
Termschema von Neon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tabelle zur Standardnormalverteilung . . . . . . . . . . . . . .
Tabelle zur t-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tabelle zur F2-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
358
360
364
370
373
377
378
379
380
380
381
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
390
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
397
A.13
A.14
A.15
A.16
A.17
A.18
A.19
A.20
A.21
A.22
381
381
382
383
384
384
385
386
387
388
389
1
Einführung
1 Größen und Einheiten
Messungen dienen der Ermittlung der Werte physikalischer Größen auf experimentellem Weg. Physikalische Größen - wenn
keine Verwechslungen möglich sind, auch
als Größen bezeichnet - sind direkt oder
indirekt messbare Eigenschaften von Objekten (Körper, Zustände, Vorgänge) wie
z. B. Masse, Ladung, Energie, die qualitativ
charakterisiert und quantitativ ermittelt
werden können. Nach der Norm DIN 1319
(„Grundlagen der Messtechnik“) als grundlegende deutsche Norm der Messtechnik ist
die Messgröße diejenige physikalische
Größe, der eine Messung gilt. Dabei wird in
dieser Norm der Begriff sowohl für “Messgröße im allgemeinen Sinn“ als auch für
„spezielle Messgröße“ verwendet. Der
Wert einer Größe wird durch den Zahlenwert und die Einheit beschrieben. Unter
dem Zahlenwert versteht man die Zahl, die
angibt, wie oft die Einheit in der betrachteten Größe enthalten ist. Die Einheit (auch
Maßeinheit) bezeichnet die physikalische
Größe, die als Bezugsgröße für die Bestimmung und Angabe des Werts von Größen gleicher Art festgelegt und der der Zahlenwert eins zugeordnet wird.
Beispiel:
Massewert eines Körpers: 12 kg
Zahlenwert: 12 Einheit: kg .
Die Gesamtheit der physikalischen Größen,
die notwendig sind, um die Gesetzmäßigkeiten der Physik zu beschreiben, bildet das
Größensystem. Physikalische Größen eines
Größensystems, die unabhängig von anderen Größen dieses Systems sind, werden als
Basisgrößen, solche, die als Funktion von
Basisgrößen definiert sind, als abgeleitete
Größen bezeichnet.
Beispiel:
Basisgrößen der Mechanik: Länge (l), Masse (m), Zeit (t).
Abgeleitete Größen: Kraft (F ), Fläche (A)
2
F=m
d l
, A l2 .
d t2
Der häufig verwendete Begriff der Dimension einer Größe gibt den Ausdruck an, der
die Beziehung einer Größe zu den Basisgrößen eines Systems wiedergibt und die
Größe als Potenzprodukt der Basisgrößen
mit dem Zahlenfaktor eins darstellt.
Beispiel:
Im Größensystem l, m, t hat die abgeleitete
Größe Kraft die Dimension L M T-2 .
Durch physikalische Messungen werden
jedoch nicht nur einzelne Größen ermittelt,
sondern auch Zusammenhänge zwischen
mehreren Größen, die sich als Gleichungen
schreiben lassen. Beispielsweise gilt für die
Schwingungsdauer T in Abhängigkeit von
der Länge L eines mathematischen Pendels
die Gleichung T = 2 ʌ L / g ( g Schwerebeschleunigung). In diesem Buch werden
Gleichungen als Größengleichungen geschrieben, die u. a. folgende Merkmale
haben:
1. In Größengleichungen symbolisieren
Formelzeichen Größen.
Beispiel:
2
s
d l
v
, F=m 2 .
t
dt
2. Zur Auswertung werden anstelle von
Formelzeichen die Werte der entsprechenden Größen eingesetzt. Es gelten formal die
aus der Algebra bekannten Regeln, wobei
Zahlenwert und Einheit wie zwei selbständige Faktoren behandelt werden.
W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum,
DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
2 Einführung
1 Größen und Einheiten
Beispiel:
Q
720 m
120 s
720 m
120 s
6 m s -1 .
Zusätzlich ergeben sich folgende vorteilhafte Eigenschaften:
3. Größengleichungen gelten innerhalb
eines einmal gewählten Größensystems
unabhängig von der Wahl der Einheiten.
Im Allgemeinen wählt man für Größen
gleicher Dimension gleiche Einheiten. Eine
Umrechnung auf andere Einheiten ist leicht
möglich, indem man mit Einheiten wie mit
Zahlen rechnet.
4. In Größengleichungen stehen zu beiden
Seiten des Gleichheitszeichens die gleichen
Größen in gleicher Dimension, so dass
durch Dimensions- oder Einheitenbetrachtungen einfache Kontrollen durchgeführt
werden können. Insbesondere müssen z. B.
Summanden gleiche Dimension haben,
Exponenten und Argumente von Winkelfunktionen dimensionslos sein usw.
1.1 Internationales Einheitensystem (SI)
Die Sekunde (s) ist die Einheit der Zeit.
1 s ist die Dauer von 9 192 631 770 Perioden der Strahlung, die dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus
des Grundzustands von Atomen des Nuklids 133Caesium entspricht.
Das Ampere (A) ist die Einheit der Stromstärke.
1 A ist die Stärke des zeitlich unveränderlichen elektrischen Stroms durch zwei geradlinige, parallele, unendlich lange Leiter von
vernachlässigbar kleinem, kreisförmigem
Querschnitt, die den Abstand 1 m haben
und zwischen denen die durch den Strom
elektrodynamisch hervorgerufene Kraft im
leeren Raum je 1 m Länge der Doppelleitung 2˜10-7 N beträgt.
Das Kelvin (K) ist die Einheit der thermodynamischen Temperatur.
1 K ist der 273,16te Teil der (thermodynamischen) Temperatur des Tripelpunkts von
Wasser. Die Differenz aus einer Temperatur T und der Temperatur T0 = 273,15 K
wird als Celsiustemperatur - bezeichnet:
- T T0 .
Das Meter (m) ist die Einheit der Länge.
1 m ist die Länge der Strecke, die Licht im
Vakuum in 1/299 792 458 Sekunden durchläuft. Damit ist das Meter metrologisch von
der Zeiteinheit Sekunde abhängig, bleibt
aber Basiseinheit des SI.
Das Mol (mol) ist die Einheit der Stoffmenge.
1 mol ist die Stoffmenge eines Systems, das
aus so vielen gleichartigen Teilchen besteht, wie Atome in 0,012 kg des Nuklids 12C enthalten sind. Die Art der Teilchen
(Atome, Moleküle, Ionen, Elektronen oder
auch spezielle Gruppierungen) muss jeweils angegeben werden. Die Teilchenzahl
je Mol ist eine Naturkonstante und wird als
Avogadro-Konstante NA bezeichnet. Der
gegenwärtig beste experimentelle Wert ist
N A 6,02214179(30) ˜1023 mol-1 .
Das Kilogramm (kg) ist die Einheit der
Masse.
1 kg ist gleich der Masse des Internationalen Kilogrammprototyps.
Die Candela (cd) ist die Einheit der Lichtstärke.
1 cd ist die Lichtstärke in einer bestimmten
Richtung einer Strahlungsquelle, die mono-
Im vorliegenden Buch wird ausschließlich
das Internationale Einheitensystem, abgekürzt SI (Système International d’Unités),
verwendet. Die sieben Basisgrößen sind
Länge, Masse, Zeit, Stromstärke, Temperatur, Stoffmenge und Lichtstärke.
1.2 Abgeleitete Einheiten
chromatische Strahlung der Frequenz
540 THz aussendet und deren Strahlstärke
3
in dieser Richtung 1/683 W/sr (sr, Steradiant) beträgt.
Tabelle 1.2.1 Namen und SI-Einheiten von wichtigen abgeleiteten physikalischen Größen
Größe
Name der Einheit
SI-Einheit
Fläche
Quadratmeter
m2
Volumen
Kubikmeter
m3
Frequenz
Hertz
Hz (s-1)
Geschwindigkeit
Meter/Sekunde
m/s
Beschleunigung
Meter/Quadratsekunde
m / s2
Dichte
Kilogramm/Kubikmeter
kg / m3
Kraft
Newton
N, kg m / s2
Druck
Pascal= Newton/Quadratmeter
Pa, N / m2
Arbeit, Energie, Wärmemenge
Joule = Newtonmeter = Wattsekunde J, N m, W s
Leistung
Watt
W, J / s
Elektrische Spannung
Volt1)
V, W / A
Elektrische Ladung
Coulomb
C, A s
Elektrische Feldstärke
Volt/Meter
V/m
Elektrischer Widerstand
Ohm
:, V / A
Elektrische Kapazität
Farad
F, A s / V
Induktivität
Henry
H, V s / A
Magnetische Induktion
Tesla = Weber/Quadratmeter
T, Wb / m2 , V s / m2
Magnetische Feldstärke
Ampere/Meter
A/m
Magnetische Spannung
Ampere
A
Strahlungsleistung, -fluss
Watt/Quadratmeter
W / m2
Strahldichte
Watt/( Steradiant Quadratmeter )
W/(sr m2)
Spezifische Ausstrahlung
Watt/Quadratmeter
W/m2
Lichtstrom
Lumen
lm = cd sr
Beleuchtungsstärke
Lux
lx = lm / m2
Leuchtdichte
Candela/Quadratmeter
Cd / m2
Die Einheit der elektrischen Spannung 1 V = 1 W / A = 1 J / (A s) ergibt sich aufgrund der Energieäquivalenz, bei der die Einheit der elektrischen Arbeit (1 V A s) gleich der Einheit der entsprechenden mechanischen Arbeit ist (1 J).
1.2 Abgeleitete Einheiten
Die Einheiten aller anderen physikalischen
Größen lassen sich aus den sieben Basiseinheiten des SI ableiten, sie bilden mit
ihnen ein kohärentes System von Einheiten.
Eine Auswahl wichtiger abgeleiteter Einheiten ist in Tab. 1.2.1 zusammengefasst.
Die ergänzenden Einheiten Radiant (rad)
und Steradiant (sr) sind jedoch wie Basiseinheiten anzuwenden, wenn es der physikalische Sachverhalt verlangt. Außer den
SI-Einheiten sind auch einige systemfremde (inkohärente) Einheiten zugelassen.
Dabei handelt es sich um Einheiten, deren
Beziehung zu den SI-Einheiten einen von
eins verschiedenen Zahlenfaktor enthält.
Beispiele dafür sind die Zeiteinheiten Minute (1 min = 60 s) und Stunde (1 h = 60 s),
auch als so genannte allgemeingültige Einheiten bezeichnet, sowie so genannte auf
einem Spezialgebiet gültige Einheiten, z. B.
das Elektronenvolt:
1eV 1,602176 487 ˜ 1019 J .
Zu den systemfremden Einheiten gehören
auch die SI-Einheiten mit Vorsätzen
(Tab. 1.2.2) sowie einige historisch be-
4 Einführung
2 Erfassung und Auswertung von Messwerten
gründete Einheiten, die einen besonderen
Namen tragen (Liter: 1 l = 10-3 m3, Tonne:
1 t = 103 kg). Die Vorsätze werden im Allgemeinen so gewählt, dass die Zahlenwerte
der anzugebenden Größen zwischen 0,1
und 1000 liegen.
Tabelle 1.2.2 Bezeichnungen für dezimale
Vielfache und Bruchteile von Einheiten
Name
Zeichen
Bedeutung
Zetta
Exa
Peta
Tera
Giga
Mega
Kilo
Hekto
Deka
Dezi
Zenti
Milli
Mikro
Nano
Pico
Femto
Atto
Zepto
Z
E
P
T
G
M
k
h
da
d
c
m
ȝ
n
p
f
a
z
1021
1018
1015
1012
109
106
103
102
101
10-1
10-2
10-3
10-6
10-9
10-12
10-15
10-18
10-21
In Tabellen ist jedoch möglichst für jede
Größe ein einheitlicher Vorsatz anzuwenden, auch wenn dann einige Zahlen die
genannten Grenzen überschreiten. In
Tab. 1.2.2 sind die Bezeichnungen für dezimale Vielfache und Bruchteile von Einheiten, die auch bei Einheiten mit selbständigem Namen anzuwenden sind, zusammengestellt. Vorsätze, die einer ganzzahligen Potenz von Tausend (103n) entsprechen,
sind zu bevorzugen. Die Vorsätze Hekto,
Deka, Dezi und Zenti sollen nur noch in
solchen Fällen verwendet werden, in denen
sie sich fest eingebürgert haben. Berechnungen sind vorzugsweise mit SI-Einheiten
durchzuführen.
2 Erfassung und Auswertung
von Messwerten
Physikalische Größen (Messgrößen) werden durch eine Messung bestimmt, wobei
unter einer Messung der quantitative Vergleich der zu bestimmenden Größe mit
einer vorgegebenen Größe gleicher Art
(Bezugsgröße) zu verstehen ist. Träger der
Messgrößen werden als Messobjekte, die
Art und Weise der Durchführung einer
Messung als Messmethode und die Gesamtheit der physikalischen Erscheinungen,
die die Grundlage der Messung bilden, als
Messprinzip bezeichnet.
Ein Messverfahren ist die praktische Anwendung eines Messprinzips und einer
Messmethode mit dem Ziel der Gewinnung
des Werts einer Messgröße (Messwert).
2.1 Sensoren und Messgeräte
Die zur Durchführung von Messungen
verwendeten Messgeräte bestehen im Allgemeinen aus einem Messwertaufnehmer,
einer Reihe von Wandlerelementen, in denen die Messgrößen in andere physikalische Größen umgeformt werden, und aus
einer Anzeigeeinrichtung (z. B. Skalenanzeige, Ziffernanzeige). Statt der klassischen
Messfühler (z. B. Thermoelement) hat man
es heute zunehmend mit solchen, als Sensoren bezeichneten Messfühlern zu tun, die
ein elektrisches oder elektrisch weiterverarbeitbares Signal (analog oder digital) als
Information über die zu bestimmende physikalische Größe liefern und gleichzeitig
zum Messinterface eines Computers oder
zu elektronischen Geräteeinheiten kompatibel sind.
Im Gegensatz zum reinen Zählen, das zumindest im Prinzip fehlerfrei ausgeführt
werden kann, treten bei Messungen durch
stets vorhandene Unzulänglichkeiten der
Messgeräte, Unvollkommenheiten der Sinnesorgane und unkontrollierte äußere Ein-
2.1 Sensoren und Messgeräte
flüsse immer Messabweichungen auf. Von
Ausnahmen abgesehen liefern daher selbst
mehrere mit der gleichen Apparatur und
unter gleichen Bedingungen ausgeführte
Messungen nicht das gleiche Ergebnis. Von
Bedeutung ist deshalb ein vorheriges Justieren (Abgleichen) und Kalibrieren des Messgeräts, um die Messabweichungen auf Werte zu bringen, die den gerätetechnischen
Möglichkeiten entsprechen.
Der Vorgang des Justierens umfasst z. B.
die Korrektur der Anzeige eines Messgeräts. Damit soll erreicht werden, dass der
angezeigte Wert (Istwert) so gut wie möglich auf den richtigen Wert (Sollwert) korrigiert wird (z. B. Offset-Korrektur).
Als Kalibrieren (Einmessen) bezeichnet
man im Gegensatz dazu das Zuordnen von
Werten der Messgröße zu den Anzeigen
eines Messgeräts. Beim Kalibrieren wird
ein Messgerät überprüft und die Abweichung zu einem bekannten (richtigen) Referenzwert oder Standard erfasst (protokolliert). Das Ergebnis einer Kalibrierung erlaubt die Schätzung der Messabweichungen
des Messgeräts, der Messeinrichtung oder
der Maßverkörperung oder die Zuordnung
von Werten zu Teilstrichen auf beliebigen
Skalen. Vielfach wird das Ergebnis einer
Kalibrierung als Korrektion oder Kalibrierfaktor oder in Form einer Kalibrierkurve
angegeben.
Kalibrieren ist nicht gleich Eichen! Der
Begriff „Eichen“ ist im offiziellen Sprachgebrauch auf das gesetzliche Messwesen
beschränkt und bezeichnet amtliche Prüfungen nach dem Eichgesetz. Eine Eichung
kann nur vom zuständigen Eichamt an eichfähigen Geräten durchgeführt werden.
Ein digitales Messgerät besteht im Wesentlichen aus Sensor, Verstärker, A/DWandler (Analog-Digital-Wandler (ADW),
auch als Analog-Digital-Converter (ADC)
bezeichnet), Zähler und Digitalanzeige. Die
analoge Messgröße wird erst verstärkt,
danach in eine digitale Größe umgewan-
5
delt. Anschließend wird die binäre Größe in
eine für die dezimale Digitalanzeige geeignete Größe umgesetzt. Zur Digitalisierung
der analogen Signale werden verschiedene
elektronische Verfahren verwendet (Anhang A.4). Wichtige Kenngrößen eines
Analog-Digital-Umsetzers sind u. a. das
Auflösungsvermögen, die Nichtlinearität
und die Einstellzeit. In Abb. 1 ist das
Grundschema für ein digitales Messgerät
dargestellt.
Sensor/
analoges
Signal
Verstärker,
Gleichrichter,
Filter
ADC
Digitalanzeige
Abb. 1 Schematische Darstellung der wichtigsten Baugruppen eines digitalen Messgeräts
Moderne Digitalmultimeter messen Spannungen und Ströme neben anderen Größen
(z. B. Widerstand, Frequenz, Kapazität)
digital. Dabei wird der Messgröße ein Ausgangssignal zugeordnet, das ein mit einer
vorgegebenen Schrittweite (Digit) quantisierter Messwert ist. Die kleinste erfassbare
Änderung der Messgröße (Auflösung der
digitalen Messung, auch als least significant digit (lsd) bezeichnet), ist durch die
Schrittweite bestimmt. Diese liegt in der
Regel zwischen 8 Bit (28 = 256 Digits) und
16 Bit (216 = 65536 Digits, Tabelle A.4.1).
Der Vorteil von digitalen gegenüber den
analogen Multimetern (bei ihnen wird der
Messgröße ein Ausgangssignal zugeordnet,
das ein eindeutiges und stetiges Abbild
dieser Messgröße ist) besteht in der direkten Ablesung des Messwerts, der Messgeschwindigkeit und dem Messkomfort sowie
der Speicherung, Übertragung und Weiterverarbeitung von Messwerten. Bei kommerziellen Digitalmultimetern liegen die
relativen Unsicherheiten in der Größenordnung von 0,1 % bis 1,5 % des Messwerts.
Bei Präzisionsgeräten werden relative Unsicherheiten von 10-4 bis 10-5 des Messbereichsendwerts erreicht.
Die Ausgangssignale moderner Sensoren
können mit Hilfe von Interfaceschaltungen
auch direkt einem Rechner zugeführt werden. Die Aufgabe der Interfaceschaltungen
besteht in Analogie zu den digitalen Messgeräten (Abb. 1) darin, das Sensorsignal
vom Sensor aufzunehmen und zu verstärken, eine Signalverarbeitung durchzuführen
und abschließend das analoge Signal in ein
digitalisiertes Signal umzuwandeln.
Die Vorteile rechnergestützter Messungen
liegen im Wesentlichen in der Messung von
schnellen Vorgängen, in der digitalen Speicherung und Weiterverarbeitung der Messdaten sowie in der Realisierung von Messungen über längere Zeiträume ohne persönliche Anwesenheit. Nach Speicherung
und Weiterleitung der Daten können die
Messwerte auch an externen Computern
weiterverarbeitet werden (z. B. Modell- und
Anpassungsrechnungen, Simulationen, statistische Analysen).
2.2 Graphische Darstellung und Auswertung
Die während einer Messung angezeigten
Werte der Messgröße sollten in der praktischen Arbeit zunächst in Form einer Tabelle in das Versuchsprotokoll aufgenommen
werden, ggf. auch direkt in eine graphische
Darstellung (Diagramm), wenn es sich um
den funktionellen Zusammenhang zweier
Größen handelt. In Diagrammen werden
auf den Koordinatenachsen die Werte der
Größen in Form von Skalen abgetragen. Im
rechtwinkligen Koordinatensystem ist die
unabhängige Variable in der Regel auf der
Abszisse darzustellen. Die positiven Werte
der Größen steigen vom Schnittpunkt der
Achsen aus nach rechts bzw. nach oben an.
In einem Polarkoordinatensystem muss der
Koordinatenursprung (Winkel 0) auf der
2 Erfassung und Auswertung von Messwerten
waagerechten oder senkrechten Achse liegen. In diesem Fall soll die positive Richtung der Winkelkoordinaten der Drehrichtung entgegen dem Uhrzeigersinn entsprechen (vgl. Abb. O.4.3.5).
Werden die Koordinatenachsen als Skalen
verwendet, sind diese durch Teilstriche in
Intervalle zu unterteilen. Neben den Teilstrichen sind die Werte der Größen anzugeben. Ist der Koordinatenursprung beider Skalen null, ist die Ziffer 0 nur einmal
am Schnittpunkt anzugeben. Liegen die
Messwerte innerhalb eines begrenzten Intervalls relativ weit entfernt vom Nullpunkt, ist es zweckmäßig, eine Darstellung
mit unterdrücktem Nullpunkt zu wählen.
Die Angaben der Zahlen an den Skalen
erfolgt waagerecht außerhalb des Diagrammfelds, die Bezeichnung der Größen
(Zeichen, Benennung, funktionelle Abhängigkeit) zweckmäßigerweise in Kombination mit der Angabe der Maßeinheit in Form
eines Bruchs (Abb. 2) oder in Klammern
gesetzt am Ende der Skala.
U / mV
6 Einführung
1000
0
-1000
-2000
0
5
10
15
Δx / mm
Abb. 2 Diagramm zur Kalibrierungskurve eines
elektronischen Wegaufnehmers (Sensorspannung U, Verschiebung 'x, Ausgleichsgerade rot
gezeichnet)
Bei der Gestaltung des Diagramms ist der
Maßstab so zu wählen, dass die Kurve
möglichst unter einem Winkel von etwa
r 45° zu den Koordinatenachsen verläuft,
um auf beiden Achsen die gleiche relative
2.2 Graphische Darstellung und Auswertung
Falls der physikalische Zusammenhang
vorgibt, dass die auszuwertende Gerade
durch den Ursprung des Koordinatensystems verläuft, ist dieser ein festgelegter
Punkt für die Konstruktion der Geraden.
Größe Y
Ablesegenauigkeit zu erzielen. Ein Diagramm muss eine Benennung (Titel, Bildunterschrift) haben, die die dargestellte
funktionelle Abhängigkeit erläutert. In den
meisten Fällen erhält man in einem Experiment die gesuchte Größe nicht direkt,
sondern muss sie durch mehr oder weniger
umfangreiche Rechnungen aus den Messwerten bzw. durch Auswertung geeignet
gewählter graphischer Darstellungen ermitteln. Bevor mit der Rechnung begonnen
wird, muss man sich über die dabei erforderliche Genauigkeit klar werden. Sie ist in
jedem Fall so zu wählen, dass die Messunsicherheit (Abschn. 3), die durch die experimentellen Bedingungen bestimmt wird,
sich durch die Rechnung nicht vergrößert.
Oft wird es bei den Auswertungen im Praktikum darum gehen, die Abhängigkeit der
Messdaten x und y von zwei Messgrößen X
und Y linear zu beschreiben, d. h., sie genügen einer Gleichung vom Typ Y = A + B X.
Um die Werte a und b der beiden Geradenparameter A und B zu bestimmen, versucht
man rechnerisch oder graphisch deren
bestmögliche Werte (abest, bbest) zu ermitteln. Der rechnerische Weg basiert auf der
Methode der linearen Regression, die voneinander unabhängige und zufällig streuende Messwerte voraussetzt. Eine einfache
graphische Bestimmung der Geradenparameter bietet die Methode des graphischen
Ausgleichs, bei der man die Gerade so über
die Messpunkte legt, dass diese eine bestmögliche Anpassung erreicht.
Für das Einzeichnen der bestmöglichen
Geraden, auch Ausgleichsgerade genannt,
in das Diagramm gibt es einige einfache
praktische Regeln: Man verwendet z. B. ein
durchsichtiges Lineal, um beim Einzeichnen der bestmöglichen Geraden im Mittel
die Summe der Abweichungen zwischen
den Messpunkten unter- und oberhalb der
Geraden auszugleichen. Dadurch erreicht
man, dass die Summe der Abweichungen
so klein wie möglich wird.
7
P2
yS
abest
PS Ausgleichsgerade
P1
0
xS
Größe X
Abb. 3 Darstellung von zwei Größen X und Y
zur Ermittlung der Parameter der Ausgleichsgeraden
Die Lage des Punkts PS in Abb. 3 ergibt
sich aus den arithmetischen Mittelwerten
x xS und y yS der x- und y-Werte. Der
Schnittpunkt der Ausgleichsgeraden mit der
Y-Achse bei x = 0 bestimmt den Wert abest.
Den Anstieg bbest erhält man z. B. mit zwei
geeignet gewählten Punkten P1(x1, y1) und
P2(x2, y2) auf der in Abb. 3 eingezeichneten
Ausgleichsgeraden:
' y y2 y1
bbest
.
' x x2 x1
Es ist insbesondere für die Abschätzung
von Unsicherheiten bei der graphischen
Auswertung von Vorteil, die Messabweichungen der einzelnen Messwerte z. B. in
Form von Fehlerbalken einzuzeichnen
(Abb. 4). Um die Unsicherheit des Anstiegs
der Geraden zu ermitteln, verwendet man
die in Abb. 4 markierten Punkte P1,min und
P1,max sowie P2,min und P2,max. Aus der Differenz der Werte für den größten und den
kleinsten Anstieg wird man in der Regel
einen guten Schätzwert für die Unsicherheit
des Anstiegs bbest erhalten.
8 Einführung
P2.max
P2.min
PS
Ausgleichsgerade
P1.max
P1.min
1
, Y ln K sowie den GeradenparameT
tern A ln K0 und B EA / R .
len X
η / 10-3 kg m-1 s-1
Größe Y
2 Erfassung und Auswertung von Messwerten
0,8
0,6
Größe X
Wenn der theoretisch zu erwartende Zusammenhang nichtlinear ist, so wird es oft
möglich sein, diesen durch geeignete mathematische Transformationen in eine Geradengleichung zu überführen. In solchen
Fällen ist manchmal auch die Verwendung
von speziellem Koordinatenpapier (Funktionspapier) mit geeigneten Unterteilungen
(z. B. einfach- oder doppelt-logarithmisch;
Ordinate logarithmisch, Abszisse reziproke
absolute Temperatur T) von Vorteil, bzw.
man erstellt die graphische Darstellung mit
einer geeigneten Software.
Beispiel:
Die Temperaturabhängigkeit der dynamischen
Viskosität K (Abb. 5) in Flüssigkeiten lässt sich
in einem begrenzten Temperaturbereich durch
eine Exponentialfunktion beschreiben:
§ EA ·
¸ .
©RT ¹
Dabei sind T die absolute Temperatur, EA die
molare Aktivierungsenergie, K0 eine Materialkonstante und R die allgemeine Gaskonstante.
Die Überführung in eine Geradengleichung
vom Typ Y = A + B X durch Logarithmieren
E 1
mit den Variabergibt ln K ln K0 A
R T
K = K0 exp ¨
0,4
300
320
340
360
T/K
Abb. 5 Diagramm zur Temperaturabhängigkeit
der dynamischen Viskosität einer Flüssigkeit
Trägt man lnK über der reziproken absoluten Temperatur T-1 auf (Abb. 6), lässt sich
graphisch die Ausgleichsgerade ermitteln.
ln ( η / Pa s )
Abb. 4 Graphische Darstellung einer Gerade
mit Fehlerbalken für die x- und y-Messwerte,
Punkte P2.max und P1.min bestimmen den größtmöglichen und die Punkte P2.min und P1.max den
kleinstmöglichen Anstieg
0,0
P2
-0,5
-1,0
P1
0,0028
0,0030
0,0032
1/T /1/K
Abb. 6 lnK -1/T-Diagramm zur Auswertung der
Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität, Ausgleichsgerade rot, Punkte P1 und P2
sind Bezugswerte für die Anstiegsbestimmung
Zu beachten sind dabei die Maßeinheiten,
die Skaleneinteilung und die Größe der
logarithmischen Einheit. Mit zwei ausreichend weit voneinander entfernt liegenden
Punkten P1 (K 1, T1 ) und P2 (K 2 , T2 ) , die auf
der Ausgleichsgeraden liegen, kann der
2.3 Ausgleichsrechnung (lineare Regression)
Wert der molaren Aktivierungsenergie EA
mit Hilfe der Gleichung
K E §1 1·
ln 1 = A ¨ ¸ bestimmt werden.
K2 R © T1 T2 ¹
2.3 Ausgleichsrechnung (lineare Regression)
Soll ein linearer Graph mathematisch analysiert werden bzw. ist die Festlegung des
linearen Graphen wegen der Streuung der
Messwerte nicht ohne weiteres möglich,
erfolgt die Bestimmung der Geradenparameter mit Hilfe der Ausgleichsrechnung.
Damit kann man bestmögliche Schätzwerte
(Erwartungswerte) ermitteln. Im Fall eines
linearen Zusammenhangs
y =D + E x
(1)
besteht die Aufgabe darin, die Bestwerte
(Mittelwerte) D und E für D und E zu
finden. Unter Beachtung der Tatsache, dass
im Experiment die Einflussgrößen xi häufig
vorgegeben und die zugehörigen Zielgrößen yi mit zufälligen Messabweichungen
behaftet sind, gilt
'yi = yi yi z 0 (i 1, ..., n) ,
(2)
d. h., Messwert yi und Schätzwert yi der
Zielgrößen stimmen nicht überein. Zur
Berechnung von D und E wird in der
Regel die so genannte Gauß’sche Methode
der kleinsten Quadrate verwendet, wonach
die Summe der Quadrate der Abweichungen 'yi ein Minimum werden soll:
n
F (D , E ) = ¦ ( yi D E xi ) 2
min . (3)
i 1
Die notwendigen Bedingungen für ein Minimum lauten
wF
wD
wF
wE
0 .
(3a)
9
Daraus ergeben sich zwei lineare Gleichungen (Normalgleichungen) mit den Lösungen
xy x y
xx x x
E=
(4)
bzw.
D= y E x
y xx xy x
.
xx x x
(5)
Die arithmetischen Mittelwerte sind definiert durch
x=
1 n
1 n
xi , y = ¦ yi ,
¦
ni1
ni1
xy =
1 n
1 n
xi yi , xx = ¦ xi xi .
¦
ni1
ni1
(6a)
(6b)
Den Anstieg der Ausgleichsgeraden E
bezeichnet man auch als Regressionskoeffizienten. Die Ermittlung der Unsicherheiten für die Geradenparameter D und E der
Ausgleichsgeraden wird in Abschn. 3.2.3
beschrieben.
Das Problem der Kurvenanpassung ist nicht
beschränkt auf die bisher betrachtete Bestimmung der Ausgleichsgeraden bei linearen Zusammenhängen. Lässt sich z. B. eine
Größe mit Hilfe eines Polynoms
y = E 0 E1 x E 2 x 2 ... E n x n
(7)
darstellen, kann die Bestimmung der Regressionskoeffizienten E0, ȕ1, …, ȕn in analoger Weise über die Lösung einer entsprechend größeren Zahl von Normalgleichungen erfolgen. Die Software für Kurvenanpassungen für eine Vielzahl anderer nichtlinearer Anpassungen mit Hilfe der in den
Praktika vorhandenen Rechner steht heute
im Allgemeinen zur Verfügung. Dabei
werden in der Regel auch die Standardabweichungen der betreffenden Anpassungsparameter (Fit-Parameter) berechnet.
10 Einführung
3 Messunsicherheit
Die Frage nach der Genauigkeit eines
Messwerts oder eines Messergebnisses ist
nur im Zusammenhang mit einer genauen
Analyse der verwendeten Messverfahren
und Messmethoden zu beantworten. Nach
der deutschen Norm DIN 1319-3 wurde der
traditionelle Begriff Messfehler durch den
Begriff Messabweichung ersetzt. In den
folgenden Abschnitten werden in kurzen
Darstellungen die auf dieser DIN basierenden Regeln für die zahlenmäßige Erfassung
der Messunsicherheit einer physikalischen
Messgröße vorgestellt. Diese als „Abschätzung der Messunsicherheit“ beschriebene
Methode wird umgangssprachlich auch
noch mit dem veralteten Terminus „Fehlerrechnung“ bezeichnet.
Bei der Angabe eines Messergebnisses ist
in jedem Falle die Mitteilung der Messunsicherheit erforderlich, deren Größe bei
Messungen im Physikpraktikum von unbekannten systematischen (im Folgenden kurz
als systematische Abweichungen bezeichnet) und zufälligen Messabweichungen
bestimmt ist. Das Messergebnis, d. h., der
Messwert einer Einzelmessung oder der
Mittelwert einer Messreihe, enthält den
korrigierten Wert (Abschn. 3.1) verbunden
mit einem Intervall, in dem vermutlich der
Erwartungswert der Messgröße liegt. Die
Differenz zwischen der oberen Grenze dieses Intervalls und dem korrigierten Wert
bzw. die Differenz zwischen dem korrigierten Wert und der unteren Grenze dieses
Intervalls nennt man Messunsicherheit (Symbol u). In der Regel haben die
beiden Differenzen den gleichen Wert. Das
Messergebnis wird dann in der Form
„Ergebnis r Messunsicherheit“
angegeben. Bei wissenschaftlichen Experimenten wird man immer bestrebt sein, die
systematischen Abweichungen durch modernste Messtechniken und Messverfahren
weitestgehend auszuschließen.
3 Messunsicherheit
Ergänzend werden Hinweise auf die in der
internationalen Metrologie üblichen Empfehlungen zur Ermittlung von Messunsicherheiten nach dem „Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen“ („Guide
to the Expression of Uncertainty in Measurement“, kurz „ISO-GUM“, ISO International Organization of Standardization) und
des nationalen Metrologieinstituts der USA
(National Institut of Standards and Technology, kurz NIST) sowie der Physikalisch
Technischen Bundesanstalt (kurz PTB)
gegeben. In diesen Empfehlungen werden
zwei Typen von Messunsicherheiten unterschieden, Typ A und Typ B. Systematische
Messabweichungen werden in diesem Leitfaden nicht mehr berücksichtigt.
Unsicherheiten vom Typ A beziehen sich
auf mehrfach wiederholte Messungen von
Zufallsmessgrößen (z. B. die Standardabweichung als Standardunsicherheit, siehe
Abschn. 3.2.1) und können mit statistischen
Methoden berechnet werden.
Die Messunsicherheiten vom Typ B stammen aus anderen Quellen. Sie können nicht
durch mehrfach wiederholte Messungen
ermittelt werden. Für ihre wissenschaftliche
Beurteilung sind alle verfügbaren Informationen über mögliche Abweichungen bei
der Erfassung der Messwerte zu berücksichtigen. Dazu zählen u. a. die Erfahrung
oder allgemeines Wissen über das Verhalten oder die Eigenschaften der relevanten
Materialien, Phänomene und Instrumente,
Spezifikationen und Herstellerangaben,
Daten aus Kalibrierungs- oder anderen
Zertifikaten und Informationen über Unsicherheiten, die entsprechenden Handbüchern entnommen werden können.
Für die im Weiteren behandelten exemplarischen Beispiele werden für die Abschätzung der Messunsicherheiten auch systematische Abweichungen berücksichtigt, da
diese bei den im Praktikum verwendeten
Messmethoden und -verfahren nicht in
jedem Falle vernachlässigt werden können.
3.1 Messabweichungen bei Einzelmessungen
Aus diesem Grunde wird auch noch die so
genannte Methode der „Größtfehlerabschätzung“ als ein praktikables Berechnungsverfahren zur Abschätzung der maximalen Messunsicherheit im Physikpraktikum beschrieben.
3.1 Messabweichungen bei Einzelmessungen
Bei Einzelmessungen physikalischer Größen sind die Messabweichungen in Bezug
auf den korrigierten Messwert unter Berücksichtigung der systematischen und der
zufälligen Messabweichung zu ermitteln.
Für die systematischen Abweichungen
kann man im Allgemeinen keine bestimmten Ursachen angeben. Sie sind vielfältiger
Natur und werden z. B. durch die Unvollkommenheiten von Messgeräten, Messverfahren oder Maßverkörperungen, die nicht
exakt erfassbaren Änderungen der Umweltund Versuchsbedingungen oder die Unvollkommenheiten der menschlichen Sinnesorgane verursacht. Charakteristisch für
systematische Abweichungen ist, dass bei
der Wiederholung von Messungen unter
gleichen Bedingungen ihre Größe nach
Betrag und Vorzeichen konstant bleibt und
dass sich nach gesetzmäßiger Veränderung
der Messbedingungen die systematische
Abweichung ebenfalls gesetzmäßig ändert
oder konstant bleibt. Systematische Abweichungen können auch durch Wiederholung
von Messungen bei gleichen Wiederholbedingungen nicht beseitigt werden.
In einigen Fällen muss der Messwert korrigiert werden, z. B. in Form einer Nullpunkt-, Temperatur- oder Druckkorrektion.
Den korrigierten Messwert erhält man
meist durch Addieren der Korrektion. Die
Korrektion K hat den gleichen Betrag wie
die bekannte Abweichung Aa, jedoch das
entgegengesetzte Vorzeichen (K = Aa).
Bei allen Auswertungen ist stets der korrigierte Messwert zu verwenden.
11
Beispiel:
Bei der Bestimmung des Drucks mit einem mit
Quecksilber gefüllten Barometer sowie einer
Glas- bzw. Messingskala ist die Korrektion der
abgelesenen Höhe hc auf die Temperatur
273,15 K (Temperatur der Kalibrierung) infolge
der Volumenausdehnung des Quecksilbers
(Volumenausdehnungskoeffizient J ) und der
linearen Ausdehnung des Materials der Skala
(Ausdehnungskoeffizient D) erforderlich. Der
korrigierte Wert des Barometerstands h lässt
sich mit Hilfe der Korrektionsgleichung
Aa 'h (J D ) hc 'T mit 'T = T 273,15 K
berechnen. Mit den Differenzen der Ausdehnungskoeffizienten (J D)Messing = 1,62˜10-4 K-1
oder (J D)Glas = 1,71˜10-4 K-1 kann der korrigierte Wert h = hc 'h bestimmt werden.
Die Ermittlung der systematischen Abweichungen erfordert eine umfassende Analyse
des Messproblems. Durch geeignete experimentelle Maßnahmen ist zu erreichen,
dass sie einen kleinstmöglichen Einfluss
auf die Messung haben. In jedem Falle
sollte man sorgfältig prüfen, welche systematischen Messabweichungen auftreten
können. Hilfsmittel zur Abschätzung systematischer Abweichungen sind u. a. Angaben zu den Genauigkeitsklassen oder
Messtoleranzen von Messmitteln, die in
Standards oder in Gerätebeschreibungen
mitgeteilt werden. Diese Angaben beziehen
sich in der Regel auf ein zum Erwartungswert symmetrisch liegendes Intervall, sofern die vom Hersteller angegebenen
Einsatzbedingungen eingehalten werden.
Beispiele:
Ein Zeigermessgerät besitzt die Genauigkeitsklasse 1,5. Nach der DIN 1319 bestimmt die
Genauigkeitsklasse eine Klasse von Messgeräten, die vorgegebene messtechnische Forderungen erfüllen, so dass Messabweichungen dieser
Messgeräte innerhalb festgelegter Grenzen
bleiben. Die Angabe des Werts 1,5 bedeutet,
dass eine Abweichung von maximal r 1,5 % des
Messbereichsendwerts unter den festgelegten
Nennbedingungen auftreten kann.
Ein digitales Manometer mit einem Absolut-
12 Einführung
drucksensor besitzt einen Messbereich von 0 bis
1330 hPa und hat eine digitale Auflösung von
1 hPa. Die Genauigkeit bei Einhaltung der
Nennbedingungen wird mit r (0,2 % + 2 dgts.)
angegeben. Die relative Abweichung von 0,2 %
bezieht sich auf den angezeigten Messwert und
der Wert von 2 Digits (dgts.) informiert über die
Genauigkeit der Digitalisierung. Bei einem
Messwert von 1003 hPa ergibt sich eine Abweichung von 4,006 hPa. Damit folgt als Ergebnis
der Druckmessung nach Rundung der Unsicherheit auf die kleinste angezeigte Stelle:
p = (1003 r 4) hPa.
Ist ein Messwert durch zufällige Ereignisse
beeinflusst, streuen die Messwerte bei
Wiederholung der Messung nach Betrag
und Richtung in zufälliger Weise. Sie werden u. a. durch nicht erfassbare und nicht
beeinflussbare Änderungen der Versuchsund Umgebungsbedingungen (wechselnde
Reibungseinflüsse bei mechanischen Bewegungen, Schwankungen von Temperatur
oder Luftdruck), Unvollkommenheiten
beim subjektiven Erfassen von Messwerten
(Reaktionsvermögen, Ablesung von Skalenwerten) oder den statistischen Charakter
der Messgröße bzw. des Messgegenstands
(Zerfallsrate beim radioaktiven Zerfall,
elektronisches Rauschen) hervorgerufen.
Die zufälligen Abweichungen können in
ihrer Gesamtheit umso zuverlässiger durch
eine Rechengröße erfasst werden, je mehr
Messungen vorliegen. Dabei streuen die
einzelnen Messwerte um einen Mittelwert x (siehe Abschn. 3.2.1), der als bestmöglicher Schätzwert für den Erwartungswert einer Messgröße angesehen wird, sofern man die systematischen Abweichungen vernachlässigen kann und die Anzahl
der Messwerte ausreichend groß ist.
3.1.1 Messunsicherheit bei direkten
Messungen
Die Ermittlung der Messunsicherheit im
Falle einer Einzelmessung im Praktikum
begründet sich auf die Abschätzung der
3 Messunsicherheit
betreffenden Messabweichungen. Man
wendet diese an, wenn die Messung einer
umfangreichen Messreihe zu aufwendig
oder nicht sinnvoll ist. Letzteres ist z. B.
der Fall, wenn die systematische gegenüber
der zufälligen Abweichung nicht vernachlässigbar ist. Abschätzungen in diesem
Sinne erfordern ausreichende Kenntnisse
und Erfahrungen über die eingesetzten
Messgeräte und Messgegenstände sowie
über die verwendeten Mess- und Auswerteverfahren und sind nicht durch eine geschlossene Theorie darstellbar. Wird im
Experiment der Wert einer Größe X nur
einmal gemessen, so kann die Abschätzung
einer maximalen Messunsicherheit vereinfacht durch die lineare Addition der Beträge der systematischen Gs(X ) und der zufälligen Gz (X ) Abweichung erfolgen:
umax ( X ) G s ( X ) G z ( X ) .
(9a)
Für die Abschätzung zufälliger Messabweichungen im Falle der Einzelmessung direkter Messgrößen können im Praktikum z. B.
Ableseunsicherheiten (Interpolation innerhalb der Teilung einer Skala) und Reaktionszeiten bei manuellen Zeitmessungen
von Bedeutung sein.
Entnimmt man den Wert für die Abweichung G s z. B. einem Kalibrierzertifikat
oder einem vom Gerätehersteller mitgelieferten Prüfbericht, ist die Bestimmung der
Messunsicherheit durch die quadratische
Addition vorzunehmen, wenn man eine
Messunsicherheit vom Typ B nach „ISOGUM“ voraussetzen kann:
u( X )
G s ( X )2 G z ( X )2 .
(9b)
Bei Anwendung von Gl. (9b) ergibt sich
infolge der Ungleichung
G s ( X )2 G z ( X )2 G s ( X ) G z ( X )
immer eine kleinere Messunsicherheit gegenüber der linearen Addition nach Gl. (9a).
3.1.2 Messunsicherheit bei indirekten Messgrößen
Beispiel:
Eine Temperaturmessung erfolgt mit einem
Laborthermometer (Messbereich: 0 bis 100 °C;
Skalenteilung: 0,1 °C). Der abgelesene Wert
beträgt 35,4 °C. Die unbekannte systematische
Abweichung Gs(- ) = 0,2 °C und die zufällige
Abweichung Gz(- ) = 0,05 °C (Ablesefehler)
führen zu einer maximalen Messunsicherheit
von u(- )max = Gz(- ) + Gs(- ) = 0,25 °C. Das Ergebnis lautet: - = (35,4 r0,3) °C.
Bei Anwendung von Gl. (9b) erhält man einen
Wert für die Unsicherheit von u(- ) = 0,2 °C.
3.1.2 Messunsicherheit bei indirekten
Messgrößen
Häufig wird aus einer Reihe von einzeln
gemessenen Größen Xk mit k = 1, ..., m eine
weitere funktionell abhängige Größe
Y = Y(X1, ..., Xk) ermittelt. Sind die Größen
voneinander unabhängig und besitzen ausreichend kleine Messunsicherheiten u(Xk),
z. B. u ( X k ) / X k 0,1 , ermittelt man den
Wert für die maximale Messunsicherheit
(auch als „Größtfehlerabschätzung“ bezeichnet) der nicht direkt messbaren Größe
Y über den Linearanteil einer TaylorReihenentwicklung:
u (Y ) max
wY
wY
u ( X 1) ... u ( X m ). (10)
w X1
w Xm
In Gl. (10) können aber die partiellen Ableitungen unterschiedliche Vorzeichen haben
und sich die Komponenten der Messunsicherheiten ganz oder teilweise aufheben.
Deshalb werden die Beträge der partiell
abgeleiteten Terme zur Abschätzung der
maximalen Messunsicherheit addiert:
u (Y )max
m
¦
k 1
wY
u( X k ) .
w Xk
(11a)
In Analogie zu den oben genannten Voraussetzungen, dass die Messunsicherheiten
z. B. Gerätebeschreibungen oder Kalibrierzertifikaten entnommen werden können, die
13
einer Messunsicherheit vom Typ B entsprechen, wird man die quadratische Addition
bevorzugen:
u (Y )
2
§ wY ·
2
¨
¸ u( X k ) .
¦
k 1© wXk ¹
m
(11b)
Die folgenden Sonderfälle ergeben für die
Abschätzung von Messunsicherheiten bei
Einzelmessungen besonders anschauliche
und einfach zu handhabende Zusammenhänge:
Lineare Funktion:
m
Y = a0 ¦ ak X k ,
(12)
k 1
a1 u ( X 1 ) ... am u ( X m ) ,
(12a)
u (Y ) max
u (Y )
a12 u ( X 1 )2 ... am2 u ( X m )2 ,
(12b)
Potenzprodukt:
m
Y = A – ck X kak ,
(13)
k 1
relative Unsicherheit:
u (Y )max
Y
a1
u( X m )
u( X1 )
... am
,
X1
Xm
(13a)
u (Y )
Y
2
2
§ u( X m ) ·
§ u( X1 ) ·
¸ .
¨ a1
¸ ... ¨ am
X1 ¹
Xm ¹
©
©
(13b)
Beispiele:
1. Bestimmung der Schwerebeschleunigung g
mit einem Fadenpendel (Versuch M.2.1);
Messgrößen sind die Pendellänge l und die
Periodendauer T:
4 ʌ2 l
Y (l , T ) g
.
T2
14 Einführung
3 Messunsicherheit
Die partiellen Ableitungen ergeben
w g 4 ʌ2
w g 8 ʌ2 l
,
.
2
T
T3
wl
wT
Daraus folgt für u(g)max nach Gl. (11a)
Bei diesen Rechnungen sind die Werte für die
Unsicherheiten u(Į) und u(Ek) der Winkelmessungen in rad einzusetzen.
3.2 Messgrößen mit zufälligen Messabweichungen
4 ʌ2
8 ʌ2 l
u ( g ) max
u (l ) 3 u (T )
2
T
T
bzw. für die relative Messunsicherheit
u ( g ) max
g
u (l )
u (T )
2
,
l
T
die man auch direkt nach Anwendung von
Gl. (13a) erhält. Mit Gl. (13b) folgt
2
§ u (l ) · § u (T ) ·
¨
¸ ¨2
¸
© l ¹ © T ¹
u( g )
g
2
.
2. Ermittlung der Gitterkonstante g eines Reflexionsgitters (Versuch O.2.3); Messung des
Einfallswinkels D und des Beugungswinkels
Ek des Maximums der k-ten Ordnung für eine
gegebene Wellenlänge O:
g
kO
( E k E max, k ) .
sin D sin E k
kO
wg
w Ek
cos D
,
(sin D sin E k ) 2
kO
( cos E k )
(sin D sin E k ) 2
erhält man nach Gl. (11a)
u ( g ) max
ª
cos D
kO«
u (D ) sin E k ) 2
(sin
D
¬
º
cos E k
u(E k ) »
2
(sin D sin E k )
¼
x
bzw. nach Gl. (11b)
­° ª
º
cos D
k O ®«
u (D ) » 2
¼
°̄ ¬ (sin D sin E k )
2
u( g )
ª
º
cos E k
u(E k ) »
«
2
¬ (sin D sin E k )
¼
2
3.2.1 Mittelwert, Standardabweichung,
Vertrauensbereich
Für die Schätzung des Erwartungswerts
einer direkt messbaren Größe X setzt man
eine ausreichend große Anzahl n voneinander unabhängiger Messungen voraus, wobei
man die Gesamtmenge der Messwerte für
n o f als Grundgesamtheit der Messgröße X bezeichnet. Aus Zeit- und Kostengründen wird man sich jedoch mit einer
begrenzten Zahl von Messungen, einer
Stichprobe vom Umfang n, begnügen. Für
eine vorliegende Messreihe mit den Werten
x1, x2, ... , xn repräsentiert dann das arithmetische Mittel (Mittelwert) x mit
Mit den partiellen Ableitungen
wg
wD
Die Ermittlung der Messunsicherheit einer
Messgröße, die mehrmals gemessen wurde
und deren Messwerte zufällig schwanken,
begründet sich auf folgende Voraussetzungen:
1. Die Messgröße kann beliebig oft unter
konstanten Wiederholbedingungen ermittelt
werden.
2. Die systematischen Messabweichungen
sind korrigierbar bzw. vernachlässigbar.
3. Die Messwerte streuen zufällig um einen
Erwartungswert.
1/ 2
°½
¾
°¿
.
1
n
n
¦x
i
(14)
i 1
einen guten Schätzwert für den Erwartungswert P für nicht zu kleine n ( x o P
für n o f ). Zur Ermittlung der Messunsicherheit der zufälligen Messgröße summiert man die quadrierten Abweichungen
der Beobachtungswerte von ihrem arithme-
3.2.1 Mittelwert, Standardabweichung, Vertrauensbereich
tischen Mittelwert und dividiert durch n1.
Daraus ergibt sich die experimentelle oder
empirische Varianz vom Stichprobenumfang n:
s X2
1
n 1
n
¦(x x )
2
i
.
(15)
i 1
Ihre positive Quadratwurzel führt zur experimentellen Standardabweichung für die xiWerte:
15
bzw. die Standardabweichung für n = 5 bis
n = 400 für die Zählrate N des Nulleffekts
(O.5.1) dargestellt, wobei insgesamt
1000 Messungen durchgeführt wurden.
Man erkennt, dass man unter den gewählten
Versuchsbedingungen bereits ab n t 400
für den Mittelwert N und die Standardabweichung sN der Zählrate N gute Näherungswerte erhält, wobei die Pfeile die
Werte für n = 1000 repräsentieren.
0,50
sX
1 n
¦ ( xi x )2 .
n 1 i 1
(16)
N
s-1
0,45
Die Größe sX ist die wesentliche Kenngröße
zur Beschreibung der Verteilung statistisch
streuender Messgrößen um den arithmetischen Mittelwert (Abschn. 4.2). Ihren Wert
verwendet man auch zur Ermittlung der
Messunsicherheit (z. B. der Unsicherheit
vom Typ A nach „ISO-GUM“).
Für n o f erhält man die Standardabweichung ı der Grundgesamtheit. Der Quotient 1/(n 1) berücksichtigt, dass nur n 1
Messwerte aus dem Stichprobenumfang n
bei Berechnung des Mittelwerts voneinander unabhängig sind. Die experimentelle
Standardabweichung des Mittelwerts ist
gleich der experimentellen Standardabweichung geteilt durch die Wurzel aus der
Gesamtzahl der Messungen:
0,40
0,35
0,30
0
200
Abb. 7a Mittelwert N der Impulsrate des Nulleffekts in Abhängigkeit von der Anzahl der
Messungen n
0,30
sN , sN
s-1
0,25
sN
0,20
sX
sX
n
1
n (n 1)
n
¦ (x
i
x ) 2 . (17)
i 1
Im Gegensatz zur experimentellen Standardabweichung, die sich mit wachsender
Anzahl von Messwerten einem endlichen
Wert nähert und sich bei weiteren Messungen nicht wesentlich ändert, wird die Standardabweichung des Mittelwerts durch
Vergrößerung der Zahl der Messungen um
den Faktor 1/ n kleiner.
In den Abbn. 7a und 7b sind der Mittelwert
400
n
0,15
0,10
0,05
sN
0
200
n
400
Abb. 7b Standardabweichung sN und deren
Mittelwert sN in Abhängigkeit von der Anzahl
der Messungen n (Nulleffekt)
16 Einführung
3 Messunsicherheit
Die experimentelle Standardabweichung
des Mittelwerts nähert sich für große n
entsprechend Gl. (17) dem Wert null.
In der Regel geht man von einer normalverteilten Grundgesamtheit (Abschn. 4.2) aus,
so dass dann auch die Stichprobe einer
Normalverteilung genügt. Unter dieser
Voraussetzung kann die obere und die untere Grenze des Vertrauensbereichs berechnet
werden:
x r
t ( P, f ) s X
n
.
Der Faktor t (P, f ) bezieht sich auf die so
genannte t-Verteilung, auch als StudentVerteilung bezeichnet, und hängt vom Vertrauensniveau P bzw. von der Irrtumswahrscheinlichkeit D (D = 1P) sowie der Anzahl der Freiheitsgrade f der Stichprobe ab.
Für das unter Praktikumsbedingungen übliche Vertrauensniveau von 95 % findet man
im Anhang A.20 die entsprechenden Werte.
Die Zahl der Freiheitsgrade ist gleich der
Anzahl der Messwerte (f = n), sofern der
Mittelwert gegeben ist. Berechnet man das
arithmetische Mittel aus einer Stichprobe
mit n Messungen, wird f = n1. Daraus
wird die Messunsicherheit u(X)z einer zufallsverteilten Messgröße begründet:
u ( X )z
t ( P, f )
sX
n
.
(18)
Bei einer geringen Anzahl von Freiheitsgraden (Messwerten) wird der Vertrauensbereich erheblich vergrößert. Für eine statistisch begründete Abschätzung der Messunsicherheit sollen mindestens fünf Messwerte vorliegen.
Beispiel:
Es wurde die Periodendauer T eines Fadenpendels (Versuch M.2.1) zehnmal mit einer digitalen Stoppuhr unter gleichen Messbedingungen
gemessen. Die systematischen sind gegenüber
den zufälligen Abweichungen vernachlässigbar.
Messwerttabelle
i
Ti /s
i
Ti /s
1
1,92
6
1,91
2
1,95
7
1,94
3
1,90
8
1,93
4
1,89
9
1,95
5
1,93
10
1,90
T = 1,922 s , sT = 0, 0215 s ,
u (T ) z
sT t ( P, f )
n
0, 016 s .
Der Wert für u(T) ergibt sich nach Gl. (18) mit
t(P = 0,95, f = n1 = 9) = 2,3 (vgl. Anhang A.20).
Nach Rundung (Abschn. 3.3) erhält man die
Unsicherheit u(T) = 0,016 s und für das Ergebnis folgt T = (1,922 r 0,016) s.
3.2.2 Messunsicherheit bei kombinierten
Messgrößen
Die experimentelle Standardabweichung
einer Größe Y = Y(Xk) mit k = 1, ..., m, die
eine Funktion mehrerer direkt messbarer
Größen X1, ..., Xm mit den zugehörigen
Mittelwerten x1 , ..., xm ist, kann mit Hilfe
der Bestimmung von Messunsicherheiten
zufallsverteilter Messgrößen ermittelt werden. Folgenden Voraussetzungen müssen
erfüllt sein:
1. Die Messwerte der direkt messbaren
Größen sind normalverteilt und ihre zufälligen Abweichungen sind unabhängig
voneinander (nicht korreliert).
2. Die systematischen Abweichungen sind
vernachlässigbar und die zufälligen Abweichungen sind viel kleiner als die zugehörigen Mittelwerte der Messgrößen.
Dann kann die experimentelle Standardabweichung sY der Funktionsgleichung
Y = Y (X1, ..., Xm) wie folgt berechnet werden:
sY
§ wY
·
sXk ¸
¨
¦
X
w
k 1©
k
¹
m
2
.
(19)
3.2.3 Messunsicherheit beim linearen Ausgleich
Die s X k werden
aus
Stichproben
xk,i
(i = 1, ... , n) vom Umfang n bestimmt. Der
in Gl. (19) beschriebene Zusammenhang
wird auch als „Fehlerfortpflanzungsgesetz
nach Gauß“ bezeichnet. Für zwei häufig
auftretende Spezialfälle vereinfacht sich die
Berechnung von sY:
Lineare Funktion:
Y
m
a0 ¦ ak X k ,
(20)
k 1
sy
a1 s X1
2
... am s X m
2
.
(20a)
Potenzprodukt:
m
Y
A – X kak ,
(21)
k 1
sY
Y
2
2
§ sX m ·
§ s X1 ·
¸ . (21a)
¨ a1
¸ ... ¨ am
xm ¹
© x1 ¹
©
Die Messunsicherheit u(Y) der indirekt
gemessenen Größe Y lässt sich in diesem
Fall mit
u (Y )
t ( P, f )
n
sY
(22)
berechnen. Nach den Empfehlungen im
„Guide to the Expression of Uncertainty in
Measurement“ („ISO-GUM“) ist die Unsicherheit einer zufallsverteilten Messgröße
durch die Standardunsicherheit bzw. die
erweiterte Standardunsicherheit anzugeben.
Für die Standardunsicherheit kombinierter,
unkorrelierter Messgrößen gilt u(Y)c = sy.
Als erweiterte Standardunsicherheit U wird
das Produkt aus der Standardunsicherheit
und einem Erweiterungsfaktor k (coverage
factor) definiert:
U (Y ) k u (Y )c .
(22a)
Der Wert des Faktors k hängt von der Größe des gewählten Vertrauensniveaus P
17
(auch Konfidenzniveau genannt) ab. Im
Falle einer Normalverteilung und eines
Vertrauensniveaus von P = 95 % ist k = 2.
Für P = 99 % wird k = 3 gewählt. Die kWerte korrespondieren mit den betreffenden Werten der t-Verteilung im Anhang A.20 für eine ausreichend große Anzahl von Messwerten (Freiheitsgraden).
3.2.3 Messunsicherheit beim linearen
Ausgleich
Zur Berechnung der empirischen Standardabweichungen der Parameter D und E der
Ausgleichsgeraden y D E x werden in
Analogie zu Abschn. 3.2.1 die zugehörigen
Werte sD und sE berechnet. Es sollen n
Messwertpaare (xi, yi ) mit i = 1, ..., n der
Messgrößen X (Einflussgröße) und Y
(Zielgröße) vorliegen, wobei die Standardabweichungen der x i- gegenüber denen der
y i-Werte vernachlässigt werden können.
Die Formeln zur Berechnung der Standardabweichung des Mittelwerts E lauten dann
sE
2
§ wE · 2
¨
¸ sY ,
¦
i 1 © w yi ¹
n
sE
1
,
n [ xx x x ]
sy
(23)
bzw. für D
sD
2
§ wD · 2
¨
¸ sY ,
¦
i 1 © w yi ¹
n
sD
sy
xx
n [ xx x x ]
sE
xx .
(24)
Die Mittelwerte entsprechen den im
Abschn. 2.3 eingeführten Festlegungen.
In gleicher Weise wie in Gl. (16) wird die
experimentelle Standardabweichung sY für
18 Einführung
3 Messunsicherheit
die y-Werte ermittelt:
sY
sY
n
1
n2
¦(y
1
n2
¦(y
i
y )2 ,
i 1
n
i
E xi D ) 2 .
(25)
i 1
Die Substitution von n 1 durch n 2 gegenüber Gl. (16) ist dadurch bedingt, dass
die Anzahl der Freiheitsgrade bezüglich der
n voneinander unabhängigen Wertepaare
durch die aus den Messwerten berechneten
Parameter D und E um zwei reduziert wurde ( f = n 2). Unter der Annahme, dass die
zufälligen Abweichungen der yi-Werte
normalverteilt sind, können die zugehörigen Messunsicherheiten bestimmt werden:
u (D ) sD t ( P, n 2) ,
(26)
u ( E ) sE t ( P, n 2) .
ln ( N / N0 )
Beispiel:
In einem Experiment zur Bestimmung der
Halbwertszeit T1/2 eines kurzlebigen Nuklids
wurde die Zählrate N (Zahl der Zerfälle/s) in
Abhängigkeit von der Zerfallsdauer t gemessen.
0
-1
y ln ( N / N 0 ) , x t , E 1/ T1/ 2 , D 0 .
Das Ergebnis der linearen Regression zeigt
Abb. 8. Mit dieser wurden neben dem gesuchten Parameter E (Anstieg der Geraden) auch
dessen Standardabweichung sE berechnet:
E = 4,491˜10-3 s-1 , sE = 0,056 ˜10-3 s-1 .
Mit dem Regressionsparameter E erhält man
die Halbwertszeit T1/2 = 1/ E = 222,7 s und
mit dem Wert für die Standardabweichung
ergibt sich nach Gl. (26) eine Unsicherheit von
u(E )
2 sE
1,12 ˜104 s 1 .
Den Wert für t ( P, n 2) = 2 mit dem Vertrauensniveau P = 95 % und der Anzahl der Freiheitsgrade f = n 2 = 48 kann der Tabelle im
Anhang A.20 entnommen werden.
Mit u ( E ) / E = 0,02494 folgt nach Rundung als
Ergebnis T1/2 = ( 222,7 r 5,6 ) s.
In vielen praktischen Anwendungen wird auch
die mit dem Faktor zwei multiplizierte (erweiterte) Standardunsicherheit zur Ermittlung der
Messunsicherheit verwendet.
3.3 Angabe des Messergebnisses
Das endgültige Ergebnis ist immer mit der
aus Abschätzungen oder statistischen Berechnungen bestimmten Größe der Messunsicherheit anzugeben. Angewendet auf den
Fall einer direkt gemessenen Größe X ist
das Ergebnis in der Form
X
-2
sE t ( P, n 2)
xbest r u ( X )
(27)
Abb. 8 Anwendung der linearen Regression zur
Bestimmung der Halbwertszeit (50 Messwerte,
Regressionsgerade rot gezeichnet)
anzugeben, wobei xbest der bestmögliche
Wert ist, der im Falle von Zufallsgrößen
dem Erwartungswert am nahesten kommt.
Dabei sind die Einheiten und die Zahlenformate (dezimal, wissenschaftlich) von
Ergebnis und Unsicherheit einheitlich zu
wählen.
Unter der Voraussetzung eines exponentiellen
Zerfallsgesetzes N =N0 exp( t /T1/2) erfolgt die
Auswertung mit der transformierten Gleichung
ln N ln N 0 t / T1/ 2 , y D E x ,
Beispiele:
Dichte: U = (8860 r 40) kg m-3 ,
Torsionsmodul: G = (145,4 r 1,3) ˜109 Pa ,
Brennweite einer Linse: f = (95 r 5) mm .
-3
0
200
400
600
t/s
3.3 Angabe des Messergebnisses
19
In diesen Beispielen der Ergebnisangabe
sind die Regeln für das Runden (siehe unten) berücksichtigt worden. Im Falle des
Torsionsmoduls wurde auch beachtet, dass
Vorsätze, die einer ganzzahligen Potenz
von Tausend (103n) entsprechen, zu bevorzugen sind. Steht für die Berechnung des
Ergebnisses eine ausreichend große Anzahl
zufällig streuender, unkorrelierter Messwerte zur Verfügung, ist das Ergebnis als
arithmetisches Mittel zu berechnen und die
Messunsicherheit unter der Angabe des
zugrunde gelegten Vertrauensniveaus P
mitzuteilen, wobei k(P) der in 3.2.2 eingeführte Erweiterungsfaktor für normalverteilte Zufallsmessgrößen ist:
X = x r k ( P) sX .
(28)
Für die mit der t-Verteilung begründeten
Messunsicherheiten ist k(P) durch t(P, f) zu
ersetzen.
Beispiel:
Die Konstante eines Kapillarviskosimeters nach
Ubbelohde wird im Herstellerzertifikat wie
folgt mitgeteilt: „K = 0,9677 mm2 s-2. Die relative Unsicherheit des angegebenen Zahlenwerts
von K beträgt 0,65 % bei einem Vertrauensniveau von 95 %.“
Daraus folgt als absoluter Wert der Unsicherheit: u(K) = 0,00629 mm2 s-2. Nach Rundung
der Unsicherheit auf zwei Ziffern erhält man als
Ergebnis: K = (0,9677r0,0063) mm2 s-2.
In einigen Fällen ist es vorteilhaft, die
Messunsicherheit wie im obigen Beispiel
als relative Größe in Prozent anzugeben.
Die relative Unsicherheit in Prozent ergibt
sich dann aus dem Verhältnis der absoluten
Messunsicherheit u(X) der Messgröße X
und deren Bestwert (xbest) mit
urel ( X )
u( X )
100% .
xbest
Dadurch wird bei einigen Versuchen eine
direktere Einschätzung der Genauigkeit der
Messung möglich, was insbesondere beim
Vergleich von Ergebnissen einer Messgröße von Vorteil ist, wenn diese mit verschiedenen Messmethoden erhalten wurden.
Analoge Betrachtungen gelten für die Ergebnisangabe kombinierter Messgrößen.
Bei der Angabe eines Ergebnisses entsteht
oft die Frage, wie viele Stellen (Ziffern)
noch sinnvoll sind bzw. wie groß die Zahl
der signifikanten Stellen ist. Vom Bureau
International des Poids et Mesures (BIMP,
JCGM 100:2008) wird angeregt, den Wert
der Messunsicherheit maximal auf zwei
Ziffern unter Berücksichtigung der Messmethode sowie spezifischer Messgenauigkeiten und Bedingungen aufzurunden. Ist
die relative Messunsicherheit einer im
Praktikum gemessenen Größe deutlich
höher als ein Prozent, wird bei manchen
Anwendungen das Aufrunden der Unsicherheit auf nur eine Ziffer zweckmäßig
sein. Damit ist die Zahl der signifikanten
Stellen für die Ergebnisangabe festgelegt.
Es werden demnach so viele Stellen angegeben, die mit der Größe der Messunsicherheit vereinbar sind. Dabei können einige Regeln zur Ermittlung der signifikanten
Stellen hilfreich sein, die aber erst im Kontext zwischen Ergebnis und Unsicherheit
von Nutzen sein werden, um über die Zahl
der signifikanten Stellen zu entscheiden:
Alle Ziffern ( außer der Null ) sind signifikante Stellen. Wenn eine Null links vom
Dezimalkomma steht und sich zwischen
zwei Ziffern befindet, ist sie eine signifikante Stelle. Falls sich eine Null rechts vom
Dezimalkomma befindet und rechts von
einer Ziffer ist, zählt die Null als signifikante Stelle.
Beispiele:
3 (eine signifikante Stelle), 17 (zwei signifikante Stellen), 4000 (vier signifikante Stellen),
40,001 (fünf signifikante Stellen), 0,4 (eine
signifikante Stelle), 0,00120 = 1,20·10-3 (drei
signifikante Stellen, die führenden Nullen sind
nicht signifikant, die angehängte Null ist signifikant).
20 Einführung
Bei Rechenoperationen entscheidet die
Größe mit der kleinsten Anzahl signifikanter Stellen über die Zahl der signifikanten
Stellen des Ergebnisses nach der Rechenoperation und die Angabe eines Ergebnisses im Praktikum sollte in der letzten signifikanten Stelle mit der letzten signifikanten
Ziffer der immer aufzurundenden Messunsicherheit in Übereinstimmung sein.
Für die Rundung des Werts des Ergebnisses
gilt nach der DIN 1333 folgende Regel:
Steht rechts neben der Rundestelle (letzte
Stelle der Zahl, die nach dem Runden verbleibt) eine der Ziffern 0 bis 4, wird abgerundet. Steht rechts neben der Rundestelle
eine der Ziffern 5 bis 9, wird aufgerundet.
In speziellen Fällen, z. B. bei der Angabe
von Werten physikalischer Konstanten,
erfolgt die Angabe der Unsicherheit durch
Einklammern der letzten signifikanten Stellen.
Beispiel:
Der aktuelle Wert der Planck-Konstante nach
CODATA 2006 ist h = 6,626 068 96 ˜ 10-34 J s,
Standardunsicherheit
0,000 000 33 ˜ 10-34 J s.
Die kompakte Angabe dieses Werts mit Messunsicherheit ist h = 6,626 068 96(33) ˜10-34 J s .
4 Statistische Tests
Statistische Tests verwenden Methoden und
Verfahren zur Auswertung von Messergebnissen zufälliger Messgrößen, die auf den
Grundlagen der mathematischen Statistik
und Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhen.
In den folgenden Abschnitten werden einige Beispiele vorgestellt, wie man zweckmäßig statistisch begründete Analysen von
Messdaten im Physikpraktikum durchführen kann.
4.1 Ermittlung von Häufigkeitsverteilungen
Eine Art Vorstufe der statistischen Analyse
von Messdaten stellt die Ermittlung von
4 Statistische Tests
empirischen Häufigkeitsverteilungen dar.
Die zufällige Messgröße X bezeichnet man
in diesem Fall auch als Merkmal, die Messwerte x1, x2, ... , xn als Merkmalswerte. Treten einzelne Werte mehrfach auf, so wird
man eine Häufigkeitstabelle aufstellen und
daraus die absoluten Häufigkeiten bzw. die
relativen Häufigkeiten oder die relativen
Häufigkeitssummen (Tabelle 4.1) bestimmen. Liegt eine ausreichende Anzahl unterschiedlich großer Messwerte vor, so ist eine
Aufteilung der Messwerte in eine bestimmte Anzahl r von Klassen k oder Intervallen
(k = 1, ... , r) zweckmäßig. Die Klassenbreite 'xk wird so festgelegt, dass die charakteristische Größenverteilung der Merkmalswerte gut zu erkennen ist. Sowohl zu klein
als auch zu groß gewählte Intervalle können ggf. das Typische der Verteilung nicht
erkennen lassen. Die auf eine Intervallgrenze fallenden Werte werden je zur Hälfte
den angrenzenden Intervallen angerechnet,
wobei die Intervall- oder Klassenbreite 'xk
in der Regel für alle Klassen gleichgroß
festgelegt wird. Jedoch kann auch eine
andere Intervalleinteilung sinnvoll sein. Der
Wert xk repräsentiert den Mittenwert bezüglich der Klasse k.
Tabelle 4.1 Übersicht über verschiedene Häufigkeitsgrößen
absolute Häufigkeit
Häufigkeitsdichte
relative Häufigkeit
hk
h( xk )
hk / ǻxk
hk / n
n
relative
H k H ( xk ) ¦ hi / n
Häufigkeitssumme
i 1
i = 1,..., k ; k Klassenindex; r Gesamtzahl der
Klassen ( ¦ H r 1 ); n Anzahl der Messwerte
Die relative Häufigkeitssumme bestimmt
man, indem die Summe aus den einzelnen
relativen Häufigkeiten bis einschließlich
zur jeweils k-ten Klasse gebildet wird. Zur
Veranschaulichung von experimentell be-
4.1 Ermittlung von Häufigkeitsverteilungen
21
stimmten Häufigkeitsverteilungen bevorzugt man Histogramme und Summenpolygone (Abbn. 9a, 9b). In einem Histogramm
wird die Häufigkeitsverteilung, absolute
Häufigkeit dividiert durch die Klassenbreite
in Abhängigkeit vom Klassenmerkmal,
graphisch dargestellt.
hk / ΔTk
s-1 1000
Hk
%
80
40
0
2,3
600
2,4
2,5
2,6
2,7
Tgk / s
Abb. 9b Summenpolygon (relative Häufigkeitssumme Hk, Klassenobergrenze Tgk )
200
0
Ordinate und der Klassenobergrenze als
Abszisse verbunden werden (Abb. 9b).
2,4
2,5
2,6
2,7
Tk / s
Abb. 9a Histogramm (Werte aus Tabelle 4.2),
Ordinate: Häufigkeitsdichte hk /'Tk, Abszisse:
Mittenwert Tk der Klasse k
Für kleine Klassenbreiten konvergiert die
Häufigkeitsverteilung gegen die experimentelle (empirische) Verteilungsfunktion. Ein
Summenpolygon erhält man, wenn benachbarte Punkte mit der Häufigkeitssumme als
Wie bei der Analyse der zufälligen Fehler
führt man auch für die Häufigkeitsverteilung statistische Kennwerte, den Mittelwert
und die Standardabweichung ein:
x#
1 r
¦ hk xk ,
nk1
sX #
(29a)
1 r
¦ hk ( xk x )2 .
n 1 k 1
(29b)
Tabelle 4.2 Beispiel zur statistischen Analyse (Messung der Periodendauer T eines Fadenpendels)
k
Intervallgrenzen/s
Tk / s
hk
(hk/n) / %
Hk / %
(Tk T ) 2 /s2
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
2,345 - 2,375
2,375 - 2,405
2,405 - 2,435
2,435 - 2,465
2,465 - 2,495
2,495 - 2,525
2,525 - 2,555
2,555 - 2,585
2,585 - 2,615
2,615 - 2,645
2,645 - 2,675
2,675 - 2,705
2,705 - 2,735
2,735 - 2,765
2,36
2,39
2,42
2,45
2,48
2,51
2,54
2,57
2,60
2,63
2,66
2,69
2,72
2,75
3
3
8
14
16
25
32
23
21
19
12
10
9
5
1,5
1,5
4,0
7,0
8,0
12,5
16,0
11,5
10,5
9,5
6,0
5,0
4,5
2,5
1,5
3,0
7,0
14,0
22,0
34,5
50,5
62,9
72,5
82,0
88,0
93,0
97,5
100
0,0408
0,0296
0,0202
0,0125
0,0067
0,0027
0,0005
0,0001
0,0014
0,0046
0,0096
0,0164
0,0250
0,0353
(Zahl der Messungen: n = 200), Mittelwert: T # 2,562 s , Standardabweichung: sT # 0,088 s
22 Einführung
Der Mittelwert und die Standardabweichung wurden mit den Gln. (29a) und (29b)
näherungsweise berechnet. Für die Berechnung der relativen Häufigkeitssumme zur
graphischen Darstellung des Summenpolygons in Abb. 9b sind die Werte in Tabelle 4.2 verwendet worden.
4.2 Verteilungen und Prüfverfahren
Ein Nachteil für die mathematische Beschreibung der im vorhergehenden Abschnitt eingeführten Häufigkeitsverteilung
ist ihre Unstetigkeit und Nichtdifferenzierbarkeit. Für den Fall unendlich vieler, sich
stetig ändernder Merkmalswerte konvergiert jedoch die Häufigkeitsverteilung gegen die Verteilungsfunktion der Grundgesamtheit. Mit der Verteilungsfunktion ist
dann im Prinzip die Berechnung der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines bestimmten Ereignisses (Messwerts) möglich.
Die Erörterung, wie gut konkrete empirische Verteilungen bzw. ihre charakteristischen Parameter durch spezielle theoretische Verteilungen wiedergegeben werden,
ist Gegenstand statistischer Prüfverfahren.
Diese beruhen alle auf Vergleichstests und
gehen von der Hypothese aus, dass sich die
aus einer konkreten Stichprobe gewonnenen Kennwerte nur durch zufällige Abweichungen von den entsprechenden Kennwerten der Grundgesamtheit unterscheiden.
Diese Art der Annahme nennt man Nullhypothese H0, die gegenteilige Entscheidung wird als Alternativhypothese H1 bezeichnet. Die Annahme der Nullhypothese
bedeutet aber nicht in jedem Falle, dass nur
sie die richtige ist. Einerseits wurde sie
gegenüber einer Alternativhypothese vorgezogen, und andererseits kann der begrenzte Stichprobenumfang n einen (statistischen) Irrtum nicht ausschließen. Deshalb
ist bei einer Entscheidung noch die Irrtumswahrscheinlichkeit D zu berücksichtigen. Im Abschn. 3.2.1 wurde bereits eine
4 Statistische Tests
solche Verteilung (t-Verteilung) zur statistisch begründeten Schätzung des Vertrauensbereichs des Mittelwerts einer normalverteilten Größe verwendet, bei der sowohl
die Irrtumswahrscheinlichkeit D als auch
die Anzahl der Messungen n bzw. der Freiheitsgrade f = n 1 eine Rolle spielten. Allgemein wird der Freiheitsgrad einer Messwertreihe bestehend aus n Messungen als
die Differenz f = n m definiert, wobei m
die Anzahl der aus den Messwerten berechneten Kenngrößen ist. Zum Prüfen der
Nullhypothese verwendet man geeignete
Prüfverteilungen z. B. die Normalverteilung, die t-Verteilung (Student-Verteilung)
oder die F2-Verteilung (Chi-QuadratVerteilung), siehe Anhang A.20 bis A.22.
Die wichtigste stetige Verteilung ist die
Normal- oder Gaußverteilung. Sie wird
mathematisch durch die Verteilungsdichtefunktion Gl. (30) mit den beiden Parametern Zentralwert P und Standardabweichung V dargestellt, die im Falle einer normalverteilten Stichprobe durch x und sX zu
ersetzen sind:
f ( x)
ª ( x P )2 º
1
exp «
» .
2
2ʌ V
¬ 2V ¼
(30)
Der Faktor vor der Exponentialfunktion
ergibt sich aus der Normierungsbedingung
f
³
f ( x) d x 1 .
f
Sie besagt, dass die Wahrscheinlichkeit für
das Auffinden des Werts x der Messgröße X
im Intervall zwischen f und f gleich
eins ist. Der Verlauf des Graphen der Dichtefunktion der Normalverteilung in
Abb. 10, auch als Gauß’sche Glocken- oder
Fehlerkurve bezeichnet, zeigt ihr stetiges
Verhalten und die typische Symmetrie der
Dichtefunktion. Die Wendepunkte liegen
an den Stellen P V und P + V . Außerdem
erkennt man das typische Merkmal der
4.2 Verteilungen und Prüfverfahren
23
zufälligen Abweichungen, kleine Abweichungen kommen häufiger vor als große.
Der Erwartungswert und die Varianz der
Normalverteilung sind P und V 2.
f (x)
95 %
2,5 %
2,5 %
μ –2 σ
μ– σ
μ
μ+ σ
μ+2 σ
x
Abb. 10 Dichtefunktion f(x) der Normalverteilung mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit
von D = 5 % (schraffierte Fläche), Vertrauensniveau P = 1 D = 95 % für P 2V d P d P 2V
Die Integration der Dichteverteilung f (x)
führt zur eigentlichen Verteilungsfunktion
oder so genanten Fehlerfunktion F(x) mit
x
F ( x)
³ f ( xc) d xc .
f
(31)
Durch das Einsetzen von Gl. (30) folgt das
Gauß’sche Fehlerintegral F(u) in Gl. (31).
In Abb. 11 ist das Gauß’sche Fehlerintergral graphisch dargestellt. Die Funktion
F(x) stellt die Wahrscheinlichkeit dar, mit
der die Zufallsgröße X einen Wert aus dem
Intervall (f, x) annimmt. Gleichzeitig entspricht der Wert von F(x) dem bestimmten
Integral der Dichtefunktion f(x) und damit
der Fläche von f bis zur Stelle x. Deshalb
ist es möglich, die experimentell ermittelten
Häufigkeitssummen in Beziehung zu den
theoretischen Wahrscheinlichkeiten der
Normalverteilung zu setzen. In der Praxis
verwendet man für das Integral über die
Dichtefunktion der Normalverteilung die
standardisierte Normalverteilung (Standardnormalverteilung). Dabei wird die
normalverteilte Zufallsvariable x durch die
Transformation u = (xP) /V in die standardnormalverteilte Zufallsvariable u umgerechnet:
erf ( z )
F (u )
0,8413
³
f
§ W2
exp ¨ © 2
·
¸ dW . (32)
¹
2
ʌ
z
³ exp(W
2
)dW ,
0
ª x P º·
1§
¨¨1 erf «
» ¸¸ .
2©
¬ 2 V ¼¹
Mit Hilfe der Werte ) (u) der Verteilungsfunktion nach Gl. (32) kann die Wahrscheinlichkeit P dafür berechnet werden,
dass die normalverteilte Messgröße Werte
zwischen u1 und u2 annimmt:
0,5000
P ( x1 x x2 )
0,1587
0
u
Eine andere häufig verwendete Darstellung
ist die Fehlerfunktion (error function,
erf(z)) mit
F (x)
1,0000
1
2ʌ
F (u ) ) (u )
P (u1 u u2 )
) (u2 ) ) (u1 ) .
μ- σ
μ
μ+ σ
x
Abb. 11 Verteilungsfunktion F(x) der Normalverteilung (Gauß’sches Fehlerintegral)
Durch geeignete Rechnungen ergeben sich
z. B. die Wahrscheinlichkeiten dafür, dass
die Werte einer zufallsverteilten Messgröße
24 Einführung
4 Statistische Tests
in einem zum Erwartungswert P symmetrischen Intervall P r k V liegen, zu P = 0,683
für k = 1, P = 0,954 für k = 2 (Abb. 10) und
P = 0,997 für k = 3.
Eine graphische Prüfung, ob eine Stichprobe von Messwerten einer Normalverteilung
genügt, kann unter Verwendung von speziellem Koordinatenpapier (Wahrscheinlichkeitsnetz) oder mittels geeigneter Software erfolgen. Dabei wird die Ordinate so
unterteilt, dass der Graph der Verteilungsfunktion der Normalverteilung zu einer
Geraden gestreckt wird (Abb. 12).
Hk / %
99
95
84,13 %
50 %
15,87 %
80
60
40
20
5
1
2,4
2,5
2,46
2,7
2,6
T = 2,55 s
2,64
Tk / s
2,8
Abb. 12 Darstellung der relativen Häufigkeitssummen Hk aus Tabelle 4.2 in Abhängigkeit
von den Klassenwerten Tk (Abszisse linear,
Ordinate nach Fehlerintegral Gl. (31) geteilt,
Ausgleichsgerade rot)
Die experimentellen Werte liegen annähernd auf der Ausgleichsgeraden und der
aus der Graphik bestimmte Mittelwert
T 2,55 s für Hk = 50 % sowie die Werte
T sT
2, 46 s
(Hk = 15,87 %)
bzw.
T sT 2,64 s (Hk = 84,13 %) stimmen gut
mit den aus den experimentellen Daten
berechneten Werten (Tabelle 4.2) überein.
Das bedeutet aber noch nicht, dass die zufälligen Abweichungen der vorliegenden
Stichprobe in jedem Falle durch eine Normalverteilung beschrieben werden können.
Für eine statistisch begründete Aussage
verwendet man statistische Tests. Die Entscheidung für oder gegen die Nullhypothe-
se H0 ist immer mit einer bestimmten
Wahrscheinlichkeit verbunden, dass diese
auch falsch sein kann. Der Bereich, in dem
bei richtiger Nullhypothese mit einer Wahrscheinlichkeit von höchstens D (Irrtumswahrscheinlichkeit oder Signifikanzniveau)
die Werte der Prüffunktion liegen, wird als
kritischer Bereich bezeichnet (Abb. 13).
Nimmt die Prüffunktion einen Wert innerhalb des kritischen Bereichs an, so wird die
Nullhypothese mit der Wahrscheinlichkeit
von maximal D abgelehnt. Der in Abb. 13
verwendete Begriff Quantil entspricht demjenigen Funktionswert, für den die Verteilungsfunktion eine vorgegebene Wahrscheinlichkeit P annimmt oder bei dem sie
von einem Wert unter P auf einen Wert
über P springt (Überschreitungswahrscheinlichkeit). Häufig sollen Hypothesen
über die Art des Verteilungsgesetzes von
gemessenen Stichprobenverteilungen geprüft werden (Anpassungstest). Einer der
bekanntesten statistischen (parametrischen)
Anpassungstests ist der F 2-Test mit der
Prüffunktion
F2
r
¦
k 1
(hkb hke ) 2
.
hke
(33)
Dabei werden den in der Stichprobe vom
Umfang n beobachteten Häufigkeiten hkb
die theoretischen (erwarteten) Häufigkeiten hke mit hke = n pk gegenübergestellt. Die
Größe pk ist die Wahrscheinlichkeit, dass
bei richtiger Nullhypothese ein Merkmalswert der k-ten Klasse angehört.
Man setzt voraus, dass die Verteilung der
einzelnen Summanden in Gl. (33) mit genügender Genauigkeit durch die F 2-Verteilung beschrieben werden kann. Die erwartete Häufigkeit in jeder Klasse soll mindestens fünf sein, um dem statistischen Charakter der Verteilung Rechnung zu tragen.
Unter Berücksichtigung der entsprechenden
Anzahl der Freiheitsgrade f und der verein-
4.2 Verteilungen und Prüfverfahren
25
barten IrrtumswahrscheinlichkeitD lautet
das entsprechende Entscheidungskriterium:
Annahme von H0, wenn F 2 F 2f ,1D ,
2
2
Ablehnung von H0, wenn F t F f ,1D .
Die Anzahl der Freiheitsgrade f ist hier
gleich der Anzahl r der Klassen, vermindert
um die Anzahl m der aus der Stichprobe
geschätzten Parameter und minus eins aufgrund der Normierung: f = r m 1.
Im Falle der Poisson-Verteilung (siehe
unten) ist z. B. m = 1. Für eine Normalverteilung gilt folgendes: Werden der Mittelwert und die Standardabweichung aus den
Werten der Stichprobe abgeschätzt, so ist
m = 2. Sind deren Werte bereits bekannt,
wird m = 0 gesetzt.
nung von Wahrscheinlichkeiten mit Fehlerintegral zur Ermittlung der hke-Werte erforderlich.
Man verwendet dazu die transformierten Werte
u (T T ) / sT und erhält für die normierte
Dichtefunktion
f (u )
§ u2 ·
exp ¨ ¸ .
2ʌ
© 2 ¹
1
Für die tabellarische Darstellung der Auswertung sind die folgenden Spaltengrößen zu empfehlen: obere Klassengrenze Tgk, Normierungsvariable uk, Fehlerintegralwert ) (uk ) , Wahrscheinlichkeit pk, berechnete (erwartete) Häufigkeit hke. Zur Berechnung der Werte hke bestimmt man zunächst die Werte des Integrals
(Tabelle A. 21)
F (u ) ) (u )
f ( χ2 )
1
2ʌ
u
§ W2 ·
³ exp ¨© 2 ¸¹ d W
f
bezüglich der oberen Intervallgrenzen Tkg. Damit erhält man die jeweilige Wahrscheinlichkeit pk für k = 1 zu p1 = ) (u1 ) , für k = 2, ... , r-1
1–α
zu
α
χ2
χf,2 1 – α
K
Abb. 13 Dichtefunktion der F 2 -Verteilung,
K kritischer Bereich (schraffiert) für das Quantil F 2f ,1D
In Abb. 13 wurde der kritische Bereich
einseitig dargestellt, da große Werte
von F 2 auf große Abweichungen beobachteter von erwarteten Häufigkeiten hindeuten.
für
die
Die
Zahlenwerte F 2f ,1D ,
P( F 2 d F 2f ,1D ) (1 D ) gilt, sind die Quantile der F 2 -Verteilung (Anhang A.21).
Beispiel:
Hypothese H0: Die Häufigkeitsverteilung der
gemessenen Periodendauern eines Pendels genügt einer Normalverteilung.
Für die Entscheidungsfindung ist die Berech-
pk ) (uk ) ) (uk 1 )
und für k = r zu
pr 1 ) (ur 1 ) . Die erwarteten Häufigkeiten
ergeben sich dann zu hke = n pk (k = 1, ... , r),
und die Summation über die Werte F k2 liefert
den F 2 -Testwert. Berechnet man mit den Daten
von Tabelle 4.2 die hke-Werte und führt den F 2Test durch, ergibt sich ein experimenteller Wert
von 10,7. Mit D = 5 % und f = 13 3 = 10 (Zusammenfassung der ersten beiden Klassen, um
die Bedingung hke t 5 zu erfüllen.) entnimmt
man Tabelle A. 21 im Anhang den Wert
F th2 18,3. Damit kann die Hypothese H0, dass
eine Normalverteilung vorliegt, angenommen
werden.
Oft wird zur Einschätzung der Anpassung
die Überschreitungswahrscheinlichkeit ermittelt, die zu dem im Experiment bestimmten F 2-Wert gehört. Die in der ChiQuadrat-Tabelle im Anhang A.21 angeführten Werte (1D) in der oberen Zeile geben
gerade die Wahrscheinlichkeiten an, mit
26 Einführung
4 Statistische Tests
denen die darunter stehenden Chi-QuadratWerte (Quantile) erreicht oder überschritten
werden. Bestimmt man unter Berücksichtigung des Freiheitsgrads f mit dem Wert von
F 2f die Überschreitungswahrscheinlichkeit,
so ist diese auch ein (statistisches) Maß für
die Güte der Anpassung.
Im folgenden Beispiel soll getestet werden,
ob die Häufigkeitsverteilung des Nulleffekts durch eine Poisson-Verteilung beschrieben werden kann. Als Nulleffekt
(O.5.1) soll diejenige Anzahl der Impulse m
betrachtet werden, die man während des
Messintervalls 't ohne Strahlungsquelle
bestimmt. Die Poisson-Verteilung wird für
m = 0, 1, 2, … durch die Funktion
p ( m, O )
Om
m!
exp( O )
(34)
analytisch ausgedrückt. Der Parameter O > 0 hat die Bedeutung des Erwartungswerts. Daher ist es sinnvoll, als Abschätzung für O den arithmetischen Mittelwert m zu verwenden. Wenn man p(m, O)
über m darstellt, erhält man im Gegensatz
zur Normalverteilung keine Kurve, sondern
diskrete Wahrscheinlichkeiten. Diese sind
um den Erwartungswert nicht symmetrisch
verteilt. Für große O nimmt die Asymmetrie
ab und die Poisson-Verteilung kann für
O > 30 gut durch die Normalverteilung
genähert werden (Moivre-Laplace’scher
und Poisson’scher Grenzwertsatz).
Beispiel:
Es soll die Häufigkeitsverteilung des Nulleffekts mit Hilfe des F2-Tests unter der Annahme
einer Irrtumswahrscheinlichkeit von D = 5 %
analysiert werden (Güte, H0-Hypothese: Poisson-Verteilung). Die Stichprobe (Anzahl n der
Messungen) hat einen Umfang von n = 2000.
Es wurden für jede Klasse k die experimentellen
Häufigkeiten hkb bestimmt und die Häufigkeiten
hke mit hke p(mk , O ) n berechnet. Als Mittelwert ergibt sich nach Gl. (29a): m
O
3,33 .
In der Tabelle 4.3 wurden die Klassen 10 bis 12
für den F2-Test zu einer neuen Klasse k = 10
wegen der Forderung hke t 5 zusammengefasst.
Tabelle 4.3 Statistische Auswertung zum Nulleffekt (F2-Test), Impulszahl m, 't = 6 s
k
mk
hkb
hke
Fk2 = (hkbhke)2/hke
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
78
215
435
411
383
235
138
62
26
8
7
2
72
238
397
441
367
244
136
64
27
10
3
1
0,55
2,22
3,64
2,04
0,70
0,33
0,03
0,06
0,04
0,64
-
hk
400
300
200
100
0
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9 10 mk
Abb. 14 Histogramm zur Poisson-Verteilung
des Nulleffekts, Werte aus Tabelle 4.3, berechnete Häufigkeiten hke (rot), gemessene Häufigkeiten hkb (schraffiert)
Die Summation der letzten Spalte in der
Tabelle 4.3 ergibt F2exp = 10,3. Für die Anzahl der Freiheitsgrade der zur Verfügung
stehenden Stichprobe mit r = 10 und m = 1
folgt f = r m 1 = 8. Aus der F2-Tabelle
im Anhang A.21 kann abgeschätzt werden,
dass die Güte der Anpassung über 70 % für
4.2 Verteilungen und Prüfverfahren
ein Signifikanzniveau D von 5 % beträgt.
Der im Experiment bestimmte Testwert ( F2exp = 10,2) ist kleiner als der Tabellenwert ( F28; 95 % = 15,5) und die H0-Hypothese kann angenommen werden.
5 Versuchsvorbereitung und
Protokollführung
Jeder Praktikant bereitet sich mit entsprechender Fachliteratur gründlich auf die
Versuche vor. Notwendige Literaturhinweise und Angaben zu den Schwerpunkten der
theoretischen Vorbereitung findet man in
der Regel in den praktikumsspezifischen
Aufgabenstellungen und Versuchsanleitungen.
Die Erarbeitung der erforderlichen theoretischen und experimentellen Grundlagen
sowie die gedankliche Vorbereitung der
einzelnen Versuchsschritte sind in einem
Protokoll in kurzer, exakter Form schriftlich festzuhalten und stellen die im Allgemeinen in Hausarbeit durchzuführende
Vorbereitungsphase des Experiments dar.
Jedes wissenschaftliche Protokoll stellt eine
klar strukturierte, dokumentarische Zusammenstellung der Versuchsinhalte, der
Messprinzipien und -methoden, der Durchführung der experimentellen Arbeiten, der
Erfassung und Auswertung von Messdaten
sowie der Diskussion der Ergebnisse dar.
Daher sollen alle Eintragungen mit Ausnahme von Skizzen oder graphischen Darstellungen nicht mit Bleistift erfolgen.
Das Protokoll soll in übersichtlicher und
leserlicher Form alles Notwendige enthalten, um den Lösungsweg vollständig rekonstruieren oder wiederholen bzw. die Messergebnisse weiter verwenden zu können.
Fehlerhafte Eintragungen oder Korrekturen
sind unter Angabe ihrer Ursachen sauber
durchzustreichen und ggf. mit einem erläuternden Kommentar zu versehen. Jeder
Messwert und jede Zwischenrechnung ist
unmittelbar im Versuchsprotokoll zu notie-
27
ren. Verwendet man zur Auswertung graphischer Darstellungen lineare oder nichtlineare Anpassungsrechnungen, ist der Zusammenhang zwischen den Parametern der
Anpassungs- bzw. Fit-Funktion und den
physikalischen Bestimmungsgrößen anzugeben. Eine zeitlich sinnvolle Reihenfolge der einzelnen Aufgaben für einen optimalen Versuchsablauf ist vor Beginn eines
jeden Experiments zu überlegen. Falls spezielle Sicherheits- und Arbeitsschutzbestimmungen vorgegeben sind, müssen diese
bei den entsprechenden Arbeitsschritten
gewissenhaft eingehalten werden.
Die erfolgreiche und qualitätsgerechte Realisierung der Praktikumsexperimente hängt
nicht nur vom gewählten Messverfahren,
von der Genauigkeit der Messgeräte und
Messtechniken sowie der sorgfältigen experimentellen Arbeit ab, sondern auch von
einer exakten und korrekten Protokollführung. Als Vorlage für die Gliederung eines
Praktikumsprotokolls kann das folgende
Beispiel dienen.
Protokollmuster
Im Kopf des Protokolls sind in der Regel
folgende Angaben zu machen: Name, Arbeitsgruppe, Studienrichtung, Datum, Versuchsbezeichnung und Aufgabenstellung
sowie Versuchsgeräte, Versuchsproben
u. a. Der erste Abschnitt „Grundlagen“ ist
Bestandteil der Vorbereitung auf den
durchzuführenden Versuch und wird vor
Beginn des Praktikums bearbeitet.
Grundlagen
Es sind die grundlegenden physikalischen
Gesetzmäßigkeiten anzugeben, die zum
Verständnis und zur Lösung der Aufgaben
benötigt werden. Wichtige Gleichungen
sind aufzuschreiben und ihre Herleitungen
sind in der Regel zu skizzieren bzw. zu
begründen. Bei allen Gleichungen sind die
vorkommenden Größen zu erläutern, und
wenn erforderlich, ist deren Gültigkeitsbereich anzugeben. Gleichungen für die Berechnung der Messunsicherheiten sind her-
28 Einführung
zuleiten. Die verwendeten Messprinzipien,
Apparaturen, Schaltungen u. ä. sind kurz zu
beschreiben. Während des Praktikums sind,
wenn nicht anders vereinbart, die folgenden
Abschnitte abzuschließen.
Experimente & Messwerte
Die für die spätere Auswertung am Versuchsplatz ausliegenden speziellen Informationen zu den Geräten und Messmitteln
sowie Versuchsbedingungen und bekannte
Probenparameter sind zu notieren. Direkt
gemessene Werte werden in der Regel in
geeignete Tabellen eingetragen, wobei ggf.
weitere Spalten für Umrechnungen oder
Zwischenergebnisse vorzusehen sind.
Die eingestellten Messbereiche bei den
verwendeten Geräten, andere spezifische
Versuchsdaten und die für die Ermittlung
der Messunsicherheiten erforderlichen Daten sind aufzuschreiben. Bei rechnergestützten Messungen sind die speziellen
Messbedingungen zu notieren, z. B. Messintervall (Messpunktabstand), Messdauer,
Verstärkungsparameter und Messtoleranzen. Wichtige während der experimentellen
Durchführung beobachtete Phänomene sind
ebenfalls im Protokoll zu vermerken.
Auswertung & Messunsicherheit
Die Berechnungen unter Anwendung der in
der Vorbereitung begründeten Gleichungen
sowie deren wichtigste Zwischenergebnisse
sind niederzuschreiben. Alle Berechnungen
müssen im Zusammenhang mit den verwendeten Gleichungen bzw. Algorithmen
nachvollziehbar sein. Bei rechnergestützten
Auswertungen (z. B. Anpassungsrechnungen, Simulationen) ist die verwendete
Software anzugeben. In bestimmten Fällen
sind die vorausgesetzten Näherungen zu
überprüfen. Graphische Darstellungen und
Auswertungen sind in geeigneten Maßstäben anzufertigen. Die Unsicherheiten der
Messgrößen sind unter Berücksichtigung
5 Versuchsvorbereitung und Protokollführung
der Messabweichungen zu bestimmen. Bei
statistisch begründeten Auswertungen ist
das zur Berechnung der Unsicherheit festgelegte Vertrauensniveau mitzuteilen.
Zusammenfassung & Diskussion
Die in den Aufgabenstellungen geforderten
Ergebnisse sind zusammen mit den jeweiligen Messunsicherheiten auf signifikante
Stellen gerundet in einer Ergebnisübersicht
zusammenzufassen. Die geforderten Diagramme sind zu deuten und ggf. mit theoretischen Kurvenverläufen zu vergleichen.
Von besonderer Bedeutung ist die Diskussion der Ergebnisse im Hinblick auf den
Vergleich mit bereits bekannten Werten
(Tabellenwerte mit Quellenangabe), die
Übereinstimmung mit theoretischen Zusammenhängen (ggf. Literaturzitat), den
Vergleich mit anderen Messprinzipien und
Messverfahren, den unterschiedlichen Einfluss der Messunsicherheiten der jeweiligen
Messgrößen auf das Endergebnis und ggf.
eine kritische Betrachtung zusätzlicher
Messabweichungen und Fehlerquellen.
Für die Arbeiten im physikalischen Praktikum sind die Grundsätze zur ‚Sicherung
guter wissenschaftlicher Praxis’ (z. B.
Deutsche Forschungsgemeinschaft, Deutscher Hochschulverband, Hochschulrektorenkonferenz) entsprechend den speziellen
Aufgaben- und Zielstellungen bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung
sowie Protokollierung von Praktikumsversuchen zu beachten. Dazu gehören u. a. das
eigenständige, ehrliche Arbeiten, die
selbstkritische Bewertung von Ergebnissen
und die Kenntlichmachung von fremdem
geistigem Eigentum. Die Einhaltung dieser
Grundsätze sollen die Studierenden bereits
zu Beginn ihres Studiums zu Ehrlichkeit
und Verantwortlichkeit insbesondere im
Hinblick auf ihre künftige wissenschaftliche Arbeit befähigen.
29
Mechanik
1 Wägung und Dichte
1.0 Grundlagen
Die Dichte U eines homogenen Körpers ist
das Verhältnis seiner Masse m zu seinem
Volumen V:
m
U =
.
V
(1)
Somit lässt sich die Dichte von festen Körpern und Flüssigkeiten über eine Massenund Volumenbestimmung ermitteln. Die
Einheit der Dichte ist kg m-3. Die Masse
bestimmt man durch Wägung. Ihre Einheit
ist kg. Die Masse eines Körpers kennzeichnet
seine Trägheit und seine Schwere.
l
l
FA,K
FA,R
FG,K
FG,R
Abb. M.1.0.1 Massenvergleich mit einem zweiarmigen Hebel
Bei der Wägung von Festkörpern und Flüssigkeiten nutzt man meist die Eigenschaft der
Schwere der Masse. Dabei wird die Masse
des Körpers der Dichte U mit der Referenzmasse mR von Wägestücken bekannter Dichte
U R verglichen, die auf Massennormale zurückgeführt werden können. Wird die Wägung in Luft durchgeführt, erfahren Körper
und Wägestück einen Auftrieb FA,K bzw.
FA,R, der die Wirkung auf die Waage im
Vergleich zur Wägung im Vakuum verän-
dert. Der Auftrieb ist eine der Gewichtskraft
entgegen gerichtete Kraft. Nach dem Prinzip
des Archimedes ist der Betrag der Auftriebskraft FA auf einen sich in einem Medium
befindenden Körper gleich dem Betrag der
Gewichtskraft des vom Körper verdrängten
Mediums (Index M):
FA
V UM g
m
UM
g .
U
(2)
Für die Wägung in Luft (Index L) ist in
Gl. (2) die Dichte des Mediums UM durch die
Dichte der Luft UL zu ersetzen. Die Größen
V, g und Usind der das Medium verdrängende Volumenanteil des Körpers, die Fallbeschleunigung am Aufstellungsort der Waage
und die Dichte des Körpers.
In Abb. M.1.0.1 ist ein Massenvergleich mit
einem zweiarmigen Hebel (z. B. Balkenwaage) dargestellt. Die Gewichtskräfte FG,K und
FG,R von Körper und Wägestück rufen an den
Hebelarmen der gleichen Länge l ein rechtsbzw. linksdrehendes Drehmoment hervor.
Sind diese bei einer Wägung im Vakuum
vom Betrag gleich (m g l = mR g l), haben
Körper und Wägestück die gleiche Masse.
Wird beim Massenvergleich in Luft der auf
der linken Seite mit dem Körper der Masse m
belastete Hebel durch Anbringen geeigneter
Vergleichskörper (Wägestücke der Masse
mR, dem Volumen VR und der Dichte UR) auf
der rechten Seite ins Gleichgewicht gebracht,
ergibt sich durch die Beachtung des Auftriebs
in Luft für die Drehmomente
m g l UL V g l
mR g l U L VR g l
(3)
und mit Gl. (1) folgt dann
§ U ·
§ U ·
m ¨1 L ¸ mR ¨1 L ¸ .
U
©
¹
© UR ¹
W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum,
DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
(4)
1 Wägung und Dichte
30 Mechanik
Werden mehrere Massestücke verschiedener
Dichten zum Abgleichen des Hebels verwendet, ist der rechte Term von Gl. (4) durch die
§
U ·
Summe ¦ mRi ¨1 L ¸ zu ersetzen, wobei
i
© U Ri ¹
mRi die Masse aller jeweilig hinzugefügten
Wägestücke mit der Dichte URi ist. Weiteres
Umstellen von Gl. (4) führt zur Gl. (4a), mit
der sich dann die Masse m des Körpers
bestimmen lässt:
§ UL ·
¨1 ¸
UR ¹
m mR ©
.
§ UL ·
¨1 U ¸
©
¹
(4a)
In der Laborpraxis werden überwiegend
elektronische Waagen eingesetzt. Auch hier
wird die Schwere der Masse für ihre Bestimmung ausgenutzt. Elektronische Waagen
bestehen in ihrer einfachsten Form aus einer
Wägeplatte, einer Wägezelle und einem
elektronischen Anzeigegerät. Auf die Wägezelle wirkt die Gewichtskraft des auf der
Wägeplatte liegenden Körpers. Dadurch wird
ein elektrisches Signal erzeugt, das eindeutig
mit der Gewichtskraft zusammenhängt. Dieser Zusammenhang lässt sich durch die Wägekennlinie beschreiben. Die Wandlung der
Gewichtskraft in ein elektrisches Signal führt
beim Anzeigegerät zur Ausgabe des Wägewerts. Unter dem Wägewert versteht man den
durch Wägung in Luft ohne Korrektur des
Luftauftriebs ermittelten Näherungswert für
die Masse. Neben der Beachtung des Auftriebs, den der zu wiegende Körper oder die
zur Kalibrierung aufgelegten Wägestücke
während der Wägung erfahren, sind alle
weiteren die Messung störenden Einwirkungen (z. B. elektrostatische und magnetische
Wirkungen, Luftströmung durch Konvektion) zu vermeiden. Weiterhin ist zu beachten,
dass die Wägeplatte stets horizontal ausgerichtet sein muss.
Da die Fallbeschleunigung einen Einfluss auf
den Messwert einer elektronischen Waage
hat, ist diese vor jeder Messung durch Auflegen eines zur Waage als Massenormal mitgelieferten Wägestücks zu kalibrieren. Zum
Kalibrieren wird das Kalibrierprogramm
gestartet und das zur Waage gehörende Kalibriergewicht auf die Waage aufgesetzt. Der
Anzeigewert der Waage wird dabei auf den
Nennwert des Kalibriergewichts eingestellt.
Für eine genaue Wägung muss der Auftrieb
beachtet werden, den die Kalibriergewichte
in Luft erfahren. In der Praxis wird für Waagen der konventionelle Wägewert eingeführt.
Die meisten Waagen sind so eingestellt, dass
sie nicht die Masse sondern den konventionellen Wägewert anzeigen. Dieser lässt sich
mit Hilfe eines speziell definierten Bezugswägestücks in der folgenden Weise ermitteln.
Hält ein Bezugswägestück der Dichte
U = 8000 kg m-3 einem anderen Wägestück
mit einer Temperatur von 20 °C in Luft der
Dichte U L,k 1, 2 kg m -3 an einer gleicharmigen Balkenwaage das Gleichgewicht, wird
diesem Wägestück als konventioneller Wägewert bei gleicher Masseneinheit der Zahlenwert der Masse des Bezugswägestücks
(unabhängig von seiner Dichte) zugeordnet.
Der Index k steht für konventionell.
Die physikalischen Eigenschaften des Kalibriermassestücks für die elektronische Waage
entsprechen im Idealfall denen des konventionell festgelegten Bezugswägestücks. Durch
Einsetzen in Gl. (4a) ergibt sich für die konventionelle Masse mK eines Wägestücks der
Masse mR und der Dichte UR bei 20 °C:
mk
§
UL ·
¨1 ¸
UR ¹
©
mR
.
§ UL ·
1
¨
¸
© Uk ¹
(4b)
Aus Gl. (4b) ist ersichtlich, dass für die Referenzmassestücke der Dichte von 8000 kg m-3
die Masse und der konventionelle Wägewert
immer identisch sind. Für Wägestücke ande-
1.0 Grundlagen
31
rer Dichte (z. B. Aluminium oder PlatinIridium-Kilogrammprototypen) lässt sich mit
Gl. (4c) die relative Abweichung zwischen
Masse und konventionellem Wägewert berechnen:
mk mR
mk
1
( Uk U L ) UR
( UR U L ) Uk
.
(4c)
Diese relativen Abweichungen können bis zu
3 ˜10-4 betragen. Damit liegen sie unter der
Toleranz der in der Regel für Labor- und
Analysewaagen verwendeten Wägestücke
der Genauigkeitsklassen F1 und E1
(Tab. M .1.1).
Tab. M.1.1 Nominalwerte (Nennwerte) von Gewichtsstücken der Genauigkeitsklassen E1, F1 und
M1 und ihre Messunsicherheit u(m)
Nennwert
m/g
E1
u(m)/mg
F1
u(m)/mg
M1
u(m)/mg
0,01
0,002
0,025
0,25
0,02
0,003
0,03
0,3
0,05
0,004
0,04
0,4
0,1
0,005
0,05
0,5
0,2
0,006
0,06
0,6
0,5
0,008
0,08
0,8
1
0,010
0,10
1,0
2
0,012
0,12
1,2
5
0,015
0,15
1,5
10
0,020
0,20
2,0
20
0,025
0,25
2,5
50
0,030
0,30
3
100
0,05
0,50
5
200
0,10
1,0
10
Der konventionelle Wägewert vereinfacht
sehr genaue Wägungen, da Schwankungen
der Luftdichte bis zu 10 % rechnerisch nicht
berücksichtigt werden müssen. Die Luftauftriebskorrektur für die bei der Wägung ver-
wendeten Massenstücke muss dabei für viele
Anwendungen im Labor nicht durchgeführt
werden.
Die Einheit des Volumens ist m3. Seine Bestimmung ist nach verschiedenen Methoden
möglich, von denen hier nur eine Auswahl
angeführt werden soll.
Hat ein fester Körper eine einfache geometrische Gestalt, lässt sich die Volumenbestimmung auf Längenmessungen zurückführen, die z. B. mit mechanischen Messwerkzeugen (Messschieber, Bügelmessschraube)
vorgenommen werden können. Das Volumen
eines Körpers mit unregelmäßiger Gestalt,
kann man durch eine Wägung der Flüssigkeitsmenge bestimmen die er an Flüssigkeit
bekannter Dichte verdrängt.
Die Bestimmung von Flüssigkeits- bzw.
Gasvolumina erfolgt für genaue Messungen
generell auf mittelbarem Weg. Mit einem
Pyknometer (Versuch M.1.1) kann das Volumen für die Dichtebestimmung sehr genau
bestimmt werden.
Neben der direkten Dichtebestimmung nach
Gl. (1) gibt es noch weitere Verfahren, die
auf verschiedenen physikalischen Grundlagen beruhen. So kommen z. B. Auftriebsverfahren (Versuch M.1.2) und Resonanzverfahren (Versuche M.1.3.1 und M.1.3.2) zum
Einsatz.
Während die Dichte eines festen Körpers
oder einer Flüssigkeit nur wenig von der
Temperatur T und dem Druck p abhängt,
ändert sich die Dichte eines Gases erheblich
mit diesen Zustandsgrößen. Unter T ist die
absolute Temperatur zu verstehen, die in der
Einheit Kelvin (K) angegeben wird. Bei der
Angabe einer Gasdichte sind daher stets die
Versuchsbedingungen zu nennen.
Im Anhang A.11 sind die Dichten von einigen
Gasen
bei
Normbedingungen
(TN = 273,15 K, pN = 101,325 kPa) gegeben.
Aus diesen Werten können, wenn die nachfolgend genannten Bedingungen erfüllt sind,
mit Gl. (7) die Dichten für die tatsächlichen
Temperaturen und Drücke bestimmt werden.
1 Wägung und Dichte
32 Mechanik
Im Folgenden werden nur noch Gase betrachtet, die sich in einem solchen Zustand befinden, dass sie als ideale Gase betrachtet werden können. Das ist erfüllt, wenn die Temperatur des Gases erheblich größer als die kritische Temperatur (W.2.0.1) des Stoffes ist.
Dann lässt sich eine abgeschlossene Gasmenge mit der Masse m durch die spezielle
Zustandsgleichung für ideale Gase beschreiben, wobei RS die spezielle Gaskonstante ist:
pV = m RS T .
(5)
Aus Gl. (5) folgt
p V
pV
= N N = const .
T
TN
(5a)
Der Index N weist auf die Normbedingungen
hin. Durch Einsetzen von Gl. (1) ergibt sich
U
T
p
UN
TN
= const .
pN
(6)
Für die Dichte des Gases unter den aktuellen
Versuchsbedingungen gilt dann
U
UN
TN p
.
pN T
(7)
Die Dichte weiterer Gase bei Normbedingungen kann man bestimmen, indem man die
molare Masse M auf das Volumen für ein
Mol (Vmol,N) eines Gases bezieht:
UN
M
Vmol,N
Aus Gl. (9) folgt für alle idealen Gase, dass
sich in gleichen Volumina bei gleicher Temperatur und gleichem Druck stets die gleiche
Anzahl Gasteilchen befindet (Gesetz von
Avogadro).
Die molare Masse lässt sich wie folgt ermitteln: Der in der Einheit Gramm angegebene
Zahlenwert der molaren Masse stimmt mit
dem der relativen Molekülmasse überein.
Das folgt direkt aus der Definition der relativen Molekülmasse, die durch den Quotienten
aus der Masse eines Moleküls des betrachteten Stoffs und dem zwölften Teil der Masse
eines 12C-Nuklids festgelegt ist.
Aus den Gln. (5) und (9) folgt für ein Mol
eines idealen Gases eine weitere Beziehung
für die Bestimmung der molaren Masse über
die universelle und spezielle Gaskonstante:
M
.
(8)
(9)
bestimmen. Dabei sind n die Stoffmenge in
J
mol und R 8,3145
die universelle
mol K
R
.
RS
(10)
Die molare Masse M von Gasen lässt sich
u. a. auch aus der relativen Gasdichte D
(Anhang A.12) ermitteln. Sie ist definiert als
das Verhältnis der Gasdichte U zur Dichte
trockener Luft UL bei gleichen Zustandsgrößen T und p:
D
Die SI-Einheit Mol für die Stoffmenge ist im
Abschnitt 1.1 (Einführung) definiert. Das
Volumen für ein Mol eines idealen Gases
lässt sich mit der allgemeinen Zustandsgleichung
pV = n RT
Gaskonstante. Unter Normbedingungen gilt:
Vmol, N | 22, 414 l (1 l 103 m3 ) .
U T , p .
U L T , p (11)
Wenn man annimmt, dass das zu untersuchende Gas als ideales Gas beschrieben werden kann, folgt mit Gl. (7), dass die relative
Gasdichte unabhängig von der Temperatur
und dem Druck ist. Für gleiche Volumina V
des Gases und der Luft ergibt sich somit
D
m
mL
M
.
ML
(12)
Bezieht man die in Gl. (12) vorkommenden
Massen auf das molare Volumen bei Norm-
1.1 Pyknometer
33
bedingungen Vmol,N, kann man mit Hilfe von
D die molare Masse M eines Gases berechnen. Für die molare Masse von Luft
gilt M L Vmol,N U L,N . Es ergibt sich daraus die
Beziehung
M
Vmol,N U L,N D .
einem sorgfältig eingeschliffenen Thermometer geschlossen werden kann.
(13)
S
Die Werte für D und UL,N sind dem Anhang A.12 zu entnehmen. Mit dem molaren
Volumen in Litern und der Dichte der Luft in
Gramm pro Liter ergibt sich dann für die
näherungsweise Berechnung des Betrags der
molaren Masse des Gases in Gramm:
M = 22,414 ˜1,293 ˜ D | 29 D .
(14)
Die Masse von nahezu idealen Gasen lässt
sich mit Hilfe der molaren Masse M und der
Stoffmenge bestimmen. Betrachtet man
n = 1 mol idealen Gases der Masse m mit der
speziellen und der allgemeinen Gasgleichung
(Gln. (5) und (9)), ergibt sich
m
M n .
(15)
Mit den Gln. (1), (5) und (10) folgt für die
Dichte eines idealen Gases mit der molaren
Masse M bei der Temperatur T und dem
Druck p die Beziehung
U
M
p .
RT
(16)
1.1 Pyknometer
Aufgabenstellung
Die Dichte eines festen Körpers soll durch
die Bestimmung seiner Masse und durch die
Wägung des von ihm verdrängten Wassers
ermittelt werden.
Das Pyknometer (Abb. M.1.1.1) ist ein im
Allgemeinen doppelwandiges Glasgefäß, an
das eine mit einer Strichmarke S versehene
Kapillare angeschmolzen ist und das mit
Abb. M.1.1.1 Pyknometer mit Thermometer und
Kapillare zur Dichtebestimmung
Pyknometer sind Wägegefäße mit einem sehr
genau und reproduzierbar bestimmbaren
Innenvolumen. Um die Dichte eines festen
Körpers zu bestimmen, sind drei Wägungen
vorzunehmen.
In einem ersten Schritt wird die Masse m des
Körpers mit dem Volumen V direkt gewogen.
Die Dichte des zu untersuchenden Stoffes ist
mit ȡ gekennzeichnet. Die Berücksichtigung
des Auftriebs (Gl. (2)) bei dieser Wägung
führt nach Gl. (4) zu
m V UL
§
U ·
mR ¨1 L ¸ .
© UR ¹
(17)
Im zweiten Schritt wird das mit Wasser gefüllte Pyknometer (Masse m1) gewogen. Man
erhält unter Berücksichtigung der Auftriebskorrektur
m1 VP U L
§ U ·
mR ,1 ¨1 L ¸ ,
© UR ¹
(18)
wobei VP das äußere Volumen des Pyknometers beschreibt. Der dritte Schritt umfasst die
Wägung des mit destilliertem Wasser und mit
dem zu untersuchenden Stoff gefüllten
1 Wägung und Dichte
34 Mechanik
Pyknometers (Masse m2). Es gilt
m2 VP U L
§
U
mR,2 ¨1 L
¨ UR
©
·
¸ .
¸
¹
(19)
Zur Vereinfachung der Gl. (17) schreibt man
m*
§
U ·
mR ¨ 1 L ¸ .
© UR ¹
(20)
Analog werden die rechten Seiten der
Gln. (18) und (19) durch m1 bzw. m2 ersetzt.
Es ergeben sich damit modifizierte Gleichungen, mit denen die weiteren Berechnungen
durchgeführt werden:
m V UL
m* ,
(17a)
m1 VP U L
m1 ,
(18a)
m2 VP U L
m2 .
(19a)
Die mit einem Stern versehenen Massen
können auch als Ablesewerte einer auf den
konventionellen Wägewert eingestellten
elektronischen Waage betrachtet werden.
Unter der Voraussetzung, dass die Temperatur des Wassers bei allen Wägungen konstant
bleibt, wird die Differenz der Gleichungen
(18a) und (19a) gebildet:
m2* m1*
m2 m1 .
(21)
Weiterhin gilt:
m1
mP m W ,
m2
m P m W U WV U V .
Es sind UW die Dichte des eingefüllten Wassers mit der Masse mW und mP die Masse des
leeren Pyknometers. Damit erhält man:
m2* m1*
(U UW ) V .
(22)
m
( U U L )V .
Aus Gl. (24) folgt
U
m U W m2 m1 U L
m m2 m1 .
(25)
Das in Abb. M.1.1.1 dargestellte Pyknometer
kann auch zur Bestimmung der Dichte UFl
einer Flüssigkeit verwendet werden. In diesem Falle ermittelt man die Massen des mit
Luft (m3*), des mit destilliertem Wasser (m1*)
und des mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllten Pyknometers (m4*). Aus den
Abgleichbedingungen, die den drei Wägungen entsprechen, erhält man analog zu Herleitung von Gl. (25) die gesuchte Dichte:
U Fl
m
4
m3 U W U L m
1
m3 UL .
(26)
Ein Pyknometer, das zur Bestimmung der
Luftdichte verwendet werden kann, ist ein
Glaskolben mit zwei angesetzten Rohren, die
sich durch Hähne gasdicht verschließen lassen. Die Dichte der Luft kann ermittelt werden, wenn man die Masse des luftgefüllten
(m3*), des evakuierten (m5*) und des mit
Wasser gefüllten (m1*) Pyknometers bestimmt. Analog zur Herleitung von Gl. (25)
ergibt sich für die Dichte der Luft:
UL
m
m
3
1
m5 m5 UW .
(27)
Versuchsausführung
Aus Gl. (17a) ergibt sich:
*
chungssystem zur Bestimmung der unbekannten Größen ȡ und V. Umstellen nach V
und Gleichsetzen führt zu Gl. (24), die die
gesuchte Dichte ȡ des festen Körpers enthält:
U UW U UL
(24)
.
m2* m1*
m*
(23)
Die Gln. (22) und (23) bilden ein Glei-
Zunächst erfolgt die Bestimmung der Masse m* des zu untersuchenden festen Körpers,
der aus einer ausreichend großen Anzahl
1.2 Auftriebsverfahren
35
kleiner Probestücke besteht. Danach wird das
Pyknometer mit destilliertem Wasser gefüllt,
wobei darauf zu achten ist, dass sich vor dem
Einsetzen des Thermometers keine Luftblasen im Inneren des Glasgefäßes befinden.
Der Wasserspiegel in der Kapillare soll oberhalb der Marke S liegen. Nach einigen Minuten hat das Wasser die Gleichgewichtstemperatur -1 angenommen. Diese ist zu notieren.
Das Wasser, das sich in der Kapillare oberhalb der Marke S befindet, wird vorsichtig
mit Zellstoff oder Fließpapier abgesaugt. Die
folgende Wägung, vor der das Pyknometer
sorgfältig abzutrocknen ist, liefert m1*. Anschließend werden alle Probenstücke mit
Hilfe einer Pinzette in das Pyknometer eingebracht. Es ist wieder darauf zu achten, dass
vor dem Einsetzen des Thermometers alle
Luftblasen aus dem Wasser entwichen sind.
Nun ist so lange zu warten, bis die Temperatur im Inneren des gut abgetrockneten und
bis zur Marke S gefüllten Pyknometers mit
-1 übereinstimmt. Danach erfolgt die Bestimmung der Masse m2*. Die Dichte des
Wassers bei der Temperatur -1 ist Anhang A.9 zu entnehmen und die der Luft bei
Zimmertemperatur und herrschendem Luftdruck mit Hilfe von Gl. (7) aus der Dichte bei
Normbedingungen auf zwei Stellen genau zu
berechnen. Die gesuchte Dichte U des festen
Stoffes erhält man dann mit Gl. (25).
Die Wägungen führen zu fehlerhaften Ergebnissen, wenn sich Luftblasen im Inneren oder
Wassertropfen am äußeren Umfang des
Pyknometers befinden. Außerdem können
Abweichungen auftreten, wenn die Temperatur -1 im Inneren des nur mit Wasser gefüllten Pyknometers von der Temperatur -2 des
mit Wasser und mit dem zu untersuchenden
Körper gefüllten Pyknometers abweicht.
Nimmt man das Volumen V und das innere
Volumen des Gefäßes Vi als konstant an, tritt
an die Stelle der Gl. (22)
m 2* m1*
( U U W ( - 2 )) V [ U W (-1 ) - U W (- 2 )] V i .
(28)
Der Term Vi ¬ª U W -1 U W -2 ¼º beschreibt
eine Masse. Mit Vi = 50 cm3, -2 = 20 °C und
'- = 1 K beträgt diese 10-2 g, während die
aus den Wägungen resultierende Messunsicherheit von m2* m1* bei Verwendung einer
elektronischen Laborwaage kleiner gehalten
werden kann. Man muss sich daher im Experiment bemühen, dass die Differenz '- so
klein wie nur möglich wird. Außerdem ist
diese Überlegung bei der Abschätzung der
Messunsicherheit zu beachten. Zweckmäßigerweise sollten sich alle für den Versuch
benötigten Medien und Geräte ausreichend
lange vor Versuchsbeginn im Experimentierraum befinden.
1.2 Auftriebsverfahren
Aufgabenstellung
1. Die Dichten verschiedener Flüssigkeiten
und eines fester Körpers sollen mit der MohrWestphal-Waage bestimmt werden.
2. Mit Hilfe einer elektronischen Laborwaage
sind die Auftriebskräfte auf verschiedene
Körper zu messen und deren Dichten zu
ermitteln.
Bei Aufgabe 1 wird eine Mohr-WestphalWaage verwendet. Diese ist eine ungleicharmige Hebelwaage. Der längere Hebelarm ist
durch Kerben in Zehntel seiner Länge l
geteilt. Am Ende befindet sich ein Haken, an
den ein Senkkörper gehängt werden kann.
Der andere Hebelarm endet in einem Metallzylinder, der mit einem Dorn versehen ist.
Bei abgeglichener Waage steht die Spitze des
Dorns der Spitze eines zweiten Dorns gegenüber, der am Stativ der Waage befestigt ist
(Abb. M.1.2.1). Als Wägestücke dienen
Reiter verschiedener Größe, deren Massen
sich wie 1 : 0,1 : 0,01 verhalten.
Die Masse des größten Reiters mR ist durch
die Dichte des Wassers UW und das Volumen VS des Senkkörpers festgelegt. Sie wird
so bemessen, dass der in Kerbe 10 aufgesetz-
1 Wägung und Dichte
36 Mechanik
te Reiter die Auftriebskraft (Gl. (2)) kompensiert, die der vollständig eingetauchte Senkkörper im Wasser erfährt.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Gegengewicht
Reiter
Drehpunkt
Senkkörper
Abb. M.1.2.1 Abgeglichene Mohr-WestphalWaage
Die Dichte von Wasser ist temperaturabhängig. Bei einer Temperatur von 4 °C erreicht
die Dichte ein Maximum mit einem Wert von
999,97 kg m-3 (Anhang A.9). Legt man für
die Dichte des Wassers UW = 1000 kg m-3
fest, ergibt sich für ein Volumen des Senkkörpers von 5˜10-6 m3 eine verdrängte Wassermasse von 5˜10-3 kg. Verwendet man statt
Wasser eine Flüssigkeit mit der Dichte von
700 kg m-3, muss der größte Reiter in Kerbe
7 aufgelegt werden, um den Auftrieb am
Senkkörper zu kompensieren. Über die Positionen der aufgelegten Reiter lässt sich somit
in einem bestimmten Temperaturbereich eine
näherungsweise Bestimmung der Dichte der
Flüssigkeit vornehmen.
Beispiel:
Bei der Lage des größten Reiters in Kerbe 10,
also bei der Länge (10 / 10 ) l des Hebelarms der
Länge l, beträgt die Dichte der Flüssigkeit
1000 kg m-3, bei der Lage des Reiters in Kerbe 7,
was (7 / 10 ) l entspricht, hat die Flüssigkeit eine
Dichte von 700 kg m-3. Sind ein großer Reiter auf
Kerbe 8, ein mittlerer Reiter auf Kerbe 1 und ein
kleiner Reiter auf Kerbe 2 positioniert, beträgt die
Dichte 812 kg m-3.
Das eben beschriebene Verfahren zur Dichtebestimmung geht davon aus, dass der Wert
der Dichte des Wassers nahe am angenom-
menen Wert von 1000 kg m-3 liegt und sich
das Volumen des Senkkörpers im Temperaturbereich der Messung kaum ändert. Die
Dichte des Wassers ist aber immer kleiner als
der angenommene Wert. Das im Folgenden
beschriebene Verfahren lässt sich für eine
genauere Dichtebestimmung verwenden. Das
Verhältnis der Dichte der Flüssigkeit zur
Dichte des Wassers ist gleich dem Verhältnis
der Drehmomente, die durch entsprechend
aufgesetzte Reiter hervorgerufen werden. Des
Weiteren müssen noch der Auftrieb, den die
Reiter in Luft erfahren, und die Auftriebskräfte auf den Befestigungsdraht berücksichtigt werden. Die Waage wird so justiert, dass
sie bei Belastung mit dem Senkkörper (Masse mS, Volumen VS) abgeglichen ist.
Die Drehmomente Mk und Ml am kurzen und
am langen Hebelarm sind betragsgleich. Am
Haken des längeren Hebelarmes greift das
Gewicht des Senkkörpers und des Befestigungsdrahtes (Masse mD, Volumen VD) vermindert um den Luftauftrieb an. Bezeichnet
man die Dichte der Luft mit UL und die Fallbeschleunigung mit g, ergibt sich für den
Betrag des resultierenden Drehmoments am
langen Hebelarm:
Ml
(mS mD VS VD U L ) g l . (29)
Der Senkkörper ist nun völlig und der Befestigungsdraht mit 1/n seiner Länge in das
Wasser eingetaucht. Die Waage befindet sich
durch die auf den längeren Hebelarm aufgesetzten Reiter im Gleichgewicht. Es gilt:
1 ·
§
( mS mD ¨ VS VD ¸ U W
n ¹
©
§ 1·
¨1 ¸ VD U L ) g l M R,W .
© n¹
M l,W
(30)
Dabei umfasst der erste Term den Betrag des
durch den Senkkörper und Draht hervorgerufenen Drehmoments, wobei die entsprechenden Auftriebskorrekturen für die Teile im
Wasser und in der Luft berücksichtigt sind.
MR,W ist der Betrag des durch Auflegen der
1.2 Auftriebsverfahren
37
Reiter in die Kerben des Hebelarms hervorgerufenen resultierenden Drehmoments.
Der Senkkörper hängt nun in einer Flüssigkeit der Dichte UF. Nach dem Abgleich der
Waage mit Reitern soll der Befestigungsdraht
genau so tief in die Flüssigkeit wie zuvor in
das Wasser tauchen. Analog zu Gl. (30) ergibt sich
1 ·
§
(mS mD ¨ VS VD ¸ U F
n ¹
©
§ 1·
¨1 ¸ VD U L ) g l M R,F .
© n¹
M l,F
(31)
Zieht man Gl. (29) von Gl. (31) bzw. Gl. (30)
ab, erhält man
M R,F
M R,W
1
§
·
¨ VS VD ¸ ( U F - U L ) g l ,
n
©
¹
(32)
§
·
1
VD ¸ ( U W U L ) g l . (33)
¨ VS ¨
¸
n
©
¹
Nach der Division von Gl. (32) durch
Gl. (33), folgt
UF UL
UW UL
UF
M R,F
M R,W
M R,F
M R,W
(34)
bzw.
U W (1 M R,F
M R,W
) UL .
(35)
In Gl. (35) geht nur das Verhältnis der Drehmomente durch die in die Kerben aufgesetzten Reiter zur Einstellung des Gleichgewichts
ein. Bezeichnet man die Dichte der Reiter mit
UR und die Masse des größten Reiters mit mR,
ergibt sich für den Betrag des entsprechenden
Drehmoments:
10
m i
i
ª 10
a
m
bi ,M R
¦
¦
i
,M
R
«
10 i 1
10 10
¬i 1
(36)
10
mR i º § U L ·
¦ ci ,M
¨1 ¸gl .
100 10 »¼ © U R ¹
i 1
M R,M
Dabei steht der Index M für das verwendete
Medium und ist bei der Versuchsflüssigkeit
durch den Index F und bei Wasser durch den
Index W zu ersetzen. Der Index i entspricht
der jeweiligen Nummer der Kerbe, in der der
Reiter sitzt. Die äquidistanten Kerben werden
vom Drehpunkt aus gezählt. Die Koeffizienten ai,M, bi,M und ci,M geben an, wie viele
große, mittlere und kleine Reiter sich in der
i-ten Kerbe befinden. Durch den Term in der
zweiten Klammer wird der Luftauftrieb an
den Reitern berücksichtigt. Das Verhältnis
der Beträge der durch die Versuchsflüssigkeit
und das Wasser verursachten Drehmomente
ist dann
10
M R,F
M R,W
¦ (ia
i ,F
i 1
10
¦ (ia
i ,W
i 1
bi ,F
c
i i ,F )
10
100
.
bi ,W
ci ,W
i
i
)
10
100
i
(37)
Beispiel:
Beim Versuch mit Wasser (- = 16 °C) ist die
Waage durch einen großen, einen mittleren und
einen kleinen Reiter, die sich alle bei Kerbe 9
befinden,
abgeglichen.
Somit
gilt
a9,W = b9,W = c9,W = 1, alle anderen Koeffizienten
sind gleich null. Beim Abgleich der Waage mit
dem in der Versuchsflüssigkeit eingetauchten
Senkkörper liegt ein großer Reiter in Kerbe 7, der
mittlere Reiter ist bei Kerbe 8 angebracht und der
kleine Reiter ist bei Kerbe 6. Damit sind
a7,F = b8,F = c6,F. Die anderen Koeffizienten sind
gleich null. Es folgt
M R,F
M R,W
7 0,8 0.06
9 0,9 0, 09
7,86
9,99
0, 787 .
Nach Gl. (35) mit UW = 998,9 kg m-3 und bei
Vernachlässigung des Luftauftriebs erhält man für
die Dichte den Wert U F 786 kg m 3 .
Die Dichte einiger fester Körper lässt sich
mit der Schwebemethode bestimmen. Ein
fester Körper schwebt in einer Flüssigkeit mit
der Dichte U F , wenn die Beträge von Auftriebskraft FA und die Gewichtskraft FG des
1 Wägung und Dichte
38 Mechanik
Körpers mit dem Volumen V und der Dichte U gerade gleich groß sind. Nach dem
Prinzip des Archimedes ist die Auftriebskraft
gleich der Gewichtskraft der vom Körper
verdrängten Flüssigkeit und es ergibt sich
FA
U F VF g
UV g
FG .
(38)
Da der Körper beim Schweben vollständig
eingetaucht ist, sind die Volumina V und VF
gleich groß. Folglich schwebt ein Körper
genau dann in einer Flüssigkeit, wenn ihre
Dichte mit der des Körpers übereinstimmt.
Die Bestimmung der Dichte einer solchen
Flüssigkeit ist also zugleich die Bestimmung
der Dichte des festen Körpers. Die Schwebemethode ist immer dann zu empfehlen,
wenn die Dichte des zu untersuchenden Körpers klein ist (z. B. Kunststoffe).
Die Dichte U der bei Aufgabe 2 zu untersuchenden Körper ist größer als die Dichte der
verwendeten Flüssigkeiten. Ihre Dichte lässt
sich mit Hilfe des Prinzips von Archimedes
über die Messung der Auftriebskraft ermitteln. Der Versuchsaufbau ist in Abb. M.1.2.2
dargestellt.
Der Betrag der Auftriebskraft FA am Körper
wird nach dem Wechselwirkungsgesetz nach
Newton (actio gleich reactio) durch die Reaktionskraft FAR auf die Flüssigkeit über die
Waage erfasst. Er entspricht dem Betrag der
Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeit
mit der Dichte UF. Da der Körper vollständig
eingetaucht ist, gilt nach Gl. (2) FA U F V g ,
m
das Volumen und m die Masse
wobei V
U
des Körpers ist. Es folgt
U
mg
UF .
FA
(39)
Genauere Betrachtungen (Berücksichtigung
§ U ·
des Luftauftriebs) mit m* m ¨1 L ¸ (siehe
U ¹
©
Gln. (17), (17a)) und der Auftriebskorrektur
1
VD g U F (siehe Gl. (30)) führen zu
n
FA
U
FA
m*
g
U§
UL ·
¨1 U ¸
©
¹
1
n
(40)
UL .
(41)
U F VD g U F ,
m* g
§ FA 1
·
VD g ¸
¨
U
n
© F
¹
Mit FA mA* g (von weiteren Korrekturen
wird abgesehen) folgt mit guter Genauigkeit:
12,34g
FAR
Abb. M.1.2.2 Versuchsaufbau mit elektronischer
Laborwaage zur Messung der Dichte mittels
Auftriebsmethode
Für die vereinfachte Darstellung der Methode
werden zunächst der Luftauftrieb und die
durch die Aufhängung verursachte Verdrängung der Flüssigkeit vernachlässigt.
U
m*
§ mA 1 ·
VD ¸
¨
© UF n ¹
*
UL .
(42)
Versuchsausführung
Für die Bestimmung der Dichte einer Flüssigkeit bei Aufgabe 1 wird der Senkkörper an
einen Haken gehängt und die Waage justiert,
bis diese sich im Gleichgewicht befindet.
1.3 Resonanzverfahren
Anschließend wird der Senkkörper vollständig in Wasser getaucht und die Waage durch
Aufsetzen von Reitern erneut abgeglichen.
Anzahl und Art der Reiter und ihre Positionen (Nummer der Kerbe) werden protokolliert. Mit einem Thermometer misst man die
Wassertemperatur. Danach ist der Senkkörper abzutrocknen, in die zu untersuchende
Flüssigkeit zu hängen und erneut die Waage
abzugleichen. Die Temperatur der Flüssigkeit
sowie Art, Anzahl und Position der Reiter
sind wieder zu erfassen. Man berechnet die
gesuchte Dichte mit Gl. (35) unter Einbeziehung Gl. (37), wobei der benötigte Wert der
Dichte von Wasser bei der Versuchstemperatur dem Anhang A.9 entnommen werden
kann. Es ist zu überprüfen, ob der der zweite
Summand in Gl. (35) vernachlässigt werden
kann. Falls das nicht möglich ist, muss der
Korrekturwert für den Luftauftrieb berücksichtigt werden. Die Dichte der Luft ist mit
Hilfe von Gl. (7) zu ermitteln, wobei der
atmosphärische Luftdruck mit einem Barometer ermittelt wird.
Zur Bestimmung der Dichte des festen Körpers mit kleiner Dichte ist eine Flüssigkeitsmischung bzw. eine Kochsalzlösung herzustellen, in der der zu untersuchende Körper
schwebt. Dazu benötigt man zwei mischbare
Flüssigkeiten. Die Dichte der einen Flüssigkeit muss größer, die der anderen kleiner als
die Dichte des festen Körpers sein. Die Herstellung einer homogenen Mischung, in der
der feste Körper exakt schwebt, erfordert
einige Zeit und Mühe. Man kommt im Allgemeinen schneller zum Ziel, wenn man
zunächst eine Mischung anfertigt, in der der
Körper mit sehr geringer Geschwindigkeit
sinkt, und anschließend eine Mischung, in
der der Körper etwa mit gleicher Geschwindigkeit steigt. Die Dichte des festen Körpers
ist dann in guter Näherung gleich dem arithmetischen Mittel der beiden Flüssigkeitsdichten. Die Dichte dieser Flüssigkeiten wird
anschließend mit der Mohr-Westphal-Waage
bestimmt.
39
Bei Aufgabe 2 wird zunächst der Wert der
Größe m* durch Auflegen des Körpers auf die
elektronische Waage ermittelt. Anschließend
wird ein mit destilliertem Wasser gefülltes
Glas auf die Waage gestellt. Falls die Möglichkeit besteht, sollte der Anzeigewert durch
Drücken der Taste „Tara“ auf null gestellt
werden. Der am Haltedraht befestigte Körper
wird dann vollständig in das Wasser eingetaucht (Abb. M.1.2.2) und an der Anzeige ist
der Differenzwert mA* abzulesen. Dann lässt
sich die Dichte des Körpers mit Gl. (42)
berechnen. Die Dichte der Luft wird unter
Verwendung von Gl. (7) bestimmt.
1.3 Resonanzverfahren
Weitere Verfahren für die Bestimmung der
Dichte sind Resonanzverfahren. Diese kommen ohne Wägung und Volumenbestimmung
aus und können auch bei kleinen Substanzmengen eingesetzt werden. Es wird die Tatsache genutzt, dass die Eigenfrequenz eines
mechanischen Schwingers von seiner Masse
abhängt. Das Medium der Dichte U befindet
sich in einem Hohlraum mit dem Messvolumen V im Inneren des Schwingers, der das
Messgefäß ist. Für die folgenden Betrachtungen soll sich der Schwinger mit Messgefäß
als linearer Federschwinger mit der Masse m m0 U V und der Federkonstanten c
beschreiben lassen. Die Masse des Schwingers ohne Medium ist m0.
Für die Eigenfrequenz f0 des Federschwingers ohne Messmedium gilt nach M.3.2.2
f0
1
2ʌ
c
.
m0
(43)
Infolge des mitschwingenden Messmediums
ergibt sich die Frequenz
f
1
2ʌ
c
.
m0 U V
(44)
1 Wägung und Dichte
40 Mechanik
Sind Federkonstante, Masse und Messvolumen des Schwingers bekannt, ist die Dichte
des Messmediums mit Gl. (44) bestimmbar.
Dividiert man Gl. (43) durch Gl. (44), erhält
man den folgenden Zusammenhang zwischen
Dichte und Frequenz:
U
m0 f 02 1 m0
.
V f2 V
(45)
Als schwingende Elemente für die Dichtebestimmung von Flüssigkeiten werden meist
U-förmig gebogene Hohlrohre verwendet,
die zu Schwingungen angeregt werden (Versuch M.1.3.1). Das schwingende System
kann aber auch vom Messmedium umgeben
sein. Dies nutzt man bei der Dichtebestimmung von Gasen (Versuch M.1.3.2).
1.3.1 Schwingrohr
das elektromagnetische Erregersystem (E).
Die Schwingungsaufnahme wird über einen
elektromagnetischen Wandler (A) realisiert.
Nach Verstärkung und Amplitudenbegrenzung wird das Signal einem elektromagnetischen Erregersystem (E) an der Stimmgabel
zugeführt (Rückkopplung), um eine stabile
Schwingung mit konstanter Amplitude zu
erhalten. Bereits kleinste Bewegungen der
Stimmgabel führen zu einem Aufschaukeln
der Spannung im Erregerverstärker und damit innerhalb kürzester Zeit zu einer stabilen
Schwingung.
Da das an der Schwingung beteiligte Flüssigkeitsvolumen VF für den gegebenen Schwinger konstant ist, ergibt sich mit
m mS mF
K T2
(46)
eine einfache Abhängigkeit der Schwingungsdauer T von der Flüssigkeitsdichte UFl:
Aufgabenstellung
Mit dem Schwingrohr ist die Dichte verschiedener Flüssigkeiten zu bestimmen.
U Fl
mF
VF
K
T 2 mS
VF VF
(47)
K1 T K 2 .
2
Im Versuch wird eine hohle Stimmgabel als
Schwingrohr (Schwinggabel, Abb. M.1.3.1)
verwendet. Ihre Masse m setzt sich aus der
Schwingrohrmasse mS und der Flüssigkeitsmasse mF zusammen.
Schwingrohr
K1
Elektronischer
Zähler
Erregerverstärker
E
Die Konstanten K1 und K2 können durch
Kalibrierung mit Hilfe von zwei Flüssigkeiten bekannter Dichte U1 und U2 erhalten werden. Für K1 ergibt sich
A
Abb. M.1.3.1 Schema der Versuchsanordnung
mit Schwingrohr, Erregerspule E, Wandlerspule
A (mit Amplitudenbegrenzung)
Die Anregung der Schwingung erfolgt über
U1 U 2
T
2
1
T22 .
(48)
Damit folgt unmittelbar für die Dichte ȡ einer
unbekannten Flüssigkeit
U
K1 T 2 TR2 U R .
(49)
TR und UR sind Werte einer Referenzflüssigkeit.
Die bei der Herleitung von Gl. (49) gemachte
Annahme einer linearen Schwingung ist
insbesondere für niedrigviskose Flüssigkeiten
erfüllt. Im Falle hochviskoser Flüssigkeiten
können Scherkräfte auftreten, die nicht mit
1.3.2 Stimmgabeldichtemesser
diesem vereinfachten Ansatz berücksichtigt
werden können. Dann ist die Kalibrierung
des Schwingrohres nur mit Flüssigkeiten
bekannter Dichte und ähnlich hohen Viskositäten möglich.
Versuchsausführung
Nach dem Einschalten des digitalen Zählers
und des Erregerverstärkers, wird die
Schwinggabel mit Hilfe einer Vakuumpumpe
sorgfältig ausgepumpt, um mögliche Flüssigkeitsreste zu beseitigen. Nachdem die
Schwinggabel mit den Permanentmagneten
an den Schwingrohren zwischen die Feldspulen (Erreger- und Wandlerspule) gebracht
wurde, kann die Ausbildung stabiler Eigenschwingungen mit einem Oszilloskop kontrolliert werden. Dazu wird die am Ausgang
des Erregerverstärkers liegende Spannung
auf den Y-Eingang des Oszilloskops gegeben, auf dessen Schirm ein sinusförmiges
Signal erscheinen muss.
Um die notwendige hohe Messgenauigkeit zu
erreichen, muss die Zeit für hinreichend viele
Schwingungen bestimmt werden, was durch
die Einstellung entsprechend großer Messzeiten erreicht werden kann.
Nach dem Auspumpen bzw. Füllen des
Schwingrohrs ist vor jeder neuen Messung
die Einstellung des Temperaturgleichgewichts abzuwarten. Als Kontrolle werden
dazu Frequenzmessungen durchgeführt. Die
Schwankungen der Frequenz sollen nach der
Einstellung des Temperaturgleichgewichts
nicht größer als der 5˜10-6-te Teil des mittleren Messwerts sein. Wenn das nach einigen
Minuten nicht der Fall ist, sind die Messungen trotzdem zu beginnen. Dann muss diese
systematische Abweichung bei der Ermittlung der Messunsicherheit diskutiert werden.
Die Schwingrohrkonstante K1 wird nach
Gl. (48) mit Hilfe von zwei Referenzflüssigkeiten mit bekannten Dichten (U1, U2) ermittelt. Die Temperaturabhängigkeit der Dichte
der Referenzflüssigkeiten wird am Arbeitsplatz gegeben.
41
1.3.2 Stimmgabeldichtemesser
Aufgabenstellung
Mit einem Stimmgabeldichtemesser sind die
Druckabhängigkeit der Dichte, die relativen
Gasdichten und die molare Masse von zwei
verschieden Gasen zu bestimmen.
Das Gas wird in eine Messkammer eingeleitet, in der sich eine Stimmgabel befindet, die
zum
Schwingen
angeregt
wird
(Abb. M.1.3.2). Die Zinken einer Stimmgabel führen Biegeschwingungen aus, die sich
allgemein mit der Beziehung aus M.4.0 beschreiben lassen:
fn
mn 2
2 ʌ l2
E IK
U0 A
.
(50)
Dabei sind mn der entsprechende Parameter
für die n-te angeregte Ordnung, IȘ das Flächenträgheitsmoment, A die Querschnittsfläche und b die Zinkenbreite. Die Größen a
und l kennzeichnen Zinkenstärke und Zinkenlänge. Die Größen U0 und E stehen für
Materialdichte und Elastizitätsmodul der
Zinken. Mit IK (1/12) b a 3 (Anhang A.14),
A a b und m1 = 1,875 gilt für die Frequenz
der Grundschwingung (n = 1, f0 = f1) einer
Stimmgabel
f0
k
a
l2
E
U0
.
(51)
k bezeichnet eine Konstante, die sich aus den
obigen Größen ergibt. Für die Messung wird
die Tatsache genutzt, dass die Eigenfrequenz
einer Stimmgabel von der Dichte U des sie
umgebenden Gases abhängt. Dieser Sachverhalt lässt sich mit der folgenden Beziehung
gut beschreiben:
f
k
a
l2
E
.
U0 U
(52)
Der Ansatz von Gl. (52) geschieht unter der
1 Wägung und Dichte
42 Mechanik
Annahme, dass etwa ein Gasvolumen in der
Größenordnung des Volumens der schwingenden Gabelzinken mitschwingt. Die Division der Gl. (51) durch Gl. (52) führt zu
f0
f
U0 U
.
U0
(53)
Damit folgt für die Dichte des Gases
U
§ f 02 ·
1¸ .
2
©f
¹
U0 ¨
(54)
tätsmodul hängen von der Temperatur ab.
Mit einer speziellen Eisen-Nickel-ChromLegierung (10 % Cr und 36 % Ni) kann man
bei einer maximalen Temperaturänderung
von 0,1 K die relativen Abweichungen auf
weniger als 10-6 verringern und somit eine
hohe Frequenzgenauigkeit erreichen. An der
Stimmgabel sind für die Schwingungsanregung zusätzlich noch Magnete an den Enden
der Zinken sowie Bleche zur Verstärkung des
Effekts angebracht und die Berechnung der
Eigenfrequenz nach Gl. (51) ist nicht möglich. Bei der Ausführung des Versuches ist es
daher zweckmäßig, Gl. (54) zu modifizieren:
Versuchsausführung
Die Abb. M.1.3.2 zeigt das Schema der Versuchsanordnung. Die Aufgaben des elektronischen Teils der Messanordnung umfassen
die Anregung erzwungener Schwingungen
der Stimmgabel (Erregerverstärker V, Erregerspule S2 und Wandlerspule S1), die Präzisionsmessung der Schwingungsfrequenz
(Digitalzähler Z) und die digitale Messwerterfassung von Temperatur (Temperatursensor
TS mit Anzeigeeinheit TA) und Druck
(Drucksensor DS mit Anzeigeeinheit DA).
U
A
1
B .
f2
(55)
Die Bestimmung der Konstanten A und B
erfolgt dann durch Messungen der Frequenz
mit Luft bei verschiedenen Gasdrücken im
Messraum und anschließender linearer Regression (Abb. M.1.3.3), wobei man die Dichte mit Gl. (7) berechnet.
ρ / kg m-3
1,2
TA ϑ
H1
Z Hz
TS T
0,8
H2
VP
V
EV
S1
RV
0,4
S2
p
H3
FV
DS
DA hPa
GF
Abb. M.1.3.2 Schema der Versuchsanordnung
Da die Dichte des Gases klein gegen die
Materialdichte der Stimmgabel ist, sind die
Frequenzunterschiede klein. Das erfordert
eine hohe Genauigkeit bezüglich der Frequenzmessung. Die Größen Zinkenstärke,
Zinkenlänge, Materialdichte und Elastizi-
0,0
8,481·10-6
8,482·10-6 8,483·10-6 1/ f 2 / Hz-2
Abb. M.1.3.3 Zur Bestimmung der Konstanten A
und B nach Gl. (55) mit Ausgleichsgerade
Unter der Voraussetzung, dass die Temperaturen und Gasdrücke für Luft und das zu
untersuchende Gas gleich groß sind, kann die
Bestimmung der relativen Gasdichte direkt
mit Gl. (11) erfolgen.
Die molare Masse M der Gase ergibt sich
nach Gl. (16). Trägt man die Dichte des Gases über dem Druck graphisch auf, kann die
2.0 Grundlagen
43
molare Masse M aus dem Anstieg (d U / d p )
der Ausgleichsgeraden bestimmt werden:
M
§ dU ·
RT ¨
¸ .
©dp¹
(56)
Die Anlage ist zu Beginn der Messung mit
einer Vakuumpumpe zu evakuieren, um
Restgase aus vorherigen Messungen zu entfernen. Dazu sind die Hähne H1 und H3
geschlossen zu halten. Nach dem Evakuieren
sind Hahn H2 zu schließen und die Vakuumpumpe abzuschalten. Für die Messung mit
Luft kann über Hahn H1 nun Luft bis zum
gewünschten Druck eingelassen werden.
Bei der Messung mit dem Versuchsgas bleiben das Einstell-( EV) und das Reduzierventil (RV) zunächst geschlossen. Das Flaschenventil (FV) an der Druckgasflasche (GF)
wird um eine viertel Umdrehung geöffnet.
Durch Öffnen des Reduzierventils wird ein
geringer Überdruck eingestellt. Anschließend
ist die Schlauchverbindung zwischen dem
Einstellventil und dem Hahn H3 herzustellen.
Zum Durchspülen der Anlage wird über den
Hahn H3 bei geöffnetem Hahn H1 das Versuchsgas durch Öffnen des Einstellventils EV
in die Anlage geleitet. Der Hahn H2 ist dabei
geschlossen. Der Spülvorgang wird beendet,
indem man zuerst das Flaschenventil und
nach Abbau des Überdrucks anschließend die
Hähne H1 und H3 sowie Einstell- und Reduzierventil schließt. Durch diese Maßnahmen
erreicht man, dass der Druck des Versuchsgases in der Anlage dem äußeren Luftdruck
entspricht.
Soll die Messung bei niedrigerem Druck
erfolgen, lässt sich mit der Vakuumpumpe
VP nach vorheriger Öffnung von Hahn H2
ein Teil des Versuchsgases aus dem Messraum auspumpen. Dies ist mit dem Druckmessgerät zu kontrollieren. Nach Schließen
des Hahns H2 kann mit der Messung beim
eingestellten Druck begonnen werden. Nach
Abschluss der Messungen ist die gesamte
Anlage durch Öffnen der Hähne H1, H2 und
H3 zu belüften.
2 Schwingungen
2.0 Grundlagen
Schwingungen sind zeitlich periodische
Vorgänge. Das einfachste Beispiel ist der
lineare harmonische Oszillator (Federschwinger), andere, im Rahmen dieses Buches behandelte mechanische Systeme sind
das mathematische und das physikalische
Pendel, der Drehtisch, das Torsionspendel
sowie das Drehpendel.
2.0.1 Bewegungsgleichungen
Bei einer mechanischen Schwingung finden
Energieumwandlungen von potentieller in
kinetische Energie statt. Bei vernachlässigbarer Reibung bleibt dabei die Amplitude der
Schwingung konstant (ungedämpfte Schwingung) und es gilt die Bewegungsgleichung
m
d2 x
cx 0
d t2
(1)
bzw.
d2 x
Z02 x 0
dt2
(1a)
mit der Eigenkreisfrequenz (Kennkreisfrequenz) der ungedämpften Schwingung
Z0
c
.
m
(2)
In Gl. (2) bezeichnet m die Masse des
schwingenden Systems und c die Federkonstante. Die momentane Auslenkung (Elongation x(t)) ergibt sich als Lösung von Gl. (1a):
x t xˆ cos Z0 t M 0 (3)
mit der Amplitude x̂ . In Gl. (3) ist M0 der
Phasenwinkel zur Zeit t = 0. In analoger
Weise stellt auch die entsprechende Sinusfunktion eine Lösung der Differentialglei-
2 Schwingungen
44 Mechanik
chung (1a) dar. Bei nicht vernachlässigbarer
Reibung wird die Schwingungsenergie zunehmend in Wärme umgewandelt. Für die
dann gedämpfte Schwingung lautet die Bewegungsgleichung
m
d2 x
dx
r
cx 0
dt 2
dt
(4)
mit der Reibungskonstante r . Unter Berücksichtigung von Gl. (2) und durch Einführung
der Abkling- bzw. Dämpfungskonstante
G = r / 2m erhält man
d2 x
dx
2G
Z02 x 0 .
2
dt
dt
(4a)
Eine Lösung der Gl. (4a) nach Anhang A.2.2
ist
x t xˆ e G t cos Z t M0 .
(5)
Dabei ist Z = Zd die Kreisfrequenz der gedämpften Schwingung:
Zd
Z02 G 2 .
(6)
Bei sehr großer Dämpfung ( G 2 !! Z02 )
kommt keine Schwingung zustande. Der
Körper kehrt nach der Anfangsauslenkung
langsam in die Ruhelage zurück (Kriechfall).
Wirkt auf ein schwingungsfähiges System
mit der Eigenkreisfrequenz Z0 eine äußere
periodische Kraft F F0 cos Z t , werden
erzwungene Schwingungen beobachtet. In
diesem Fall lautet die Bewegungsgleichung
m
d2 x
dx
r
c x
dt2
dt
F0 cos Z t ,
d2 x
dx
2G
Z02 x
dt2
dt
(7)
F0
cos Z t .
m
(7a)
Eine Lösung dieser Gleichung (A.2.2) lautet
x t F0
m
cos Z t T Z
2
0
Z
2 2
4G Z
2
.
2
(8)
Die Größe T ist die Phasenverschiebung
zwischen der erzwungenen Schwingung und
der Erregerschwingung.
Nach dem Einschwingvorgang wird das
schwach gedämpfte, schwingungsfähige
System mit der vom Erreger erzwungenen
Frequenz schwingen und die entsprechende
Eigenkreisfrequenz ist
Zr
Z 02 2 G 2 .
(9)
Hat die Kosinusfunktion in Gl. (8) den Wert
eins; ergibt sich die frequenzabhängige Amplitude A(Z). Diese wird durch den Betrag der
Erregerkraft, die Differenz zwischen den
Frequenzen Z und Z0 sowie die Dämpfungskonstante bestimmt, so dass gilt:
A(Z )
F0
m
1
Z
2
0
Z 2 (2G Z ) 2
2
. (10)
In den folgenden Beispielen (außer Drehpendel, M.2.3) werden nur Systeme mit vernachlässigbarer Dämpfung betrachtet.
Ein physikalisches Pendel (Abb. M.2.0.1) ist
ein starrer Körper mit einer fest vorgegebenen Drehachse (A), die nicht durch den Massenmittelpunkt des Körpers geht. Nach einer
Auslenkung führt das Pendel unter dem Einfluss der Schwerkraft Schwingungen um
seine Ruhelage aus. In den folgenden Überlegungen wird vorausgesetzt, dass die Reibung im Achsenlager vernachlässigbar klein
ist.
Der senkrechte Abstand des Massenmittelpunkts (S) eines Körpers (K) von der Drehachse (A) soll mit sA bezeichnet werden
(Abb. M.2.0.1). Ein beliebiges Massenelement dm habe den senkrechten Abstand r von
der Drehachse. Zwischen r und sA sei der
konstante Winkel D. Bildet sA mit der Vertikalen den Winkel M, lautet die Bewegungsgleichung für das Massenelement
dm r
d 2M
dt2
dm g sin D M .
(11)
2.0 Grundlagen
45
Durch Multiplikation von Gl. (11) mit dem
Kraftarm r und Integration über den gesamten Körper erhält man die Gleichung für das
resultierende Drehmoment
d 2M 2
³ dt 2 r dm g K³ r sin D M dm . (11a)
K
wobei m die Masse des Pendels ist. Mit den
Gln. (12) und (13) folgt aus Gl. (11a) die
Bewegungsgleichung des physikalischen
Pendels
d 2M
dt2
DA
K
A
sA
r
α
ϕ
)
ϕ
α+
dm
in(
S
dm
sB
gs
ml
dm g
B
d 2M
dt2
Abb. M.2.0.1 Physikalisches Pendel
Da der Körper starr sein soll, ist die Winkelbeschleunigung d 2M / d t 2 für alle Massenelemente gleich und kann vor das Integral
geschrieben werden. Die Größe
2
(12)
dm
K
ist das Trägheitsmoment des Körpers in Bezug auf die Drehachse. Die Einheit des Trägheitsmomentes ist kg m2. Nach der Definition
des Massenmittelpunkts gilt
³ r sin D M d m ³ x d m
K
K
m xS
(14)
m sA sin M ,
m sA g
(15)
hat die Dimension eines Drehmoments und
wird als Direktions- oder Richtmoment des
Pendels bezeichnet.
Das mathematische Pendel stellt eine Idealisierung dar. Man denkt sich die gesamte
Masse im Massenmittelpunkt vereinigt und
sieht die Bindung an die Drehachse als „masselos“ an. Dieser Idealisierung entspricht
näherungsweise das Fadenpendel, das aus
einer Metallkugel besteht, die an einem dünnen Faden der Länge l aufgehängt ist. Die
Bewegungsgleichung des mathematischen
Pendels lautet
x
xS
x
³r
m sA g
sin M .
IA
Die Größe
y
IA
(13)
d 2M
dt 2
m g sin M
g
sin M .
l
bzw.
(16)
Die Gln. (14) und (16), deren Lösung elementar nicht möglich ist, vereinfachen sich
für kleine Auslenkungen M 5 q :
d 2M
dt2
d 2M
dt 2
g
M.
l
m sA g
M,
IA
(14a)
(16a)
In den Gln. (14a) und (16a) wurde der Sinus
durch das Argument ersetzt.
[Die bisherigen Betrachtungen gelten nur für
Bewegungen im Vakuum. Schwingt das Pendel in
Luft (Dichte UL), ist der Auftrieb (Gl. (M.1-2)) zu
2 Schwingungen
46 Mechanik
berücksichtigen. Die rücktreibende Kraft auf ein
Massenelement hat dann den Betrag
§ UL ·
¸ sin D M © U ¹
und an die Stelle der Gl. (11a) tritt
dm g ¨ 1 d 2M 2
r dm
d t2
³
K
§ U ·
g ³ ¨1 L ¸ r sin D M dm .
U ¹
K ©
Setzt sich das Pendel aus N homogenen Teilkörpern Ki zusammen, deren Massenmittelpunkte Si
auf einer die Drehachse (A) schneidenden Geraden liegen und deren Massen bzw. Dichten mit mi
bzw. Ui (i = 1, 2,..., N) bezeichnet werden sollen,
ergibt sich
d 2M
³ dt
2
r 2 dm
K
N §
U
g ¦ ¨1 L
U
i 1¨
i
©
·
¸ ³ r sin D M dm
¸K
¹ i
oder
IA
d 2M
d t2
N
§ U ·
g ¦ ¨1 L ¸ mi sAi sin M . (14b)
Ui ¹
i 1©
Hierbei ist sAi der Abstand des Massenmittelpunktes des i-ten Teilkörpers von der Drehachse. Die
Berücksichtigung des Auftriebs bedeutet also in
diesem Falle: Man ersetzt in Gl. (14) sowie in den
daraus gewonnenen Gln. (14a) und (22) den
Ausdruck m sA durch
§ UL
¨1 ¦
¨ Ui
i 1©
N
·
¸ mi sA i .
¸
¹
(17)
Haben alle Teile des Pendels die gleiche Dichte U,
dann vereinfacht sich Gl. (17) zu
§ U ·
m sA ¨1 L ¸ . ]
Ui ¹
©
(17a)
Unter einem Drehtisch versteht man einen
starren Körper, der um eine vertikale Achse
gedreht werden kann. Bindet man dieses
System durch eine Spiralfeder an eine Ruhelage, führt es nach einer Auslenkung Schwingungen aus. Wenn die elastischen Deformationen der Feder hinreichend klein sind, kann
man das rücktreibende Drehmoment der
Auslenkung M proportional setzen. Bei Vernachlässigung der Reibung im Achsenlager
lautet die Bewegungsgleichung
d 2M
dt 2
D
M.
I
(18)
Dabei ist I das Trägheitsmoment des Drehtisches um die vorgegebene Achse, und der
Proportionalitätsfaktor D ist das Direktionsmoment (Richtmoment) der Feder.
Ein Torsionspendel ist ein starrer Körper, der
z. B. an einem Draht oder einem Band aufgehängt ist. Nach einer Verdrillung des Drahts
bzw. Bands führt das Torsionspendel Drehschwingungen aus. Für sehr kleine Scherwinkel kann man annehmen (Gl. (M.3-26)),
dass das rücktreibende Drehmoment der
Auslenkung aus der Ruhelage proportional
ist. Die Bewegung des Torsionspendels wird
daher auch durch Gl. (18) beschrieben. Die
Bewegungsgleichungen (14a), (16a) und (18)
sind homogene Differentialgleichungen
2. Ordnung:
d 2M
dt2
Z 2M .
(19)
Die vollständige mathematische Lösung
enthält zwei Integrationskonstanten (c1, c2):
M
c1 cos Z t c2 sin Z t ,
(20)
die aus den Anfangsbedingungen zu bestimmen sind (Anhang A.2). Dem Versuchsbeginn entsprechen M M0 und d M / d t 0 für
t 0 . Damit lautet Gl. (20)
§
©
t ·
¹
M M0 cos Z t M0 cos ¨ 2ʌ ¸ .
T
(20a)
T ist die Schwingungsdauer bei sehr kleinen
Auslenkungen bzw. bei geringen elastischen
Deformationen.
Wenn man die Schwingungsdauer messen
will, wählt man den Augenblick als Anfang
der Zeitmessung, in dem das Pendel die
2.0 Grundlagen
47
maximale Geschwindigkeit hat, d. h., es ist
M 0,
dM
dt
§ dM ·
¨
¸ .
© dt ¹max
Dann ist
M
§ dM ·
¨
¸
© dt ¹max
Z
§
©
sin Z t M0 sin Z t
(20b)
t·
¹
M0 sin ¨ 2ʌ ¸ .
T
Durch Einsetzen von Gl. (20a) oder (20b) in
die Gln. (16a), (14a) bzw. (18) findet man für
das Fadenpendel
T
2ʌ
l
,
g
2.0.2 Satz von Steiner
Das Trägheitsmoment eines starren Körpers
bezogen auf die Drehachse (A) ist gleich dem
Trägheitsmoment bezogen auf die durch den
Massenmittelpunkt gehende, zur Drehachse
parallele und durch den Schwerpunkt des
Körpers verlaufende Achse (S), vermehrt um
das Produkt aus der Masse des Körpers und
dem Quadrat des senkrechten Abstands der
beiden Achsen.
Zum Beweis dieses Satzes betrachtet man
den in Abb. M.2.0.2 dargestellten ebenen
Schnitt durch den Körper.
y
dm
r
(21)
r'
A
für das physikalische Pendel
T
2ʌ
IA
m sA g
S
2ʌ
I
.
D
(22)
(23)
Die mathematische Behandlung der Gln. (14)
und (16) liefert für die Schwingungsdauer
ª § 1 ·2
M
T c T «1 ¨ ¸ sin 2 0 2
2
©
¹
«¬
2
º
§ 1˜ 3 ·
4 M0
...» .
¨
¸ sin
2
© 2˜4 ¹
»¼
(24)
Abb. M.2.0.2 Zum Satz von Steiner
Der Ursprung des Koordinatensystems x, y, z
(die z-Achse stimmt mit der Schwerpunktachse überein) soll im Massenmittelpunkt des
Körpers liegen. Nach dem Kosinussatz gilt
r2
r c2 sA2 2sA r c cos E
r c2 sA2 2sA x .
Dann ist das Trägheitsmoment des Körpers in
Bezug auf die Drehachse A
IA
³ r dm ³ r c dm s ³ dm 2
2
K
Für T ist beim Fadenpendel Gl. (21) und beim
physikalischen Pendel Gl. (22) einzusetzen.
Wenn die Amplitude M0 kleiner als 0,1 (d. h.
kleiner als 5q) ist, gilt in sehr guter Näherung
1
§
·
T c T ¨1 M 02 ¸ .
© 16
¹
x
x
und für den Drehtisch oder das Torsionspendel
T
β
sA
(24a)
K
2
A
K
2 s A ³ x dm ,
K
und wegen
³ x dm
xS m 0 erhält man
K
IA
I S m sA2 .
(25)
2 Schwingungen
48 Mechanik
2.0.3 Reduzierte Pendellänge
Ein physikalisches Pendel hat die gleiche
Schwingungsdauer wie ein mathematisches
Pendel der Fadenlänge
lA
IA
.
m sA
(26)
Dabei ist die Größe lA die der Achse A entsprechende reduzierte Pendellänge.
Gegeben sei ein physikalisches Pendel mit
den parallelen Drehachsen A und B
(Abb. M.2.0.1). Der Massenmittelpunkt soll
auf der Geraden von A nach B liegen, und
der Achsenabstand sei l sA sB .
Es soll untersucht werden, unter welchen
Bedingungen die Schwingungsdauern um
diese beiden Achsen übereinstimmen. Aus
TA
2ʌ
IA
m sA g
2ʌ
TA
2ʌ
IB
m sB g
TB
lA
bzw.
g
folgt bei Verwendung des Steiner’schen
Satzes
lA
IB 1
m sB
I S m l sA m l sA I A ml 2 2 ml sA
m l sA lA
2
,
mlA sA ml 2 2 ml sA
m l sA oder
l 2 lA 2 sA l 2 lA sA
0
(27)
Die quadratische Gleichung (27) kann als
l lA l 2 sA 0
(28)
geschrieben werden. Ist l z 2 sA , muss l = lA
sein, d. h. der Achsenabstand, bei dem die
Schwingungsdauern gleich sind, ist gleich
der reduzierten Pendellänge. Für l = 2 lA,
d. h., der Massenmittelpunkt halbiert die
Verbindungslinie der beiden Achsen, ist der
Schluss l = lA jedoch falsch.
2.1 Fadenpendel
Aufgabenstellung
Die Schwerebeschleunigung g ist mit dem
Fadenpendel zu bestimmen. Die relative
Messunsicherheit des Ergebnisses soll 1 %
nicht überschreiten.
Eine Metallkugel hängt an einem dünnen
Faden vor einer Spiegelskala mit einer Millimeterteilung. Der Nullpunkt des Maßstabs
soll mit der Drehachse übereinstimmen. Die
Fadenlänge l ist der Abstand der Drehachse
vom Mittelpunkt der Kugel. Regt man das
Pendel zu Schwingungen kleiner Amplitude
an (M < 5°), liefert Gl. (21) den Zusammenhang zwischen der Schwingungsdauer T, der
Fadenlänge l und der Schwerebeschleunigung g:
2
§2ʌ·
g=¨
¸ l .
© T ¹
(29)
Das Fadenpendel ist streng genommen ein
physikalisches Pendel, das in einem materiellen Medium (Luft) schwingt. Es empfiehlt
sich zu prüfen, ob die verschiedenen Vernachlässigungen tragbar sind, die man bei der
Verwendung der Gleichungen für ein im
Vakuum schwingendes mathematisches
Pendel macht.
Das Trägheitsmoment I des Pendels setzt sich
additiv aus dem der Kugel IK und dem des
Fadens IF zusammen. Da das Trägheitsmoment einer homogenen Kugel mit dem Radius R und der Masse mK bezogen auf eine
durch den Kugelmittelpunkt gehenden Achse
I 0 (2 / 5) mK R 2 ist, erhält man nach Gl. (25)
2.2 Reversionspendel
49
ª 2 § R ·2 º
mK l 2 «1 ¨ ¸ » .
«¬ 5 © l ¹ »¼
Das Trägheitsmoment IF des Fadens der
Länge lF und der Masse mF bezogen auf die
1
mF l 2 . Damit
gegebene Drehachse ist I F
3
folgt mit I I K I F und lF | l
2
mK l 2 mK R 2
5
IK
I
ª 2 § R · 2 1 mF º
mK l «1 ¨ ¸ ».
¬« 5 © l ¹ 3 mK ¼»
2
(30)
Bezeichnet man die Dichte der Kugel mit UK
und die des Fadens mit UF, folgt nach
Gl. (14b)
I
d 2M
dt2
g mK l sin M ˜
(31)
ª U L 1 mF § UL · º
+
¨1 ¸» .
«1 ¬ UK 2 mK © U F ¹ ¼
Setzt man I gemäß Gl. (30) in Gl. (31) ein und
beschränkt die Betrachtungen auf sehr kleine
Auslenkungen, erhält man mit
2
2 § R · 1 mF
1 ¨ ¸ 5 © l ¹ 3 mK
l
ªU
1 mF § U L
1 « L ¨1 ¬ U K 2 mK © U F
l
·º
¸»
¹¼
g
M .
l
2
2
§ 2ʌ · ª 2 § R ·
¨ ¸ l «1 + ¨ ¸
© T ¹ «¬ 5 © l ¹
U
1 mF º
L » .
U K 6 mK ¼
g
l1 g 1 l2 g 2 ... ln g n
l1 l2 ... ln
.
Es ist zu prüfen, ob die Verwendung von
Gl. (29) anstelle von Gl. (32) zur Bestimmung
von g gerechtfertigt ist. Dazu berechnet man
den Wert in den eckigen Klammern in
Gl. (32) und ermittelt dessen relative Abweichung zu 1.
Aufgabenstellung
Für die Schwerebeschleunigung gilt daher
Gl. (29) mit l* statt l. Da (R/l)2, mF/mK, UL/UK
und UL/UF sehr klein gegen eins sind, sollen
alle Produkte solcher Ausdrücke vernachlässigt werden. In dieser Näherung ist
g
Die Länge l des Fadenpendels ermittelt man
aus der Länge des Fadens lF und dem Radius R der Kugel : l = lF + R. Beide Größen
lassen sich mit hinreichender Genauigkeit mit
mechanischen Messmitteln bestimmen. Zur
Messung der Schwingungsdauer T werden
eine Lichtschrankenanordnung und ein Digitalzähler verwendet. Bei manueller Zeitmessung mit einer elektronischen Stoppuhr misst
man mehrmals die Zeit für eine größere Anzahl von Schwingungen.
Der Versuch ist bei verschiedenen Fadenlängen (li, i = 1, …, n) zu wiederholen. Die
Berechnung von g erfolgt mit Hilfe von
Gl. (29). Da die Messungen bei großen Fadenlängen genauer als die bei kleinen sind,
bestimmt man den gewichteten Mittelwert
2.2 Reversionspendel
die Differentialgleichung
d 2M
dt2
Versuchsausführung
(32)
1. Die Schwerebeschleunigung g ist mit dem
Reversionspendel zu bestimmen. Die relative
Messunsicherheit von g soll kleiner als 0,1 %
sein.
2. Die Abhängigkeit der Schwingungsdauer T c vom Auslenkwinkel M0 ist mit dem Reversionspendel bei einer festen Lage des
Laufgewichts experimentell zu ermitteln, um
die Gültigkeit von Gl. (24a) nachzuweisen.
Das Reversionspendel besteht im Allgemeinen aus einem Metallstab, der um zwei parallele Achsen A und B gedreht werden kann.
Die Achsen haben den fest vorgegebenen
Abstand l (Abb. M.2.2.1). Zwischen den
2 Schwingungen
50 Mechanik
y
K
A
(33)
S0
S
TA
TB
T,
l
Dabei soll mit sA der Abstand des Massenmittelpunkts S des Pendels von der Drehachse A bezeichnet werden. Wenn bei einer
bestimmten Stellung x des Laufgewichts die
Schwingungsdauer um die Achse A gleich
der um die Achse B ist, entspricht der Achsenabstand l der reduzierten Pendellänge.
Setzt man
x
0 sA l / 2 .
Eine analoge Beziehung gilt für die tatsächliche Schwingungsdauer um die Achse B. Im
Experiment wird TA* TB* T * bestimmt.
s0
sA
Achsen befindet sich ein kleines Laufgewicht L der Masse mL. Durch Verschieben
von L lässt sich die Schwingungsdauer des
Pendels innerhalb gewisser Grenzen variieren. In der Nähe eines der beiden Enden des
Stabs ist ein Zusatzkörper K (Masse mK)
angebracht. Wenn mK hinreichend groß gegen mL ist, kann man den Abstand y so wählen, dass für jede mögliche Lage des Laufgewichts (0 x l ) gilt:
L
(34)
B
gilt für die Schwerebeschleunigung
2
g
§ 2ʌ ·
¨ ¸ l.
©T ¹
(35)
Die bisherigen Betrachtungen gelten streng
für ein im Vakuum schwingendes Pendel,
dessen Amplitude unendlich klein ist. In
Wirklichkeit schwingt das Pendel in Luft mit
endlicher Amplitude. Nimmt man an, dass
das Pendel ein homogener Körper ist, d. h.,
dass alle Teile des Pendels die gleiche Dichte U haben, wird die Pendelbewegung durch
Gl. (14b) mit N = 1 beschrieben. Aus den
Gln. (24a) und (22) in Verbindung mit
Gl. (17a) folgt für die tatsächliche Schwingungsdauer um die Achse A
*
A
T
2ʌ
IA
1 2·
§
¨ 1 M0 ¸ ,
16
§ U · ©
¹
m sA g ¨ 1 L ¸
U ¹
©
Abb. M.2.2.1 Reversionspendel
Dann gilt Gl. (34) mit
T
1
UL
U
1
1 2·
§
¨1 M0 ¸ .
© 16 ¹
(36)
Setzt man T nach Gl. (36) in Gl. (35) ein,
ergibt sich für die Schwerebeschleunigung
2
1
§
·
1 M2
§ 2ʌ · ¨© 16 0 ¸¹
.
¨ ¸ l
U
©T ¹
1 L
2
g
U
Wenn man bedenkt, dass UL /U < 10-3 und für
M0 < 0,1 (Einheit rad) auch (1/16) M02 < 10-3
ist, sind alle Produkte solcher Größen vernachlässigbar und es gilt
1
U ·
1
§
·§
TA ¨1 M02 ¸ ¨¨ 1 L ¸¸ .
U ¹
© 16 ¹ ©
T*
2
g
§ 2ʌ · ª 1 2 U L º
.
¨ ¸ l «1 M 0 U »¼
©T ¹ ¬ 8
(37)
2.2 Reversionspendel
51
Der obigen Beschreibung liegt die Annahme
zugrunde, dass mindestens eine Stellung des
Laufgewichts in dem Intervall 0 < x < l existiert, für die die Schwingungsdauern um die
Achsen A und B gleich sind. Deshalb ist es
von Interesse, die Bedingungen zu untersuchen, unter denen Gl. (34) erfüllt werden
kann.
[Dazu sind die Massenmittelpunktsabstände sA
und sB, die Trägheitsmomente IA und IB und
anschließend die Schwingungsdauern TA und TB
als Funktionen von x darzustellen. Es gilt
m sA
m0 s0 mL x und
m sB
m (l sA )
m0 (l s0 ) mL (l x) .
Dabei bedeuten m die Masse des gesamten Pendels, m0 die Masse des Pendels ohne Laufgewicht
und s0 den Abstand zwischen dem Massenmittelpunkt S0 des Pendels ohne Laufgewicht und der
Achse A. Für die Trägheitsmomente folgt:
I 0 m0 s0 2 I L mL x 2 und
IB
I 0 m0 (l s0 ) 2 I L mL (l x)2 .
I0 ist das Trägheitsmoment des Pendels ohne
Laufgewicht bezogen auf die durch S0 gehende,
zu A und B parallele Drehachse, und IL ist das
Trägheitsmoment des Laufgewichtes bezogen auf
die zu A und B parallele Achse, die durch den
Massenmittelpunkt des Laufgewichts geht. Mit
der Abkürzung
I 0 m0 s02
(38)
erhält man für die Schwingungsdauern
TA
2ʌ
IA
m sA g
TB
2ʌ
IB
m sB g
TB
2ʌ
g
2ʌ
g
I mL x 2
,
m0 s0 mL x
I m0 l l 2s0 mL l x m0 l s0 mL l x mL ª¬ 2l m0 l l 4 s0 mL l 2 º¼ x
> I m0 l s0 @ ª¬ m0 l 2 s0 mL l º¼
(39)
2
(40)
Die Forderung TA = TB führt auf die nachstehende Gleichung dritten Grads in x:
(41)
0.
Eine der drei Lösungen von Gl. (41) kann man
sofort angeben. Für x = x3 sei sA = l/2 (Gl. (28)).
Dann gilt
l
l
m m0 mL m0 s0 mL x3 ,
2
2
x3
½
1 ­ m0
® l 2 s0 l ¾ .
2 ¯ mL
¿
Da die Ungleichung (33) erfüllt sein soll, ist x3
größer als l, d. h., diese Stellung des Laufgewichts
kommt im Experiment nicht vor. Dividiert man
Gl. (41) durch x-x3, erhält man die quadratische
Gleichung
I m0 s0 l
x2 l x 0 , deren Lösungen lauten
mL
l
1 r H , H
2
1
I m0 s0 l
. (42)
2
§l·
mL ¨ ¸
©2¹
Gl. (42) besagt, dass in dem Intervall 0 < x < l
symmetrisch zu x = l/2 zwei Stellungen x1 und x2
des Laufgewichts zu finden sind, bei denen der
Achsenabstand l der reduzierten Pendellänge
entspricht, sofern die in Gl. (38) definierte Größe I
der Bedingung
2
§l·
I m0 s0 l mL ¨ ¸ 1 H 2 (43)
©2¹
mit 0 < H < 1 genügt. Gl. (43) lässt sich durch
geeignete Wahl der Masse und der Anordnung
des Zusatzkörpers K stets so erfüllen, dass die
Ungleichung (33) erhalten bleibt. Es kann gezeigt
werden, dass die Funktionen TA(x) und TB(x), die
durch die Gln. (39) und (40) gegeben sind, nur je
einen Extremwert, und zwar ein Minimum haben.
Die beiden Minima liegen unter den oben gemachten Voraussetzungen in der Nähe des
Werts x = l/2. Abb. M.2.2.2 zeigt den prinzipiellen Verlauf der Funktionen TA(x) und TB(x). ]
x1,2
IA
I
2mL2 x3 mL ª¬ m0 l 2s0 3mL l º¼ x 2
Versuchsausführung
Bei Aufgabe 1 werden zunächst die Schwingungsdauern TA* und TB* für verschiedene
Stellungen des Laufgewichts L bestimmt,
2 Schwingungen
52 Mechanik
wobei darauf zu achten ist, dass die Auslenkung bei allen Schwingungen den gleichen
Wert M0 < 5° hat. Das Laufgewicht soll in
dem Intervall 0 < x < l von Messung zu Messung um einen vorgegebenen Abstand verschoben werden. Um die in der Aufgabenstellung geforderte Genauigkeit zu erreichen,
werden die Schwingungsdauern mit einem
elektronischen Messplatz (Lichtschranke,
digitaler Präzisionszähler) ermittelt. Die
Periodendauermessungen werden bei jeder
Position des Laufgewichts dreimal durchgeführt und die Unsicherheit der Zeitmessungen soll dabei kleiner als 5 ms sein.
T
gegeben. Die Voraussetzung, dass das Reversionspendel ein homogener Körper ist, trifft
nur selten zu. Wenn das Pendel aus Stahlund Messingteilen zusammengesetzt ist, kann
der Term für die Berücksichtigung des Luftauftriebes UL /U | 1,5˜10-4 gesetzt und g nach
Gl. (37) berechnet werden.
Bei der zweiten Aufgabe ist die Schwingungsdauer T c hinreichend oft für das Intervall 1qd M0 d 10q zu messen. Trägt man T c
über M02 (M0 im Bogenmaß) auf, ergibt sich
nach Gl. (24a) eine Gerade, die eine Steigung
von (1/16) T hat und für M0 = 0 den Wert
T c = T liefert. Eventuelle Abweichungen
vom linearen Verlauf sollen diskutiert werden.
2.3 Drehpendel
TA=TB
TB (x)
TA (x)
0
l ε
2
l
2
l ε
2
l
x
Abb. M.2.2.2 Darstellung der Periodendauern
TA(x) und TB(x) eines Reversionspendels
Die gemessenen Periodendauern TA* und TB*
werden als Funktionen von x graphisch dargestellt. Die Schnittpunkte der beiden Kurven
werden sich im Allgemeinen noch nicht mit
hinreichender Genauigkeit ermitteln lassen.
Deshalb bestimmt man TA* und TB* in der
Nähe von x1 und x2 in noch kleineren Abständen, um auf diese Weise eine relative
Messunsicherheit von T * kleiner als 0,05 %
zu erreichen. Der Achsenabstand l wird im
Allgemeinen als Funktion der Temperatur
In diesem Versuch werden freie, gedämpfte
und erzwungene lineare sowie nichtlineare
Drehschwingungen an einem Drehpendel
nach Pohl untersucht. Das Drehpendel hat
eine Eigenfrequenz, die vom Direktionsmoment der Feder und seinem Trägheitsmoment
abhängt. Bei Erhöhung der Dämpfung beobachtet man neben dem stärkeren Abklingen
der Amplitude auch eine geringe Abnahme
der Eigenfrequenz.
Im Falle eines periodisch angetriebenen
Drehpendels kann der Resonanzfall bei
Gleichheit der Erreger- und der Eigenfrequenz des Drehpendels realisiert werden. Die
maximale Amplitude ist im Resonanzfall eine
Funktion der Dämpfung. Zusätzlich soll das
Drehpendel mit einer Zusatzmasse so versehen werden, dass eine Unwucht entsteht.
Dadurch wird ein zusätzliches Drehmoment
verursacht und der Zusammenhang zwischen
Auslenkung und dem rücktreibenden Drehmoment ist nicht mehr linear. Das führt zu
einem grundsätzlich anderen Schwingungsverhalten des Drehpendels, bei dem nun
mehrere Amplitudenzustände möglich sind.
Das System kann dadurch in Abhängigkeit
von seinen Anfangsbedingungen und kleinen
2.3 Drehpendel
53
Störungen in verschiedenen Zuständen
schwingen. Das im Versuch verwendete
Drehpendel nach Pohl (Abb. M.2.3.1) besteht
aus einer kreisförmigen Kupferscheibe mit
einer homogenen Massenverteilung, die um
eine Achse durch den Schwerpunkt drehbar
gelagert ist.
0
60
30
90
90
60
Spiralfeder
Kupferscheibe
2.3.1 Lineare Schwingungen und
Resonanz
Aufgabenstellung
ϕ
30
über ein Computer-Interface die entsprechenden Signalspannungen zu speichern. An
einem Zählerdisplay kann die Erregerfrequenz direkt abgelesen werden.
Motor mit Exzenter
0
12
120
0
15
150
Schubstange
Elektromagnet zur
Wirbelstromdämpfung
Abb. M.2.3.1 Zum Drehpendel nach Pohl (ohne
Messelektronik)
Die Ruhelage wird durch eine im Pendel
befestigte Spiralfeder vorgegeben und seine
Auslenkung kann an einer Gradskala abgelesen werden. Eine zusätzliche Justierung auf
die Anfangsstellung M = 0 ist möglich.
Die Dämpfung der Schwingung kann über
die Stärke des Stroms IW, der durch den Elektromagneten einer Wirbelstrombremse fließt,
variiert werden. Zur Erzeugung erzwungener
Schwingungen wird das Drehpendel mit
Hilfe eines drehzahlgeregelten Schrittmotors
über einen Exzenter und eine Schubstange
angetrieben. Ein elektronischer Bewegungsaufnehmer ermöglicht die Messung der Frequenz und der Auslenkung der Drehschwingungen der Kupferscheibe. Mit einer Extramessvorrichtung kann zusätzlich die Phasenverschiebung zwischen der Erreger- und der
Pendelschwingung ermittelt werden.
Die weitere elektronische Signalverarbeitung
bietet auch die Möglichkeit, neben der Auslenkung die Winkelgeschwindigkeit sowie
die Winkelbeschleunigung zu bestimmen und
1. Für die erzwungene Schwingung des
Drehpendels ist für drei verschiedene Dämpfungen die Resonanzkurve aufzunehmen.
Den Resonanzkurven ist die Resonanzfrequenz fr und der Wert für die Halbwertsbreite 'f zu entnehmen sowie die Güte Q zu
bestimmen. Zusätzlich ist das Zeitverhalten
der freien Schwingungen für diese drei
Dämpfungen aufzunehmen und die Dämpfungskonstanten sind zu ermitteln.
2. Die Dämpfungskonstanten, die aus der
Halbwertsbreite der Resonanzkurve und der
gedämpften freien Schwingung bestimmt
wurden, sind miteinander zu vergleichen.
Der Einfluss der Dämpfung auf die Höhe und
die Lage des Maximums der Resonanzkurve
soll diskutiert werden.
3. Für den Fall der erzwungenen Schwingung
sind für drei Frequenzen und die in Aufgabe 1 gewählten Dämpfungen die Phasenverschiebungen zu messen und mit den berechenbaren Werten zu vergleichen.
Lenkt man das Pendel um einen Winkel M
aus und lässt es dann los, führt es eine gedämpfte Drehschwingung um die Ruhelage
aus. Die Bewegungsgleichung ergibt sich aus
dem Gleichgewicht der Drehmomente:
MT
MF MD .
(44)
In Gl. (44) gilt für die entsprechenden Drehmomente M T J M , M D J M und
MF = D M . Dabei beschreiben J das Trägheitsmoment des Pendels, D das Direktionsmoment der Feder und J die geschwindigkeitsproportionale Reibungskonstante.
2 Schwingungen
54 Mechanik
Durch Einsetzen in Gl. (44) erhält man die
Differentialgleichung für die gedämpfte
Eigenschwingung des Drehpendels:
J M J M DM
0 .
(45)
Deren allgemeine Lösung wird im Anhang A.2.2 beschrieben. Definiert man die
Abklingkonstante G (oft auch als Dämpfungskonstante bezeichnet) mit G J /(2 J ) ,
folgt als Lösung für die schwach gedämpfte
Schwingung ( Z0 2 G 2 )
M (t ) M 0 e G t cos(Zd D ) .
(46)
D beschreibt die Phasenverschiebung. Für die
Eigenkreisfrequenz Zd der gedämpften
Schwingung (Gl. (6)) gilt
Zd
§ J ·
¸
© 2J ¹
Z 02 ¨
2
(47)
mit der Eigenkreisfrequenz der ungedämpfD / J . Die Lösung
ten Schwingung Z0
der Bewegungsgleichung nach Gl. (46) beschreibt eine exponentiell abklingende
Schwingung (Abb. M.2.3.2), die durch die
Abklingzeit W = G -1 sowie die Frequenz
f d Zd / 2ʌ charakterisiert wird.
ϕ
ϕ0
e-δt
ϕ0/e
δ-1
t
mische Dekrement / lassen sich experimentell über die Abnahme der Schwingungsamplitude im Zeitabstand 't = Td (Periodendauer
Td 2 ʌ / Zd ) bestimmen:
/ G Td
§ Mˆ (t ) ·
ln ¨
¸ .
© Mˆ (t Td ) ¹
(48)
Eine besonders anschauliche Darstellung des
Schwingungsverhaltens ist im Phasenraum
möglich. Für ein punktförmiges Teilchen im
dreidimensionalen Ortsraum ist der Phasenraum als Menge aller Sechsertupel aus den
drei Orts- und Impulskoordinaten definiert.
Es handelt sich also um einen sechsdimensionalen Raum.
Beim Pohl’schen Pendel sind sowohl die
Orts- als auch die Impulskoordinate eindimensionale Größen. Der Phasenraum reduziert sich dadurch auf zwei Dimensionen.
Man trägt in einer zweidimensionalen Darstellung die Winkelgeschwindigkeit M (t )
gegen den Auslenkwinkel des Pendels M (t )
auf (zeitunabhängige geometrische Kurve,
auch Trajektorie genannt). Für einen schwach
gedämpften Oszillators erhält man z. B. eine
sich auf den Nullpunkt (so genannter Attraktor) des Koordinatensystems zu bewegende
Spirale als Trajektorie.
Wird über den Antrieb des Drehpendels
zusätzlich ein äußeres periodisches Drehmoment M a M 0 cos (Z t ) auf das Pendel gegeben, erhält man eine erzwungene Schwingung. Die Bewegungsgleichung ergibt sich in
Analogie zu Gl. (45) mit
J M J M D M
M 0 cos(Z t ) .
(49)
Als Lösung dieser inhomogenen Differentialgleichung zweiter Ordnung erhält man
(Anhang A.2.2)
Abb. M.2.3.2 Abklingen der Amplitude einer
schwach gedämpften Schwingung
Die Abklingkonstante G bzw. das logarith-
M (t ) A(Z ) cos(Z t T )
C eG t cos(Zd D ) .
(50)
Nach einer Einschwingzeit verschwindet der
2.3 Drehpendel
55
Term mit der Eigenkreisfrequenz Z d aufgrund der exponentiellen Dämpfung und die
Frequenz des Pendels entspricht der Kreisfrequenz des Antriebs Z :
M (t ) A(Z ) cos(Z t T ) .
A(Z ) ei (Z t T )
(52)
folgt analog zur Herleitung von Gl. (27) im
Anhang A.2.2
AE e iT
A ª¬(Z02 Z 2 ) i 2 G Z º¼ .
(53)
Mit AE = M0 /J ergibt sich für den Betrag der
Amplitude
A A(Z )
Z
Z
2 2
4G Z
2
M0 / J
Amax
2G
100
δ/ω0= 0,01
Z02 G 2
δ/ω0= 0,2
M0
J Z 02
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
Abb. M.2.3.3 Resonanzkurven für verschiedene
Verhältnisse der Abklingkonstanten G zur Eigenkreisfrequenz Z 0 (Ordinate: normierte Amplitude,
Abszisse: normierte Kreisfrequenz)
Die Amplitude der erzwungenen Schwingung
(55c)
Der Graph der Resonanzkurve in Bezug auf
die Resonanzfrequenz ist nicht symmetrisch.
Als Halbwertsbreite 'Z definiert man die
Differenz zwischen den Kreisfrequenzen Z 1
und Z 2 , bei denen die Resonanzamplitude
auf den Wert
A(Z 2 )
A Zr (57a)
2
abgenommen hat. Das entspricht in der Darstellung der Leistung (Amplitudenquadrat)
als Funktion der Anregungskreisfrequenz
A2 (Z 1 )
ω / ω0
(55b)
M0
, A(Z o f) 0 . (56)
D
1
δ/ω0= 0,5
, (55a)
Die anderen Grenzwerte von Gl. (54) sind
δ/ω0= 0,05
δ/ω0= 0,1
.
D
.
J
Zr Z0
A(Z 1 )
10
2
Für sehr kleine Dämpfungen (und nur dann)
ist die Kreisresonanzfrequenz gleich der
Eigenkreisfrequenz:
. (54)
2
In Abb. M.2.3.3 sind für verschiedene Dämpfungen die Resonanzkurven graphisch dargestellt.
A (ω) / A(0)
Z Zr2 4G 2Zr2
2
0
bzw. mit Gl. (9) folgt
A(0)
M0 / J
2
0
M0 / J
Amax A Zr (51)
Dabei berücksichtigt die Größe T die Phasenverschiebung zwischen der erregten
Schwingung und der Anregung. Mit dem
komplexen Lösungsansatz
M (t )
erreicht bei der Kreisresonanzfrequenz Z r
ihren Maximalwert
A2 (Z 2 )
A2 Z r 2
.
(57b)
Zwischen der Halbwertsbreite 'Z und der
Abklingkonstanten G gilt für schwache
Dämpfungen die Beziehung
'Z
2G
bzw.
W 'Z 2 .
(58)
Dadurch wird unter anderem auch die so
genannte „Unschärfe“ zwischen Frequenz
2 Schwingungen
56 Mechanik
(z. B. Breite einer Resonanzlinie) und mittlerer „Lebensdauer W “ eines gedämpften, linearen Oszillators beschrieben. Große Dämpfungen haben eine kurze „Lebensdauer“ der
Schwingung zur Folge und verursachen
breite Resonanzkurven. Sehr schmale Resonanzkurven entsprechen Systemen mit einer
großen „Lebensdauer“ der Schwingung, bei
denen die Dämpfung gering ist.
Die Dämpfung ist ein Maß für die Dissipation der Energie, die von außen (hier vom
Antrieb durch den Motor) in das System
eingebracht wird. Je kleiner die Dämpfung
des angetriebenen Oszillators ist, umso größer wird im Resonanzfall seine Schwingungsamplitude. Eine weitere wichtige
Kenngröße zur Beschreibung des Resonanzverhaltens ist die Güte Q mit
Z0
Q
'Z
Z0
.
2G
(59)
Der frequenzabhängige Phasenwinkel T
zwischen der angeregten Schwingung und
der Anregung lässt sich mit Gl. (53) und
Gl. (12b) im Anhang A.1 berechnen:
T (Z ) arctan
θ/°
2Z G
.
Z02 Z 2 (60)
0
-90
δ/ω0 = 0,1
δ/ω0 = 0,005
-180
0,0
0,5
1,0
1,5
δ/ω0 = 0,5
2,0
ω/ω0
Abb. M.2.3.4 Phasenwinkel T in Abhängigkeit
von der normierten Kreisfrequenz Z / Z0 für verschiedene Verhältnisse der Abklingkonstanten G
zur Eigenkreisfrequenz Z 0
Der Winkel T der Phasenverschiebung ist
negativ und die Erregerschwingung eilt der
Pendelschwingung voraus (Abb. M.2.3.4).
Die Werte für T (Z) ändern sich im Bereich Z d Z0 von 0 bis -90° und für Z t Z0
von -90° bis -180°. Im Resonanzfall beträgt
die Phasenverschiebung -90°.
Durch den Antrieb des Pendels wird der
Phasenraum des Systems dreidimensional:
Die dritte Koordinate neben der Auslenkung M und der Winkelgeschwindigkeit M
stellt die Zeitabhängigkeit der momentanen
Stellung des Antriebs dar. Die im Experiment
aufgezeichnete Darstellung des Phasenraums
ist eine Projektion auf die M M Ebene. In
dieser Phasenraumdarstellung erhält man im
Beispiel des angetriebenen linearen Pendels
eine Ellipse als Trajektorie, die sich nach der
Einschwingzeit nicht mehr verändert.
Versuchsausführung
Für das Drehpendel wird am Exzenter
(Abb. M.2.3.1) ein maximaler Anregungswinkel von wenigen Grad eingestellt. Der
betreffende Wert bzw. Bereich wird am Arbeitsplatz angegeben.
Zur Aufnahme der Resonanzkurve in Aufgabe 1 ist zunächst für eine vorgegebene geringe Dämpfung durch die Wirbelstrombremse
(Stromstärke IW) die Resonanzfrequenz fr | f0
zu ermitteln und das Resonanzmaximum A(fr) | A(f0) zu bestimmen. Die Dämpfung infolge von Reibungseinflüssen soll hier
vernachlässigt werden. Anschließend wird
für jeweils etwa zehn verschiedene Anregungsfrequenzen f um die Resonanzfrequenz
die Amplitude A(f ) gemessen. Die Frequenzen sind so zu wählen, dass der Graph der
Resonanzkurve mit hinreichender Genauigkeit dargestellt werden kann. Nach jeder
Änderung der Anregungsfrequenz ist der
Einschwingvorgang abzuwarten. Anschließend sind zwei weitere Resonanzkurven für
stärkere Dämpfungen aufzunehmen. Es sind
die auf die Resonanzamplitude normierten
Amplituden bzw. deren Quadrate in Abhän-
2.3 Drehpendel
gigkeit von der Anregungskreisfrequenz Z
graphisch darzustellen. Aus dem Graph der
Resonanzkurve kann die Halbwertsbreite 'Z
abgelesen und mit dieser die Dämpfungskonstante und die Güte ermittelt werden. Zusätzlich sind für die drei ausgewählten Dämpfungen die Schwingungsamplituden als Funktion
der Zeit M (t) der freien gedämpften Schwingungen (Abb. M.2.3.2) zu messen und die
Größe der jeweiligen Dämpfungskonstanten
zu ermitteln. Dazu kann man z. B. unter
Anwendung von Gl. (48) das logarithmische
Dekrement ermitteln und mit der Periodendauer den Wert von G berechnen, oder man
berechnet die Funktion der „Einhüllenden“
unter Berücksichtigung von Gl. (46) mittels
nichtlinearer Regression (einer der Regressionsparameter enthält die Abklingkonstante).
In Aufgabe 3 berechnet man die Phasenverschiebungen für eine der in Aufgabe 1 eingestellten Dämpfungen für drei Frequenzverhältnisse (z. B. Z /Z0 = 0,8; 1,2; 1,5) mit
Gl. (60), wobei der Funktionsverlauf von
inversen Winkelfunktionen zu beachten ist.
Anschließend sind die Phasenverschiebungen
unter den gewählten Bedingungen experimentell zu bestimmen und mit den berechneten Werten zu vergleichen.
2.3.2 Nichtlineare Schwingungen
Aufgabenstellung
1. Es sollen für die gedämpften linearen
Schwingungen des Drehpendels bei fünf
verschiedenen Dämpfungen die Frequenz fd
und die Abklingkonstante G bestimmt werden.
2. Es ist der Drehwinkel Mst des Pendels in
Abhängigkeit vom statischen Drehmoment
Mst zu messen und Mst = f(Mst) graphisch
darzustellen. Mit dem Mittelwert von fd aus
Aufgabe 1 werden das Direktionsmoment D
und das Trägheitsmoment J des Drehpendels
bestimmt. Die Reibungskonstante J ist in
Abhängigkeit vom Quadrat der Stromstärke IW darzustellen und mittels linearer Reg-
57
ression sind die Geradenparameter zu berechnen.
3. Mit einem zur Verfügung gestellten Simulationsprogramm können die unterschiedlichen Schwingungszustände des nichtlinearen
Drehpendels (Schwingung, erste und zweite
Bifurkation, Chaos) simuliert werden.
4. Nach dem Anbringen einer vorgegebenen
Zusatzmasse am Drehpendel sind erzwungene Schwingungen anzuregen. Man versucht
durch kleine Änderungen der Dämpfung die
verschiedenen Schwingungszustände zu
realisieren. Die mit dem Messprogramm
experimentell ermittelten Graphen der verschiedenen Schwingungszustände sind mit
denen der Simulation zu vergleichen und zu
diskutieren.
An der Kupferscheibe des Drehpendels nach
Pohl kann eine Zusatzmasse m angebracht
werden. Das von der Zusatzmasse hervorgerufene zusätzliche Drehmoment M mit
M m g R sin(M ) (M Auslenkung, R Abstand
zwischen Drehachse und Massenmittelpunkt
der Zusatzmasse) bewirkt den nichtlinearen
Charakter des Systems. Das bedeutet, dass
die Schwingungsparameter, z. B. die Frequenz, von der Amplitude abhängen. Diese
Amplituden-Frequenzkopplung ist eine charakteristische Eigenschaft nichtlinearer Systeme. Falls man die Zusatzmasse groß genug
wählt, kann man erreichen, dass sich zwei
neue stabile Gleichgewichtslagen symmetrisch zur ursprünglichen Nulllage einstellen
(W-Potential, siehe Anhang A.3.2.1).
Zur Beschreibung der Drehschwingungen des
Pendels mit Zusatzmasse (Trägheitsmoment Jz) wird der Ansatz
J nl M m g R sin M M 0 sin(Z t ) D M J M
(61)
mit J nl J J z gewählt. Durch den Sinus des
Auslenkwinkels M ist Gl. (61) nichtlinear in M
und es liegt eine nichtlineare, inhomogene
2 Schwingungen
58 Mechanik
Differentialgleichung zweiter Ordnung vor,
die im Allgemeinen nicht mehr geschlossen
lösbar ist. Dieses nichtlineare System soll in
Abhängigkeit der in Gl. (61) enthaltenen
Parameter untersucht werden. Dabei wird nur
die Dämpfung durch die systematische Änderung der Stromstärke IW der Wirbelstrombremse variiert, alle anderen Parameter werden hier konstant gehalten. Die Möglichkeit
der Simulation der unterschiedlichen Schwingungszustände basiert auf der Umstellung der
Gl. (61) und wird im Anhang A.3.2.1 beschrieben:
D
J
M M M
J nl
J nl
(62)
M
mg R
sin M 0 sin(Z t )
J nl
J nl
In den Aufgaben 1 und 2 werden einige der
für die Simulation erforderlichen Werte ermittelt.
Versuchsausführung
Die Messungen werden mit dem oben beschriebenen Messplatz durchgeführt und es
sind bei Aufgabe 1 die Eigenfrequenz fd der
gedämpften Schwingung und die Abklingkonstante G für schwache Dämpfungen des
Drehpendels (ohne Zusatzmasse) zu ermitteln. Es werden die Abklingkurven
(Abb. M.2.3.2) nach einer maximalen Anfangsauslenkung von ca. 90° für verschiedene Stromstärken IW in einem vorgegebenen
Bereich aufgenommen. Für die Bestimmung
von G ermittelt man z. B. die Anzahl n der
Perioden für die Abnahme der Schwingungsamplitude auf etwa die Hälfte ihres Anfangswerts. Damit kann das logarithmische
Dekrement /n ln >M (t ) / M (t n Td ) @ und mit
der Beziehung G
/n / nTd die Abklingkon-
stante bestimmt werden.
In Aufgabe 2 sind das Direktionsmoment D
und das Trägheitsmoment J des Drehpendels
zu bestimmen, indem man für etwa fünf
verschiedene Zusatzmassen m (Scheibenge-
wichte) in einem vorgegebenen Bereich die
statische Auslenkung (Mst) und daraus das
jeweilige statische Drehmoment bestimmt.
Diese Massen werden an einem festen Punkt
der Kupferscheibe des Drehpendels (Nullposition ohne Zusatzmasse) befestigt. Der Wert
für den Radius R ist am Arbeitsplatz angegeben. Das Drehmoment Mst ist in Abhängigkeit vom Winkel Mst (Einheit Radiant) graphisch darzustellen und aus dem Anstieg der
Ausgleichsgeraden kann das Direktionsmoment D (Mst = D Mst ) bestimmt werden. Damit und mit dem Mittelwert der in Aufgabe 1
bestimmten Eigenfrequenz des Pendels ist die
Berechnung des Trägheitsmoments des Pendels mit Gl. (55c) möglich. Die Reibungskonstante (J = 2 J G ) ist in Abhängigkeit vom
Quadrat der Stromstärke IW graphisch darzustellen und mit der Fit-Funktion J a b I W2
erhält man mittels linearer Regression die für
die Simulation erforderlichen Geradenparameter a und b.
Ist das Auffinden von chaotischen Schwingungen bei kleinen Dämpfungen unkompliziert, erweist sich die Einstellung einer Bifurkation oft als relativ schwierig. Deshalb
sollen in Aufgabe 3 mit einem geeigneten
Programm zunächst mit Hilfe von Simulationsrechnungen die verschiedenen Schwingungszustände durch die schrittweise Variation der Stromstärke IW simuliert werden. Die
Berechnungen begründen sich auf die
Gl. (62) und benötigen eine Reihe von Parametern, die u. a. in den Aufgaben 1 und 2
bestimmt wurden bzw. bekannt sind: Frequenz fd, Direktionsmoment der Feder D,
Trägheitsmoment J des Pendels ohne Zusatzmasse, Fitparameter a und b der Regressionsfunktion, maximales Drehmoment Mz
(Mz = m g R) bedingt durch die Zusatzmasse m, maximaler Anregungswinkel und Periodendauer der Anregung. Als einzigen variablen Parameter zur Einstellung des Übergangs zum Chaos bzw. zur Einstellung der
Bifurkation ändert man nur die Dämpfung
(Variation der Stromstärke IW). Diese sollte
2.4 Gekoppelte Pendel
59
ausgehend von einem größeren Wert, mit
dem man einen Schwingungszustand einstellt, in kleinen Schritten verringert werden.
Vor dem Auftreten der ersten Bifurkation
kann man in der Phasenraumdarstellung
deutlich eine Veränderung der zuvor ellipsenähnlichen Trajektorie (Abb. 2.3.5) erkennen.
(a)
ϕ(t)
ϕ(t)
ϕ(t)
t
( b)
ϕ(t)
ϕ(t)
ϕ(t)
t
(c)
ϕ(t)
ϕ(t)
t
ϕ(t)
Abb. M.2.3.5 Beispiele von Schwingungszuständen am Drehpendel mit Zusatzmasse in der Zeitund Phasenraumdarstellung, Schwingungen in
einer von zwei Gleichgewichtslagen (a), erste
Bifurkation (b), chaotische Schwingung (c)
Bei Aufgabe 4 sind die unterschiedlichen
Schwingungsvorgänge im Experiment zu
realisieren. Um Bifurkationen zu finden,
reduziert man die Stromstärke IW, bis man
zwei unterschiedlich große Scheitelwerte
erkennen kann. Indem man die Stromstärke
noch mehr verringert, ist ab einem bestimmten Wert die Beobachtung chaotischer
Schwingungen möglich. Im Experiment ist
darauf zu achten, dass das Drehpendel stets
eine gewisse Zeit zur Stabilisierung der
Schwingung nach jeder Änderung der Dämpfung benötigt, die ggf. einige Minuten betragen kann. Die verschiedenen Schwingungszustände sind in der Zeit- und Phasenraumdarstellung aufzunehmen und zu diskutieren.
2.4 Gekoppelte Pendel
Aufgabenstellung
1. Die Schwingungsdauern zweier mit einer
Feder gekoppelter Pendel bei gleichsinnigen (T1) bzw. gegensinnigen Schwingungen (T2) sollen für mindestens fünf verschiedene Kopplungszustände gemessen werden.
Die Schwingungsdauer T bei Schwebungsschwingungen und die Schwebungsdauer TS
sind sowohl experimentell zu bestimmen als
auch aus T1 und T2 zu berechnen. Außerdem
ist der Kopplungsgrad k zu ermitteln.
2. Mit den Ergebnissen von Aufgabe 1 ist der
Zusammenhang zwischen dem Verhältnis der
Schwingungsdauern von gleich und gegensinniger Schwingung und der Position der
Kopplungsfeder an der Pendelachse zu untersuchen.
Gegeben seien zwei völlig gleiche physikalische Pendel 1 und 2 mit dem Trägheitsmoment I, die mit einer Schraubenfeder elastisch
gekoppelt sind (Abb. M.2.4.1). Es sind aber
auch Kopplungen mit anderen mechanischen
Hilfsmitteln realisierbar. Eine physikalisch
andere Kopplungsart wird z. B. durch Pendelkörper mit Dauermagneten möglich, bei
denen die Kopplung durch Magnetfelder
erfolgt. Die Drehachsen A und B sind so
gelagert, dass beide Pendel nur in ein und
derselben Ebene schwingen können. In den
folgenden Überlegungen werden Winkel und
Drehmomente nach rechts positiv und nach
links negativ gerechnet. Außerdem wird
vorausgesetzt, dass die Schwingungsamplituden der Pendel sehr klein sind und die Reibung in den Achslagern vernachlässigt werden kann. Die Kopplung bewirkt, dass sich
die Ruhelage des Pendels 1 um den Winkel
Į, die des Pendels 2 um den Winkel Į von
der Vertikalen unterscheidet. In der Ruhelage
verschwindet das resultierende Drehmoment
sowohl für Pendel 1 als auch für Pendel 2.
Bezeichnet man mit D das Direktionsmoment
(Gl. (15)) von Pendel 1 bzw. 2 und mit M0
2 Schwingungen
60 Mechanik
den Betrag des Drehmoments, das von der
Feder auf jedes der beiden Pendel ausgeübt
wird, gilt
DD .
M0
bzw.
I
(63)
Ist Pendel 1 um den Winkel M1, Pendel 2 um
den Winkel M2 aus der Ruhelage ausgelenkt,
wirkt auf Pendel 1 das rücktreibende Drehmoment –D (M1+D) und das von der Kopplungsfeder herrührende Drehmoment ist
M0 + DK (M2 – M1), wobei DK das Direktionsmoment der Feder beschreibt.
B
A
d 2M 2
dt2
DM2 DK M1 M2 .
(67)
Durch die Substitution
\ 1 M1 M 2
, \2
M1 M 2
vereinfachen sich die Gln. (66) und (67) zu
I
d 2\ 1
dt 2
D \1
I
d 2\ 2
dt 2
D 2 DK \ 2 .
Die Lösungen sind
lF
\ 1 a1 cos Z1t b1 sin Z1t ,
α
\2
-α
ϕ1
mit den Kreisfrequenzen
ϕ2
1
Z1
2
Abb. M.2.4.1 Zwei identische Pendel 1 und 2 mit
einer Schraubenfeder gekoppelt (lF Abstand zwischen der Befestigung der Feder an der Pendelachse und den Drehachsen A bzw. B)
Bei Berücksichtigung von Gl. (63) kann man
das resultierende Drehmoment für Pendel 1
D M1 D M 0 DK M2 M1 D M1 DK M1 M2 (64)
D M 2 DK M1 M 2 .
(65)
Die Bewegungsgleichungen lauten daher
I
d 2M1
dt2
DM1 DK M1 M2 ,
(66)
2ʌ
T1
D
I
(68)
und
Z2
2ʌ
T2
D 2 DK
I
Z1 1 2 DK
. (69)
D
Geht man wieder zu den Winkeln M1 und M2
über, erhält man
M1
1
a1 cos Z1t b1 sin Z1t
2
a2 cos Z2 t b2 sin Z2t ,
(70)
M2
1
a1 cos Z1t b1 sin Z1t
2
a2 cos Z2 t b2 sin Z2t .
(71)
schreiben. Für Pendel 2 liefert eine analoge
Betrachtung
D M 2 D M 0 DK M 2 M1 a2 cos Z2t b2 sin Z2 t
Die Integrationskonstanten a1, b1, a2 und b2
sollen im Folgenden für drei typische Fälle
bestimmt werden.
2.4 Gekoppelte Pendel
61
1. Gleichsinnige Schwingungen
Beide Pendel werden um den gleichen Winkel M 0 aus ihrer Ruhelage ausgelenkt und
zum Zeitpunkt t 0 losgelassen. Mit den
Anfangsbedingungen
M1 0 M2 0 M0 ,
dM1
0
dt
dM 2
0 0
dt
ergibt sich aus den Gln. (70) und (71)
a1 2M0 , b1 a2 b2 0 , und es folgt
M1 M2 M0 cos Z1t .
(72)
Die beiden Pendel führen gleiche Schwingungen aus, als wäre die Kopplung nicht
vorhanden.
2. Gegensinnige Schwingungen
Das Pendel 1 wird um den Winkel M0 und das
Pendel 2 um den Winkel M 0 ausgelenkt.
Zum Zeitpunkt t = 0 lässt man beide Pendel
los. Aus den Anfangsbedingungen
M1 0 M2 0 M0 ,
dM1
dM 2
0
0 0
dt
dt
folgt a2 2M0 bzw. a1 b1 b2 0 . Für die
Zeitabhängigkeit der Amplituden ergibt sich
M1 M2 M0 cos Z2 t .
(73)
Beide Pendel schwingen mit gleicher Amplitude und gleicher Frequenz, aber mit einer
Phasendifferenz von ʌ. Die Frequenz der
gegensinnigen Schwingungen ist größer als
die der gleichsinnigen.
3. Schwebungsschwingungen
Man hält Pendel 1 in seiner Ruhelage fest,
lenkt Pendel 2 um den Winkel M0 aus und
lässt beide Pendel zum Zeitpunkt t = 0 los.
Aus den Anfangsbedingungen M1 0 0 ,
M2 0 M0 und
dM1
0
dt
dM 2
0 0
dt
ergeben sich a1 a2 M0 bzw. b1
Die Gln. (70) und (71) lauten dann
b2
0.
M0
cos Z1t cos Z2t 2
ª1
º ª1
º
M0 sin « Z2 Z1 t » sin « Z2 Z1 t »
¬2
¼ ¬2
¼
M1
(74)
und
M0
cos Z1t cos Z2t 2
ª1
º
ª1
º
M0 cos « Z2 Z1 t » cos « Z2 Z1 t » .
¬2
¼
¬2
¼
(75)
M2
Die durch die Gln. (74) und (75) beschriebenen Schwingungen haben im Allgemeinen
einen komplizierten Verlauf. Deshalb soll
vorausgesetzt werden, dass die Kopplung der
beiden Pendel sehr schwach ist ( DK << D).
Als Maß für die Stärke der Kopplung definiert man den Kopplungsgrad
k
DK
.
D DK
(76)
Mit den Gln. (68) und (69) kann man dafür
k
Z22 Z12
Z22 Z12
T12 T22
T12 T22
(77)
schreiben. Kleiner Kopplungsgrad bedeutet
also, dass das Direktionsmoment der Feder
klein gegen das des Pendels bzw. dass die
Schwingungsdauer der gleichsinnigen nur
wenig größer als die der gegensinnigen
Schwingung ist. In diesem Falle kann man
die Gln. (74) und (75) wie folgt interpretieren: Beide Pendel führen Schwingungen mit
der Kreisfrequenz
Z
1
Z 2 Z 1 2
(78)
2 Schwingungen
62 Mechanik
bzw. mit der Schwingungsdauer T aus, wobei
1
T
1§ 1 1 ·
¨ ¸
2 © T2 T1 ¹
(79)
gilt.
Die Amplituden M0 sin
1
Z 2 Z 1 t bzw.
2
1
Z 2 Z1 t ändern sich mit kleiner
2
Kreisfrequenz periodisch mit der Zeit. Die
Amplituden von Pendel 1 verschwinden zu
den Zeiten t = n TS (n = 0, 1, 2, ...) und es gilt
Z Z1
daher 2
TS ʌ . Daraus folgt
2
M0 cos
1
TS
1
1
.
T2
T1
(80)
Dieses Schwingungsverhalten bezeichnet
man als Schwebung mit TS als Schwebungsdauer (Abb. M.2.4.2).
(1)
Amplitude
T
§ T1 ·
¨ ¸
© T2 ¹
Zeit
Amplitude
Messwerterfassungssystem mit Hilfe von
geeigneten Wegaufnehmern. Damit können
die beiden Pendelschwingungen graphisch
dargestellt und ausgewertet werden.
Zunächst sind die Periodendauern der beiden
Pendel ohne Kopplungsfeder zu messen.
Diese müssen in den Grenzen der Messunsicherheit übereinstimmen. Man wählt die
Amplitude M0 der Schwingungen so, dass die
Näherung sin M0 # M0 gut erfüllt wird.
Anschließend werden die Schwingungsdauern T1 und T2 bei der gleichen Lage der
Kopplungsfeder gemessen. Die zur Berechnung von k und TS benötigte Differenz zwischen den Periodendauern T1 und T2 muss
hinreichend genau sein. Danach sind bei
gleicher Kopplung die Schwingungsdauer
der Schwebungsschwingung T und die
Schwebungsdauer TS zu messen. Beide Zeiten sollen auch aus den Gln. (79) bzw. (80)
berechnet werden. Den Kopplungsgrad k
erhält man aus Gl. (77). Der Versuch ist bei
fünf verschiedenen Einstellungen der Kopplungsfeder zu wiederholen.
Zur Diskussion bei Aufgabe 2 soll die folgende Gleichung verwendet werden:
TS
(2)
Zeit
Abb. M.2.4.2 Schwebungsschwingungen zweier
gekoppelter Pendel (1) und (2)
Versuchsausführung
Die Messungen erfolgen entweder mittels
einer digitalen Stoppuhr, indem man mehrmals die Zeit für mehrere Schwingungen
stoppt, oder mit einem rechnergestützten
2
D 2 DK
D
2c 2
lF 1 .
D
(81)
Dabei sind D das Direktionsmoment des
Pendels ( D m sA g , sA Abstand zwischen
Drehachse und Massenmittelpunkt des Pendels mit der Masse m) und DK das Direktionsmoment der Feder ( DK c lF 2 , lF Abstand
zwischen Drehachse und Federbefestigung,
c Federkonstante).
Es ist die funktionelle Abhängigkeit
(T1/T2)2=f (lF2) graphisch darzustellen. Über
den Anstieg (2c/D) der Ausgleichsgeraden
nach Gl. (81) kann die Federkonstante ermittelt werden. Dazu ist die Kenntnis des Direktionsmoments D des Pendels erforderlich.
Entweder ist der Wert für D am Arbeitsplatz
gegeben oder man bestimmt die Pendelmas-
2.5 Trägheitsmomente
63
se m durch Wägung und den Abstand sA wie
im Folgenden beschrieben. Man legt das
Pendel auf eine schneidenförmige Kante und
erhält durch das Ausbalancieren (Gleichgewichtslage) die Position des Schwerpunkts
des Pendels längs seiner Stabachse. Der
Abstand zwischen der Lagerung des Pendels
(Drehachse) und dem Schwerpunkt ergibt
den Wert für die gesuchte Größe sA.
Der Wert für die Federkonstante c kann mit
einem einfachen statischen Verfahren (Versuch M.3.2.1) überprüft werden.
2.5 Trägheitsmomente
Zylinders IK nach dem Steiner’schen Satz
Gl. (25)
Lichtschranke
s
Zylinder
Drehachse
Feder
1. Das Trägheitsmoment IT und das Direktionsmoment D eines Drehtisches sollen bestimmt werden. Der Steiner’sche Satz ist
experimentell zu prüfen.
2. Es sind die Hauptachsenträgheitsmomente
eines Körpers mit U-Profil zu bestimmen.
Ein Drehtisch enthält eine horizontal liegenden Platte oder einen Steg. Diese sind starr
mit einer gut gelagerten, vertikalen Drehachse verbunden. An dieser Achse ist das innere
Ende einer Spiralfeder befestigt. Das äußere
Ende der Feder ist mit der Drehtischhalterung
verschraubt. In die Platte bzw. den Steg sind
kleine Löcher gebohrt, die definierte Abstände s von der Drehachse haben und zur Befestigung eines Testkörpers dienen. Als Körper
soll bei Aufgabe 1 ein homogener Zylinder
mit dem Radius R und der Masse m verwendet werden (Abb. M.2.5.1)
Für die Schwingungsdauer der Schwingungen des Drehtisches gilt unter den in M.2.0
gemachten Voraussetzungen
T2
(83)
m R2
.
2
mit I Z
Aufgabenstellung
I
4ʌ 2 T .
D
IZ m s2
IK
(82)
Befestigt man den Zylinder so auf dem Drehtisch, dass die Zylinderachse parallel zur
Drehachse verläuft und von ihr den Abstand s hat, ist das Trägheitsmoment des
Libelle
Abb. M.2.5.1 Schematischer Aufbau des Drehtisches
Für das Trägheitsmoment des Systems (Is)
bestehend aus Drehtisch (IT) und Zylinder
gilt
Is
IT IK
1
IT m R2 m s2 ,
2
(84)
für die Schwingungsdauer
Ts2
4ʌ 2
Is
.
D
(85)
Ist speziell s = 0, erhält man
T02
4ʌ 2
IT I Z
.
D
(86)
Aus den Gln. (82) und (86) folgt
IT
IZ
T2
T T 2
m R2 T 2
,
2 T02 T 2
(87)
D
IZ
4ʌ 2
T T2
2ʌ 2 m R 2
.
T02 T 2
(88)
2
0
2
0
Den Rechnungen liegt die Annahme zugrun-
2 Schwingungen
64 Mechanik
de, dass die Reibung in den Achslagern vernachlässigbar ist. In Wirklichkeit treten im
Experiment stets Reibungsverluste auf, die
eine Dämpfung der Schwingungen zur Folge
haben. Wenn man das Drehmoment der Reibung proportional der Winkelgeschwindigkeit dM /dt ansetzt, lässt sich berechnen, dass
die Schwingungsamplitude exponentiell mit
der Zeit abnimmt (Abb. M.2.3.2). Ist das
Verhältnis einer Amplitude zur nächstfolgenden kleiner als 2, wird die Schwingungsdauer
der gedämpften Schwingung nur um weniger
als 1% größer als die der ungedämpften. Aus
diesem Grunde können zur Berechnung der
Trägheitsmomente in guter Näherung die
Gleichungen für ungedämpfte Schwingungen
verwendet werden.
Gegeben sei nun ein starrer Körper mit einer
beliebigen Drehachse A. Ein Punkt der Achse wird als Ursprung eines rechtwinkligen
Koordinatensystems mit den Einheitsvektoren i, j, k gewählt (Abb. M.2.5.1).
In diesem System hat der Einheitsvektor e
der Drehachse die Komponenten (Richtungskosinus) D, E, J:
e Di E j J k ,
e ˜e
e
2
Ein beliebiges Massenelement dm des Körpers habe den Ortsvektor r x i y j z k .
0
i
2
2
2
2
gilt. Das Trägheitsmoment IA des Körpers,
bezogen auf die gegebene Achse A, ist
³ l dm ³ r
2
IA
2
e dm ³ r e dm
2
2
oder
³ x y z D E J dm
³ xD y E zJ dm .
2
IA
2
2
2
2
2
2
Ordnet man nach den Komponenten des
Einheitsvektors e der Drehachse, wird
D 2 ³ y 2 z 2 d m E 2 ³ z 2 x 2 dm
IA
J 2 ³ x 2 y 2 dm
2 D E ³ x y dm E J ³ y z dm J D ³ z x dm .
³ y
³x
2
z 2 dm
2
y 2 dm
I xx , ³ z 2 x 2 dm
I yy ,
I zz
I xy , ³ y z dm
I yz , ³ z x dm
I zx
bezeichnet man als Trägheitsprodukte. Damit
wird
l
ψ
j
r e r e
³ x y dm
y
e
2
r r cos 2M
sind die Trägheitsmomente des Körpers
bezogen auf die drei Achsen des Koordinatensystems. Die Größen
A
k
2
r sin 2M
l2
Die Ausdrücke
1 D2 E2 J 2 .
z
Der senkrechte Abstand des Massenelements
von der Achse A sei l, so dass
dm
IA
D 2 I xx E 2 I yy J 2 I zz
2 D E I xy E J I yz J D I zx .
r
x
Abb. M.2.5.2 Drehung eines Körpers um eine
feste Achse (körperfestes x y z - System)
(89)
Gl. (89) sagt aus: Wenn man die drei Trägheitsmomente, bezogen auf die Achsen eines
Koordinatensystems und die drei Trägheitsprodukte kennt, kann man das Trägheitsmo-
2.5 Trägheitsmomente
65
ment für jede durch den Nullpunkt des Systems gehende Achse angeben. Auf der Drehachse soll vom Nullpunkt aus die Größe
R
1
IA2
X
aufgetragen, d. h., es soll der Vektor
R
IA
1
2
Diese Betrachtungen gelten z. B. für den in
Abb. M.2.5.3 skizzierten Körper mit Uförmigem Profil. Der Ursprung des Koordinatensystems soll im Massenmittelpunkt
liegen.
Y
e
RD i R E j R J k [ i K j ] k
dargestellt werden. Multipliziert man Gl. (89)
mit R2, erhält man für die Komponenten [, K
und ] des Vektors R
[ 2 I xx K 2 I yy ] 2 I zz
2 [K I xy K ] I yz ] [ I zx 1 .
(90)
Gl. (90) stellt eine Fläche im Raum dar. Da
das Trägheitsmoment IA für keine Drehachse
verschwindet, bleibt der Vektor R stets endlich. Die Fläche ist also ein (körperfestes)
Ellipsoid, das Trägheitsellipsoid. Durch eine
Hauptachsentransformation (Drehung des
Koordinatensystems um den Nullpunkt) kann
man Gl. (90) in die Form
Ix X 2 I y Y 2 Iz Z 2 1
(91)
bringen. Ix, Iy, Iz bezeichnet man als Hauptträgheitsmomente, die Achsen des neuen
Koordinatensystems X, Y, Z als Hauptträgheitsachsen und die durch die Achsen gebildeten Ebenen als Hauptträgheitsebenen.
Die Verhältnisse werden wesentlich einfacher, wenn der Körper homogen und z. B. die
xy-Ebene des Koordinatensystems eine Symmetrieebene ist. In diesem Falle verschwinden die Trägheitsprodukte Iyz und Izx, und die
Hauptachsentransformation wird durch eine
Drehung des Koordinatensystems um die zAchse erreicht. Hat der Körper noch zusätzlich eine Symmetrieebene, die senkrecht auf
der xy-Ebene steht (z. B. die xz-Ebene des
Koordinatensystems), dann verschwindet
auch Ixy. Die Achsen des Koordinatensystems
x, y, z sind also bereits Hauptträgheitsachsen.
Z
Abb. M.2.5.3 Hauptträgheitsmomente eines Körpers mit U-Profil, Hauptträgheitsachsen als Koordinatenachsen gewählt (schematisch)
Versuchsausführung
Zunächst werden die Masse m und der Radius R des Zylinders bestimmt. Danach erfolgt
die Berechnung der Trägheitsmomente IK mit
Hilfe der Gl. (83) für die mit dem Drehtisch
realisierbaren Abstände s (jeweils acht Abstände links (s) und rechts (+s) von der
Drehachse entfernt). Vor Beginn der Periodendauermessungen ist der Drehtisch zu
justieren. Die Messung der Werte für T, T0
und Ts erfolgen mit einer Gabellichtschranke
und einem Digitalzähler.
Das Trägheitsmoment des Drehtisches IT
ergibt sich aus Gl. (87) und das Direktionsmoment D aus Gl. (88). Die Trägheitsmomente Is werden nach Gl. (84) berechnet und
über s2 graphisch dargestellt. In den Graphen
werden anschließend die nach Gl. (85) ermittelten Werte Is eingetragen. Wenn die Abweichungen dieser Punkte von der Geraden
kleiner als die Messunsicherheiten sind, ist
die Gültigkeit des Steiner’schen Satzes experimentell nachgewiesen.
Bei Aufgabe 2 sollen die drei Hauptträgheitsmomente eines homogenen Körpers mit
zueinander senkrechten Symmetrieebenen für
den Massenmittelpunkt experimentell bestimmt werden.
3 Deformationsverhalten
66 Mechanik
Zur Bestimmung der verschiedenen Trägheitsmomente des Körpers verwendet man
einen Drehtisch, dessen Trägheitsmoment I
und Direktionsmoment D bekannt sind. Die
an den Körper zusätzlich angebrachten kleinen Stifte dienen dazu, den Körper in definierten Lagen auf dem Drehtisch zu befestigen. Es sind die Periodendauern für jede der
drei möglichen Rotationsachsen analog zu
Aufgabe 1 für verschiedene Positionen des
Körpers (sx,i, sy,i, sz,i) auf dem Drehtisch zu
messen. Daraus lassen sich die Trägheitsmomente Ix,i, Iy,i und Iz,i berechnen. Diese sind
in Abhängigkeit von s graphisch darzustellen
und aus den drei Kurven ermittelt man die
Minima (vgl. Abb. M.2.5.4). Es gilt:
Min ( I x ,i )
I xx = I X ,
Min ( I y ,i )
I yy = IY ,
Min ( I z ,i )
I zz = I Z .
Ix,i
3 Deformationsverhalten
3.0 Grundlagen
Jeder Festkörper erfährt unter dem Einfluss
einer mechanischen Spannung Deformationen. Bei hinreichend kleiner Spannung ist die
Deformation in der Regel elastisch, d. h., der
Körper nimmt nach der Entlastung seine
ursprüngliche Gestalt wieder an. Überschreitet die Spannung dagegen einen bestimmten
Wert, können Fließerscheinungen zu bleibenden Volumen- oder Formänderungen
führen. Dann nennt man die Deformation
unelastisch oder plastisch.
Das elastische Verhalten homogener, isotroper fester Körper wird durch vier Materialgrößen charakterisiert: den Elastizitätsmodul E, die Poisson’sche Zahl ȝ, den Torsionsoder Schubmodul G und den Kompressionsmodul K. Wenn man sich auf den eindimensionalen Fall beschränkt, wird der Elastizitätsmodul durch das Hooke’sche Gesetz in
der Form
V
Ixx
0
sx,i
Abb. M.2.5.4 Beispiel zur Bestimmung des
Hauptträgheitsmoments Ixx = IX
Damit ist das Trägheitsellipsoid Gl. (91) für
den Massenmittelpunkt des Körpers vollständig bestimmt.
Außerdem lässt sich die Lage des Massenmittelpunkts angeben. Diese und die zugehörigen drei Hauptträgheitsmomente des Körpers in Abb. M.2.5.3 können auch berechnet
werden.
EH
(1)
definiert. Gl. (1) besagt, dass bei hinreichend
kleiner Deformation die Zugspannung V der
Dehnung H proportional ist (typisch für Metalle, Glas, Keramik). Dabei ist die Zugspannung die senkrecht zum Querschnitt A des
Körpers angreifende Kraft FZ (Abb. M.3.0.1)
geteilt durch diesen Querschnitt:
V
FZ
.
A
(2)
Als Dehnung bezeichnet man das Verhältnis
der Längenänderung 'l zur ursprünglichen
Länge l:
H
ǻl
.
l
(3)
Die Poisson’sche Zahl ist der Quotient der
3.0 Grundlagen
67
relativen Querverkürzung 'R/R und der
Dehnung H = 'l/l (Abb. M.3.0.1):
P
'R 1
R H
'R l
.
R 'l
(4)
FZ
gleichmäßigen Druck p, d. h. bei einer negativen mechanischen Spannung, das Volumen V. Wenn der Druck um den kleinen
Wert 'p variiert wird, ändert sich das Volumen um 'V. Bei einer Druckerhöhung nimmt
das Volumen ab, bei einer Druckerniedrigung
zu. Der Quotient 'p /'V ist also stets negativ.
Zur Charakterisierung der Kompression eines
festen Körpers dient der Kompressionsmodul K:
K
l
V
dp
dV
(7)
Den Kehrwert des Kompressionsmoduls
bezeichnet man als Kompressibilität
N
­ 1 'V ½
1 dV
lim ® .
¾ dp
'
V
p
V
¯
¿
(8)
'p o 0
Δl
A
FS
FZ
2(R-ΔR)
2R
α
Abb. M.3.0.1 Deformation eines Zylinders durch
eine Zugkraft
Wenn auf die obere Deckfläche eines Würfels, dessen Bodenfläche festgehalten wird,
eine nicht zu große Kraft FS in der in
Abb. M.3.0.2 dargestellten Richtung wirkt,
ist der Scherwinkel D der Schubspannung W
proportional:
W GD .
(5)
Den Proportionalitätsfaktor G nennt man
Schub- oder Torsionsmodul, und die Schubspannung ist das Verhältnis der Scherkraft FS
zum Querschnitt A des Würfels:
W
FS
.
A
Abb. M.3.0.2 Deformation eines Würfels durch
eine Scherkraft
Aus den Definitionsgleichungen (1), (5) und
(7) folgt, dass die Größen E, G, und K die
Dimension eines Drucks haben. Ihre kohärente Einheit ist das Pascal:
1 Pa = 1 N m -2 .
Mit der Elastizitätstheorie können außerdem
die Zusammenhänge zwischen den Größen E,
G, K und P begründet werden:
P
E
1 ,
2G
K
E
.
3 1 2 P (6)
Ein fester Körper habe bei einem allseitig
(9)
(10)
3 Deformationsverhalten
68 Mechanik
Falls man z. B. den Elastizitätsmodul und
den Torsionsmodul experimentell bestimmt
hat, können die Poisson’sche Zahl und der
Kompressionsmodul aus den Gln. (9) und
(10) berechnet werden.
3.1 Elastizitätsmodul
Das Verhalten fester Körper bei Zugbeanspruchung wird in der Technik mit Hilfe
spezieller Werkstoffprüfmaschinen (z. B.
Zugprüfmaschinen) untersucht. Der Stab
wird an einem Ende starr mit dem Ständer
der Maschine verbunden und am anderen
Ende greift eine Zugkraft FZ in Richtung der
Stabachse an, so dass die Materialprobe
gedehnt wird. Zur Messung der Längenänderung 'l und der Zugkraft verwendet man bei
modernen Prüfmaschinen geeignete elektronische Sensoren, die über ein Interface mit
einem Rechner gekoppelt werden. Damit ist
die direkte Aufnahme eines 'l-Fz-Diagramms möglich. Um das Verhalten verschiedener Stoffe und von Proben mit unterschiedlichen Abmessungen bei Zugbeanspruchung vergleichen zu können, werden die
Zugkraft FZ auf den Querschnitt A der Probe
und ihre Verlängerung 'l auf die Anfangslänge l bezogen. Man geht also zu V (Gl. (2))
und H (Gl. (3)) über und stellt den Zusammenhang zwischen beiden Größen in einem
Spannungs-Dehnungs-Diagramm dar, das für
Metalle beispielsweise den in Abb. M.3.1.1
schematisch dargestellten Verlauf hat.
Im Intervall 0 < V < V1 gilt das Hooke’sche
Gesetz (Gl. (1)). Punkt 1 wird als Proportionalitätsgrenze bezeichnet, und der Elastizitätsmodul ergibt sich aus der Steigung der so
genannten Hooke’schen Geraden zu
E
'V
.
'H
(11)
Im linearen Bereich des Diagramms nehmen
die Probekörper nach einer Entlastung ohne
Verzögerung ihre ursprüngliche Länge wieder an; die Stoffe verhalten sich hier elas-
tisch. Im Intervall V1 < V < V2 bilden sich die
Verformungen zwar auch noch zurück, wenn
die Zugspannung aufgehoben wird, doch
geschieht dies allmählich. Man beobachtet
eine elastische Nachwirkung (Viskoelastizität), außerdem sind Spannung und Dehnung
einander nicht mehr proportional. Punkt 2
des Diagramms wird Elastizitätsgrenze genannt. Sie kann weder streng definiert noch
bestimmt werden und wird deshalb bei Metallen oft willkürlich als die zu einer bestimmten Dehnung gehörende Spannung
festgelegt (technische Elastizitätsgrenze).
σ
3
σZ
2
σ2
σ1
B
1
0
εZ
εB ε
Abb. M.3.1.1 Spannungs-Dehnungs-Diagramm
bei Zugbeanspruchung (schematisch)
Oberhalb des Punkts 2 werden die Proben
irreversibel verformt. Hier sind die Stoffe
plastisch, und das Spannungs-DehnungsDiagramm kann wegen strukturbedingter
Fließ- und Verfestigungsprozesse kompliziert
aussehen. Die höchste nominelle Spannung
(Zugkraft FZ bezogen auf den Anfangsquerschnitt A0) wird Zugfestigkeit VZ genannt.
Oberhalb der entsprechenden Dehnung HZ
beginnt die Probeneinschnürung, die im
Punkt B (Bruchdehnung HB) zum Zerreißen
der Probe führt. Im oberen plastischen Bereich der Deformation schnüren sich die
Zerreißproben an einer Stelle merklich ein.
3.1 Elastizitätsmodul
Wird diese Querkontraktion berücksichtigt
und die Zugkraft FZ jeweils auf den tatsächlichen Querschnitt der Probe bezogen, steigt
die Kurve bis zum Bruch der Probe (gestrichelter Kurvenverlauf in Abb. M.3.1.1, auf
die jeweilige aktuelle Querschnittsfläche der
Probe bezogene Zugspannung). Einige Werkstoffe (z. B. gehärteter Kohlenstoffstahl)
zerreißen bereits im oder am Ende des elastischen Bereichs, sie sind spröde. Andere
Materialien werden bei Raumtemperatur
schon bei den geringsten Belastungen plastisch verformt. Bei ihnen ist der elastische
Bereich unterdrückt.
Das deformationsmechanische Verhalten der
Werkstoffe hängt außerdem von den äußeren
Bedingungen während der Beanspruchung
ab. So werden Metalle bei höheren Temperaturen plastischer (Schmieden, Walzen und
Pressschweißen), bei tiefen Temperaturen
werden sie elastischer, sogar spröde. Letzteres gilt auch bei einer mit hoher Geschwindigkeit erfolgenden Deformation. Demnach
gibt es keine deformationsmechanischen
Materialkonstanten im strengen Sinne. Für
die Werkstoffprüfung müssen Prüfverfahren
und -bedingungen vereinbart werden, durch
die die Stoffgrößen dann definiert sind.
3.1.1 Dehnung
Aufgabenstellung
Der Elastizitätsmodul E verschiedener Metalle soll aus der Dehnung von Drähten bestimmt werden.
Ein Draht sei an einem Ende eingespannt,
während am anderen Ende eine Zugkraft F0
angreift. Diese wird so groß gewählt, dass
der Draht straff gespannt ist. Am Draht sind
zwei Marken 1 und 2 angebracht, die bei der
Belastung F0 den Abstand l haben sollen.
Beide Marken werden mit je einem Mikroskop beobachtet. Die Mikroskopständer
dürfen während des Versuchs nicht verschoben werden. Dagegen soll sich jedes Mikroskop relativ zu seinem Ständer mit Hilfe
69
einer Messschraube parallel zu dem zu untersuchenden Draht bewegen lassen, so dass
man nach Vergrößerung der Zugkraft die
Verschiebung der beiden Marken messen
kann.
Versuchsausführung
Man belastet den Draht mit der Zugkraft F0
und misst den Abstand l. Der Drahtdurchmesser 2r ist an etwa zehn verschiedenen
Stellen zwischen den Marken zu bestimmen.
Zur Berechnung des Querschnittes wird der
arithmetische Mittelwert r verwendet. Die
beiden Messschrauben werden auf null gestellt und es wird die Lage von Marke 1 bzw.
Marke 2 an den Okularskalen der Mikroskope abgelesen. Nach zusätzlicher Belastung
des Drahts mit der Zugkraft Fz sind die Messschrauben so zu stellen, dass die beiden Marken mit den gleichen Teilstrichen der Okularskalen wie vor der Belastung zur Deckung
kommen. Die Differenz der Messschraubeneinstellung ist die der Zugkraft Fz entsprechende Verlängerung 'l.
Man berechnet die Zugspannung V nach
Gl. (2), die Dehnung H nach Gl. (3) und wiederholt die Messung bei mehreren verschieden großen Zugkräften. V ist über H graphisch
darzustellen. Der Elastizitätsmodul E ergibt
sich aus dem Anstieg der Ausgleichsgeraden
nach Gl. (11). Der Versuch ist mit einem
Draht aus anderem Material zu wiederholen.
Es ist zu beachten, dass die Drähte keine
Knicke haben dürfen.
3.1.2 Biegung
Aufgabenstellung
1. Der Elastizitätsmodul E von zwei verschiedenen Metallen ist aus der Biegung von
Stäben zu ermitteln.
2. Es sind für zwei Rohre aus gleichem Material mit gleichem Außendurchmesser aber
unterschiedlicher Wanddicke die Flächenträgheitsmomente aus der Biegung bei zweiseitiger Auflage zu bestimmen. Mit dem
3 Deformationsverhalten
70 Mechanik
gegebenen Wert für den Elastizitätsmodul
sind die Biegesteifigkeiten zu berechnen und
zu diskutieren.
Gegeben sei ein homogener Stab (Dichte U,
Querschnitt A), der auf zwei Schneiden (Abstand l) liegt. Jede der beiden Schneiden ist
dadurch mit der Kraft 0,5 F0 belastet.
Das Gewicht des Stabs F0 kann unter der
Voraussetzung, dass die Stablänge mit dem
Schneidenabstand übereinstimmt, als
F0
gUAl
(12)
geschrieben werden. Der Stab ist infolge der
Wirkung seines Gewichts auch ohne zusätzliche Belastung etwas gebogen. Lässt man in
der Mitte zwischen den Auflagen senkrecht
zur Stabachse eine Kraft F angreifen, wird
die Durchbiegung vergrößert.
a)
Schichten des Stabs zusammengedrückt und
die unteren gedehnt. Im Inneren gibt es eine
Schicht, deren Länge sich nicht ändert. Diese
Schicht bezeichnet man als neutrale Faser.
Die Gleichung der neutralen Faser y(x) kann
unter Erfüllung folgender Voraussetzungen
berechnet werden:
1.Das Hooke’sche Gesetz Gl. (1) gilt .
2. Ein ebener Querschnitt des Stabs bleibt bei
allen auftretenden Belastungen eben .
3.Die Durchbiegung ist so klein, dass für alle
vorkommenden Werte von x der Betrag der
Ableitung dy/dx sehr klein gegen 1 ist .
Auf den Stabquerschnitt an der Stelle x
(Abb. M.3.1.2b und Abb. M.3.1.3) wirkt ein
Drehmoment im Uhrzeigersinn
gUA
M1
l
x
2
³
0
l
l
2
w dw ³ K V K dA .
(13)
A
dl
dϕ
g ρAdl
F
b)
r
y
w dw
1 (F+F )
0
2
x
x
ξ
g ρAdw
η
l
2
Abb. M.3.1.2. Gleichwertige Anordnungen zur
Untersuchung der Biegung
Abb. M.3.1.2 zeigt zwei Anordnungen zur
Untersuchung der Biegung. Diese sind
gleichwertig, wenn beide Stäbe aus dem
gleichen Metall bestehen und den gleichen
konstanten Querschnitt A haben.
Die folgenden Überlegungen beziehen sich
auf die Anordnung in Abb. M.3.1.2b, bei der
die in der Mitte des Stabs angreifende Kraft
nach oben wirkt. Dadurch werden die oberen
neutrale
Faser
ξ
Schichtquerschnitt
dA
ξ+dξ
ση
Abb. M.3.1.3. Deformiertes Volumenelement als
Folge der Biegung (stark vergrößert)
Für die Normalspannung VK (Abb. M.3.1.3)
gilt nach dem Hooke’schen Gesetz
VK
E HK
E
d[
[
E
K
r
.
(14)
Dabei sind HK die relative Dehnung sich einer
im Abstand K von der neutralen Faser befindenden Schicht, r der Krümmungsradius der
3.1 Elastizitätsmodul
71
neutralen Faser an der Stelle x und E der
Elastizitätsmodul. Das beim Einsetzen von
Gl. (14) in Gl. (13) entstehende Integral
IK
³K
2
dA
(15)
A
bezeichnet man als (axiales) Flächenträgheitsmoment. Seine Dimension ist Länge4
(Einheit m4). Für einige Stabprofile sind die
Berechnungsformeln für das Flächenträgheitsmoment im Anhang A.14 dargestellt.
Die Biegesteifigkeit B ergibt sich als Produkt
aus dem Elastizitätsmodul des Materials und
dem Flächenträgheitsmoment (B = E IK ).
Wenn man das erste Integral in Gl. (13) löst
und Gl. (15) verwendet, erhält man
2
1
§l
· E
g U A ¨ x ¸ IK .
r
2
2
©
¹
M1
(16)
Die Kraft 0,5 (F + F0) übt auf den Querschnitt an der Stelle x (Abb. M.3.1.2b) ein
Drehmoment im mathematisch positiven
Sinne der Stärke
1§l
·
¨ x ¸ F F0 2©2
¹
M2
(17)
Nach Voraussetzung 3 soll d y / d x vernachlässigbar klein gegen 1 sein. In dieser
1
d2 y
r 2.
Näherung gilt
r
dx
Die Integration der Gleichung
2
d2 y
dx 2
1
F l 2x
4
­°§ l · 2
½°
1
g U A ®¨ ¸ x 2 ¾
2
¯°© 2 ¹
¿°
r E IK
liefert bei Berücksichtigung der Randbedindy
gungen
x 0 y 0 0 die Gleichundx
gen
r E IK
1
F l x x2 4
­°§ l ·2
1
1 °½
g U A ®¨ ¸ x x3 ¾ ,
2
3 °¿
°¯© 2 ¹
1
F l 2 x 4
­°§ l ·2
½°
1
g U A ®¨ ¸ x 2 ¾ .
2
¯°© 2 ¹
¿°
(18)
Die Größe 1/r ist die Krümmung der neutralen Faser an der Stelle x. Aus der Theorie der
Berührung höherer Ordnung folgt für die
Krümmung einer Kurve y(x)
1
r
r
d2 y
dx 2
ª §dy · º
«1 ¨
¸ »
dx ¹ »
¬« ©
¼
2
32
.
dy
dx
(19)
1 § l 2 1 3·
F¨ x x ¸
4 ©2
3 ¹
r E IK y
aus. Im Gleichgewichtsfall gilt M 1 M 2 .
Aus den Gln. (16) und (17) folgt bei Verwendung von Gl. (12)
1
E IK
r
(18a)
­°§ l ·2
1
1 ½°
g U A ®¨ ¸ x 2 x 4 ¾ .
4
6 ¿°
¯°© 2 ¹
(20)
Da im vorliegenden Falle y(x) im Intervall
0 < x < l/2 positiv ist, muss in den Gln. (18a)
bis (20) das positive Vorzeichen verwendet
werden. Die Funktion der neutralen Faser hat
an der Stelle x = l/2 sowohl die größte Steigung als auch den größten Funktionswert.
Mit
M | tan M
dy
( x l / 2)
dx
folgt aus Gl. (19)
E IK M
1§ 2 2
3·
¨ F l g U A l ¸ bzw.
16 ©
3
¹
3 Deformationsverhalten
72 Mechanik
M
2 ·
§
l 2 ¨ F F0 ¸
3 ¹
©
.
16 E IK
(21)
Mit Gl. (20) ergibt sich für x = l/2
E IK s
1 § 3 5
4·
¨Fl g U A l ¸
48 ©
8
¹
und man erhält für den Biegepfeil s
s
Versuchsausführung
5 ·
§
l 3 ¨ F F0 ¸
8
©
¹ .
48 E IK
(22)
Im Experiment ist der Stab zunächst mit einer
Schale (Masse ms) belastet, die zur Aufnahme von Wägestücken dient. Man erhält den
Winkel M0 bzw. den Biegepfeil s0, indem man
in den Gln. (21) und (22) F ms g setzt.
Anschließend wird auf die Schale ein Wägestück der Masse m gelegt. Der Winkel M
ergibt sich aus Gl. (21), der Biegepfeil s aus
Gl. (22) mit F (ms m) g . Gemessen werden die Differenzen M - M0 oder s - s0. Dafür
können die Gln. (21) und (22) umgeformt
werden:
E
l 2 mg
,
16 IK M M0 (21a)
l mg
.
48IK s s0 (22a)
Das Gewicht des Stabs und das der Schale
müssen demzufolge nicht bekannt zu sein.
Um den Elastizitätsmodul E angeben zu
können, muss man das Flächenträgheitsmoment IK für den Querschnitt berechnen. Voraussetzung für die Berechnung ist, dass man
die Lage der neutralen Faser kennt. Es gilt
³ V K dA 0 oder ³K dA 0 nach Gl. (15),
A
Bei Aufgabe 1 wird der zu untersuchende
Stab so auf die Schneiden gelegt, dass die
Enden des Stabs nur wenig überstehen
(Abb. M.3.1.2) und der Abstand l zwischen
den Schneiden gemessen. Danach wird die
Schale zur Aufnahme der Wägestücke in der
Mitte zwischen den Schneiden an den Stab
gehängt. Man misst den Biegepfeil s0 z. B.
mit einer Messuhr oder einem elektronischen
Sensor (Wegaufnehmer). In gleicher Weise
sind die Biegepfeile si nach Belastung der
Schale mit Wägestücken der Masse mi
(i = 1, 2, ..., n) zu bestimmen. Zur graphischen Auswertung wird die Kraft über den
Biegepfeil dargestellt. Der gesuchte Elastizitätsmodul E ergibt sich nach Gl. (22) mit dem
Anstieg ( 'F / 's ) der Ausgleichsgeraden:
E
3
E
weder verlängert noch verkürzt. Daraus folgt,
dass der Massenmittelpunkt des Stabs in der
neutralen Faser liegen muss. Hat der unbelastete Stab senkrecht zur Biegekraft eine Symmetrieebene, stellt die Symmetrieebene die
neutrale Faser dar. Beispiele für diesen Fall
sind Stäbe mit rechteckigem oder kreisförmigem Querschnitt, Rohre und I-Träger. Für Uoder T-Träger (Biegekraft nach oben oder
unten) muss die Lage der neutralen Faser
berechnet werden.
A
da sich der Stab bei der Biegung insgesamt
l 3 'F / 's
.
48 IK
(23)
Wenn statt des Biegepfeils s der Winkel M
gemessen werden soll, befestigt man an einem Ende des Stabs einen kleinen Spiegel.
Eine senkrecht stehende Skala wird über den
Spiegel durch ein Fernrohr mit Visierlinie
beobachtet. Anstelle eines Fernrohres kann
man auch die Reflexion eines Laserstahls
(Durchmesser < 1mm) nutzen, dessen reflektierter Strahl als kleiner Lichtfleck auf der
Skala beobachtet werden kann. In diesem
Fall sind die Sicherheitsbestimmungen beim
Umgang mit Laserlicht zu beachten.
3.1 Elastizitätsmodul
73
Der Abstand L zwischen Spiegel und Skala
wird gemessen. Ist der Stab nur mit der Schale belastet, wird am Maßstab der Skala der
Wert z0 abgelesen, bei zusätzlicher Belastung
mit einem Wägestück der Masse mi der Wert
zi (i = 1, 2, ... , n). Dann gilt
2 M i M 0 | tan 2M i tan 2M 0
zi z 0 .
l 2 'F / 'M
16 IK
.
(24)
Die Gleichung zur Berechnung des Flächenträgheitsmoments IK für unterschiedliche
Stabquerschnitte kann der Tabelle A.14 im
Anhang entnommen werden. Alle zur Berechnung von IK benötigten Längen sind mit
mechanischen Messwerkzeugen zu bestimmen.
Ergänzend zur zweiseitigen Auflage kann
einer der flachen Stäbe bei einseitiger Einspannung vermessen werden (Abb. M.3.1.4).
TS
l0
x
se
mit dem Korrekturterm
CK
Abb. M.3.1.4 Zur Messung der Biegung eines
einseitig eingespannten Stabs (schematisch),
Taststift TS
In diesem Fall wirkt die Gewichtskraft F am
freien Ende des Stabs der Länge l0 und in
­ x2 1 4 ½
1
x ¾ ,
g U A ®l0 2
4
2 6 ¿
¯
der die Eigenmasse des Stabs berücksichtigt.
Kann der Korrekturterm CK vernachlässigt
werden, ergibt sich für den Biegepfeil
se = ye(x) im Abstand x vom Befestigungspunkt des Stabs
se
F
2 E IK
§ 2 1 3·
¨ l0 x x ¸ .
3 ¹
©
(25)
Besonders einfach wird Gl. (25), wenn der
Biegepfeil unmittelbar am Ende (x = l0) des
einseitig eingespannten Stabs gemessen
werden kann:
se
F l03
.
3 E IK
(25a)
Nach dem Einspannen des Stabs misst man
den Abstand x und die Stablänge l0, anschließend den Biegepfeil se mit einer Messuhr
oder einem induktiven Wegaufnehmer in
Abhängigkeit von der Belastung F am Ende
des Stabs. Die Auswertung soll graphisch
unter Verwendung des Anstiegs der Ausgleichsgeraden mit Hilfe eines se(F )Diagramms erfolgen:
d se
dF
F
1 § 2 1 3·
F ¨ l0 x x ¸ CK (20b)
2 ©
3 ¹
E IK ye ( x)
L
Man stellt Fi = mi g über ǻMi Mi M0 dar
und aus dem Anstieg der besten Geraden
'F/'M kann der gesuchte Elastizitätsmodul E ermittelt werden:
E
Analogie zur Herleitung der Gl. (18) folgt:
l0 x 2 x3
3 .
2 E IK
Mit den zu messenden Werten für l0 und x
sowie dem Wert für IK kann der Wert des
Elastizitätsmoduls bestimmt werden.
Bei Aufgabe 2 ist für zwei Metallrohre aus
demselben Material mit gleichem Außenradius aber verschiedenen Innenradien die
Abhängigkeit F(s) zu messen und graphisch
3 Deformationsverhalten
74 Mechanik
darzustellen. Bei bekanntem Wert für den
Elastizitätsmodul des Rohrmaterials ist nach
der Bestimmung des Anstiegs der Ausgleichsgeraden unter Anwendung von
Gl. (23) das Flächenträgheitsmoment für
beide Rohre zu bestimmen. Danach berechnet man die Biegesteifigkeit der beiden Rohre und diskutiert den Einfluss der unterschiedlichen Innenradien (Wanddicken) auf
die Biegesteifigkeit auch im Vergleich zu
einem entsprechenden Vollstab.
Bei Verwendung einer mechanischen Messuhr zur Messung des Biegepfeils ist ggf. die
Federkraft FF, mit der der Taststift auf den
Stab wirkt, zu berücksichtigen. In diesem
Fall muss zur Kraft F noch die Kraft
FF = c (xa-x) addiert werden, wobei x den
gespannten und xa den nicht gespanntem
Zustand beschreibt. Die Größe von x hängt
von der Größe des Biegepfeils ab. Die Federkonstante c kann mit der im Versuch M.3.3
beschriebenen Methode bestimmt werden.
dFS G
rc
M 2ʌ r c d r c .
l
Durch Multiplikation mit dem Hebelarm rc
geht die Schubkraft in das Drehmoment über:
2ʌ G
M r c3 dr c .
l
dM
dr'
r'
α
l
ϕ
3.2 Torsionsmodul
Der Torsionsmodul G lässt sich aus Untersuchungen an verdrillten Stäben mit kreisförmigem Querschnitt bestimmen.
Gegeben sei ein einseitig eingespannter Stab,
dessen Länge l groß gegen den Radius r sein
soll. Betrachtet man im Stabinneren einen
koaxialen Hohlzylinder mit dem Radius
rc und der Dicke drc (Abb. M.3.2.1) und lässt
am freien Ende peripher eine Schubkraft dFs
angreifen, wird eine ursprünglich senkrechte
Faser des Zylindermantels um den Scherwinkel D gedreht. Für den Bogen s r c M gilt
unter der Voraussetzung D 1 in guter
Näherung s l D . Damit folgt nach Gl. (5)
W
GD
G
rc
M .
l
Das Produkt aus der Schubspannung W und
dem Querschnitt des Hohlzylinders ist die
Schubkraft
s
Abb. M.3.2.1 Torsion eines Zylinders
Das resultierende Drehmoment erhält man
durch Integration
M
³ dM
r
2ʌ G
M ³ r c3dr c ,
l
0
über alle Hohlzylinder und es folgt
M
ʌ G r4
M .
2l
(26)
Wenn zur Verdrillung des Stabs ein großes
Drehmoment erforderlich ist, empfiehlt sich
eine statische Bestimmung des Torsionsmoduls. Liegt dagegen das zu untersuchende
Material als Draht vor, wird der Torsionsmodul zweckmäßigerweise mit einer dynamischen Messmethode ermittelt.
3.2 Torsionsmodul
75
oder für D 1 folgt
3.2.1 Statische Messmethode
Aufgabenstellung
M
Der Torsionsmodul von Stäben aus verschiedenem Material soll statisch bestimmt werden. Die Ergebnisse sind mit den Werten im
Anhang A.7 zu vergleichen.
Das nicht eingespannte Ende eines Stabs
wird starr mit einer zylindrischen Scheibe
(Radius R) verbunden. Dabei sollen Stabund Scheibenachse übereinstimmen. Wenn
man nun die Schubkraft Fs in der in
Abb. M.3.2.2 dargestellten Weise an der
Scheibe angreifen lässt, ist das auf den Stab
übertragene Drehmoment
M
(27)
R Fs .
Aus den Gln. (26) und (27) erhält man für
den Torsionsmodul
G=
2 l R Fs
.
ʌ r4 M
(28)
An das freie Ende des Stabs wird ein Spiegel
befestigt. Ein auf den Spiegel fallender Laserstrahl soll nach der Reflexion auf eine
Skala treffen, die den senkrechten Abstand L
vom Spiegel hat.
0,5 Fs
2R
0,5 Fs
Abb. M.3.2.2 Wirkung der Schubkraft bei der
statischen Methode
Dreht sich die mit dem Stab verbundene
Scheibe um den Winkel M, wird der Lichtpunkt des Lasers auf der Skala um die Strecke x verschoben. Dann gilt
tan 2M
x L,
(29)
x
.
2L
(29a)
Versuchsausführung
Man misst die Stablänge l, die Durchmesser
2r bzw. 2R des Stabs bzw. der Scheibe sowie
den Abstand L zwischen Spiegel und Skala.
Anschließend sind die Werte x1, x2, ..., xn für
n verschieden große Schubkräfte zu ermitteln. Die zugehörigen Winkel M1, M2, ..., Mn
ergeben sich aus Gl. (29) bzw. Gl. (29a). Man
bestimmt den arithmetischen Mittelwert aller
Quotienten Fs i /M i und berechnet den Torsionsmodul aus Gl. (28). Der Versuch ist mindestens mit einem Stab aus anderem Material
zu wiederholen. Die für die betreffende Laserschutzklasse gültigen Sicherheitsbestimmungen liegen am Arbeitsplatz aus und müssen strikt eingehalten werden.
3.2.2 Dynamische Messmethode
Aufgabenstellung
1. Der Torsionsmodul eines Drahts soll dynamisch bestimmt werden.
2. Das Trägheitsmoment eines Quaders in
Bezug auf eine gegebene Drehachse durch
den Schwerpunkt ist mit Hilfe von Drehschwingungen zu ermitteln.
Ein Draht habe die Länge l und den Radius r.
Das obere Ende sei eingespannt, das untere
mit einer zylindrischen Scheibe belastet.
Dreht man die Scheibe um den Winkel M 0
aus ihrer Ruhelage und lässt sie zum Zeitpunkt t = 0 los, führt das System unter der
Wirkung der elastischen Kräfte des verdrillten Drahts Torsionsschwingungen aus
(M.2.0.1). Bei einem Auslenkwinkel M ist der
Betrag des rücktreibenden Drehmoments
durch Gl. (26) gegeben. Die Größe
D
ʌ G r4
2l
(30)
3 Deformationsverhalten
76 Mechanik
ist das Direktionsmoment des Torsionspendels. Bezeichnet man mit J das Trägheitsmoment des Systems, lautet nach
Gl. (M.2-18) die Bewegungsgleichung
J
d 2M
dt2
D M
,
und für die
(Gl. (M.2- 23)):
T
J
D
2ʌ
(31)
Schwingungsdauer
.
gilt
(31a)
Ist das Trägheitsmoment J bekannt, kann der
Torsionsmodul G aus den Gln. (30) und (31a)
bestimmt werden. Im Allgemeinen lässt sich
aber das Trägheitsmoment des Systems
(Draht, Scheibe und Befestigungsvorrichtung) nicht berechnen. Aus diesem Grunde
ist es notwendig, J zu eliminieren. Dazu
schraubt man einen Zylinder (Masse m, Radius R) so an die schon vorhandene Scheibe,
dass die Achse des Zylinders mit der Drahtachse übereinstimmt. Das Trägheitsmoment
des Torsionspendels vergrößert sich dadurch
um den Anteil
J1
1
m R2
2
und die Schwingungsdauer wird
T1
J J1
D
2ʌ
.
(31b)
Wenn man die Gln. (31a) und (31b) quadriert
und anschließend voneinander abzieht, ergibt
sich für das Direktionsmoment
2
D
4ʌ J1
T12 T 2
2
2
2ʌ m R
T12 T 2
.
(32)
4ʌ lmR 2
.
r 4 T12 T 2 Die Masse m und der Durchmesser 2R des
Zylinders sowie die Länge l und der Durchmesser 2r des Drahts werden bestimmt. Der
Drahtdurchmesser ist an verschiedenen Stellen zu messen. In Gl. (33) soll der arithmetische Mittelwert des Radius r verwendet
werden. Die Schwingungsdauern T, T1 und T2
(siehe unten) können mit einer elektronischen
Messanordnung (Lichtschranke, Digitalzähler) oder manuell mit einer digitalen Stoppuhr gemessen werden. Im letzteren Fall
stoppt man mehrfach die Zeit für je 50
Schwingungen, um die Messunsicherheit zu
verringern. Der Torsionsmodul G ergibt sich
aus Gl. (33). Als Versuchskörper in Aufgabe 2 wird ein flacher Quader verwendet
(Länge a, Breite b, Dicke c, a, b c , Masse
M). Die Massen der Zusatzscheibe und des
Versuchskörpers werden gegeben, die geometrischen Abmessungen sind selbst zu
ermitteln. Zur Bestimmung des Trägheitsmoments J2 des Versuchskörpers aus den
durchgeführten Messungen verwendet man
J2
G r4 2
T2 T 2 ,
8l ʌ
(34)
die unmittelbar aus den Gln. (30) und (32)
folgt. T2 bezeichnet die Schwingungszeit für
das System Grundscheibe mit Versuchskörper. Zur theoretischen Berechnung von J2
geht man von der Definition des Trägheitsmoments (M.2.0.1) aus und berechnet das
Integral zweckmäßigerweise unter Zugrundelegung kartesischer Koordinaten:
a2
J2
U
b2
c2
³ ³ ³ x
a 2 b 2
2
y 2 dx dy dz .
c 2
Daraus folgt nach wenigen Rechenschritten
für das gesuchte Trägheitsmoment eines
flachen Quaders
Aus den Gln. (30) und (32) folgt
G
Versuchsausführung
(33)
J2
M 2
a b2 .
12
3.3 Federkonstante und Torsionsmodul
77
3.3 Federkonstante und Torsionsmodul
Aufgabenstellung
1. Ein berührungsloser Wegaufnehmer ist zu
kalibrieren.
2. Die Federkonstante einer Schraubenfeder
soll mit einem Wegaufnehmer statisch und
dynamisch bestimmt werden.
3. Der Torsionsmodul des Federmaterials ist
zu berechnen.
Eine Schraubenfeder (Drahtradius r, Windungsradius R) habe n Windungen und sei
am oberen Ende eingespannt. Hängt man an
das untere Ende einen Körper der Masse m,
wird die Feder um das Stück x gedehnt
(Abb. M.3.3.1). Im Gleichgewichtsfall ist die
Summe der Kräfte gleich null:
mg cx 0 .
Darin sind g die Schwerebeschleunigung und
c die Federkonstante. Für den Zusammenhang zwischen Federkonstante c und der
Belastung der Feder mit der Masse m folgt
c
m
g .
x
(35)
hat eine partikuläre Lösung (Anhang A.2)
x
A sin Z t mg
,
c
worin A eine Konstante und Z die Kreisfrequenz ist. Aus Gl. (37) folgt
d2 x
dt 2
Z 2 A sin Z t
2r
ϕ
x
R
Abb. M.3.3.1 Schnitt durch die unterste Windung
einer um das Stück x gedehnten Schraubenfeder
Die Bewegungsgleichung
d2 x
dt2
g
c
x
m
c§
mg ·
¨x
¸
m©
c ¹
mg ·
§
Z 2 ¨ x ¸ . (38)
c ¹
©
Der Vergleich der Gln. (36) und (38) liefert
für die Kreisfrequenz bei vernachlässigbarer
Dämpfung
Z2
§ 2ʌ ·
¨ ¸
©T ¹
2
c
.
m
(39)
Während der Schwingungen (Schwingungsdauer T ) wandeln sich kinetische und potentielle Energie ständig ineinander um. Bei
diesem Prozess müssen auch die Energieanteile der schwingenden Feder (Masse mF)
berücksichtigt werden. In Gl. (39) ist aus
diesem Grunde m durch (m + 1/3 mF ) zu
ersetzen (siehe unten).
[Bei einer Längenänderung x der Feder (Federkonstante c) durch die Belastung mit einer Masse
m speichert die Feder potentielle Energie:
x
Wenn man die belastete Feder, z. B. mit der
Hand, aus ihrer Ruhelage zieht und dann
loslässt, beginnt das System zu schwingen.
(37)
Epot
x
³ Fx ' d x c
³ c xc d xc ,
0
Epot
0
c x2
.
2
Zur Berechnung der kinetischen Energie wird die
Feder (Federmasse mF, Länge der Feder L) in
kleine Massestücke dmF zerlegt (Abb. M.3.3.2):
d mF mF (d l / L) . Die gleichmäßige Federdehnung über die gesamte Federlänge L bedingt eine
Auslenkung G eines Federstücks dl aus der Ruhelage: G x (l / L) . Damit ergibt sich für die kinetische Energie des Federstücks dl
2
1
dl 2 § l ·
mF
x ¨ ¸ ,
2
L
©L¹
1
dmF G 2
2
und für die kinetische Energie der Feder Ekin,F
(36)
L
Ekin,F
³
l 0
mF
2
2
x
l
2
3
L
dl
mF 2 l 3
x
2
3L3
L
0
3 Deformationsverhalten
78 Mechanik
1
1
mF x 2 . Da die gesamte kineti2
3
sche Energie die Summe aus den kinetischen
Energien der Feder Ekin,F und der Masse m
folgt Ekin,F
( Ekin,m
m
2
x 2 ) ist, erhält man unter Berücksichti-
gung des Energieerhaltungssatzes als Gesamtenergie
Eges
Ekin Epot
m ·
cx 2
1§
m F ¸ x 2 ¨
2©
3 ¹
2
const .
Für die Federkonstante folgt dann
2
§ 2ʌ · §
1 ·
c ¨ ¸ ¨ m mF ¸ .
(40)
¨T ¸ ©
3 ¹
© ¹
Die Feder speichert bei einer Auslenkung x
aus der Ruhelage eine potentielle Energie
c 2
x .
(41)
2
Bei dieser Dehnung wird nach Abb. M.3.3.1
der Draht um den kleinen Winkel M = x/R
gedrillt. Die potentielle Energie, die der
Draht bei der Drillung aufnimmt, beträgt
nach Gl. (26):
Epot
M
l
Epot
0
dl
L
³ M dM
M
ʌG r4
M dM
2 l ³0
ʌG r4 2
M .
4l
(42)
dmF
Für die Länge des Drahts kann man im Allgemeinen in guter Näherung
0
m
x
l
2ʌ Rn
schreiben. Damit lautet Gl. (42)
Epot
Abb. M.3.3.2 Zur Begründung des Einflusses der
Federmasse mF auf die Frequenz der Federschwingung, dmF mF (d l / L)
Die Schwingungsgleichung (ohne Reibung) folgt
aus der Ableitung d Eges / d t 0 :
m ·
1§
2c x x
m F ¸ 2 x x
0,
2 ¨©
3 ¹
2
c
x
x 0.
m
m F
3
Draus ergibt sich die Eigenkreisfrequenz der
Schwingung mit
Z
c
mF
3
bei Vernachlässigung der Dämpfung. ]
m
G r4 2
M
8n R
G r4 2
x .
8 n R3
(43)
Aus dem Vergleich der Gln. (41) und (43)
erhält man für den Torsionsmodul
G
4 n R3 c
.
r4
(44)
Versuchsausführung
Die Bestimmung der Federkonstanten soll
mit einem berührungslos messenden induktiven Wegaufnehmer erfolgen, dessen Auflösung kleiner als 0,01 mm ist. Dieser besteht
aus mehreren Spulen (Primär- und Sekundärspulen SP, Abb. M.3.3.3), die sich in einem
Metallzylinder (Gehäuse G) befinden. Die
Längsachse des Metallzylinders und die
Bewegungsrichtung des Messobjekts müssen
parallel zueinander verlaufen oder die Bewe-
4.0 Grundlagen
79
gung muss durch geeignete mechanische
Befestigungen in eine zum Zylinder achsenparallele Bewegung umgewandelt werden.
Durch das Innere der Spulen wird ein dünner
Stab mit einem magnetischen Kern (Anker A) geführt, der bei kleinen Veränderungen seiner Lage möglichst große Änderungen
der Induktivität in den Spulen hervorruft und
in den Sekundärspulen ausreichend hohe
Spannungen induziert, die in ihrer Amplitude
und in ihrer Phase zueinander von der Position des Ankers abhängen. Die Verschiebung
des Ankers kann am Ausgang des Sensors als
elektrische Spannung gemessen werden.
In Aufgabe 1 muss der Wegaufnehmer kalibriert werden. Dazu befestigt man an der
Messspindel MS einer Mikrometerschraube
den Anker des Wegaufnehmers mit Hilfe
eines mechanischen Adapters AD.
MS
SP
x
M
AD
A
G
Abb. M.3.3.3 Kalibrierung eines induktiven
Wegaufnehmers mit einer Mikrometerschraube (schematisch), Messschraube M, Messspindel MS, Adapter AD, Anker A, Gehäuse G, Sensorspulen SP
Beim Eintauchen des Ankers in das Spulensystem des Wegaufnehmers werden die Induktivität des Spulensystems und dadurch die
Größe der induzierten Spannung verändert.
Der Wert der Sensorausgangsspannung US ist
null, wenn sich der Anker in der Mitte des
Spulensystems befindet. Man misst durch
Verschieben des Ankers mit Hilfe der Messschraube die Abhängigkeit der Ausgangsspannung von der Verschiebung x des Ankers. Die graphische Darstellung US(x) entspricht der Sensorkennlinie (Kalibrierkurve
des Sensors). Dabei entspricht der Anstieg
dUS/dx der Sensorempfindlichkeit.
Um Aufgabe 2 auszuführen, wird der Sensor
in senkrechter Position befestigt und man
lässt den an der Schraubenfeder hängenden
Anker so weit in den Wegaufnehmer hineinreichen, dass er sich im oberen Bereich der
Spulen befindet. Anschließend belastet man
die Feder mit verschiedenen Massen mi und
misst die zugehörigen Sensorspannungen USi.
Mit den in Aufgabe 1 ermittelten Parametern
der Sensorkennlinie können die jeweiligen
Verschiebungen xi berechnet werden. Die
Federkonstante cst wird aus dem Anstieg der
Ausgleichsgeraden der graphischen Darstellung m (x) unter Verwendung von Gl. (35)
bestimmt. Bei der dynamischen Messung
schließt man einen digitalen Zähler an die
Messeinrichtung an und belastet die Feder
mit Gewichtsstücken bekannter Masse m,
bestimmt hinreichend oft die zugehörigen
Periodendauern T des schwingenden Systems
und berechnet cdyn nach Gl. (40). Dabei ist die
Masse der Ankerbefestigung zu berücksichtigen. Mit den Werten von cst und cdyn ist der
Torsionsmodul G nach Gl. (44) zu berechnen.
Außerhalb der Messunsicherheiten auftretende Abweichungen sind unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen der statischen und der dynamischen Methode zu
diskutieren.
Steht kein induktiver Wegaufnehmer zur
Verfügung, kann der Versuch auch mit einfachen mechanischen Messmitteln durchgeführt werden.
4 Schallmessungen
4.0 Grundlagen
Erfährt in einem elastisch deformierbaren
Medium ein Volumenelement durch Druck
eine Verschiebung aus seiner stabilen Ruhelage, erleiden auch benachbarte Volumenelemente Verrückungen, die sich räumlich
und zeitlich weiter ausbreiten. Es entsteht
eine mechanische Welle. Die Gesamtheit
4 Schallmessungen
80 Mechanik
aller Flächenelemente des elastischen Körpers, die sich zu einer bestimmten Zeit im
gleichen Schwingungszustand (in gleicher
Phase) befindet, nennt man Wellenfläche.
Eine ebene Welle liegt vor, wenn das Erregungszentrum von einem Aufpunkt unendlich weit entfernt liegt. Der Bereich von
Schallwellen reicht von d 1 Hz (Infraschall)
bis t 10 THz (Phononen), der Bereich des für
den Menschen wahrnehmbaren Schalls liegt
zwischen 20 Hz und 20 kHz. In Richtung
höherer Frequenzen schließt sich der Bereich
des Ultraschalls (20 kHz bis 10 GHz) an. In
mehrdimensionalen Festkörpern treten infolge der nicht vernachlässigbaren Schubkräfte
Longitudinal1- und Transversalwellen2 auf,
die nur in unendlich ausgedehnten Systemen
reine Dehnungs- bzw. Biegewellen sind. In
begrenzten Festkörpern sind Dehnungs-,
Torsions- und Biegewellen zu beobachten.
Schallwellen in Flüssigkeiten und Gasen sind
Longitudinalwellen, da man in ihnen im
Allgemeinen den Einfluss der inneren Reibung und damit Scherkräfte vernachlässigen
kann.
4.0.1 Wellengleichung
Im einfachsten (eindimensionalen Fall) kann
die Ausbreitung der Verschiebungen in Richtung einer Koordinate x mit einer linearen
Wellengleichung des Typs
w[
wt 2
2
c2
w[
w x2
2
(1)
beschrieben werden. Dabei handelt es sich
um eine partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung, für die unendlich viele Lösungen existieren. Die in Gl. (1) eingeführte
Größe c beschreibt eine Geschwindigkeit, mit
der sich ein bestimmter Schwingungszustand
(eine Phase) ausbreitet. Sie ist in homogenen
Medien konstant. Partielle Differentialgleichungen des Typs der Gl. (1) sind nicht allgemein lösbar. Zu partikulären Lösungen
gelangt man mit einem Funktionsansatz
[ x, t [ x B ct ,
wobei [ eine beliebige, zweimal differenzierbare Funktion ist.
Die lokalen Schallschwingungen erfolgen so
schnell, dass Wärmetransport und Temperaturausgleich zwischen den durch eine halbe
Wellenlänge getrennten Stellen der Erwärmung (infolge Kompression) oder Abkühlung (infolge Entspannung) des Mediums
nicht wirksam werden können. Die
Schallausbreitung kann deshalb im Allgemeinen als adiabatischer Prozess betrachtet
werden. In Flüssigkeiten hängt die Schallgeschwindigkeit cFl vom Kompressionsmodul K
ab:
1
K
cFl2
Bei einer Longitudinalwelle sind Ausbreitungsund Schwingungsrichtung der Teilchen identisch.
2
Bei Transversalwellen schwingen die Teilchen in
Ebenen, die senkrecht zur Fortpflanzungsrichtung
der Welle liegen. Derartige Wellen sind nur in
Medien möglich, in denen infolge vorhandener
Formelastizität Schubkräfte übertragen werden
können.
1 dV
,
V dp
K
UFl
(2)
.
(3)
Wenn keine Scherkräfte zu berücksichtigen
sind, ist cFl frequenzunabhängig, d. h., es tritt
keine Dispersion auf. Ist das deformierbare
Medium ein ideales Gas, gilt die Adiabatengleichung (W.2.0.2):
VJ p
1
(4)
const .
Differenziert man Gl. (4) nach V, ergibt sich
J V J 1 p V J
dp
dV
Damit lautet Gl. (2)
K
J p ,
0 oder
dp
dV
J
p
.
V
4.0 Grundlagen
81
und man erhält
c2
p
J
.
U
(5)
In Gl. (4) bedeutet J das Verhältnis der spezifischen Wärmekapazität bei konstantem
Druck cp zur spezifischen Wärmekapazität
bei konstantem Volumen cV (W.2.0.2).
Beachtet man die für ideale Gase gültige
Beziehung
p
U
p0 T
U0 T0
p0 § T T0 ·
¨1 ¸ ,
T0 ¹
U0 ©
(6)
ergibt sich die Schallgeschwindigkeit in
Gasen als eine vom Druck unabhängige
Funktion der absoluten Temperatur:
c
p0
J
U0
1
T T0
.
T0
(7)
erfolgt eine sowohl zeitliche als auch räumliche periodische Ausbreitung der Verschiebungen in Form einer harmonischen Welle:
§ §
© ©
§ T T0 ·
1
331,5 ¨1 ¸ms .
2
T
0 ¹
©
(2n 1)
l
O
4
cD2
cT2
E
U
G
U
¹
(n 1, 2,3, ... ) .
(12)
(13)
(a)
n=1
n=2
(8)
In der Differentialgleichung für die Wellenausbreitung in begrenzten Festkörpern können je nach Art der Anregung der Schwingungen Ausbreitungsgeschwindigkeiten auftreten, die von unterschiedlichen mechanischen Materialgrößen abhängen:
·
¹
Dabei beschreiben Z die Kreisfrequenz der
Frequenz f (Z 2 ʌ f ) und D die Phasenverschiebung. Unter Berücksichtigung der
Randbedingungen, dass ein Stab der Länge l
an einem Ende frei und in der Mitte eingespannt ist, bildet sich eine stehende Welle
aus, falls die Stablänge l gleich dem ungeradzahligen Vielfachen von O/4 ist:
Für Luft erhält man im Bereich der Zimmertemperatur ( T T0 T0 ) in guter Näherung
cLuft
x·
[ x, t b0 sin ¨ Z ¨ t B ¸ D ¸ .
c
n=3
l
(b)
n=1
(Dehnungswelle) ,
(9)
n=2
(Torsionswelle) .
(10)
n=3
Dabei bezeichnen E den Elastizitätsmodul
und G den Torsionsmodul.
Werden die Schwingungen sinusförmig angeregt gemäß
b b0 sin Z t D ,
(11)
l
Abb. M.4.0.1 Longitudinalschwingungen in Stäben, (a) an einem Ende eingespannt, (b) an beiden
Enden frei (Ordnung n)
Für die Eigenfrequenzen fn der stehenden
4 Schallmessungen
82 Mechanik
longitudinalen Welle (Dehnungswelle) der
Ordnung n erhält man
fn
c
2n 1
On
c
,
4l
(14a)
wobei für die Grundschwingung n = 1 und
für die Oberschwingungen n > 1 (n ganzzahlig) gilt. Abb. M.4.0.1a vermittelt die entsprechenden stehenden Wellen bis zur zweiten Oberschwingung. Im Falle eines an beiden Enden freien Stabs (Abb. M.4.0.1b)
bilden sich stehende Wellen aus, wenn die
Stablänge l ein ganzzahliges Vielfaches
von O/2 ist. Die Eigenfrequenzen in Abhängigkeit von der Ordnung n ergeben sich dann
nach der Gleichung
fn
c
n
On
c
.
2l
E IK w 4]
.
U A w x4
(15)
IK bezeichnet das Flächenträgheitsmoment
des Stabquerschnitts A (M.3.1.2), E den
Elastizitätsmodul und U die Dichte des Stabmaterials. Die Eigenfrequenzen der Biegeschwingungen ergeben sich zu
fn
mn2
2 ʌl2
E IK
UA
n=1
n=2
(14b)
Der Abstand zwischen benachbarten Schwingungsknoten (Schwingungsenergie null) ist
eine halbe Wellenlänge.
Bei Biegewellen treten kompliziertere Verhältnisse auf. Die zugrunde liegende Differentialgleichung lautet in diesem Fall
w 2]
wt 2
Für Ordnungen n > 3 lässt sich der Wert für
mn durch die Gleichung mn = (2n-1) S/2 mit
hinreichender Genauigkeit berechnen. In
Abb. M.4.0.2 sind die ersten drei Ordnungen
einer stehenden Biegewelle eines einseitig
eingeklemmten Stabs dargestellt. Im Gegensatz zu den Dehnungswellen sind die Knotenabstände nicht konstant. Schwingungsknoten treten z. B. an den Positionen x = 0
bei der ersten, x =0; 0,77 l bei der zweiten
und x = 0; 0,5 l; 0,88 l bei der dritten Ordnung auf.
n=3
l
Abb. M.4.0.2 Biegeschwingungen in Stäben
(Ordnung n), Stab an einem Ende eingespannt
Außerdem ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit (Phasengeschwindigkeit) der Biegewelle cB,ph frequenzabhängig (Schalldispersion)
und genügt der Gleichung
cB,ph
Z
4
E IK
UA
.
(17)
Mit der mittleren Wellenlänge
.
(16)
Dabei sind die Werte von mn Wurzeln transzendenter Gleichungen vom Typ
cos mn cosh mn 1, die man entsprechenden Tabellen entnehmen kann (z. B.
m1 = 1,875, m2 = 4,694, m3 = 7,851).
On
4l
2n 1
(18)
und cB,ph = On fn erhält man
cB,ph
8 mn2
ʌ (2 n 1) 2
E IK 1
.
U A On
(17a)
4.0 Grundlagen
83
Für Biegewellen auf Stäben folgt aus der
allgemeinen Beziehung zwischen Gruppen (cgr)- und Phasengeschwindigkeit (cph),
cgr cph O
d cph
dO
,
(19)
dass bei diesen die Gruppengeschwindigkeit
cB,gr doppelt so groß wie die Phasengeschwindigkeit ist:
cB,gr
(20)
2 cB,ph .
Dementsprechend wird in einem Festkörper
durch eine Biegewelle mechanische Energie
zweimal so schnell wie die Wellenphase
transportiert. Die Bewegungsgleichung eines
durch eine äußere Anregung mit der Frequenz f = Z /(2S zu Schwingungen angeregten Stabs lautet analog zu den in M.2 bzw. im
Anhang A.2 eingeführten Differentialgleichungen
d2 z
dz
2G
Z02 z
2
dt
dt
a0 cos Z t .
(21)
z(t) bezeichnet die Auslenkung (Elongation),
Z0 die Eigenfrequenz der freien, ungedämpften Schwingung des Systems und G die
Dämpfungskonstante. Für den Schwingfall
(nicht zu stark gedämpfte Schwingung,
G << Z0) wurde die Lösung von Gl. (21) bereits in M.2.3.1 beschrieben:
Zr
Z02 2G 2 | Z0 .
Verlustfaktor D :
D
'Z
('Z Z2 Z1 ) ,
Z0
Dämpfungskonstante G :
G
D Z0
2
Amax
2
A(Z0 )
,
Z02 4G 2Z 2
2
a0
2 G Z02 G 2
(26)
Q
1
,
D
(27)
Logarithmisches Dekrement / :
/ ʌD .
(28)
Die quadratische Form von Gl. (23)
A(Z ) 2
Z
a 20
2
(29)
Z 02 4 G 2Z 2
2
wird durch die so genannte Lorentzkurve
beschrieben (Abb. M.4.0.3).
1,0
A(ω)2
A2max
0,5
Δω
(22)
a0
Z
'Z
,
2
Güte Q :
0
A(Z )
(25)
.
(23)
(24)
Zur Charakterisierung der materialabhängigen Dämpfung der Schallwellen werden
dieselben Dämpfungsgrößen analog zum
Versuch M.2.3.1 eingeführt:
ω1 ω0
ω2
ω
Abb. M.4.0.3 Lorentzkurve
Die Zeitkonstante des durch eine Exponentialfunktion beschreibbaren Ausschwingvorgangs W = G-1, d. h., die Zeit, in der die Amplitude auf den e-ten Teil ihres Anfangswerts
abgeklungen ist (Abb. M.2.3.2), entspricht
gerade der halben Halbwertsbreite der stationären Resonanzkurve:
ǻZ
2G .
(30)
4 Schallmessungen
84 Mechanik
4.0.2 Schallwandler
(1)
Als Schallgeber und Schalldetektoren werden
häufig piezoelektrische Wandler eingesetzt.
Sie bestehen in der Regel aus speziellen
Dielektrika, in denen unter dem Einfluss
äußerer mechanischer Einwirkungen (z. B.
Druck, Schallwellen) im Inneren elektrische
Dipolmomente erzeugt bzw. vorhandene
verändert werden. Dies hat zur Folge, dass an
ihrer Oberfläche Ladungen messbar werden.
Diese Erscheinung bezeichnet man als Piezoelektrizität. Oft wird die Piezoelektrizität
ferroelektrischer Keramiken oder von Polymerelektreten genutzt.
Zur Erzeugung mechanischer Deformationen
eines dielektrischen Mediums nutzt man den
Effekt der Elektrostriktion aus, bei der in
Abhängigkeit eines angelegten periodischen
elektrischen Felds die Schwingungen des
Schallgebers durch geeignete Schallankopplung auf das zu untersuchende Medium übertragen werden.
Alternativ werden Anordnungen verwendet,
die auf dem Effekt der Magnetostriktion
beruhen. Bringt man einen Stab aus ferromagnetischem Material in ein zur Stabachse
parallel verlaufendes magnetisches Feld,
erfährt dieser eine Längenänderung, die je
nach der Magnetisierung des Materials und in
Abhängigkeit von der Richtung des Magnetfelds eine Verlängerung oder Verkürzung
sein kann. Die relativen Längenänderungen
liegen in der Größenordnung von 10-6.
Bei Anlegen eines magnetischen Wechselfelds (Frequenz f) ändert sich die Stablänge
periodisch. Die im Stab auftretende mechanische Spannung ist eine Funktion der magnetischen Flussdichte und der elastischen Eigenschaften des Materials. Von den Enden
des Stabs werden (Schall-) Wellen mit der
gleichen Frequenz abgestrahlt. Dabei erreichen die Schwingungsamplituden ein Maximum für den Fall, dass die Frequenz der
elastischen Eigenschwingung des Stabs (bzw.
entsprechender Oberschwingungen) und die
Erregerfrequenz übereinstimmen.
G
Hz
f
(2a)
Wandler
(2b)
Medium
(6) mV
(4)
Wandler
(3)
(5)
Abb. M.4.0.4 Versuchsplatz für Schallmessungen
an Metallstäben (schematisch)
Der bei den hier beschriebenen Versuchen
verwendete Schallmessplatz besteht im Allgemeinen aus folgenden Grundgeräten
(Abb. M.4.0.4):
(1) Generator zur Wellenanregung mit variabler Ausgangsfrequenz und der Möglichkeit
der Feinabstimmung der Erregerfrequenz,
(2a, b) Schallwandler (magnetostriktiv, piezoelektrisch) zur Anregung und zum Nachweis der Schallwelle, (3) Filter zur Beseitigung niederfrequenter Störsignale, (4) Messverstärker zur Verstärkung der Schallempfängerspannung, (5) Zweikanal-Digitaloszilloskop oder rechnergestützte Messwerterfassung zur Beobachtung, Speicherung und
Verarbeitung der Signalspannungen, (6) ACMillivoltmeter für die direkte Messung des
Effektivwerts der verstärkten Wechselspannung zur Aufnahme einer Resonanzkurve.
4.1 Schallgeschwindigkeit in
Festkörpern
4.1.1 Dehnungswelle
Aufgabenstellung
1. Es ist die Geschwindigkeit der Dehnungswelle von einem in der Mitte eingespannten
Stab aus ferromagnetischem Material für
verschiedene Ordnungen und der Elastizitätsmodul des Materials zu bestimmen.
2. Durch Schallübertragung mit piezokeramischen Schwingern auf einen nicht ferromagnetischen Metallstab mit freien Enden sind
4.1 Schallgeschwindigkeit in Festkörpern
für verschiedene Ordnungen die Resonanzfrequenzen zu messen. Daraus sind die
Schallgeschwindigkeit und der Elastizitätsmodul des Stabmaterials zu ermitteln.
3. Die Resonanzkurve ist für eine ausgewählte Ordnung der Dehnungswelle aufzunehmen. Daraus ermittelt man die Halbwertsbreite und berechnet den Verlustfaktor. Die
Anpassung an eine Lorentzkurve soll überprüft werden.
Versuchsausführung
Bei allen Messungen werden lange und dünne Metallstäbe mit kreisförmigem Querschnitt untersucht. Die Länge der Stäbe wird
mit einem Maßband bestimmt. Zur Realisierung der Aufgabe 1 ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Dehnungswelle für verschiedene Ordnungen im Frequenzbereich
von etwa 2 kHz bis ca. 50 kHz zu bestimmen. Für die Erregung einer Schallwelle in
dem ferromagnetischen Metallstab wird ein
magnetostriktiver Schallgeber (flache Kreisspule) verwendet. Die Erregerspule wird mit
einem Sinusgenerator verbunden. Das Erregersignal beobachtet man mit einem der
beiden Kanäle eines Zweikanal-Digitaloszilloskops und die Frequenz wird mit einem
Digitalzähler gemessen. Infolge der schmalen
Resonanzkurven muss der Generator ein
stabiles und in der Frequenz fein abstimmbares Ausgangssignal liefern. Der zu untersuchende Stab wird in der Mitte eingespannt
und an einem seiner beiden Enden ist ein
piezokeramischer Sensor befestigt, mit dem
die Amplitude der Schallwelle gemessen
werden kann. Im Resonanzfall erfasst man
mit dem zweiten Kanal des Oszilloskops ein
maximales Messsignal.
In einem Vorversuch ist die Erregerfrequenz
der Grundschwingung zu suchen. Dadurch
kann sichergestellt werden, dass wirklich
Dehnungswellen und keine anderen Formen
von Schallwellen im Stab gemessen werden.
Die Grundschwingung (n = 1) ist daran erkennbar, dass beim Verschieben der Spule
85
längs des Stabs am Oszilloskop nur nahe der
Einspannstelle ein Maximum der Signalspannung beobachtet werden kann.
Mit der nun bekannten Grundfrequenz der
Dehnungswelle können die Frequenzen höherer Ordnung bis etwa 50 kHz mit Gl. (14a)
berechnet und experimentell ermittelt werden. Bei allen Berechnungen ist zu berücksichtigen, dass nach Abb. M.4.0.1a bei dieser
Versuchsanordnung die in Gl. (14a) einzusetzende Länge l der halben Gesamtlänge lSt des
Stabs entspricht (l = lSt/2). Anschließend
sucht man die Resonanzfrequenzen der Oberschwingungen und berechnet mit diesen die
Schallgeschwindigkeit (Mittelwert) sowie
unter Verwendung der bekannten Dichte des
Stabmaterials den Elastizitätsmodul.
Bei Aufgabe 2 wird der Stab z. B. an dünnen
Kunststofffäden aufgehängt oder auf zwei
Schneiden gelagert. Sowohl die Schallanregung als auch der Schallempfang des an
beiden Enden freien, nicht ferromagnetischen
Metallstabs erfolgt mit Hilfe der an den Stabenden angeklebten piezokeramischen Wandler. In Analogie zu Aufgabe 1 variiert man
die Anregungsfrequenz und beobachtet das
Messsignal mit dem Oszilloskop. Wenn
dieses maximal wird, notiert man die Frequenz als Resonanzfrequenz der betreffenden
Ordnung. Mit Gl. (14b) kann dann die Geschwindigkeit der Dehnungswelle mit der
zuvor gemessenen Stablänge berechnet und
daraus der Elastizitätsmodul des Materials
bei bekannter Dichte ermittelt werden.
Zur Aufnahme der Resonanzkurve für eine
ausgewählte Ordnung bei Aufgabe 3 unter
Verwendung des an beiden Enden freien
Stabs wird das Ausgangssignal am Verstärker
direkt mit einem AC-Millivoltmeter gemessen. Man misst für etwa zehn unterschiedliche Frequenzen jeweils unter- und oberhalb
der Resonanzfrequenz die Spannungswerte.
Anschließend wird die Resonanzkurve analog zu dem in Abb. M.4.0.3 gezeigten Graphen dargestellt und die Halbwertsbreite 'Z
ermittelt. Damit ist die Güte Q zu bestimmen.
4 Schallmessungen
86 Mechanik
4.1.2 Biegewelle
Aufgabenstellung
1. Es sind die Eigenfrequenzen fn einer stehenden Biegewelle für die Ordnungen n = 4
bis n = 10 zu messen. Diese sollen in Abhängigkeit von (2n1)2 graphisch dargestellt
werden und aus dem Anstieg der Ausgleichsgeraden ist der Elastizitätsmodul des Materials zu ermitteln.
2. Aus den gemessenen Frequenzen in Aufgabe 1 sind die Phasengeschwindigkeiten zu
berechnen und in Abhängigkeit von der Wellenlänge graphisch darzustellen. Der Kurvenverlauf ist zum Vergleich mit der Gruppengeschwindigkeit auszuwerten.
3. Die Resonanzkurve für eine bestimmte
Ordnung der Biegeschwingung ist aufzunehmen. Es sind die Halbwertsbreite, die
Dämpfungskonstante, die Güte und das logarithmische Dekrement zu ermitteln.
Der flache Metallstab der Länge l mit rechteckförmigem Querschnitt, (Anhang A.14,
Dicke b viel kleiner als Höhe h, l h ) wird
durch das magnetische Wechselfeld des
Wandlers (2a), der aus einer Magnetspule mit
Eisenkern besteht, zu Schwingungen angeregt. Den Wechselstrom für die Magnetspule
liefert ein Sinusgenerator (1) und mit einem
Digitalzähler misst man die Anregungsfrequenz f.
(1)
G
Hz
f
Wandler
(2a)
(2)
(4)
(3)
Wandler
(6) mV
Halterung
(2b)
(5)
Abb. M.4.1.2.1 Versuchsplatz zur Messung von
Biegewellen in einem Metallstab (schematisch)
Der piezoelektrische Wandler (2b) wandelt
die mechanischen Schwingungen in elektrische Spannungen um, die durch einen Verstärker (4) verstärkt und ggf. vorher mit
einem Frequenzfilter (3) gefiltert werden. Mit
einem Digitaloszilloskop (5) erfasst man die
Signalamplitude sowie Signalform und mit
einem AC-Millivoltmeter (6) misst man
direkt den Effektivwert der Ausgangsspannung des Verstärkers.
In Analogie zu den Untersuchungen von
Dehnungswellen im Versuch M.4.1.1 ist es
von Vorteil, in einem Vorversuch die Erregerfrequenz der Grundschwingung zu
bestimmen, um eindeutig Biegewellen zu
messen. Dazu wird der Stab aus seiner Ruhelage ausgelenkt und mit dem Digitaloszilloskop der Abklingvorgang aufgezeichnet.
Die daraus zu ermittelnde Frequenz der freien gedämpften Schwingung entspricht infolge der kleinen Dämpfungskonstante in guter
Näherung der Frequenz der Grundschwingung f1. Mit den Werten f1, m1 = 1,875 und
mn ( n ! 3) # (2n 1) ʌ/2 kann man mit Hilfe
der Verhältnisse fn /f1 = (mn /m1)2 nach Gl. (16)
näherungsweise die Frequenzen der höheren
Ordnungen berechnen.
Für den Fall, dass die Anregungsfrequenz der
Gl. (16) genügt, kommt es zur Ausbildung
einer stehenden Welle und das Messsignal
wird maximal. Um experimentell die Resonanz einer entsprechenden Ordnung zu finden, variiert man in kleinen Schritten die
Frequenz der Sinusspannung des Generators
nahe um den berechneten Wert bis zum Auftreten eines Maximums. Oberhalb 400 Hz ist
ggf. ein Hochpass (7) einzuschalten, um
niederfrequente Signalstörungen zu beseitigen. Durch Erhöhung der Verstärkung bzw.
der Ausgangsspannung am Generator kann
man die Signalabschwächung infolge der
Signalfilterung kompensieren. Die Bestimmung des Elastizitätsmoduls E erfolgt über
den Anstieg der Ausgleichsgeraden in der
graphischen Darstellung fn in Abhängigkeit
von (2n 1)2 für n > 3.
4.2 Schallgeschwindigkeit in Flüssigkeiten
Bei Kenntnis der Dichte U des Materials und
der Abmessungen des flachen Stabs (Flächenträgheitsmoment A.14, IK ( h b3 ) /12 ,
Querschnitt A h b ) kann mit Gl. (16) der
Wert von E ermittelt werden.
Zur Berechnung der Phasengeschwindigkeit cB,ph in Aufgabe 2 kann Gl. (17a) unter
Berücksichtigung der Näherung für n > 3
sowie dem Flächenträgheitsmoment und der
Querschnittsfläche umgeschrieben werden:
cB,ph (n) 2 S
Eb 1
.
12 U On
(30)
Die mittlere Wellenlänge On ermittelt man
mit Gl. (18). Es ist cB,ph(n) = f (1/On) graphisch
darzustellen und mittels nichtlinearer Regression die Funktion des Kurvenverlaufs mit der
Fit-Funktion cB,ph P1 /O (Fit-Parameter P1)
zu berechnen. Für zwei Ordnungen soll die
Gruppengeschwindigkeit berechnet werden.
Dazu verwendet man Gl. (19) und erhält mit
P1
d cB,ph
d(1/ O )
O 2
d cB,ph
dO
eine Gleichung zur Berechnung von cB,gr mit
dem Fit-Parameter P1:
cB,gr (n) cB,ph (n) P1
On
.
(31)
Es ist die Gültigkeit der Gl. (20) unter Berücksichtigung der Unsicherheiten zu überprüfen.
Die Aufnahme der Resonanzkurve bei Aufgabe 3 erfolgt für eine ausgewählte Ordnung.
Da die Resonanzkurve sehr schmal ist, wird
die verstärkte Signalspannung in kleinen
Frequenzintervallen um das Resonanzmaximum gemessen (etwa je zehn Messungen
unter- und oberhalb der Resonanzfrequenz).
Zur graphischen Darstellung der Resonanzkurve trägt man die Quadrate der normierten
Werte der Amplitude [A(Z)/Amax]2 in Abhängigkeit von der Kreisfrequenz Z = 2S f (vgl.
Abb. M.4.0.3) auf und führt die Anpassung
87
mit einer Lorentz-Funktion nach Gl. (29)
durch. Steht keine geeignete Software für die
Anpassung zur Verfügung, kann die Bestimmung der Halbwertsbreite 'Z auch graphisch
erfolgen. Damit sind die gesuchten Dämpfungsgrößen zu ermitteln.
4.2 Schallgeschwindigkeit in
Flüssigkeiten
Aufgabenstellung
1. Es sind die Schallwellenlänge und die
Schallausbreitungsgeschwindigkeit in verschiedenen Flüssigkeiten nach der Methode
von Debye und Sears zu bestimmen.
2. Es ist die Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Flüssigkeiten mit der Methode
der Zentralprojektion zu ermitteln.
3. Von allen Versuchsflüssigkeiten ist der
Kompressionsmodul zu bestimmen.
Die infolge einer durch eine Flüssigkeit laufenden Schallwelle auftretenden periodischen
Dichteschwankungen (Verdichtungen und
Verdünnungen) führen zu einer in gleicher
Weise periodischen Änderung des optischen
Brechungsindex. Eine ebene Schallwelle
bewirkt dementsprechend ein Beugungsgitter, dessen Gitterkonstante gleich der Schallwellenlänge OS im Medium ist. Ein solches
Gitter bezeichnet man auch als Phasengitter.
Die Lichtwellen, die an unterschiedlichen
Stellen das Gitter durchlaufen, legen wegen
der periodischen Änderung des Brechungsindex unterschiedliche optische Weglängen
zurück und sind beim Austritt aus dem Medium gegeneinander phasenverschoben.
Beim Phasengitter treten im Wesentlichen die
gleichen Beugungserscheinungen auf, die
man an einem üblicherweise verwendeten
optischen Strichgitter (Amplitudengitter)
beobachtet (O.2.0.3). Die Erscheinung der
Lichtbeugung an Schallwellen bezeichnet
man auch als Debye-Sears-Effekt und die
Frequenz der Schallwellen liegt im Ultraschallbereich. Zum Nachweis des Beugungs-
4 Schallmessungen
88 Mechanik
effekts beleuchtet man die mit der Messflüssigkeit gefüllte Glasküvette, in der sich der
piezoelektrische Schallgeber befindet, senkrecht zur Schallausbreitungsrichtung mit
parallelem und monochromatischem Licht.
L1 SP L2
K
L3
S
x
x2
x1
0
x1
x2
Q
f
SQ
G
Hz
beschrieben (O.2.0.3); die Gitterkonstante g
ist gleich der Schallwellenlänge OS. Zur Unterscheidung wird die Lichtwellenlänge hier
mit OL bezeichnet. Beugungsmaxima k-ter
Ordnung treten also bei Beugungswinkeln Dk
auf, für die gilt:
OS sin D k
OS
Der durch die Linse (L1) in Abb. M.4.2.1
von einer Lichtquelle (Q) beleuchtete Spalt
(SP) wirkt als sekundäre Lichtquelle und
wird durch die Linsen L2 und L3, zwischen
denen die ungebeugten Strahlen parallel
verlaufen, scharf auf einem Schirm (S) abgebildet. Anstelle des Schirms kann auch ein
Messokular verwendet werden. Ein Hochfrequenzgenerator (G) mit angeschlossenem
Digitalzähler bringt den Schwingquarz (SQ),
der in der mit der Testflüssigkeit gefüllten
Küvette (K) befestigt ist, zum Schwingen.
Bei entsprechend hoher Güte der Schwingung und guter Schallankopplung an die
Flüssigkeit werden ausreichend intensive
Schallwellen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Lichtwelle ausgesendet. Durch die
Wirkung der Ultraschallwelle treten auf
beiden Seiten des zentralen Spaltbilds eine
Reihe von Beugungsbildern auf. Die Beugungserscheinungen sind sehr ähnlich denen,
die an einem Strichgitter entstehen. Die Lage
der Beugungsmaxima wird ebenfalls durch
die Formel
g sin D k
k OL , k
0, r 1, r 2,...
0, r 1, r 2,... . (32)
Ist xk der Abstand des k-ten Maximums vom
Maximum nullter Ordnung (Zentralbild), gilt
für kleine Winkel Dk die Beziehung
xk /f = tanDk | sinDk | Dk., wobei f hier die
Brennweite der Sammellinse L3 ist. Für die
Wellenlänge der Ultraschallwelle erhält man
f
Abb. M.4.2.1 Versuchsaufbau zum Debye-SearsEffekt (Fraunhofer’sche Beugung, stark schematisiert)
k OL , k
k OL f
.
xk
(33)
Die Abstände 'x benachbarter Maxima sind
gleich. Es gilt
'x
xk 1 xk
OL f
.
OS
(34)
Mit der Frequenz QS der Schallwelle lässt
sich die Schallgeschwindigkeit cS mit
cS
OS vS
k OL f vS
xk
(35)
oder
cS
OS vS
OL f vS
'x
.
(36)
berechnen. Für die Lage der Beugungsbilder
bei der Fraunhofer’schen Beugung ist es
gleichgültig, ob die beugende Struktur senkrecht zur optischen Achse verschoben wird
oder sich bewegt. Der Debye-Sears-Effekt
tritt bei fortlaufenden wie auch bei stehenden
Wellen in gleicher Weise auf. Die Wellenlänge und damit die Gitterkonstante ist in
beiden Fällen die gleiche. Auftretende Dopplerverschiebungen des gebeugten Lichts sind
sehr klein und können in diesem Versuch
vernachlässigt werden.
Bei der Methode der Zentralprojektion wird
4.2 Schallgeschwindigkeit in Flüssigkeiten
die Probe mit monochromatischem, divergentem Licht durchstrahlt. Infolge der sich räumlich ausbildenden Dichteverteilung kommt es
auch zu räumlichen Änderungen des Brechungsindex und das Licht breitet sich nicht
mehr geradlinig in der Flüssigkeit aus. Dadurch entstehen Gebiete, in denen die Phasendifferenzen zwischen den sich überlagernden Wellenbündeln eine Verstärkung
oder Verringerung der Intensität hervorrufen.
Als Folge davon kann man Intensitätsmuster
erkennen, die im Falle einer stehenden Welle
besonders stark ausgeprägt sind. Die Abstände zwischen Stellen verstärkter Intensität
(konstruktive Interferenz) und abgeschwächter Intensität (destruktive Interferenz) korrespondieren mit den aus der Beugungstheorie
bekannten Beziehungen (O.2.0.3).
In Abb. M.4.2.2 ist schematisch die Versuchsanordnung zur Bestimmung der Wellenlänge mit der Methode der Zentralprojektion dargestellt. Für die Berechnung der
Schallwellenlänge müssen neben der Geometrie der Versuchsanordnung und der bekannten Brennweite f der Linse in Luft noch
Korrekturen berücksichtigt werden, die durch
die verschiedenen Brechungsindizes (Flüssigkeit, Glas, Luft) bedingt sind:
g1 a1
ng nfl
2 xN
. (37)
g1 g 2 a1 a2 ·
N
§
f
s ¨
ng
nfl ¸¹
©
f
OS
Der Abstand a1 zwischen dem von der
Schallquelle (S) abgestrahlten Schallfeld und
der Glaswand auf der Linsenseite (Linse L)
sowie der Abstand a2 können näherungsweise mit jeweils der Hälfte der betreffenden
Innenabmessungen der Küvette (K) angenommen werden. Die Glasstärken der Wände
der Küvette (g1, g2) und der Brechungsindex des Glases (ng) sowie der Versuchsflüssigkeit (nfl) werden am Arbeitsplatz mitgeteilt. Die Größe xN in Gl. (37) beschreibt den
Abstand zwischen dem –k-ten und dem +k-
89
ten Beugungsmaximum und N die Anzahl
dieser Maxima, die im Abstand xN auf einem
Schirm (SC) beobachtet werden. Als Lichtquelle verwendet man einen Laser.
S
SC
K
(k)
L
0
g1
xN
g2
a1
a2
s
Abb. M.4.2.2 Schema des Versuchsaufbaus zur
Zentralprojektion
Versuchsausführung
Die zur Realisierung von Aufgabe 1 erforderlichen optischen Komponenten sind auf einer
optischen Bank anzuordnen. Mit der Linse L1 in Abb. M.4.2.1 bildet man die Lichtquelle (z. B. Na- oder Hg-Spektrallampe mit
Filter) scharf auf den Spalt ab. Um die Küvette mit parallelem Licht zu bestrahlen, wird
zuerst der Schirm bzw. ein Messokular in die
Brennebene der Linse L3 gebracht. Danach
ist die Linse L2 bei weit geöffnetem Spalt
solange zu verschieben, bis der Spalt scharf
abgebildet wird. Anschließend ist die mit der
zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllte Küvette zwischen die Linsen zu stellen, die
Spaltbreite zu verringern und der Generator
einzuschalten. Dessen Frequenz wird in
einem vorgegebenen Bereich langsam verändert, bis man eine möglichst große Anzahl
heller Streifen beobachten kann. Das wird
insbesondere der Fall sein, wenn sich in der
Flüssigkeit eine stehende Schallwelle ausbildet. Zur Bestimmung der Schallwellenlänge
verwendet man Gl. (33). Die Brennweite f der
Sammellinse L3 und die Wellenlänge des
monochromatischen Lichts OL sind bekannt,
andernfalls kann man mit den in den Versuchen O.1.1 und O.3.2 beschriebenen Metho-
4 Schallmessungen
90 Mechanik
den bestimmen. xk bzw. 'x werden am besten
mit einem Messokular und die Frequenz QS
mit einem Digitalzähler gemessen. Danach
kann die Schallgeschwindigkeit mit Gl. (35)
bestimmt werden. Verwendet man einen
Laser als Lichtquelle, kann infolge der geringen Divergenz des Laserstrahls dieser direkt
die Flüssigkeit durchstrahlen. In diesem Fall
werden die Linsen L1 und L2 sowie der Spalt
in Abb. M.4.2.1 nicht benötigt. Das Interferenzmuster wird in diesem Fall direkt auf
einen ausreichend weit entfernten Schirm
abgebildet (Übergang der Beobachtung der
Fresnel-Beugung zur Fraunhofer-Beugung
für NF < 1, Fresnel-Zahl N F g 2 /(4 a OL ) , g
Gitterkonstante, a Abstand zwischen Schallfeld und Schirm). In Analogie zur Herleitung
der Gl. (33) ergibt sich für den Abstand zwischen dem nicht gebeugten Licht (k = 0) und
dem Maximum der Ordnung k
k OL a
(38)
.
OS
Durch die Messung von a und xk kann bei
bekanntem Wert von OL die Schallwellenlänge bestimmt werden. Mit anderen Flüssigkeiten ist die Messung zu wiederholen. Es bietet
sich an, den Versuch mit einer anderen Lichtwellenlänge durchzuführen, um die Anwendung der Gl. (32) zu bestätigen.
Bei Aufgabe 2 beginnt man mit dem Versuchsaufbau nach Abb. M.4.2.2, wobei die
Halterung der Ultraschallsonde auf exakt
senkrechten Einfall der Schallwelle zum
einfallenden Laserstrahl justiert werden
muss. An einer der Außenwände der Küvette
befindet sich eine Halterung für den Laser
sowie für eine Linse (L), um divergentes
Licht zu erzeugen. Anschließend füllt man
möglichst entgaste Flüssigkeit (z. B. destilliertes Wasser, Ethanol) in die Küvette, so
dass sich die Ultraschallsonde ausreichend
tief in der Messflüssigkeit befindet. Danach
werden der Laser und die Ultraschallquelle
eingeschaltet. Durch Variation der Frequenz
der Ultraschallwelle kann man erreichen,
xk
dass wenigstens drei Maxima auf dem
Schirm zu sehen sind. Unter optimalen
Messbedingungen (stehende Welle) sind
auch mehr als zehn Ordnungen zu erkennen.
Es sind der Abstand xN und die zugehörige
Anzahl von Maxima N mehrfach zu messen.
Nach erneuter Justierung werden die Messungen bei verschiedenen Frequenzen QS
bzw. nach Austausch des Lasers bei einer
anderen Wellenlänge OL durchgeführt. Mittels Gl. (37) und den bekannten Abmessungen der Küvette sowie den Werten für den
Brechungsindex der verschiedenen Medien
kann die Schallwellenlänge als Mittelwert
bestimmt und mit der gemessenen Ultraschallfrequenz die Schallgeschwindigkeit
ermittelt werden. Die Messungen sollen mit
anderen Flüssigkeiten wiederholt werden.
Verwendet man eine Versuchsanordnung zur
Zentralprojektion, bei der sich die Linse L
mit der Brennweite f (Abb. M.4.2.2) zur
Erzeugung von divergentem Laserlicht im
Abstand sL vor der Küvette befindet, ist ebenfalls die Bestimmung der Schallwellenlänge
möglich:
OS
2 xN s1
.
N s1 s2
(39)
Nach Abb. M.4.2.2 ergibt sich der Abstand s2
aus s2 = s + a2. Für den Abstand s1 folgt der
Zusammenhang s1 = a1 + (sLf ). Mit den
Werten von QS und OS werden die Schallgeschwindigkeiten in den Flüssigkeiten sowie
deren Kompressionsmodul K mit Gl. (3)
berechnet. Die dazu erforderlichen Dichten
der Flüssigkeiten können der Tabelle im
Anhang A.8 entnommen werden. Es ist zu
beachten, dass der piezoelektrische Schallgeber nur in Betrieb gesetzt werden darf, wenn
sich Flüssigkeit in der Küvette befindet. Bei
längeren Messzeiten kann es infolge der in
der Flüssigkeit dissipierten Schallenergie zur
Erwärmung und zu Konvektionsströmungen
kommen. Die Temperaturkontrolle erfolgt
mit einem in der Küvette befestigten Messfühler eines Digitalthermometers.
5.0 Grundlagen
91
5 Oberflächenspannung
Luft
5.0 Grundlagen
Zwischen den Molekülen einer Flüssigkeit
wirken sowohl anziehende als auch abstoßende Kräfte geringer Reichweite. Der Abstand r1 zweier nächster Nachbarn stellt sich
so ein, dass die Summe der abstoßenden und
der anziehenden Kräfte gerade verschwindet.
Wenn der Abstand zwischen zwei Molekülen
etwas größer als dieser Normalabstand ist,
überwiegt die Anziehungskraft, ist er dagegen etwas kleiner, stoßen sich die Moleküle
gegenseitig ab. Ein beliebiges Molekül der
Flüssigkeit (Zentralmolekül) wird daher von
allen Nachbarmolekülen angezogen, deren
Abstand vom Zentralmolekül größer als r1,
aber kleiner als der Radius r2 der Wirkungssphäre der Molekularkräfte ist.
Die Anziehungskräfte zwischen den Bausteinen (Molekülen, Atomen, Ionen) eines Stoffes nennt man allgemein Kohäsionskräfte, da
sie für den Zusammenhalt der Stoffe sorgen.
Es existieren aber auch anziehende Kräfte
zwischen benachbarten Bausteinen verschiedener Stoffe, die als Adhäsionskräfte bezeichnet werden.
Betrachtet man ein Molekül im Inneren einer
Flüssigkeit, ist die Resultierende der Anziehungskräfte null, da die Nachbarmoleküle
über alle Richtungen gleichmäßig verteilt
sind. Für ein Flüssigkeitsmolekül in einer
Grenzschicht (Oberfläche), deren Dicke dem
Radius der Wirkungssphäre der Molekularkräfte entspricht, verschwindet dagegen die
resultierende Kraft im Allgemeinen nicht. Es
sind zwei Möglichkeiten zu diskutieren:
1. Die Kohäsionskräfte zwischen den Molekülen der Flüssigkeit sind größer als die
Adhäsionskräfte zwischen den Flüssigkeitsmolekülen und den Bausteinen des angrenzenden Stoffs (Abb. M.5.0.1). In diesem
Falle wirkt auf ein Flüssigkeitsmolekül eine
resultierende Kraft F senkrecht zur Oberfläche in das Innere der Flüssigkeit hinein.
r2
r1
r2
F = FK
Abb. M.5.0.1 Grenzschicht zwischen Luft und
Flüssigkeit (schematisch)
Die Flüssigkeit ist daher bestrebt, eine möglichst kleine Grenzfläche mit dem anderen
Stoff zu bilden. Zur Vergrößerung dieser
Fläche um 'A muss der Flüssigkeit eine
Arbeit zugeführt werden:
'W
V 'A .
(1)
Bei einer Verkleinerung der Grenzfläche um
'A wird eine Arbeit gemäß Gl. (1) frei. Den
Proportionalitätsfaktor V nennt man Oberflächenspannung. Ihre Einheit ist
J m 2
N m 1
kg s 2 .
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass
die Oberflächenspannung sowohl von der
Natur der Flüssigkeit als auch von der des
angrenzenden Stoffs abhängig ist. Bei Angabe eines Werts für V ist daher stets der angrenzende Stoff zu nennen. Die Oberflächenspannung kann nur dann als reine Materialeigenschaft der Flüssigkeit angesehen werden,
wenn die Resultierende der Adhäsionskräfte FA vernachlässigbar klein gegen die Resultierende der Kohäsionskräfte FK ist (Beispiel: Flüssigkeit-Luft).
Im Falle der Abb. M.5.0.2 bezeichnet man
die Flüssigkeit als nicht benetzend für den
angrenzenden festen Körper (z. B. Randwinkel bzw. Kontaktwinkel M = 140° für Grenzfläche Quecksilber-Glas). Wird der Rand-
5 Oberflächenspannung
92 Mechanik
winkel M ʌ , d. h., ist FA << FK, ist die
Nichtbenetzung vollständig.
fester
Körper
FA
Luft
Flüssigkeit
ϕ
FK
F
Abb. M.5.0.2 Beispiel einer nicht benetzenden
Flüssigkeit (schematisch)
2. Die Kohäsionskräfte sind kleiner als die
Adhäsionskräfte (Abb. M.5.0.3). Dann wirkt
auf ein Flüssigkeitsmolekül der Grenzschicht
eine resultierende Kraft F senkrecht zur
Oberfläche aus der Flüssigkeit heraus. Die
beiden Stoffe bilden daher eine möglichst
große Grenzfläche. In diesem Falle bezeichnet man die Flüssigkeit als benetzend für den
angrenzenden Stoff.
ϕ
FA
Luft
FK
F
fester
Körper
Flüssigkeit
Abb. M.5.0.3 Beispiel einer benetzenden Flüssigkeit (schematisch)
Verschwindet der Randwinkel M (z. B. M | 0
für Grenzflächen Wasser-Glas und EthanolGlas), dann sind die Kohäsionskräfte viel
kleiner als die Adhäsionskräfte (FK << FA)
und man spricht von vollständiger Benet-
zung. Taucht man einen festen Körper in eine
vollständig benetzende Flüssigkeit, bleibt
nach dem Herausziehen ein dünner Flüssigkeitsfilm an ihm haften. Die gründliche Entfernung solcher Flüssigkeitsschichten auf
Festkörpern kann unter Umständen sehr
aufwendig sein.
Für die Temperaturabhängigkeit der Oberflächenspannung gilt mit guter Näherung die
von Eötvös empirisch gefundene Gleichung
V VM2 / 3
K E (Tc T ) .
(2)
In Gl. (2) ist VM das molare Volumen
( VM M /U , M molare Masse, ȡ Dichte) und
Tc eine kritische Temperatur der Flüssigkeit
(z. B. Tc = 647 K für Wasser). Oberhalb
dieser kritischen Temperatur ist die Oberflächenspannung null.
Das Produkt auf der linken Seite von Gl. (2)
nennt man auch molare Oberflächenspannung (V mol V VM2 / 3 ) . Die Größe KE wird als
Eötvös-Konstante bezeichnet. Für nicht assoziierte Flüssigkeiten wurde der Wert
K E 2,1 ˜ 107 J K -1 mol2 / 3 experimentell
ermittelt. Nach Gl. (2) ändert sich die Oberflächenspannung linear mit der Temperatur.
Dieses Verhalten wird von vielen Flüssigkeiten in nicht zu großen Temperaturbereichen
gut erfüllt. Ein Vorteil der Eötvös-Gleichung
besteht darin, dass man die V (T )-Abhängigkeit für Flüssigkeiten graphisch so
darstellen kann, dass sich bei bekannten
Werten für die molare Masse und die Dichte
der Flüssigkeiten dieselbe lineare Abhängigkeit ergibt. Daraus folgt die Möglichkeit, die
Oberflächenspannung einer beliebigen Flüssigkeit für eine bestimmte Temperatur vorhersagen zu können. Eine genauere Beschreibung der Temperaturabhängigkeit der
Oberflächenspannung ist mittels einer aus
experimentellen Ergebnissen gewonnenen
empirischen Korrektur durch eine modifizierte Eötvös-Gleichung möglich:
V VM2 / 3
K E (Tc 6 K T ) .
(2a)
5.1 Abreißmethode
93
5.1 Abreißmethode
Aufgabenstellung
1. Es soll die Oberflächenspannung verschiedener Flüssigkeiten nach der Abreißmethode
bestimmt werden.
2. Für eine Flüssigkeit ist die Abhängigkeit
der Oberflächenspannung von der Temperatur zu ermitteln.
Ein Platindraht der Länge l ist in einen Bügel
eingelötet, der an einer Waage hängt. Der
Bügel soll so weit in die zu untersuchende
Flüssigkeit eintauchen, dass sich der Platindraht unmittelbar unter der Oberfläche befindet. Es wird vorausgesetzt, dass die Flüssigkeit den Draht vollständig benetzt. Belastet
man die Waage, zieht der Draht einen dünnen
Flüssigkeitsfilm (Lamelle) aus der Flüssigkeit heraus (Abb. M.5.1.1).
F
Platindraht
l
Δs
Abb. M.5.1.1 Bestimmung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode
Diese Lamelle soll bei der Belastung F gerade noch nicht abreißen. Da sich sowohl auf
der Vorder- als auch auf der Rückseite des
Bügels eine Lamelle ausbildet, vergrößert
sich
die
Flüssigkeitsoberfläche
um
folgt
'A = 2 l 's.
Nach
Gl. (1)
'W V 2 l 's , Andererseits ist 'W F 's
und es ergibt sich
V
F
.
2l
(3)
In der Betrachtung, die zu Gl. (3) führt, sind
alle Randeffekte des Bügels und der Einfluss
des Gewichts der herausgezogenen Lamelle
unberücksichtigt geblieben.
Wenn der Platindraht einen Durchmesser von
0,3 mm hat, ergeben sich für V nach Gl. (3)
Werte, die um etwa 10 % zu groß sind. Die
Abweichungen werden umso kleiner, je
dünner der Platindraht ist. Lenard hat eine
genauere Beziehung zur Bestimmung der
Oberflächenspannung nach der Abreißmethode begründet. Diese lautet bei Vernachlässigung von Gliedern in r2
V
­° F U g F °½
F
r®
2¾ .
2l
l
l ¿°
°¯
(3a)
In Gl. (3a) sind r der Radius des Platindrahts
und U die Dichte der Flüssigkeit.
Versuchsausführung
Die Drahtbügel sind mit größter Vorsicht zu
behandeln. Vor allen Dingen darf der Platindraht nicht berührt oder der Bügel verbogen
werden. Die Bügel sind vor jeder Messung
zur Reinigung mit destilliertem Wasser und
der zu untersuchenden Flüssigkeit abzuspülen. Man misst zunächst die Drahtlänge l und
hängt anschließend den Bügel an die Waage,
die so abgeglichen wird, dass der Platindraht
in der Ebene der Flüssigkeitsoberfläche liegt.
Zur Bestimmung der Kraft F eignen sich
besonders gut Spiralfederwaagen oder auch
moderne rechnergestützte Kraftmessgeräte,
mit denen man die Zugkraft kontinuierlich
erhöhen kann, bis die Flüssigkeitslamelle
abreißt. Für F ist derjenige Wert für die Zugkraft einzusetzen, bei dem die Lamelle gerade noch nicht abreißt.
Die Oberflächenspannung soll nach Gl. (3a)
berechnet werden. Der Drahtradius r sei
gegeben oder wird mit einer Bügelmessschraube bestimmt, die Dichte der Flüssigkeit
kann einer Tabelle am Arbeitsplatz entnommen werden. Die Messungen sind mit Bügeln
unterschiedlicher Länge und mit anderen
Flüssigkeiten zu wiederholen. Jede Messung
5 Oberflächenspannung
94 Mechanik
soll mehrfach ausgeführt werden, um einen
guten Mittelwert für die Abreißkraft zu erhalten. Häufig verwendet man bei der Abreißmethode statt eines Bügels einen Ring, dessen Unterkante im Allgemeinen zu einer
Schneide ausgeführt ist, damit die Schichtdicke der Lamelle sehr dünn und damit das
Gewicht der Flüssigkeitslamelle so klein wie
möglich wird (Ringmethode nach De Noüy).
Die Lamelle wird annähernd in Form eines
Zylindermantels nach oben gezogen. In Analogie zur Begründung von Gl. (3) erhält man
2r
(4)
wobei rRing der Ringradius und F diejenige
Kraft ist, die genau beim Abreißen der Lamelle gemessen wird. Im Allgemeinen ist
noch eine Korrektur der nach Gl. (4) ermittelten Oberflächenspannung notwendig. Bei
kommerziellen Ringtensiometern werden die
Korrekturwerte vom Hersteller mitgeteilt,
andernfalls bestimmt man den Korrekturfaktor mit Hilfe einer Kalibrierflüssigkeit.
Für die Messung der Temperaturabhängigkeit
der Oberflächenspannung wird die zu untersuchende Flüssigkeit auf etwa 60 °C erwärmt
und anschließend in das Messgefäß gefüllt,
das mit einer Wärmeisolierung versehen ist.
Man misst während der langsamen Abkühlung der Flüssigkeit die Abreißkraft bei fünf
verschiedenen Temperaturen. Kurz vor der
Messung ist die Flüssigkeit gut zu mischen,
um die Temperaturunterschiede in der Flüssigkeit auszugleichen. Es ist die lineare Abnahme der molaren Oberflächenspannung
nach Gl. (2) zu überprüfen.
5.2 Steighöhenmethode
Aufgabenstellung
Die Oberflächenspannung V verschiedener
Flüssigkeiten ist aus der Steighöhe in einem
Kapillarrohr aus Glas zu bestimmen.
Eine Glaskapillare (Innenradius r, Außenra-
δh
F
,
4 ʌ rRing
2r1
h
h+Δh
V Ring
dius r1) sei vollständig von der zu untersuchenden Flüssigkeit benetzt. Wenn man die
Kapillare senkrecht in ein mit Flüssigkeit
gefülltes Gefäß eintaucht, steigt die Flüssigkeit in dem Kapillarrohr bis zu einer Höhe h
über den äußeren Flüssigkeitsspiegel an. Der
innere, horizontale Querschnitt des Gefäßes
soll mit A, der Umfang dieses Querschnittes
mit U bezeichnet werden.
Abb. M.5.2.1 Bestimmung der Oberflächenspannung mit der Steighöhenmethode
Die Steighöhe h berechnet man zweckmäßigerweise nach dem Prinzip der virtuellen
Arbeit. Eine unendlich langsam verlaufende
Vergrößerung der Steighöhe von h auf h+'h,
bei der der Flüssigkeitsspiegel im Gefäß um
Gh sinkt (Abb. M.5.2.1), erfordert die Arbeit
'W1
U ʌ r 2 h g 'h įh .
(5)
In Gl. (5) ist U die Dichte der zu untersuchenden Flüssigkeit. Da das Volumen der Flüssigkeit konstant ist, gilt
ʌ r 2 'h įh A ʌ r įh .
2
1
Durch das Anheben der Flüssigkeitssäule
verkleinert sich die Grenzfläche zwischen der
Luft und dem an der Innenwand der Kapillare haftenden Flüssigkeitsfilm um
'Aab
2 ʌ r 'h įh .
5.2 Steighöhenmethode
95
Gleichzeitig nimmt die Grenzfläche zwischen
der Luft und dem an der Innenwand des
Gefäßes sowie dem Außenmantel der Kapillare haftenden Flüssigkeitsfilm um
'Azu
U 2ʌ r1 įh
ʌ r 2 U 2ʌ r1 A ʌ r12
'h įh zu. Die gesamte Verkleinerung der Grenzfläche zwischen Luft und Flüssigkeit ist daher
'A 'Aab 'Azu 2 ʌ r 'h įh cG
(6)
kann. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich,
als Vorratsgefäß eine optische Küvette zu
verwenden. Diese ist ein Glasgefäß mit rechteckigem Querschnitt und planparallelen
Wänden, bei der die beiden gegenüberliegenden Deckflächen aus geschliffenem Glas
bestehen. Wenn man auf eine solche Deckfläche blickt, kann man den Flüssigkeitsspiegel sehr deutlich erkennen.
Bei Verwendung einer Küvette mit den Kantenlängen a und b folgt
cG,re
mit dem Korrekturfaktor
cG
§1
·
r ¨ U ʌ r1 ¸
2
¹ ,
1 ©
A ʌ r12
(6a)
der von den geometrischen Abmessungen der
Kapillare und des Gefäßes abhängt. Entsprechend Gl. (1) wird die Energie
'W2
V 2ʌ r 'h įh cG
V
U grh 1
2
cG
.
(8)
Hat die Schale einen kreisförmigen Querschnitt (Innenradius R), erhält man für den
entsprechenden Korrekturfaktor cG,kr:
cG,kr
­
r ½
®1 ¾ .
¯ R r1 ¿
(8a)
Die genaue Bestimmung der Steighöhe h
bereitet insofern Schwierigkeiten, als man die
Höhe des Flüssigkeitsspiegels in der Schale
im Allgemeinen nicht sehr genau messen
(8b)
Wenn der Querschnitt A des Gefäßes mit
kreisförmigem Querschnitt sehr groß gegen
den Querschnitt der Kapillare ist ( A ʌ r12 ),
vereinfacht sich die Gl. (8) in guter Näherung
zu
V
(7)
frei. Diese Energie dient zum Anheben der
Flüssigkeitssäule. Aus dem Gleichsetzen der
Energien gemäß den Gln. (5) und (7) und der
Berücksichtigung des Korrekturfaktors cG
nach Gl. (6a) folgt die Bestimmungsgleichung für die Oberflächenspannung
­ r a b ʌ r1 ½
®1 ¾ .
ab ʌ r12 ¿
¯
1
U grh .
2
(9)
Die Kenntnis der Höhe des Flüssigkeitsspiegels wird überflüssig, wenn man mehrere
Kapillaren mit unterschiedlichen Innenradien
in das Vorratsgefäß taucht. Die Oberflächenspannung lässt sich dann aus den Differenzen
der verschiedenen Steighöhen berechnen.
Bei nicht vollständiger Benetzung hängt die
Steighöhe h noch vom Randwinkel M ab:
h
2 V cosM
Ugr
.
(10)
Das hat z. B. bei einer nicht völlig sauberen
Benetzungsfläche innerhalb einer Glaskapillare zur Folge, dass der Messwert von h zu
klein wird und damit die Oberflächenspannung einen im Vergleich zur idealen Benetzung (cos M = 1) zu niedrigen Wert ergibt.
Versuchsausführung
Die benötigten Abmessungen der Gefäße (2R
oder a und b) und der Außendurchmesser des
5 Oberflächenspannung
96 Mechanik
Kapillarrohrs 2r1 werden mit einem Messschieber bzw. mit einer Messschraube ermittelt. Zur Bestimmung des Innenradius r der
Kapillare sollen zwei unterschiedliche Methoden beschrieben werden.
Strahlen lassen sich als helle Linie erkennen.
Ihr Abstand 2 s kann mit einem Okularmaßstab bestimmt werden. Aus Abb. M.5.2.2
folgt:
tan D E Volumenmethode
Eine geeignete Flüssigkeit wird z. B. mit
einem Gummigebläse in die trockene Kapillare gesaugt. Der Flüssigkeitsfaden soll eine
Länge l von mehreren Zentimetern haben.
Diese wird so genau wie möglich gemessen
und anschließend die Masse m der in der
Kapillare enthaltenen Flüssigkeit mit einer
Laborwaage bestimmt. Daraus ergibt sich das
auf die Länge l zu beziehende Zylindervolumen (VZyl = m /UFl) und für die Bestimmung
des Kapillarradius folgt
r
VZyl
ʌl
m
.
ʌ l U Fl
sin D cos E sin E cos D
, (12)
cos D cos E sin D sin E
sr
tan D E sin D
r12 s 2
s
, cos D
r1
,
2
§s·
1 ¨ ¸ .
© r1 ¹
r1 β
(11)
Die Dichte der Flüssigkeit UFl kann der Tabelle im Anhang A.8 entnommen werden.
Bei der Verwendung von speziellen Kapillarpipetten, die z. B. in der Medizin zum
Einsatz kommen, erübrigt sich die Volumenbestimmung. Diese Mikropipetten verfügen
bereits über eine Volumenkalibrierung in
Bezug auf eine an der Pipette angebrachte
Ringmarke und die relativen Unsicherheiten
der Volumenangaben sind kleiner als ein
Prozent. Damit beschränkt sich die Radiusbestimmung auf die Messung des Abstands l
zwischen der Ringmarke und dem unteren
Ende der Pipette.
Optische Methode
Zu Beginn ist der Abbildungsmaßstab der
Objektivlinse mit einer ObjektmikrometerGlasplatte zu bestimmen. Dazu vergleicht
man die vergrößerte Objektmikrometerskala
mit dem Maßstab einer Okularstrichplatte.
Danach wird die Kapillare auf den Tisch
eines Durchlichtmikroskops gelegt und mit
monochromatischem parallelem Licht durchstrahlt. Die in Abb. M.5.2.2 dargestellten
α
s
r
Abb. M.5.2.2 Strahlen durch eine Kapillare
Nach dem Brechungsgesetz sin D
(O.3.0.1- Gl. (1)) gilt
n sin E
2
§ s ·
sin E
1 ¨
¸ .
© n r1 ¹
Drückt man in Gl. (12) alle Winkelfunktionen
durch s, r1 und n aus und löst die Gleichung
nach r auf, folgt
1s
und cos E
n r1
s
n
r
r
1
§s·
1 ¨ ¸
© r1 ¹
2
s
1
n cos D E 2
§ s · §s·
1 ¨
¸ ¨ ¸
© n r1 ¹ © r1 ¹
s
n
2
,
1 tan 2 D E .
5.3 Tropfenmethode
97
Damit ergibt sich
r
s
n
1
s r
2
r12 s 2
.
(13)
Kann man nachweisen, dass
5.3 Tropfenmethode
2
s·
§
¨s ¸
n
©
¹ 102
r12 s 2
Aufgabenstellung
Es ist die Veränderung der Oberflächenspannung von Wasser bei Zumischung von Ethanol zu untersuchen.
gilt, vereinfacht sich Gl. (13) zu
r
s
.
n
Berücksichtigung der betreffenden Korrekturfaktoren in den Gln. (8a) bzw. (8b) zu
berechnen. Die Dichte U kann der Tabelle A.8 im Anhang oder der Versuchsanleitung entnommen werden.
(14)
Für Steighöhenbestimmungen muss die
Glaskapillare sehr sauber sein. Eine Reinigung ist oft aufwendig, so dass sich die Verwendung von Einweg-Kapillarpipetten empfiehlt. Man taucht die Kapillare senkrecht in
die Flüssigkeit ein, saugt diese z. B. mit
einem Gummigebläse hoch und wartet die
Einstellung der Steighöhe h von oben her ab.
Der Wert von h kann entweder mit einer
Spiegelskala, die sich hinter dem Kapillarrohr befindet, ermittelt oder mit einem Kathetometer gemessen werden. Das Kathetometer
besteht aus einem Fernrohr (O.1.4), das sich
längs eines vertikalen Metallrohrs verschieben lässt. Nach Scharfstellung der Flüssigkeitsoberfläche in der Küvette bzw. der Flüssigkeitssäule in der Kapillare kann mit einem
in der Okularbrennebene scharf abgebildeten
Fadenkreuz die Messung der Steighöhe erfolgen. Dazu verwendet man die am vertikalen Führungsrohr des Kathetometers angebrachte Millimeter-Skala mit Feinablesung.
Die Differenz der beiden Ablesungen ergibt
den Wert für h. Bevor man mit der Messung
beginnt, ist mit Hilfe einer Dosenlibelle zu
überprüfen, ob das Kathetometer genau waagerecht steht.
Die Steighöhenbestimmung ist für jede Flüssigkeit mehrmals auszuführen. Mit dem daraus bestimmten Mittelwert ist die gesuchte
Oberflächenspannung nach Gl. (8) unter
Bei der Bestimmung der Oberflächenspannung einer Flüssigkeit gegenüber Luft mit
der Tropfen-Gewichtsmethode lässt man ein
bestimmtes Flüssigkeitsvolumen V aus einer
Kapillare mit plangeschliffener Endfläche
und bekanntem Radius rK (z. B. Stalagmometer) in Luft ausfließen und misst die Zahl der
sich bildenden Tropfen. Für die Auswertung
der Messergebnisse geht man von der Annahme aus, dass ein Tropfen dann von der
Kapillare abreißt, wenn seine Gewichtskraft
FG
(15)
mT g
gleich (oder geringfügig größer) der Kraft ist,
die aufgrund der Oberflächenspannung entlang der Umfanglinie des Tropfens an der
Kapillare wirkt, d. h.
FV
2 ʌ rKV .
(16)
Da für die Masse des Tropfens mT UT VT
gilt, folgt für das Kräftegleichgewicht im
Moment des Abreißens
UT VT g
2 ʌ rKV .
(17)
Dabei sind UT die Dichte der austropfenden
Flüssigkeit, VT das Volumen des abreißenden
Tropfens, g die Erdbeschleunigung, rK der
Radius der Kapillare und V die Grenzflächenspannung. Das Volumen eines Tropfens VT lässt sich aus dem bekannten Volumen V der ausfließenden Flüssigkeit und der
Tropfenzahl n berechnen: VT V / n .
5 Oberflächenspannung
98 Mechanik
Versuchsauführung
(a)
M
K
(b)
A
Abb. M.5.3.1 (a) Stalagmometer mit Referenzmarken, (b) Austropfen einer Flüssigkeit aus einer
Kapillare (schematisch)
In Wirklichkeit ist die Masse des abfallenden
Tropfens kleiner als nach Gl. (15) zu erwarten ist. Das hängt mit den kinetischen Vorgängen beim Abreißen des Tropfens zusammen. Deshalb wird in Gl. (17) ein empirischer
Korrekturfaktor Kkorr eingeführt, der dieses
Problem berücksichtigen soll:
U Fl VT g
2 ʌ rK V K korr .
Es ergibt sich dann für die Oberflächenspannung
g U Fl VT
.
2ʌ rK K korr
V
(18)
Falls der Korrekturfaktor nicht bekannt ist,
kann man diesen durch Kalibriermessungen
ermitteln. In der Regel verwendet man als
Kalibriersubstanz Wasser, dessen Oberflächenspannung gegenüber Luft als Funktion
der Temperatur - gut bekannt ist und mit der
empirischen Gleichung
VH O
2
>72,9 0,155(- 18qC)@ 103 N m1
im Temperaturbereich zwischen 15 °C und
60 °C gut beschrieben werden kann (relative
Abweichungen kleiner als 1 %). Wenn man
den Radius der Kapillare nicht kennt, kann rK
experimentell bestimmt werden (M.5.2).
Bei der praktischen Durchführung von Messungen der Oberflächenspannung wird ein
Stalagmometer (Gerät zur Messung der Tropfengröße, Abb. M.5.3.1) verwendet. Es besteht im Wesentlichen aus einer Kapillare,
oberhalb der sich das Referenzvolumen mit
Eichmarken befindet. Aus Gl. (18) folgt, dass
bei Kalibrierung des Stalagmometers mit
Wasser die Oberflächenspannung einer unbekannten Flüssigkeit mit einer Relativmethode durch Zählen der jeweiligen Tropfenzahl (zW Zahl der Wassertropfen, z Zahl der
Tropfen der zu messenden Flüssigkeit) bestimmt werden kann:
V
VW
U zW
.
UW z
(19)
Dabei muss die Temperatur bei allen Messungen konstant und das Ausfließverhalten
der Flüssigkeiten darf nicht zu unterschiedlich sein. Falls die Dichten U und UW nicht
am Arbeitsplatz gegeben sind, können diese
z. B. mit einer Mohr-Westphal-Waage
(M.1.2) gemessen werden.
Das Stalagmometer wird senkrecht in ein
Stativ eingespannt und am oberen Ende ein
Schlauchstück, das mit einer Schlauchklemme versehen ist, aufgesetzt. Die zu untersuchende Flüssigkeit, die sich in einem Gefäß
unterhalb der Kapillare befindet, wird vorsichtig bis über die obere Marke in das trockene und saubere Stalagmometer mit Hilfe
eines Gummigebläses nach oben gesaugt. Die
Schlauchklemme wird geschlossen und das
Gummigebläse entfernt. Nun wird die
Schlauchklemme soweit geöffnet, dass die
Tropfen gut zählbar (etwa 2 Tropfen/s) abfallen. Wenn der Flüssigkeitsmeniskus während
des Ausfließens die obere Marke passiert,
werden die Tropfen gezählt, bis die untere
Marke erreicht ist. Die Messung ist mehrfach
zu wiederholen. Anschließend durchspült
man das Stalagmometer zur Beseitigung von
Wasserresten mit der zu untersuchenden
6.0 Grundlagen
99
Wasser-Ethanol-Mischung und beginnt wieder mit dem Zählen der Tropfen. Es ist für
fünf verschiedene Konzentrationen die Oberflächenspannung bei einer konstanten Temperatur zu messen und deren Änderung in
Abhängigkeit von der Konzentration von
Ethanol in der Mischung graphisch darzustellen und zu diskutieren.
6 Viskosität und Strömung
während die potentielle Energie um
zunimmt.
t t+dt
ds1
dV
A1 d s1
A2 d s2 .
Die durch die Strömung (Verschiebung des
Volumens) verrichtete Arbeit ist
ǻWStr
( p1 p2 ) dV .
Die kinetische Energie vergrößert sich um
t
ds t+dt
2
v1
A1
V
p1
A2
v2
h1
p2
h2
Eine idealisierte Flüssigkeit oder ein idealisiertes Gas ströme durch ein Rohr. Die Idealisierung soll darin bestehen, dass der strömende Stoff als inkompressibel angesehen
und die Wechselwirkung der Flüssigkeitsbzw. Gasmoleküle untereinander und mit der
Rohrwand vernachlässigt wird. Das Volumen V eines Stromfadens, dessen Querschnitt A von Ort zu Ort verschieden sein
kann, bewegt sich in der Zeit dt bei Vorhandensein einer Druckdifferenz p1 p2 gemäß
Abb. M.6.0.1. Das Rohrstück mit dem größeren Querschnitt A1 befindet sich in einer
größeren Höhe h1 als das mit dem kleineren
Querschnitt A2 in der Höhe h2. Die betreffenden statischen Drücke und Strömungsgeschwindigkeiten sind p1 bzw. p2 und v1 bzw.
v2. In einer Zeit dt kommt es zur Verschiebung des Volumens V um die Wegstücke ds1
und ds2. Da der Stoff inkompressibel sein soll
(Dichte U konstant), gilt
U g (h2 h1 ) d V
' Wpot
6.0 Grundlagen
6.0.1 Bernoulli-Gleichung
1
§1
2
2·
¨ U v2 U v1 ¸ dV ,
2
©2
¹
'Wkin
Abb. M.6.0.1 Zur Herleitung der BernoulliGleichung
Da jegliche Wechselwirkung vernachlässigt
werden soll, muss die verrichtete Arbeit
gleich der Summe der gewonnenen kinetischen und potentiellen Energie sein. Es gilt
also
ǻWStr ǻWkin ǻWpot ,
1
p1 U v12 U g h1
2
1
p2 U v22 U g h2
2
(1)
const
oder unter Verzicht auf die Indizes und mit
const = p0 ergibt sich
p
1
U v 2 U gh
2
p0 .
(2)
Gl. (2) bezeichnet man nach ihrem Entdecker
Daniel Bernoulli als Bernoulli-Gleichung.
Diese besagt, dass die Summe aus dem statischen Druck p, dem dynamischen Druck
6 Viskosität und Strömung
100 Mechanik
(2a)
Im Falle eines realen Stoffs (Flüssigkeit, Gas)
treten bei einer Strömung Reibungskräfte
aufgrund zwischenmolekularer Wechselwirkungen auf, deren Wirkung man auch als
innere Reibung bezeichnet.
Wenn dieser Stoff durch ein zylindrisches
Rohr strömt, hat die Geschwindigkeit in der
Rohrachse einen maximalen Wert, während
sie an der Rohrwand verschwindet. Bei hinreichend kleinen Geschwindigkeiten kann
man annehmen, dass differentiell dünne
Hohlzylinder wirbelfrei aneinander gleiten.
Eine solche Strömung nennt man laminar.
Zwischen benachbarten Hohlzylindern muss
eine Reibungskraft FR wirken. Diese ist der
Berührungsfläche A und dem Geschwindigkeitsgefälle dv/dr senkrecht zur Fließrichtung
proportional. Als Proportionalitätsfaktor
führt man die dynamische Viskosität (den
Koeffizienten der inneren Reibung) K ein:
FR
KA
dv
dr
.
K
U
.
(4)
Die kinematische Viskosität hat die SIEinheit m2 s-1.
0.
Für die Reibungskraft verwendet man Gl. (3)
und es folgt
ʌ r 2 p1 p2 K 2 ʌ r l
dv p1 p2 2K l
dv
dr
0 ,
r dr .
Die Lösung lautet unter Berücksichtigung der
Randbedingung v(R) = 0:
p1 p2 2 2
R r .
4K l
vr
(5)
Rohrwand
v(r)
Rohrmitte
l
p2< p1
p1
(3)
Der Zusammenhang in Gl. (3) wird auch als
Reibungsgesetz nach Newton bezeichnet. Die
SI-Einheit der dynamischen Viskosität ist
kg m-1 s-1, die kohärente abgeleitete Einheit
Pa s (Pascal Sekunde). Das Verhältnis von
dynamischer Viskosität K zur Dichte ȡ bezeichnet man als kinematische Viskosität K * :
K*
Fp FR
dr
p0 .
In einem mit Flüssigkeit oder Gas gefüllten
Rohr vom Radius R entsteht eine laminare
Strömung, wenn ein nicht zu großes Druckgefälle vorhanden ist. Im stationären Zustand
ist für jeden koaxialen Zylinder vom Radius r
die Summe von Druckkraft Fp und Reibungskraft FR gleich Null:
r
1
p U v2
2
6.0.2 Gesetz von Hagen und Poiseuille
R
(Staudruck) und dem vom Höhenunterschied h abhängigen Druck (geodätischer
Druck) konstant ist. Wenn die Strömung
durch ein horizontales Rohr erfolgt, bleibt die
potentielle Energie konstant und der geodätische Druck ist null. Dann vereinfacht sich die
Bernoulli-Gleichung (2) zu
R
r
Abb. M.6.0.2 Laminare Rohrströmung mit parabelförmiger Geschwindigkeitsverteilung (HagenPoiseuille’sche Gesetz)
Durch einen Hohlzylinder vom Radius r und
der Dicke dr fließt in der Zeit dt das Volumen dV (Abb. M.6.0.2). Dann berechnet sich
der Volumenstrom mit
V
dV
dt
2ʌ r dr v r .
6.0 Grundlagen
101
Mit v(r) gemäß Gl. (5) und Integration über
alle Hohlzylinder
V
R
³
0
ʌ p1 p2 2K l
R
2
r 2 r dr
2
1 § p p2 ·
2
2 2
dEk = ¨ 1
¸ R r U 2ʌ r l dr .
2 © 4K l ¹
Die gesamte kinetische Energie ergibt sich
durch Integration über alle Hohlzylinder zu
folgt das Gesetz von Hagen und Poiseuille:
V
ʌ R 4 p1 p2 8K l
Ek
.
(6)
Es ist zweckmäßig, einen Mittelwert der
Geschwindigkeit einzuführen. Als mittlere
Geschwindigkeit v definiert man das ausfließende Volumen je Zeit, geteilt durch den
Rohrquerschnitt:
v
V 1
.
t ʌ R2
v
p1 p2 R 2
8K l
(8)
Das Gesetz von Hagen und Poiseuille gilt
unter der Voraussetzung, dass die Strömung
laminar ist. Bei turbulenter Strömung, bei der
durch Wirbel Teilchen aus einer dünnen
Schicht in benachbarte Schichten gelangen,
kann Gl. (6) nicht angewendet werden. Aber
auch im Bereich der laminaren Strömung ist
das Gesetz von Hagen und Poiseuille nur
richtig, wenn die kinetische Energie der
Flüssigkeitsteilchen nicht zu groß gegenüber
derjenigen Energie ist, die durch die innere
Reibung bestimmt wird.
Um das zu verdeutlichen, betrachtet man die
in einem Hohlzylinder mit dem Radius r und
der Dicke dr bei einer Geschwindigkeitsverteilung gemäß Gl. (5) enthaltene kinetische
Energie
dEk
1 2
v dm bzw.
2
k
96 K 2 l
.
Dafür kann man
Ek
ªUv Rº R
ʌ R 2 p1 p2 «
»
¬ K ¼ 12
(9)
schreiben. Der in Gl. (9) auftretende Faktor in
den rechteckigen Klammern ist dimensionslos und wird Reynolds-Zahl Re genannt:
Re
.
³ dE
0
(7)
Aus dem Vergleich der Gln. (6) und (7) folgt
für die mittlere Strömungsgeschwindigkeit
auch der Zusammenhang
ʌ U p1 p2 R 6
2
R
U vR
.
K
(10)
Bei Rohrsströmungen ist es üblich, statt des
Radius R den Innendurchmesser des Rohrs
als charakteristische Länge L =2 R für die
Bestimmung der Reynolds-Zahl zu verwenden:
Re
U vL
.
K
(10a)
Die Reynolds-Zahl hat keine Dimension und
beschreibt als eine wichtige Kennzahl der
Strömungslehre das Verhältnis von Trägheits- zu Zähigkeitskräften.
Die kinetische Energie Ek kann nun unter
keinen Umständen größer als die in den strömenden Stoff hineingesteckte Arbeit
W
ʌ R 2 p1 p2 l
(11)
sein. Der Vergleich der Gln. (11) und (9)
liefert
l!
UvR R
K 12
Re
R .
12
(12)
Aus sorgfältigen Messungen ist bekannt, dass
6 Viskosität und Strömung
102 Mechanik
für Re < 1160 die Strömung in einem Rohr
mit Sicherheit laminar ist. Versteht man unter
l die Länge des Rohrs, folgt aus der Ungleichung Gl. (12), dass sich eine parabolische
Geschwindigkeitsverteilung im gesamten
Bereich der laminaren Strömung nur dann
einstellen kann, wenn das Verhältnis der
Rohrlänge zum Rohrradius größer als 100 ist.
Da bei der Herleitung des Gesetzes von Hagen und Poiseuille Gl. (5) verwendet wird,
kann Gl. (6) nur gelten, wenn die Ungleichung Gl. (12) erfüllt ist.
6.1 Kugelfallmethode
Aufgabenstellung
Die dynamische Viskosität einer sehr zähen
Flüssigkeit ist mit der Kugelfallmethode nach
Stokes bei Zimmertemperatur zu bestimmen.
FA
(14)
Es sind UK bzw. UFl die Dichte der Kugel
bzw. der Flüssigkeit. Für eine Kugel, die sich
mit der Relativgeschwindigkeit v zwischen
der Kugel und einer unendlich ausgedehnten
Flüssigkeit bewegt, gilt nach Stokes
6 ʌK r v .
FR
(15)
Im Experiment fällt die Kugel in einem Rohr
mit dem Radius R und der Höhe h. Der Betrag der Reibungskraft vergrößert sich mit
wachsenden Verhältnissen r/R und r/h. Da
nicht in jedem Fall h !! R !! r gilt, ist die
Reibungskraft zu korrigieren. Unter Berücksichtigung der Ladenburg’schen Korrektur
(A. Ladenburg) mit dem Korrekturfaktor
r
r
(1 2,1 ) (1 3,3 )
R
h
Ckorr
ϑ
4
ʌ r 3 U Fl g .
3
ergibt sich als modifizierte Gleichung für die
Reibungskraft
FR,korr
FA+ FR
6 ʌK r v Ckorr .
(15a)
Nachdem die Kugel eine gewisse Strecke in
der Flüssigkeit zurückgelegt hat, stellt sich
eine konstante Geschwindigkeit v = l / t ein.
Dann muss die Summe der auf die Kugel
wirkenden Kräfte verschwinden:
l
FG
FG FA FR
0 .
(16)
Setzt man die Gln. (13), (14) und die korrigierte Reibungskraft nach Gl. (15a) in
Gl. (16) ein, erhält man für die dynamische
Viskosität die Gleichung
Abb. M.6.1.1 Kugelfallmethode nach Stokes
Auf eine in einer zähen Flüssigkeit fallende
Kugel (Abb. M.6.1.1) vom Radius r wirken
drei Kräfte: die Schwerkraft FG, der Auftrieb
FA und die Reibungskraft FR:
FG
4
ʌ r 3 UK g ,
3
(13)
K
2 U K U Fl g
9l
r2 t ˜
1
1
r· §
r·
§
¨1 2,1 ¸ ¨1 3,3 ¸ .
R¹ ©
h¹
©
(17)
Die Stokes-Beziehungen Gln. (15) bzw. (15a)
gelten unter der Voraussetzung, dass die
6.2 Kugelfall-Viskosimeter
103
Reynolds-Zahl nach Gl. (10a)
Re
U Fl v L
K
(L = 2 r)
(18)
sehr klein gegen eins ist. Aus diesem Grunde
ist auch Gl. (17) nur für sehr kleine Reynolds-Zahlen brauchbar. Die Kugelfallmethode zur Bestimmung der dynamischen
Viskosität kann nur als Demonstrationsversuch angesehen werden. Für die meisten
Flüssigkeiten sind die Fallzeiten von Glasoder Metallkugeln selbst bei großen Fallstrecken relativ klein. Außerdem ist die Viskosität aller Flüssigkeiten stark von der Temperatur abhängig. Es bereitet experimentell viel
Mühe, die Temperatur einer in einem langen
Rohr befindlichen Flüssigkeit konstant zu
halten.
einem vorgegebenen Temperaturbereich zu
ermitteln und deren Beschreibung durch eine
Exponentialfunktion zu überprüfen.
Fällt eine Kugel in einem senkrecht stehenden Rohr, dessen Durchmesser nur wenig
größer als der Kugeldurchmesser ist, berührt
die Kugel im Allgemeinen in unkontrollierbarer Weise die Rohrwand.
L
T
Versuchsausführung
Man misst mit einem Maßband die Fallstrecke l, den Rohrradius R und die Höhe der
Flüssigkeitssäule h. Der Durchmesser der
Kugeln wird mit einer Bügelmessschraube
bestimmt. Die Fallzeiten der Kugeln zwischen oberer und unterer Marke am Rohr
werden mit einer elektronischen Stoppuhr
gemessen. Es ist darauf zu achten, dass die
Kugeln längs der Rohrachse fallen und dass
keine Luftblasen an den Kugeln hängen.
Die Messungen sind bei einer konstanten
Temperatur durchzuführen. Man berechnet
die Viskosität K nach Gl. (17), die Dichten UFl
und UK können den Tabellen im Anhang (A.7, A.8) bzw. den Versuchshinweisen
im Praktikum entnommen werden. Es ist zu
zeigen, ob die Reynolds-Zahlen für alle verwendeten Kugelradien viel kleiner als eins
ist (Gl. (18)).
6.2 Kugelfall-Viskosimeter
Aufgabenstellung
Es ist die Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität einer Flüssigkeit mit dem
Kugelfall-Viskosimeter nach Höppler in
A
S
Abb. M.6.2.1 Aufbau des Kugelfall-Viskosimeters nach Höppler mit den beiden Messmarken
(rote Ringe), Dosenlibelle L, Thermometer T
Ihre Bewegung wird reproduzierbar, wenn
man das Rohr um einige Grad gegen die
Vertikale neigt, d. h. die Kugel an der Rohrwand nach unten gleiten lässt. Diese Überlegung veranlasste Höppler, ein Viskosimeter
mit geneigtem Rohr zu entwickeln
(Abb. M.6.2.1). Das Viskosimeterrohr befindet sich in einem weiten Glasrohr, durch das
man Flüssigkeit konstanter Temperatur strömen lässt. Hat die Kugel die Messtrecke
(Abstand zwischen oberer und unterer Marke
am Viskosimeterrohr) durchlaufen, dreht man
das Viskosimeter 180q um die Achse A und
lässt die Kugel zurückgleiten. Während der
Messung ist das Viskosimeter mit der
Schraube S zu arretieren. Die Viskosität
bestimmt man mit der Gleichung
K
K U K UFl t .
(19)
6 Viskosität und Strömung
104 Mechanik
In Gl. (19) ist K die Kugelkonstante, t die
Zeit, in der die Kugel die Messstrecke durchläuft, und UK bzw. UFl sind die Dichte der
Kugel bzw. der Flüssigkeit. Die Gln. (17)
und (19) stimmen formal überein. Während
sich aber für eine in einem weiten Rohr fallende kleine Kugel die Kugelkonstante berechnen lässt, muss die Größe K in Gl. (19)
gegeben sein oder mit Hilfe einer Kalibrierflüssigkeit empirisch ermittelt werden. Um
das Höppler-Viskosimeter in einem sehr
großen Viskositätsbereich verwenden zu
können, gehört zu jedem Gerät ein Satz von
Kugeln verschiedener Größe und Dichte.
Eine der Kugeln ist auch zur Bestimmung der
Viskosität von Gasen geeignet. Bei den Messungen ist darauf zu achten, dass man eine
bestimmte Mindestfallzeit nicht unterschreitet, da anderenfalls die Strömung um die
Kugel nicht mehr laminar ist.
Versuchsausführung
Die Versuchsflüssigkeit, die ggf. vor dem
Einfüllen in das Glasrohr durch Erwärmung
und anschließend durch langsames Abkühlen
weitestgehend zu entgasen ist, wird in das
Viskosimeter gefüllt. Alle an der Rohrwand
haftenden Luftblasen sind sorgfältig zu entfernen. Dann steckt man langsam die Kugel
in das Rohr, ohne dass sich um die Kugel
Luftblasen bilden können. Der Einsatz am
oberen Ende des Viskosimeterrohrs soll nicht
vollständig gefüllt sein, damit sich die Flüssigkeit beim Erwärmen ausdehnen kann. Man
schließt das Rohr mit dem dafür vorgesehenen Schraubverschluss und justiert das
Viskosimeter. Danach wählt man an einem
Umwälzthermostaten die gewünschte Messtemperatur und schaltet diesen ein.
Die Zeit, in der sich die Kugel von der oberen bis zur unteren Messmarke am Viskosimeterrohr bewegt, wird mit einer Stoppuhr
gemessen. Da die Temperatur nicht in der zu
untersuchenden Flüssigkeit, sondern im
Temperierbad bestimmt wird, ist die Fallzeit
bei jeder Temperatur so oft zu stoppen, bis
sich ein im Rahmen der Messunsicherheit
konstanter Wert ergibt. Die Dichten UK und
UFl sind der Anleitung am Arbeitsplatz zu
entnehmen. Die Viskosität K wird nach
Gl. (19) berechnet und ihre Temperaturabhängigkeit ist graphisch darzustellen. Da die
Viskosität vieler Flüssigkeiten einer exponentiellen Temperaturabhängigkeit entsprechend K T A1 exp ( A2 / T ) genügt, trägt
man lnK über der reziproken absoluten Temperatur 1/T auf. Mit Hilfe des linearen Ausgleichs (graphisch oder rechnerisch) bestimmt man die in einem nicht zu großen
Temperaturbereich konstanten Materialparameter A1 und A2.
6.3 Kapillar-Viskosimeter
Aufgabenstellung
1. Die Abhängigkeit der kinematischen Viskosität einer Flüssigkeit von der Temperatur
ist in einem vorgegebenen Temperaturbereich mit dem Kapillar-Viskosimeter nach
Ubbelohde zu bestimmen.
2. Aus den Werten der kinematischen Viskosität sind die Werte der dynamischen Viskosität zu berechnen. Es ist die molare Energie
für die molekularen Platzwechselvorgänge
bei laminarer Schichtenströmung durch graphische Auswertung zu ermitteln.
Das Viskosimeter nach Ubbelohde ist ein
Kapillarviskosimeter. Es unterscheidet sich
von dem älteren Viskosimeter nach Ostwald
durch das Rohr 3 (Abb. M.6.3.1).
Dieses Rohr bewirkt, dass am unteren Ende
der Kapillare (4, Rohr 2) Luftdruck herrscht.
Die aus der Kapillare austretende Flüssigkeit
fließt in einer dünnen Schicht an der Innenwand des Volumens C ab. Dabei bildet sich
ein so genanntes hängendes Kugelniveau, das
nach sorgfältigen Untersuchungen von Ubbelohde unabhängig von der Dichte, der Viskosität und der Oberflächenspannung der zu
untersuchenden Flüssigkeit ist. Die untere
6.3 Kapillar-Viskosimeter
105
Grenze der Druckhöhe h ist daher das untere
Ende der Kapillare (nicht wie beim OstwaldViskosimeter die variable Höhe des Flüssigkeitsspiegels im Volumen B).
2
1
3
[Zur Berechnung von įp (Hagenbach-Korrektur)
schreibt man die kinetische Energie je Zeit der
durch einen Hohlzylinder mit dem Radius r und
der Dicke dr (Abb. M.6.0.2) strömenden FlüssigdE 1
2
keit auf: d Ekc
U d V v r .
dt 2
Für dV gilt d V (r ) 2 ʌ r v r d r . Daraus folgt
1
3
U 2 ʌ r d r v r bzw. mit Gl. (5) erhält
2
dEkc
D
M1
ªp p
º
3
2
U ʌr« 1
R 2 r 2 » d r .
4
K
l
¬
¼
Die Integration über alle Hohlzylinder liefert die
gesamte kinetische Energie je Zeit:
man dEkc
A
M2
3
ª p1 p2 º R8
.
»
¬ 4K l ¼ 8
Ekc
h(0)
h(t)
U ʌ«
Mit Gl. (6) ergibt sich Ekc
4
UV 3
ʌ 2 R 4t 3
. Andererseits
įpV
UV2
und es folgt įp
. (22)
ʌ 2 R 4t 2
t
Die dargestellte Überlegung ist insofern nicht
exakt, weil beim Eintritt der Flüssigkeit in die
Kapillare eine parabolische Geschwindigkeitsverteilung gemäß Gl. (5) noch gar nicht vorliegt. Aus
diesem Grunde bringt man an Gl. (22) einen
Korrekturfaktor kP an, der einen Wert von etwa
1,1 hat:
ist Ekc
M3
C
M4
B
Abb. M.6.3.1 Aufbau des Kapillar-Viskosimeters
nach Ubblohde
Die Druckhöhe h ändert sich während der
Messung von h(0) bis h(t). Man rechnet
deshalb mit dem zeitlichen Mittelwert
t
h
1
h dt .
t ³0
K
8V l U
.
(20)
Beim Eintritt in die Kapillare muss die Flüssigkeit beschleunigt werden. Dazu ist ein
Druck Gp notwendig.
p1 p2
U g h įp .
(21)
kp U V 2
ʌ 2 R 4t 2
(23)
.
Setzt man die Gln. (21) und (23) in Gl. (20) ein,
folgt
K
Für die kinematische Viskosität gilt nach den
Gln. (6) und (4)
ʌ p1 p2 R 4 t
įp
Mit
ʌ g h R4
8V l
den
t
mV 1
.
8ʌ l t
Konstanten
K
ʌ g h R4
8V l
und
ª Kc º
K «t ».
¬ Kt¼
Die Größe K c / ( K t ) muss die Dimension einer
Zeit haben. Deshalb führt man eine Korrekturzeit
ein:
Kc
mV
wird K 8ʌl
tc
K c /( K t ) . ]
(24)
6 Viskosität und Strömung
106 Mechanik
Für die Bestimmungsgleichung der kinematischen Viskosität folgt dann der Gleichung
K
K t tc .
(25)
Die Kapillar-Viskosimeter nach Ubbelohde
sind so dimensioniert, dass sich die Werte der
Viskosimeterkonstanten K nur sehr wenig
von 1 mm2 s-2, 0,1 mm2 s-2 bzw. 0,01 mm2 s-2
unterscheiden. Der Wert von K ist in das
kalibrierte Viskosimeter geätzt oder kann
dem Gerätezertifikat des Herstellers entnommen werden, in dem auch die Standardunsicherheit für K mitgeteilt wird.
Versuchsausführung
Zunächst wird das Rohr 1 (Abb. M.6.3.1) mit
Messflüssigkeit gefüllt, bis der Flüssigkeitsspiegel zwischen den Marken M3 und M4
liegt. Danach stellt man am Regelteil des
Thermostaten die gewünschte Temperatur ein
und schaltet den Thermostaten ein. Dieser
speist einen Glasbehälter mit der Thermostatflüssigkeit, in den das Viskosimeter einzusetzen ist. Rohr 3 wird mit dem Finger geschlossen und die Messflüssigkeit z. B. mit
Hilfe eines Gummigebläses in Rohr 2 hochgesaugt. Wenn das Volumen D völlig gefüllt
ist, öffnet man Rohr 3 und bestimmt die
Zeit t, in der der Flüssigkeitsspiegel von der
Marke M1 bis zur Marke M2 sinkt. Man notiert die Temperatur des Flüssigkeitsbads und
die Ausflusszeit t bei dieser Temperatur so
oft, bis sich der Wert von t nicht mehr ändert.
Die der Ausflusszeit entsprechende Korrekturzeit t c wird der vom Hersteller des Viskosimeters mitgelieferten Tabelle entnommen
und die kinematische Viskosität nach Gl. (25)
berechnet. Der Versuch ist bei anderen Temperaturen zu wiederholen. Unter Verwendung von Gl. (4) kann die dynamische Viskosität berechnet werden.
Die Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität ist graphisch in einem kartesischen Koordinatensystem mit den transformierten Koordinaten x = 1/T und y = lnK
darzustellen (Ausgleichsgerade y =A + B x,
Auswertung siehe Einführung 2.3 bzw. 2.4).
Für viele (nicht assoziierte) Flüssigkeiten
wird zur Beschreibung der Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität die
Andrade-Arrhenius-Beziehung
§ EA ·
¸
© RT ¹
K T C exp ¨
(26)
verwendet, die einen direkten Zusammenhang zwischen der molaren Aktivierungsenergie EA und dem Fit-Parameter B herstellt
(EA = R B). In Gl. (25) sind C eine Materialkonstante und R die universelle Gaskonstante. Die Größe EA ist eine Maß für die Größe
der zwischenmolekularen Wechselwirkungen, die für das wirbelfreie aneinander Vorbeifließen der Schichten bei laminarer Strömung notwendig ist.
6.4 Strömung im Rohr
Aufgabenstellung
1. Bei einer Rohrströmung soll diejenige
Reynolds-Zahl bestimmt werden, bei der die
laminare Strömung in einem Rohr in turbulente Strömung umschlägt.
2. Für den Bereich der laminaren Strömung
ist zu zeigen, dass zwischen dem Widerstandsbeiwert und der Reynolds-Zahl ein
linearer Zusammenhang besteht.
Bei einer stationären Strömung durch ein
Rohr vom Radius R ist die Summe aus
Druckkraft Fp und Reibungskraft FR gleich
null:
Fp FR
0 .
(27)
Für FR soll ein Ansatz gewählt werden, der
im Gegensatz zu Gl. (3) sowohl im Bereich
der laminaren als auch in dem der turbulenten Strömung brauchbar ist. Man setzt die
Reibungskraft FR proportional der angeströmten Mantelfläche A und der kinetischen
Energie je Volumen mit der mittleren Ge-
6.4 Strömung im Rohr
107
schwindigkeit v (Gln. (7) und (8)):
FR
cW A
U
2
experimenten gewonnen wurde:
v2 .
(28)
Die Größe cW beschreibt den dimensionslosen Widerstandsbeiwert, wobei U die Dichte
der Flüssigkeit ist. Aus
ʌ R 2 p1 p2 cW 2 ʌ R l
U
2
v2
0
folgt
p1 p2 R
cW
U l v2
.
(29)
Wird die Druckdifferenz ( p1 p2 ) mit Manometerrohren (Abb. M.6.4.1) gemessen, gilt
p1 p2
U g h1 h2 .
cW, turb
cW
l v2
.
Man stellt eine Druckdifferenz (p1 p2) als
Höhendifferenz (h1h2) ein, die durch Manometer im Abstand l längs des Rohrs gemessen wird (Abb. M.6.4.1). Befindet sich
Luft im Strömungsrohr, darf erst dann mit
der Messung begonnen werden, wenn die
strömende Flüssigkeit alle Luftblasen aus
dem Rohr entfernt hat. Die Temperatur der
Flüssigkeit (Wasser) ist abzulesen, die Werte
für die Dichte ȡ sowie die Viskosität Ș können der Tabelle A.9 im Anhang entnommen
werden. Man wiederholt die Messung bei
etwa 20 verschiedenen Druckdifferenzen.
S
(30)
Ist die Strömung laminar, kann man Gl. (8)
als
p1 p2 ʌ R 2 8 ʌK l v
0
(31)
schreiben. Aus den Gln. (27) und (31) folgt
FR
8ʌK l v .
(32)
Der Vergleich der Gln. (28) und (32) liefert
den Widerstandsbeiwert einer laminaren
Strömung mit der Reynolds-Zahl nach
Gl. (10a):
cW, lam
16
.
Re
(34)
Versuchsausführung
Damit wird der Widerstandsbeiwert
g h1 h2 R
0,0791
.
Re1/ 4
(33)
Trägt man lg cW über lg Re auf, erhält man
für den Bereich der laminaren Strömung
gemäß Gl. (33) eine Gerade mit dem Anstiegswert -1. Bei turbulenter Strömung besteht zwischen cW und Re ein anderer Zusammenhang, der empirisch aus Strömungs-
M
h1
h1-h2
h2
2r
l
Abb. M.6.4.1 Schematische Darstellung der
Versuchsanordnung zur Strömung in einem Rohr
mit Mariott’scher Flasche (M)
Als Vorratsbehälter kann eine Mariott’sche
Flasche verwendet werden, die über einen
Wasserzulauf verfügt, so dass sich auch bei
kontinuierlichem Abfluss das untere Ende
des Steigrohrs immer im Wasser befindet.
Bei konstanter Höhe des unteren Ende des
Steigrohrs S herrscht ein konstanter Überdruck am Auslass der Mariott’schen Flasche.
Durch Variation der Höhe der Flasche gegenüber der Lage des horizontalen Strömungsrohrs sowie durch die Änderung der
108 Mechanik
Eintauchtiefe des Steigrohrs, aber auch mit
Hilfe eines Ausflusshahns, kann die Druckdifferenz und damit der Volumenstrom geändert werden. Am Ausgang des Strömungsrohrs wird mit einem Messzylinder das ausfließende Volumen in einer bestimmten Zeit
ermittelt.
Da das Gesetz von Hagen und Poiseuille nur
für laminare Strömungen gilt, verwendet man
für die experimentelle Bestimmung von R die
bei kleinen Druckdifferenzen ermittelten
Volumenströme. Die mittleren Geschwindig-
6 Viskosität und Strömung
keiten erhält man aus Gl. (7), die Widerstandsbeiwerte cW aus Gl. (30) und die Reynolds-Zahlen Re aus Gl. (10). Man stellt
lg cW in Abhängigkeit von lg Re graphisch
dar und entnimmt dem Graphen den Wert der
kritischen Reynolds-Zahl (Rekr), bei dem der
Wechsel von einer laminaren in eine turbulente Strömung beobachtet wird. Unterhalb
und oberhalb von Rekr ist der Verlauf des
Graphen zu diskutieren. Dabei ist insbesondere die Anwendbarkeit der Gln. (33) und
(34) zu überprüfen.
109
Wärmelehre
1 Temperaturmessung
1.0 Grundlagen
1.0.1 Temperatur, Maßeinheiten und
Temperaturskalen
Die Temperatur ist eine Zustandsgröße der
Thermodynamik, die den Energiezustand
eines Körpers im thermodynamischen
Gleichgewicht charakterisiert. Nach der kinetischen Gastheorie hängt sie von der durchschnittlichen kinetischen Energie der sich
bewegenden Teilchen ab.
Die Thermodynamik verwendet die Temperatur als vierte Grundgröße neben den aus
der Mechanik bekannten Grundgrößen Masse, Länge und Zeit. Die Messung der Temperatur erfolgt indirekt durch die Untersuchung
physikalischer oder chemischer Stoffeigenschaften, die einer unmittelbaren Messung
zugänglich sind. Eine Definition der Temperatureinheit ist nur im Zusammenhang mit
der Realisierung einer Temperaturskala möglich. Die thermodynamische Temperaturskala
ist zwar theoretisch über den 2. Hauptsatz der
Thermodynamik und den Carnot-Kreisprozess begründbar, jedoch nur mit einem
Gasthermometer weitgehend realisierbar. Mit
Hilfe der thermodynamischen Temperaturskala wird die Temperatureinheit, das Kelvin,
definiert: Das Kelvin (K) ist der 273,16-te
Teil der thermodynamischen Temperatur des
Tripelpunkts von reinem Wasser. Je nach der
Wahl des Nullpunkts unterscheidet man zwischen Kelvin-Skala und Celsius-Skala. Die
absolute Temperatur T wird in Kelvin (K)
gemessen, deren Nullpunkt der absolute
Nullpunkt ist. Für die Celsius-Temperatur
wählt man das Formelzeichen - oder t.
Sie wird in der Einheit Grad Celsius (°C)
angegeben und es gilt die Größengleichung
- = (T(K) 273,15) °C. Im Falle einer Temperaturdifferenz
'- -2 -1
bzw. 'T
T2 T1
(1)
stimmt der Zahlenwert in beiden Skalen
überein und es wird die Einheit Kelvin empfohlen (DIN 1345). Daraus folgt, dass die
Unterscheidung zwischen einem Skalenwert
oder einer Differenz ohne eine zusätzliche
Erläuterung nicht möglich ist.
Bei hohen Genauigkeitsanforderungen sind
Temperaturmessungen sehr schwierig und
nur mit sehr hohem Aufwand zu realisieren.
Deshalb wurde für den praktischen Gebrauch
eine empirische Internationale Temperaturskala festgelegt, die gegenwärtig gültige ist
die ITS-90. Diese beinhaltet ein System von
vorgeschriebenen Messgeräten und Messverfahren zur möglichst genauen Annäherung an
die thermodynamische Temperatur. Mit der
ITS-90 werden spezielle Temperaturen (sogenannter Fixpunkte) festgelegt, von denen
einige Beispiele in Tabelle W.1.1 aufgeführt
sind.
Tabelle W.1.1 Beispiele für Fixpunkte der Internationalen Temperaturskala ITS-90
Tripelpunkt
Wasserstoff
13,8033 K
Tripelpunk
Sauerstoff
54,3584 K
Tripelpunkt
Wasser
273,16 K
Erstarrungspunkt
Zinn
505,078 K
Erstarrungspunkt
Aluminium
933,473 K
W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum,
DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
1 Temperaturmessung
110 Wärmelehre
Um diese hohen Genauigkeiten zu erreichen,
werden für ausgewählte Temperaturbereiche
unterschiedliche Thermometer, wie Dampfdruckthermometer (0,65 K bis 25 K), Widerstandsthermometer (13,8 K bis 1235 K)
und oberhalb 1235 K Spektralpyrometer als
Normalgeräte vorgegeben. Aus den Anzeigen
der Normalgeräte erhält man die Temperatur
mit Hilfe vorgeschriebener Definitionsgleichungen. Im Jahr 2000 wurde die ITS-90
nach tieferen Temperaturen hin erweitert
(Bereich zwischen 0,9 mK und 1 K). Die
Kurzbezeichnung dieser Tiefsttemperaturskala lautet PLTS-2000 (Provisional Low Temperature Scale), wobei für die Kalibrierung
dieser Skala die Druckabhängigkeit der
Schmelztemperatur von 3He verwendet wird,
die man mit einer Polynomfunktion höherer
Ordnung beschreibt.
1.0.2 Ausdehnungsthermometer
Bei Erwärmung bzw. Abkühlung eines Körpers ändert sich unabhängig vom Aggregatzustand seine Länge bzw. sein Volumen.
Bei einer Längenänderung 'l ('l = l – l0) in
einem Temperaturintervall 'T ('T = T – T0)
wird als Proportionalitätsfaktor der Längenausdehnungskoeffizient Dl eingeführt:
Dl
1 'l
.
l0 ' T
(2)
Für die Temperaturabhängigkeit der Länge l
gilt dann
l
l0 1 D l 'T .
J
1 'V
.
V0 'T
(3)
Analog zum Längenausdehnungskoeffizienten führt man den Volumenausdehnungskoeffizienten J ein:
(4)
Daraus folgt für die Temperaturabhängigkeit
des Volumens
V
V0 1 J 'T .
(5)
Die Größen l0 und V0 stellen Bezugsgrößen
bei der Temperatur T0 dar und die Gln. (2) bis
(5) sind nur für begrenzte Temperaturintervalle gültig. Aus der dritten Potenz von
Gl. (3) erhält man bei Vernachlässigung der
Potenzen zweiter und dritter Ordnung
Ȗ | 3 D l . Im Falle nichtlinearer Abhängigkeiten führt man differentielle Ausdehnungskoeffizienten ein, d. h., man ersetzt 'l/'T durch
dl/dT bzw. 'V/'T durch dV/dT.
Längen- und Volumenausdehnung werden
bei der praktischen Konstruktion von Thermometern genutzt. Bei Metall-Ausdehnungsthermometer finden in der Regel Bimetallthermometer praktische Anwendungen,
die in einem Temperaturbereich von etwa 70 qC bis 600 qC zum Einsatz kommen.
Im Prinzip enthalten diese zwei Metalle mit
unterschiedlicher thermischer Ausdehnung,
die fest miteinander verbunden sind. Eine
Änderung der Temperatur verursacht eine
Veränderung der Krümmung des Bimetalls,
deren Stärke von der Größe der Temperaturänderung abhängig ist.
Flüssigkeitsthermometer beruhen auf der
thermischen Ausdehnung einer Flüssigkeit in
einem Gefäß mit angesetzter Kapillare und
verwenden zum Anzeigen der Temperatur
den Ausdehnungsunterschied zwischen Füllflüssigkeit und Gefäßmaterial. Als Thermometerflüssigkeit kommen benetzende und
nicht benetzende Flüssigkeiten zur Anwendung, z. B. Alkohol (110 °C bis +60 °C),
Pentan (110 °C bis +60 °C) oder Quecksilber (30 °C bis +350 °C). Die mit guten
Flüssigkeitsglasthermometern erreichbaren
Messunsicherheiten liegen bei 0,1 K. Um
solche geringen Messunsicherheiten zu realisieren, müssen zusätzliche Korrekturen bezüglich der Temperaturanzeige erfolgen.
1.0.3 Elektrische Temperatursensoren
Zu den wichtigsten elektrischen Temperatursensoren gehören Widerstandsthermometer
und Thermoelemente. Bei den Widerstandsthermometern wird die temperaturabhängige
111
1.0 Grundlagen
Änderung des elektrischen Widerstands als
Maß für die Temperatur benutzt (E.1.0.l).
Bevorzugt werden Metalle und Halbleiter,
die eine große und reproduzierbare Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands
aufweisen (z. B. Platin, Rhodium, Metalloxide, Germanium, Silizium u. a.). Als MetallWiderstandsthermometer verwendet man
sehr oft das Platin-Widerstandsthermometer,
bei dem der elektrische Widerstand als Funktion der Temperatur durch ein Polynom höherer Ordnung beschrieben werden kann
(DIN EN 60751). Für kleine Temperaturintervalle 'T sowie bei nicht zu hohen Anforderungen an die Genauigkeit genügt in praktischen Fällen oftmals die Näherung durch
den linearen Zusammenhang
R T0 1 E 'T ,
R(100 qC) / R(0 qC) 138,51 : /100 : .
Als Grundmaterialien für NTC-Temperatursensoren (Negative Temperature Coefficient)
kommen in der Regel polykristalline Keramiken zum Einsatz. Diese bestehen im Allgemeinen aus Mischmetalloxiden, deren
Temperaturkoeffizient von der Zusammensetzung und den Korngrenzeneigenschaften
abhängt. Die Temperaturabhängigkeit des
Widerstands der NTC-Sensoren kann in ausgewählten Temperaturbereichen mit der Beziehung
°­ ª§ 1 · § 1
R0 exp ®b «¨ ¸ ¨
°¯ «¬© T ¹ © T0
I
II
1
II
T1
T2
I
2
(6)
wobei E der lineare Temperaturkoeffizient
des elektrischen Widerstands mit E > 0 ist.
Eine große technische Bedeutung besitzt der
Pt-100-Messwiderstand als Sensorelement,
für den nach der gültigen DIN ein festes Widerstandsverhältnis festgelegt ist:
R T E
· º °½
¸ »¾
¹ »¼ °¿
(7)
beschrieben werden, wobei R0 der Widerstand bei der Bezugstemperatur T0 und b eine
materialabhängige Konstante sind. Die Mess-
T1
>
R T unsicherheiten einfacher technischer Widerstandsthermometer liegen zwischen 0,2 K
und 2 K je nach Messbereich und Fertigung.
Thermoelemente gehören zu den elektrischen
Temperatursensoren, die in einem sehr weiten Temperaturbereich von etwa 200 qC bis
3000 qC zur Temperaturmessung geeignet
sind. Bei ihnen nutzt man die Thermoelektrizität (Seebeck-Effekt) aus.
T2
Abb. W.1.0.1 Messprinzip des Thermoelements
mit zwei verschiedenen Metallen I und II
Dazu müssen sich in einem offenen Leiterkreis zwei Kontaktstellen (Verbindung von
zwei thermoelektrisch wirksamen homogenen Leitern I und II) auf verschiedener Temperatur T1 und T2 (Abb. W.1.0.1) befinden.
Infolge der Temperaturdifferenz 'T T2 T1
entsteht zwischen den offenen Enden des
Kreises die Thermospannung E, die einen
Thermostrom bewirkt, wenn die Enden miteinander leitend verbunden sind. Bei einem
Thermoelement wird demzufolge thermische
Energie direkt in elektrische Energie umgewandelt. Für die meisten verwendeten Metallkombinationen liegt die Thermospannung
in der Größenordnung von einigen Mikrobis Millivolt. Zur Charakterisierung der Empfindlichkeit eines Thermoelements benutzt
man die differentielle Thermospannung
S th
dE
,
dT
(8)
1 Temperaturmessung
112 Wärmelehre
die auch als Seebeck-Koeffizient bezeichnet
wird und von der Temperatur abhängt. Die
thermoelektrische Spannung E einer Materialkombination lässt sich für nicht zu große
Temperaturbereiche durch die quadratische
Funktion
E
a ' T b 'T 2
(9a)
beschreiben. Hierbei sind a und b thermoelektrische Materialkonstanten und 'T die
Differenz zwischen der Temperatur des
Messfühlers zu einer Bezugstemperatur. Für
ein begrenztes Temperaturintervall kann
meist mit hinreichender Genauigkeit b null
gesetzt und damit die lineare Näherung verwendet werden:
E
a 'T .
(9b)
Um eine Austauschbarkeit der Thermopaare
sicherzustellen, sind die Grundspannungswerte der wichtigsten Thermopaare international genormt. Diese Normen enthalten die
Thermospannungs-Temperatur-Beziehungen
in Form von Tabellen und Polynomen, was
für computergestützte Auswertungen von
Vorteil ist. Einige der technisch häufig verwendeten Drahtkombinationen (Thermopaare) sind Platin-Platin/Rhodium, KupferKupfer/Nickel und Nickel-Chrom/Nickel.
Für die exakte Kalibrierung von Thermoelementen ist die entsprechende Richtlinie des
Deutschen Kalibrierdienstes zu empfehlen.
Für die Messung der Thermospannung werden am einfachsten empfindliche Digitalvoltmeter oder Kompensationsverfahren
(E.1.3) verwendet. Bei modernen Digitalthermometern mit Thermoelement-Messfühlern wird die Bezugs- oder Referenztemperatur durch eine elektronisch erzeugte Referenzspannung ersetzt, die von einer integrierten Schaltung erzeugt wird.
1.0.4 Strahlungsthermometrie
Mit den Methoden der Strahlungsthermometrie können die Temperaturen von Objekten, die Wärme emittieren, berührungslos
gemessen werden. Dabei muss die abge-
strahlte thermische Energie eindeutig durch
die Temperatur des Objekts bestimmt sein.
Ein wichtiger Spezialfall ist die spektrale
Strahlungsverteilung des schwarzen Körpers
(d. h. eines Körpers, der alle auftreffende
Strahlung absorbiert bzw. emittiert) und dem
Planck’schen Strahlungsgesetz genügt:
2 h c02
Les (O , T ) 'O =
O5
1
e
h c0
O kT
' O . (10)
1
Les(O, T) ist die spektrale Strahldichte unpolarisierter Strahlung im Intervall ǻO bezogen
auf die Einheit des Raumwinkels, und h, c0
sowie k sind die bekannten Fundamentalkonstanten. Benutzt man statt der Wellenlänge Ȝ
die Frequenz f, erhält man im Bezug auf das
Frequenzintervall ǻf :
Les ( f , T ) ' f
2h f3
c02
1
e
hf
kT
' f . (11)
1
Die spektrale Strahldichte hängt also bei
einem schwarzen Strahler nur von der Wellenlänge bzw. Frequenz und von der absoluten Temperatur T ab, jedoch nicht von der
Beschaffenheit des Strahlers.
Mes, λ
2500 K
2200 K
2000 K
1500 K
λ
Abb. W.1.0.2 Spezifische Ausstrahlung Mes als
Funktion der Wellenlänge O bei verschiedenen
Temperaturen eines schwarzen Strahlers
Zur Charakterisierung der spektralen Verteilung trägt man z. B. die in einem engen Wel-
113
1.0 Grundlagen
lenlängenintervall ǻȜ gemessene Strahldichte Les(O, T) bzw. die spezifische Ausstrahlung Mes(O, T) in Abhängigkeit von der Wellenlänge O mit der Temperatur T als Parameter auf (Abb. W.1.0.2). Als spezifische spektrale Ausstrahlung definiert man den Strahlungsfluss (Strahlungsleistung) dividiert
durch die emittierende Oberfläche. Führt man
die Integration über alle Wellenlängen und
über einen Halbraum (Abb. W.1.4.3) durch,
Reale Strahler, z. B. glühende Drähte oder
beheizte Metallflächen, emittieren bei gleicher Temperatur stets weniger Strahlungsenergie als schwarze Körper. Das Verhältnis
der Strahldichte des betreffenden Körpers zu
der eines schwarzen Körpers gleicher Temperatur bezeichnet man als den spektralen
Emissionsgrad H (O, T ), so dass man für die
spektrale Strahldichte LeO einer realen thermischen Strahlungsquelle schreiben kann:
f ʌ/2 2ʌ
M es
³ ³ ³ L O (O , T ) dO cosT sin T dT dM ,
e
0
0
0
(12)
erhält man die gesamte spezifische Ausstrahlung eines schwarzen Körpers und es ergibt
sich das Stefan-Boltzmann-Gesetz
5
M es
4
4
2ʌ k T
15 c02 h3
V T4
(13)
mit der Stefan-Boltzmann-Konstante
V = 5,6704·10-8 W m-2 K-4 .
Befindet sich der schwarze Strahler in einem
anderen Strahlungsfeld, z. B. einer Umgebung bei der Temperatur Tu , muss im Strahlungsgleichgewicht die Differenz beider
Strahlungsanteile berücksichtigt werden:
M es
LeO 'O = H (O , T )
V (T 4 Tu4 ) .
(13a)
Wenn Gl. (10) einmal nach der Wellenlänge
differenziert und die Ableitung null gesetzt
wird, erhält man das Wien’sche Verschiebungsgesetz:
Omax T 2,8978 ˜ 103 m K .
(14)
Nach Gl. (14) verschiebt sich bei erhöhter
Strahlungstemperatur das Maximum der
Strahlungsleistung zu kürzeren Wellenlängen
(vgl. Abb. W.1.0.2). Für eine Temperatur
von 25 °C erhält man z. B. für die thermische
Strahlung eine Wellenlänge von ca. 9,7 —m,
für 1000 °C ergibt sich eine Wellenlänge von
etwa 2,3 —m.
2 h c02
O5
1
e
h c0
O kT
' O . (15)
1
Damit ergibt sich für die spezifische Ausstrahlung nach Gl. (13a)
Me
H (O , T ) V (T 4 Tu4 ) .
(13b)
Nach dem Kirchhoff’schen Strahlungsgesetz
ist der Emissionsgrad H ( O, T ) gleich dem
Absorptionsvermögen D (O, T ) eines realen
Körpers im thermischen Gleichgewicht:
D ( O , T ) H (O , T ) .
(16a)
Die Größe von D (O , T ) lässt sich durch Reflexionsmessungen bestimmen,
D (O , T ) 1 R (O , T ) ,
(r)
(16b)
(e)
wobei R = I / I das Verhältnis von reflektierter zu eingestrahlter Intensität bei senkrechtem Einfall ist. Falls eine Strahlung auf
eine Fläche unter einem Winkel T einfällt,
der größer als null ist, gilt für die einfallende
Intensität das Lambert’sche Gesetz:
Ie
I 0 cosT .
(17)
Dabei sind T der Winkel zwischen der Flächennormale und I0 die Strahlstärke in Richtung der Flächennormalen (Abb. W.1.4.3).
Einen Körper, bei dem der Emissionsgrad
nicht von der Wellenlänge abhängt, bezeichnet man als grauen Strahler. Seine spektrale
Strahldichte stimmt bis auf einen konstanten
Faktor H (0< H < 1) mit der eines schwarzen
Körpers überein. Für das technisch wichtige
1 Temperaturmessung
114 Wärmelehre
Wolfram ist im sichtbaren Spektralbereich
der Wert des Emissionsgrads in guter Näherung H = 0,47, unabhängig von der Temperatur und der Wellenlänge.
Die Temperatur T des nichtschwarzen Strahlers kann auch durch seine (schwarze) Strahlungstemperatur Ts beschrieben werden. Bezogen auf die spektrale Strahldichte bei der
Wellenlänge O bzw. Frequenz f folgt mit der
Näherung h c0 / (O k T ) 1 (kleine Wellenlängen) bzw. h f / (k T ) 1 (große Frequenzen) aus dem Planck’schen nach Gl. (10) das
Wien’sche Strahlungsgesetz:
LWien
(O , T ) 'O =
es
2
0
2hc
O5
e
c2
OT
1
Ts O O
c2
ln H O , T .
c0 h
.
k
GB
OB
D
OK GF
Ω'
' O . (18)
(19a)
In den Gln. (18) und (19a) beschreibt c2 die
zweite Planck-Strahlungskonstante mit
c2
AB
F
d
Mit LWien
(O , T ) H O , T LWien
(O , T ) erhält man
es
e
die Beziehung
1
T
struktive Maßnahmen der Blendensysteme ist
das Empfängersignal unabhängig von der
Entfernung zur homogen ausstrahlenden
Fläche unter der Bedingung, dass D ! d gilt.
Zur Einstellung verschiedener Messbereiche
kann zwischen Okularlinse und dem Filter
zum Abschwächen der Strahlung z. B. eine
Absorptionsplatte (Graufilter GF) eingeschoben werden.
(19b)
Um die Temperatur eines Messobjekts berührungslos zu messen, verwendet man häufig
Strahlungspyrometer, dessen typischer Aufbau in Abb. W.1.0.3 gezeigt wird. Mit ihnen
wird von dem Beobachtungsfeld (Durchmesser D) ein Teilbereich (Messfelddurchmesser d ) mit Hilfe einer Objektivlinse (OB) auf
eine Gesichtsfeldblende (GB) abgebildet. Der
Raumwinkel : ' wird durch die Aperturblende (AB) und ihren festen Abstand b
zur Gesichtsfeldblende unabhängig von der
Gegenstands (a)- und Bildweite (ac) festgelegt. Die Okularlinse (OK) sammelt den
Strahlungsfluss, der ggf. nach spektraler Filterung (F) auf einen photo-, thermo- oder
pyroelektrischen Empfänger (E) trifft, dessen
Ausgangssignal proportional zum auftreffenden Strahlungsfluss ist. Durch geeignete kon-
E
b
a
a'
Abb. W.1.0.3 Schematischer Aufbau eines Strahlungspyrometers
Bei einem Glühfaden-Pyrometer, das zu den
Teilstrahlungspyrometern gehört, befindet
sich der Glühfaden des Pyrometers an der
Position der Gesichtsfeldblende. An die Stelle des Empfängers tritt das Auge des Beobachters. Mit dem Glühfaden-Pyrometer vergleicht man die Leuchtdichte des Messobjekts mit der des Glühfadens. Letzterer kann
durch die Änderung des Lampenstroms auf
die Helligkeit des Messobjekts eingestellt
werden. Die Stärke des den Glühfaden durchfließenden Stroms ist als Funktion der Temperatur durch Kalibrierung bestimmt worden.
Bei technischen Glühfaden-Pyrometern beträgt die Messunsicherheit 4 K bis 15 K in
Abhängigkeit vom Temperaturmessbereich
und der Genauigkeitsklasse des verwendeten
Pyrometers. Moderne Spektralpyrometer
verfügen über Mikroprozessoren sowie
Schnittstellen zum Anschluss an einen Computer. Bei einer festgelegten Wellenlänge
bzw. in einem vorgegebenen Wellenlängenbereich erfolgt nach der Eingabe des Emissi-
115
1.0 Grundlagen
onsgrads die Berechnung und Anzeige der
Objekttemperatur. Außerdem verfügen moderne Pyrometer über Pilotlaser zur genauen
Festlegung der erfassten Messfläche.
Ein sehr empfindlicher Detektor für elektromagnetische Strahlung in einem weiten Wellenlängenbereich ist die Thermosäule. Ein oft
verwendeter Thermosäulentyp ist die Thermosäule nach Moll (Abb. W.1.0.4), bei der
die Empfindlichkeit im Wellenlängenbereich
zwischen 0,15 —m und 15 —m konstant ist.
Reflektorfläche
Gehäuse
UTS
Detektorfläche
Abb. W.1.0.4 Querschnitt einer Thermosäule
nach Moll (schematisch)
Sie besteht im Wesentlichen aus einem konischen Reflektor und der geschwärzten Detektorfläche, auf der sich in Reihe geschaltete
Thermoelemente befinden, die sich durch
Absorption einfallender Wärmestrahlung
erwärmen. Die Referenzthermoelemente sind
so befestigt, dass sie einen direkten Kontakt
zu dem massiven Metallgehäuse haben, dessen Temperatur konstant auf der Umgebungstemperatur gehalten wird oder man
kühlt diese mit einem Thermostaten auf eine
für den speziellen Einsatz zweckmäßige tiefe
Temperatur. Im thermischen Gleichgewicht
ist die Ausgangsspannung der Thermosäule
direkt proportional zur empfangenen Strahlungsleistung, wobei die Gleichgewichtseinstellung bis zu einigen Sekunden dauern
kann. Zur Beschreibung der Abhängigkeit
der Ausgangsspannung UTS einer Thermosäule von der Temperaturdifferenz 'T zwischen den bestrahlten Thermopaaren (Temperatur T1) und den unbestrahlten Referenz-
thermopaaren (z. B. bei konstanter Umgebungstemperatur Tu ) setzt man im Allgemeinen folgende Gleichung voraus (kTS Sensorkonstante):
U TS
kTS (T1 Tu ) kTS 'T .
(20)
Nach einer Temperaturerhöhung 'T stellt
sich nach einer ausreichend langen Wartezeit
ein stationäres Gleichgewicht zwischen der
empfangenen Strahlungsleistung Pauf und der
von der Thermosäule abgeführten Strahlungsleistung Pab ein. Die empfangene Strahlungsleistung ist proportional zur emittierten
Strahlungsleistung der Strahlungsquelle
(Temperatur T) und nach dem Strahlungsgesetz von Stefan und Boltzmann genügt sie der
Relation )e v (T 4 Tu4 ) , wobei )e (Einheit W m-2) den Strahlungsfluss der Quelle
beschreibt. Für kleine Unterschiede zwischen
T1 und Tu ergibt sich
(T14 Tu4 )
(T12 Tu2 ) (T1 Tu ) (T1 Tu )
| 2 Tu2 2Tu 'T
4 Tu3 'T .
Damit ist die von der Thermosäule empfangene Strahlungsleistung, die zur Erwärmung
der Messstellen der Thermosäule führt, wie
auch deren Ausgangsspannung UTS proportional zur Temperaturdifferenz 'T. Daraus
folgt die Beziehung U TS v )e . Die Entwicklung neuer Sensormaterialien ermöglicht die
Konstruktion moderner Halbleiter- oder
Atomlagen-Thermosäulen. Neben den kleinen Abmessungen sind ein weiterer entscheidender Vorteil gegenüber konventionellen
Thermosäulen die sehr hohen Empfindlichkeiten und kurzen Ansprechzeiten.
Durch die Entwicklung von empfindlichen
und kostengünstigen Detektormaterialien für
den Infrarotbereich (IR-Bereich zwischen
etwa 1 —m und 25 —m) sowie der zur Weiterverarbeitung der Detektorsignale erforderlichen elektronischen Baugruppen finden heute
Infrarot-Thermometer zur kontaktlosen Temperaturmessung in vielen Bereichen eine
breite Anwendung.
1 Temperaturmessung
116 Wärmelehre
Objekt
(a)
{
Sensor
Optik
Messfeld
Sensorfläche
Datenausgabe/
Anzeige
b)
Temperaturkompensation
Temperatursensor
Infrarotsensor
ADC
Temperatur ist zusätzlich die Kenntnis des
Emissionsgrads der emittierenden Oberfläche
notwendig, dessen Wert über die Bedienungstastatur des Infrarotthermometers eingestellt oder über die vom Hersteller mitgelieferte Mess- und Auswerteprogramme eingegeben werden kann. Um zweidimensionale
Temperaturverteilungen eines Messobjekts
zu erfassen, kommen Wärmebildkameras
zum Einsatz (Thermographie).
1.1 Thermische Ausdehnung
Aufgabenstellung
ADC
Datenverarbeitung
ε-
Einstellung
Abb. W.1.0.5 Schema eines Infrarot-Thermometers, (a) Strahlenverlauf, (b) elektronische
Komponenten
Bei ihnen wird die empfangene Infrarotstrahlung über eine Linse auf einen speziellen
Sensor abgebildet (Abb. W.1.0.5a). Dieser
wandelt die absorbierte Strahlungsenergie in
ein elektrisches Signal um. Anschließend
erfolgt dessen elektronische Weiterverarbeitung, die Anzeige der Temperatur auf einem
LC-Display und ggf. die Datenübertragung
an ein rechnergestütztes Messwerterfassungssystem (Abb. W.1.0.5b).
Besonders wichtig ist, dass man unabhängig
vom Abstand zwischen der strahlenden Oberfläche und dem Infrarotdetektor dessen vollständige Bestrahlung erreicht. Dazu werden
in das IR-Thermometer Laservisiere integriert, die z. B. mit zwei oder mehr Laserstrahlen den Durchmesser der erforderlichen
Messfläche markieren. Moderne IR-Thermometer können auch eine umschaltbare
Optik für Fernfeld- und Nahfeldmessung
enthalten, mit der das Anvisieren des Messfelds optimiert wird. Für die Bestimmung der
1. Für zwei verschiedene Metalle ist der lineare Ausdehnungskoeffizient zu ermitteln.
2. Das Volumen von zwei Flüssigkeiten ist in
Abhängigkeit von der Temperatur zu messen
und in einem Diagramm darzustellen. Es sind
die Volumenausdehnungskoeffizienten für
bestimmte Temperaturen bzw. in bestimmten
Temperaturintervallen zu ermitteln.
Für die Messung des linearen Ausdehnungskoeffizienten Dl stehen zwei Rohre aus verschiedenen Metallen zur Verfügung, die mit
wärmeisolierendem Material umhüllt sind.
Ein Ende des Rohrs ist fest eingespannt, während das andere Ende den Taststift einer
Messuhr berührt (vgl. Abb. W.1.1.1). Zur
Messung der Änderung der Länge in Abhängigkeit von der Temperatur l(T ) wird eine
mechanische Präzisionsmessuhr (Skalenteilungswert 0,01 mm) verwendet. Mit Hilfe
eines elektronisch geregelten Umwälzthermostaten pumpt man Wasser konstanter
Temperatur durch die Rohre. Zur Messung
und Kontrolle einer konstanten Temperatur
längs der Rohrachse sind an verschiedenen
Stellen des Rohrs Temperatursensoren angebracht.
Versuchsausführung
In einem vorgegebenen Temperaturbereich
werden zur Realisierung der Aufgabe 1 bei
zehn verschiedenen Temperaturen die Län-
117
1.1 Thermische Ausdehnung
genänderungen 'l(T ) mit 'l (T ) = l(T ) – l20
gemessen. Der Wert von l20 für die Rohrlänge bei der Temperatur von 20 °C wird am
Arbeitsplatz mitgeteilt.
(a)
Einspannstelle Rohr
Messuhr
mm
(b)
Kapillare
V02
Kolben
V01
V0
zwischen dem abgelesenen (scheinbaren, nur
bei -B richtigen) Volumen V01 und dem tatsächlichen Volumen der Flüssigkeit VF1 ist
dann
VF1 V01 ª1 3D Gl -1 -B º ,
¬
¼
wobei DGl der lineare Ausdehnungskoeffizient von Glas ist. Bei der Temperatur
-2 > -1 hat sich die Flüssigkeit bis zu einer
Marke M2 (scheinbares Volumen V02) ausgedehnt. Für das tatsächliche Volumen der
Flüssigkeit bei dieser Temperatur gilt einerseits
VF2 V02 ¬ª1 3D Gl -2 -B ¼º
Abb. W.1.1.1 Anordnungen zur Messung des
linearen Ausdehnungskoeffizienten (a) und des
Volumenausdehnungskoeffizienten (b)
Nach jeder Änderung der Temperatur ist vor
dem Ablesen des Messwerts l(T ) die Einstellung des Temperaturgleichgewichts abzuwarten. Die Längenänderung 'l ist in Abhängigkeit von der Temperaturänderung 'T graphisch darzustellen. Über den Anstieg der
Ausgleichsgeraden soll nach Gl. (2) der Wert
für den linearen Ausdehnungskoeffizienten
bei 20 °C berechnet und mit dem Tabellenwert (Anhang A.7) für jedes der beiden Metalle verglichen werden.
Für die Messung der Volumenausdehnung
der zu untersuchenden Flüssigkeiten wird bei
Aufgabe 2 als Ausdehnungsgefäß ein Glaskolben (Abb. W.1.1.1b) verwendet, an den
das Rohr einer Kapillare (Messpipette) angeschmolzen ist. Glaskolben und Messpipette
befinden sich in einem Wasserbad, dessen
Temperatur mit Hilfe eines Thermostaten
schrittweise verändert werden kann.
Das innere Volumen V0 des Gefäßes bei der
Bezugstemperatur -B = 20 qC, bei der die
Volumenskala des Pipettenrohrs gültig ist, sei
bekannt. Bei einer Temperatur -1 > -B soll
das Gefäß bis zu einer Marke M1 am Pipettenrohr gefüllt sein. Der Zusammenhang
(21)
(22)
und andererseits
VF2
VF1 ¬ª1 J 12 -2 -1 ¼º .
(23)
Der Ausdehnungskoeffizient der Flüssigkeit
im Temperaturintervall -1 bis -2 wird hier
mit J12 bezeichnet. Aus den Gln. (21) und
(23) folgt
V02
1 3D Gl -2 -B 1 3D Gl -1 -B V01 ¬ª1 J 12 -2 -1 ¼º
oder bei Berücksichtigung der Tatsache, dass
3D Gl -i -B 1
für alle in Betracht kommenden Temperaturen -i ist,
V02
¬ª1 3D Gl -2 -1 ¼º
V01 ª¬1 J 12 -2 -1 ¼º .
Damit ergibt sich
J 12
V02 V01
V
3D Gl 02 .
V01 -2 -1 V01
(24)
Führt man in Gl. (24) einen Grenzübergang
-1 o -2 = - durch, erhält man den von
der Temperatur abhängigen (differentiel-
1 Temperaturmessung
118 Wärmelehre
len) Ausdehnungskoeffizienten
J-
1
dV
3D Gl .
V0 - d-
(25)
Die Erwärmung innerhalb des vorgegebenen
Temperaturintervalls soll in Schritten von
etwa 5 K erfolgen. Die abgelesenen Volumina werden in Abhängigkeit von der Temperatur graphisch dargestellt. Für den Fall eines linearen Graphen ist der Anstieg der Ausgleichsgeraden zu ermitteln, mit dem man
unter Anwendung von Gl. (24) den Ausdehnungskoeffizienten bei der Temperatur -0
bestimmen kann. Verläuft der Graph nicht
linear, so ist eine Tangente an die Kurve bei
der Temperatur - zu legen, mit deren Anstieg
sich nach Gl. (25) der Wert J- ermitteln lässt.
Der lineare Ausdehnungskoeffizient DGl ist
bekannt. Weitere für die Versuchsdurchführung notwendige Informationen werden am
Arbeitsplatz gegeben.
1.2 Gasthermometer
Aufgabenstellung
1. Der Spannungskoeffizient Dp eines idealen
Gases soll mit einem Gasthermometer bestimmt werden.
2. Mit dem kalibrierten Gasthermometer sind
die Temperatur in einem Wasserbad konstanter Temperatur und die Siedetemperatur von
Stickstoff bei Luftdruck zu messen.
Die mit Gasthermometern gemessenen Temperaturen entsprechen recht genau der thermodynamischen Temperaturskala. Man nutzt
dabei die Zustandsänderung des idealen Gases aus (W.2.0). Bei der hier verwendeten
Methode des konstanten Volumens bleibt das
Volumen der eingeschlossenen Gasmasse in
guter Näherung konstant. Das im Versuch
eingesetzte Gasthermometer (Abb. W.1.2.1)
besteht aus einem Glas- bzw. Metallkolben
(K) mit aufgesetztem Kapillarrohr (R), das
über eine kurze Schlauchverbindung direkt
mit einem Drucksensor (DS) und dessen
kalibrierter Anzeige verbunden ist. Zunächst
soll das ideale Gas (z. B. Helium) im Gasthermometerkolben
die
Temperatur
T0 = 273,15 K haben und unter dem Druck p0
stehen. Die zu bestimmende Temperatur berechnet man prinzipiell unter Verwendung
der Beziehung
p
p0 1 D p 'T .
(26)
DS
p
hPa
R
K
Abb. W.1.2.1 Gasthermometer (schematisch)
Bezeichnet man das innere Volumen des
Kolbens bei T0 mit V0, lautet die Zustandsgleichung Gl. (W.2-5)
p0 V0
n 'n0 R T0
.
(27)
Dabei ist n die Gasmenge im Gasthermometer und 'n0 die Gasmenge im so genannten
schädlichen Raum. Dieser entspricht etwa
dem Innenvolumen 'V von Kapillarrohr und
Schlauch und besitzt annähernd die Umgebungstemperatur -1, d. h., es gilt
p0 'V
'n0 R T1 .
(28)
Eliminiert man aus den Gln. (27) und (28)
'n0, erhält man
§ 'V T0 ·
p0 V0 ¨1 ¸ n R T0 .
V0 T1 ¹
©
(29)
Nun wird das Gas im Kolben bis zur Siedetemperatur -s von Wasser erwärmt.
119
1.2 Gasthermometer
Dabei steigt der Druck des Gases im Kolben
auf den Wert ps und das Innenvolumen vergrößert sich infolge der thermischen Ausdehnung gemäß Gl. (5). Es gilt mit -s Ts T0
(Einheit K)
psV0 1 3D l -s n 'n RTs
,
(30)
wobei Dl der lineare Ausdehnungskoeffizient
des Kolbenmaterials ist. Im Volumen 'V, in
dem die Umgebungstemperatur näherungsweise erhalten bleibt, befindet sich jetzt die
Gasmenge 'n, und es gilt
ps 'V
'n R T1 .
(31)
Aus den Gln. (30) und (31) folgt
§
'V Ts ·
ps V0 ¨1 3D l -s ¸ n R Ts . (32)
¨
V0 T1 ¸¹
©
Die Division von Gl. (32) durch Gl. (29) liefert bei Gültigkeit der Ungleichungen
3D l -s 1 und
'V
1
V0
in guter Näherung
ps §
'V Ts T0 ·
¨1 3D l -s ¸
p0 ©
V0 T1 ¹
Ts
. (33)
T0
Mit
Ts
T0
T0 Ts T0
T0
1 D p -s
erhält man
ps §
'V -s ·
¨1 3D l -s ¸ 1 D p-s . (34)
p0 ©
V0 T1 ¹
Aus Gl. (34) folgt durch Umstellung nach
dem Spannungskoeffizienten
Dp
'V -s · º
1 ª ps §
« ¨1 3D l -s ¸ 1» , (35)
-s ¬« p0 ©
V0 T1 ¹ ¼»
Dp
1 ps p0
1 kc .
p0
-s
(36)
Die Größe kc beschreibt den Korrekturterm,
der sowohl das Volumen 'V als auch die
Ausdehnung des Kolbens berücksichtigt:
kc
-s ps §
'V 1 ·
¨ 3D l ¸ .
ps p0 ©
V0 T1 ¹
Versuchsausführung
Es wird die Umgebungstemperatur gemessen
und an einem Barometer der Luftdruck abgelesen. Dann taucht man den Kolben des Gasthermometers in ein Eis-Wasser-Gemisch
(‚Eiswasser’, T0 = 273,15 K). Nach einer
ausreichenden Wartezeit (Einstellung des
thermischen Gleichgewichts zwischen Gasthermometer und ‚Eiswasser’) wird der
Druck p0 mit Hilfe eines digitalen Manometers mit Drucksensor bestimmt. Anschließend
bringt man den Kolben in ein Gefäß mit siedendem Wasser, wartet das Temperaturgleichgewicht ab und notiert den Druck ps.
Die Siedetemperatur des Wassers entnimmt
man der Tabelle A.10 im Anhang. Das Verhältnis 'V/V0 und der lineare Ausdehnungskoeffizient Dl werden gegeben. Danach misst
man mit dem Gasthermometer die Temperatur in einem Wasserbad, die mit der Temperaturmessung eines Thermoelements verglichen werden soll.
Für die Bestimmung der Siedetemperatur von
Stickstoff bei Luftdruck steht flüssiger Stickstoff in einem wärmeisolierenden Gefäß
(Dewar-Gefäß) zur Verfügung. Man taucht
den Kolben des Gasthermometers langsam in
den Stickstoff, der dabei heftig zu sieden
beginnt. Nach einiger Zeit wird das Sieden
schwächer und regelmäßiger. Wenn sich das
Temperaturgleichgewicht eingestellt hat,
kann am digitalen Manometer der Druck des
Gases im Gasthermometerkolben abgelesen
und mit Gl. (36) die Siedetemperatur von
Stickstoff ermittelt werden.
1 Temperaturmessung
120 Wärmelehre
Nach dem Gleichsetzen der Gln. (37) und
(38) sowie anschließender Integration mit der
Anfangsbedingung T = Ta für t = 0 folgt das
Newton’sche Abkühlungsgesetz in der Form
1.3 Abkühlungskurven und
Wärmeübergang
Aufgabenstellung
1. Die thermoelektrischen Konstanten eines
Thermoelements und der lineare Temperaturkoeffizient des Sensors eines Widerstandsthermometers sind zu ermitteln.
2. Die Abkühlungskurven von zwei Metallwürfeln gleichen Materials aber unterschiedlicher Oberflächenbeschaffenheit sind im
Vakuum und in einem Luftstrom aufzunehmen.
3. Für die beiden Metallwürfel sollen aus der
Abkühlung im Vakuum die Gesamtemissionsgrade und aus der Abkühlung im Luftstrom die Wärmeübergangskoeffizienten
bestimmt werden.
Die Abkühlung von gegenüber der Umgebung erwärmten metallischen Körpern erfolgt
überwiegend durch Konvektion und Wärmestrahlung. Die gute Wärmeleitung in Metallen erlaubt es in diesem Experiment, die
Temperaturverteilung im Inneren des Probekörpers vernachlässigen zu können.
Wird ein auf die konstante Innentemperatur T
erwärmter Körper (Masse m, spezifische
Wärmekapazität c) von Luft konstanter Umgebungstemperatur Tu umströmt, entsteht ein
Wärmestrom )th aus seinem Inneren zu seiner Oberfläche AO, der proportional zur
Temperaturdifferenz (TTu) ist:
)th
dQ
D K AO T Tu .
dt
(37)
Der Proportionalitätsfaktor DK heißt Wärmeübergangskoeffizient durch Konvektion.
Wird dem Körper keine zusätzliche Wärme
zugeführt, kühlt er sich mit der Abkühlungsgeschwindigkeit dT/dt ab, solange T > Tu ist.
Für den Wärmestrom gilt dann
)th
dQ
dt
c m
dT
.
dt
(38)
T
T Tu
a
Tu exp K t .
(39)
Mit dem Abkühlungskoeffizienten K ergibt
sich für den Wärmeübergangskoeffizienten
DK
mcK
.
AO
(40)
Die Betrachtungen vernachlässigen bisher die
Abkühlung durch Wärmestrahlung, die man
mit dem Stefan-Boltzmann-Gesetz (W.1.0.4)
berücksichtigen kann. Dann lautet der Ansatz
für den Wärmestrom
)th
dT
D K AO T Tu dt
H V AO T 4 Tu4 ,
c m
(41)
wobei H der Gesamtemissionsgrad und V die
Stefan-Boltzmann-Konstante sind. Für die
Bestimmung des unbekannten Werts von H
untersucht man die Abkühlung im Vakuum,
die ausschließlich durch Wärmestrahlung
erfolgt. Wird in Gl. (41) DK null gesetzt, erhält man für die Änderung der Temperatur (dT ) in einem kleinen Zeitintervall (dt)
dT
dt
H V AO
cm
T
4
Tu4 .
(42)
Stellt man die Temperatur T in Abhängigkeit
von der Abkühlungszeit t graphisch dar und
bestimmt den Anstieg dT/dt bei verschiedenen Temperaturen, kann mit Hilfe von
Gl. (42) ein mittlerer Wert für den Gesamtemissionsgrad H ermittelt werden.
Versuchsausführung
Die Kalibrierung des Thermoelements erfolgt
mit Hilfe von Temperaturfixpunkten. Als
bekannte Bezugstemperatur für die Ver-
121
1.3 Abkühlungskurven und Wärmeübergang
gleichsstelle wird bei diesem Versuch die
Temperatur des schmelzenden Eises
(T0 = 273,15 K) verwendet. Zur Erzeugung
der thermoelektrischen Spannungen sind die
Siedetemperatur (TS) von Wasser beim atmosphärischen Luftdruck pL und die Erstarrungstemperatur von Zinn (TE) zu verwenden. Mit den zugehörigen Thermospannungen E1 für 'T1 TS T0 und E2 für
'T2 TE T0 lassen sich die thermoelektrischen Konstanten nach Gl. (9a) berechnen:
a
E1
b 'T1 ,
'T1
§ E
E ·
1
b ¨ 2 1 ¸
.
© 'T2 'T1 ¹ 'T2 'T1
In einem wärmeisolierenden Behälter (Dewar-Gefäß) für die Vergleichslötstelle befindet sich so genanntes ‚Eiswasser’ (schmelzendes Eis mit wenig Wasser durchmischen).
Anschließend ist das Siedegefäß in Betrieb
zu nehmen und der mit reinem Zinn gefüllte
Schmelztiegel in den Heizofen zu stellen.
Dann taucht man die Lötstelle des Messfühlers in das Wasserbad des Siedegefäßes ein.
Wenn das Wasser gleichmäßig siedet, stellt
sich ein konstanter Spannungswert E1 ein,
der zu notieren ist. Die vom Luftdruck abhängige Siedetemperatur des Wassers entnimmt man der Tabelle im Anhang A.10.
Nachdem der Messfühler sorgfältig abgetrocknet wurde, wird er in die Zinnschmelze
getaucht, die man außerhalb des Heizofens
langsam abkühlt. Die mit der Zeit exponentiell verlaufende Verringerung der Spannung
geht bei Erstarrung der Zinnschmelze in einen konstanten Wert E2 über. Danach kühlt
sich das erstarrte Zinn weiter ab. Mit den
Werten von E1 und E2 sowie den zugehörigen
Temperaturdifferenzen werden die thermoelektrischen Konstanten ermittelt. Die Messung der Thermospannungen E1 und E2 erfolgt mit einem Mikrovoltmeter.
Den linearen Temperaturkoeffizienten eines
Widerstandsthermometers bestimmt man,
indem dessen elektrischer Widerstand z. B. in
‚Eiswasser’ und siedendem Wasser mit einem Ohm-Meter gemessen wird. Unter Verwendung von Gl. (6) kann der lineare Temperaturkoeffizient des Widerstandsmaterials
ermittelt werden. Bei Aufgabe 2 wird zunächst der Probekörper (PR), in dessen Innerem sich der kalibrierte Fühler eines Thermoelements (T) befindet, mit einer Heizplatte
auf eine vorgegebene Temperatur erwärmt.
VG
H
VP
T
TU
ϑ
M
hPa
ϑ
Abb. W.1.3.1 Anordnung zur Abkühlung eines
Metallwürfels im Vakuum
Danach schließt man die Vakuumglocke
(VG) und nimmt die Vakuumpumpe (VP) in
Betrieb (Abb. W.1.3.1). Nach einigen Minuten hat sich ein konstantes Vakuum (Kontrolle mit Manometer M) eingestellt und die
Messung der Abkühlungszeiten in vorgegebenen Temperaturbereichen kann beginnen.
Gleichzeitig ist die Umgebungstemperatur Tu
(Temperatur des Rezipienten, Glasglocke
VK) mit einem zusätzlichen Thermoelement
zu messen, das sich in direktem Kontakt mit
der Außenwand befindet. Mit der bekannten
spezifischen Wärmekapazität c, der zu messenden Masse m und Oberfläche AO des Würfels sowie dem Anstieg dT/dt kann mit
Gl. (42) der gesuchte Emissionsgrad bestimmt werden. Nach Belüftung über einen
Laborhahn (H) und Entfernung der Vakuumglocke wird der Metallwürfel wieder erwärmt
122 Wärmelehre
und anschließend durch die Konvektionsströmung eines Lüfters abgekühlt, wobei man
die Temperatur des Luftstroms (Umgebungstemperatur Tu) mit dem kalibrierten Sensor
eines Widerstandsthermometers misst.
Es wird wieder in geeigneten Zeitabständen die Innentemperatur (T ) des Würfels
gemessen. Die Messwerte sind in einem
ln'T-t-Diagramm ('T = T Tu) graphisch
darzustellen und aus dem sich ergebenden
linearen Graphen ist der Anstieg der Ausgleichsgeraden zu bestimmen. Damit kann
der Wärmeübergangskoeffizient ĮK nach
Gl. (40) unter Vernachlässigung der Wärmestrahlung berechnet werden. Die Messungen
sind mit einem zweiten Metallwürfel aus
gleichem Material und gleichgroßer Oberfläche aber mit veränderter Oberflächenbeschaffenheit zu wiederholen.
1.4 Strahlungsmessungen
Aufgabenstellung
1. Es ist die Temperaturabhängigkeit des
elektrischen Widerstands eines glühenden
Metalldrahts zu ermitteln. Für zwei verschiedene Wellenlängen ist das Wien’sche Strahlungsgesetz zu überprüfen.
2. Die Wärmestrahlung unterschiedlicher
Oberflächen ist mit einer Thermosäule bei
verschiedenen Temperaturen zu messen und
die Emissionsgrade der Oberflächen sind zu
bestimmen.
3. Mit einem Strahlungsofen ist das StefanBoltzmann-Gesetz zu überprüfen.
Für berührungslose Temperaturmessungen
werden häufig Infrarot-Thermometer, Pyrometer, z. B. Wechsellicht- oder GlühfadenPyrometer, eingesetzt (W.1.0.4). Thermosäulen kommen vielfach zur Messung der Intensität einer Wärmestrahlung zum Einsatz.
Versuchsausführung
Zuerst bestimmt man bei Aufgabe 1 mit einem Pyrometer die „schwarze“ Temperatur
1 Temperaturmessung
der glühenden Wendel einer WolframHalogenlampe. Der Emissionsgrad von
Wolfram in Abhängigkeit von der Temperatur kann einem Diagramm am Arbeitsplatz
entnommen werden. Damit ist mit Gl. (19a)
die Temperatur des Wolframdrahts zu
bestimmen. Der elektrische Widerstand kann
mit einer Strom-Spannungsmessung ermittelt
werden (vgl. E.1). Aus der graphischen Darstellung der Temperaturabhängigkeit des
elektrischen Widerstands kann mittels einer
Anpassung an ein Polynom zweiten Grads
ein analytischer Ausdruck für die Abhängigkeit T(R) erhalten werden. Steht kein Pyrometer zur Verfügung, ermittelt man die Temperatur des Wolframdrahts mit einer am Arbeitsplatz ausliegenden Tabelle, in der das
Widerstandsverhältnis R(T)/R(293 K) in Abhängigkeit von der Temperatur T aufgeführt
ist. Der Wert für R bei T = 293 K wurde aus
anderen Messungen erhalten und ist bekannt.
Anschließend sind für zwei ausgewählte
Wellenlängen des Lichts dieser Halogenlampe, die z. B. mit Hilfe eines Spektralphotometers mit Reflexionsgitter (O.3.4) oder
durch geeignete Filter ausgewählt werden
können, die von der Lampe emittierten Strahlungsleistungen bei unterschiedlichen elektrischen Leistungen in einem vorgegebenem
Bereich zu messen. Die zugehörigen elektrischen Widerstände zur Ermittlung der Temperatur des glühenden Drahts werden wie
oben beschrieben ermittelt. Die Strahlungsleistung PStr kann man indirekt z. B. über die
Messung der Stromstärke IPh einer Photodiode (IPhvPStr) bestimmen, die in Sperrrichtung
betrieben wird (E.5.0.2). Um eine möglichst
hohe Lichtintensität mit der Photodiode empfangen zu können, muss ggf. die Halogenlampe den Hinweisen am Arbeitsplatz folgend nachjustiert werden.
Zur Überprüfung des Wien’schen Strahlungsgesetzes (Gl. (18)) wird für jede Wellenlänge der natürliche Logarithmus der Messwerte von IPh in Abhängigkeit von der reziproken absoluten Temperatur graphisch darge-
123
1.4 Strahlungsmessungen
stellt und der Anstieg d ln IPh / d (1/T ) der
Ausgleichgeraden berechnet. Dieser ist mit
dem berechenbaren Wert ( h co / k O ) unter
Verwendung der Werte für die Fundamentalkonstanten (Anhang A.6) zu vergleichen.
Treten Abweichungen größer als die abgeschätzten Messunsicherheiten auf, sind mögliche systematische Abweichungen zu diskutieren, z. B. die Erfüllung der Bedingung h f /(k T ) 1 , die Vernachlässigung
der Umgebungsstrahlung oder der Einfluss
anderer Arten der Wärmeübertragung.
4
1
μV
2
3
ϑ
5
ε,ϑ
Abb. W.1.4.1 Schema des Versuchsaufbaus zur
Messung des Emissionsgrads mit einem Strahlungswürfel (1 Mikrovoltmeter, 2 Thermosäule,
3 Strahlungswürfel, 4 Thermoelement, 5 IR-Thermometer)
Für die Untersuchung des Einflusses unterschiedlich präparierter Oberflächen auf die
Emission von Wärmestrahlung wird in Aufgabe 2 ein Strahlungswürfel nach Leslie verwendet. Dieser besteht aus vier unterschiedlichen aber gleichgroßen Seitenflächen
(schwarz und weiß mattiert, metallisch rau,
metallisch verspiegelt), die sich um die vertikale Achse des Würfels drehen lassen. Dadurch können während einer Messung die
vier verschiedenen Oberflächen mit gleicher
Temperatur einer Thermosäule sowie einem
IR-Thermometer (W.1.0.4) in einem gleichgroßen Abstand von wenigen Zentimetern
gegenüberstehen. Alle Versuchskomponenten sind auf einer optischen Bank befestigt.
Die Temperatur des Innenraums des Würfels,
der mit Hilfe eines Umwälzthermostaten auf
eine konstante Temperatur eingeregelt wer-
den kann, wird mit einem Thermoelement
gemessen (Abb. W.1.4.1). Man misst nacheinander für die verschiedenen Flächen sowohl die Ausgangsspannung der Thermosäule UTS mit einem Mikrovoltmeter als auch der
Emissionsgrad H mit einem IR-Thermometer.
Letzteren bestimmt man, indem der Wert von
H über die Emissionsfaktoreinstellung des
IR-Thermometers (Wertebereich 0,1 < H d 1)
so eingegeben wird, dass die mit dem Thermoelement gemessene Temperatur mit der
auf dem Display des IR-Thermometers angezeigten Temperatur übereinstimmt. Da im
Falle der metallisch verspiegelten Fläche der
Emissionsgrad kleiner als eins ist, kann man
über die Verhältnisgleichung
U TS,1 H1
,
U TS,2 H 2
die sich für graue Strahler mit den in W.1.0.4
beschriebenen Grundlagen begründen lässt,
indirekt den Emissionsgrad dieser stark reflektierenden Fläche ermitteln. Dabei beschreibt z. B. der Index 1 den Spannungswert
der verspiegelten Oberfläche und der Index 2
den der geschwärzten Oberfläche für eine
speziell gemessene Temperatur unter sonst
gleichen Messbedingungen. Die Messungen
werden bei fünf verschiedenen Temperaturen
in einem Bereich zwischen 40 °C und 90 °C
durchgeführt. Es sind die Emissionsgrade in
Abhängigkeit von der Temperatur in einer
Tabelle zu erfassen und die Werte UTS sind in
Abhängigkeit von der Würfeltemperatur graphisch darzustellen. Beide Temperaturabhängigkeiten sollen diskutiert werden.
Zur Messung der Hohlraumstrahlung in Aufgabe 3 wird der in Abb. W.1.4.2 schematisch
dargestellte Versuchsaufbau verwendet. Der
die Wärmestrahlung emittierende Hohlraumstrahler (3) befindet sich in einem elektrischen Heizofen (2), dessen Temperatur über
die dem Ofen zugeführte elektrische Leistung
geregelt werden kann. Ein in den zylindrischen Körper des Hohlraumstrahlers eingebautes Thermoelement (1) ermöglicht dessen
1 Temperaturmessung
124 Wärmelehre
direkte Temperaturmessung. Unmittelbar vor
dem Ofen befindet sich eine mit Kühlwasser
auf die Umgebungstemperatur -u thermostatisierte Lochblende (4), die zur Abschirmung
der Strahlung dient, die von den Teilen des
Ofens außerhalb der Austrittsöffnung des
Hohlraumstrahlers kommt.
1
2
3
4
5
6
μV
ϑ
Messanordnung (Flächen von Strahler AOf
und Detektor AD, Abstand rd ), die Thermosäulenempfindlichkeit STS , den Emissionsgrad des Hohlraumstrahlers HHS und die Abstrahlung in den Halbraum berücksichtigen:
Aus Gl. (12) folgt nach der Integration über
alle Wellenlängen sowie die Winkel - und M
für die Nettostrahlungsleistung PS(T ) eines
reellen Strahlers, die von der Thermosäule
empfangen wird, die Beziehung
PS (T ) H HS
V
ʌ
AOF T 4 Tu4 d: .
(44)
z
7
ϑu
dA
Abb. W.1.4.2 Schema des Versuchsaufbaus mit
Hohlraumstrahler (1 Thermoelement, 2 Rohrofen,
3 Hohlraumstrahler, 4 gekühlte Lochblende,
5 Thermosäule, 6 Mikrovoltmeter, 7 Digitalthermometer zur Messung der Umgebungstemperatur
Während der Messung soll die Umgebungstemperatur -u konstant bleiben. Der Abstand rd zwischen der Blendenöffnung und
der Eintrittsöffnung der Thermosäule (5), die
zur Messung der Gesamtstrahlung dient,
muss so gewählt werden, dass nur die Strahlung des Hohlraums detektiert wird. Um den
Einfluss von Wärmequellen aus der Umgebung auf die zu messende Wärmestrahlung
zu vermeiden, wird eine entsprechende Abschirmung vor die Messanordnung gestellt.
Es ist die Ausgangsspannung der Thermosäule UTS, die der empfangenen Gesamtstrahlungsleistung proportional ist, in Abhängigkeit von der vierten Potenz der absoluten
Temperatur T graphisch darzustellen. Bei
Gültigkeit des Stefan-Boltzmann’schen
Strahlungsgesetzes unter den gegebenen Versuchsbedingungen kann der Graph hinreichend genau durch den Zusammenhang
U TS
kM (T 4 Tu4 )
(43)
beschrieben werden. Dabei enthält der Vorfaktor kM Größen, die die Geometrie der
θ
dΩ
r
x
y
rd
Abb. W.1.4.3 Zum Raumwinkel (Halbkugel mit
Radius r, differentielles Flächenelement dA, differentieller Raumwinkel dȍ)
Die Größe des differentiellen Raumwinkels dȍ definiert man als die differentielle
Fläche dA, die von diesem Raumwinkel aus
einer Kugel mit dem Radius r ausgeschnitten
wird, geteilt durch das Quadrat des Radius (Abb. W.1.4.3). Im Versuch ist die vom
Detektor empfangene Strahlungsleistung
durch den Raumwinkel d: AD / rd2 bestimmt. Damit ergibt sich für die Thermosäulenspannung (im thermischen Gleichgewicht):
U TS(T ) STS PS (T )
STS H HS
V AOF AD
(45)
(T 4 Tu4 ) kM (T 4 Tu4 ).
ʌ rd2
Weitere praktische Hinweise sowie spezielle
Versuchsdaten zur Auswertung werden am
Arbeitsplatz gegeben.
125
2.0 Grundlagen
2 Zustandsänderungen
und Phasenumwandlungen
2.0 Grundlagen
2.0.1 Zustandsgleichungen
Der Druck p, das Volumen V und die Temperatur T sind physikalische Größen, die den
thermodynamischen Zustand eines Körpers
beschreiben. Man nennt sie deshalb Zustandsgrößen oder Zustandsvariable. Während p und T zu den so genannten inneren
Zustandsvariablen zählen, die sich allein auf
die inneren Eigenschaften des Systems beziehen, gehört das Volumen zu den äußeren
Zustandsgrößen. Letztere werden durch die
Umgebung bestimmt.
Ein thermodynamisches System besteht im
Allgemeinen aus mehreren Phasen und Komponenten. Als Komponenten bezeichnet man
die verschiedenen Bestandteile (z. B. chemische Verbindungen), die in einem System
vorhanden sind. Der Begriff Phase bezieht
sich auf die in physikalischer und chemischer
Hinsicht homogenen Bereiche eines Systems.
Die Erfahrung zeigt, dass die Anzahl der frei
wählbaren Zustandsgrößen (Zahl der Freiheitsgrade) von der Zahl der Phasen und der
Zahl der Komponenten abhängt. Den Zusammenhang zwischen der Zahl der Freiheitsgrade f, der Zahl der Phasen nPh und der
Zahl der Komponenten nKo liefert die Phasenregel von J. W. Gibbs:
f
nKo 2 nPh .
Zur Erläuterung soll das in Abb. W.2.0.1
dargestellte Zustandsdiagramm von Wasser
betrachtet werden. Liegt dieses einkomponentige (nKo = 1) System nur in einer Phase
(nPh = 1) vor, ergeben sich nach der
Gibbs’schen Phasenregel zwei Freiheitsgrade. Sowohl der Druck p als auch die Tempe-
ratur T sind innerhalb gewisser Grenzen frei
vorgebbar. Sollen sich zwei Phasen (nPh = 2)
im Gleichgewicht befinden, ist f = 1. Die
Zustände können sich nur längs der Phasengrenzkurven, z. B. auf der Dampfdruckkurve,
verändern. Im Falle von drei Phasen existiert
kein Freiheitsgrad. Es ist nur der Zustand am
Tripelpunkt (Abb. W.2.0.1) mit definierten
Werten für den Druck (pTr) und die Temperatur (-Tr) möglich.
p
B
C
flüssig
fest
pTr
pTr
gasförmig
A
ϑTr
ϑ
Abb. W.2.0.1 Phasendiagramm von Wasser mit
Sublimationskurve (A), Schmelzkurve (B) und
Dampfdruckkurve (C) mit den drei Aggregatzuständen
fest,
flüssig
und
gasförmig
(Tripelpunkt, pTr = 613 hPa, -Tr = 0,0075 °C)
Zustandsänderungen sind besonders dann
leicht zu überschauen, wenn eine Zustandsgröße konstant gehalten wird. Man unterscheidet zwischen isobaren (p = const), isochoren (V = const) und isothermen Zustandsänderungen (T = const). Die drei Zustandsgrößen p, V, und T können nicht beliebig
geändert werden. Es besteht ein funktionaler
Zusammenhang zwischen ihnen, der die Zustandsänderung beschreibt.
Der Zusammenhang zwischen Volumen V
und Druck p einer abgeschlossenen Menge
eines idealen Gases werden bei konstanter
Temperatur durch das Gesetz von Boyle und
Mariotte beschrieben:
pV
const .
(1)
2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen
126 Wärmelehre
Isobare Zustandsänderungen genügen dem
Gesetz von Gay-Lussac und Charles
V
V0 1 DV (T T0 ) (2)
und isochore Zustandsänderungen dem Gesetz von Amontons
p
p0 1 D p (T T0 ) .
(3)
chen Temperatur T gehören. Daraus folgt
aber, dass Dp und DV gleich sind. Das Experiment zeigt darüber hinaus, dass alle Gase
etwa den gleichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten haben. Für ein ideales
Gas gilt
1
1
K 1 .
DV D p J 0
T0 273,15
Nach den bisherigen Überlegungen kann
Gl. (2) als
pV
p
T
geschrieben werden. Die Konstante Cc muss
der Masse m des Gases proportional sein, da
die doppelte Gasmasse bei gleichem Druck
und gleicher Temperatur das doppelte Volumen einnimmt:
pV
V
Abb. W.2.0.2 Schematische Darstellung einer
Zustandsfläche im p, V, T – Raum für ein ideales
Gas: Isochoren (), Isothermen () und Isobaren (---)
In den Gln. (2) und (3) sind DV der kubische
Ausdehnungskoeffizient und Dp der Spannungskoeffizient des Gases. Gegeben sei ein
Gas, das bei der Temperatur T0 unter dem
konstanten Druck p0 steht und das Volumen
V0 einnehmen soll. Erwärmt man das Gas bei
dem konstanten Druck p0 bis zur Temperatur T, gilt
p0 V
p0 V0 1 DV (T T0 ) .
Führt man die gleiche Erwärmung bei dem
konstanten Volumen V0 durch, ergibt sich
p V0
p0 V0 1 D p (T T0 ) .
Die Produkte p0V und pV0 müssen nach
Gl. (1) übereinstimmen, da sie zwei Kombinationen von p und V darstellen, die zur glei-
§ 1
·
p0 V0 J 0 ¨ (T T0 ) ¸ C c T
© J0
¹
mCT .
(4a)
Wird Gl. (4a) auf ein Mol des Gases bezogen,
erhält man
p Vm
M CT ,
(4b)
wobei sich die molare Masse M aus dem
Quotienten der Masse m und der Stoffmenge
n (Anzahl der Mole) ergibt. Die Erfahrung
zeigt, dass das molare Volumen Vm für alle
Gase bei gleichem Druck und gleicher Temperatur den gleichen Wert besitzt. In den
Gln. (4a) und (4b) ist C eine Materialkonstante, während das Produkt aus der molaren
Masse M und der Konstanten C nicht von der
speziellen Natur des Gases abhängt und als
molare Gaskonstante R bezeichnet wird. Damit erhält man
pV
m
RT
M
n RT
(5)
oder
p Vm
RT .
(5a)
Unter Normbedingungen (pN = 101325 Pa,
TN = 273,15 K , Vm,N = 22,41 10-3 m3 mol-1)
127
2.0 Grundlagen
folgt aus Gl. (5a) für die molare Gaskonstante R = 8,314 J K-1 mol-1. Ein Gas, das der
Zustandsgleichung nach Gl. (5) genügt, bezeichnet man als ideales Gas. Mit Hilfe der
kinetischen Gastheorie, bei der die Gasmoleküle als völlig elastische Kugeln mit dem
Durchmesser null betrachtet werden und nur
bei elastischen Zusammenstößen miteinander
in Wechselwirkung stehen, kann Gl. (5a)
theoretisch begründet werden. Dabei ergibt
sich die molare Gaskonstante als Produkt aus
der Avogadro- und der Boltzmann-Konstante
mit R = NA k. In allen realen Gasen existieren
jedoch auch Kräfte zwischen sich nicht berührenden Molekülen. Sowohl die auf ein
beliebig herausgegriffenes Molekül wirkende
Kraft als auch die Zahl aller wechselwirkenden Teilchen sind der Dichte proportional.
Der gesamten Wechselwirkungskraft entspricht der so genannte Kohäsionsdruck, der
dem Quadrat der Dichte proportional bzw.
dem Quadrat des Volumens umgekehrt proportional ist. Dieser Druck muss dem in der
Zustandsgleichung idealer Gase auftretenden
Druck p additiv hinzugefügt werden. Außerdem kann das Volumen des Gases niemals
verschwinden, da die Moleküle selbst ein
endliches Volumen einnehmen. Diese beiden
Überlegungen führen zu der von van-derWaals begründeten Zustandsgleichung, die
sich auf ein Mol bezogen mit den beiden vander-Waals-Konstanten a und b in der Form
§
a ·
¨ p 2 ¸ Vm b Vm ¹
©
RT
(6)
darstellen lässt. Das van-der-Waals-Kovolumen b entspricht näherungsweise dem vierfachen Eigenvolumen der Moleküle. Die
Gl. (6) kann als kubische Gleichung in Vm
geschrieben werden:
p Vm3 ( p b RT ) Vm2 a Vm a b 0 . (6a)
Wenn T und p gegeben sind, erhält man aus
Gl. (6a) entweder drei reelle Werte Vm oder
nur einen. In Abb. W.2.0.3 sind drei ver-
schiedene Isothermen von Kohlendioxid
(CO2) graphisch dargestellt (ClapeyronDiagramm), die durch die van-der-WaalsGleichung gut beschrieben werden. Die nach
Gl. (6) berechnete Isotherme für 5 °C besitzt
ein Minimum und ein Maximum. Diese Extremwerte werden im Experiment nicht realisiert, da sie labilen Zuständen entsprechen.
Der Übergang vom Maximum zum Minimum
ist völlig ausgeschlossen, da bei konstanter
Temperatur der Druck mit abnehmendem
Volumen nicht sinken kann.
p
MPa
12
K
8
4
B
60 °C
A
31 °C
5 °C
0
0,2
0,4
-3
3
-1
Vm / 10 m mol
Abb. W.2.0.3 Isothermen für CO2 im p-Vm-Diagramm (Koexistenzgebiet schraffiert)
Wenn man das gasförmige CO2 isotherm
komprimiert, beginnt am Punkt A die Verflüssigung, die am Punkt B beendet ist. In
dem Bereich, in dem der Stoff teilweise in
gasförmiger und teilweise in flüssiger Phase
vorliegt, bleibt der Druck konstant (Koexistenzgebiet, Sättigungsdampfdruck). Die horizontale Gerade AB (Maxwell-Gerade) ist so
zu wählen, dass die schraffierten Flächen in
Abb. W.2.0.3 im Übergangsbereich gleichgroß sind. Diese Forderung folgt aus dem
1. und 2. Hauptsatz der Thermodynamik. In
den Isothermen, die sich nach Gl. (6) für
Temperaturen zwischen 0 und 31 °C ergeben,
nähern sich die beiden Extremwerte mit steigender Temperatur. Bei 31 °C fallen die Extremwerte am so genannten kritischen
Punkt (K), dem Wendepunkt der kritischen
2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen
128 Wärmelehre
Isotherme mit horizontaler Tangente, zusammen. Die Temperatur dieser Isothermen
entspricht der kritischen Temperatur Tk, die
zugehörigen Werte von p und Vm bezeichnet
man als kritischen Druck pk und kritisches
molares Volumen Vmk. Oberhalb der kritischen Temperatur (Isotherme für 60 qC in
Abb. W.2.0.3) lässt sich CO2 auch durch
Anwendung höchster Drücke nicht mehr
verflüssigen. Mit weiter steigender Temperatur nähert sich der Verlauf der Isothermen
derjenigen eines idealen Gases.
Wenn man Tk und pk kennt, lassen sich die
van-der-Waals-Konstanten a und b berechnen. Dazu müssen die erste und die zweite
partielle Ableitung der Gl. (6a) nach dem
Volumen für T = Tk gebildet und jeweils null
gesetzt werden. Zusammen mit der van-derWaals-Gleichung verfügt man damit über
drei Gleichungen, aus denen entweder die
kritischen Größen bei gegebenen van-der
Waals-Konstanten
a
8a
, Tk
, Vk 3b
pk
2
27b
27 Rb
oder bei bekannten kritischen Größen die
Werte von a und b ermittelt werden können:
a
27 R 2Tk2
, b
64 pk
RTk
.
8 pk
In Tabelle W.2.1 sind die Werte für die kritische Temperatur und den kritischen Druck
einiger Stoffe angegeben.
Tabelle W.2.1 Kritische Temperatur Tk und kritischer Druck pk verschiedener Stoffe
Stoff
Tk / K
pk / MPa
Ethan
Helium
Schwefelhexafluorid
Kohlendioxid
n-Pentan
Sauerstoff
Stickstoff
Wasser
305
5,25
4,87
0,23
318,7
304,2
469,8
155,4
126,1
647,1
3,77
7,38
3,37
5,04
3,39
22,1
Eine andere Form der Zustandsgleichung
realer Gase begründet sich auf die Entwicklung des Kompressionsfaktors (Realgasfaktor) Z nach Potenzen von 1/V:
pV
n RT
Z 1
BV (T ) CV (T )
... . (7)
V
V2
Gl. (7) bezeichnet man als Virialgleichung.
Die Virialkoeffizienten (BV (T ), CV (T ), …)
beinhalten Informationen über die Wechselwirkungen zwischen den Molekülen.
2.0.2 Energiesatz und Adiabatengleichung
Der Energiesatz (1. Hauptsatz der Thermodynamik) resultiert aus der Erfahrung, dass
sich keine Maschine konstruieren lässt, die
mehr Energie nach außen abgibt, als man ihr
zuführt. Es ist also unmöglich, ein Perpetuum
mobile 1. Art, d. h. eine ständig periodisch
arbeitende Maschine ohne Energiezufuhr, zu
konstruieren. Der erste Hauptsatz ist ein Spezialfall der Bilanz für die innere Energie, der
im Allgemeinen für stofflich abgeschlossene
Systeme formuliert wird. Er lautet
'U
' Q 'W .
(8)
Damit besitzt jedes abgeschlossene System
eine extensive Zustandsgröße U, die innere
Energie. Extensive Zustandsgrößen sind der
Masse der Phase, der sie zugeordnet werden,
proportional. Die innere Energie wird durch
die dem System zugeführte Wärmemenge 'Q
und die zugeführte Arbeit 'W vergrößert.
Die Wärmemenge ist eine spezielle Form der
Energie, die der Masse m und der Temperaturänderung 'T proportional ist:
'Q c m 'T .
(9)
Das Produkt c m bezeichnet man als Wärmekapazität, den Proportionalitätsfaktor c als
spezifische Wärmekapazität. Die dem System
zugeführte Arbeit kann mit
'W
p 'V
(10)
129
2.0 Grundlagen
berechnet werden, wobei 'V die Volumenänderung bei dem Druck p ist. Das Minuszeichen in Gl. (9) berücksichtigt, dass bei einer
Arbeitszufuhr, z. B. der Kompression eines
Gases, das Volumen abnimmt.
Nach Versuchen von Gay-Lussac, Joule und
Thomson ändert sich die Temperatur eines
Gases, das der Zustandsgleichung (5) genügt,
bei Expansion ohne Arbeitsaufwand (d. h. in
das Vakuum) nicht. Aus der Voraussetzung 'W = 0 sowie für 'T = 0 und somit
'Q = 0 folgt die Gleichung 'U = 0. Die innere Energie eines idealen Gases ist nicht vom
Volumen abhängig, sondern eine nur von der
Temperatur abhängige Zustandsgröße. Daraus folgt, dass jede beliebige Erwärmung
eines idealen Gases von der Temperatur T zur
Temperatur T+'T energetisch einer isochoren Erwärmung ('V = 'W = 0) von T auf
T+'T gleichwertig sein muss, d. h., es gilt
'U
cV m 'T .
(11)
Für eine isobare Erwärmung eines idealen
Gases um 'T nimmt der Energiesatz die
Form
cV m 'T
c p m 'T p 'V
(12)
an. In Gl. (11) sind cp und cV die spezifischen
Wärmekapazitäten bei konstantem Druck
bzw. bei konstantem Volumen. Nach Gl. (5a)
gilt für eine isobare Zustandsänderung
p 'V
m
R 'T .
M
(13)
wird ('Q = 0), lautet der Energiesatz Gl. (8)
in differentieller Schreibweise
dU
p dV .
dW
(15)
Es ändert sich bei einer adiabatischen Expansion oder Kompression demzufolge nur die
Temperatur. Wendet man Gl. (15) auf ein
ideales Gas an, ergibt sich mit den Gln. (11)
und (5)
dT
T
R dV
.
M cV V
(16)
Bei konstantem cV liefert die Integration von
Gl. (16) mit dem Adiabatenexponenten
J
Cp
cp
CV
cV
(17)
die Adiabatengleichung
T V J 1
const .
(18)
Durch Einsetzen der Zustandsgleichung
Gl. (5) in Gl. (18) lässt sich die Adiabatengleichung auch in der Form
pVJ
const
(19)
angeben. Die Gl. (19) wird auch als PoissonGesetz bezeichnet.
Eine weitere Form der Adiabatengleichung
ergibt sich aus Gl. (18) durch die Substitution
von V durch den Druck p unter Berücksichtigung von Gl. (5a):
T J p1J
const .
(20)
Aus den Gln. (11) und (12) folgt dann
R
M c p cV C p CV .
(14)
Die molare Gaskonstante ist also die molare
Wärmekapazität eines idealen Gases bei konstantem Druck Cp vermindert um die jenige
bei konstantem Volumen CV. Für eine adiabatische Zustandsänderung, bei der dem System weder Wärme zugeführt noch entzogen
2.0.3 Dampfdruck
Bringt man eine Flüssigkeit in ein evakuiertes Gefäß, das sich in einem Wärmebehälter
konstanter Temperatur T befindet, verdampft
ein Teil der Flüssigkeit. Es stellt sich ein
bestimmter Dampfdruck p ein, der nur von
der Temperatur, nicht aber von dem zur Verfügung stehenden Volumen abhängt. Eine
2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen
130 Wärmelehre
Vergrößerung bzw. eine Verkleinerung des
Volumens bei konstanter Temperatur bewirkt
die Verdampfung eines weiteren Anteils der
Flüssigkeit bzw. die Kondensation einer bestimmten Dampfmenge, der Dampfdruck
bleibt aber konstant. Der Begriff des Dampfdrucks hat nur für solche Temperaturen einen
Sinn, bei denen der betrachtete Stoff sowohl
in flüssiger als auch in gasförmiger Phase
vorliegen kann, da die Dampfdruckkurve für
jeden Stoff im kritischen Punkt (Punkt K in
Abb. W.2.0.1) endet. Für Temperaturintervalle, deren obere Grenze klein gegen die
kritische Temperatur Tk ist, gilt für viele
Stoffe in guter Näherung die Dampfdruckgleichung von Clausius und Clapeyron
dp
dT
Q23
T Vm,3 Vm,2 (21)
mit der molaren Verdampfungswärme Q23.
Betrachtet man nur Zustände, die hinreichend
weit unterhalb des kritischen Punkts liegen,
kann das molare Volumen Vm,2 der Flüssigkeit gegen das molare Volumen Vm,3 des
Dampfs vernachlässigt werden. Verwendet
man außerdem für den Dampf die Zustandsgleichung für ideale Gase (Gl. (5a)), ergibt
sich eine vereinfachte Beziehung für die
Dampfdruckgleichung:
dp
dT
p Q23
.
RT2
(22)
Durch Einführung der Variablen y = ln (p/p0)
und x = 1/T folgt die differentielle Schreibweise der Dampfdruckgleichung nach Clausius und Clapeyron:
d ln p p0 d 1 T Q23
.
R
(23)
In analoger Näherung (Vm,3 >> Vm,1) besteht
zwischen dem Dampfdruck über der Oberfläche eines festen Stoffes pf und der Temperatur T der folgende Zusammenhang:
d ln ( p f p0 )
d 1 T Q13
.
R
(24)
In den Gln. (21) und (24) sind die Indizes so
gewählt, dass 1 dem festen, 2 dem flüssigen
und 3 dem gasförmigen Zustand zugeordnet
wird. Der Druck p0 entspricht einem Referenzdruck bei der Temperatur T0.
Unter der Voraussetzung einer nicht von der
Temperatur abhängigen Umwandlungswärme
Q23 erhält man nach Integration von Gl. (21)
°­ Q § 1 1 · °½
p0 exp ® 23 ¨ ¸ ¾ .
°¯ R © T T0 ¹ ¿°
p
(25)
Die exponentielle Abhängigkeit des Dampfdrucks von der Temperatur gilt nur für begrenzte Temperaturintervalle.
Man kann die Dampfdruckgleichung in
Gl. (21) mit der Methode der Kreisprozesse
begründen, wenn der reversible CarnotKreisprozess
betrachtet
wird.
In
Abb. W.2.0.4 sind zwei infinitesimal benachbarte Isothermen im Phasenumwandlungsbereich Flüssigkeit-Dampf dargestellt.
p
A
ps
ps-dps
D
dV2
T
T1=T– dT
Vm,2
B
dV3
Vm,3
C
Vm
Abb. W.2.0.4 Carnot-Kreisprozess zur Begründung der Clausius-Clapeyron-Gleichung
Während des Übergangs von Punkt A nach
Punkt B wird ein Mol Flüssigkeit durch Zufuhr der Umwandlungswärme Q23 bei konstantem Druck ps und konstanter Temperatur T vollständig verdampft. Durch eine adiabatische Entspannung des Dampfs von ps auf
den Druck psdps gelangt man zum Punkt C
131
2.1 Isothermen realer Gase
auf der Isothermen ( T d T ). Danach wird
der Dampf isotherm wieder in die flüssige
Phase zurückkondensiert ( C o D ). Durch
Zufuhr der Wärmemenge dQ ( dQ Q23 )
kehrt man zum Punkt A zurück. Unter Vernachlässigung aller Produkte von differentiell
kleinen Größen ergibt sich als Betrag der
insgesamt verrichteten Arbeit
W
Vm,3 Vm,2 dp .
(26)
eingestellt und mit dem Messfühler (2) eines
Digitalthermometers bestimmt werden kann.
ϑ
2
1
6
UT
5
Für den Wirkungsgrad des betrachteten Kreises unter Berücksichtigung eines reversiblen
Carnot-Kreisprozesses gilt
K
W
Q23
dT
.
T
3
(27)
Aus den Gln. (26) und (27) lässt sich sofort
die Dampfdruckgleichung Gl. (21) nach
Clausius und Clapeyron ablesen.
2.1 Isothermen realer Gase
Aufgabenstellung
1. Die Isothermen eines realen Gases sind bei
fünf vorgegebenen Temperaturen aufzunehmen. Am kritischen Punkt sollen die optisch
erkennbaren Veränderungen des Stoffs beschrieben werden.
2. Es ist die Anzahl der Mole des Stoffs in
der Druckkammer zu bestimmen.
3. Die Dampfdruckkurve ist graphisch darzustellen.
Vor Beginn des Experiments erfolgt eine
kurze Einweisung in die Bedienung der Apparatur und es werden Hinweise zu versuchsrelevanten Arbeitsschutzrichtlinien gegeben.
Die Hochdruckkapillare (1) aus dickwandigem Glas (Abb. W.2.1.1) enthält den zu untersuchenden Stoff. Auf ihrem Außenmantel
befindet sich eine Skala bezüglich des Innenvolumens der Kapillare. Umschlossen wird
die Kapillare von einem Wasserbad, in dem
über einen außen angeschlossenen Umwälzthermostaten (6) die gewünschte Temperatur
MPa
4
Abb. W.2.1.1 Gerät zur Aufnahme von Isothermen realer Gase (schematisch)
Die Druckerzeugung erfolgt dadurch, dass
Quecksilber (3), das sich in einer Kammer
unterhalb der Kapillare befindet, durch Drehen eines Handrads (4) nach oben gepresst
wird und sich demzufolge das restliche Volumen verkleinert. Der Druck wird mit einem
fest angeschlossenen Manometer (5) gemessen. Nach jeder Änderung von Druck, Volumen und Temperatur ist mit der Messung so
lange zu warten, bis sich ein Gleichgewichtszustand eingestellt hat. Der Druck darf den
am Arbeitsplatz angegebenen Maximalwert
aus Sicherheitsgründen nicht überschreiten.
Versuchsausführung
Bei Aufgabe 1 ist die Aufnahme der Isothermen bei fünf verschiedenen Temperaturen
unterhalb der kritischen Temperatur vorzunehmen. Dazu sind für etwa zehn unterschiedliche Volumina die Drücke zu messen,
die letzten zwei Messungen sollen bei nahezu
völlig verflüssigtem Gas erfolgen. Die kritische Temperatur des zu untersuchenden
Stoffs wird am Versuchsplatz mitgeteilt oder
kann mit seinen bekannten van-der-WaalsKonstanten berechnet werden. Von besonde-
2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen
132 Wärmelehre
rem Interesse ist die Isotherme bei der kritischen Temperatur. Nähert man sich dem
kritischen Punkt, wird es immer schwieriger,
zwischen flüssiger und gasförmiger Phase
infolge der abnehmenden Unterschiede der
Dichten in den beiden Phasen zu unterscheiden. Gewöhnlich ist das Verhältnis der Dichten von Flüssigkeit zu Gas in der Größenordnung 103, am kritischen Punkt jedoch nahe 1.
Man kann diese markante Änderung in den
Dichtverhältnissen am kritischen Punkt in
Form von verschiedenen optischen Effekten
beobachten (z. B. Auftreten von Nebel,
Schlieren, kritische Opaleszenz). Dazu ist es
erforderlich, die Änderung von Temperatur
und Volumen in kleinen Schritten um den
kritischen Punkt herum durchzuführen
(Abb. W.2.1.2).
p
T2
Q23
Tk
pk
tion (1/V ) o 0 ein Wert für den Schnittpunkt
mit der Ordinate, mit dem die Stoffmenge n
in guter Näherung ermittelt werden kann.
Den Graphen der Isothermen entnimmt man
im Koexistenzgebiet von Flüssigkeit und Gas
den Sättigungsdampfdruck ps und stellt diesen graphisch in Abhängigkeit von der Temperatur dar (Aufgabe 3, Dampfdruckkurve ps(T )). Mit einer geeigneten Software ist
die Anpassung an eine Funktion entsprechend Gl. (25) durchzuführen. Aus dem Anstieg (dps /dT ) und der betreffenden Differenz zwischen Dampf (Vd ) - und Flüssigkeitsvolumen (Vfl, vgl. Abb. W.2.1.2) kann
man auch die Größe der molaren Verdampfungswärme unter Verwendung der in Aufgabe 2 ermittelten Stoffmenge n für eine
ausgewählte Temperatur T < Tk näherungsweise bestimmen:
Vd
V1
Vk
V2
(28)
Besonders deutlich wird der Unterschied
zwischen den Isothermen eines realen und
denen eines idealen Gases in der graphischen
Darstellung p V = f ( p), die als Amagat-Diagramm bezeichnet wird. In diesem Diagramm
werden die Isothermen eines idealen Gases
als horizontale Geraden dargestellt.
T1
Vfl
d ps
1
(Vd Vfl ) T
n
dT .
V
Abb. W.2.1.2 Messungen um den kritischen
Punkt an einem p-V-Diagramm schematisch dargestellt: Beginn im Zustand (V1, T1) mit V1<Vk
und T1<Tk , anschließend langsame Temperaturerhöhung auf T2 > Tk und Beobachtung der Volumenvergrößerung auf V2 > Vk, danach wieder
langsame Temperaturerniedrigung auf T1, Dampf
(Vd ) - und Flüssigkeitsvolumen (Vfl) an der Grenze zum Koexistenzgebiet (schraffiert)
Der Bestimmung der Stoffmenge n in Aufgabe 2 liegt die Vorstellung zugrunde, dass ein
sehr stark verdünntes Gas näherungsweise als
ideales Gas beschrieben werden kann. Stellt
man in einem Diagramm das Produkt p V in
Abhängigkeit von 1/V für ausgewählte Isothermen dar, so ergibt sich aus der Extrapola-
2.2 Adiabatenexponent
In einem idealen Gas vollzieht sich der Energieaustausch infolge ständiger Zusammenstöße zwischen den Molekülen. Ist der
Gleichverteilungssatz der klassischen statistischen Physik anwendbar, so enthält jeder
thermodynamische Freiheitsgrad fT des Moleküls im thermischen Gleichgewicht eine
Energie von kT/2 pro Molekül oder RT/2 pro
Mol, wobei k und R die bekannten Fundamentalkonstanten (Anhang A.6) sind. Damit
ergibt sich für ein Mol eines idealen Gases
die innere Energie U zu
U Wkin
fT
1
RT .
2
(29)
133
2.2 Adiabatenexponent
Unter Berücksichtigung von Gl. (10) erhält
man für die molare Wärmekapazität CV bei
einer isochoren Zustandsänderung
CV
dU
dT
fT
R
2
und
(30)
für die molare Wärmekapazität Cp bei einer
isobaren Zustandsänderung mit Gl. (13)
Cp
CV R
fT 2 R
.
2
(31)
Damit lässt sich der Adiabatenexponent J bei
bekannter Anzahl der thermodynamischen
Freiheitsgrade berechnen:
J
Cp
cp
CV
cV
fT 2
.
fT
(32)
Tabelle W.2.2 Molekülart und thermodynamische Freiheitsgrade
Freiheitsgrade fT
Atome im
Molekül
ft
fr
fges
1
2
3
3
3
3
0
2
3
3
5
6
Ein Molekül bestehend aus n Atomen hat grundsätzlich f = 3 n dynamische Freiheitsgrade, d. h.,
die jeweils drei Translationsfreiheitsgrade (ft ) der
ungebundenen Atome bleiben erhalten. Durch
Molekülbindungen werden diese Freiheitsgrade
den Translations-, Rotations- und Schwingungsfreiheitsgraden des Moleküls zugeordnet. Jedes
Molekül besitzt drei Translationsfreiheitsgrade,
fr Rotationsfreiheitsgerade, wobei fr = 2 für ein
geradliniges und fr = 3 für ein abgewinkeltes Molekül gilt, sowie fs = 3 n 3 fr Schwingungsfreiheitsgrade. Im Gleichverteilungssatz führen nur
Energieterme, die quadratisch in der entsprechenden dynamischen Variablen (Geschwindigkeit,
Auslenkung, Drehimpuls) sind, zu einer thermischen Energie von kT/2. Da Translation und Rotation nur kinetische Energie enthalten, sind für
diese Energieformen die Anzahl der dynamischen
und thermodynamischen Freiheitsgrade gleich.
Eine Schwingung enthält jedoch gleiche Beiträge
von kinetischer und potentieller Energie, so dass
die Schwingungsfreiheitsgrade des Moleküls
2 (3 n – 3 fr) thermodynamische Freiheitsgerade
ausmachen. Die Zahl der thermodynamischen
Freiheitsgerade eines Moleküls ist daher
fT = 3 + fr + 2 (3 n – 3 fr). Es ist jedoch stets zu
beachten, dass diese Abzählung aus der klassischen Physik folgt. Da sowohl Rotationen als
auch Schwingungen quantisiert sind, werden
diese nur bei hinreichend hohen Temperaturen
angeregt. In der Regel sind Molekülrotationen bei
Raumtemperatur angeregt, Schwingungen jedoch
nicht. Eine Ausnahme von dieser Regel bildet das
CO2-Molekül. Als lineares Molekül besitzt dieses
zwei Rotations- und vier Schwingungsfreiheitsgrade. Dabei ist von den letzteren eine Schwingungsmode (gegenphasige Schwingung der Sauerstoffatome bezüglich des Kohlenstoffatoms) bei
Raumtemperatur angeregt, so dass sich im Beispiel des CO2 zwei Schwingungsfreiheitsgrade
und damit insgesamt sieben thermodynamische
Freiheitsgrade ergeben: fT = 3 + 2 + 2˜(1) = 7.
Detaillierte molekültheoretische Berechnungen zu
Oszillationen im Kohlendioxid ergeben für die
Zahl der Schwingungsfreiheitsgrade im Bereich
der Zimmertemperatur einen etwas kleineren Wert
als zwei ( f s,th = 1,857).
2.2.1 Versuch nach Clément und
Desormes
Aufgabenstellung
Das Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten soll nach der Methode von Clément
und Desormes für Luft und Kohlendioxid
bestimmt und mit dem theoretischen Wert
nach Gl. (32) verglichen werden.
Es wird vorausgesetzt, dass während des
Experiments der äußere Luftdruck pL und die
Umgebungstemperatur Tu konstant bleiben.
Eine Glasflasche (Volumen V = const) ist mit
einem Einweghahn (H) verschlossen, der
zum Entspannen des Gases in der Flasche
dient (Abb. W.2.2.1). Der Verteiler im unteren Teil der Glasflasche ermöglicht über
Schlauchverbindungen den Anschluss eines
Drucksensors (DS) mit digitaler Anzeige und
2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen
134 Wärmelehre
einer Druckgasflasche (DG). Vor dem Entspannen des Gases herrscht der Druck pL+ p1
in der Flasche.
J
H
hPa
V
DG
Abb. W.2.2.1 Versuchsschema zur Methode von
Clément und Desormes mit Drucksensor
Durch kurzzeitiges Öffnen des Einweghahns
wird ein schneller Druckausgleich auf den
äußeren Luftdruck erreicht, der als adiabatische Expansion betrachtet werden kann und
eine Abkühlung des Gases auf die Temperatur T0 bewirkt. Dann gilt nach Gl. (20)
§ Tu ·
¨ ¸
© T0 ¹
J
§ pL p1 ·
¨
¸
© pL ¹
J 1
(33)
.
Die Zustandsgleichung nach Gl. (5) für das
Gas (Stoffmenge n) unmittelbar nach dem
Entspannen lautet
pL V
(34)
n R T0 .
Das Volumen V setzt sich aus dem Innenvolumen der Glasflasche und dem Volumen der
Schlauchverbindung zum Drucksensor in
Abb. W.2.2.1 zusammen. Hat sich das Gas
nach einer ausreichenden Wartezeit wieder
auf die Umgebungstemperatur erwärmt, genügt es der Zustandsgleichung
pL p2 V
n R Tu .
(35)
Dividiert man Gl. (35) durch Gl. (34) und
setzt das Verhältnis (Tu / T0 ) in Gl. (33) ein,
erhält man
§ Tu ·
¨ ¸
© T0 ¹
J
Daraus folgt für den Adiabatenexponenten
§ pL p2 ·
¨
¸
© pL ¹
J
§ pL p1 ·
¨
¸
© pL ¹
J 1
. (36)
§
p ·
log ¨1 1 ¸
pL ¹
©
.
§
§
p ·
p ·
log ¨1 1 ¸ log ¨1 2 ¸
pL ¹
pL ¹
©
©
(37)
Durch geeignete Wahl der Versuchsbedingungen, (p1/pL) und (p2/pL) sehr klein gegen
eins, gilt in guter Näherung
p1
J
.
(38)
p1 p2
Versuchsausführung
Bei geöffnetem Einweghahn sind die Glasflasche und die Schläuche gut mit Luft zu
spülen. Danach erzeugt man einen kleinen
Überdruck und misst nach dem Temperaturausgleich den Druck p1. Durch schnelles
Öffnen und Schließen des Einweghahns wird
das Gas anschließend adiabatisch entspannt
und der Druck p2 nach Einstellung des Temperaturgleichgewichts ermittelt. Dabei ist zu
beachten, dass man bei einem zu langsamen
Entspannungsvorgang zu kleine Werte und
bei zu kurzem Öffnen des Ventils zu große
Werte für den Adiabatenexponenten erhält.
Es sind mehrere adiabatische Entspannungen
für verschiedene Drücke p1 durchzuführen.
Nach dem Gasaustausch ist die Messung mit
CO2 zu wiederholen.
2.2.2 Schallgeschwindigkeit
Aufgabenstellung
1. Der Adiabatenexponent von Luft und einem einatomigen Gas soll über die Messung
der Schallgeschwindigkeit bei drei verschiedenen Frequenzen bestimmt werden.
2. Es sind die molaren Wärmekapazitäten Cp
und CV zu ermitteln.
Der Sinusgenerator (1) mit Frequenzanzeige
(Abb. W.2.2.2) ist mit einem Lautsprecher (2) für hohe Frequenzen als Schallquelle
135
2.2 Adiabatenexponent
und dem X-Eingang eines Oszilloskops (3)
verbunden.
Versuchsausführung
3
G
6
Hz
1
f
2
Der Index N bezeichnet die betreffenden
Werte unter Normbedingungen.
4
5
ϑ
Abb. W.2.2.2 Schema der Versuchsanordnung
zur Messung der Schallgeschwindigkeit in Gasen
Als Schallempfänger dient ein Mikrofon (4)
für einen Frequenzbereich bis 30 kHz, in dem
das Schallsignal in eine elektrische Spannung
umgewandelt und durch einen Verstärker (5)
verstärkt wird. Anschließend wird die Spannung einem Hochpass (6) zugeführt und danach an den Y-Eingang des Oszilloskops
gelegt. Die Auswertung der Phasenbeziehungen zwischen den Spannungen am X- und YEingang des Oszilloskops ermöglicht die
Bestimmung der Schallwellenlänge OS, indem man die auf dem Bildschirm entstehenden Lissajous-Figuren (Abb. E.3.1.5) in Abhängigkeit vom Abstand zwischen Lautsprecher und Mikrofon variiert. Bei bekannter
Frequenz f des Schallsenders lässt sich damit
die Schallgeschwindigkeit cS berechnen.
Die Schallschwingungen erfolgen so schnell,
dass praktisch ein Temperaturausgleich zwischen den durch eine halbe Wellenlänge getrennten Stellen der Erwärmung (infolge
Verdichtung) und Abkühlung (infolge Verdünnung) des Gases mit der Umgebung nicht
wirksam werden kann. Für diesen adiabatischen Vorgang kann unter Verwendung von
Gl. (M.4-7) der Adiabatenexponent bestimmt
werden. Man erhält für ideale Gase mit der
Temperatur T
U T
J cS2 N N .
(39)
pN T
Der Lautsprecher und das Mikrofon sind in
einem luftdicht verschließbaren Versuchsraum mit eingebautem Thermometer untergebracht. Man füllt Luft bzw. das zu untersuchende Gas in den Versuchsraum und bestimmt die Temperatur des Gases. Anschließend wird der Abstand zwischen Lautsprecher und Schallwandler so lange verändert,
bis auf dem Schirm des Oszilloskops eine
Gerade entsteht. Verschiebt man den Schallwandler gegenüber dem Lautsprecher um
eine Wegdifferenz, die der Schallwellenlänge
OS entspricht, beobachtet man wieder eine
Gerade mit dem gleichen Anstieg. Zur Erhöhung der Genauigkeit sind etwa zehn unterschiedliche Wegdifferenzen 'li zu messen.
Über die Auftragung von 'li als Funktion der
Vielfachen i der Wellenlänge erhält man
einen mittleren Wert für die gesuchte Wellenlänge. Die Messung ist bei drei verschiedenen Frequenzen oberhalb der Hörgrenze
bis maximal 30 kHz durchzuführen. Mit den
Mittelwerten der jeweiligen Schallgeschwindigkeiten werden die J-Werte mit Gl. (39, die
gesuchten Wärmekapazitäten Cp und CV mit
den Gln. (14) und (17) ermittelt.
2.2.3 Resonanzmethoden
Aufgabenstellung
1. Mit dem Gasoszillator nach Flammersfeld
sind die Adiabatenexponenten von Luft und
Kohlendioxid zu bestimmen.
2. Der Adiabatenexponent eines einatomigen
Gases ist mit der Resonanzrohrmethode zu
ermitteln.
3. Die experimentellen Werte sind mit den
nach Gl. (32) berechneten Werten zu vergleichen.
Bei der Gasoszillatormethode (Abb. W.2.2.3)
nach Flammersfeld befindet sich in einem
2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen
136 Wärmelehre
senkrechten Präzisionsrohr (2) ein zylindrischer Körper (1) mit der Masse m und dem
Durchmesser d. Das mit Gas gefüllte Volumen V des Glaskolbens (3) soll bekannt sein.
2
5
1
4
3
beschleunigende Druckkraft
Fp
Der zylindrische Körper schließt das Gasvolumen nach oben ab. Glaskolben und Präzisionsrohr sind über einen Glasschliff dicht
miteinander verbunden. Lässt man Gas mit
geringem Überdruck mittels eines Kapillarrohrs (4) in den Kolben einströmen, wird der
Körper durch den sich an seiner Unterseite
aufbauenden Überdruck nach oben geschoben. Gibt der Körper beim Steigen den feinen
Schlitz (5) im Präzisionsrohr frei, kann Gas
entweichen und der Druck fällt ab. Dadurch
wird der Körper nach unten sinken und den
Schlitz wieder verschließen. Der Schlitz
wirkt wie ein sich periodisch öffnendes und
schließendes Ventil bei kontinuierlicher Gaszufuhr und der Körper führt um diesen
Schlitz periodische Bewegungen aus. Um
stabile Schwingungen des zylindrischen
Körpers in der Luftsäule anregen zu können,
ist eine geeignete Feindosierung der Gaszufuhr (z. B. mit einem Nadelventil) vorzunehmen. Steigt der Körper um die kleine
Distanz x über die Gleichgewichtslage x0 der
Schwingung, dann erhöht sich der Druck p
um 'p, und man erhält für die den Körper
d2 x
dt2
A ǻp
ʌ 2
d ǻp .
4
(40)
Der Luftdruck pL und der „Kolbendruck“
überlagern sich im Glasgefäß zu einem Gesamtdruck
p
pL 4mg
,
ʌ d2
der den zylindrischen Körper steigen lässt.
Den Schwingungsvorgang kann man unter
den vorliegenden Versuchsbedingungen (hinreichend schnelle Schwingungen) als adiabatischen Prozess annehmen und es folgt nach
Gl. (19) für kleine Druckänderungen
ǻp
Abb. W.2.2.3 Messung des Adiabatenexponenten
mit dem Gasoszillator nach Flammersfeld
m
J p (ǻ V / V ) .
Setzt man 'p in Gl. (40) ein und berücksichtigt ǻV ʌ d 2 'x / 4 ('x = x – x0), ergibt sich
bei Vernachlässigung der Reibung die Differentialgleichung für den harmonischen Oszillator (M.2.0.1):
d2 x J ʌ2 d 4 p
( x x0 ) 0 .
dt2
16 m V
(41)
Die Masse des mitschwingenden Gases wird
hier vernachlässigt. Damit folgt für die Eigenkreisfrequenz des Gasozillators
Z0
J ʌ2 d 4 p
16 m V
,
(42)
und mit der Periodendauer T0 2 ʌ / Z0 erhält
man die Bestimmungsgleichung für den Adiabatenexponenten:
J
64 m V
.
T02 d 4 p
(43)
Der Durchmesser des Schwingkörpers d und
seine Masse m sowie das Gasvolumen V sollen bekannt sein. Der Luftdruck pL wird mit
einem Barometer gemessen. Mit Hilfe einer
Lichtschrankenanordnung ist mit einem Digi-
137
2.2 Adiabatenexponent
talzähler zehnmal die Eigenfrequenz zu messen. Daraus bestimmt man den Mittelwert der
Periodendauer T0 und mit Gl. (43) kann der
Adiabatenexponent berechnet werden. Die
Messung wird nach dem Austausch von Luft
durch Kohlendioxid wiederholt. Es sind die
experimentellen Ergebnisse mit den nach
Tabelle W.2.2 berechenbaren Werten zu vergleichen. Bei der Messung mit einem Gasfeder-Resonanzrohr befindet sich ein an den
Rohrinnendurchmesser angepasster zylindrischer Schwingkörper (K, Querschnitt A) aus
magnetischem Material in einem Glasrohr
(GL), auf dem sich eine Volumenskala befindet und dessen Enden mit Laborhähnen verschließbar sind (Abb. W.2.2.4).
beginnt dieser um eine Gleichgewichtslage
mit kleiner Auslenkung zu schwingen. Im
Resonanzfall wird die Schwingungsamplitude maximal.
Mit dem Ansatz eines linearen Kraftgesetzes
bei Vernachlässigung der Reibung gilt für
kleine Auslenkungen dx = x x0 in Bezug auf
die Gleichgewichtslage x0:
dFx
G
f
K
SP
Hz
(44)
cG ist die „Gasfederkonstante“. Die durch die
Schwingungen des Körpers verursachten
Druckschwankungen im Inneren des Resonanzrohrs dp = dFx /A genügen praktisch
einer adiabatischen Zustandsänderung. Mit
der Ableitung dp/dV = J p/V von Gl. (19),
der Volumenänderung dV = A dx im Gasvolumen V sowie unter Berücksichtigung von
Gl. (44) ergibt sich für die Gasfederkonstante
cG
GL
cG dx .
J p A2
V
.
(45)
In Analogie zu Federschwingungen (M.2.0)
gilt für die Eigenfrequenz f0 des in der Gassäule schwingenden Körpers (Masse mK)
f0
1
2S
cG
,
mK
und mit Gl. (45) folgt für den Adiabatenexponenten
J
Abb. W.2.2.4 Messung des Adiabatenexponenten
mit einem Gasfeder-Resonanzrohr
Um das senkrecht befestigte Glasrohr ist eine
längs des Rohres verschiebbare Erregerspule (SP) angebracht, an die ein Sinusgenerator (G) angeschlossen wird. Befindet sich der
Schwingkörper unmittelbar oberhalb der
Erregerspule im Bereich des magnetischen
Wechselfelds und liegt die Frequenz des
Spulenfelds nahe der Eigenfrequenz der
Schwingung des Körpers in der Luftsäule,
(2S f 0 ) 2 V mK
.
A2 p
(46)
Die „Gasfederkonstante“ cG kann bei bekannten Werten von V, A und p nach Gl. (45) mit
einem Referenzgas, dessen Adiabatenexponent Jr (zugehörige Resonanzfrequenz f0,r)
bekannt ist, ermittelt werden. Unter gleichen
Messbedingungen ist die Bestimmung des
Adiabatenexponenten des unbekannten Gases
mittels Vergleichsmessungen möglich:
Jx
2
f 0,x
Jr
f 0,r2
.
(47)
138 Wärmelehre
Versuchsausführung
In das an beiden Enden geöffnete Glasrohr,
lässt man von unten Gas mit bekanntem Adiabatenexponenten einströmen. Der Schwingkörper gleitet dadurch an das obere Ende des
Glasrohrs. Danach wird Gas vom oberen
Ende in das Rohr hineingedrückt und der
Körper nach unten bewegt. Dieser Spülvorgang ist mehrmals zu wiederholen.
Anschließend drückt man den Schwingkörper
von unten bis zur Mitte des Rohrs nach oben,
entfernt den Druckgasschlauch, um einen
Druckausgleich mit dem Außendruck zu
erreichen, und verschließt die Hähne an den
Enden des Rohrs. Der Gasdruck im Rohr
entspricht nun dem äußeren Luftdruck. Nachdem die Erregerspule kurz unterhalb des
Schwingkörpers befestigt wurde, variiert man
langsam die Frequenz des Generators oberhalb 20 Hz, bis der Körper mit maximaler
Amplitude schwingt. Um eine konstante Anfangsposition des Schwingkörpers in der
Mitte des Rohrs zu gewährleisten, muss der
langsam nach unten gleitende Körper vor
jeder Messung der Eigenfrequenz f0,r wieder
in die Ausgangsstellung gebracht werden.
Das Aufsuchen der Resonanz ist mehrfach zu
wiederholen. Unter analogen Versuchsbedingungen ist die Messung mit dem einatomigen
Gas durchzuführen (Eigenfrequenz f0,x). Mit
Gl. (47) kann der Adiabatenexponent Jx des
unbekannten Gases bestimmt und unter Anwendung von Gl. (32) mit dem theoretischen
Wert für einatomige Gase verglichen werden.
2.3 Dampfdruckkurve und Verdampfungswärme
Aufgabenstellung
1. Die Dampfdruckkurve einer Flüssigkeit ist
in einem vorgegebenen Temperaturintervall
aufzunehmen.
2. Mit Hilfe einer geeignet zu wählenden
graphischen Darstellung der Dampfdruckkurve ist die molare Verdampfungswärme
der Flüssigkeit zu bestimmen.
2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen
Die in Abb. W.2.3.1 dargestellte Versuchsanordnung enthält einen Kältethermostaten (1), in dem sich das Vorratsgefäß (2) mit
der zu untersuchenden Flüssigkeit und der
Messfühler eines Digitalthermometers (3)
befinden.
5
Pa
H2
3
ϑ
H1
1
2
4
H3
V
p
H4
6
Abb. W.2.3.1 Anordnung zur Dampfdruckmessung mit Drucksensor
Über Schläuche sind die Druckmesszelle (4), die einen Drucksensor enthält, sowie eine Vakuumpumpe (6) miteinander
verbunden. Über den Hahn H2 ist der Anschluss eines kalibrierten Druckmessgeräts
möglich. Mit den Hähnen H1 bis H4 kann
man Teile der Anlage voneinander trennen
oder verbinden, um diese je nach Erfordernis
evakuieren, belüften oder mit dem zu untersuchenden Dampf füllen zu können.
Versuchsausführung
Druckmessungen werden heute mit modernen Drucksensoren durchgeführt, deren
Wandler die physikalische Größe Druck in
eine elektrische Größe umformt. Dazu werden überwiegend Dehnungsmessstreifen,
kapazitive, piezoelektrische oder piezoresistive Sensoren verwendet.
Der im Versuch eingesetzte HalbleiterDrucksensor (piezoresistiver Siliziumchip)
enthält als druckempfindliches Element eine
Siliziummembran mit vier eindiffundierten
Widerständen. Die durch äußeren Druck auf
die Membran verursachten mechanischen
Spannungen verändern die Größe der Widerstände durch die Änderung der geometrischen Abmessungen (insbesondere durch die
2.3 Dampfdruckkurve und Verdampfungswärme
139
Änderung des spezifischen Widerstands,
piezoresistiver Effekt). Mechanisch bilden
die Widerstände einen Teil der Membran,
elektrisch wirken sie unabhängig voneinander. Durch spezielle Verfahren gelingt es,
jeweils zwei der Widerstände so herzustellen,
dass ihre Druckabhängigkeit entgegengesetzt
ist, ihre Basiswerte aber annähernd gleichgroß bleiben und die (betragsmäßig gleichgroßen) Änderungen der Einzelwiderstände
klein gegenüber diesen sind.
Vernachlässigung von Produkten kleiner
Größen (ri = 'Ri /Ri << 1, i = 1, 2, 3, 4) erhält
man
R1
R3
p
p
US
p
R2
p
UBr
R4
Abb. W.2.3.2 Schema der Brückenschaltung
eines piezoresistiven Drucksensors, rote Pfeile
symbolisieren die Richtung der Widerstandsänderung bei Erhöhung des Drucks
In Abb. W.2.3.2 sind die in einer Brückenschaltung (Vollbrückenschaltung) verbundenen Widerstände dargestellt, die mit einer
stabilen Betriebsspannung US versorgt wird.
Die Brückenspannung UBr als Messsignal
wird über zwei weitere Leitungen abgegriffen und kann direkt mit einem Digitalvoltmeter gemessen oder einem Messverstärkermodul zugeführt werden. Nach geeigneter Signalkonditionierung, bei der man die Werte
der Brückenspannung eindeutig Druckwerten
zuordnen kann, ist der Wert des Drucks dann
an einer Anzeigeeinheit direkt ablesbar.
In Analogie zu der in E.1.2 durchgeführten
Herleitung für die Brückenspannung UBr
folgt
§ R1
R3 ·
U Br ¨
(48)
¸ US .
© R1 R2 R3 R4 ¹
Unter den genannten Bedingungen sowie bei
U Br
1
(r1 r4 r2 r3 ) US
4
ǻR
US . (49)
R
Damit ist die Brückenspannung in einem
begrenzten Druckbereich direkt proportional
zur relativen Änderung der Brückenwiderstände.
Der mit Versuchsflüssigkeit gefüllte Vorratsbehälter befindet sich während der Messung
im Flüssigkeitsbad eines Kältethermostaten.
Man stellt am Temperaturregler eine vorgegebene Temperatur ein und schaltet den
Thermostaten ein. Das Vorratsgefäß muss
noch ausreichend viel Flüssigkeit enthalten.
Zunächst sind bei entsprechenden Hahnstellungen die Druckmesszelle und die Verbindungsschläuche zu evakuieren. Zur Kalibrierung des Drucksensors wird über den Hahn
H2 ein Manometer angeschlossen und über
die Hähne H4 und H3 Luft mittels eines Dosierventils in die evakuierte Anlage eingelassen. Man misst bei etwa zehn verschiedenen
Drücken p die Brückenspannung UBr und
stellt UBr ( p) graphisch dar. Um das Vorratsgefäß mit der zu untersuchenden Flüssigkeit
zu füllen, öffnet man bei laufender Vakuumpumpe mehrere Male kurzzeitig den Hahn
H1, um Dampf der Versuchsflüssigkeit in das
evakuierte Volumen strömen zu lassen. Danach ist Hahn H3 zu schließen und das Gefäß
in das Flüssigkeitsbad des Thermostaten zu
tauchen. Die Vakuumpumpe wird ausgeschaltet und über den Hahn H4 belüftet. Anschließend ist der Dampfdruck in Abhängigkeit von der Temperatur in einem am Versuchsplatz angegebenen Temperaturintervall
zu messen. Nach jeder Änderung der Badtemperatur im Thermostaten ist der Temperaturausgleich mit der Versuchsflüssigkeit abzuwarten, ehe man den Dampfdruck ermittelt. Die Bestimmung der molaren Verdampfungswärme Q23 erfolgt unter Anwendung
von Gl. (25) mittels graphischer Auswertung.
2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen
140 Wärmelehre
2.4 Wärmepumpe
Aufgabenstellung
1. Es sollen die Temperatur- und Druckverläufe einer Wasser-Wasser-Wärmepumpe
gemessen werden. Die zeitabhängigen Temperaturverläufe des Warm- und des Kaltwasserreservoirs sind in einem Diagramm darzustellen.
2. Die effektiven Leistungszahlen sind zu
ermitteln und in Abhängigkeit von der Temperaturdifferenz zwischen Warm- und Kaltwasserreservoir graphisch darzustellen. Für
unterschiedliche Betriebsdauern der Wärmepumpe sind die theoretischen Leistungszahlen zu bestimmen und mit den effektiven
Leistungszahlen zu vergleichen.
3. Die zeitlichen Temperaturänderungen im
Warmwasserreservoir einer Luft-WasserWärmepumpe sind bei verschiedenen Bedingungen zu messen, in einem Diagramm graphisch darzustellen und zu diskutieren.
Die Wärmepumpe ist eine periodisch arbeitende Maschine, die es unter Aufwand von
mechanischer Arbeit ermöglicht, eine bestimmte Wärmemenge einem Behälter mit
der Temperatur Tk zu entziehen und in ein
anderes Reservoir, das sich auf der höheren
Temperatur Tw befindet, zu transportieren.
Tw
Q2
WP
W
Q1
Tk
Abb. W.2.4.1 Prinzip der Wärmepumpe
Entsprechend Abb. W.2.4.1 wird dem Behälter mit der niedrigen Temperatur Tk durch die
Wärmepumpe (WP) unter Aufwendung von
mechanischer Arbeit W die Wärmemenge Q1
entnommen. Beide Energien fließen als
Wärmemenge Q2 ( Q2 W Q1 ) in das
Wärmereservoir der hohen Temperatur Tw.
Man wird stets bemüht sein, die Versuchsführung so zu gestalten, dass zum Transport
einer bestimmten Wärmemenge möglichst
wenig mechanische Arbeit aufgewendet werden muss. Als charakteristische Kenngröße
führt man dazu die effektive Leistungszahl
Heff ein. Diese ist definiert als Verhältnis von
Nutzenergie, d. h., der vom Reservoir mit der
Temperatur Tw aufgenommenen Wärmeenergie Q2 'Q (c m C ) 'Tw , zur aufgewandten mechanischen Arbeit W mit
H eff
'Q
W
cm C 'Tw
Pel 't
,
(50)
wobei in der Regel die mechanische Arbeit
im Zeitintervall 't von einem Kompressor
(elektrische Wirkleistung Pel) verrichtet wird.
Die Reservoirs sind bei der Wasser-WasserWärmepumpe mit Wasser gefüllte Behälter
(Wassermasse m, spezifische Wärmekapazität c, Wärmekapazität des Behälters und des
Wärmetauschers C). Im Falle der LuftWasser-Wärmepumpe ist das Reservoir tieferer Temperatur (Tk) von Luft umgeben. Die
Leistungszahl dieser Kompressionswärmepumpen bestimmt man praktisch durch die
Messung der elektrischen Leistung mit einem
Watt-Meter sowie über den Anstieg 'Tw /'t
der gemessenen Temperatur (Tw) - Zeit(t)Abhängigkeit im warmen Reservoir. Die
Leistungszahl nach Gl. (50) hängt unter anderem von der Temperatur in den Reservoirs,
der Umgebungstemperatur sowie von der
Verteilung des Kältemittels in der Wärmepumpe ab.
In Abb. W.2.4.2 ist die Funktionsweise der
Kompressionswärmepumpe dargestellt. Das
gasförmige Arbeitsmittel (Kältemittel) wird
141
2.4 Wärmepumpe
vom Kompressor (KO) nahezu adiabatisch
komprimiert und dabei stark erwärmt. Im
Verflüssiger (K) kühlt es sich stark ab und
kondensiert. Die dabei frei werdende Kondensationswärme führt zur Erwärmung des
Reservoirs der Temperatur Tw.
MPa
T3
T4
MPa
D
p1
p2
K
V
Tw
Tk
KO
T1
T2
Abb. W.2.4.2 Schema zur Funktionsweise einer
Wärmepumpe
Danach gelangt das kondensierte Kältemittel
zum Drosselventil (D), das den notwendigen
Druckabfall zwischen Kompressor und Verdampfer (V) aufrechterhält. Dieses wird auch
als Expansionsventil bezeichnet und lässt von
dem unter hohem Druck stehenden Kältemittel nur soviel in den Verdampfer fließen, wie
dort vollständig verdampfen kann. Bei diesem Vorgang der gedrosselten Entspannung
bleibt die Enthalpie H ( H U pV ) konstant. Die beim Verdampfen vom Kältemittel
aufgenommene Wärmemenge führt zur Abkühlung des Verdampfers bzw. des ihn umgebenden Reservoirs (Temperatur Tk). Anschließend erreicht das Kältemittel wieder
den Kompressor, wodurch der Kreis geschlossen wird. Zusätzlich ermöglichen Manometer auf der Niederdruck-(p1) und auf der
Hochdruckseite (p2) der Wärmepumpe die
Messung des Drucks im Arbeitsmittel. Dieses
liegt im Allgemeinen als Flüssigkeits-GasGemisch vor. Je größer sein Wärmeinhalt ist,
desto höher ist der Anteil des Gases im Gemisch.
Den idealisierten Kreisprozess einer kompressorbetriebenen Wärmepumpe stellt man
praktischerweise in einem lg p-h-Diagramm
dar (Abb. W.2.4.3), das man auch als Mollier-Diagramm bezeichnet. Darin sind p der
Druck und h die spezifische (massenbezogene) Enthalpie (h = H/m, Einheit J/kg). Im
Mollier-Diagramm werden auch noch die
Isothermen (T = const) und Isentropen (Entropie S = const) sowie der relative Masseanteil einer Phase des Kältemittels dargestellt.
Damit erhält man eine vollständige Information über das thermodynamische Verhalten
des Kältemittels und einen tieferen Einblick
in den Kreisprozess. Gegenüber dem üblichen p-V-Diagramm besteht der Vorteil des
Mollier-Diagramms auch darin, dass man bei
Kenntnis der Temperaturen und der Absolutdrücke die den einzelnen Zustandsänderungen entsprechenden spezifischen Enthalpien
und damit die maximal mögliche oder theoretische Leistungszahl Hth auf direktem Wege
bestimmen kann.
In Abb. W.2.4.3 ist der idealisierte Kreisprozess der kompressorbetriebenen Wärmepumpe schematisch dargestellt. Links von der
Siedelinie (SL) ist das Arbeitsmittel vollständig kondensiert (fl). Rechts vom kritischen
Punkt (K) schließt sich die Taulinie (TL) an.
Das Arbeitsmittel liegt rechts von der Taulinie als überhitzter Dampf (g) und innerhalb
von Siede- und Taulinie als Flüssigkeits-GasGemisch (g+fl) vor.
q2
lg p
S = const
fl
p2
K
3
2
g + fl
p1
g
1
4
SL
h3 = h4
TL
T1
q1
w
h1
T2
h
h2
Abb. W.2.4.3 Idealisierter Kreisprozess einer
Wärmepumpe (schematisch)
2 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen
142 Wärmelehre
Der in Abb. W.2.4.3 dargestellte idealisierte
Kreisprozess kann in vier Schritte (Zustandsänderungen) unterteilt werden:
1o 2 :
Kältemittel wird angesaugt und adiabatisch
von p1 auf p2 komprimiert, dabei Erwärmung
von der Temperatur T1 auf T2, S const
wegen d S d Q / T 0 , (reduzierter) Energieaufwand w = h2 h1.
2 o 3:
Verflüssigung am Kondensator setzt die
Energie Q2 bei der Temperatur Tw frei, Q2
enthält Überhitzungswärme und Kondensationswärme, (reduzierte) gewonnene Energie q2 = h2 – h3.
3o 4:
Gedrosselte Entspannung, Abnahme des
Drucks von p2 auf p1, Erniedrigung der Temperatur von T3 auf T4, Enthalpie h4 bleibt
konstant (h4 = h3).
4 o 1:
Kältemittel verdampft vollständig, (reduzierte) Wärmeaufnahme q1 h1 h4 .
Damit lässt sich die theoretische Leistungszahl des idealisierten Kreisprozesses einer
solchen Wärmepumpe durch die Messung
der Größen p1, p2 und T1 sowie dem Ablesen
der spezifischen Enthalpien h1, h2 und h3 aus
dem Mollier-Diagramm bestimmen:
H th
q2 h2 h3
.
w h2 h1
(51)
Die zusätzlichen Messungen der Temperaturen T2, T3 und T4 an den entsprechenden Stellen geben einen erweiterten Einblick in die in
der Wärmepumpe ablaufenden Prozesse.
Versuchsausführung
Vor Beginn der Messungen ist die Wärmepumpe mit aufgefüllten Wasserbehältern
etwa 15 Minuten in Betrieb zu nehmen (Einlaufphase). Anschließend ist das Wasser auszutauschen. Die für die Auswertung benötigte Wassermenge wird indirekt über Volumenmarkierungen in den Behältern ermittelt.
Die Messfühler zur Messung von Tw und Tk
sind in den jeweiligen Reservoirs zu befestigen. Der Messfühler zur Bestimmung der
Temperatur T1 vor der Kompression wird an
der Zuleitung des Kompressors angebracht.
Nach dem Einschalten des Kompressors sind
in Zeitintervallen von etwa 't = 120 s die
genannten Temperaturen und die Drücke p1
und p2 zu messen. Zur Messung der elektrischen Kompressorleistung steht ein Leistungsmessgerät zur Verfügung. Da die Temperatur im Warmwasserreservoir einen vorgegebenen Maximalwert nicht überschreiten
darf und eine Vereisung auf der Verdampferseite vermieden werden muss, ist die Messdauer auf eine vorgegebene Zeit zu begrenzen. Das Wasser ist während des Betriebs
regelmäßig umzurühren.
Die zur Auswertung nach Gl. (50) notwendige Temperaturänderung 'Tw als Funktion der
Zeit kann über den Quotienten 'Tw/'t oder
aus dem Tangentenanstieg in einem entsprechenden Temperatur-Zeit-Diagramm ermittelt werden. Die Wärmekapazität C wird
gegeben oder man kann deren Wert experimentell z. B. mittels einer Abkühlungsmessung bestimmen (W.1.3). Für die Ermittlung
von Hth nach Gl. (51) sind die Drücke p1 und
p2, die als relative Drücke gegenüber dem
Luftdruck gemessen werden, auf absolute
Druckwerte umzurechnen. Mit T1 und p1
(Abb. W.2.4.3) wird der Punkt 1 im ausliegenden Mollier-Diagramm gesucht. Von
diesem ausgehend verfolgt man die nächstliegende Isentrope, deren Schnittpunkt mit
der Horizontalen p2 = const den Punkt 2 ergibt. Der Schnittpunkt der Horizontalen mit
der Siedelinie führt dann zu Punkt 3. Fällt
man von diesen Punkten das Lot auf die Koordinate h, können die gesuchten Enthalpien h1, h2 und h3 abgelesen werden. Es genügt aber, die den Enthalpiedifferenzen nach
Gl. (51) entsprechenden Strecken auszumessen, da nur ihre Verhältnisse in die Rechnung
eingehen. Bei Aufgabe 3 ist der Wasserbehälter vom Verdampfer zu entfernen und gut
143
3.0 Grundlagen
abzutrocknen. Während des Betriebs der
Luft-Wasser-Wärmepumpe ist ein beheizbares Gebläse in Höhe des Verdampfers aufzustellen, dessen Kalt- bzw. Warmluft die Verdampferschlange umströmt.
3 Kalorimetrie
gehalten werden. Zur Vermeidung von Strahlungsverlusten ist die Innenwand des Kalorimetergefäßes häufig verspiegelt. Oft verwendet man auch gläserne Vakuummantelgefäße (nach J. Dewar auch als Dewar-Gefäße
bezeichnet), deren Innenwand ebenfalls verspiegelt ist. Wegen der bestehenden Implosionsgefahr müssen diese Gefäße stets von
einer Schutzhülle umgeben sein.
3.0 Grundlagen
Gegenstand kalorimetrischer Messungen ist
die Bestimmung von Wärmemengen bzw.
von Umwandlungsenergien. Für die folgenden Versuche werden Flüssigkeitskalorimeter
verwendet, die mit einer elektrischen Heizung ausgerüstet werden können. In ihnen
befindet sich eine bestimmte Flüssigkeitsmenge bekannter spezifischer Wärmekapazität. Die zu bestimmenden Wärmemengen
ergeben sich in allen Fällen aus einer Bilanz
der im Inneren des Kalorimeters ausgetauschten Energieanteile. Beim Aufstellen der
Wärmeenergiebilanz wird die grundlegende
Beziehung benutzt, dass die ausgetauschte
Wärmemenge 'Q eine Änderung der Temperatur um 'T des betreffenden Stoffs (Masse
m, spezifische Wärmekapazität c) bewirkt:
'Q
c m 'T .
(1)
Aus Gl. (1) folgt die Einheit der spezifischen
Wärmekapazität: 1 J kg-1 K-1.
Um das Kalorimeter näherungsweise als abgeschlossenes System behandeln zu können,
wird durch geeignete Konstruktion ein Energieaustausch mit der Umgebung weitgehend
vermieden. Die Grundkonstruktion eines
Kalorimeters (Abb. W.3.0.1) enthält das Kalorimetergefäß (1), ein wärmeisolierendes
Mantelgefäß (2) sowie eine wärmeisolierende
Abdeckung (3). Die Verluste infolge von
Wärmeleitung und Konvektion können bei
speziellen Bauarten noch durch eine zusätzliche Unterteilung des Mantels und durch isolierende Distanzstücke (4) besonders klein
ϑ
3
1
2
4
Abb. W.3.0.1 Kalorimeter mit Thermometer und
Rührwerk (schematisch)
Zusätzlich enthalten die in den verschiedenen
Versuchen verwendeten Kalorimeter zum
Durchmischen der Kalorimeterflüssigkeit ein
Rührwerk (mechanisches Rührwerk, Magnetrührer) und einen Temperaturmessfühler
sowie ggf. eine elektrische Heizung zur Erwärmung der Kalorimeterflüssigkeit.
In die jeweilige Energiebilanz geht selbstverständlich auch die mit dem Kalorimetergefäß
und dem apparativen Zubehör ausgetauschte
Wärmemenge ein. Trotz aller Wärmeisolierungen kann man einen Energieaustausch des
Kalorimetersystems mit der Umgebung nicht
vollständig verhindern. Damit entspricht die
Mischungstemperatur nicht dem Wert, der
sich für den Fall eines unendlich schnellen
Temperaturausgleichs einstellen würde. Für
eine graphische Extrapolation auf einen idealisierten momentanen Wärmeausgleich
nimmt man im Verlauf des Versuchs das in
3 Kalorimetrie
144 Wärmelehre
Abb. W.3.0.2 exemplarisch dargestellte Temperatur-Zeit-Diagramm auf. Die Temperatur
der Kalorimeterflüssigkeit, in diesem Falle
warmes Wasser, wird während einer Vorperiode in geeigneten Zeitabständen abgelesen
und notiert. Die Hauptperiode leitet man
durch Abkühlung (z. B. das Eingießen von
kaltem Wasser) ein und umfasst den eigentlichen Mischungsvorgang, dessen Temperaturverlauf nach Möglichkeit auch verfolgt
werden sollte. Es schließt sich die Nachperiode von einigen Minuten an. Wegen der
Kürze der Vor- und Nachperiode ist der an
sich nach dem Newton’schen Abkühlungsgesetz (W.1.3) exponentielle Temperaturverlauf
durch die Geraden AB und FG hinreichend
genau wiedergegeben.
A
ϑ
ϑw
B
3.1 Wärmekapazität eines Kalorimeters
Aufgabenstellung
Die Wärmekapazität einer Kalorimeteranordnung ist zu bestimmen.
Die Wärmekapazität CK einer Kalorimeteranordnung ist die in einem Temperaturintervall 'T ausgetauschte Wärmemenge 'Q geteilt durch 'T. Nach Gl. (1) gilt
CK
'Q
.
'T
mc
(2)
Die Einheit der Wärmekapazität ist J K-1.
Für die Abschätzung der Größenordnung von
CK kann bei bekannten Materialkomponenten
die Summe der einzelnen Wärmekapazitäten
(i = 1, ... , n) gebildet werden:
C
n
CK
¦m c
i
i
.
(2a)
i 1
D
ϑm
E
F
G
t
Abb. W.3.0.2 Temperatur (-)-Zeit (t)-Diagramm
Daraus lässt sich auf den Temperaturverlauf
bei unendlich schnellem Ausgleich schließen,
indem eine Senkrechte CE so gezeichnet
wird, dass die Flächen BCD und DEF gleich
groß sind. Als Temperaturen des warmen
Wassers -w und der Mischungsphase -m
werden diejenigen gewählt, die den Punkten
C und E entsprechen.
Da die Berechnung der Wärmekapazität der
verwendeten Kalorimeteranordnung, bestehend aus Kalorimetergefäß und wärmisolierendem Mantelgefäß sowie elektrischer Heizung, Rührwerk und Thermoelement,
schwierig ist, erfolgt die Bestimmung der
Wärmekapazität des Kalorimeters experimentell unter Verwendung der Mischungsmethode. Die Definition der Wärmekapazität
nach Gl. (2) gilt für kleine Temperaturintervalle, in denen CK praktisch konstant ist.
Daraus folgt für die Wahl der Versuchsbedingungen, dass nur hinreichend kleine
Wärmemengen 'Q ausgetauscht werden.
Das Kalorimeter wird mit einer bestimmten
Masse warmen Wassers (Masse mw, Temperatur -w) gefüllt und hierzu eine abgemessene Menge kalten Wassers (Masse mk, Temperatur -k ) gegossen. Nach erfolgtem Wärmeaustausch stellt sich eine Mischungstemperatur - m ein. Es ergibt sich folgende Energiebilanz: Das kalte Wasser nimmt die Wärme-
145
3.2 Spezifische Wärmekapazität von Festkörpern und Flüssigkeiten
'Qk
'Qw 'QK folgt
c mk -m -k c mw CK -w -m ,
und für die Wärmekapazität des Kalorimeters
ergibt sich die Gleichung
CK
ª - -k
º
mw » .
c « mk m
¬ -w -m
¼
(3)
Um den Wärmeaustausch mit der Umgebung
zu berücksichtigen, ist ein Temperatur-ZeitDiagramm aufzunehmen. Damit sind die
Temperaturen -w und -m in Gl. (3) zu ermitteln. Da die Wärmekapazität des Kalorimeters zusätzlich von der durch das Zugießen
der kalten Wassermenge veränderten Füllhöhe abhängen kann, bestimmt man mit diesem
Verfahren einen mittleren Wert von CK. Die
Verwendung eines Kalorimeters mit elektrischer Heizung (W.3.2.1) ermöglicht die Bestimmung der Wärmekapazität CK für konstante Füllhöhen.
Versuchsausführung
Das Kalorimeter wird zu Beginn des Versuchs mit leicht erwärmtem Wasser etwa bis
zur Hälfte gefüllt. Die Massen mk und mw des
Wassers ergeben sich aus der Differenz der
Wägungen des leeren, des mit warmem Wasser und des gleichzeitig mit kaltem und warmem Wasser gefüllten Kalorimeters. Bei der
Berechnung von CK ist mit den aus einem
Temperatur-Zeit-Diagramm erhaltenen Temperaturen zu arbeiten. Während der gesamten
Messung muss auf eine gute Durchmischung
der Kalorimeterflüssigkeit geachtet werden.
3.2 Spezifische Wärmekapazität
von Festkörpern und Flüssigkeiten
Im Allgemeinen muss man zwischen der
spezifischen Wärmekapazität bei konstantem
Druck (cp) und bei konstantem Volumen (cV)
unterscheiden. Für Festkörper und auch für
manche Flüssigkeiten (z. B. Wasser) kann
wegen der geringen thermischen Ausdehnung
in guter Näherung c = cp = cV gesetzt werden.
Aus Gl. (2) folgt
c
'Q
m 'T
(4)
und der Wert von c entspricht dem Wert der
Wärmemenge, die der Masseeinheit zugeführt werden muss, damit sich ihre Temperatur um 1 K erhöht. Die spezifischen Wärmekapazitäten sind in allen Aggregatzuständen
eine Funktion der Temperatur. Die charakteristische Änderung der molaren Wärmekapazität von festen Metallen in Abhängigkeit
von der Temperatur vermittelt Abb. W.3.2.1.
C
J mol -1 K-1
25
Pb
Cu
Al
15
3R
menge 'Qk c1 mk (-m -k ) auf, während
das warme Wasser 'Qw c2 mw (-w -m )
und die Kalorimeteranordnung die Wärmemenge 'QK CK (-w -m ) abgeben. Die
geringfügige Temperaturabhängigkeit der
spezifischen Wärmekapazität von Wasser
wird hier vernachlässigt (c = c1 = c2). Aus der
Energiebilanz
5
100
300
500
T/K
Abb. W.3.2.1 Temperaturabhängigkeit der molaren Wärmekapazität fester Metalle
Am absoluten Nullpunkt wäre die Wärmekapazität null, da die bei höheren Temperaturen
stattfindenden Schwingungen der Atome um
ihre Ruhelage nicht angeregt werden. Mit
Erhöhung der Temperatur beginnen die Atome immer stärker zu schwingen, und die
Wärmekapazität nähert sich nach der Re-
3 Kalorimetrie
146 Wärmelehre
gel von Dulong und Petit dem Grenzwert 3R | 25 J mol-1 K-1. Außerdem beobachtet man eine umso stärkere Zunahme der
Wärmekapazität bei Erhöhung der Temperatur, je größer die Atommasse des homogenen
Festkörpers ist. Eine genauere Beschreibung
der Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität ist nur mit Hilfe der Quantenmechanik möglich, bei der die Quantisierung der
Schwingungszustände berücksichtigt wird.
Damit kann auch begründet werden, warum
der Beitrag der Elektronen zur Wärmekapazität gegenüber dem der Atome vernachlässigbar ist.
3.2.1 Spezifische Wärmekapazität
fester Stoffe
Aufgabenstellung
1. Die mittleren spezifischen Wärmekapazitäten von zwei Metallproben sind für ein vorgegebenes Temperaturintervall oberhalb
Zimmertemperatur zu ermitteln. Die molaren
Wärmekapazitäten sind zu bestimmen und
mit dem Wert nach der Regel von Dulong
und Petit zu vergleichen.
2. Zusätzlich ist eine Messung mit einer auf
die Temperatur des flüssigen Stickstoffs abgekühlten Metallprobe durchzuführen und
die mittlere spezifische Wärmekapazität zu
bestimmen.
Nach Gl. (4) gewinnt man die spezifische
Wärmekapazität c einer Probe, indem ihre
Temperatur ermittelt wird, nachdem die Probe eine Wärmemenge 'Q abgegeben bzw.
aufgenommen hat. Die Wärme wird durch
die Kalorimeterflüssigkeit (spezifische Wärmekapazität cfl) übertragen. In diesem Versuch wird die in Abb. W.3.2.2 dargestellte
Kalorimeteranordnung mit elektrischer Heizung und computergestützter Temperaturmessung verwendet. Die Bestimmung der
Wärmekapazität des Kalorimeters CK erfolgt
hier durch die Zufuhr von Wärmeenergie
mittels einer elektrischen Heizung.
ϑ
V
A
I
PC
U
T
H
M
Abb. W.3.2.2 Messplatz zur Bestimmung spezifischer Wärmekapazitäten, Kalorimeter mit elektrischer Heizung (H), Magnetrührer (M), Temperatursensor (T), rechnergestützte Messwerterfassung
bzw. Digitalthermometer (-) und Schaltung zur
Messung von Spannung und Stromstärke
Bei einer konstanten elektrischen Leistung (Pel = U I ) steigt die Temperatur in einem Zeitintervall 't bei nicht zu großer Erwärmung oberhalb Zimmertemperatur zeitlich linear. Als Energiebilanz ergibt sich
'Q Cges 'T
Pel 't U I 't .
(5)
Die von der Heizung abgegebene Energie
wird in Form von Wärmeenergie vom Kalorimeter und der Kalorimeterflüssigkeit aufgenommen. Die Wärmekapazität Cges ergibt
sich aus der Summe der Wärmekapazitäten
des Kalorimeters CK und der darin enthaltenen Flüssigkeit Cfl. Mittels der Messung von
Stromstärke I und Spannung U sowie durch
die Bestimmung des Anstiegs b = 'T/'t der
zeitabhängigen Temperaturerhöhung kann
die Wärmekapazität Cges mit
Cges
UI
b
(6)
und daraus die Wärmekapazität des Kalorimeters bestimmt werden.
Befindet sich außer der Flüssigkeit auch der
metallische Probekörper (Wärmekapazität, C = m c) im Kalorimeter, setzt sich die
Wärmekapazität Cges additiv aus den drei
3.2 Spezifische Wärmekapazität von Festkörpern und Flüssigkeiten
Anteilen CK, Cfl und C zusammen
Cges CK Cfl C
CK mfl cfl m c . (7)
Zur Bestimmung der Wärmekapazität der auf
die Temperatur -f des flüssigen Stickstoffs
(-f = 196 qC) abgekühlten Metallprobe wird
diese in die Kalorimeterflüssigkeit getaucht.
Die Metallprobe (Masse mf, spezifische
Wärmekapazität cf ) nimmt die Wärmemenge
'Q cf mf -m -f (8)
auf, wobei -m die Temperatur nach dem
Energieaustausch ist. Vom Kalorimeter und
der Flüssigkeit wird diese Wärmemenge 'Q
abgegeben:
'Q
cfl mfl CK -fl -m .
(9)
Der Vergleich von aufgenommener und abgegebener Wärmemenge führt zur Bestimmungsgleichung der spezifischen Wärmekapazität der Metallprobe für den Temperaturbereich zwischen -f und -m:
cf
cfl mfl CK -fl -m mf -m -f .
(10)
In analoger Weise kann auch die mittlere
spezifische Wärmekapazität einer erwärmten
Metallprobe bestimmt werden, sofern keine
Phasenübergänge in dem gewählten Temperaturintervall auftreten. Die veränderten Verhältnisse in Bezug auf den Energieaustausch
zwischen Probekörper und Kalorimeterflüssigkeit führen zur Gl. (11):
cf
cfl mfl CK -m -fl mf -f -m .
(11)
Versuchsausführung
Zu Beginn des Experiments ist die Schaltung
nach Abb. W.3.2.2 (spannungsrichtige Messung, E.1.1) zur Ermittlung der elektrischen
Leistung Pel aufzubauen oder man verwendet
ein Leistungsmessgerät. In das Kalorimeter-
147
gefäß wird bis zu einer vorgegebenen Höhe
die Flüssigkeit mit bekannter spezifischer
Wärmekapazität cfl eingefüllt.
Die Masse mfl der Kalorimeterflüssigkeit
ergibt sich aus der Differenz der Wägungen
des leeren und des mit Flüssigkeit gefüllten
Kalorimeters. Anschließend sind das Rührwerk in Betrieb zu nehmen und das Kalorimetergefäß, in dessen Abdeckung der Temperatur-Messfühler und der Heizwiderstand
gehaltert werden, zu verschließen. Danach
beginnt man mit der Temperaturmessung.
Nach wenigen Minuten (Vorperiode zur
Kontrolle der Anfangsbedingungen) wird die
Heizung eingeschaltet und die Temperaturerhöhung als Funktion der Zeit gemessen.
Wenn die Temperatur auf einen Wert von
etwa 5 K oberhalb Zimmertemperatur gestiegen ist, schaltet man die Heizung aus und
nimmt einige Minuten die Nachperiode auf.
Während der Messung sind die Werte für die
Stromstärke I und die Spannung U zur Berechnung der elektrischen Leistung zu notieren. Mittels graphischer oder rechnerischer
Auswertung (lineare Regression) wird der
Anstieg b='T/'t bestimmt. Unter Anwendung von Gl. (6) werden zuerst die ggf. nicht
bekannte Wärmekapazität des Kalorimeters
und anschließend die gesuchten Wärmekapazitäten der metallischen Probekörper und
nach deren Wägung die spezifischen Wärmekapazitäten bestimmt. Bei allen Messungen sind die Wiederholbedingungen stets
gleich zu wählen, um die insbesondere bei
einfachen kalorimetrischen Experimenten
auftretenden nicht erfassbaren (systematischen) Abweichungen so klein wie möglich
zu halten. Als ergänzende Messung soll einer
der beiden Probekörper auf die Temperatur
des siedenden Wassers (Druckabhängigkeit
der Siedetemperatur im Anhang A.10) erwärmt und anschließend zügig in das mit
destilliertem Wasser gefüllte Kalorimetergefäß überführt werden. Einem TemperaturZeit-Diagramm sind die extrapolierte Anfangs- und Mischungstemperatur zu entneh-
3 Kalorimetrie
148 Wärmelehre
men und mit Gl. (11) kann der Wert der spezifischen Wärmekapazität ermittelt werden.
Es sind die im Versuch erhaltenen Ergebnisse
mit bekannten Werten (Anhang A. 7) zu vergleichen.
Zur Realisierung von Aufgabe 2 wird ein
(gut abgetrockneter) Probekörper solange in
flüssigen Stickstoff getaucht, bis nach anfänglichem starkem Sieden der Stickstoff
gleichmäßig siedet. Danach wird er aus dem
Dewar-Gefäß möglichst schnell in das Kalorimetergefäß überführt und in die Kalorimeterflüssigkeit (Ethanol, spezifische Wärmekapazität im Anhang A.8) eingetaucht. Es ist
ein Temperatur-Zeit-Diagramm aufzunehmen
und mit den extrapolierten Temperaturen -fl
und -m sowie den zuvor ermittelten Massen
der Kalorimeterflüssigkeit und des Probekörpers kann mit Gl. (10) die mittlere spezifische
Wärmekapazität cF bestimmt werden.
3.2.2 Spezifische Wärmekapazität
von Flüssigkeiten
Aufgabenstellung
Die spezifische Wärmekapazität einer Flüssigkeit ist mit einem elektrisch beheizten
Kalorimeter zu bestimmen.
Die Bestimmung der spezifischen Wärmekapazität von Flüssigkeiten kann auf die bisher
behandelten Methoden zurückgeführt werden, wenn die Flüssigkeiten im Bereich der
Versuchstemperatur nur unmerklich verdunsten. Es wird das in Abb. W.3.2.2 dargestellte
Kalorimeter mit elektrischer Heizung für die
Bestimmung der spezifischen Wärmekapazität cfl einer unbekannten Flüssigkeit (Masse mfl) verwendet. Unter Anwendung
von Gl. (6) erhält man die Bestimmungsgleichung für die zu ermittelnde spezifische
Wärmekapazität:
cfl
1 § Pel
·
CK ¸ .
mfl ¨© b
¹
(12)
Versuchsausführung
Das trockene Kalorimeter wird mit der zu
untersuchenden Flüssigkeit bis zu einer vorgegebenen Höhe gefüllt. Die Durchführung
des Experiments und die Ermittlung der Werte für Pel sowie b erfolgt in Analogie zum
Versuch W.3.2.1. Durch Differenzbildung
der Wägungen des leeren und des mit Flüssigkeit gefüllten Kalorimeters erhält man die
Masse der Flüssigkeit. Sofern die Wärmekapazität des Kalorimeters CK nicht bekannt ist,
kann diese mit einer Flüssigkeit bekannter
spezifischer Wärmekapazität mit demselben
Verfahren ermittelt werden.
3.3 Umwandlungswärmen
Allgemein entsprechen die spezifischen
Umwandlungswärmen den je nach der Richtung des Prozesses positiv oder negativ zu
rechnenden Wärmemengen, die bei der Umwandlung der Masseeinheit des Stoffs bei
konstanter Umwandlungstemperatur umgesetzt werden. Die Einheit der spezifischen
Umwandlungswärme qij ist J kg-1, wobei die
Indizes den Phasenübergang klassifizieren.
Insbesondere wird daher beim Schmelzen
von 1 kg Eis eine Wärmemenge vom Betrage
der spezifischen Umwandlungswärme verbraucht, wenn dabei die Temperatur konstant
273,15 K bleibt. Die spezifische Kondensationswärme des Wasserdampfs bei Siedetemperatur wird frei, wenn 1 kg Wasserdampf in
Wasser gleicher Temperatur übergeht.
3.3.1 Spezifische Schmelzwärme
des Eises
Aufgabenstellung
Die spezifische Schmelzwärme des Eises ist
zu bestimmen.
Die spezifische Schmelzwärme q12 eines
Stoffs lässt sich immer dann nach der Mischungsmethode bestimmen, wenn als Kalorimeterflüssigkeit entweder die Schmelze des
149
3.3 Umwandlungswärmen
Versuchsstoffs oder eine Flüssigkeit verwendet wird, in der sich der Versuchsstoff weder
löst noch mit ihr chemisch reagiert. Stets
muss die Temperatur der Flüssigkeit höher
als die Schmelztemperatur des festen Stoffs
sein. Wird eine Masse mf eines festen Stoffs
der Temperatur -f in das Kalorimeter gegeben, erwärmt sie sich auf die Schmelztemperatur -s. Sie bleibt während des Schmelzens
konstant, und erst nachdem der Stoff vollständig geschmolzen ist, steigt sie auf die
Mischungstemperatur -m. Der Übergang vom
Feststoff zur Flüssigkeit geschieht in drei
Stufen, wobei die dabei aufgenommenen
Wärmemengen mit Gl. (1) bestimmt werden
können.
1. Erwärmung des festen Stoffs (spezifische
Wärmekapazität cf ) auf die Schmelztemperatur -s:
Q1
mf cf -s -f .
2. Schmelzen des Feststoffs mit der spezifischen Schmelzwärme q12 bei der Schmelztemperatur -s:
Q2
mf q12 .
3. Erwärmung des geschmolzenen Stoffs
(spezifische Wärmekapazität cs) auf die Mischungstemperatur -m:
Q3
mf cs -m -s .
Die entsprechenden Energieanteile werden
von der Kalorimeterflüssigkeit (Masse mfl,
spezifische Wärmekapazität cfl) und dem
Kalorimeter (Wärmekapazität CK) durch
deren Abkühlung von -fl auf die Mischungstemperatur geliefert:
Q4
cfl mfl CK -fl -m .
Aus der Energiebilanz
Q4
Q1 Q2 Q3
folgt die allgemeine Beziehung für die Be-
stimmung der spezifischen Schmelzwärme
nach dieser Methode:
q12
cfl mfl CK
-fl -m mf
cs -m -s cf -s -f .
(13)
Gl. (13) vereinfacht sich bei der Bestimmung
der spezifischen Schmelzwärme von schmelzendem Eis, da dann wegen -f = -s= 0 auch
Q1 = 0 ist (-m = (-m -s), Einheit K):
q12
cfl mfl CK
-fl -m cs-m .
mf
(14)
Versuchsausführung
Die Zimmertemperatur ist zu messen und das
Kalorimeter wird mit vorgewärmtem Wasser
bis zu einer Füllmarke gefüllt. Die Ausgangstemperatur der Kalorimeterflüssigkeit soll
etwa 5 K oberhalb der Zimmertemperatur
liegen. Zur Temperaturmessung wird ein
Widerstandsthermometer verwendet, das ggf.
noch zu kalibrieren ist. Dazu verwendet man
am einfachsten ‚Eiswasser’ (T0 = 273,15 K)
sowie siedendes Wasser (TS( pL)). Der Luftdruck pL wird mit einem Barometer bestimmt
und der Wert für die betreffende Siedetemperatur kann der Tabelle im Anhang A.10 entnommen werden. Aus Gl. (W.1-6) folgt für
den linearen Temperaturkoeffizienten
E
1 R TS R T0 , ' T TS T0 .
'T
R T0 Mit dem bekannten Wert für E kann die
Temperatur dann indirekt über den elektrischen Widerstand des Temperatursensors
gemessen werden, den man mit einem OhmMeter eines 4,5-stelligen Digitalthermometers hinreichend genau messen kann.
Nach Aufnahme der Vorperiode ist das gut
zerkleinerte und gut abgetrocknete Eis in
kleinen Stücken in das Kalorimeter zu geben
und auf regelmäßiges Durchmischen der
Kalorimeterflüssigkeit zu achten. Dadurch
3 Kalorimetrie
150 Wärmelehre
erreicht man eine stetige Abkühlung. Wenn
die Temperatur der Kalorimeterflüssigkeit
etwa 5 K unterhalb der Zimmertemperatur
liegt, wird die Nachperiode gemessen.
Die Masse des Eises und die Masse des als
Kalorimeterflüssigkeit dienenden Wassers
folgt aus der Differenz dreier Wägungen;
leeres und mit vorgewärmtem Wasser gefülltes Kalorimeter sowie letzteres zusätzlich mit
dem Wasser des geschmolzenen Eises. Die
Temperaturen -fl und -m sind aus dem Temperatur-Zeit-Diagramm wie in W.3.0 beschrieben zu ermitteln.
3.3.2 Spezifische Kondensationswärme des Wassers
Mit der molaren Masse M von Wasser lässt
sich die molare Verdampfungswärme mit
Q32 = M q32 berechnen, und es folgt für die
Änderung der molaren inneren Energie 'U
beim isobaren Verdampfen (konstanter Luftdruck pL) von Wasser bei der Siedetemperatur TS
'U U 3 U 2 | Q32 pL V3 V2 Die Näherung in Gl. (16) ergibt sich aus der
Vernachlässigung des molaren Volumens der
Flüssigkeit gegen das des Dampfs und der
Anwendung der Zustandsgleichung idealer
Gase für den Dampf.
Aufgabenstellung
ϑ
1. Es ist die spezifische Kondensationswärme
des Wasserdampfs bei Siedetemperatur zu
ermitteln.
2. Die Änderung der molaren inneren Energie von Wasser beim Verdampfen soll näherungsweise bestimmt werden.
Zur kalorimetrischen Bestimmung der spezifischen Kondensations- und damit auch der
Verdampfungswärme q32 des Wassers bei der
Siedetemperatur -S kondensiert man eine
bestimmte Menge des Dampfs (Masse mD) in
die Flüssigkeit (Wasser, mittlere spezifische
Wärmekapazität c) des Kalorimeters. Die
Indizes 3 und 2 beziehen sich auf die gasförmige bzw. auf die flüssige Phase. Dabei werden die Wärmemenge q23 mD und bei der
Abkühlung auf die Mischungstemperatur -m
die Energie c mD (-S-m) frei. Diese beiden
Anteile werden von der Kalorimeteranordnung mit der Wärmekapazität CK und dem
darin enthaltenen Wasser (Masse mW, Temperatur -W) aufgenommen. Aus der Energiebilanz folgt
q32
c mW CK
-m -W c -S -m . (15)
mD
(16)
'U | Q32 R TS .
Abb. W.3.3.1 Versuchsaufbau zur Bestimmung
der Kondensationswärme des Wasserdampfs
(schematisch)
Versuchsausführung
Das Wasser im Siedegefäß wird zum Sieden
gebracht und einige Zeit gewartet, damit sich
in der Dampfzuleitung ein Temperaturgleichgewicht einstellt (Abb. W.3.3.1). Der
Kondensatfänger in der Zuleitung soll verhindern, dass im Rohr kondensiertes Wasser
in das Kalorimeter läuft. Das Kalorimeter
wird bis zu einer Füllmarke mit Wasser gefüllt, dass eine Anfangstemperatur von etwa
5 K unterhalb der Zimmertemperatur haben
soll. Bei gleichmäßig siedendem Wasser wird
der Dampfstrahl direkt auf die Oberfläche
des Wassers im Kalorimeter geleitet. Es ist
auf gutes Durchmischen der Kalorimeterflüs-
151
4.0 Grundlagen
sigkeit zu achten. Erreicht die Mischungstemperatur einen Wert, der etwa 5 K oberhalb der Zimmertemperatur liegt, ist das Zuleitungsrohr zu entfernen.
Die Temperatur wird mit einem Widerstandsthermometer gemessen. Es ist ein Temperatur-Zeit-Diagramm aufzunehmen, mit dem
die extrapolierten Temperaturwerte für -w
und -m ermittelt werden können.
Der Tabelle im Anhang A.10 entnimmt man
die Siedetemperatur von Wasser, wobei der
Luftdruck zuvor mit einem Barometer gemessen wird. Die Masse der Kalorimeterflüssigkeit und des kondensierten Dampfs wird
durch entsprechende Wägungen erhalten. Es
ist der Unterschied zwischen dem Wert der
molaren Kondensationswärme und dem der
Änderung der inneren Energie nach Gl. (16)
zu diskutieren.
4 Wärmeleitung in Festkörpern
4.0 Grundlagen
Die Wärmeleitung in Festkörpern hängt von
verschiedenen Transportmechanismen ab. Im
Wesentlichen erfolgt die Ausbreitung von
Wärmeenergie in Form von Schwingungsenergie über gekoppelte Gitterschwingungen
zwischen benachbarten Atomen und in Form
von kinetischer Energie über Stöße zwischen
den Leitungselektronen. In reinen Metallen
überwiegt der Beitrag der Elektronen zur
Wärmeleitung. Nach dem WiedemannFranz’schen Gesetz existiert ein proportionaler Zusammenhang zwischen der elektrischen
(V) und der thermischen (O) Leitfähigkeit bei
nicht zu tiefen Temperaturen entsprechend
O
VT
const .
(1)
Die Ursache für den Transport von Wärmeenergie ist das Auftreten eines im Allgemeinen zeitlich und räumlich veränderlichen
Temperaturfelds T ( r , t ) T ( x, y, z , t ) , in dem
die Wärme stets längs eines Temperaturgefälles in Richtung von höheren zu tieferen Temperaturen strömt. Die in der Zeit dt durch
eine Fläche A fließende Wärmemenge dQ
bestimmt den Wärmestrom
)th d Q / d t .
Das Verhältnis aus dem Wärmestrom und der
von ihm durchströmten Fläche definiert man
als Wärmestromdichte qth, die proportional
zum Temperaturgefälle ist und senkrecht auf
dieser Fläche steht. Daraus resultiert der vektorielle Charakter der Wärmestromdichte.
Mit der Wärmeleitfähigkeit O, deren Wert
von der Temperatur abhängt, erhält man die
aus der Erfahrung abgeleitete Wärmeleitungsgleichung:
qth
O
dT r dr
.
(2)
Das negative Vorzeichen in Gl. (2) berücksichtigt die Richtung des Wärmestroms von
höheren zu tieferen Temperaturen, d. h., der
Temperaturgradient dT(r)/dr ist negativ. Die
Wärmeleitfähigkeit, die eine materialabhängige Größe ist, hängt für kleine Temperaturintervalle bei nicht zu tiefen Temperaturen
nur in geringem Maße von der Temperatur
ab.
z
y
x
dT(x)
dx
ΔA
dT(x + Δx)
dx
qth,2
qth,1
Δx
Abb. W.4.0.1 Zur Differentialgleichung der Wärmeleitung
In Abb. W.4.0.1 ist das vereinfachte Beispiel
4 Wärmeleitung in Festkörpern
152 Wärmelehre
eindimensionaler Wärmeleitung gezeigt, bei
der ein Wärmestrom )th in x-Richtung durch
die Fläche 'A eines Volumenelements 'V
der Dicke 'x eines Festkörpers fließt. Das
Temperaturgefälle auf der einen Seite des
Volumenelements beträgt dT/dx und auf der
Gegenseite
d T x 'x d T d 2T
'x .
d x d x2
dx
Die Differenz zwischen der in das Volumenelement hinein- bzw. herausströmenden
Wärme ermittelt man über die Differenz der
Beträge der Wärmestromdichten zu
O
qth,1 qth,2
d 2T
'x .
d x2
(3)
Mit der Definition für den Wärmestrom erhält man
)th
q
th,1
qth,2 ' A O 'V
2
dT
. (4)
d x2
Andererseits ergibt sich aus der in der Zeit dt
aus dem Volumenelement 'V abfließenden
Wärme dQ ein Wärmestrom
)th,a dQ
dT
mc
dT
dt
U 'V c
dT
. (5)
dt
Aus der Kombination der Gln. (4) und (5)
folgt die Differentialgleichung der Wärmeleitung (eindimensional):
dT
dt
O dT
U c d x2
2
2
aT
dT
.
d x2
(6)
Hierbei sind c die spezifische Wärmekapazität und U die Dichte des homogenen isotropen Materials, wobei die Größe aT mit
aT
O
Uc
(7)
als Temperaturleitfähigkeit bezeichnet wird.
Sie ist eine Kenngröße für die Beschreibung
der zeitlichen Änderung der Temperatur infolge des Temperaturausgleichs zwischen
Orten unterschiedlicher Temperatur.
Für dreidimensionale Betrachtungen ergibt
sich die allgemeine Wärmeleitungsgleichung
als partielle Differentialgleichung der vier
Variablen x, y, z, t. Ihre Lösung hängt entscheidend von den durch die Aufgabenstellung vorgegebenen Anfangs- und Randbedingungen ab. Bei vielen praktischen Anwendungen realisiert man ein zeitlich konstantes Temperaturfeld T(r), in dem eine
stationäre Wärmeübertragung vorliegt und
nur noch die Randbedingungen von Bedeutung sind. Im Anhang A.15 sind einige einfache Beispiele für die stationäre Wärmeleitung
in isotropen homogenen Festkörpern unterschiedlicher geometrischer Form angeführt.
4.1 Wärmeleitfähigkeit
Aufgabenstellung
1. Die Wärmeleitfähigkeit in einem Metallzylinder ist mit einem relativen Messverfahren
zu bestimmen.
2. Es ist die Temperaturverteilung in einem
konisch geformten Metallkörper zu messen
und zu diskutieren.
3. Mit einem Zweiplatten-Messverfahren
sind die Wärmeleitfähigkeit eines nichtmetallischen Stoffs und der Wärmedurchgangskoeffizient zu bestimmen.
Zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit von
Metallen in Aufgabe 1 werden zwei zylindrische Metallstäbe (Abb. W.4.1.1) gleichen
Querschnitts A aus unterschiedlichem Material mit den Wärmeleitfähigkeiten O1 und O2
fest miteinander verschraubt, so dass ein sehr
guter Wärmekontakt entsteht (Wärmeübergangskoeffizient vernachlässigbar klein).
Damit sich der Temperaturgradient nur längs
der Stabachsen ausbildet, sind die Mantelflächen der Stäbe wärmeisoliert. Beide Zylinder
werden im stationären Zustand vom gleichen
153
4.1 Wärmeleitfähigkeit
Wärmestrom )th (Anhang A.15-b) durchflossen und es gilt in guter Näherung
)th
§ dT ·
O1 A ¨
¸
© dz ¹1
§ dT ·
O2 A ¨
¸ .
© dz ¹2
(8)
Als Wärmequelle dient eine elektrische Heizung (H), die am Ende des oberen Stabs befestigt ist, während das Ende des unteren
Stabs gekühlt wird und die Wärmesenke
bildet.
T2 (oben) bzw. T1 (unten). Zur Herleitung der
Temperaturverteilung T(x) längs der Achse
des Kegelstumpfs (Koordinate x) betrachtet
man den Wärmestrom
)th
O Ax
(9)
ʌ Rx2 erhält man
und mit Ax
dT ( x) dT ( x)
dx
)th d x
O Ax
)th d x
.
ʌ O Rx2
(10)
Rx beschreibt den in Abhängigkeit von x
veränderlichen Radius der Fläche Ax.
H
x=l
T(x)=T2
⎛ dT ⎞
⎜
⎟
⎝ dz ⎠ 2
Interface
⎛ dT ⎞
⎜
⎟
⎝ dz ⎠1
Rx=R2
x
T(x)
Rx
PC
Ax
l
x
Φth
x=0
T(x)=T1
Rx=R1
Abb. W.4.1.1 Versuchsaufbau zur Bestimmung
der Wärmeleitfähigkeit von Metallen mit einem
Vergleichsverfahren (schematisch)
Zur Messung der Temperaturverteilung längs
der Achse eines Kegelstumpfs aus Metall
(Abb. W.4.1.2) wird eine Messanordnung
analog zu der in Aufgabe 1 beschriebenen
verwendet. Die obere Fläche (Radius R2)
wird beheizt und die untere Fläche (Radius R1) gekühlt. Die Mantelfläche des konisch
geformten Versuchskörpers ist thermisch
isoliert. Nach einer ausreichend langen Wartezeit stellt sich bei konstanter Heizleistung
ein stationärer Wärmestrom in Richtung der
Wärmesenke ein und die Temperaturen an
den Endflächen des Kegelstumpfs betragen
Abb. W.4.1.2 Zur Messung der Temperaturverteilung an einem Kegelstumpf
Unter Verwendung der Verhältnisgleichung
Rx R1
x
R2 R1
l
(11)
kann dx durch d x (l / R2 R1 ) d Rx substituiert werden und nach der Integration in den
Grenzen T1 und T(x) bzw. R1 und Rx folgt
T ( x) T1
§ 1
)th
l
1 ·
¨ ¸ . (12)
ʌ O R2 R1 © R1 Rx ¹
Um die unbekannte Größe [)th /(S O)] in
4 Wärmeleitung in Festkörpern
154 Wärmelehre
Gl. (12) zu erhalten, wird diese mit den Randbedingungen für x = l, (T(x = l) = T2,
Rx = l = R2) berechnet:
)th
ʌO
(T2 T1 )
R1 R2
.
l
(13)
Setzt man Gl. (13) in Gl. (12) ein und berücksichtigt Gl. (11), ergibt sich für die Temperaturverteilung
T ( x) T1
(T2 T1 )
R2 ( x / l )
.(14)
( R2 R1 )( x / l ) R1
Die in Abb. W.4.1.3 dargestellten Graphen
zeigen den starken Einfluss der unterschiedlich großen Radien der Endflächen des Kegelstumpfs auf die Temperaturverteilung.
Tx-T1 1,0
T2-T1
(d)
0,8
(c)
0,6
(b)
0,4
(a)
0,2
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
(x/L)
Abb. W.4.1.3 Zur Temperaturverteilung in einem
Kegelstumpf nach Gl. (14) für verschiedene Verhältnisse R1/R2 : 1,0 (a), 0,75 (b); 0,5 (c); 0,25 (d)
Versuchsausführung
Bei Aufgabe 1 ist die am Arbeitsplatz angegebene elektrische Heizleistung Pel , die mit
einem Watt-Meter gemessen wird, mittels
eines Labornetzgeräts einzuregeln. Nach
einer hinreichend langen Wartezeit bildet
sich ein stationäres Temperaturgefälle längs
der Stabachsen der thermisch in Reihe geschalteten Metallstäbe aus. Um den Wärmeübergang zwischen den Messfühlern und den
Messstellen an den Stäben zu verbessern,
sind diese zusätzlich mit einer Wärmeleitpas-
te präpariert. Die Messung der Temperaturverteilung in den beiden Metallstäben erfolgt
durch mehrere in festen Abständen angebrachte Messfühler mit einem mehrkanaligen
Digitalthermometer oder mit einem rechnergestützten Messwerterfassungssystem. Im
letzteren Fall geschieht die Messdatenerfassung ebenfalls mehrkanalig sowie einem
Messmodul zur Signalaufbereitung. Die Signalspannungen werden anschließend über
eine geeignete Interface-Schaltung in digitalisierter Form in einem Rechner gespeichert,
mittels der zur Verfügung stehenden Software ausgewertet und als Temperaturwerte
ausgegeben. Zur Ermittlung der Temperaturgradienten in den Stäben werden die gemessenen Temperaturen T(zi) in Abhängigkeit
von der Messstelle zi graphisch dargestellt
und man ermittelt aus den entsprechenden
Anstiegen die zugehörigen Temperaturgradienten (dT/dz)1 und (dT/dz)2. Mit der Kenntnis der Wärmeleitfähigkeit von einem der
beiden Stäbe ist die Bestimmung der unbekannten Wärmeleitfähigkeit nach Gl. (8)
möglich.
Die in Aufgabe 2 zu untersuchende Temperaturverteilung des Kegelstumpfs bekannter
Länge wird analog zur Aufgabe 1 nach Einstellung des thermischen Gleichgewichts an
acht verschiedenen Messstellen erfasst. Die
Temperaturen sind in ein T(x)-Diagramm
einzuzeichnen, in dem auch der mit Gl. (14)
berechnete Temperaturverlauf graphisch
dargestellt wird. Die dazu erforderlichen
Radien R1 und R2 werden am Arbeitsplatz
mitgeteilt, die Temperaturen T1 und T2 können an den entsprechenden Digitalthermometern abgelesen werden. Unterschiede zwischen den gemessenen und den berechneten
Werten, die größer als die jeweiligen Messunsicherheiten sind, sollen diskutiert werden.
In Aufgabe 3 wird die Wärmeleitfähigkeit
eines schlecht wärmeleitenden Materials
ermittelt. Für die Untersuchung der Wärmeleitung in solchen Stoffen, deren Wärmeleitfähigkeit viel kleiner als die von Metallen ist,
155
4.1 Wärmeleitfähigkeit
wird häufig eine relative Messmethode verwendet, bei der zwei nicht zu dicke Platten
(Wandproben) aus verschiedenen Materialien
übereinander gelegt werden, wobei die Wärmeleitfähigkeit eines Materials bekannt ist.
Um einen guten Wärmeübergang zwischen
den beiden Platten zu erreichen und um die
Temperatur zwischen den Wandproben und
an deren Oberflächen messen zu können,
werden dünne Metallplatten einschließlich
Wärmeleitpaste (Kontaktschichten) angebracht. Diese vorpräparierte Plattenanordnung wird in eine Wärmemesskammer
(Abb. W.4.1.4) eingesetzt, deren Gehäuse aus
thermisch isolierendem Material mit quadratischer Öffnung besteht, so dass Wärmeverluste über die Seitenwände der Platten vernachlässigbar sind.
2
b
T1 : Wandtemperatur der unteren Platte,
T2 : Temperatur zwischen den Platten,
T3 : Wandtemperatur der oberen Platte,
Tk : Temperatur oberhalb der Wandproben.
Zur Bestimmung der unbekannten Wärmeleitfähigkeit (Oa) sind die Temperaturen T1, T2
und T3 zu messen. Mit Gl. (2) folgt unter der
Bedingung, dass der Wärmestrom durch die
beiden Platten die gleiche Stärke hat,
3
a
von kleinen Kanälen in der Gehäusewand
ermöglicht. Oberhalb der oberen Platte kann
eine gekühlte Fläche als Wärmesenke angebracht werden, um einen ausreichend großen
und stabilen Wärmestrom zu erzeugen.
Nach einer hinreichend langen Einlaufzeit
bei einer vorgegebenen Heizleistung wird
sich ein stationärer Wärmestrom einstellen
und an den fünf installierten Messstellen
kann die jeweilige Temperatur abgelesen
werden:
Tw : Temperatur unterhalb der Wandproben,
1
Tk T3 T2 T1 Tw
ϑ ϑ ϑ ϑ ϑ
H
UH
Abb. W.4.1.4 Zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit mit einer Wärmemesskammer, oben:
Messplatten mit bekannter (b) und unbekannter
(a) Wärmeleitfähigkeit mit Kontaktschichten (1, 2
und 3), unten: Wärmemesskammer (Heizung H)
Im unteren Bereich der Messkammer unterhalb der Wandproben befindet sich eine
elektrische Heizung (H), mit der ein konstanter Wärmestrom eingeregelt werden kann.
Die Befestigung von mehreren Messfühlern
zur Temperaturmessung im Inneren der
Wärmemesskammer wird durch eine Reihe
Ob Ab
(T2 T1 )
db
Oa Aa
(T3 T2 )
.
da
(15)
Bei gleichgroßen Plattenflächen und -dicken
erhält man die Bestimmungsgleichung für die
zu bestimmende Wärmeleitfähigkeit:
Oa
§ T2 T1 ·
¸ .
© T3 T2 ¹
Ob ¨
(15a)
Der Wärmedurchgangskoeffizient k ist eine
spezifische Kennzahl für den Wärmedurchgang durch ein- oder mehrschichtige Wände,
die sowohl von der Wärmeleitung als auch
vom Wärmeübergang bestimmt wird. Im
vorliegenden Fall von zwei Platten bekannter
Dicke sind die folgenden Anteile unter Vernachlässigung des Wärmeübergangs zwischen den beiden Platten zu unterscheiden
(Abb. W.4.1.5):
1. Wärmeübergang zwischen erwärmter
Luftschicht (Temperatur Tw) und der unteren
4 Wärmeleitung in Festkörpern
156 Wärmelehre
Fläche der Platte b:
)th
D w,1 A (T1 Tw ) .
(16)
2. Wärmeleitung in der Platte b (Wärmeleitfähigkeit Ob):
)th
Ob A
(T2 T1 )
.
db
(17)
3. Wärmeleitung in der Platte a (Wärmeleitfähigkeit Oa):
)th
Oa A
(T3 T2 )
.
da
(18)
4. Wärmeübergang zwischen der oberen Fläche der Platte b und der darüber liegenden
Luftschicht (Temperatur Tk):
)th
D3,k A (T3 Tk ) .
(19)
Die Addition der Gln. (16) bis (19) und Umstellung nach dem Wärmestrom ergibt
)th
k A (Tw Tk )
§ 1
d
d
1
a b
¨¨
D
O
O
D
a
b
3,k
© w,1
αw,1
T2
Tw
(20)
mit dem Wärmedurchgangskoeffizienten k:
k
ständen der gesamte Wärmedurchgangswiderstand durch die Addition der Einzelwiderstände ermittelt werden. Mit den gemessenen
Temperaturen Tw und Tk, der bekannten Plattenfläche sowie der mit einem Watt-Meter
bestimmbaren Größe des Wärmestroms
()th = dQ / dt = Pel) wird der Wert des Wämedurchgangskoeffizienten nach Gl. (20)
ermittelt. Dieser Wert soll mit dem nach
Gl. (21) berechenbaren Wert verglichen werden. Die neben den bekannte Plattendicken da
und db dazu erforderlichen Werte der Wärmeübergangskoeffizienten Dw,1 und D3,k können unter Verwendung der Gln. (16) und (19)
bestimmt werden. Die Messungen sollen bei
mindestens zwei größeren Wärmeströmen
(höheren Heizleistungen) wiederholt werden,
wobei deren Konstanz mit einer elektronischen Temperaturregelung kontrolliert wird.
·
¸¸
¹
1
.
(21)
Der reziproke Wert des Wärmedurchgangskoeffizienten wird auch als Wärmedurchgangswiderstand Rth bezeichnet. Fließt nur
ein konstanter Wärmestrom durch unterschiedliche Wärmeleiter, kann in Analogie
zur Reihenschaltung von elektrischen Wider-
da
λa
T1
db
λb
T3
α3,k
Tk
Abb. W.4.1.5 Schema zum Wärmedurchgang
durch zwei ebene Platten (Bezeichnungen siehe
Text)
157
Elektrizitätslehre
1 Widerstände und
Stromquellen
G
1.0 Grundlagen
1.0.1 Elektrischer Widerstand
Dem Ladungstransport durch ein leitendes
Medium wird je nach Material und Ausführungsform ein unterschiedlicher Widerstand
entgegengesetzt. In Metallen wird die Ladung durch Elektronen übertragen, während
in Elektrolyten und in gasförmigen Leitern
(Plasmen) sowohl negative als auch positive
Ladungsträger auftreten können.
Zur Charakterisierung des elektrischen Widerstands von Stoffen wird der Quotient aus
Spannung U und Stromstärke I gebildet, den
man als elektrischen Widerstand R (Resistanz) definiert:
R=
U
.
I
(1)
Bei konstanter Temperatur ist der Widerstand
nicht von U bzw. I abhängig und Gl. (1)
beschreibt dann das Ohm’sche Gesetz. Die
Einheit von R ist Ohm (: = V/A). Durch die
Entdeckung des Quanten-Hall-Effekts (Klaus
von Klitzing) kann die Einheit des elektrischen Widerstands unabhängig von der Geometrie und den physikalischen Eigenschaften verschiedener Materialien allein durch
die Naturkonstanten h und e mit RK = h / e2
mit hoher Genauigkeit beschrieben werden
(Klitzing-Konstante, RK = 25812,807 :).
Anstelle des elektrischen Widerstands kann
auch dessen Kehrwert G eingeführt werden,
der elektrischer Leitwert (Konduktanz, Einheit Siemens, S = :-1 = V/A) genannt wird:
I
.
U
(2)
Der Zusammenhang zwischen Spannung und
Stromstärke bei konstanter Temperatur des
Leiters lässt sich je nach Material und Art des
Leiters durch eine lineare oder auch nichtlineare Funktion beschreiben. Kann die StromSpannungs-Kennlinie als Gerade dargestellt
werden, d. h., der Wert des Widerstands ist
konstant, bezeichnet man den Widerstand als
linearen oder ohmschen Widerstand. Bei
einem homogenen zylindrischen Leiter (Länge l, Querschnitt A) ergibt sich sein Widerstand zu
R
U
l
,
A
(3)
wobei U der spezifische elektrische Widerstand (Resistivität, Einheit : m) und sein
Kehrwert die elektrische Leitfähigkeit (Konduktivtät V = 1/U ) sind. Für den Leitwert
(Konduktanz) gilt dann
G V
A
.
l
(4)
Bei guten elektrischen Leitern liegt der spezifische Widerstand in der Größenordnung
von 10-8 : m, während für Isolatoren die
Werte für die Resistivität größer als 1012 : m
sind. Spezifischer Widerstand und demzufolge elektrischer Widerstand hängen von der
Temperatur ab. Bei nicht zu tiefen Temperaturen kann in vielen Fällen die Temperaturabhängigkeit metallischer Widerstände durch
ein Polynom zweiten Grads beschrieben
werden:
R(T ) = R0 (1 E 'T J 'T 2 ) .
(5)
Die Temperaturdifferenz ist 'T=TT0, und E
W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum,
DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
158 Elektrizitätslehre
1 Widerstände und Stromquellen
(Einheit K-1) sowie J (Einheit K-2) sind die
Temperaturkoeffizienten des Materials. R(T)
und R0 sind die Widerstände bei der Temperatur T bzw. bei T0 = 273,15 K. Für einen
begrenzten Temperaturbereich kann Gl. (5)
oft mit hinreichender Genauigkeit durch
einen linearen Zusammenhang beschrieben
werden:
R (T ) = R0 (1 E 'T ) .
(6)
Unter der Voraussetzung einer linearen Temperaturabhängigkeit R(T ) im Bereich zwischen den Temperaturen T1 und T2 (T2 > T1)
ist mit den zugehörigen Widerständen R1 und
R2 die Berechnung des linearen Temperaturkoeffizienten in Bezug auf das gewählte
Temperaturintervall möglich:
E=
R2 R1
.
R1 (T2 T0 ) R2 (T1 T0 )
(7)
Die Vergrößerung des Widerstands mit zunehmender Temperatur bei Metallen ist auf
die Vergrößerung der Schwingungsamplitude
der Ionen im Metallgitter und die damit verbundene stärkere Behinderung der Ladungsträgerbewegung zurückzuführen.
Der Widerstand in Metallen lässt sich mit
einem vereinfachten Modell für die Elektronenleitung durch das klassische mikroskopische Modell von H. A. Lorentz und P. Drude
begründen. Es liefert eine Gleichung, mit der
der Zusammenhang zwischen der Leitfähigkeit in Metallen in Abhängigkeit von deren
Eigenschaften beschrieben wird1. Nach der
Drude-Lorentz-Theorie bilden die freien Leitungselektronen in einem Metall ein „Elekt1
Die klassische Behandlung der Elektronen als
freies „Elektronengas“ nach der Drude-LorentzTheorie beschreibt die Temperaturabhängigkeit
des elektrischen Widerstands nicht für alle Temperaturen. Erst das auf der Quantentheorie basierende Modell von Bardeen, Cooper und Schrieffer
(BCS-Theorie) erklärt auch die Abnahme des
elektrischen Widerstands bei tiefen Temperaturen
auf null (Supraleitung).
ronengas“, in dem sie analog der Bewegung
von Teilchen in einem idealen Gas ungeordnete thermische Bewegungen ausführen. Legt
man an die Enden eines Metallstabs
(Abb. E.1.0.1) eine elektrische Spannung U,
werden die Elektronen durch die Feldkraft
FE = e E beschleunigt. Bei den Zusammenstößen mit den Gitterionen wird kinetische Energie der beschleunigten Elektronen
in Schwingungsenergie des Gitters umgewandelt. Die Leitungselektronen erhalten
dabei im Mittel eine konstante (mittlere)
Driftgeschwindigkeit v in Richtung der elektrischen Feldstärke E. Die mittlere Driftgeschwindigkeit kann analog zur laminaren
Flüssigkeitsströmung (M.6.0.2) auf das
Gleichgewicht zwischen der elektrischen
Feldkraft FE und einer geschwindigkeitsproportionalen Reibungskraft FR = r v mit r als
Reibungskoeffizient zurückgeführt werden.
Mit FR FE ergibt sich
e
v= E= P E .
r
(8)
Die Größe — beschreibt die Beweglichkeit
der Ladungsträger.
l
E
I
FE = -eE
v
A
-e
Δx
FR= -rv
U
Abb. E.1.0.1 Zur Elektronentheorie der elektrischen Leitung nach P. Drude und H. A. Lorentz
Die Stärke des Ladungsträgerstroms wird
mikroskopisch durch die Größe der Stromdichte j(r) beschrieben. Sie ist ein Vektor, der
nur einen Punkt des Leiters, nicht aber den
Leiter als Ganzes charakterisiert. Wenn auf
einer Querschnittsfläche A durch einen Leiter
1.0 Grundlagen
159
überall die gleiche Stromstärke auftritt
(Abb. E.1.0.1), ist der Betrag der Stromdichte
in allen Punkten von A
j=
I
A
bzw. I = j A .
(9)
Gl. (9) stellt nur einen Sonderfall dar, bei
dem der Flächennormalen- (dA) und der
Stromdichtevektor ( j ) parallel sind. Im allgemeinen Fall ergibt sich I aus dem Flächenintegral über das Skalarprodukt j dA, wobei
die Fläche A nicht eben sein muss.
Die Driftgeschwindigkeit v der Elektronen
kann aus der Stromdichte j bestimmt werden.
In Abb. E.1.0.1 bewegen sich die Elektronen
mit v = const nach links. Die Zahl der Ladungsträger ist durch n 'V gegeben, wobei
'V = A 'x das Volumenelement des Leiterstücks und n die Elektronendichte (n = N/'V,
N Anzahl freier Elektronen im Volumenelement 'V) sind. Durch die Fläche A fließt in
einer Zeit 't = 'x/v eine Ladung vom Betrag
'Q n e A 'x . Mit I = 'Q/'t folgt für die
Stromstärke
I =n e vA .
(10)
Mit den Gln. (8) bis (10) und E = U/l erhält
man
j
n e v= n e P E = n e P U /l .
(11)
Aus Gl. (11) folgt u. a. das Ohm’sche Gesetz
für V = const in der Darstellung
j =V E ,
(12)
ohne den im Allgemeinen vektoriellen Charakter der Feldstärke und der Stromdichte zu
betrachten. Für die Leitfähigkeit ergibt sich
V = ne P .
(13)
sich sowohl auf die Elektronen als auch auf
die wie positive Ladungen wirkenden Elektronenlücken (Löcher, Defektelektronen)
beziehen. Die Temperaturabhängigkeit des
elektrischen Widerstands von Halbleitern
kann in vielen Fällen in einem begrenzten
Temperaturbereich durch eine Exponentialfunktion der Form
§b·
RT = R* exp ¨ ¸
©T ¹
charakterisiert werden. Hierbei sind T die
absolute Temperatur und b eine Materialkonstante. Der Faktor R* hat die Dimension eines
Widerstands und hängt sowohl von der Geometrie des Halbleiters als auch über die Beweglichkeit und Dichte der Ladungsträger in
geringem Maße von der Temperatur ab. Die
Größe von b enthält die Aktivierungsenergie
EA (b = EA/k, k Boltzmann-Konstante). Sie ist
ein Maß für die Energie, die einem Halbleitermaterial zugeführt werden muss, damit
seine Ladungsträger am Leitungsmechanismus teilnehmen können. Die Gln. (5) bzw.
(6) und (14) gelten auch, wenn man die Widerstände R durch die entsprechenden spezifischen Widerstände U ersetzt.
Das Verhalten der elektrischen Spannungen
in einem geschlossenen Stromkreis und der
elektrischen Ströme in einem verzweigten
Stromkreis beschreiben die KirchhoffRegeln.
1. Kirchhoff-Regel (Knotenregel)
Bei einer Parallelschaltung von Einzelwiderständen R1, R2, ... , Rn (Abb. E.1.0.2a) müssen
nach dem Gesetz der Ladungserhaltung alle
zu einem Stromknoten fließenden Ströme
gleich der Summe der abfließenden Ströme
sein. Es gilt
n
Bei Halbleitern wird der im gleichen Sinne
wie bei den Metallen wirkende Einfluss der
Temperatur auf die Beweglichkeit durch eine
mit der Temperatur steigende Ladungsträgerkonzentration überkompensiert. Diese kann
(14)
¦I
i
0 .
(15)
i 1
Hierbei werden die zum Knoten fließenden
Ströme positiv und die abfließenden Ströme
negativ eingesetzt. Unabhängig von der Art
160 Elektrizitätslehre
1 Widerstände und Stromquellen
der Ladungsträger ist die Stromrichtung nach
der DIN 5489 durch die Bewegungsrichtung
der positiven Ladungsträger festgelegt und
wird durch entsprechende Pfeile in den elektrischen Schaltungen angegeben.
Nach den Empfehlungen der DIN 5489 werden für Quellenspannungen die Bezugspfeile
von Plus nach Minus und für die Spannungsabfälle über Widerständen in Richtung des
Stroms festgelegt.
R1
a)
I1
R2
U2
I2
I3
I
R2
I2
R3
Rn
In
U1
I
U3
R1
U
I1
Uq,2
R4
Uq,1
U
b)
I
U4
R1
R2
Rn
U1
U2
Un
Abb. E.1.0.3 Kirchhoff’sche Maschenregel
Abb. E.1.0.2 a) Parallel- und b) Reihenschaltung
von Widerständen
Damit kann die Maschenregel auch wie folgt
formuliert werden: Die Summe aller Spannungen eines Stromkreises ist null:
l
¦U
Nach Abb. E.1.0.2a ergibt sich
I1 I 2 ... I n
I
U U
U
... Rn
R1 R2
U
R
(16)
In einer Parallelschaltung addieren sich die
Leitwerte der Einzelwiderstände und der
Gesamtwiderstand ist kleiner als der kleinste
Teilwiderstand.
2. Kirchhoff-Regel (Maschenregel)
Betrachtet man die Spannungsverhältnisse in
einem geschlossenen Stromkreis (Masche)
eines beliebigen Netzwerks, ist die Summe
aller Quellenspannungen Uq,i gleich der
Summe aller Spannungsabfälle an den Elementen des Netzwerks
k
n
¦U q,i = ¦ I j R j .
i 1
j 1
i
=0 .
(18)
i 1
Für das Beispiel in Abb. E.1.0.3 gilt:
U q,2 U q,1 I 2 R2 I1 R1 I 4 R4 I 3 R3 0 .
und man erhält
1 1
1
1
.
= + + ...+
R R1 R2
Rn
I4
(17)
Für die Reihenschaltung (Abb. E.1.0.2b) von
Widerständen folgt daraus die Addition der
Einzelwiderstände zum Gesamtwiderstand R:
R = R1 R2 ... R n .
(19)
Ein häufig vorkommender Fall ist die Reihenschaltung aus zwei Widerständen R1 und
R2, an der die Spannung U anliegt. Aus den
jeweiligen Spannungsabfällen ergibt sich die
Verhältnisgleichung U1/U2 = R1/R2. Daraus
folgt mit U = U1 + U2 die wichtige Gleichung
einer Spannungsteiler- oder Potentiometerschaltung für den unbelasteten Fall:
U1 = U
R1
.
R1 R2
(20)
1.0 Grundlagen
161
nung U von der Stromstärke I folgt
1.0.2 Reale Spannungsquelle
Das Grundprinzip einer Spannungs- oder
Stromquelle beruht auf einer Trennung von
positiven und negativen Ladungen. Dadurch
entsteht zwischen ihren Polen eine eingeprägte Spannung, die bereits bei der Maschenregel eingeführte Quellenspannung.
Im Falle einer unbelasteten Quelle fließt kein
Strom (Leerlauf) und die an den Anschlussklemmen anliegende Leerlaufspannung wird
auch als Ur- oder Quellenspannung U0 oder
Uq bezeichnet. Sie bewirkt den Transport der
Ladungsträger in einem geschlossenen Leiterkreis. Bei realen Spannungsquellen ist die
Spannung, die an den Klemmen der belasteten Quelle gemessen wird, die Klemmspannung U. Die Unterschiede zwischen U0 und
U werden durch den Spannungsabfall Ui am
Innenwiderstand Ri der Quelle verursacht.
U0
Ri
Ui
U
U 0 Ri I .
(21a)
Die Klemm- und die Urspannung bei einer
unbelasteten Quelle ( I 0, RL o f) stimmen
überein. Der Wert von U0 ist bei offenen
Spannungsquellen, d. h. wenn kein Verbraucher angeschlossen ist, gleich der Leerlaufspannung. Im Falle des Kurzschlusses
( RL o 0, U 0) fließt der maximal mögliche
Strom (Kurzschlussstrom IK = U0 /Ri). Die
vom Widerstand RL (0 < RL < f) aufgenommene Leistung beträgt
2
P =U I
I 2 RL
§ U0 ·
¨
¸ RL .
© RL Ri ¹
Da die Urspannung und der Innenwiderstand
der Quelle vorgegeben und nahezu konstant
sind, hängt die an den Lastwiderstand RL
abgegebene Leistung nur von seiner Größe
ab. Die Leistung ist maximal, wenn die Bedingung dP/dRL = 0 erfüllt wird. Daraus
ergibt sich folgende Bedingung:
(23)
RL = R i .
V
I
U
RL
A
Abb. E.1.0.4 Ersatzschaltung einer realen Spannungsquelle mit Lastwiderstand RL
Die Ersatzschaltung für eine reale Spannungsquelle ist in Abb. E.1.0.4 dargestellt. Es
gilt nach der 2. Kirchhoff-Regel, wenn der
Strom I das Innere der Quelle und den Lastwiderstand RL im äußeren Kreis gleichermaßen durchfließt,
U0
U Ui
U I Ri
I ( RL Ri ) , (21)
bzw. für die Abhängigkeit der Klemmspan-
(22)
Diesen Fall nennt man Leistungsanpassung
und die zweite Ableitung (d2P /dRL2) als
hinreichendes Kriterium für ein Maximum ist
negativ. Mit Gl. (23) erhält man für die vom
Widerstand RL maximal aufgenommene
Leistung aus Gl. (22):
Pmax =
U 02
.
4Ri
(24)
Der Wirkungsgrad K einer Gleichstromanordnung ist als Verhältnis der Nutzleistung P
zu der von der Quelle insgesamt aufgebrachten Leistung Pges definiert. Mit den Gln. (21)
und (22) ergibt sich unter der Voraussetzung,
dass die Urspannung bei allen Belastungen
der Quelle konstant bleibt:
K
P
Pges
UI
U0 I
RL I 2
.
( RL Ri ) I 2
(25)
162 Elektrizitätslehre
1 Widerstände und Stromquellen
Für RL = Ri folgt K = 0,5, damit ist der Wirkungsgrad im Anpassungsfall 50 %. Für
Lastwiderstände größer als der Innenwiderstand wird der Wirkungsgrad höher als 50 %,
aber die von der Quelle zur Verfügung gestellte Leistung nimmt ab.
1.1 Widerstandsbestimmung
durch Strom- und Spannungsmessung
de Widerstand ist R und RA bzw. RV stellen
die Innenwiderstände des Amperemeters (A)
bzw. des Voltmeters (V) dar. Bei der Schaltung in Abb. E.1.1.1a, mit der die Spannung
korrekt ermittelt wird, misst man mit dem
Strommessgerät auch den durch das Voltmeter fließenden Teilstrom IV.
a)
U
I
Aufgabenstellung
R
1. Aus der Messung von Stromstärke und
Spannung soll sowohl unter Verwendung
einer strom- als auch einer spannungsrichtigen Messung der elektrische Widerstand von
Widerständen verschiedener Größenordnungen bestimmt werden.
2. Es ist für verschiedene Widerstände (Metall-, NTC-, und VDR-Widerstand) die Spannungs- Strom-Kennlinie aufzunehmen sowie
die Änderung des statischen und des differentiellen Widerstands für ausgewählte Arbeitspunkte zu diskutieren.
Zu den bekanntesten nichtlinearen Widerständen gehören die PTC- (Positive Temperature Coefficient), die NTC- (Negative
Temperature Coefficient) und die VDRWiderstände (Voltage Dependent Resistor).
Der Widerstand an einem Arbeitspunkt (AP)
lässt sich nach Gl. (1) aus dem entsprechenden U-I-Wertepaar berechnen. Zur Diskussion des nichtlinearen Verlaufs der I-UKennlinie ist es oft zweckmäßig, die Größe
des differentiellen Widerstands rd bei verschiedenen Arbeitspunkten zu bestimmen:
rd
§ dU ·
¨
¸ .
© d I ¹AP
(26)
Bei gleichzeitiger Erfassung von Stromstärke
und Spannung werden die Schaltungsvarianten in den Abbn. E.1.1.1a oder E.1.1.1b verwendet. Ein regelbares Labornetzgerät liefert
eine variable Spannung U. Der zu ermitteln-
A
I IV
RV
V
IV
U
b)
RA
I
R
A
U UA
UA
V
U
Abb. E.1.1.1 Widerstandsbestimmung
durch
Strom- und Spannungsmessung, (a) spannungsrichtige und (b) stromrichtige Messung
Die Berechnung von R nach Gl. (1) liefert
deshalb einen zu kleinen Wert, da der über
den Widerstand R fließende Strom I sich
nach der Knotenregel Gl. (15) aus der Differenz zwischen dem gemessenen Strom I und
IV ergibt. Daraus folgt
R
U
I IV
U
.
I U / RV
Mit dem Parallelwiderstand Rp, der aus dem
zu messenden Widerstand und dem Innenwi-
1.1 Widerstandsbestimmung durch Strom- und Spannungsmessung
derstand des Voltmeters gebildet wird, ergibt
sich
R
U
I I
Rp
U
I
§
R ·
¨1 ¸ .
© RV ¹
(27)
RV
In der Schaltung in Abb. E.1.1.1b verfälscht
der Spannungsabfall UA des Amperemeters
das Ergebnis. Für den Widerstand R folgt aus
dem Verhältnis
UA
U
RA
RA R
und unter Berücksichtigung der Kirchhoff’schen Maschenregel
R
U UA
I
1
RA ·
U§
¨1 ¸ .
I ©
R ¹
(28)
Die Diskussion der Gln. (27) und (28) zeigt,
dass für RV R die Schaltung in
Abb. E.1.1.1a und im Falle RA R die
Schaltung in Abb. E.1.1.1b zu bevorzugen
ist.
Bei Metallwiderständen erhält man bei nicht
zu hohen elektrischen Leistungen (T = const)
in guter Annäherung eine lineare I-UKennlinie (Abb. E.1.1.2a). Bei größeren
Leistungen kann es zur Eigenerwärmung und
damit nach Gl. (6) zu einer Widerstandserhöhung infolge des positiven Temperaturkoeffizienten kommen (Abb. E.1.1.2b). Zu den
Widerständen mit negativem Temperaturkoeffizienten gehören NTC-Thermistoren
(Abb. E.1.1.2c). Sie werden überwiegend als
Temperatursensoren verwendet. VDRWiderstände oder Varistoren sind spannungsabhängige Widerstände, die überwiegend als Schutz gegen Überspannungen
eingesetzt werden. Ab einer bestimmten
Spannung beobachtet man ein starkes Anwachsen der Stromstärke (Abb. E.1.1.2d). In
diesem Bereich lässt sich der Zusammenhang
zwischen Spannung und Stromstärke durch
163
eine Potenzfunktion beschreiben:
U
U ref
E*
§ I ·
¸ .
C ¨
¨ I ref ¸
©
¹
*
(29)
C* ist ein Proportionalitätsfaktor und Uref
bzw. Iref sind Referenzwerte, die Datenblättern oder der Versuchsanleitung entnommen
werden können. Der Exponent E * (E * < 1)
wird auch Regelfaktor genannt und hängt
unter anderem von den Materialeigenschaften
des Varistors ab. Der Gleichstromwiderstand
und der differentielle Widerstand
rd
d (U / U ref )
d ( I / I ref )
E * C ( I / I ref )E
*
1
(30)
nehmen bei Varistoren mit steigender Stromstärke ab.
I
I
dU = const
dI
(a) I
(b)
U
(c)
U
(d)
I
U
U
Abb. E.1.1.2 U-I-Kennlinien von Widerständen
(schematisch), (a) T = const, ohmscher Widerstand; (b) Metall-Widerstand und (c) NTC-Thermistor, Temperaturerhöhung durch Eigenerwärmung bei Vergrößerung der Stromstärke; d) Varistor, spannungsabhängiger Widerstand
Das Verhalten elektrischer Bauelemente in
Schaltungen wird in der Praxis nicht nur in
Spannungs- Strom-Kennlinien, sondern häufig auch in Strom- Widerstands-, SpannungsWiderstands- oder Widerstands-LeistungsKennlinien dargestellt.
164 Elektrizitätslehre
Versuchsausführung
Zur Strom- und Spannungsmessung werden
digitale Multimeter verwendet. Man beginnt
die Messungen bei jeweils niedrigen Spannungswerten und stellt die günstigsten Messbereiche für die Messungen von Spannung
und Stromstärke ein. Bei Aufgabe 1 sollen
drei Widerstände unterschiedlicher Größenordnungen (z. B. 2 ȍ, 10 kȍ, 2 Mȍ) mit
Hilfe einer spannungs- und einer stromrichtigen Messung ermittelt werden. Die schaltungsbedingten Korrektionen sind mit den
bekannten Gerätetoleranzen zu vergleichen.
In Aufgabe 2 werden für die drei verschiedenen Widerstandsarten (Metall-Widerstand,
NTC-Thermistor, Varistor) in den am Arbeitsplatz vorgegebenen Bereichen etwa zehn
(U, I )-Wertepaare gemessen. Vor dem Ablesen der Messwerte ist ggf. die Einstellung des
thermischen Gleichgewichts abzuwarten. Die
Spannungs-Strom-Kennlinien sind graphisch
darzustellen und der Verlauf der Kurven ist
unter Berücksichtigung der Veränderung des
differentiellen Widerstands bei Stromerhöhung zu diskutieren. Für den VDRWiderstand soll die Größe von ȕ* mit Hilfe
eines doppelt-logarithmischen Diagramms
über den Anstieg der Ausgleichsgeraden
bestimmt werden.
1.2 Temperaturabhängigkeit
elektrischer Widerstände
Aufgabenstellung
1. Für einen Metallwiderstand, einen NTCThermistor sowie PTC-Thermistor ist die
Temperaturabhängigkeit des elektrischen
Widerstands in einem vorgegebenen Temperaturbereich aufzunehmen.
2. Es sollen der Temperaturkoeffizient für
den Metallwiderstand und die Aktivierungsenergie für das Halbleitermaterial des NTCThermistors bestimmt werden. Für den PTCThermistor ist der Temperaturkoeffizient zu
ermitteln.
1 Widerstände und Stromquellen
Die Messung der Widerstände in Abhängigkeit von der Temperatur kann direkt mit dem
in einem Digitalmultimeter integrierten OhmMeter oder mit einer Wheatstone-Brückenschaltung durchgeführt werden. Bei einem
elektronischen Ohm-Meter wird ein lastunabhängiger Strom durch eine Konstantstromquelle vorgegeben, der den zu ermittelnden Widerstand durchfließt. Die über
diesem Widerstand abfallende Spannung
wird gemessen und in einen Widerstandswert
umgewandelt. Bei 4,5-stelligen Multimetern
beträgt die relative Messunsicherheit weniger
als ein Prozent.
Die Wheatstone-Brückenschaltung ist eine
Widerstandsbrückenschaltung. Sie enthält im
Allgemeinen vier Widerstände (R1, R2, RX
und RN), die nach Abb. E.1.2.1 miteinander
verbunden werden. Dabei sind RX der zu
messende Widerstand und RN ein einstellbarer Referenzwiderstand oder bei Präzisionsmessungen ein Widerstandsnormal.
C
INI
NI
RX
Ri
IX
A
IN
R2
R1
D
I
RN
I1
B
I2
I
U
Abb. E.1.2.1 Wheatstone-Brückenschaltung
An den Punkten A und B der Schaltung liegt
eine Spannungsquelle (Spannung U ), zwischen C und D ein Nullindikator (NI, Innenwiderstand Ri). Beim so genannten Brückenabgleich fließt in der Brückendiagonale zwischen den Punkten C und D (Abb. E.1.2.1)
kein Strom (INI = 0), wenn diese auf dem
gleichen elektrischen Potential liegen. Das ist
genau dann der Fall, wenn in den an gleicher
1.2 Temperaturabhängigkeit elektrischer Widerstände
Spannung liegenden Parallelkreisen ACB
und ADB die Teilwiderstände RX und RN im
abgeglichen Verhältnis stehen wie die Teilwiderstände R1 und R2:
RX
RN
R1
.
R2
(31)
Bei verstimmter Messbrücke zeigt der Nullindikator die Stromstärke INI an, die sich mit
Hilfe der Kirchhoff-Regeln berechnen lässt.
Für die Ströme an den Knotenpunkten C und
D gilt
I N I NI , I 2
IX
I1 I NI .
(32)
Bei Vernachlässigung der Widerstände der
Zuleitungen und des Innenwiderstands der
Spannungsquelle folgt für die Maschen ACD,
CBD und ADB
I1 R1
I X RX I NI Ri ,
(33)
I 2 R2
I N RN I NI Ri ,
(34)
U
I1 R1 I 2 R2 .
(35)
Aus der Lösung des Systems der Gleichungen (32) bis (35) ergibt sich für die Stromstärke INI im Brückenzweig
I NI
R1 RN R2 RX
U .
D*
(36)
In Gl. (36) entspricht D* dem Nenner mit
D*
RX [ Ri ( R1 R2 ) R1 R2 ] RN [( RX Ri ) ( R1 R2 ) R1 R2 ] .
(36a)
Die Gl. (36) enthält für INI = 0 die Abgleichbedingung nach Gl. (31). Häufig wird als
Nullindikator ein hochohmiges, empfindliches Voltmeter verwendet, mit dem man die
Brückenspannung UBr zwischen den Punkten
C und D in Abb. E.1.2.2 misst. Zur Berechnung von UBr betrachtet man zunächst wieder
die Maschen ACD und CBD
I1 R1 U Br I x Rx
0 ,
(37)
165
I 2 R2 I N RN U Br
0 .
(38)
Durch Einsetzen von Ix = IN in Gl. (37) sowie
I2 = I1 in Gl. (38), anschließender Substitution
von IN in Gl. (38) und Auflösung nach UBr
folgt
U Br
R1 RN R2 Rx
I1 .
Rx RN
(39)
Die Anwendung der Maschenregel auf die
Masche ADB liefert für I1 die Beziehung
I1
U /( R1 R2 ) .
(40)
Damit erhält man für die Brückenspannung
U Br
R1 RN R2 Rx
U .
( Rx RN )( R1 R2 )
(41)
Für UBr = 0 ergibt sich wieder die Abgleichbedingung nach Gl. (31).
Mit Gl. (41) kann auch die Veränderung der
Brückenspannung bei Variation der Brückenwiderstände beschrieben werden. Brückenwiderstandsschaltungen kommen oft bei
modernen elektronischen Sensoren zur Längen- und Druckmessung zur Anwendung (W.2.3). Die Gln. (36) und (41) zeigen,
dass der Brückenstrom INI bzw. die Brückenspannung UBr und damit auch die Empfindlichkeit der Brücke mit der Betriebsspannung U anwachsen. Da die Eigenerwärmung
in den Widerständen jedoch proportional
zum Quadrat der Stromstärke zunimmt, ist
eine Empfindlichkeitserhöhung über die
Vergrößerung von U bzw. I durch die Belastbarkeit der Brückenwiderstände begrenzt.
Eine optimale Empfindlichkeit für den Brückenabgleich erhält man, wenn der Vergleichswiderstand RN gleich dem zu messenden Widerstand RX ist, d. h. für ein Verzweigungsverhältnis 1:1. Als Nullindikatoren
eingesetzte Geräte dienen zum Nachweis der
Stromlosigkeit oder der Potentialgleichheit
zwischen zwei Punkten einer Schaltung. Sie
werden dementsprechend auch in Brücken-
166 Elektrizitätslehre
sowie Kompensationsschaltungen eingesetzt
(E.1.3). Neben dem Nachweis kleinster Ströme und Spannungen müssen sie u. a. eine
möglichst kurze Einstellzeit, hinreichende
Nullpunktstabilität und im Prinzip keine
Rückwirkung auf die zu messende Größe
haben. Im einfachsten Fall verwendet man als
Nullindikator für Gleichströme ein hinreichend empfindliches Digitalmultimeter, bei
höheren Ansprüchen Elektrometerverstärker
mit statischen Eingangswiderständen von
1014 ȍ bis 1016 ȍ (Eingangsströme kleiner als
10-13 A). Für einfache Anwendungen sind
auch hochohmige Voltmeter mit Innenwiderständen größer als 106 ȍ und ausreichend
hoher Auflösung geeignet.
Versuchsausführung
Zur Durchführung von Aufgabe 1 befinden
sich die zu bestimmenden Widerstände im
Ölbad eines Thermostaten, in dem sich auch
der Messfühler eines digitalen Thermometers
befindet. Es sind für etwa zehn verschiedene
Temperaturen in einem vorgegebenen Temperaturbereich die Widerstände zu messen.
Dabei muss vor jeder Messung die Einstellung des Temperaturgleichgewichts abgewartet werden. Die Temperaturabhängigkeit der
Widerstände soll graphisch dargestellt und
der Verlauf der Kurven diskutiert werden.
In Aufgabe 2 ist die Bestimmung des linearen Temperaturkoeffizienten des Metallwiderstands mit Gl. (7) möglich, sofern mit
hinreichender Genauigkeit die Kurve durch
eine Gerade angenähert werden kann.
Im Falle des NTC-Thermistors soll der nichtlineare Kurvenverlauf durch graphisches
Auswerten oder rechnergestützt durch Anpassungsrechnungen mit Hilfe einer Funktion
vom Typ der Gl. (14) geprüft werden. Führt
man eine geeignete mathematische Transformation der Koordinaten durch (y = lnR(T),
x = 1/T), kann aus dem Anstieg der Ausgleichsgeraden der Wert von b und daraus
die Aktivierungsenergie EA bestimmt werden
(EA = b k, k Boltzmann-Konstante).
1 Widerstände und Stromquellen
Den differentiellen Temperaturkoeffizienten
des Halbleitermaterials bei einer bestimmten
Temperatur T erhält man bei Anwendung von
Gl. (14) mit
1 d R(T )
R(T ) dT
ET
EA
.
k T2
(42)
Eine spezielle Art von PTC-Widerständen
(PTC-Thermistoren) wird auf der Basis von
Halbleiterkeramiken hergestellt (z. B. dotiertes Bariumtitanat). Aufgrund der ferroelektrischen Eigenschaften des Materials beobachtet man oberhalb einer bestimmten Temperatur infolge des Übergangs vom ferroelektrischen in den paraelektrischen Zustand eine
starke Vergrößerung des Widerstands (um
einige Größenordnungen bei einer Temperaturerhöhung von etwa 100 K). Die wichtigsten Kenngrößen von PTC-Thermistoren sind
der minimale (Rmin) und der maximale Widerstand (Rmax), die Bezugstemperatur TB
(RB = R(TB) = 2 Rmin) sowie der Temperaturkoeffizient EPTC.
log R
Rmax
RB
Rmin
Tmin TB
Tmax
T
Abb. E.1.2.2 Temperaturabhängigkeit (schematisch) eines PTC-Thermistors (Kaltleiter)
In einem Temperaturbereich zwischen TB und
Tmax (Abb. E.1.2.2) kann die Vergrößerung
des Widerstands durch eine Exponentialfunktion der Form
R (T )
RB exp > E PTC (T TB )@
(43)
1.3 Kenngrößen einer realen Spannungsquelle
beschrieben werden, mit der die Bestimmung
des Temperaturkoeffizienten EPTC möglich
ist. PTC-Thermistoren werden überwiegend
in elektronischen Schaltungen zur Begrenzung von Strömen und in Temperaturregelschaltungen eingesetzt. Für den zu untersuchenden PTC-Thermistor misst man im
Temperaturbereich zwischen TB und Tmax (die
Werte für TB und Tmax können dem Datenblatt
am Arbeitsplatz entnommen werden) bei
etwa zehn verschiedenen Temperaturen dessen Widerstand und über den Anstieg der
Ausgleichsgeraden im linearen Kurvenbereich eines ln(R)-T-Diagramms kann der
Temperaturkoeffizient EPTC mittels Anwendung von Gl. (43) bestimmt werden. Unter
Berücksichtigung der entsprechenden Kennlinien sind die Leitungsmechanismen in
Metallen und Halbleitern in Abhängigkeit
von der Temperatur zu erörtern.
1.3 Kenngrößen einer realen
Spannungsquelle
167
mit denen z. B. bei bekannter Urspannung U0
der Innenwiderstand Ri nach Gl. (21a) mit
U0 U
Ri
(44)
I
berechnet werden kann. Bleibt der Innenwiderstand der Quelle bei den unterschiedlichen
Belastungen konstant, kann man über den
Anstieg ('U/'I ) des linearen Graphen den
Innenwiderstand bestimmen:
§ 'U ·
¨
(45)
¸ .
© 'I ¹
Aus den entsprechenden Schnittpunkten der
Geraden mit den Koordinatenachsen ist die
Ermittlung der Werte für die Kurzschlussstromstärke und die Urspannung möglich.
Die I-U-Charakteristik wird mit der Schaltung in Abb. E.1.0.4 aufgenommen. Durch
die Variation des Lastwiderstands (RL) ergeben sich entsprechend Gl. (21) für I und U
verschiedene Werte.
Ri
UH
I
Aufgabenstellung
1. Die Strom-Spannungs-Charakteristik einer
realen Spannungsquelle ist aufzunehmen. Es
sind die Urspannung (Quellenspannung), der
Innenwiderstand der Quelle und die Stärke
des maximalen Stroms (Kurzschlussstrom)
zu bestimmen.
2. Für die Spannungsquelle in Aufgabe 1 ist
die Leistungsanpassung experimentell zu
ermitteln und mit der Theorie zu vergleichen.
3. Es ist die Urspannung der Quelle durch
Spannungskompensation zu bestimmen.
Strom-Spannungs-Charakteristiken realer
Spannungsquellen sind graphische Darstellungen der Stromstärke über der jeweiligen
Klemmspannung. Sie geben Informationen
über das Verhalten des elektrischen Kreises
bei unterschiedlichen Belastungen. Aus ihnen
können Wertepaare der Klemmspannung U
und der Stromstärke I entnommen werden,
R2
R1
U1
(INI = 0)
U0X
NI
Abb. E.1.3.1 Spannungskompensation, Messschaltung nach Poggendorff
Bei Spannungsmessungen mit einer Kompensationsmethode wird der zu messenden
unbekannten Spannung U0X eine gleichgroße
bekannte und sehr genaue Spannung entgegengeschaltet, so dass über das Gerät zur
Nullindikation (NI) kein Strom fließt. Damit
erfolgt die Messung praktisch leistungslos
(ohne Stromaufnahme) und mit hochwertigen
Kompensationsschaltungen erreicht man die
168 Elektrizitätslehre
1 Widerstände und Stromquellen
geringsten Messunsicherheiten bei Spannungsmessungen. Eine einfache Kompensationsmethode basiert auf der nach Poggendorff benannten Kompensationsschaltung
(Abb. E.1.3.1). Sie ermöglicht die Messung
der Urspannung U0X von Quellen, deren
Spannung bei steigender Belastung abnimmt.
Dabei bewirkt eine Hilfsspannung UH in
einem Widerstand den Stromfluss der Stärke
I. Durch einen variablen Abgriff kann dieser
Widerstand in die Teilwiderstände R1 und R2
geteilt werden, dass am Widerstand R1 die
Teilspannung U1 I R1 anliegt Mit dieser
Spannung ist die Kompensation der Urspannung U0X einer beliebigen Quelle möglich,
sofern die Hilfsspannung größer als die zu
ermittelnde Urspannung ist (UH > U0X). Der
Abgleich durch Spannungskompensation
liegt vor, wenn der Nullindikator praktisch
den Wert null anzeigt. Mit den Beziehungen
U1 U 0X
I R1 , U H
I ( R1 R2 )
gilt analog zur Spannungsteilerschaltung
nach Gl. (19)
U 0X U H
R1
.
R1 R2
(46)
Für Präzisionsmessungen lässt sich die Hilfsspannung mit der gleichen Methode über
einen Vergleich mit der Referenzspannung U0N eines elektronischen Spannungsnormals (UH > U0N) unter Verwendung der
Gleichung
R1c
(47)
U 0N U H
R1 R2
bestimmen. Dabei ist R1c der Widerstand, an
dem die zur Kompensation führende Spannung abgegriffen wird. Aus den Gln. (46)
und (47) folgt dann
R
U 0X U 0N 1 .
(48)
R 1c
In diesem Fall braucht die Hilfsspannung
nicht bekannt zu sein.
Versuchsausführung
Für die Messungen zu den Aufgaben 1 und 2
wird eine Schaltung nach Abb. E.1.0.4 aufgebaut. Als Lastwiderstand RL kann z. B. ein
Wendel-Präzisionspotentiometer mit Einstellregler oder eine Kombination aus Präzisionsdekadenwiderständen verwendet werden, an
denen die eingestellten Widerstandswerte für
RL direkt abgelesen werden können. Dabei ist
die Belastbarkeit im Hinblick auf die maximal mögliche Stromstärke (Kurzschlussstrom) zu beachten. Im Verlauf der Messungen ist die Konstanz der Urspannung zu
kontrollieren (unbelastete Quelle).
Bei Aufgabe 1 wird für etwa zehn bekannte
Werte des Lastwiderstands RL in geeigneten
Schritten bei großen RL beginnend die Spannung U und die Stromstärke I mit Digitalmultimetern gemessen. Die I-U-Charakteristik der Spannungsquelle ist in einem
linearen Koordinatensystem graphisch darzustellen. Bei linearem Verlauf der StromSpannungs-Charakteristik ermittelt man den
Innenwiderstand Ri aus dem Anstieg der
Geraden nach Gl. (45). Die Werte für die
Urspannung und die Kurzschlussstromstärke
können graphisch oder rechnerisch bestimmt
werden.
Für die Aufgabe 2 sollen zusätzliche Widerstände RL um den Wert des Innenwiderstands
Ri eingestellt werden, damit ein aussagekräftiger Graph für die Diskussion der Leistungsanpassung erhalten wird. Die im Lastwiderstand umgesetzte elektrische Leistung ist
unter
Verwendung
eines
einfachlogarithmischen
Maßstabs
(P-logRLDiagramm) graphisch darzustellen, um eine
bessere graphische Auflösung zur Ablesung
der maximalen Leistung zu erreichen.
Der im Experiment bestimmte Wert für die
maximale Leistung und der nach Gl. (24)
berechenbare Wert Pmax sind zu vergleichen.
Außerdem soll die in Gl. (23) aufgestellte
Bedingung Ri = RL am Leistungsmaximum
überprüft werden, wobei ggf. der Innenwiderstand des Strommessgeräts zu berücksich-
1.4 Belasteter Spannungsteiler
169
tigen ist. Steht eine geeignete Software zur
Verfügung, werden die normierten Kennlinien (Abb. E.1.3.2) mit den im Experiment
bestimmten Parametern als berechnete Kurven unter Verwendung der Gln. (49) bis (51),
die sich aus Gl. (22) bzw. Gl. (21) herleiten
lassen, in einem Diagramm dargestellt:
P
Pmax
4( RL / Ri ) 1 ( RL / Ri ) ,
2
U
U0
1
1 Ri RL
I
IK
1
.
1 ( RL / Ri )
1
1
,
1 ( RL / Ri )
y
1,0
0,8
1
3
2
0,6
0,4
0,2
(49)
(50)
0,0
0,01
0,1
Für Aufgabe 3 ist die Schaltung mit der
Spannungsquelle von Aufgabe 1 nach
Abb. E.1.3.1 aufzubauen. Die Potentiometerschaltung verwendet kalibrierte Drahtwendelpotentiometer, die durch einen geeigneten
Vorwiderstand vor Überlastung zu schützen
sind. Als Nullindikator wird ein hinreichend
empfindliches Digitalmultimeter verwendet.
In diesem Fall ist die Spannungsmessung
gegenüber einer Strommessung zu bevorzugen, da bei modernen elektronischen Voltmetern der Innenwiderstand konstant und so
hoch ist, dass die Belastung der Batterie im
nicht kompensierten Fall vernachlässigbar
klein und die Empfindlichkeit höher als bei
einer entsprechenden Strommessung sind.
Durch Variation des Widerstands sucht man
denjenigen Wert (R1), bei dem der Nullindikator null anzeigt. Durch die Messung der
Hilfsspannung UH und die Ablesung des
Werts für den Teilwiderstand R1 kann bei
bekanntem Gesamtwiderstand (R1+R2) nach
Gl. (46) die gesuchte Urspannung U0X ermittelt werden. Steht ein elektronisches Spannungsnormal zur Verfügung, wird der Abgleichvorgang zur Spannungskompensation
zur Bestimmung von R1c wiederholt und
Gl. (48) zur Bestimmung von U0X verwendet.
10 RL / Ri
Abb. E.1.3.2 Kennlinien einer realen Spannungsquelle in normierter Darstellung, (1) y P / Pmax ,
(2) y U / U 0 , (3) y
(51)
1
I / IK
Dadurch entfällt die Messung der Hilfsspannung UH. Der Vorteil bei der Verwendung
eines elektronischen Spannungsnormals ist
die sehr genaue und von der Temperatur
nahezu unabhängige Quellenspannung. Mit
einem elektronischen Spannungsnormal
erreicht man relative Unsicherheiten von
kleiner als 10-4, die mit den im Praktikum zur
Spannungsmessung eingesetzten Digitalmultimetern in der Regel nicht erreicht werden
können2.
1.4 Belasteter Spannungsteiler
Aufgabenstellung
1. Die Strom-Spannungs-Charakteristik eines
belasteten Spannungsteilers ist aufzunehmen.
Daraus sind die Maximalwerte für Strom und
Spannung zu entnehmen und mit den berechenbaren Werten zu vergleichen.
2. Es sind für drei verschiedene Verhältnisse
zwischen dem Potentiometerwiderstand Rpot
und dem Lastwiderstand RL die Übertra2
Mit dem Josephson-Effekt können Spannungen
mit relativen Unsicherheiten von kleiner als einem
Zehn-Milliardstel reproduziert werden (1:1010,
entsprechend 1 nV bei 10 V). Der Effekt wird
deshalb als Basis für konstante Referenzspannungen in metrologischen Staatsinstituten und in
Kalibrierlaboratorien der Industrie genutzt.
170 Elektrizitätslehre
1 Widerstände und Stromquellen
gungskennlinien zu berechnen und graphisch
darzustellen. Für fünf vorgegebene Potentiometereinstellungen sollen die Werte experimentell bestimmt und in das Diagramm
eingezeichnet werden.
Mit einer Spannungsteiler- oder Potentiometerschaltung ist es möglich, die konstante
Klemmspannung einer Spannungsquelle z. B.
zur Versorgung elektronischer Schaltungen
wählbar einzustellen. Die Belastung des
Spannungsteilers hängt dabei im Gegensatz
zum nicht belasteten (idealen) Spannungsteiler von der Größe des Lastwiderstands ab. In
diesem Fall müssen die einzelnen Maschen
der Spannungsteilerschaltung berücksichtigt
werden, da bei zu großen Strömen die Widerstände der Teilerschaltung überlastet und
zerstört werden können.
Versuchsausführung
Der bei Aufgabe 1 zu untersuchende Spannungsteiler (Abb. E.1.4.1) besteht aus den
zwei Widerständen Ra und Rb und einem
variablen Lastwiderstand RL (z. B. 10-GangPotentiometer mit Einsteller).
sowie die Spannung U0 mit hoher Genauigkeit durch die Verwendung von 4,5-stelligen
Digitalmultimetern zu bestimmen. Der Innenwiderstand des Amperemeters soll vernachlässigt werden, so dass Ub = UL gilt.
Nach dem Aufbau der Messschaltung werden
für zehn verschiedene Lastwiderstände RL die
zugehörigen UL- und IL- Werte gemessen und
graphisch in einem IL(UL)-Diagramm dargestellt. Aus den Schnittpunkten der Ausgleichsgeraden mit den Koordinatenachsen
kann man die Maximalwerte UL,max(IL = 0)
und IL,max (UL = 0) für den belasteten Spannungsteiler ermitteln und mit den berechenbaren Werten vergleichen:
U L,max
U0
Rb
,
Ra Rb
I L,max
U0
.
Ra
Bei Aufgabe 2 wird die in Abb. E.1.4.2 dargestellte Schaltung eines belasteten Spannungsteilers verwendet, die ein Potentiometer
( Rpot = R1 + R2 ) enthält, dessen Teilwiderstand R2 durch einen konstanten Lastwiderstand RL belastet wird.
A
I
I1
Ra
U0
Ua
IL
Ib
Rb
B
U0
A
Ub
U1
R1
V
UL
R2
RL
U2 RL
V
UL
I2
Abb. E.1.4.1 Messschaltung zum belasteten
Spannungsteiler bestehend aus zwei Festwiderständen Ra und Rb und einem variablen Lastwiderstand RL
Dabei soll der Gesamtwiderstand des Potentiometers (RL) viel größer als die Summe aus
den beiden Widerständen (Ra+Rb) sein. Es
sind die Werte der Widerstände Ra und Rb
C
IL
Abb. E.1.4.2 Belasteter Spannungsteiler bestehend aus einem Potentiometer (Rpot = R1+ R2) und
einem konstanten Lastwiderstand RL
Die Quellenspannung U0 liegt an den Endpunkten A und C des Potentiometers. Zwi-
1.4 Belasteter Spannungsteiler
171
schen den Punkten B und C fällt die durch
das Widerstandsverhältnis R1/R2 wählbare
Spannung U2 ab. Bei Anwendung der Kirchhoff-Regeln (E.1.0.1) ergeben sich die folgenden Gleichungen:
I1
I2 IL ,
U0
U1 U L
U2
U L , I 2 R2
U0
R1 ( I 2 I L ) I L RL ,
U0
R1
(52)
I1 R1 I L RL ,
(53)
R2
U0
R1 R2 R1 RL R2 RL
R2 RL
U0 .
R1 R2 R1 RL R2 RL
(55)
(56)
Gl. (56) bezeichnet man auch als Übertragungsfunktion des belasteten Spannungsteilers. Nach einigen Umstellungen kann diese
in eine normierte Form (x = R2/Rpot ,
r = Rpot/RL) überführt werden. Es gilt
UL
U0
R2
R1 R2
R1 R2 1
1
R1 R2 RL
x
R1 R2 1
1
R1 R2 RL
und für den Term im Nenner kann
R1 R2 1
R1 R2 RL
x
(57)
In Abb. 1.4.3 erkennt man den starken Einfluss des Verhältnisses r = Rpot/RL auf die
Übertragungskennlinie.
r 0,05
1
(54)
und den entsprechenden Spannungsabfall
UL
x
.
1 r x (1 x)
0,5
Damit erhält man für den durch den Lastwiderstand RL fließenden Strom
IL
UL
U0
UL 1,0
U0
I L RL ,
RL
I L R1 I L RL I L .
R2
gemeinerte Beziehung für die Übertragungsfunktion
R1 R2 R2
RL
§
R R R2 ·
x ¨r 2 1
¸ r x (1 x)
R
L R1 R2 ¹
©
geschrieben werden. Damit folgt als verall-
10
0
0,5
R2 1,0
Rpot
Abb. E.1.4.3 Übertragungskennlinien eines belasteten Spannungsteilers nach Gl. (57)
Bei Aufgabe 2 sind die drei Graphen der
Übertragungskennlinien für verschiedene
Werte r (z. B. r = 0,1; 1; 5) zu berechnen und
analog zur Abb. E.1.4.3 graphisch darzustellen. Die Schaltung nach Abb. E.1.4.2 ist
aufzubauen und der Spannungsabfall UL über
dem Widerstand RL wird mit einem Digitalmultimeter gemessen. Die Werte der Widerstände R1 und R2 können am Einstellregler
des Potentiometers in Bezug auf den gegebenen Gesamtwiderstand des Potentiometers Rpot = R1 + R2 abgelesen werden. Für die
Messung der Quellenspannung U0 ist ein
zweites Digitalmultimeter parallel zu den
Außenanschlüssen des Potentiometers zu
schalten (Abb. E.1.4.2). Die Messungen sind
für die drei berechneten r -Verhältnisse bei
fünf verschiedenen Potentiometereinstellungen (R2/Rpot = 0,1; 0,3; 0,5; 0,7; 0,9) durchzuführen. Es sind die Messwerte in das vorbereite Diagramm mit den berechneten Graphen
einzutragen und auftretende Abweichungen
unter Berücksichtigung der Messunsicherheiten zu erörtern.
172 Elektrizitätslehre
2 Elektrische und magnetische Felder
2.0 Grundlagen
2.0.1 Elektrisches Feld
Die Kräfte zwischen elektrisch geladenen
Körpern, die auch im leeren Raum wirken,
führt man auf das elektrische Feld zwischen
elektrischen Ladungen zurück. Diese Kräfte
sind im Allgemeinen ortsabhängig und verursachen ein Kraftfeld, durch das jedem Raumpunkt eine Kraft mit einem bestimmten Betrag und einer bestimmten Richtung zugeordnet werden kann (Vektorfeld).
Bei Veränderung der Größe und der Lage der
Ladung verändert sich auch das elektrische
Feld. Man spricht von einem elektrostatischen Feld oder kurz von einem elektrischen
Feld, das die in diesem Falle ruhenden und
zeitlich konstanten Ladungen umgibt.
Die Stärke des elektrischen Felds, die elektrische Feldstärke, hängt von der Größe der
Ladungen und von ihrer Dichte ab. Sie kann
im Prinzip durch die Kraftwirkung auf eine
kleine Probeladung Q0, die sich im elektrischen Feld befindet, gemessen werden. Bedingung dafür ist jedoch, dass die Probeladung das ursprüngliche Feld nicht verändert
bzw. nur eine vernachlässigbar kleine Störung verursacht.
Bewegt man sich in einem elektrischen
Kraftfeld von einem Raumpunkt stets in
Richtung der wirkenden Kraft zu einem
anderen und verbindet die Punkte miteinander, erhält man eine so genannte Feldlinie. In
dieser Weise kann der gesamte Feldraum mit
solchen Feldlinien gefüllt werden, die sich an
keinem Ort schneiden. Das bedeutet, dass die
Richtung der Kraft in jedem Punkt des Felds
eindeutig bestimmt ist. Sie kann durch das
Anlegen einer Tangente an die Feldlinie in
einem betreffenden Raumpunkt erhalten
werden. Die elektrischen Feldlinien ergeben
2 Elektrische und magnetische Felder
ein anschauliches Bild der Struktur des Felds,
das die Ladungen umgibt. Die Richtung der
Feldlinien elektrostatischer Felder wird in
Übereinstimmung mit dem Coulomb-Gesetz
begründet, das experimentell von C. A. Coulomb gefunden wurde. Es besagt, dass die
Kraft F zwischen zwei Punktladungen dem
Produkt der beiden Ladungen Q1 und Q2, die
sich auf den Körpern befinden, direkt proportional und dem Quadrat ihrer Entfernungen r
umgekehrt proportional ist:
F
1 Q1 Q2
.
4ʌ İ 0 r 2
(1)
Der Proportionalitätsfaktor enthält die elektrische Feldkonstante H0. Besitzen Q1 und Q2
gleiches Vorzeichen, bedeutet das F > 0 und
damit eine abstoßende Kraft, während sich
entgegengesetzt geladene Körper wegen
F < 0 anziehen. Damit wird die Richtung der
Feldlinien bei positiv gewählter Probeladung
von den positiven zu den negativen Ladungen festgelegt (bei nur einer Ladungsart
befindet sich der Gegenpol im Unendlichen).
Bedingung für die Gültigkeit des CoulombGesetzes sind punktförmige Ladungen, bei
geladenen Körpern sollten ihre linearen Abmessungen vernachlässigbar gegenüber ihrem Abstand sein. Um ein elektrisches Feld
quantitativ erfassen zu können, benötigt man
eine entsprechende Definition der elektrischen Feldstärke. Als elektrische Feldstärke
ist der Quotient aus der Kraft F, die eine
Probeladung Q0 im elektrischen Feld erfährt,
und der Probeladung definiert:
E
F
.
Q0
(2)
Die elektrische Feldstärke E ist eine Vektorgröße und hat in den einzelnen Punkten des
Raums die Richtung der Tangenten an die
Feldlinien. Die Einheit der elektrischen Feldstärke nach Gl. (2) ist
1N / C = 1W s m -1 / (As) = 1 V m -1 .
2.0 Grundlagen
173
tion über eine beliebig geformte, geschlossene Oberfläche bedeutet. Berechnet man den
elektrischen Fluss durch eine Kugeloberfläche (4 S R2 ), der insgesamt von einer sich im
Mittelpunkt der Kugel (Radius R) befindenden Punktladung +Q ausgeht, folgt
a)
+
<e
E
ϕ
<e
Q
³EdA= H
A
Abb. E.2.0.1 a) Darstellung von Äquipotential- ( ņņ ) und Feldlinien (---) um eine positive
Punktladung, b) differentielle Flächennormale dA
und elektrische Feldstärke E
Die Dichte der Feldlinien lässt Rückschlüsse
auf die Größe der Feldstärke in den einzelnen
Raumpunkten zu. Je höher die Feldliniendichte, desto größer ist die Feldstärke an der
betreffenden Stelle. Bei homogenen Feldern
ist die Dichte der Feldlinien konstant.
Von einer positiven Punktladung gehen die
Feldlinien radial aus (Abb. E.2.0.1a) bzw.
führen zu einer negativen Punktladung hin.
Bildet man das Skalarprodukt aus der Feldstärke E und der differentiellen Flächennormale dA (Abb. E.2.0.1b), die hier senkrecht
auf einer gekrümmten Fläche steht, ergibt
sich in der Modellanschauung des Feldlinienverlaufs die durch diese Fläche hindurch
tretende Gesamtzahl der Feldlinien, die den
elektrischen Feldfluss charakterisiert. Die
exakte Definition für den elektrischen Fluss
im Vakuum lautet
<e
³ E d A ³ E dA cosM
A
,
Q
H0
.
(4)
Dabei verlaufen die Feldlinien radial vom
Mittelpunkt nach außen und stehen überall
senkrecht auf der Kugeloberfläche. Der Vergleich der Gln. (3) und (4) führt zu
b)
dA
1 Q
4ʌ R 2
4ʌ H 0 R 2
(3)
A
wobei das A am Integralzeichen die Integra-
.
(5)
0
Da man jede beliebige Ladungsverteilung
durch Punktladungen zusammensetzen kann,
bedeutet Gl. (5) ein allgemeines Gesetz für
elektrostatische Ladungen (Satz von Gauß).
Es besagt, dass der gesamte elektrische Fluss
durch eine geschlossene Fläche proportional
der Summe der eingeschlossenen Ladungen
ist. Außerdem beschreibt er das elektrostatische Feld als Quellenfeld, in dem die positiven Ladungen die Quellen und die negativen
Ladungen die Senken darstellen.
Um eine positive Probeladung Q0 in einem
elektrischen Feld vom Punkt P(r1) zum
Punkt P(r2) zu verschieben, muss man eine
Verschiebungsarbeit
r2
W
³ F dr
r1
r2
Q0 ³ E d r
(6)
r1
verrichten. Wegen des Energieerhaltungssatzes muss diese Verschiebungsarbeit unabhängig vom gewählten Weg sein, so dass die
Integration über einen geschlossenen Weg
null ergibt. Daraus folgt, dass elektrostatische
Felder wirbelfrei sind und dementsprechend
keine geschlossenen elektrischen Feldlinien
existieren.
Das Linienintegral der elektrischen Feldstärke zwischen zwei Punkten P(r1) und P(r2)
174 Elektrizitätslehre
2 Elektrische und magnetische Felder
führt zur Potentialdifferenz 'M zwischen
diesen Punkten, die als elektrische Spannung
definiert ist:
r2
U
'M M (r2 ) M (r1 ) ³ E dr .
(7)
r1
Befindet sich der Punkt P(r1) im Unendlichen
(dort ist nach Festlegung das Potential null),
erhält man nach Gl. (7) für das Potential eines
beliebigen Punkts P(r2) = P(r) im Raum
r
M ( r ) ³ E dr .
(8)
f
Für kleine Ladungsverschiebungen dr in
Feldrichtung ist cos(E,dr) = 1 und es gilt
z. B. für die Komponente in x-Richtung
Ex
wM
.
wx
(9)
Für die räumlichen Komponenten in kartesischen Koordinaten verwendet man häufig die
differentielle Darstellung mit dem Vektoroperator Gradient (grad) oder dem NablaOperator ( ’ ):
E ( x, y , z ) = grad M
grad M
’ M ,
(10)
wM
wM
wM
i
j
k .
wx
wx
wx
Der Vektor E zeigt in die Richtung der maximalen Änderung des Potentials, wobei das
Minuszeichen in Gl. (10) seine Orientierung
in Richtung abnehmenden Potentials ausdrückt. Verbindet man in einem elektrischen
Feld die Punkte gleichen Potentials miteinander, erhält man eine Niveau- oder Äquipotentialfläche.
Wird auf einer solchen Fläche eine Ladung
verschoben, ist dazu keine Arbeit erforderlich. Daraus ist ersichtlich, dass die elektrischen Feldlinien senkrecht zu den Niveauflächen bzw. ihren Schnitten (Niveau- oder
Äquipotentiallinien) verlaufen müssen. Wei-
terhin ist die elektrische Spannung zwischen
zwei Punkten des elektrischen Felds gleich
der Potentialdifferenz zwischen den durch
diese Punkte verlaufenden Äquipotentialflächen. Somit ist es möglich, die elektrischen
Feldkomponenten über die Änderung des
elektrischen Potentials in den entsprechenden
Raumrichtungen zu bestimmen. Auf dieser
Kenntnis basieren die Messungen des Vektorfelds der elektrischen Feldstärke, die sich
praktisch leichter über die Ermittlung des
Skalarfelds des elektrischen Potentials realisieren lassen.
2.0.2. Magnetisches Feld
Stromdurchflossene Leiter erzeugen magnetische Felder. Die Bestimmung magnetischer
Feldstärken und die Festlegung der Einheit
der Stromstärke in Ampere nach dem SISystem (Einführung 1.1) basieren auf der
gegenseitigen Kraftwirkung zweier elektrischer Ströme und ihrer Magnetfelder.
Auf eine elektrische Ladung Q, die sich mit
der Geschwindigkeit v durch ein Magnetfeld
der Flussdichte B bewegt bzw. auf einen
Strom der Stärke I in einem Leiterstück der
Länge l, wirkt eine ablenkende Kraft, die
Lorentz-Kraft:
F
Q (v u B )
I l u B .
(11)
Der Vektor l bestimmt außer der Länge des
Leitungsstücks auch die Richtung des Stroms
Für den Betrag der Kraft erhält man
F
Q v B sin v , B bzw.
(12a)
F
I l B sin l , B .
(12b)
Die Wirkungslinie von F ist stets senkrecht
zu v bzw. l sowie zur magnetischen Flussdichte B gerichtet.
Zur Definition der magnetischen Flussdichte
verwendet man die Kraftwirkung auf Ladungen in magnetischen Feldern in Analogie
zum elektrischen Feld (E.2.0.1). Für die
2.0 Grundlagen
175
magnetische Flussdichte folgt nach Gl. (11)
die Einheit
1 V s /m 2
1 T (Tesla) .
P0 H 0 .
A
beschreibt (Durchflutungsgesetz), wobei das
Integral über H längs einer geschlossenen
Umlauflinie K gleich dem durch diese Fläche
A fließenden Gesamtstrom I ist. Unter Berücksichtigung der in Abb. E.2.0.2 definierten Größen kann eine zu Gl. (15) analoge
Beziehung geschrieben werden:
P0 I d l u r
dB
³ B d A ³ B d A cosD
(14)
A
definiert, wobei D der Winkel ist, den die
Feldvektoren jeweils mit der Normale des
Flächenelements dA einschließen. Für den
magnetischen Fluss durch eine geschlossene
Fläche erhält man im Unterschied zum elektrischen Feld den Wert null, da bisher keine
magnetischen Monopole nachgewiesen wurden. Demzufolge ist das B-Feld quellenfrei
und die Feldlinien sind in sich geschlossen.
Die Einheit des magnetischen Flusses ist das
Weber: 1 Wb = 1 T m2 = 1 V s.
Von praktischer Bedeutung ist die Berechnung magnetischer Felder in von einem
Strom durchflossenen Spulen. Häufig geht
man dabei vom Durchflutungsgesetz aus, das
den Zusammenhang zwischen magnetischer
(15)
A
(13)
Die Größe P0 ist die magnetische Feldkonstante: P0 1, 2566 ˜ 106 V s /(A m) .
In bestimmten Stoffen beobachtet man starkes nichtlineares Verhalten zwischen B und
H, das im Versuch E.2.3 untersucht wird.
Das Feld der magnetischen Flussdichte lässt
sich wie im Falle des elektrischen Felds
durch Feldlinien darstellen, deren Verlauf
und Stärke durch die Richtung und die Dichte der Feldvektoren anschaulich ausgedrückt
wird. Der magnetische Fluss ) eines magnetischen Felds wird in Analogie zum elektrischen Feld über das Flächenintegral
)
³ H ds ³ j d A
K
Streng genommen müsste die magnetische
Flussdichte B die Bezeichnung magnetische
Feldstärke tragen, aus historischen Gründen
wurde aber bereits H damit bezeichnet. Für
Magnetfelder im Vakuum (H0) und in guter
Näherung auch in Luft existiert eine strenge
Proportionalität entsprechend der Beziehung
B
Feldstärke H und Stromdichte j mit
4ʌ
.
r3
(16)
Gl. (16) wird als differentielles Biot-SavartGesetz bezeichnet.
z
y
I dl
r
x
P (x, y, 0)
dB
Abb. E.2.0.2 Gesetz von Biot-Savart (Stromelement I dl )
Das Stromelement I dl erzeugt einen Anteil dB des magnetischen Felds im Punkt
P (x, y, 0), das sowohl zum Stromelement als
auch zum Abstandsvektor r senkrecht ist.
Für die Berechnung der Flussdichte des magnetischen Felds B(r) betrachtet man die
Überlagerung aller Feldbeiträge dB infinitesimaler Stromelemente I dl in einem Raumpunkt P(r). Für den speziellen Fall einer
kreisförmigen Leiterschleife (Abb. E.2.0.3)
haben die axialen Komponenten (dBz) aller
Leiterschleifenelemente die gleiche Richtung
und addieren sich.
176 Elektrizitätslehre
2 Elektrische und magnetische Felder
Da sich die radialen Komponenten (dBr)
paarweise gegenseitig aufheben, ist die Berechnung des Betrags der axialen Feldkomponente dBz von Bedeutung. Für diese ergibt
sich mit dBz = dB sinM, sinM = R/r sowie
r2 = z2 + R2 und einem rechten Winkel zwischen dem Stromelement (I d l ) und dem
Aufpunktvektor r
P0
d Bz
I Rdl
4ʌ
R
2
z2 .
3
I dl
(17)
dBr
R
dBz
P0 I n
2
R2 d z
R
2
a z
.
2 3
(19)
Die Integration über die Gesamtlänge L der
Spule für beliebige axiale Aufpunkte (a = z)
führt zur Verteilung der Flussdichte B(z) für
die Zylinderspule:
dB
r
ϕ
Durch die Spule mit N Windungen und der
Windungsdichte n (n = N/L, Anzahl der Windungen pro Längeneinheit, L Länge der Spulenwicklung) fließt der Strom I. Dieser Strom
erzeugt im Punkt P(z = a) eine axiale Komponente der magnetischen Flussdichte vom
Betrag dBz:
dBz
z
P (0, 0, z)
B z
ª
z
L z
In «
2
« R2 z 2
2
2
R L z ¬
P0
º
»
».
¼
I
Abb. E.2.0.3 Berechnung der axialen Feldkomponente eines Kreisstroms
Die Integration über alle Elemente der kreisförmigen Leiterschleife (Gesamtlänge 2 S R)
führt zu
B( z )
P0 I
R2
2
R2 z 2 3
.
(18)
Daraus ergibt sich, dass für lange Zylinderspulen ( L R ) am Anfang (z = 0) und am
Ende (z = L) der Spule der Betrag der magnetischen Flussdichte um die Hälfte kleiner als
in der Mitte ( z = L/2) der Spule ist. Für die
magnetische Flussdichte im Inneren einer
sehr langen Zylinderspule folgt nach Gl. (20)
B (z
Liegen wie im Falle einer Zylinderspule
(Solenoid) die Leiterschleifen eng nebeneinander, überlagern sich die Feldanteile der
einzelnen Windungen zu einem resultierenden Gesamtfeld am Aufpunkt P(z = a)
(Abb. E.2.0.4).
z
0
(20)
P (z = a)
L
Abb. E.2.0.4 Skizze zur Berechnung der axialen
Feldkomponente in einer Zylinderspule
P0 N I
L / 2) P0 n I
L
.
(21)
Ausgangspunkt für die Berechnung der axialen Komponente B(z) eines Spulenpaars ist
die Berechnung der magnetischen Flussdichte einer flachen Kreisspule mit dem Radius R
und der Windungszahl N.
Unter Verwendung von Gl. (18) kann man
B(z) durch die Addition der Feldbeiträge der
einzelnen Windungen unmittelbar erhalten,
wobei eine flache kreisförmige Spule mit
geringer Dicke vorausgesetzt wird:
B z
P0 I N
2
R2
R
2
z2 3
.
(22)
2.0 Grundlagen
177
b
2.0.3 Magnetismus
R
z
0
I
I
Abb. E.2.0.5 Spulenpaar (schematisch)
Die magnetische Flussdichte längs der Achse
zweier identischer, flacher Kreisspulen (Abb. E.2.0.5) mit dem Radius R, die sich
parallel und koaxial im Abstand b gegenüberstehen, erhält man aus der Addition der
Felder der Einzelspulen. Es folgt für die
magnetische Flussdichte im Abstand z vom
Achsenmittelpunkt
P0 I N R 2
B z
2
­
°
®
°
¯
˜
2
ª 2 §
b· º
«R ¨ z ¸ »
2 ¹ »¼
©
«¬
3
2
ª 2 §
b· º
«R ¨ z ¸ »
2 ¹ »¼
©
¬«
(23)
3
½
°
¾ .
°
¿
0 0,716 P0
NI
.
R
B
P0 H M P0 H P0 F m H
= P0 1 F m H
B B0
F m B0 .
(24)
Durchfließt der Strom die Spulen gegensinnig, nennt man die Spulenanordnung Maxwell-Spule und B(z = 0) = 0.
P0 P r H .
(25)
In Gl. (25) sind P0 die magnetische Feldkonstante und Pr (Pr = 1 + Fm) die relative Permeabilität oder Permeabilitätszahl des magnetisierten Stoffs. Diese ist als Quotient der
magnetischen Flussdichte im Stoff und der
im Vakuum (Pr = B/B0) definiert. Für die
durch den Stoff zusätzlich hervorgerufene
magnetische Flussdichte, die auch als magnetische Polarisation J bezeichnet wird, gilt
J
Beide Spulen werden in gleicher Richtung
vom Strom durchflossen. Für den Fall, dass
der Abstand der Spulen gleich dem Spulenradius ist (Helmholtz-Spulenpaar, b = R),
ergibt sich für die axiale Komponente der
magnetischen Flussdichte in der Mitte zwischen beiden Spulen
Bz
Wird ein Stoff einem magnetischen Feld der
Stärke H ausgesetzt, wird er magnetisiert.
Die Magnetisierung M ist als Quotient aus
dem magnetischen Moment m (Einheit A m2)
der magnetisierten Probe und ihrem Volumen
festgelegt. Sie hat demzufolge die gleiche
Einheit wie die magnetische Feldstärke H (A/m) und wird als Beitrag eines Stoffs
zum magnetischen Feld aufgefasst. Bei vielen Stoffen ist sie der magnetisierenden Feldstärke proportional, d. h. M = Fm H. Den
Proportionalitätsfaktor Fm bezeichnet man als
magnetische Suszeptibilität und für die magnetische Flussdichte B folgt
Pr 1 P0 H
(26)
Damit beschreibt die magnetische Suszeptibilität Fm das Verhältnis von magnetischer
Polarisation J (hervorgerufen durch einen
magnetisch isotropen Stoff im Magnetfeld)
und der magnetischen Flussdichte B0 im
Vakuum: F m J B0 . Aus den Gln. (25)
und (26) kann man den Zusammenhang
zwischen Magnetisierung und magnetischer
Polarisation ablesen: M J / P0 .
(27)
Durch die dimensionslosen Größen Fm und ȝr
werden die magnetischen Eigenschaften von
Stoffen charakterisiert und klassifiziert.
178 Elektrizitätslehre
Für ferromagnetische Stoffe (z. B. Eisen,
Nickel, Kobalt) ist Pr 1 bzw. F m 0 . Für
paramagnetische Stoffe gilt Pr ! 1 bzw.
F m ! 0 . Ferro- und Paramagnetika nehmen in
einem magnetischen Feld eine diesem Feld
gleichgerichtete Magnetisierung an. Bei
diamagnetischen Stoffen erfolgt die Magnetisierung entgegen dem äußeren Feld
( Pr 1 , F m 0 ).
Das unterschiedliche magnetische Verhalten
der Stoffe kann durch deren unterschiedliche
Elektronenstruktur erklärt werden. Die Elektronen als sich bewegende Ladungen erzeugen magnetische Momente (magnetisches
Bahn- und magnetisches Spinmoment), deren
Wechselwirkung mit dem äußeren Magnetfeld die Polarisation bzw. die Magnetisierung
bestimmt. Bei den ferromagnetischen Stoffen, vor allem bei den Übergangsmetallen
Eisen, Nickel und Kobalt, sind in erster Linie
die unaufgefüllten inneren Elektronenschalen, die zu gleichgerichteten Spinmomenten
führen, die Ursache der großen Pr-Werte.
Dadurch bilden sich in einem ferromagnetischen Stoff als Folge der so genannten spontanen Magnetisierung auch ohne äußeres
Magnetfeld größere Bereiche (lineare Ausdehnungen von 10 —m bis 1 mm) gleichgerichteter Spinmomente (Elementarmagnete),
die man Weiß’sche Bezirke nennt. Diese sind
durch Grenzflächen, die Bloch’schen Wände,
voneinander getrennt.
Die Weiß’schen Bezirke sind im unmagnetisierten Zustand statistisch regellos verteilt
und ergeben im Mittel keine Magnetisierung
(unmagnetischer Stoff). Durch das Anlegen
eines äußeren Magnetfelds an den ferromagnetischen Stoff kommt es zunehmend zur
Orientierung der Weiß’schen Bezirke in
Richtung des Felds.
Bei Erhöhung der Temperatur nimmt die
Ordnung der magnetischen Spinmomente ab,
bis sie oberhalb der Curie-Temperatur TC
vollständig zerstört wird. Die CurieTemperatur liegt für Eisen bei 1041 K, für
2 Elektrische und magnetische Felder
Cobalt bei 1394 K und für Nickel bei 633 K.
Oberhalb der Temperatur TC zeigt der ursprünglich ferromagnetische Stoff nur noch
paramagnetisches Verhalten, und es gilt das
Curie-Weiß-Gesetz F C /(T TC ) , wobei C
die Curie-Konstante ist.
Charakteristisch für ferromagnetische Materialien ist das nichtlineare Verhalten der
magnetischen Flussdichte B in Abhängigkeit
von der magnetischen Feldstärke H, das auf
ein komplexes Verhalten der relativen Permeabilität zurückzuführen ist. Der spezielle
Verlauf Pr (H ) ist nicht nur vom Material,
sondern auch von dessen Herstellungsbedingungen abhängig. In Abb. E.2.0.6 ist die
magnetische Flussdichte B in Abhängigkeit
von der magnetisierenden Feldstärke H graphisch dargestellt (Hysteresekurve).
B
P1
BR
P2
P6
P3
HC
BR
0
HC
H
P5
P4
Abb. E.2.0.6 Neu- und Hysteresekurve eines
ferromagnetischen Materials (schematisch)
Bei vollständig entmagnetisiertem Material
wächst die magnetische Flussdichte von null
ausgehend bis zu einem Wert im Punkt P1
(Neukurve). Drei elementare Prozesse laufen
dabei ab:
1. Mit zunehmender magnetischer Feldstärke
H wächst anfangs die magnetische Flussdichte B als Folge so genannter reversibler BlochWand-Verschiebungen schnell an.
2.1 Elektrostatische Felder
2. Danach wird infolge der schwerer zu realisierenden, irreversiblen Wandverschiebungen
der Anstieg geringer. Die Weiß’schen Bezirke, die annähernd in Feldrichtung orientiert
sind, wachsen bei beiden Vorgängen auf
Kosten benachbarter kleinerer Bereiche.
3. Wird H weiter erhöht, nimmt die Magnetisierung nur noch geringfügig durch Drehprozesse in den Weiß’schen Bezirken in Richtung des äußeren Magnetfelds zu (Sättigungsbereich). Die Vektoren der Magnetisierung weisen dann in Richtung des magnetisierenden Felds.
Die Hysteresekurve nähert sich oberhalb der
Sättigungsmagnetisierung Ms einer Geraden,
die der Beziehung B P0 H M s genügt.
Oberhalb der Sättigung wächst B demzufolge
nur noch proportional zu H. Verringert man
H von P1 aus, beobachtet man den Kurvenzug zwischen den Punkten P1 und P2. Bei
H = 0 bleibt die Remanenz-Flussdichte BR
(Remanenz) übrig. Um die magnetische
Flussdichte wieder auf null zu bringen
(B = 0), muss ein ausreichend großes Gegenfeld mit der Feldstärke H = HC (Koerzitivfeldstärke HC) an die Probe gelegt werden.
Ist der Betrag der Koerzitivfeldstärke klein
(HC < 10 A/m), spricht man von weichmagnetischen Werkstoffen, während bei großen
Werten der Stoff als hartmagnetisch bezeichnet wird (z. B. Werkstoff für Dauermagnete,
HC > 100 A/m). Bei einer zyklischen Veränderung der magnetisierenden Feldstärke wird
der Kurvenzug P1, P2, ... , P6, P1 wiederholt
durchlaufen, und die entsprechende Kurve
nennt man Hysteresekurve bzw. Sättigungshystereseschleife.
Die von der Hysteresekurve eingeschlossene
Fläche (Einheit: Ws/m3) entspricht betragsmäßig der Energie, die bei einem Magnetisierungszyklus aufgewendet werden muss und
die zur Erwärmung des Kernmaterials führt.
Der Verlauf der Hysteresekurve hängt nicht
nur von den Eigenschaften sondern auch von
der Vorbehandlung (Vorgeschichte) des
ferromagnetischen Werkstoffs ab.
179
2.1 Elektrostatische Felder
Aufgabenstellung
1. Es soll der Verlauf der Potentiallinien
zwischen zwei ebenen Elektroden (Plattenkondensatormodell) gemessen werden. Die
Äquipotential- sowie die Feldlinien sind
graphisch darzustellen und ihr Verlauf ist zu
diskutieren.
2. Die Potentialverteilung im Querschnitt
eines Zylinderkondensatormodells ist zu
messen. Der gemessene radiale Verlauf des
elektrischen Potentials soll mit dem berechenbaren Verlauf verglichen werden.
3. Der Verlauf der Äquipotential- und Feldlinien in einem Modell einer spitzenförmigen
und einer ebenen Elektrode ist zu ermitteln
und zu diskutieren.
Für die Durchführung der Aufgaben werden
zweidimensionale Elektrodenanordnungen
verwendet. Das von geladenen Elektroden
erzeugte elektrische Feld ist das gleiche,
unabhängig davon, ob sich die Elektroden in
Luft (Vakuum) oder in einem Elektrolyten
befinden, sofern außer den Elektroden keine
weiteren Quellen oder Senken des elektrischen Felds existieren.
In den verschiedenen Versuchsanordnungen
sind die Elektroden als Äquipotentialflächen
zu betrachten, die an allen Stellen gleiches
Potential besitzen. Diese Bedingung wird
praktisch dadurch erfüllt, dass die elektrische
Leitfähigkeit zwischen den Elektroden vernachlässigbar gegenüber der Leitfähigkeit der
Elektrodenmodelle ist. Im Experiment erreicht man das durch schwach leitende elektrolytische Flüssigkeiten oder wie im vorliegenden Fall durch spezielles Kontaktpapier
geringer Leitfähigkeit.
Zur Ermittlung des Feldlinienverlaufs tastet
man die Spannungen zwischen den Elektroden mit einer Messspitze in den einzelnen
Punkten des Felds zwischen den Elektroden
ab. Dadurch erhält man die Äquipotentiallinien, die die Flächen gleichen Potentials
180 Elektrizitätslehre
2 Elektrische und magnetische Felder
repräsentieren. Die elektrischen Feldlinien
sind dann die zu diesen Flächen orthogonalen
Kurvenscharen.
Versuchsausführung
Die Elektroden werden an eine Gleichspannung (Quellenspannung U0) angeschlossen.
Mit einer Messspitze wird anschließend die
Oberfläche des Kontaktpapiers abgetastet
und die Spannungsdifferenz zwischen einer
der beiden Elektroden und einem Punkt zwischen ihnen mit einem hochohmigen Voltmeter (Innenwiderstand größer als 106 :) gemessen. Der Spannungswert entspricht dem
Potential am Messpunkt in Bezug auf die mit
dem Messgerät verbundene Elektrode.
In Aufgabe 1 ist der Verlauf der Äquipotentiallinien zwischen zwei ebenen Elektroden
mit dem Abstand d zu ermitteln und das
elektrische Feld in Bezug auf seine Homogenität zu überprüfen. Dazu werden längs der
mittleren Verbindungsachse der Elektroden
(x-Koordinate) an verschiedenen Punkten die
Spannungen U(x) gemessen. Unter der Annahme eines konstanten elektrischen Flusses
(< e E A ) zwischen den Platten mit der
Fläche A erhält man mit Gl. (7)
U x
U0
x ,
d
(28)
wobei U0 = U (x = d ) ist. Anschließend sind
für eine Seite oberhalb oder unterhalb der
Symmetrieachse weitere Spannungswerte zu
messen, um den Potentialverlauf zwischen
den Elektroden auch in der zweidimensionalen Darstellung hinreichend genau zeichnen
zu können. Die Messungen sollen bis über
die Enden der Elektroden erfolgen, um den
Übergang zum inhomogenen Feld zu erkennen. Der Verlauf der Äquipotential- und
Feldlinien ist graphisch darzustellen und soll
diskutiert werden.
In Aufgabe 2 ist die Potentialverteilung im
Modell eines Zylinderkondensators in Bezug
auf die Innenelektrode (Durchmesser 2ri)
wieder mittels einer Messspitze (MS) zu
messen (Abb. E.2.1.1). Das Modell besteht
aus zwei konzentrischen Elektroden mit den
Radien ri und ra. An den Elektroden liegt die
Spannung U0 an. Es ist zu erwarten, dass die
Äquipotentiallinien konzentrische Kreise um
den Mittelpunkt der Elektrodenanordnung
sind, da die Elektroden als Zylinderoberflächen Äquipotentialflächen entsprechen.
ra
V
r
ri
MS
U
Abb. E.2.1.1 Versuchsanordnung (schematisch)
zur Messung der Potentialverteilung in einem
Zylinderkondensator-Modell
Mit Hilfe der Potentialtheorie (E.2.0.1) kann
die Spannungsabhängigkeit U(r) hergeleitet
werden. Nach Gl. (5) gilt hier für den elektrischen Fluss <e (r) = E(r) A(r) = const und in
Bezug auf die Elektrodenanordnung des
Zylinderkondensators (Länge L)
\ e r E r 2ʌ r L E ra 2ʌ ra L . (29)
Setzt man E(r) nach Gl. (29) in Gl. (7) ein,
folgt
r
r
E ra ra
U r ³ E r c d r c ³
drc .
rc
r
r
i
i
Nach der Integration in den Grenzen ri und r,
ergibt sich
U r E ra ra ln(r / ri ) .
(30)
Mit der Randbedingung U(ra) = U0 folgt
U ra U 0
E ra ra ln( ra / ri )
und mit Gl. (30) erhält man
U r
§r·
U0
ln ¨ ¸ .
ln ra ri © ri ¹
(31)
2.2 Magnetfelder in Spulen
181
Die radiale Verteilung des Betrags der elektrischen Feldstärke erhält man gemäß Gl. (9)
mit
E r
dU r dr
U0
1
.
ln ra ri r
(32)
Wegen der Rotationssymmetrie der Anordnung genügt es, die Messung längs eines
beliebigen Radius zu realisieren. Zur Erhöhung der Genauigkeit sollen die Messungen
von U(r) aber längs vier verschiedener, um
etwa 90 q versetzter Radien vom Mittelpunkt
nach außen erfolgen. Die gemittelten Spannungswerte sind graphisch in einem einfachlogarithmischen Koordinatensystem mit der
Abszisse ln r und der Ordinate U(r) darzustellen. Mit den zu messenden Radien ri und
ra ist der theoretische Verlauf nach Gl. (31)
zu berechnen und in das Diagramm einzuzeichnen. Zusätzlich soll die Abhängigkeit
der elektrischen Feldstärke in Abhängigkeit
vom Radius unter Berücksichtigung von
Gl. (32) analysiert und diskutiert werden.
V
MS
s
U
U(s)
Abb. E.2.1.2 Versuchsanordnung (schematisch)
zur Messung der Potentialverteilung zwischen
einer ebenen und spitzen Elektrode
In Aufgabe 3 ist der Verlauf der Äquipotentiallinien am zweidimensionalen Modell einer
positiv geladenen Elektrodenspitze gegenüber einer negativ geladenen ebenen Elektrode zu ermitteln. Für fünf vorgegebene Spannungswerte sind die Punkte gleichen Potentials in ausreichend kleinen Abständen zu
messen. Dabei ist zu beachten, dass die Dichte der Äquipotentiallinien nahe der Spitze
besonders hoch ist. Längs der Symmetrieachse s (Abb. E.2.1.2) zwischen der Elektrodenspitze und der ebenen Elektrode sind die
Spannungswerte U(s) zu messen.
Es ist der Verlauf der Äquipotentiallinien
graphisch darzustellen und zu erörtern. Mittels der graphischen Darstellung U (s) soll die
Änderung des Betrags der elektrischen Feldstärke zwischen der ebenen Elektrode und
der Spitzenelektrode diskutiert werden. Dazu
ist über den Anstieg der Tangente der Betrag
der elektrischen Feldstärke für verschiedene
Abstände längs der Symmetrielinie zu
bestimmen.
2.2 Magnetfelder in Spulen
Aufgabenstellung
1. Es ist die axiale Verteilung der magnetischen Flussdichte in einer langen Zylinderspule (Solenoid) aufzunehmen. Die gemessene und die berechnete Verteilung sollen
graphisch dargestellt und verglichen werden.
2. Für eine flache Kreisspule soll die magnetische Flussdichte längs der Spulenachse
gemessen und mit dem theoretischen Verlauf
verglichen werden.
3. Die axialen Feldverteilungen sind für ein
Paar flacher Kreisspulen für drei vorgegebene Spulenabstände zu messen. Der Verlauf
der Feldverteilungen ist mit der Theorie zu
vergleichen.
Das Versuchszubehör enthält die verschiedenen Spulen, das Magnetfeldmessgerät (digitales Teslameter mit axialer Feldsonde), ein
regelbares Gleichstrom-Labornetzgerät und
ein Digitalmultimeter zur Stromstärkemessung. Bei Aufgabe 1 ist die in Abb. E.2.2.1
schematisch dargestellte Schaltung mit einer
Zylinderspule bekannter Geometrie mit
N Windungen aufzubauen, wobei man die
Stärke des Spulenstroms über das regelbare
Labornetzgerät mit Konstantstrombetrieb
182 Elektrizitätslehre
2 Elektrische und magnetische Felder
einstellen kann. Es ist bei allen Messungen
die für die jeweilige Spule am Arbeitsplatz
angegebene zulässige maximale Stromstärke
zu beachten.
Die Messung der axialen Verteilung B(z)
erfolgt bei allen Spulenanordnungen mit
einem Teslameter, dessen Axialfeldsonde
längs der Spulenachse verschoben werden
kann. Die Axialfeldsonde besteht aus einem
langen Rohr, in dem an einem Ende eine
Hall-Sonde (Hall-Effekt, E.2.4) befestigt ist.
Die zu vermessende Spule und die Axialfeldsonde befinden sich z. B. auf einer optischen
Bank, an der ein Millimetermaßstab befestigt
ist, um Abstände hinreichend genau einstellen zu können. Es ist darauf zu achten, dass
man die Feldsonde exakt längs zur Spulenachse ausrichtet.
U
A
mT
Abb. E.2.2.1 Zylinderspule und Teslameter (mT)
mit Axialfeldsonde (Hall-Sonde rot markiert) zur
Messung der axialen Verteilung der magnetischen
Flussdichte
Zur Überprüfung der Kalibrierung des Teslameters steht eine entsprechende Kalibrierspule zur Verfügung. Für diese lassen sich
die Werte der magnetischen Flussdichte bei
gegebener Stromstärke nach Gl. (20) berechnen oder sind für ausgewählte Stromstärken
bekannt. Bevor man mit den Messungen
beginnt, wird zunächst die Nullpunkteinstellung des Teslameters kontrolliert und falls
erforderlich korrigiert. Während der Messungen ist die korrekte Nullpunkteinstellung
einige Male zu überprüfen.
Versuchsausführung
In Aufgabe 1 wird zur Messung der axialen
Feldverteilung B(z) die Feldsonde in der
Mitte der Zylinderspule (z = L/2) angeordnet.
Anschließend verschiebt man die Sonde
schrittweise bis einige Zentimeter über den
Anfang der Spule (z = 0) hinaus. Die Messwerte der magnetischen Flussdichte sind in
einer Tabelle zu notieren. Es genügt wegen
der bestehenden Symmetrie der Feldverteilung in Bezug auf die Spulenmitte, die Messung nach einer Seite auszuführen. In die
graphische Darstellung der Verteilung B(z)
sind neben den gemessenen auch die nach
Gl. (20) berechneten Werte einzuzeichnen.
Insbesondere soll überprüft werden, ob an
den Enden der Spule der Wert der magnetischen Flussdichte um die Hälfte kleiner als in
der Mitte der Spule ist.
Bei Aufgabe 2 wird die Zylinderspule gegen
eine flache Kreisspule ausgetauscht und die
Messung der Werte für die graphische Darstellung der axialen Feldverteilung ist nach
beiden Seiten der Spulenebene durchzuführen. Der kleinste Wert B(z) soll etwa ein
Zehntel des Maximalwerts in der Spulenmitte
B(z = 0) betragen. In das Diagramm der axialen Feldverteilung sollen auch die nach
Gl. (22) berechneten Werte eingezeichnet
werden. Falls Abweichungen zwischen den
experimentell und den rechnerisch ermittelten Werten auftreten, die außerhalb der
Messunsicherheiten liegen, sind die dafür
möglichen Ursachen zu erörtern und ggf.
durch Wiederholung der Messung zu klären.
In Aufgabe 3 sollen die axialen Feldverteilungen der magnetischen Flussdichte B(z) für
drei Abstände b (b = R/2, b = R und b = 2R)
zwischen zwei identischen, flachen Kreisspulen mit dem Radius R (Abb. E.2.0.5) ebenfalls mit der Axialfeldsonde aufgenommen
werden. Die beiden Spulen werden in einer
Reihenschaltung betrieben, d. h., der Strom
durchfließt die Spulen in gleicher Richtung.
Um alle drei Verteilungen maßstabsgerecht
in einem Diagramm darzustellen, ist es
zweckmäßig, zu Beginn der Messungen
einen Maximalwert für die Flussdichte beim
kleinsten Spulenabstand (b = R/2) festzule-
2.3 Magnetische Hysterese
gen. Für die Diskussion der drei Verteilungskurven sollen auch die Spulenpositionen
eingezeichnet werden. Im Rahmen der Auswertung bestimmt man auch die Extremwerte
der Verteilungen und vergleicht diese mit den
berechneten Werten nach Gl. (23). Falls eine
geeignete Software zur Verfügung steht,
können zusätzlich die berechneten Verteilungen in das Diagramm übernommen werden.
Von Bedeutung ist die Abschätzung des
homogenen Feldbereichs, z. B. für den Fall
b = R die relative Änderung der magnetischen Flussdichte um 1 % gegenüber dem
Wert in der Mitte des Spulenpaars. Ergänzend soll qualitativ der Fall untersucht werden, bei dem der Strom in entgegengesetzten
Richtungen durch die Spulen fließt.
2.3 Magnetische Hysterese
183
men, muss man den Übergang von H0 zu H
realisieren, den man Zurückscheren nennt.
Nach dem Durchflutungsgesetz in Gl. (15)
besteht zwischen der magnetischen Feldstärke H0 und einem die N Windungen der Spule
durchfließenden Strom I im vorliegenden
Fall die Beziehung
H0 l
NI
Vm ,
wobei sich l auf die Länge des magnetischen
Kreises bezieht und die Größe Vm die magnetische Spannung (Einheit A) ist.
I
lFe
A
d
U
r
Aufgabenstellung
1. Mit einem Teslameter sind die Neukurve
und die Hysteresekurve eines ferromagnetischen Materials aufzunehmen. Die Remanenz
und die Koerzitivfeldstärke sollen bestimmt
werden.
2. Die Werte der relativen Permeabilität Pr
sind zu ermitteln und in Abhängigkeit von
der Feldstärke HFe graphisch darzustellen.
Dem Diagramm ist der Maximalwert der
relativen Permeabilität zu entnehmen.
Die zur Beschreibung des Verhaltens ferromagnetischer Stoffe im magnetisierenden
Feld eingeführte Feldstärke H (E.2.0.3) bezieht sich auf die im Inneren des Stoffs herrschende Feldstärke H = HFe, die im Allgemeinen verschieden von der ohne magnetisierenden Stoff vorhandenen äußeren Feldstärke H0 ist. Die für einen ferromagnetischen
Stoff erhaltene Kurve B(H0) nennt man gescherte Kurve, deren Verlauf außer von den
magnetischen Eigenschaften des Probekörpers auch maßgeblich von dessen Form abhängt. Um zu einer formunabhängigen (ungescherten) Hysteresekurve B(H) zu kom-
(33)
Abb. 2.3.1 Ringspule mit Eisenkern und Luftspalt
zur Aufnahme der Hysteresekurve
Der in Abb. E.2.3.1 dargestellte magnetische
Kreis der bei Aufgabe 1 verwendeten Ringspule (Toroid) mit Eisenkern und Luftspalt
enthält zwei verschiedene magnetische Stoffe. Durch die Addition der beiden Anteile
ergibt sich als magnetische Gesamtspannung
Vm
NI
H Fe lFe H Lu d
H0 l .
(34)
Dabei sind lFe die mittlere Länge des Eisenkerns, d die Breite des Luftspalts und l die
mittlere Gesamtlänge l = lFe + d des magnetischen Kreises. Für die Normalkomponenten
der magnetischen Flussdichte bei nicht zu
großen Spaltbreiten gilt Bn,Fe = Bn,Lu = B.
Damit folgt für die magnetische Flussdichte
im Eisenkern wie auch im Luftspalt
B
P0 P r H Fe
P0 H Lu
P0 P H 0 . (35)
In Gl. (35) ist B die mit dem Teslameter ge-
184 Elektrizitätslehre
2 Elektrische und magnetische Felder
messene magnetische Flussdichte im Luftspalt. Mit der Bedingung d lFe und somit l # lFe ergibt sich aus den Gln. (34) und
(35) in guter Näherung
H Fe
H0 B d
P0 l
.
(36)
Die Feldstärke HFe im Eisen ist geringer als
die Feldstärke H0 außerhalb des Materials.
Man bezeichnet diese Erscheinung auch als
Entmagnetisierung. Mit den Gln. (34) und
(35) ist die Berechnung der Flussdichte B in
Abhängigkeit von der Breite d des Luftspalts
möglich:
B
P0 Pr N I
.
l Pr d
Die magnetische Flussdichte für einen konstanten Spulenstrom und dementsprechend
für ein konstantes Magnetisierungsfeld nehmen speziell bei großen Pr-Werten mit wachsender Spaltbreite deutlich ab. Um die ungescherte Hysteresekurve B(H = HFe ) graphisch
darstellen zu können, sind die korrigierten
Werte der magnetischen Feldstärke nach
Gl. (36) zu bestimmen. Der Pr-Wert des Eisenkerns in Abhängigkeit von der Feldstärke HFe kann unter Berücksichtigung der
Gln. (35) und (36) berechnet werden:
1
Pr
§ 1 d·
¨ ¸ ,
l¹
©P
P*
B
P0 H 0
.
(37)
Versuchsausführung
Zu Beginn des Versuchs ist der mit einem
schmalen Luftspalt versehene Eisenkern
einer Ringspule in einem magnetischen
Wechselfeld abnehmender Amplitude zu
entmagnetisieren. Dazu wird die Toroidspule
an einem regelbaren Trennstelltransformator
angeschlossen und dessen Spannung von
einem vorgegebenen Maximalwert langsam
bis auf null gesenkt. Bei Aufgabe 1 baut man
die in Abb. E.2.3.1 dargestellte Schaltung mit
einem regelbaren Gleichstrom-Labornetzgerät, der Ringspule mit N Windungen und
einem Digitalmultimeter für die Messung der
Stromstärke auf. Mit dem Labornetzgerät ist
die Veränderung des Erregerstroms zur Erzeugung des magnetisierenden Spulenfelds
möglich.
Das kreisförmige magnetische Feld im Inneren einer dicht gewickelten Ringspule kann
mit dem Durchflutungsgesetz nach Gl. (15)
für Spulen ohne Eisenkern berechnet werden.
Dabei entspricht der Radius r einem mittleren
Radius der Ringspule in Abb. E.2.3.1. Ist der
Radius viel größer als die Dicke der Spule,
ist das Magnetfeld im Inneren der Spule
ausreichend homogen. Bei Kenntnis von N
und r sowie durch Messung von I ist seine
Bestimmung mit H 0 N I / (2 ʌ r ) möglich.
Die magnetische Flussdichte B wird mit
einem Magnetfeldmessgerät (digitales Teslameter mit tangentialer Feldsonde) gemessen, dessen Feldsonde zwischen den Polflächen im Luftspalt befestigt und senkrecht zu
diesen ausgerichtet wird. Für die Aufnahme
der Neukurve und der Hysteresekurve bzw.
-schleife wird schrittweise der Strom bis zu
einem gegebenen Maximalwert (Sättigungsbereich) erhöht und anschließend der in
Abb. E.2.0.6 skizzierte Zyklus durchlaufen.
Die Umkehr des Felds erfolgt bei I = 0 durch
Umpolung der Gleichspannung. Zur graphischen Darstellung von Neukurve und Hysteresekurve B(HFe) sind aus den Werten H0 mit
Gl. (36) bei gegebenen Werten für l und d die
Werte für HFe zu berechnen. Aus den Schnittpunkten des Graphen der Hystereseschleife
mit den Koordinatenachsen bestimmt man
die Werte für die Remanenz BR und die
Koerzitivfeldstärke HC.
Für Aufgabe 2 sind die Werte der Permeabilität Pr nach Gl. (37) zu berechnen und graphisch als Funktion der Feldstärke im Kernmaterial HFe darzustellen. Der Verlauf der
Kurve soll diskutiert werden. Aus dem Maximum des Graphen bestimmt man den Maximalwert der Permeabilität Pr,max.
2.4 Hall-Effekt
185
2.4 Hall-Effekt
Aufgabenstellung
1. Es sind die Hall- und die Probenspannung
einer dotierten Halbleiterprobe bei konstanter
Temperatur und konstanter Stromstärke in
Abhängigkeit von der magnetischen Flussdichte zu messen. Aus dem Vorzeichen der
Hall-Spannung und den Richtungen von
Strom und Magnetfeld kann man die Art der
Ladungsträger ermitteln. Die Hall-Spannung
ist als Funktion der magnetischen Flussdichte
graphisch dazustellen und aus dem Anstieg
der Ausgleichsgeraden die Hall-Konstante zu
bestimmen.
2. Die Leitfähigkeit der Hall-Probe ohne
Magnetfeld soll bestimmt werden. Mit der
Hall-Konstante von Aufgabe 1 kann die
Beweglichkeit und die Dichte der Ladungsträger ermittelt werden.
3. Die Änderung des Widerstands der HallProbe ist in Abhängigkeit von der magnetischen Flussdichte in einem Diagramm darzustellen. Der Verlauf des Graphen soll diskutiert werden.
Eine dotierte Halbleiterprobe (Querschnittsfläche ( A = a d ) soll parallel zu ihren Längsseiten (x-Richtung) von einem Gleichstrom
der Stärke Ix durchflossen werden. Sie befindet sich in einem homogenen Magnetfeld,
das in z-Richtung die Probe senkrecht durchsetzt (Abb. E.2.4.1). Als Folge der Wirkung
der Lorentz-Kraft
FL,y
Q vx Bz
(38)
in y-Richtung auf die Bewegung der Ladungsträger (Ladung Q, Betrag der Geschwindigkeit vx) werden diese aus ihrer
ursprünglichen Richtung zu einer der Längsseiten der Probe abgelenkt. Je nach Vorzeichen der Ladungsträger kommt es dabei zu
einer Ansammlung von Ladungen an der
Vorder- oder Rückseite der Probe, die ein
elektrisches Querfeld (Feldstärke EH,y) verursachen, das der Lorentz-Kraft entgegen
wirkt. Im stationären Fall haben die elektrostatische Feldkraft (FE,y = Q EH,y) und die
Lorentz-Kraft gleichgroße Beträge, so dass
sich zwischen zwei symmetrischen Punkten
P1 und P2 der Probe eine konstante Spannung
UH einstellt.
B
P2
a
Ix
d
P1
V
z
UH
y
x
Abb. E.2.4.1 Hall-Effekt (schematisch)
Aus Q EH,y = Q vx Bz sowie unter der Voraussetzung eines homogenen elektrischen Querfelds EH,y=UH /a (a Breite der Probe) folgt
UH
a vx Bz .
(39)
Diese Erscheinung ist der Hall-Effekt und die
Spannung UH wird als Hall-Spannung bezeichnet. Für die Stromdichte j ergibt sich
mit der Probendicke d aus Gl. (E.1-10)
Ix
jx
.
(40a)
ad
Mit den Gln. (E.1-13) und (E.1-12) gilt
jx
V Ex
P n q Ex
n q vx .
(40b)
Darin sind V die elektrische Leitfähigkeit,
Ex die in Stromrichtung wirkende elektrische
Feldstärke, q die Ladung (Elektronen q = e,
Löcher q = e, Elementarladung e), n die Ladungsträgerdichte, P die Beweglichkeit und
vx die Driftgeschwindigkeit der jeweiligen
Ladungsträger. Für die Beweglichkeit der
Ladungsträger folgt
P
vx
Ex
V
nq
.
(41)
Mit den Gln. (39), (40a) und (40b) ergibt sich
186 Elektrizitätslehre
2 Elektrische und magnetische Felder
für die Hall-Spannung
UH
1
1 I x Bz
a jx Bz
nq
nq d
P I x Bz
. (42)
V d
Tabelle E.2.1 Typische Werte des Hall-Koeffizienten AH ausgewählter Stoffe1
Die Größe
AH
P
V
1
nq
(43)
nennt man Hall-Konstante oder HallKoeffizient, so dass für die Hall-Spannung
auch
UH
AH
I x Bz
d
(44)
geschrieben werden kann. Bei der in einer
Halbleiterprobe möglichen Elektronen- (nLeitung) und Löcherleitung (p-Leitung)
ergibt sich unter den Voraussetzungen eines
vereinfachten klassischen Modells zur Bewegung von Ladungsträgern die Beziehung
AH
1
e
§ V p2
V2
n2
¨¨
2
nn V
© np V
·
¸¸ ,
¹
(45)
wobei np bzw. nn die jeweiligen Ladungsträgerdichten sind. In Gl. (45) ist berücksichtigt,
dass sich die Leitfähigkeit V der Probe aus
der Elektronen- (Vn ) und der Löcherleitfähigkeit (Vp ) additiv zusammensetzt. Die
Größe von AH hängt somit von den Konzentrationen der Ladungsträger und den entsprechenden Beweglichkeiten ab. Im Falle einer
Überschussleitung mit np >> nn und daraus
folgend V | Vp erhält man als Hall-Konstante
für die Löcherleitung
AH,p
Vorzeichen von AH lassen sich damit die
Ladungsträgerdichte, der Leitungstyp und die
Beweglichkeit der Ladungsträger bestimmen.
1
np e
Pp
.
V
(46a)
Mit nn >> np (V | Vn) folgt für die Elektronenleitung
P
1
(46b)
AH,n n .
V
nn e
Dabei sind Pp,n die Löcher- bzw. die Elektronenbeweglichkeit. Aus der Größe und dem
Kupfer
AH | 6˜10-11 m3 C-1
Silber
AH | 9,0˜10-11 m3 C-1
Zink
AH | 7˜10-11 m3 C-1
Silizium und
AH | 10-3…10-1 m3 C-1
Germanium
1
Der Wert AH hängt stark von Temperatur, Reinheitsgrad und Kristallstruktur ab.
Versuchsausführung
Bei Aufgabe 1 ist die Halbleiterprobe (PR,
Abb. E.2.4.2), die sich auf einer Platine (PL)
befindet, zwischen den abnehmbaren Polschuhen eines Elektromagneten zu befestigen. An dieser Stelle wird auch die Messsonde eines Teslameters zur Messung der magnetischen Flussdichte befestigt. Nachdem die
Polschuhe aufgesetzt wurden, ist die Beschaltung nach Abb. E.2.4.2 vorzunehmen.
UH
ϑ
V
PL
1
A
I
3
PR
4
2
V
UPr
Abb. E.2.4.2 Schaltung zur Hall-Probe
Anschließend stellt man mit einer regelbaren
Konstantstromquelle den vorgegebenen Probenstrom I = Ix ein. Es sind bei Zimmertemperatur zwischen den Anschlüssen 1 und 2
die Hall-Spannung UH und zwischen den
Anschlüssen 3 und 4 die Probenspannung UPr
in Abhängigkeit von der magnetischen Flussdichte B zu messen. Die Magnetstromversorgung erfolgt durch ein Labornetzgerät, wobei
2.5 Transformator
187
die angegebene maximale Stromstärke für die
Magnetspulen zu beachten ist. Die auch ohne
Magnetfeld (B = Bz = 0) zwischen den Kontakten 1 und 2 anliegende Spannung kann
entweder elektrisch kompensiert oder rechnerisch berücksichtigt werden. Zur Kontrolle
einer konstanten Probentemperatur ist ein
Thermoelement an der Probe befestigt.
Bei Aufgabe 1 ist mit dem Anstieg der Ausgleichsgeraden in der graphischen Darstellung UH(B) sowie mit den bekannten Werten
der Probendicke d und des konstanten Probenstroms I nach Gl. (44) die Hall-Konstante
zu bestimmen. Aus den bekannten Richtungen von Strom und Flussdichte sowie dem
Vorzeichen der Hall-Spannung kann ermittelt
werden, ob Elektronen- oder Löcherleitung
vorliegt. Dementsprechend wird das Vorzeichen für die Hall-Konstante festgelegt. Bei
Aufgabe 2 bestimmt man die Leitfähigkeit V0
der Probe ohne Feld aus den gemessenen
Werten der Probenspannung UPr (B = 0) und
des Probenstroms sowie den bekannten Abmessungen der Probe mit
V0
1 l
R0 A
I
l
.
U Pr B 0 A
(47)
Dabei sind R0 der Probenwiderstand bei
B = 0 und l die Länge der Probe. Die Querschnittsfläche A der Probe wird mit den gegebenen Werten für die Dicke d und die
Breite a der Probe berechnet. Damit erhält
man aus den Gln. (46a) oder (46b) unmittelbar die Dichte und auch die Beweglichkeit
der Ladungsträger. Die Änderung des Widerstands der Hall-Probe (Änderung der Probenspannung) in Abhängigkeit von der magnetischen Flussdichte ist auf magnetoresistive
Effekte zurückzuführen. Für nicht zu große
magnetische Felder entsteht dadurch ein
Spannungsabfall längs der Probe, der proportional zu B2 ist. In Aufgabe 3 soll infolge der
kleinen Änderungen des Probenwiderstands
dessen relative Änderung (R(B)R0)/R0 in
Abhängigkeit von der Flussdichte B graphisch dargestellt und mit einer Parabelan-
passung die quadratische Abhängigkeit von
der magnetischen Flussdichte überprüft werden. Die Temperatur muss bei allen Messungen konstant bleiben.
2.5 Transformator
Aufgabenstellung
1. Es ist für den unbelasteten Transformator
die Abhängigkeit des Primärstroms, der
primären Wirkleistung und der Sekundärspannung von der Primärspannung zu messen. Aus den Messwerten sind die Spannungsübersetzung, der Betrag des Phasenwinkels, der Verluststrom und der Magnetisierungsstrom in Abhängigkeit von der Primärspannung zu ermitteln. Verlust- und
Magnetisierungsstromstärke sowie der Betrag
des Phasenwinkels sollen in geeigneten Koordinatenmaßstäben in einem Diagramm
graphisch dargestellt werden.
2. Bei einer konstanten Primärspannung sind
der Primärstrom, die primäre Wirkleistung
und die Sekundärspannung in Abhängigkeit
von der ohmschen Belastung der Sekundärseite zu messen. Der Einfluss des Sekundärstroms auf den Magnetisierungs- und den
Verluststrom sowie auf den Wirkungsgrad
wird in einem Diagramm mit geeigneten
Koordinatenmaßstäben dargestellt. Zusätzlich sind die Änderungen des Betrags des
Phasenwinkels sowie die Änderungen des
Verhältnisses der Leistungen (PCu /PFe ) in
Abhängigkeit von der Belastung des Transformators zu diskutieren.
Der Transformator ist ein Gerät zur verlustarmen Transformation von Wechselspannungen und Wechselströmen sowie zur Widerstandsanpassung (Leistungsanpassung). Er
besteht im Prinzip aus zwei über einen Eisenkern induktiv gekoppelten Spulen, der
Primärspule mit der Windungszahl Np und
der Sekundärspule mit der Windungszahl Ns.
Beim verlustfreien (idealen) Transformator
ist die der Primärspule zugeführte elektrische
188 Elektrizitätslehre
2 Elektrische und magnetische Felder
Wirkleistung gleich der elektrischen Leistung, die man der Sekundärspule entnehmen
kann. Im unbelasteten Fall gilt für das Verhältnis der Ausgangs- zur Eingangsspannung,
d. h. der Effektivwerte von Sekundär-(Us) zu
Primärspannung (Up):
Us
Up
Ns
.
Np
(48)
Dieses wird auch als Spannungsübersetzung
bezeichnet. Die Begründung von Gl. (48) ist
z. B. durch die Erörterung der prinzipiellen
Wirksamkeit des idealen unbelasteten Transformators möglich, wobei die Darstellung der
Wechselstromgrößen analog zur DIN 5483
bzw. E.3.0.2 erfolgt. Die an den Transformator bei sekundärseitigem Leerlauf primärseitig angelegte Spannung up erzeugt eine Magnetisierungsstromstärke im in der Primärspule, deren Stärke von der Höhe der Primärspannung und dem induktiven Widerstand
der Primärwicklung bestimmt wird. Dieser
Strom erregt in der Primärspule ein Magnetfeld H, das im Eisenkern die magnetische
Flussdichte B und den magnetischen Fluss )
erzeugt:
P A Np
) t B t A
im .
lp
Darin sind A der Querschnitt, lp die mittlere
Länge des Kerns und P = Pr P0 die Permeabilität des Kernmaterials. Die Stärke des Magnetisierungsstroms ist hierbei gleich der des
Primärstroms (ip = im). Die zeitlichen Änderungen von up und ip sollen harmonischen
Funktionen genügen:
up (t ) uˆp cos(Z t ) , ip = iˆ sin(Z t ) .
Da der magnetische Fluss ) (t) im idealisierten Fall den gesamten Eisenkern ohne Verluste durchsetzt, induziert dieser sowohl in
der Primär- als auch in der Sekundärspule die
Induktionsspannungen up,L und us,L (Index L
bezieht sich auf den Leerlaufbetrieb) mit
d) t up,L N p
,
(49a)
dt
us,L
Ns
d) t .
(49b)
dt
Die induzierte Spannung up,L ist der am Eingang der Primärspule liegenden Spannung up
entgegengesetzt gleich (up,L = up, Selbstinduktion). Zwischen den Enden der Sekundärwindungen erzeugt die induzierte Sekundärspannung us,L die Spannung us. Da die
zeitliche Abhängigkeit von up,L durch die
Kosinusfunktion, die von im durch die Sinusfunktion des gleichen Arguments beschrieben
wird, eilt demzufolge up dem Primärstrom
um 90° voraus (Abb. E.2.5.1a). Der Primärstrom als Magnetisierungsstrom ist also ein
reiner Blindstrom (Pp = Up Ip cosM = 0).
Seine Größe ist durch die Primärspannung Up
und den induktiven Widerstand der Primärspule (Induktivität Lp) bestimmt:
Im
U p / (Z Lp ) .
(50)
a)
Up
I p’
Up
Ip,L
Im
Φ
b)
Ip,B
ϕ
IB
Φ
Im
Is
Us,L
Us
Abb. E.2.5.1 Zeigerdiagramm eines verlustlosen
Transformators, a) im Leerlauf, b) bei ohmscher
Belastung (schematisch)
Beim idealen belasteten Transformator erzeugt der Wechselstrom is in der Sekundärspule ein zusätzliches Feld Hs. Dieses würde
den magnetischen Fluss schwächen, der aber
durch die konstante äußere Spannung Up
festgelegt ist. Als Folge davon entsteht in der
Primärspule ein zusätzlicher Strom iB (Index B für Belastung), der ein Feld Hp,B bewirkt, das Hs kompensieren muss. Mit
H s H p,B 0 , H s v N s is und H p,B v N p iB
2.5 Transformator
189
für Spulen gleicher Länge und mit konstantem Querschnitt des Eisenkerns erhält man
für das Verhältnis der Effektivwerte
Ns
.
Np
IB
IS
(51)
Die Ströme IB und Is sind entgegengesetzt
gerichtet (Abb. E.2.5.1b) und für den Effektivwert des Primärstroms I pc ergibt sich
I pc
I p,L Ns
Is .
Np
Für die primärseitig aufgenommene Wirkleistung des belasteten Transformators folgt
Pp,w
U p I p,B cos M .
(52a)
Beim idealen Transformator mit ausschließlich ohmscher Belastung entspricht sie der
sekundärseitig entnommenen Wirkleistung
Ps,w
U s Is .
(52b)
In der Realität treten bei Transformatoren
eine Reihe von Verlusten auf, z. B. Kupfer-,
Eisen- und Streuverluste:
Kupferverluste (RCu):
Die Spulenwicklungen besitzen einen ohmschen Widerstand, der bei Stromfluss eine
Erwärmung verursacht. Die entsprechende
Leistung ist proportional zum Quadrat der
Stromstärke. Damit steigen die Kupferverluste quadratisch mit der Größe des Belastungsstroms. Die Kupferverluste wirken wie ein
Wirkwiderstand, der mit dem Blindwiderstand der Spulen in Reihe liegt.
Streuverluste:
Das Magnetfeld entsteht nicht nur im Eisenkern, sondern in geringem Maße auch außerhalb des Kerns. Beide Spulen werden aber
vom magnetischen Fluss im gemeinsamen
Kern durchsetzt, so dass der Streufeldanteil
nicht zur Induktion beitragen kann. Das
Magnetfeld der Spulen und deren Streuanteile hängen von der Primärspannung des
Transformators ab. Die Streuverluste wirken
wie ein zusätzlicher induktiver Widerstand,
der mit dem induktiven Widerstand der Spulenwicklungen in Reihe liegt.
Eisenverluste (RFe):
Man unterscheidet bei den Eisenverlusten
zwischen Wirbelstrom- und Hystereseverlusten. Der Eisenkern eines Transformators
besteht aus dünnen, gegeneinander isolierten
Weicheisenblechen, um die Bildung von
Wirbelströmen weitgehend zu vermeiden.
Ihre nicht vollständige Unterdrückung bedingt eine Erwärmung des Eisenkerns. Ebenso führt das ständige Ummagnetisieren des
Eisens zur Wärmeentwicklung, die man als
Ummagnetisierungs- oder Hystereseverluste
bezeichnet. Ihre Größe ist durch den Flächeninhalt der Hystereseschleife und das Volumen des Kernmaterials bestimmt (E.2.0.3). In
beiden Fällen wird die der Erwärmung entsprechende Leistung der äußeren Stromquelle
entnommen. Der Eisenverlust wirkt wie ein
ohmscher Widerstand, der zum induktiven
Blindwiderstand der Primärspule parallel
liegt.
Der Wirkungsgrad eines Transformators ist
als Verhältnis der abgegebenen zur aufgenommenen Wirkleistung definiert:
K
Ps,w
Pp,w
.
(53)
Zur Berechnung der Ströme und Spannungen
des verlustbehafteten Transformators kann
über die in der Elektrotechnik übliche Vierpoldarstellung eine Ersatzschaltung (hier
unter Vernachlässigung der Streuverluste)
abgeleitet werden, bei der man alle Widerstände auf die Primärseite transformiert. Es
lassen sich dabei alle Sekundärgrößen so
umrechnen, dass die in den beiden Windungen induzierten Spannungen die gleiche
Größe haben und die Leistungen erhalten
bleiben. Daraus folgt mit Rp I p2 Rs I s2 und
ü = (Ns /Np), dass die Widerstände bei dieser
Transformation mit 1/ü2 multipliziert werden
müssen. Mit Hilfe der in Abb. E.2.5.2 darge-
190 Elektrizitätslehre
2 Elektrische und magnetische Felder
stellten Ersatzschaltung ist es auch möglich,
diejenigen Anteile der beiden Spulen, die
zum gemeinsamen magnetischen Fluss beitragen, zu einer Induktivität (XL) zusammenzufassen.
Ip
F
1
ü2 Rs,Cu
Rp,Cu
Up
des aus den Widerständen Rp,Cu und
(Rs,Cu + Rs,B ) / ü2 bestehenden Teilers wird
durch die Größe F dargestellt:
Iv
Im
RFe
XL
1
ü2 Rs,B
Mit der in Abb. E.2.5.2 dargestellten Ersatzschaltung unter Anwendung der KichhoffRegeln für den Effektivwert der Primärstromstärke in komplexer Darstellung mit der
imaginären Einheit j (vgl. E.3.0.2) folgt
I p (U p Rp,Cu I p ) ˜
(54)
§ 1
ü
j ·
¨¨
¸¸ .
© RFe Rs,B Rs,Cu Z L ¹
Sind die folgenden Voraussetzungen erfüllt,
Rp,Cu RFe und Rp,Cu Z L ,
(54a)
2
ergibt sich
§
ü 2 Rp,Cu ·
I p ¨1 ¨ R R ¸¸
s,B
s,Cu ¹
©
Up
ü2 Up
Up
j
RFe Rs,B Rs,Cu
ZL
bzw.
Ip
(Iv Iü j Im ) F ,
(56)
2
I v U p / RFe , I ü
ü Up
Rs,B Rs,Cu
(55)
, Im
Up
ZL
.
Der mit Iü bezeichnete Term beschreibt den
durch die Transformation der Widerstände
von der Sekundär- auf die Primärseite bedingten Strom. Die Spannungsübersetzung
·
¸¸
¹
1
.
(57)
Für den Effektivwert des Primärstroms sowie
für den Phasenwinkel M zwischen Strom und
Spannung im Primärkreis ergibt sich nach
Gl. (56) mit der Berechnung komplexer Größen (Anhang A.1):
Ip
Abb. E.2.5.2 Ersatzschaltung eines verlustbehafteten Transformators (ohne Streuverluste)
§
ü 2 Rp,Cu
¨¨1 © Rs,B Rs,Cu
F
( I v I ü ) 2 I m2 ,
§
Im ·
¸ .
© Iv Iü ¹
M arctan ¨ (58)
(59)
Die Effektivwerte des Magnetisierungs- und
des Verluststroms lassen sich ebenfalls nach
Gl. (56) berechnen:
Im
Iv
Ip
F
Ip
F
sin M ,
(60)
cos M I ü .
(61)
Der Betrag des Phasenwinkels M kann aus der
primärseitig aufgenommenen Wirk- (Pp,w)
und der Scheinleistung (Pp,s) bestimmt werden:
M
§ Pp,w
arc cos ¨
¨ Pp,s
©
·
¸¸ .
¹
(62)
Da die Voraussetzungen in Gl. (54a) im Allgemeinen durch die konstruktiven und materialtechnischen Eigenschaften konventioneller Transformatoren gut erfüllt werden, ist
die Anwendung der oben hergeleiteten Gleichungen hinreichend genau.
Versuchsausführung
Es ist die Schaltung nach Abb. E.2.5.3 aufzubauen. Gegebenenfalls ist ein Wider-
3.0 Grundlagen
191
stand RE zur induktiven Entkopplung zwischen den Wicklungen des Trennstelltransformators (TST) und der Primärspule des
Transformators erforderlich. Die Messung
der Wirkleistung Pp,w erfolgt mit einem digitalen Leistungsmessgerät in einem vorgegebenen Messbereich, dessen Nullpunkt nach
einer Einlaufzeit von einigen Minuten einzustellen ist. Spannungs- und Strommessungen
werden mit digitalen Multimetern durchgeführt.
RE
TST
Wattmeter
U I cos ϕ
Schalter
A
V
V
Rs,B
Abb. E.2.5.3 Versuchsschaltung für die Messungen am Transformator
Bei Aufgabe 1 ist der Schalter zu öffnen
(Transformator im Leerlauf, Is = 0), und die
Spannung Up mit einer Frequenz von 50 Hz
wird durch die entsprechende Änderung der
Ausgangsspannung des Trennstelltransformators variiert. Es sind etwa zehn annähernd
äquidistante Primärspannungen zwischen
0 und 50 V zu wählen. Die Spannungsübersetzung sowie _M _, Im und Iv werden mit den
angegebenen Gleichungen für den Transformator im Leerlauf berechnet (Iü = 0, F = 1).
In einer Graphik mit zwei verschiedenen
Ordinatenmaßstäben sind die Abhängigkeiten
Im(Up), Iv(Up) und M (Up) darzustellen und zu
diskutieren. Für die Spannungsübersetzung
ist der Mittelwert anzugeben. Bei Aufgabe 2
ist im Leerlauf die Spannung Up auf einen
vorgegebenen Wert einzuregeln. Danach
wird der Schalter (Abb. E.2.5.3) geschlossen
und für zehn ohmsche Belastungen Rs,B der
Sekundärseite (z. B. durch eine Widerstandsdekade) sind die Größen Ip, Us und Pp,w zu
messen. Stromstärke Is und sekundäre Wirkleistung Ps,w können mit den Werten von Rs,B
und Us berechnet werden. Außerdem sind die
Widerstände Rp,Cu und Rs,Cu mit einem OhmMeter zu ermitteln. Alle anderen gesuchten
Größen lassen sich mit den oben begründeten
Gleichungen bestimmen. Für die Diskussion
des Verhältnisses der Leistungen (PCu /PFe) in
Abhängigkeit von der Belastung des Transformators sind die entsprechenden Leistungen zu berechnen:
PCu
PFe
2
I p2 Rp,Cu I s,Cu
Rs,Cu ,
U Fe I v
(U p Rp,Cu I p ) I V .
(63)
(64)
Es sind die Abhängigkeiten Im(Is) und Iv(Is)
sowie K (Is) in einem Diagramm mit zwei
verschiedenen Ordinatenmaßstäben graphisch darzustellen und zu diskutieren. Die
Änderung des Verhältnisses der Leistungen
(PCu /PFe) in Abhängigkeit von der Belastung
des Transformators soll begründet werden.
3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und
Wechselstromkreisen
3.0 Grundlagen
3.0.1 Einstellvorgänge
An Reihenschaltungen bestehend aus einem
ohmschen Widerstand und einem Kondensator bzw. einer Spule wird eine Gleichstromquelle ein- und ausgeschaltet. Im Fall einer
konstanten Klemmspannung der Gleichstromquelle UK = const führt das Schalten zu
Spannungssprüngen, in deren Folge Einstellvorgänge bei Strömen und Spannungen an
den Bauelementen auftreten. Das Zeitverhalten dieser Sprungantworten wird im Folgenden analysiert.
Der in Abb. E.3.0.1 dargestellte Kondensator
mit der Kapazität C trägt zunächst keine
Ladung. Zum Zeitpunkt t 0 werden mit
einem Schalter (S) die Kontakte 0 und 1
verbunden. Dadurch kommt es in Masche I
192 Elektrizitätslehre
3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen
zu einem Spannungssprung von null auf den
Wert der Klemmspannung U K . Es beginnt
ein Ladestrom der Stärke
I (t )
dQ
dt
(1a)
zu fließen, dessen Anfangswert I (0) durch
den Widerstand R begrenzt wird. Der Kondensator wird aufgeladen und trägt nach einer
Zeit t die Ladung
t
Q (t )
³ I (t´)dt´ .
(1b)
0
Mit zunehmender Ladung erhöht sich die
Spannung am Kondensator und zum Zeitpunkt t gilt
Q (t )
(2)
U C (t )
.
C
Nach der zweiten Kirchhoff-Regel (E.1.0.1)
folgt
U K U R (t ) U C (t )
I (t ) R U C (t ) . (3)
1
S
R
2 0
UK
+
–
I
II
C
Abb. E.3.0.1 Schaltung für das Auf- und Entladen eines Kondensators über einen Widerstand
Mit zunehmender Kondensatorspannung UC
nimmt die Stromstärke I ab. Setzt man Gl. (2)
in Gl. (3) ein und leitet einmal nach der Zeit
ab, erhält man eine homogene Differentialgleichung erster Ordnung für die zeitabhängige Stromstärke:
dI
1
I
dt R C
0 .
(4)
Die Lösung von Gl. (4) ist nach Anhang A.2
I (t )
Ke
W W RC
t
W
mit der Zeitkonstanten
RC .
(5)
Die Integrationskonstante K wird aus den
Anfangsbedingungen bestimmt.
Mit U C (0) 0 ergibt sich nach Gl. (3) für die
Anfangsstromstärke
I (0)
I0
UK
R
(6)
und für das Zeitverhalten der Stromstärke
beim Einschaltvorgang folgt
t
I (t )
U K W RC
e
.
R
(7)
Der zeitliche Verlauf der Kondensatorspannung ergibt sich aus den Gln. (3) und (7):
U C (t ) U K (1 e
t
W RC
) .
(8)
Für eine hinreichend lange Zeit nach dem
Einschalten ( t W ) ist U C U K . Um mit der
Entladung des Kondensators zu beginnen,
werden durch den Schalter S die Kontakte 0
und 2 (Abb. E.3.0.1) verbunden und der
Kondensator entlädt sich über den Widerstand R . Für die weitere Betrachtung legt
man den Zeitpunkt des Schaltens wieder mit
t 0 fest. Für die Masche II gilt
U C (t ) U R (t ) 0 .
(9)
Mit UR(t) = I(t) R erhält man aus Gl. (9) analog zur Herleitung von Gl. (4) eine homogene
Differentialgleichung erster Ordnung zur
Beschreibung des Zeitverhaltens der Stromstärke beim Entladen des Kondensators über
den Widerstand R:
dI
1
I
dt R C
0 .
Die Konstante K = I0 = I(0) der allgemeinen
3.0 Grundlagen
193
t
Lösung I (t ) K e W ( W W RC R C ) ergibt
sich mit der Anfangsbedingung U C (0) U K .
Damit folgt aus Gl. (9)
U R (0)
U K und
I (0) R
man erhält als vollständige Lösung
t
I (t ) U K W RC
e
.
R
(10)
Der Vergleich der Gln. (7) und (10) zeigt,
dass die Ströme beim Laden und Entladen in
entgegengesetzte Richtungen fließen.
Sind die Kontakte 0 und 1 verbunden
(Abb. E.3.0.1), treibt die Spannung UK den
Ladestrom. Bei Verbindung der Kontakte 0 und 2 wird der Entladestrom durch die
Kondensatorspannung angetrieben.
Mit U C (t ) I (t ) R folgt aus Gl. (10) das
Zeitverhalten der Kondensatorspannung beim
Entladevorgang:
U C (t ) U K e
t
W RC
.
(11)
Mit der in Abb. 3.0.2 dargestellten Schaltung
lassen sich Schaltvorgänge an einer Spule
untersuchen. Die Schaltung besteht aus den
ohmschen Widerständen R und RP sowie
einer Spule mit dem ohmschen Widerstand RSp und der Induktivität L. Der ohmsche Widerstand in Masche I ist
RI
R RSp .
(12)
Ein Schalter (S) soll zum Zeitpunkt t = 0
geschlossen werden. An der Schaltung liegt
dann die Klemmspannung UK an und es
beginnt ein Strom der Stärke I(t) durch die
Spule zu fließen. Die Selbstinduktion behindert diesen Vorgang gemäß der Lenz’schen
Regel und für die dabei auftretende Induktionsspannung gilt:
U ind
L
dI
.
dt
(13)
Die Induktionsspannung ist im Weiteren wie
die von einer Gleichstromquelle hervorgerufene Spannung zu behandeln.
Das Zeitverhalten der allmählich zunehmenden Stromstärke I(t) wird durch eine Differentialgleichung beschrieben, die man durch
Anwenden der zweiten Kirchhoff-Regel (E.1.0.1) auf die Masche I findet:
U K U ind
I RI .
(14)
S
R
UK
+
II
I
–
RP
L, RSp
Abb. E.3.0.2 Schaltung für die Untersuchung der
Einstellvorgänge an einer Reihenschaltung aus
ohmschem Widerstand und Spule (Einschalten
Masche I, Ausschalten Masche II)
Mit Gl. (13) erhält man aus Gl. (14) eine
inhomogene Differentialgleichung erster
Ordnung (Anhang A.2):
U
dI RI
I K
dt L
L
0 .
(15)
Die allgemeine Lösung von Gl. (15) setzt sich
aus der Lösung der homogenen Differential
t
gleichung I (t ) K e W mit der Zeitkonstanten W W RL L / RI und einer partikulären
Lösung der inhomogenen DifferentialgleiUK
chung I
zusammen:
RI
I (t )
Ke
t
W RL
UK
.
RI
(16)
Die Integrationskonstante K wird aus der
194 Elektrizitätslehre
3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen
Anfangsbedingung I(0) = 0 bestimmt und mit
Gl. (12) erhält man
I (t )
UK
(1 e
R RSp
R RSp
t
L
)
(17)
mit der Zeitkonstanten für den Einschaltvorgang
W RL ,e
L
.
R RSp
(17a)
Nach einer hinreichend langen Zeit t !! W RL ,e
nähert sich die Stromstärke dem Wert
If
UK
R RSp
(18)
an. Das Zeitverhalten der Induktionsspannung U ind ergibt sich durch Einsetzen von
Gl. (17) in Gl. (13):
U ind (t ) U K e
R RSp
t
L
.
(19)
Für die Beschreibung des Einstellvorgangs
nach dem Ausschalten wird die Masche II in
Abb. E.3.0.2 mit dem Widerstand RP betrachtet. Zu einer festgelegten Zeit t = 0 öffnet
man den Schalter (S). Die durch diesen Vorgang in der Spule ausgelöste Selbstinduktion
bewirkt eine Induktionsspannung, die nach
der Lenz’schen Regel bestrebt ist, den Stromfluss durch die Spule aufrechtzuerhalten.
Somit fließt der Strom noch einige Zeit nach
dem Öffnen von Schalter S durch die Spule
in der Masche II weiter, deren ohmscher
Gesamtwiderstand
RII
R RSp RP
(20)
ist. Die Induktionsspannung wird dabei wieder wie die Spannung einer Gleichstromquelle behandelt und es folgt
U ind
I (t ) RII .
(21)
Setzt man Gl. (13) in Gl. (21) ein, erhält man
eine homogene lineare Differentialgleichung
erster Ordnung, wie sie durch Gl. (6) im
Anhang A.2 allgemein dargestellt wird. Die
t
Lösung lautet I (t ) K e W , wobei W die
Zeitkonstante ist. Die Integrationskonstante
K folgt aus der Anfangsbedingung I (0) :
K
I (0)
UK
.
R RSp
Für den zeitlichen Verlauf der Stromstärke
nach dem Ausschalten gilt
I (t )
UK
e
R RSp
R RSp RP
t
L
(22)
und die betreffende Zeitkonstante für den
Ausschaltvorgang ist
W RL ,a
L
.
R RSp RP
(22a)
Das Zeitverhalten der Induktionsspannung U ind beim Ausschalten ergibt sich
durch Einsetzen von Gl. (22) in Gl. (13)
U ind (t )
R RSp RP
R RSp
UKe
R RSp RP
t
L
. (23)
Die Gln. (19) und (23) zeigen, dass die Induktionsspannung infolge der Lenz’schen
Regel beim Einschalten den Stromfluss behindert, im Fall des Ausschaltens aber diesen
unterstützt.
3.0.2 Komplexe Darstellung von Wechselgrößen
Im Folgenden werden ausschließlich harmonische Wechselspannungen der Form
u uˆ cos (Z t Mu )
(24a)
und harmonische Wechselströme der Form
i
iˆ cos(Z t Mi )
(25a)
3.0 Grundlagen
195
betrachtet. Dabei sind û und iˆ die Scheitelwerte (Amplituden) von Spannung und
2ʌ
Stromstärke, Z 2ʌ f
die KreisfreT
quenz zur Frequenz f bzw. zur Periodendauer T der Wechselgröße und die Phasenwinkel
für Spannung und Stromstärke Mu bzw. Mi zur
Zeit t = 0. Sie werden deshalb auch als Nullphasenwinkel bezeichnet.
Die Berechnungen mit den Zeitabhängigkeiten von Spannung und Stromstärke lassen
sich effizienter durchführen, wenn die Wechselgrößen als komplexe Größen (Gl. (11a) im
Anhang A.1) dargestellt werden. Die entsprechenden komplexen Gleichungen mit der
imaginären Einheit j lauten
u
i
T
P UI
P
p (t )
U2
R
iˆ [cos (Z t Mi ) j sin (Z t Mi )] ,
u uˆ e
j(Z t M u )
(24b)
bzw.
j(Z t M i )
.
iˆ e
(25b)
Somit lassen sich Wechselspannungen und
Wechselströme auch als rotierende Zeiger in
der komplexen Zahlenebene darstellen
(Abb. A.1.1 im Anhang A.1). Der Phasenwinkel setzt sich hier aus dem zeitabhängigen
Teil Z t und dem entsprechenden zeitunabhängigen Nullphasenwinkel Mu bzw. Mi
zusammen. Zur Charakterisierung von Wechselspannungen und -strömen können statt der
Scheitelwerte û bzw. iˆ auch die von Spannungs- und Stromstärkemessgeräten angezeigten Effektivwerte Ueff und Ieff verwendet
werden. Der Effektivwert ergibt sich aus dem
Vergleich der elektrischen Leistung am selben ohmschen Bauelement im Gleich- und
im Wechselstromkreis. Fließt infolge einer
1
u (t ) i (t ) dt und
T ³0
I 2 R bzw. p(t )
u 2 (t )
R
i 2 (t ) R
folgt für die effektive Wechselspannung
uˆ [cos (Z t Mu ) j sin (Z t Mu )] ,
und die Anwendung der Euler’schen Identität
(Anhang A.1) führt zu
i
Gleichspannung U durch einen gegebenen
ohmschen Widerstand R ein Gleichstrom der
Stärke I, dessen Betrag gleich dem Effektivwert Ieff des Wechselstroms ist, wird in gleicher Zeit in beiden Kreisen am Widerstand
die gleiche elektrische Energie in thermische
Energie umgewandelt. Die Gleichstromleistung P ist somit gleich der mittleren Wechselstromleistung p (t ) . Mit
T
1 2
u (t ) d t
T ³0
U eff
(26a)
und die effektive Wechselstromstärke
T
I eff
1 2
i (t ) dt .
T ³0
(27a)
Im Falle sinusförmiger Wechselspannungen
und -ströme erhält man
U eff
I eff
uˆ
2
iˆ
2
,
(26b)
.
(27b)
3.0.3 Schaltungen mit Wechselstromwiderständen
Im Gegensatz zum ohmschen Widerstand tritt
bei Spule und Kondensator im Wechselstromkreis ein frequenzabhängiges Widerstandsverhalten auf:
ZL
Z L (induktiver Widerstand) , (28)
ZC
1
(kapazitiver Widerstand) . (29)
ZC
196 Elektrizitätslehre
3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen
Allgemein lassen sich Wechselstromwiderstände als komplexe Größen beschreiben:
Z
uˆ j(Mu Mi )
e
.
iˆ
u
i
(30)
Der Betrag von Z (siehe Anhang A.1) ist
durch Z Z uˆ / iˆ gegeben.
Zur komplexen Beschreibung der Spannungen an Spule und Kondensator werden die
Gln. (1b), (2) und (13) sowie die Beziehung
uL (t ) uind (t ) für die Spannung uL (t ) an
der Spule verwendet. Es ergeben sich
uL
L
uC
1
C
di
,
dt
(31)
³ i dt
.
(32)
Das Einsetzen von Gl. (25b) in Gl. (31) bzw.
Gl. (32) führt zu
uL
jZ L i ,
(33)
uC
1
i .
jZ C
(34)
Nach Gl. (30) folgen damit die komplexen
Darstellungen des induktiven und kapazitiven Widerstands:
ZL
beim ohmschen Widerstand in Phase
( Mu Mi 0 ). Die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Stromstärke am induktiven und am kapazitiven Widerstand kann
mit Hilfe der Gln. (30), (35) und (36) ermittelt werden. Es ergeben sich die Beziehungen
ZL
uˆ L j (Mu Mi )
e
iˆ
ZC
uˆC j(Mu Mi )
e
iˆ
jZ L ,
j
ZC
.
Mit der Euler’schen Identität (Anhang A.1)
folgen daraus die Phasendifferenzen:
M u Mi
ʌ
(induktiver Widerstand) ,
2
Mu Mi
ʌ
(kapazitiver Widerstand) .
2
Die Spannung am induktiven Widerstand eilt
der Stromstärke um eine viertel Periode voraus und am kapazitiven Widerstand läuft die
Spannung der Stromstärke um eine viertel
Periode nach. Diese Unterschiede in den
Phasendifferenzen zwischen Spannung und
Stromstärke an ohmschen, induktiven und
kapazitiven Widerständen wirken sich auf die
Umwandlung von elektrischer in thermische
t
Energie Eth
³ p(t´) dt´
an diesen Bauele-
0
jZ L ,
(35)
menten aus, wobei für die mittlere Leistung
T
ZC
1
jZ C
j
.
ZC
(36)
Für einen ohmschen Widerstand ist der Zusammenhang von Stromstärke und Spannung
im reellen Bereich durch uR (t ) R i (t ) und
im komplexen Bereich durch
uR
Ri
(37)
gegeben. Spannung und Stromstärke sind
p (t )
1
u (t ) i (t ) dt
T ³0
(38a)
gilt. Um die mittlere Leistung zu berechnen,
setzt man die Gln. (24a) und (25a) für u (t )
sowie i (t ) ein und verwendet die Beziehung
sin D sin E
1
cos(D E ) cos(D E ) 2
mit D Z t Mu , E Z t Mi , M Mu Mi .
Da der Beitrag des Terms cos(2Z t Mu Mi )
3.0 Grundlagen
197
nach der Integration null wird, ergibt sich für
die mittlere Leistung
uˆ iˆ
cos(Mu Mi ) .
2
p (t )
Mit Mu Mi
(38b)
ʌ/2 folgt p (t ) 0 und für
Mu Mi = 0 erhält man mit den Effektivwerten für sinusförmige Spannungen und Ströme
(E.3.0.2) die Beziehung zur Berechnung der
mittleren elektrischen Leistung:
p (t ) U eff I eff .
Am induktiven und kapazitiven Widerstand
wird daher keine elektrische in thermische
Energie umgewandelt. Man bezeichnet solche Widerstände deshalb auch als Blindwiderstände oder Reaktanzen. Ein ohmscher
Widerstand ist dagegen ein Wirkwiderstand
(Resistanz), in dem die elektrische Energie
vollständig in thermische umgewandelt wird.
Im Folgenden werden Reihenschaltungen aus
k komplexen Wechselstromwiderständen Z k
betrachtet, deren komplexer Gesamtwiderstand sich mit
Z
¦Z
(39)
k
k
berechnen lässt. Beschreibt Gl. (39) eine
Reihenschaltung bestehend aus Wirk- und
Blindwiderständen, wird am gesamten Wechselstromwiderstand nur ein gewisser Teil der
aufgenommenen Energie in thermische Energie umgewandelt. Deshalb bezeichnet man
diesen Gesamtwiderstand auch als Scheinwiderstand oder Impedanz.
Für eine Reihenschaltung aus einem ohmschen und einem induktiven Widerstand
erhält man für die komplexe Impedanz
Z
R jZ L
(40)
bzw. für ihren Betrag
Z
Z
R 2 (Z L) 2 .
(41)
Der in Gl. (40) beschriebene komplexe Widerstand lässt sich in der Gauß’schen Zahlenebene als Zeigerdiagramm (Abb. E.3.0.3.b)
darstellen. Zur Charakterisierung der Phasenverschiebung zwischen der Gesamtspannung u und der Stromstärke i , die im Reihenkreis überall gleich ist, verwendet man
den Phasenwinkel M = M u M i , wobei der
Nullphasenwinkel des Stroms im Folgenden
zweckmäßigerweise null gesetzt wird.
Nach Anwendung der zweiten KirchhoffRegel auf die an einem Generator mit der
Ausgangsspannung u angeschlossene Reihenschaltung folgt
u
uR uL .
(42)
Die Phase der Spannung an der Spule u L
läuft der Phase der Stromstärke i und damit
auch der Phase der Spannung am ohmschen
Widerstand um ʌ/2 voraus. Nach der Division von Gl. (42) durch e jZ t ergibt sich die
zeitunabhängige Beziehung
uˆ
uˆ R e j 0 uˆ L e
j
ʌ
2
,
die sich in der Gauß’schen Zahlenebene als
ruhendes Zeigerdiagramm (Abb. E.3.0.3a)
darstellen lässt. Das Zeigerdiagramm für die
komplexen Widerstände (Abb. E.3.0.3b)
erhält man durch Division von Gl. (42) mit
dem Betrag der Amplitude der Stromstärke
iˆ iˆ . Für die Phasenverschiebung zwischen Gesamtspannung und Stromstärke
folgt dann
tan M
Im( Z )
Re( Z )
ZL
R
.
(43)
Reale Spulen haben durch ihre Drahtwicklungen immer einen ohmschen Anteil RSp,
der in der üblichen Ersatzschaltung eine
Reihenschaltung mit dem induktiven Widerstand bildet. Für reale Spulen, die als induktive Widerstände eingesetzt werden sollen,
muss im Anwendungsbereich bei allen Fre-
198 Elektrizitätslehre
3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen
quenzen die Ungleichung RSp << Z L gültig
sein. Dann unterscheidet sich der Phasenwinkel M nur wenig vom Phasenwinkel S/2 im
Falle einer idealen Spule.
a)
Z
R
u^L
u^
R2 Z
u^R
R j
1
ZC
(47)
1
Z C 2
.
(48)
Der Phasenwinkel M (Abb. E.3.0.3.c) zwischen Gesamtspannung und Stromstärke ist
negativ:
j ωL
Z
δ
1
jZ C
mit dem Betrag
ϕ
b)
Für die Impedanz der Reihenschaltung aus
einem ohmschen und einem kapazitiven
Widerstand ergibt sich
Im( Z )
Re( Z )
tan M
ϕ
1
.
Z CR
(49)
R, RSp
c)
ϕ
Werden mehrere Kondensatoren und ohmsche Widerstände in Reihe geschaltet, sind in
die Gln. (47) bis (49) der ohmsche Gesamtwiderstand nach Gl. (45) und die Gesamtkapazität C einzusetzen, die sich mit
R
-j
ωC
Z
Abb. E.3.0.3 Spannungszeiger für eine RL-Schaltung (a), Impedanzzeigerdiagramme für eine RL(b) und eine RC-Schaltung (c)
Der Winkel G ʌ / 2 M ist ein Maß für die
ohmschen Verluste. Den Winkel G bezeichnet man daher als Verlustwinkel und
tan G
tan 1 M
R
(44)
ZL
als Verlustfaktor.
Werden mehrere Spulen und ohmsche Widerstände in Reihe geschaltet, sind in die
Gln. (40) bis (44) der ohmsche Gesamtwiderstand und die Gesamtinduktivität einzusetzen:
R
¦R
n
n
, L
¦L
k
k
.
(45, 46)
1
C
1
¦C
i
(50)
i
berechnen lässt. Bei einer Parallelschaltung
aus Wechselstromwiderständen erfolgt die
Beschreibung zweckmäßigerweise über den
komplexen Leitwert Y, den man auch als
Admittanz bezeichnet. Die Admittanz des
komplexen Gesamtwiderstands Z einer Parallelschaltung aus k Wechselstromwiderständen Z k ist durch Gl. (51) gegeben:
Y
1
Z
1
¦Z
k
.
(51)
k
Für die Parallelschaltung aus einer Spule und
einem ohmschen Widerstand folgt:
Y
1
1
R jZL
1
1
j
.
R
ZL
(52)
Im Falle einer Parallelschaltung addiert man
3.1 Oszilloskop und Phasenbeziehungen
199
jeweils die Wirk- und die Blindleitwerte:
1
R
1
¦R
k
1
ZL
,
k
1
¦Z L
k
.
tan M
k
1
jZ C ,
R
Y
(54a)
R 2 (Z C ) 2 .
Y
(54b)
Gl. (54a) folgt auch aus der Ersatzschaltung
für einen realen Kondensator, bei dem z. B.
durch dielektrische Verluste elektrische Energie in Wärme ungewandelt wird. Der Verlustfaktor wird durch
1
ZCR
tan G
(55)
beschrieben. Für einen idealen Kondensator
( R o f ) ist der Wert von tan G null. Sind
k Kondensatoren parallel zueinander geschaltet, erhält man für die Gesamtkapazität
C
¦C
k
(56)
.
k
Für eine aus ohmschem, induktivem und
kapazitivem Widerstand bestehende Reihenschaltung ergibt sich die Impedanz mit
Z
R jZ L 1
jZ C
(57)
1
R j (Z L )
ZC
bzw. für den Betrag des komplexen Widerstands folgt
Z
Z
§
1 ·
R ¨Z L ¸
ZC¹
©
2
ZL
(53)
Man erhält für den komplexen Leitwert bzw.
für dessen Betrag bei einer Parallelschaltung
bestehend aus einem Kondensator und einem
ohmschen Widerstand:
Y
Strom berechnet man mit
2
.
(58)
Den Phasenwinkel M zwischen Spannung und
1
ZC
R
.
(59)
Aus Gl. (58) ist abzulesen, dass sich die
Blindwiderstände bei einer charakteristischen
Kreisfrequenz Z0 gegenseitig aufheben:
Z0
2ʌ f 0
1
LC
.
(60)
Dieser spezielle Fall wird als Resonanz und
f0 als Resonanzfrequenz bezeichnet. Der Gesamtwiderstand ist dann allein durch den
Wirkwiderstand R bestimmt und die Phasendifferenz zwischen Spannung und Stromstärke beträgt null (vgl. E.4.0.2).
3.1 Oszilloskop und Phasenbeziehungen
Aufgabenstellung
1. Der Phasenverlauf zwischen Strom und
Spannung ist als Funktion der Frequenz für
eine RC-, eine RL- und eine RLC-Reihenschaltung mit Hilfe von Lissajous-Figuren zu
ermitteln. Bei der RLC-Schaltung sind für
fünf ausgewählte Frequenzen die Phasenverschiebungen zusätzlich aus der Zeitdarstellung der Signale zu bestimmen.
2. Aus der Phasenverschiebung an der RLSchaltung soll die Induktivität der Spule
ermittelt werden.
3. Für die RLC-Reihenschaltung ist die Resonanzfrequenz zu messen und daraus die
Kapazität des Kondensators zu bestimmen.
Die Messungen werden mit einem Oszilloskop durchgeführt. Damit lässt sich der
Verlauf einer elektrischen Spannung in Abhängigkeit von der Zeit oder im Vergleich zu
einer anderen Spannung darstellen. Neben
Formmerkmalen, Amplituden und Periodendauern von Spannungen können auch Frequenzverhältnisse und Phasenlagen in Bezug
200 Elektrizitätslehre
3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen
auf eine Vergleichsspannung gemessen werden. Man unterscheidet zwischen analogen
und digitalen Oszilloskopen. Im Folgenden
wird das Funktionsprinzip beider Oszilloskoparten kurz beschrieben. Die wesentlichen
Funktionseinheiten, die man in beiden Geräten findet, sind die Y- und X-Verstärker für
die entsprechenden Signaleingänge, die Einheiten für die Zeitbasis und die Triggerung
sowie die Anzeigeeinheit. Die Zeitbasis
bestimmt die Signaldarstellung in x-Richtung. Über den Trigger wird festgelegt, wann
das Oszilloskop mit der Messung und Signalanzeige beginnt.
a b
UH
d
e f
c
g
verkleinertes Bild der emittierenden Kathodenfläche auf dem Leuchtschirm zu erzeugen. Zur Horizontal- und Vertikalablenkung
dienen die um 90q gegeneinander versetzt
angeordneten Y- bzw. X-Ablenkplattenpaare
(e, f), an die Mess- und Vergleichsspannungen gelegt werden können. Die entsprechenden elektrischen Felder bewirken eine proportional zur angelegten Spannung horizontale bzw. vertikale Ablenkung auf dem
Leuchtschirm.
Um den zeitlichen Verlauf einer Spannung
auf dem Leuchtschirm abbilden zu können,
wird diese an die Y-Platten angelegt und der
Elektronenstrahl in x-Richtung zeitproportional mit Hilfe einer sägezahnförmigen Wechselspannung ausgelenkt (Abb. E.3.1.2), die
der Zeitablenkgenerator für die eingestellte
Zeitbasis erzeugt.
Wartezeit
ux(t)
Intensitätseinstellung
(a)
t
Fokusierungseinstellung
Nachbeschleunigung
UB
Abb. E.3.1.1 Prinzipieller Aufbau einer Kathodenstrahlröhre (UH Heizspannung, UB Beschleunigungsspannung)
Die Anzeigeeinheit in analogen Geräten ist
eine Kathodenstrahlröhre (Abb. E.3.1.1). Bei
dieser werden die aus einer Heizkathode (a)
austretenden Elektronen zur zylindrischen
Anode (d) hin beschleunigt. Der durch eine
Lochblende begrenzte Teil des Elektronenstrahls trifft auf den Leuchtschirm (g), dessen
Beschichtung durch die kinetische Energie
der Elektronen zur Emission von sichtbarem
Licht angeregt wird. Die Kathode ist vom
Wehnelt-Zylinder (b) umgeben, über dessen
Steuerspannung die Intensität des Elektronenstrahls geregelt werden kann. Die Hilfsanode (c) wirkt gemeinsam mit der Anode (d)
als elektronenoptische Sammellinse zur
Strahlfokussierung, die es ermöglicht, ein
uy(t)
Triggerpegel
(b)
t
Abb. E.3.1.2 Prinzip der Triggerung, Synchronisation der Zeitverläufe von Sägezahnspannung (a)
und Signalspannung (b) durch Triggerpegel und
Signalflanke
Während des linearen Anstiegs der Sägezahnspannung (Abb. E.3.1.2a) wird der Elektronenstrahl horizontal über den Schirm
geführt. Beim Sprung der Sägezahnspannung
auf den Wert null wird der Strahl auf seine
Anfangsposition zurückgesetzt, wobei durch
ein ausreichend hohes negatives Potential des
Wehnelt-Zylinders der Strahl während dieses
Vorgangs auf dem Leuchtschirm nicht sichtbar ist. Um zeitlich stabile Bilder zu erzeu-
3.1 Oszilloskop und Phasenbeziehungen
gen, muss durch die Triggereinheit die Phasenlage der Sägezahnspannung in geeigneter
Weise mit der Phase des darzustellenden
Signals synchronisiert werden. Es ist erforderlich, den Elektronenstrahl vor jedem
Durchlauf solange aufzuhalten, bis das zu
messende Signal wieder einen durch die
Triggereinstellung definierten Anfangszustand (Pegel und Flanke) erreicht. Dadurch
werden die einzelnen Signalperioden (in
Abb. E.3.1.2 rot markiert) stets genau übereinander gezeichnet und ermöglichen zusammen mit der relativ langen Nachleuchtdauer der Leuchtschicht ein stehendes Bild.
Beim digitalen Speicheroszilloskop (kurz
Digitaloszilloskop) wird das jeweilige analoge Eingangssignal nach seiner Verstärkung
oder Abschwächung in einem festgelegten
zeitlichen Abstand kontinuierlich abgetastet.
Der zu einem bestimmten Zeitpunkt gehörende Analogwert der Spannung wird mit
einem Analog-Digital-Wandler (Anhang A.4)
in ein binär kodiertes Signal gewandelt und
zwischengespeichert.
Die zeitliche Genauigkeit der Erfassung
nimmt mit der Häufigkeit der Signalabtastung (Abtastfrequenz fa) zu, die durch die
Wahl der Zeitbasis festlegt wird. Wenn ein
Signal der Frequenz f nicht schnell genug
abgetastet wird (fa > 2 f ), treten Fehldarstellungen auf. Das Oszilloskop zeigt dann eine
niedrigere Frequenz an oder es lässt sich trotz
Triggerung kein stabiles Signal einstellen.
Um diesen Effekt zu vermeiden, ist die Abtastrate (Zeitbasis) für die Signalerfassung
ausreichend klein zu wählen (F.1.0.1).
Die Genauigkeit der Signalwerte wird durch
die Auflösung (Anzahl der verfügbaren Bits)
des Analog-Digital-Wandlers festgelegt. Die
binär kodierten Abtastwerte werden dann bis
zu einer durch das Gerät festgelegten Maximalzahl n in den Speicher geschrieben. Im
zyklisch beschreibbaren Speicher befinden
sich immer die letzten n Werte. Durch das
Triggersignal wird zu einem bestimmten
Zeitpunkt die Übergabe der Daten an den
201
Bildspeicher ausgelöst und die Darstellung
des digitalisierten Signals erfolgt z. B. mit
Hilfe einer Flüssigkristallanzeige (LCD,
Liquid Crystal Display). Soll das digitale
Signal wieder in ein analoges Signal umgewandelt werden, ist dazu ein Digital-AnalogWandler (E.5.5.3) erforderlich. In der Regel
lassen sich bei einem Digitaloszilloskop die
Daten über eine Schnittstelle (Interface) zur
Weiterverarbeitung mit einem Rechner oder
zum Drucken auslesen.
Der Phasenwinkel M zwischen Stromstärke
und Spannung lässt sich aus der Darstellung
der zeitlichen Verläufe der an der jeweiligen
Reihenschaltung anliegenden Gesamtspannung u(t) und der Spannung am ohmschen
Widerstand uR(t) = R i(t) bestimmen. Dazu
werden die beiden Spannungen über die
Eingangskanäle der Y-Verstärker eines z. B.
zweikanaligen Oszilloskops erfasst und in
Abhängigkeit von der Zeit dargestellt. Sind
zwei aufeinander folgende Nulldurchgänge
der Spannungen uR (t ) uˆR cos (Z t Mi ) und
u (t ) uˆ cos (Z t Mu ) um das Zeitintervall 't
verschoben, folgt für den Betrag des Phasenwinkels die Beziehung
M
Mu Mi
Z 't
2ʌ
't .
T
(61)
Verwendet man das Oszilloskop in der so
genannten X-Y-Betriebsart, wird die Zeitbasis abgeschaltet und das Eingangssignal eines
Kanals auf den X-Verstärker geleitet. Durch
die Überlagerung beider Signale entstehen
dann Lissajous-Figuren auf dem Bildschirm.
Da ihre Gestalt vom Betrag des Phasenwinkels M abhängig ist (Abb. E.3.1.5), ergibt sich
eine weitere Möglichkeit für seine Bestimmung. In Abb. E.3.1.3 ist dargestellt, wie in
der X-Y-Betriebsart die über dem ohmschen
Widerstand R abfallende und dem Strom
phasengleiche Spannung uR dem XVerstärker des Oszilloskops zugeführt wird.
Die gegenüber uR phasenverschobene Spannung u der jeweiligen Reihenschaltung aus
202 Elektrizitätslehre
3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen
Wirk- und Blindwiderstand liegt am YVerstärker an.
C
G
C
f
L, RSp
L, RSp u
y
R
ux
Abb. E.3.1.3 Versuchsschaltung zur Messung des
Phasenwinkels zwischen Strom und Spannung
(Spule: Induktivität L, ohmscher Widerstand RSp)
Am Oszilloskop beobachtet man auf der mit
einem Messraster (bzw. Messcursor) versehenen Anzeigeeinheit die Überlagerung
zweier zueinander senkrechter elektrischer
Schwingungen mit der Phasenverschiebung M, z. B.
u R (t )
u x (t )
uˆ x cos Z t ,
u (t ) u y (t ) uˆ y cos(Z t M ) .
(62a)
uˆ x
, ay
xˆ
uˆ y
.
yˆ
(64)
y (t )
xˆ cos Z t ,
yˆ cos(Z t M )
yˆ (cos Z t cos M sin Z t sin M ) .
0 .
(65)
Diese Gleichung beschreibt eine Ellipse,
deren Mittelpunkt mit dem Ursprung des x-yKoordinatensystems (Abb. E.3.1.4) zusammenfällt. Die Hauptachsen der Ellipse decken
sich wegen des Produkts x y jedoch nicht mit
den Koordinatenachsen. Für die weiteren
Betrachtungen werden die Identitäten a xˆ
und b yˆ verwendet.
y
x=-a
x=+a
y=+b
y0
x0
x
-x0
-y0
y=-b
Abb. E.3.1.4 Entstehung einer Ellipse durch die
Überlagerung zweier orthogonaler Schwingungen
gleicher Frequenz
Mit Gl. (65) erhält man für die Koordinaten
( x 0, y y0 ) und ( x x0 , y 0) der
Schnittpunkte der Ellipse mit den Koordinatenachsen die Beziehungen x0 a sin M und
y0 b sin M . Damit folgt für die Phasenverschiebung
Mit Gl. (64) erhält man:
x (t )
x2 y 2
xy
2
cos M - sin 2M
xˆ 2 yˆ 2
xˆ yˆ
(63a)
Der quantitative Zusammenhang zwischen
den auf dem Messraster des Bildschirms
ablesbaren geometrischen Abmessungen der
entstehenden Figur und den an den Kanälen
anliegenden Spannungen ist über die Ablenkkoeffizienten ax bzw. ay, die am Oszilloskop eingestellt werden können, gegeben:
ax
2
§ x·
Aus Gl. (62b) folgt sin Z t = 1 ¨ ¸ und
© xˆ ¹
mit Gl. (63b) ergibt sich
(62b)
sin M
(63b)
x0
a
y0
.
b
(66)
Aus der Ellipsengleichung Gl. (65) ergeben
3.2 Tief- und Hochpass
sich für M
k ʌ (k
203
0,1, 2,...) zwei quadrati2
§x y·
sche Gleichungen der Form ¨ B ¸ 0
©a b¹
und die Ellipse geht in Ursprungsgeraden
vom Typ y r (b / a ) x über.
Weitere Spezialfälle sind in Abb. E.3.1.5
zusammengestellt.
ϕ
a=b
a=b
0
π
4
π
2
3
π
4
π
5
π
4
3
π
2
7
π
4
2π
Abb. E.3.1.5 Lissajous-Figuren zweier zueinander
orthogonaler Schwingungen gleicher Frequenz
Versuchsausführung
Bei Aufgabe 1 erfolgt die Messung der Phasenverschiebung zunächst im X-Y-Modus.
Beim Aufbau der Schaltung nach
Abb. E.3.1.3 ist zu beachten, dass die Massen
der Messkabel des Oszilloskops und ggf. die
Masse des Generators auf einen Schaltungspunkt gelegt werden müssen. Die Amplitude
der Sinusspannung des Generators und die
Regler der Messverstärker am Oszilloskop
sind so einzustellen, dass eine größtmögliche
Lissajous-Figur auf dem Bildschirm entsteht.
Anschließend sind für die RC-, RL- und
RLC-Reihenschaltung in einem vorgegebenen Frequenzintervall für jeweils zehn verschiedene Frequenzen die jeweiligen Mittelwerte aus r x0 bzw. r y0 zu bestimmen und
damit nach Gl. (66) die Beträge der Phasenwinkel zu berechnen.
Das Vorzeichen des Phasenwinkels ergibt
sich aus seiner Veränderung mit wachsender
Frequenz. Wird der Wert von M bei Frequenzerhöhung kleiner, ist M < 0, andernfalls
ist M > 0. Die Phasenwinkel M sind als Funktion der Frequenz f im einfachlogarithmischen Maßstab (M linear, f logarithmisch) graphisch darzustellen. Zusätzlich
sind bei der RLC-Schaltung für fünf ausgewählte Frequenzen die Phasenverschiebung
mit Gl. (61) aus der Zeitdarstellung der Gesamtspannung und der Spannung am ohmschen Widerstand zu bestimmen, indem man
die Zeitdifferenz 't ermittelt.
Die Bestimmung der Größe der Induktivität
bei Aufgabe 2 erfolgt mit Gl. (43), dabei
muss der Wert des Gesamtwiderstands R+RSp
bekannt sein. Ansonsten kann er mit einem
Ohm-Meter direkt gemessen werden. Die
Größe der Induktivität lässt sich zum Vergleich mit einem LC-Meter bestimmen.
Um bei Aufgabe 3 die Kapazität aus der
Resonanzfrequenz f0 und der Induktivität L
nach Gl. (60) zu ermitteln, wird im Falle der
RLC-Schaltung diejenige Frequenz gesucht,
bei der die Ellipse zu einer Geraden wird
(Resonanz). Die Resonanzfrequenz kann mit
einem Digitalzähler gemessen werden.
3.2 Tief- und Hochpass
Aufgabenstellung
1. Für einen RC-Tiefpass sollen der Betrag
der Übertragungsfunktion und die Phasenverschiebung zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung in Abhängigkeit von der
Frequenz gemessen und graphisch dargestellt
werden. Es sind die Grenzfrequenz des Filters und die Phasenverschiebung zwischen
204 Elektrizitätslehre
3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen
Ausgangs- und Eingangsspannung bei der
Grenzfrequenz zu bestimmen.
2. Die Grenzfrequenz eines RC-Hochpasses
und die Phasenverschiebung zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung bei der Grenzfrequenz sind aus der Zeitverschiebung der
Signale zu ermitteln.
3. Es ist die Signalverformung von Rechteckimpulsen unterschiedlicher Frequenzen durch
den RC-Tiefpass zu untersuchen und zu
diskutieren.
zur Beziehung für die Frequenzabhängigkeit
der Spannungsübertragung beim RCTiefpass:
ua
ue
ua
ue
1
,
1 jZ R C
(68a)
ua
1
ue
1 Z RC RC-Tief- und RC-Hochpass (Abbn. E.3.2.1
und E.3.2.2) sind frequenzabhängige Spannungsteiler.
2
(69)
.
C
R
ue
ue
C
R
ua
ua
Abb. E.3.2.2 RC-Hochpass
Abb. E.3.2.1 RC-Tiefpass
Die Eingangsspannung ue liegt an der Reihenschaltung aus ohmschem und kapazitivem
Widerstand an:
ue
u R uC
i (R j
1
) .
ZC
(67)
Der Betrag der Spannung am Kondensator
verringert sich nach Gl. (34) mit zunehmender Frequenz. Wird die Ausgangsspannung ue am kapazitiven Widerstand abgegriffen, liegt ein Tiefpass vor, der Signale mit
niedriger Frequenz passieren lässt. Mit
ua = uC ergibt sich für das Verhältnis von
Ausgangs- und Eingangsspannung
ua
ue
ua
ua uR
1
u
1 R
ua
ua jM
e .
ue
(68)
Die Verwendung der Gln. (34) und (67) führt
Beim RC-Hochpass (Abb. E.3.2.2) wird die
Ausgangsspannung am ohmschen Widerstand abgegriffen, daher können Signale mit
höherer Frequenz diese RC-Schaltung passieren. Zum RC-Tiefpass analoge Rechnungen
ergeben für das Verhältnis der Spannungen
ua
ue
1 j
ua
ue
ua
ue
1
1
Z RC
,
(68b)
1
§ 1 ·
1 ¨
¸
© Z RC ¹
2
.
(70)
Die Gln. (69) und (70) bezeichnet man auch
als Übertragungsfunktionen von einem Tiefbzw. Hochpass. Allgemein werden diese
durch das Verhältnis der komplexen Ausgangs- zur komplexen Eingangsspannung
3.2 Tief- und Hochpass
205
beschrieben:
ua
ue
G (Z )
ua jM
e
ue
G (Z ) e jM .
(71)
Dabei ist M die Phasenverschiebung zwischen
Ausgangs- und Eingangsspannung und es gilt
nach Anhang A.1:
Im(G (Z ))
.
Re(G (Z ))
tan M
Durch Erweitern der Nenner in den
Gln. (68a) und (68b) mit ihren konjugiert
komplexen Größen lassen sich Real- und
Imaginärteil trennen und für die Phasenverschiebungen folgt
M
arctan Z R C (Tiefpass) ,
(72)
1
arctan
ZRC
(Hochpass) .
(73)
ua
uC
ue R i(t ) .
Mit i (t ) C
(75a)
duC
folgt daraus die Differentidt
1
RC
(74)
ua
ue
1
§Z
1 ¨
¨ Zg
©
·
¸¸
¹
(69a)
2
ua
ue
dua
.
dt
(75b)
zeigt, dass ein Tiefpass unter bestimmten
Bedingungen als Integrierglied eingesetzt
werden kann. Der für die Integration verlangte Fall
ua, v (t )
1
RC
³ u (t ) dt
e
(76b)
1
ua (t )dt
RC ³
1
§Z ·
1 ¨ g ¸
©Z ¹
1
1
ue (t ) dt ua (t ) dt (76a)
RC ³
RC ³
tritt nur ein, wenn die Lösung des Integrals
und beim Hochpass
G (Z )HP
ue R C
ua (t )
erhält man für die Beträge der Übertragungsfunktionen beim Tiefpass
G (Z )TP
ua
Die Integralform dieser Differentialgleichung
Mit der Grenzkreisfrequenz Zg mit
Zg
M (Zg ) 45 q . Die Beträge der Übertragungsfunktionen sowohl für den Tief- als auch für
den Hochpass haben in diesem speziellen
Fall den Wert 1/ 2 .
Für die Schaltung eines RC-Tiefpasses
(Abb. E.3.2.1) gilt
algleichung
bzw.
M
die Gln. (69) und (72) sowie für den Hochpass durch die Gln. (70) und (73) vollständig
beschrieben.
Im Fall Z = Zg ergibt sich eine Phasenverschiebung zwischen der Ausgangs- und der
Eingangsspannung beim Tiefpass von
M (Zg ) 45 q und beim Hochpass von
2
.
(70a)
Damit ist die komplexe Übertragungsfunktion G (Z ) G (Z ) e jM für den Tiefpass durch
null ist. Damit ist dieses Integral ein Maß für
die Abweichung zwischen der Spannung ua(t)
und ua,v(t). Der Einfluss dieser Abweichung
wird deutlich, wenn man die Übertragung
eines aperiodischen Signals mit dem RCTiefpass als Integrierglied betrachtet. Das
aperiodische Signal sei z. B. durch die
206 Elektrizitätslehre
3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen
Sprungfunktion ue(t) = 0 für t 0 und
ue (t ) U K const für t t 0 gegeben. Die
Lösung von Gl. (75b) lautet
ua (t ) U K (1 e
t
RC
) .
(77a)
Entwickelt man die Exponentialfunktion in
eine Reihe, erhält man
2
ª t
º
1 § t ·
ua (t ) U K «
¨
¸ ...» . (77b)
¬« RC 2! © RC ¹
¼»
Für ue(t) = UK lautet die Lösung des Integrals
in Gl. (76b)
ua (t )
UK
t .
RC
Der Vergleich dieser Lösung mit Gl. (77b)
ergibt bei Vernachlässigung der Glieder
höherer Ordnungen den Betrag der gesuchten
Abweichung:
'ua (t )
UK
t2 .
2( RC ) 2
(78)
Für den Betrag der relativen Abweichung in
den Grenzen von 0 bis T erhält man
'ua
ua
T
.
2RC
(79)
Diese wird umso kleiner, je größer das Produkt R C gegenüber der Integrationszeit T ist.
Analoge Resultate erhält man, wenn zum
Zeitpunkt t = 0 der Spannungssprung von
ue (t ) U K const auf ue (t ) 0 erfolgt. Die
Lösung der Differentialgleichung Gl. (75b)
wird dann durch Gl. (11) beschrieben.
Versuchsausführung
Bei Aufgabe 1 ist für die Ermittlung des
Betrags der Übertragungsfunktion für den
Tiefpass die Schaltung nach Abb. E.3.2.1
aufzubauen. Die Sinusspannung eines Funktionsgenerators wird an die Tiefpass-
Schaltung angeschlossen und mit den beiden
Messkanälen eines Zweikanal-Oszilloskops
erfasst man sowohl die Eingangs- als auch
die Ausgangsspannung. Dabei ist zu beachten, dass die Massen beider Messkanäle und
die Masse des Funktionsgenerators zusammengeschaltet sind.
Mit dem Oszilloskop werden die Amplituden
der Ausgangs- und Eingangsspannung der
entsprechenden Signale bestimmt. Die Y-Ablenkkoeffizienten der beiden Kanäle des
Oszilloskops werden zweckmäßigerweise
gleichgroß eingestellt. Aus dem Verhältnis
zwischen den Werten der beiden Spannungen
ermittelt man bei zehn verschiedenen Frequenzen in einem vorgegebenen Frequenzbereich die Werte der Übertragungsfunktion
des Tiefpasses. Bei den gleichen Frequenzen
wird die Frequenzabhängigkeit der Phasenverschiebung zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung mit Hilfe von Gl. (66) aus der
Lissajaous-Figur (Abb. E.3.1.4) ermittelt.
Der Betrag der Übertragungsfunktion und die
Phasenverschiebung sind jeweils in einem
Diagramm mit logarithmisch eingeteilter
Abszisse (Frequenzkoordinate) graphisch
darzustellen und zu diskutieren. Zusätzlich
sind die nach Gl. (69) mit den bekannten
Größen für R und C berechneten Werte einzutragen. Bei Aufgabe 2 ermittelt man nach
dem Aufbau der RC-Hochpass-Schaltung
(Abb. E.3.2.2) wie bereits oben beschrieben
die erforderlichen Spannungen mit dem Oszilloskop. Für das Spannungsverhältnis
1/ 2 und für die Phasenverschiebung von
45° ist jeweils die Frequenz zu bestimmen.
Diese Werte sind mit dem theoretischen Wert
für die Grenzfrequenz nach Gl. (74) zu vergleichen. Für Aufgabe 3 liefert der Funktionsgenerator eine periodische Folge von
Rechteckimpulsen mit der Periodendauer T.
Es sind drei charakteristische Fälle (T << RC,
T | RC, T >> RC) zu untersuchen. Die Signalverläufe sind zu skizzieren und zu diskutieren sowie die Größe der relativen Abweichungen nach Gl. (79) abzuschätzen.
3.3 Sprungantworten von RC- und RL-Schaltungen
3.3 Sprungantworten von RCund RL-Schaltungen
Aufgabenstellung
1. Es sind die Sprungantworten von RC- und
RL-Reihenschaltungen nach dem Ein- und
Ausschalten einer Gleichstromquelle zu
erfassen.
2. Aus den Zeitabhängigkeiten der Stromstärken und der Spannungen am Kondensator
sowie an der Spule sollen die Kapazität des
Kondensators, die Größe eines unbekannten
Widerstands und die Induktivität der Spule
bestimmt werden.
Die Messungen erfolgen mit einem Digitaloszilloskop (E.3.1) oder einem rechnergestützten Messwerterfassungssystem. Im letzteren Fall lassen sich die Zeitbasis, der Trigger und andere Messbedingungen über die
zur Verfügung gestellte Software einstellen.
2
1
0
+
C
RA
UK
-
UR
R
Abb. E.3.3.1 Erfassen des Zeitverhaltens der
Stromstärke beim Aufladen eines Kondensators
Die Messung der Sprungantworten der RCSchaltung erfolgt mit Hilfe der in den
Abbn. E.3.3.1 und E.3.3.2 dargestellten
Schaltungen. Der Kondensator wird über den
Widerstand R auf- bzw. entladen. Der Widerstand RA dient jeweils der Strombegrenzung beim Auf- bzw. Entladen vor und zwi-
207
schen den einzelnen Messungen. Zweckmäßigerweise wird die Masse des zur Messung
verwendeten Oszilloskops bzw. des PCInterface mit dem Minuspol der Quelle verbunden und die Messwerterfassung startet
gleichzeitig mit dem Schalten des Relais. Das
Zeitverhalten der Stromstärke kann indirekt
über die Zeitabhängigkeit der Spannung am
ohmschen Widerstand gemessen werden.
RA
1
2
0
UC
+
UK
-
C
R
Abb. E.3.3.2 Erfassen des Zeitverhaltens der
Kondensatorspannung beim Entladen
Die Zeitdarstellung der Sprungantworten
erfolgt auf einem Bildschirm und bereits dort
können z. B. mittels eines Messcursors einzelne Werte abgelesen werden. Für die rechentechnische Auswertung mit geeigneter
Software können die Messdaten in einem
Rechner gespeichert werden.
Mit der Zeitkonstanten für den Einstellvorgang an einer RC-Schaltung gemäß Gl. (5)
lässt sich das Zeitverhalten der Stromstärke
nach dem Einschalten (Abb. E.3.3.1) der
Gleichstromquelle durch die Beziehung
U R (t )
I (t ) R U K e
t
W RC
(80)
beschreiben. Unter Verwendung der Schaltung nach Abb. E.3.3.2 ist bei Schalterstellung 1 die Aufladung des Kondensators über
den Widerstand RA möglich. Nach dem
Umschalten des Schalters in die Stellung 2
entlädt sich der Kondensator über den Wider-
208 Elektrizitätslehre
3 Spulen und Kondensatoren in Gleich- und Wechselstromkreisen
stand R . Im Falle eines vollständig aufgeladenen Kondensators ist die angelegte
Klemmspannung gleich der Ladespannung
des Kondensators (UK = U0) vor dem Umschalten und für die Zeitabhängigkeit der
Kondensatorspannung gilt dann
U C (t ) U 0 e
t
W RC
.
(81)
Zur Untersuchung der Einstellvorgänge an
der RL-Schaltung werden die in den
Abbn. E.3.3.3 bzw. E.3.3.4 dargestellten
Schaltungen verwendet.
und der zeitabhängigen, am ohmschen Widerstand RSp der Spule abfallenden Spannung
zusammensetzt: U L , RSp I (t ) RSp U ind (t ).
Für die Zeitabhängigkeit von U L , RSp folgt aus
den Gln. (22) und (23)
U L , RSp (t ) R RP
UK e
R RSp
R RSp RP
t
L
mit der Zeitkonstante WRL,a (Gl. (22a)).
1
0
2
1
0
R
2
+
UK
L, RSp
RP
-
+
UK
UL, RSp
L, RSp
UR
-
R
Abb. E.3.3.3 Schaltung zur Messung des Zeitverhaltens des Stroms durch eine Spule nach dem
Einschalten der Gleichstromquelle
Das Zeitverhalten der Stromstärke in einer
RL-Schaltung nach dem Einschalten ist mit
der Schaltung in Abb. E.3.3.3 zu untersuchen, wobei die Zeitabhängigkeit der Stromstärke dem Zeitverhalten der Spannung am
ohmschen Widerstand mit der Zeitkonstanten
WRL,e nach Gl. (17a) entspricht:
U R (t )
R I (t ) U f (1 e
t
W RL ,e
) .
(82)
Nach einer hinreichend langen Zeit liegt am
ohmschen Widerstand R die Spannung U f
an. In der Schaltung nach Abb. E.3.3.4 wird
messtechnisch die Spannung an der Spule
U L , RSp nach dem Abschalten erfasst, die sich
aus der zeitabhängigen Induktionsspannung
Abb. E.3.3.4 Schaltung zur Messung des Zeitverhaltens der Spannung an einer Spule nach dem
Abschalten der Gleichstromquelle
Alle oben beschriebenen Versuchsschaltungen ergeben Sprungantworten, die sich im
Allgemeinen durch die beiden Exponentialfunktionen mit der Zeitkonstante W beschreiben lassen:
t
U (t ) U f (1 e W ) ,
U (t ) U 0 e
(83)
t
W
.
(84)
Für t = W erhält man mit Gl. (83)
U(W ) = Uf (1 e-1) und nach Gl. (84) folgt
U(W ) = U0 e-1. Damit lassen sich die Zeitkonstanten auch durch direktes Ablesen aus der
graphischen Darstellung der Sprungantworten bestimmen. Aus praktischen Gründen
ermittelt man häufig die Zeit t1/2, für die
U(t1/2) = U0 /2 bzw. U(t1/2) = Uf /2 gilt. Aus
dieser ergibt sich die Zeitkonstante mit
W = t1/2 / ln 2 für beide Fälle.
4.0 Grundlagen
209
Nach der Datenübernahme in einen Rechner
kann man mit geeigneter Software die Zeitkonstante mittels Anpassungsrechnungen in
Bezug auf die entsprechenden Exponentialfunktionen nach den Gln. (83) bzw. (84) oder
durch lineare Regression in einem lnU-tDiagramm ermitteln.
4 Elektrische Schwingungen
Versuchsausführung
4.0.1 Freie gedämpfte Schwingungen
Zur Realisierung der Aufgabe 1 wird zuerst
die Schaltung zur Erfassung des Ladevorgangs eines Kondensators nach Abb. E.3.3.1
aufgebaut. Das Zeitverhalten der Spannung
am Widerstand UR(t) wird für fünf unterschiedlich große Widerstände, die z. B. mit
Widerstandsdekaden eingestellt werden können, ermittelt. Danach ist mit diesem Kondensator und einem unbekannten Widerstand
R die Versuchsschaltung für den Entladevorgang nach Abb. E.3.3.2 aufzubauen und der
zeitliche Verlauf der Spannung am Kondensator UC (t) zu messen. Für die Untersuchung
der Sprungantworten an den RL-Kombinationen werden die Schaltung für das
Einschalten nach Abb. E.3.3.3 und die Schaltung für das Ausschalten nach Abb. E.3.3.4
aufgebaut. Anschließend wird das Zeitverhalten der Spannung UR (t) bzw. U L , RSp (t ) er-
Ein geladener Kondensator mit der Kapazität C wird zum Zeitpunkt t 0 über eine
Spule mit der Induktivität L und dem ohmschen Widerstand RSp entladen.
fasst. Für die weitere Auswertung ist der
ohmsche Widerstand RSp der Spule mit einem
Ohm-Meter zu messen.
Bei Aufgabe 2 lassen sich aus den Sprungantworten der untersuchten RC- und RLSchaltungen wie oben beschrieben die zugehörigen Zeitkonstanten ermitteln. Die Kapazität des verwendeten Kondensators wird mit
den jeweiligen Zeitkonstanten unter Verwendung von Gl. (5) bestimmt und mit dem Mittelwert der Kapazität erhält man den gesuchten Widerstandswert. Die Induktivität der
Spule kann mit den Zeitkonstanten für den
Ein- und Ausschaltvorgang unter Verwendung der Gln. (17a) und (22a) ermittelt werden. Weitere Hinweise zur Durchführung der
jeweiligen Messungen sind den Hinweisen
am Arbeitsplatz zu entnehmen.
4.0 Grundlagen
RSp
C
L
Abb. E.4.0.1 Schwingkreis aus Kondensator und
Spule, rote Strichlinie kennzeichnet das Ersatzschaltbild einer realen Spule
Der Entladestrom des Kondensators bewirkt
dabei den Aufbau eines magnetischen Felds
um die Spule. Nach der Lenz’schen Regel
wirkt die Induktionsspannung an der Spule
dem Strom entgegen. Die Maximalwerte für
Stromstärke und magnetische Feldstärke
werden daher erst zum Zeitpunkt der vollständigen Entladung des Kondensators erreicht. Die elektrische Energie des Kondensators ist dann vollständig in magnetische Energie (bei Vernachlässigung von Streufeldverlusten der Spule) und thermische Energie
(ohmscher Widerstand) umgewandelt.
Durch die folgende elektromagnetische Induktion wegen der nun abnehmenden magnetischen Feldstärke fließt der Strom durch die
Spule gemäß der Lenz’schen Regel weiter in
Richtung des ursprünglichen Entladestroms.
Der Kondensator wird dadurch mit umge-
210 Elektrizitätslehre
4 Elektrische Schwingungen
kehrter Polarität aufgeladen und die magnetische Feldenergie der Spule wandelt sich
wieder vollständig in elektrische Feldenergie
(Kondensator) und thermische Energie (ohmscher Widerstand) um.
Dieser periodisch ablaufende Vorgang klingt
allmählich ab, da mit jeder halben Periode
Anteile elektrische Feldenergie am ohmschen
Widerstand in thermische Energie umgewandelt werden. Man nennt einen solchen Vorgang eine freie gedämpfte elektrische
Schwingung und die entsprechende RLCSchaltung in Abb. E.4.0.1 wird als Schwingkreis bezeichnet.
In den folgenden Betrachtungen wird ein
Schwingkreis bestehend aus einer idealen
Spule mit der Induktivität L , einem verlustfreien Kondensator der Kapazität C (E.3.0.3)
und einem ohmschen Gesamtwiderstand R ,
der auch den ohmschen Anteil der realen
Spule RSp enthält, beschrieben. Bei der Anwendung der zweiten Kirchhoff-Regel (E.1.0.1) auf diesen Schwingkreis ist die
Induktionsspannung wie die Spannung einer
Stromquelle zu behandeln:
uC uR .
uind
(1)
Für die Teilspannungen an Kondensator,
Spule und ohmschem Widerstand gilt:
uC (t )
Q (t )
,
C
u L (t )
L
uR
d i (t )
dt
(2a)
uind (t ) ,
R i (t ) .
0 .
R
2L
(4)
und der Eigenkreisfrequenz der freien ungedämpften Schwingung
Z0
1
zur folgenden Form der homogenen linearen
Differentialgleichung zweiter Ordnung:
d 2Q
dQ
2G
Z02 Q 0 .
2
dt
dt
(6)
Mit Gl. (2a) ergibt sich aus Gl. (6) die Differentialgleichung für das Zeitverhalten der
Kondensatorspannung:
d 2uC
du
2G C Z02 uC
2
dt
dt
0 .
(7)
Die allgemeine Lösung von Gl. (7) wird
ausführlich im Anhang A.2 beschrieben,
wobei dort y(t) durch uC (t) zu ersetzen ist.
Die Anfangsbedingungen für die Bestimmung der Konstanten K1 und K2 im Lösungsansatz für die freie gedämpfte Schwingung
ergeben sich aus der Spannung am Kondensator und der Stromstärke zum Zeitpunkt t 0 :
(2c)
i (0) 0 .
(3)
(5)
LC
uC (0) uC 0
2
dQ
dQ 1
R
Q
2
dt
dt C
G
(2b)
Mit den Gln. (2a) bis (2c) folgt aus Gl. (1)
unter Verwendung der Beziehung i dQ /dt
die homogene Differentialgleichung zweiter
Ordnung für das zeitliche Verhalten der
Ladung Q des Kondensators:
L
Die Division durch L führt mit Einführung
der Dämpfungskonstanten
Aus i C
Q0
,
C
(8a)
(8b)
duC
folgt als weitere Anfangsbedt
dingung
duC (0)
dt
0 .
(8c)
Mit den so bestimmten Konstanten K1 und K2
sowie durch Umformen und Zusammenfas-
4.0 Grundlagen
211
sen (vgl. Anhang A.2) folgt als reelle Lösung
uC (t )
Q0 Z0 G t
e cos(Z t M )
C Z
(9)
bzw.
Z0
uC (t )
u e G t cos(Z t M ) .
Z C0
R
Z02 G 2 .
(11)
Für den Phasenwinkel M gilt:
§G ·
M arctan ¨ ¸ .
©Z ¹
Rap
2
(10)
Die Kreisfrequenz dieser gedämpften
Schwingung (Abb. E.4.0.2.a) ist
Z Zd
Fall Z 0 = G zwischen gedämpfter Schwingung und Kriechfall nennt man aperiodischen
Grenzfall (Abb. E.4.0.2c). In diesem Fall
ergibt sich für den Dämpfungswiderstand
(12)
uC
a)
t osc
L
.
C
(13)
4.0.2 Reihen- und Parallelschwingkreise
Bei Schwingkreisen, die mit einem Generator
verbunden sind, unterscheidet man zwischen
Reihen- bzw. Serien- und Parallelschwingkreisen (Abb. E.4.0.3). Mit dem Generator G
wird eine harmonische Wechselspannung
u uˆ cos Z t an den zu untersuchenden
Schwingkreis gelegt, wobei Z die Kreisfrequenz der Erregerspannung u ist. Im Weiteren werden nur die Vorgänge beschrieben,
die erst nach dem Abklingen der Einschwingvorgänge auftreten. Dementsprechend wird nur die partikuläre Lösung der
Schwingungsgleichung (Anhang A.2) betrachtet.
a)
L
R
C
G
f
uC
b)
c)
t
Abb. E.4.0.2 Abklingvorgänge an Schwingkreisen bei verschiedenen Dämpfungen: (a) freie,
schwach gedämpfte Schwingung, Z0 >> G,
(b) Kriechfall Z0 < G, (c) aperiodischer Grenzfall Z0 = G, Zeitmaßstäbe tosc und t verschieden
b)
R
G
f
L
c)
G
f
Im Falle einer zu starken Dämpfung ( Z0 G
bzw. R ! 2 L / C ) treten keine Schwingungen mehr auf. Die Amplitude von uC nähert
sich nach hinreichend langer Zeit dem Wert
null. Man bezeichnet diesen Fall auch als
Kriechfall (Abb. E.4.0.2b). Den speziellen
C
C
LP
RP
Abb. E.4.0.3 Schaltung zum Reihenschwingkreis
(a) und für zwei Parallelschwingkreise mit gleicher Impedanz (b, c)
Für den in Abb. E.4.0.3a dargestellten
212 Elektrizitätslehre
4 Elektrische Schwingungen
Schwingkreis gilt nach der zweiten Kirchhoff-Regel (E.1.0.1)
uR uC
u uind
(14a)
uˆC (Z0 )
uˆ
Z0
,
2G
(14b)
uˆC (Z0 )
uˆ
1
R
bzw.
uˆ cos Z t .
uL u R uC
Die Induktionsspannung uind = uL (Gl. (2b))
wird dabei wie die Spannung einer Stromquelle behandelt. Durch ein zur Herleitung
der Gln. (3), (6) und (7) analoges Vorgehen
erhält man aus Gl. (13b) die inhomogene
Differentialgleichung zweiter Ordnung zur
Beschreibung des Zeitverhaltens der Ladung
des Kondensators:
d 2Q
dQ
2G
Z02Q
dt2
dt
uˆ
cos(Z t ) . (15a)
L
Bei Verwendung komplexer Größen für die
Spannungen (E.3.0.2) ergibt sich mit Gl. (2a)
die Differentialgleichung
d2uC
dt2
2G
du C
dt
Z02 u C
Z02 uˆ e jZ t . (15b)
Die reelle Form der partikulären Lösung von
Gl. (15b) ist nach der Gl. (32) im Anhang A.2
uˆC cos(Z t MuC ) .
uC (t )
(16)
C
arctan
L
.
C
(18b)
Wie in Abb. E.4.0.4 dargestellt, tritt jedoch
das Maximum der Amplitude der Spannung
am Kondensator nach Gl. (5) nicht bei der
Resonanzkreisfrequenz Z0 sondern bei der
Kreisfrequenz ZC,max auf, die man durch eine
Extremwertbetrachtung aus Gl. (17) erhalten
kann. Mit der Bedingung
duˆC (ZC ,max )
dt
ZC ,max
0 folgt
Z02 2G 2
(19)
und für Z ZC ,max ergibt sich
uˆC ,max
uˆ
Z02
2 G Z02 G 2
(20)
.
i^
u^C
^i
2G Z
(Z0 2 Z 2 )
beschreibt die Phasenverschiebung zwischen
der Spannung am Kondensator uC (t ) und der
Erregerspannung u (t ) . Für die von der
Kreisfrequenz abhängige Amplitude der
Spannung am Kondensator uˆC (Z ) erhält man
entsprechend Gl. (31) im Anhang A.2:
uˆC (Z )
(18a)
u^C
Der Phasenwinkel
Mu
Im Resonanzfall Z = Z0 beobachtet man am
Kondensator eine Spannungsüberhöhung:
Z02 uˆ
(Z0 2 Z 2 ) 2 4 G 2Z 2
.
(17)
ωC,max ω0
ω
Abb. E.4.0.4 Abhängigkeit der Amplituden der
Kondensatorspannung (rote Kurve) und der
Stromstärke von der Kreisfrequenz im Reihenschwingkreis
Im Resonanzfall heben sich im Reihenschwingkreis die Spannungen am Kondensa-
4.0 Grundlagen
213
tor und an der Spule gegenseitig auf. Der
Imaginärteil (E.3-Gl. (57)) wird null. Aus den
Spannungsamplituden
1
uˆL (Z0 ) iˆ Z0 L iˆ
Z0 C
uˆC (Z0 ) und û
lässt sich auch die Spannungsüberhöhung an
der Spule berechnen:
uˆL (Z0 )
uˆ
uˆC (Z0 )
uˆ
1
R
L
.
C
(21)
Um das Zeitverhalten der Stromstärke in
komplexer Darstellung im Reihenschwingkreis zu beschreiben, multipliziert man
Gl. (15b) mit C und differenziert nach der
Zeit:
d2 i
di
2G
Z02 i
2
dt
dt
jZ
uˆ jZ t
e .
L
(22)
den der Euler’schen Identität (Anhang A.1)
und Trennung von Real- und Imaginärteil zu
M arctan
(Z 2 Z0 2 )
.
2G Z
Im Resonanzfall sind Erregerspannung und
Stromstärke in Phase (M = 0). Für Z < Z0
folgt M < 0 und für Z > Z0 ergibt sich M > 0.
Der
Vergleich
der
Stromstärke
ˆ
i (t ) i cos(Z t M ) mit der Anregungsspannung u uˆ cos Z t zeigt, dass die Stromstärke der Erregerspannung um den entsprechenden Betrag des Phasenwinkels für Z < Z0
vorauseilt und für Z > Z0 nachläuft. Die
Diskussion der Gl. (59) in E.3.0.3 führt zum
gleichen Ergebnis.
ϕ
π
2
^
i
Die partikuläre komplexe Lösung (Anhang A.2) lautet
i (t ) iˆ e j(Z t M )
(25)
ϕ
^
i
(23a)
0
und als reelle Lösung erhält man
i (t ) iˆ cos(Z t M ) .
(23b)
Der Phasenwinkel M beschreibt die Phasenverschiebung zwischen Stromstärke i (t ) und
Spannung u (t ) .
Um M zu berechnen, werden vom Lösungsansatz Gl. (23a) die erste und zweite Ableitung
gebildet und in Gl. (22) eingesetzt. Es ergibt
sich
Z 2 j 2 G Z Z02
jZ
uˆ jM
e
ˆi L
ω
π
2
Abb. E.4.0.5 Frequenzgang von Phasenwinkel
und Stromstärkeamplitude (rote Kurve) beim
Reihenschwingkreis
Die komplexe frequenzabhängige Amplitude
der Stromstärke erhält man aus Gl. (24) und
für ihren Betrag (Abb. E.4.0.5) ergibt sich
Z uˆ
und durch Multiplikation mit j folgt
uˆ jM
2G Z j(Z 2 Z02 ) Z
e .
ˆi L
ω0
iˆ(Z )
(24)
Die weiteren Schritte führen durch Anwen-
L
.
(Z Z0 ) 4 G 2Z 2
2
2 2
(26)
Im Resonanzfall (Z = Z0) ist die Amplitude
der Stromstärke maximal und nimmt mit
214 Elektrizitätslehre
4 Elektrische Schwingungen
wachsender Dämpfung ab:
iˆ(Z0 )
uˆ
,
2 LG
(27a)
iˆ(Z0 )
uˆ
.
R
(27b)
Der Gesamtwiderstand (E.3 - Gl. (57)) des
Reihenschwingkreises ist im Resonanzfall
nur durch den ohmschen Widerstand R bestimmt. Dieser setzt sich aus dem ohmschen
Anteil der Spule RSp und ggf. einem dazu in
Reihe geschalteten zusätzlichen Widerstand
Rd zusammen (Abb. E.4.2.1).
Im Folgenden wird der in Abb. E.4.0.3.b
dargestellte Parallelschwingkreis betrachtet,
in dem R der ohmsche Gesamtwiderstand
ist, der auch den Anteil der Spule enthält. Es
wird ein idealer Kondensator vorausgesetzt,
so dass ein zusätzlicher ohmscher Parallelwiderstand zur Beschreibung der Verluste am
Kondensator (E.3.0.3) nicht berücksichtigt
werden muss. Für die Gesamtstromstärke im
Parallelschwingkreis gilt
u
i
,
(28)
Z
wobei u die anliegende Spannung und Z
der komplexe Gesamtwiderstand sind. Für
den komplexen Leitwert dieses Parallelschwingkreises gilt:
1
Z
1
jZ C .
R jZ L
(29)
ZR C ZR L
R (ZR L) 2
2
0.
R
ZL
j(ZC 2
).
2
R (Z L)
R (Z L) 2
2
2
2
ª§
· §
· º
ZL
R
Z
C
Ǭ 2
¨
¸ »
2 ¸
R 2 (Z L) 2 ¹ »
«¬© R (Z L) ¹ ©
¼
(31)
Es ergibt sich eine Gleichung dritten Grades
ZR (C R 2 L) ZR3 L2C 0 ,
die bei Nichtbeachtung der trivialen Lösung
ZR 0 zu einer quadratischen Gleichung
führt: (C R 2 L) ZR2 L2 C 0 .
Die physikalisch relevante der beiden Lösungen ist:
2
ZR
1
§R·
¨ ¸ .
LC © L¹
(32)
Die unter (b) gesuchte Kreisfrequenz ZM
dZ
dZ
0
Z ZM
.
Als Lösung der Extremwertberechnung erhält
man die Beziehung:
Für den Betrag der Impedanz erhält man:
(30)
Z
närteils:
findet man mit dem Ansatz:
Die Erweiterung von Zähler und Nenner des
ersten Terms mit dem konjugiert Komplexen
führt zu
1
Z
Bemerkenswert im Vergleich zum Serienkreis aus gleichen Bauelementen sind die
Frequenzabhängigkeit des Realteils und die
Abhängigkeit des Imaginärteils vom ohmschen Widerstand. Im Folgenden soll untersucht werden: (a) Bei welcher Kreisfrequenz
ist der Phasenwinkel zwischen Stromstärke
und Spannung null ( Z bzw. 1/ Z ist reell.)?
(b) Für welche Kreisfrequenz wird Z maximal? Die unter (a) gesuchte Kreisfrequenz
ZR findet man durch Nullsetzen des Imagi-
1
2
.
ZM
1 § 2 C R2 · R2
.
¨1 ¸
LC ©
L ¹ L2
(33)
Die Gln. (32) und (33) zeigen, dass sich beim
stetigen Erhöhen der Kreisfrequenz zunächst
der Phasenwinkel null einstellt und erst bei
einer etwas höheren Kreisfrequenz das Maximum des Betrags der Impedanz. erreicht
wird. Für den Fall R 2 L
gilt: ZR | ZM .
C
4.0 Grundlagen
215
Für viele Anwendungen ist es zweckmäßig,
die Reihenschaltung (Abb. E.4.0.3b) aus
induktivem Widerstand (Z L) und ohmschem
Widerstand (R) in eine Parallelschaltung
(Abb. E.4.0.3c) aus den Widerständen RP und
Z LP mit dem adäquaten Verhalten des Gesamtwiderstands umzurechnen. Für die komplexen Leitwerte von Reihen- und Parallelschaltung gilt dann:
1
R jZ L
1
1
.
RP jZ LP
(34)
Der Vergleich von Real- und Imaginärteil
führt zu den gesuchten Größen der Parallelschaltung:
RP
§ (Z L) 2 ·
R ¨1 ¸ ,
R2 ¹
©
§
Z LP Z L ¨1 ©
(35a)
R2 ·
¸ .
(Z L) 2 ¹
(35b)
Mit diesen Größen ergibt sich für den komplexen Leitwert des Parallelschwingkreises
1
Z
(36)
1
1
) .
j (Z C RP
Z LP
Für den komplexen Widerstand des Parallelschwingkreises gilt
1
,
1
1
+ j(Z C )
RP
Z LP
(37)
Erweitert man in Gl. (37) Zähler und Nenner
mit dem zu Z (Z ) konjugiert komplexen
Wert (vgl. Anhang A.1), ergibt sich
Z (Z )
1
1
Z C)
+ j(
Z LP
RP
2
§ 1 · §
1 ·
¨ ¸ +¨Z C ¸
Z
R
LP ¹
© P¹ ©
tan M
Im Z (Z )
Re Z (Z )
2
.
(38)
RP (
1
Z C ) . (39)
Z LP
Mit der Bedingung tanM = 0 folgt für die
Resonanzkreisfrequenz die Beziehung
ZR
1
.
LP C
(40)
Da für Z = ZR der Differenzterm in Gl. (36)
null wird, erhält man für den komplexen
Gesamtwiderstand des Parallelschwingkreises mit den tatsächlichen Größen R und L
unter Berücksichtigung von den Gln. (35a)
und (32) im Resonanzfall
Z (ZR )
RP
§ (Z L) 2 ·
R ¨1 R 2 ¸
R
©
¹
L
(41)
RC
sowie für den Gesamtstrom
iˆ(ZR )
1
1
jZ C
RP jZ LP
Z (Z )
Damit lässt sich der Phasenwinkel für die
Phasenverschiebung zwischen Stromstärke
und Spannung berechnen:
uˆ
Z (ZR )
RC
uˆ .
L
(42)
Während die Gesamtstromstärke im Resonanzfall in der Nähe des Minimums ist, treten
bei den Strömen durch die Spule und den
Kondensator die Resonanzüberhöhungen
iˆ (Z )
iˆL (ZR )
bzw. C R auf. Im Falle des realen
iˆ(ZR )
iˆ(ZR )
Parallelschwingkreises (Abb. E.4.0.3.b) folgt
unter Verwendung der ersten KirchhoffRegel (E.1.0.1) und den Gln. (28) und (29):
u
i i L i C
j Z C u . (43)
R jZ L
Für den Resonanzfall ergeben sich damit die
Amplituden der Stromstärke in Spule und
Kondensator:
iˆL (ZR )
uˆ
R Z L
2
2
R
2
uˆ
C
,
L
(44)
216 Elektrizitätslehre
iˆC (ZR ) ZR C uˆ uˆ
4 Elektrische Schwingungen
C
L
1 R2
C
.
iˆC (ZR ) iˆL (ZR ) 1 R 2
L
C
, (45a)
L
(45b)
Daraus folgen nach Gl. (42) für die Resonanzüberhöhungen
iˆL (ZR )
iˆ(ZR )
1 L
R C
und
Bereits auf dem Bildschirm können aus dem
dort dargestellten Graphen einzelne Werte
numerisch mit einem Messcursor ermittelt
werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Daten in einem PC zu speichern und
mit geeigneter Software mittels Anpassungsrechnungen (lineare oder nichtlineare Regression) auszuwerten.
RA
1
(46a)
0
+
iˆC (ZR )
iˆ(ZR )
1
R
L
C
1 R2
C
.
L
(46b)
2
L, RSp
uC
UK
-
C
Rd
4.1 Abklingvorgänge im RLCKreis
Aufgabenstellung
1. Es sollen das Ausschwingverhalten eines
RLC-Kreises bei drei verschiedenen Dämpfungswiderständen untersucht und die jeweilige Frequenz und Dämpfungskonstante
bestimmt werden.
Die Induktivität der Schwingkreisspule ist zu
ermitteln.
2. Der Dämpfungswiderstand für den aperiodischen Grenzfall ist zu bestimmen.
Für die Messungen wird ein Digitaloszilloskop (E.3.1) oder ein rechnergestütztes
Messwerterfassungssystem verwendet. Die
Erfassung der Abklingvorgänge an dem
RLC-Kreis erfolgt mit Hilfe der in der
Abb. E.4.1.1 dargestellten Schaltung, in der
der Kondensator C über den Widerstand RA
aufgeladen wird. Mit dem Umschalten des
Relais beginnt die Messwerterfassung für das
Ausschwingen, wobei die Spannung am
Kondensator gemessen wird. Die Masse des
Messkanals wird zweckmäßigerweise mit
dem Minuspol der Gleichstromquelle verbunden.
Abb. E.4.1.1 Schaltung zur Erfassung des Zeitverhaltens der Spannung am Kondensator im
Reihenschwingkreis
Das Zeitverhalten der Kondensatorspannung
(Abb. E.4.1.2) wird für den Schwingfall
(G < Z0) durch Gl. (10) beschrieben. Für die
im Experiment gemessene Zeitabhängigkeit
(Abb. E.4.1.2) erfolgt die Beschreibung
durch die Gleichung
uC (t ) uˆ0 e G t cos Z t
(47)
mit Z = Zd (Gl. (11)). Bei kleinen Dämpfungen ist Z | Z0 und bei hinreichend langer
Ladezeit vor dem Umschalten gilt û0 U K .
uC
T
u^0 e-δt
t
Abb. E.4.1.2 Zeitabhängigkeit der Kondensatorspannung, Abklingfunktion (rot), Amplitudenabnahme (schwarz)
4.2 Resonanz im Reihenschwingkreis
217
Die zeitabhängige Abnahme der Amplitude
wird durch die Funktion
uˆ (t ) uˆ0 e G t
(48)
beschrieben. Als Schwingungsdauer
T
1
f
2ʌ
Z
(49)
.
definiert man die Zeitdifferenz zwischen
zwei aufeinanderfolgenden Amplituden.
Durch Logarithmieren des Verhältnisses
zweier aufeinanderfolgender Amplituden
wird das logarithmische Dekrement / erhalten:
/ ln
uˆ (t )
uˆ (t T )
GT .
(50)
Versuchsausführung
Man baut die Schaltung nach Abb. E.4.1.1
mit einem Kondensator bekannter Kapazität C auf. Der zeitliche Verlauf der Kondensatorspannung wird für drei verschiedene
Dämpfungswiderstände R erfasst:
R
RSp Rd .
Der Widerstand Rd ist ein zusätzlicher ohmscher Widerstand, der seriell zur Spule geschaltet wird. Die Frequenz f erhält man aus
der Schwingungsdauer. Um diese so genau
wie möglich zu messen, empfiehlt es sich, die
Messung mehrerer Perioden (n) in der Zeit tn
durchzuführen: T = tn / n.
Aus dem ln uˆC - t -Diagramm ist der Wert der
Dämpfungskonstanten über den Anstieg der
Regressionsgeraden zu bestimmen. Alternativ kann G auch mit Hilfe von Gl. (50) erhalten werden. Die Induktivität L der Spule lässt
sich für den kleinsten Dämpfungswiderstand
mit Gl. (5) ermitteln.
Den aperiodischen Grenzfall findet man
durch weitere Vergrößerung des Widerstands
Rd, der z. B. ein Wendel-Präzisionspotentiometer mit Einstellregler zum direkten
Ablesen der Widerstandswerte oder eine
Kombination aus Präzisionsdekadenwiderständen sein kann. Der eingestellte Dämpfungswiderstand R ist mit dem nach Gl.(13)
berechneten Wert zu vergleichen.
4.2 Resonanz im Reihenschwingkreis
Aufgabenstellung
1. Die Frequenzabhängigkeiten der Stromstärke und der Spannung am Kondensator
sind für zwei verschiedene Dämpfungswiderstände zu messen und graphisch darzustellen.
2. Aus den Resonanzkurven sollen jeweils
die Dämpfungskonstante und die Güte des
Schwingkreises sowie die beiden Dämpfungswiderstände bestimmt werden.
3. Für jede der beiden Dämpfungen sind die
Frequenzen zu ermitteln, bei denen die Kondensatorspannung eine maximale Amplitude
hat. Die Abweichungen zur Resonanzfrequenz sollen diskutiert werden. Aus der
Spannungsüberhöhung am Kondensator im
Resonanzfall ist die Kapazität des Kondensators zu bestimmen.
UC
V
I
A
C
G
f
L, RSp
V U
CH II (Y)
Rd
CH I (X)
Abb. E.4.2.1 Schaltung zur Untersuchung von
erzwungenen Schwingungen im Reihenschwingkreis
Die Frequenzabhängigkeit der Amplitude der
Stromstärke im Reihenschwingkreis wird
durch Gl. (26) beschrieben.
218 Elektrizitätslehre
4 Elektrische Schwingungen
Charakteristische Werte sind dabei
iˆ(Z 1 ) iˆ(Z2 )
magnetischer Wellen gedämpft. Ein Maß für
die Dämpfung ist der Verlustfaktor
1 ˆ
i (Z0 )
2
(51)
und nach Gl. (27a) ergibt sich
iˆ(Z 1,2 )
uˆ
.
G
2
L
2
1
(52)
Mit den Gln. (52) und (26) erhält man
2
(Z 1,2
Z02 ) 2
2
Z 1,2
4G
2
.
(53a)
Unter den Bedingungen G > 0 und Z1,2 > 0
folgen daraus zwei quadratische Gleichungen:
2
Z 1,2
Z02
r 2 G Z1,2 .
(53b)
In deren vier Lösungen sind die gesuchten
Kreisfrequenzen Z1 und Z2 enthalten:
Z 1,2
r G G 2 Z02 .
'f
,
(55)
f0
den man auch als relative Halbwertsbreite
bezeichnet. Der Kehrwert des Verlustfaktors
beschreibt die Güte Q des Reihenschwingkreises mit dem Dämpfungswiderstand R :
Z0
Z0
'Z
Q
Z0
2G
Z0 L
1
R
R
L
.
C
(56a)
Vergleicht man die sich daraus im Resonanzfall ergebenden Spannungsüberhöhungen am
Kondensator (Gl. (18b)) und an der Spule
(Gl. (21)) mit Gl. (56a), erhält man
uˆC (Z0 )
uˆ (Z0 )
Q
uˆL (Z0 )
.
uˆ (Z0 )
(56b)
^i
^i (f )
1
0
Q1
(53c)
Aus dem Vergleich von Gl. (53b) mit Gl. (25)
folgt, dass bei den Kreisfrequenzen Z1 und Z2
der Betrag der Phasenverschiebung zwischen
Stromstärke und angelegter Spannung 45°
beträgt. In diesem speziellen Fall sind die
Beträge von Wirk- und Blindwiderstand im
Schwingkreis gleich groß und die Hälfte der
vom Generator aufgenommen Energie wird
in thermische Energie umgesetzt (E.3.0.3).
Die Differenz 'Z = Z2 – Z1 der Kreisfrequenzen bzw. der zugehörigen Frequenzen
'f = f2 – f1 wird deshalb auch als Halbwertsbreite (Bandbreite) bezeichnet. Für den Zusammenhang zwischen Halbwertsbreite und
Dämpfungskonstante gilt nach Gl. (53c)
'Z Z2 Z1 2 G , 'f
'Z
D
f 2 f1 G ʌ . (54)
Die Schwingung eines jeden realen Schwingkreises ohne zusätzlichen Widerstand Rd wird
durch den ohmschen Anteil der Spule (Widerstand RSp), die dielektrischen Verluste des
Kondensators und die Abstrahlung elektro-
i^1(f0)
2
Δf1
^i (f )
2 0
^i (f )
2 0
2
Δf2
Q2
f0
f
Abb. E.4.2.2 Resonanzkurven für unterschiedliche Güten Q (Q1> Q2, Halbwertsbreiten 'f1< 'f2)
Versuchsausführung
Für Aufgabe 1 wird die Messschaltung mit
einer Spule bekannter Induktivität L nach
Abb. E.4.2.1 aufgebaut. Bei Vergrößerung
der Frequenz in einem vorgegebenen Bereich
werden die Effektivwerte der Stromstärke I
und der Kondensatorspannung UC für die
beiden gegebenen Widerstände Rd erfasst,
wobei die am Schwingkreis anliegenden
Spannung (Effektivwert U ) stets konstant zu
4.3 Resonanz im Parallelschwingkreis
in Abhängigkeit von der Frequenz für jeden
Dämpfungswiderstand jeweils in einem Diagramm graphisch entsprechend Abb. E.4.0.4
darzustellen. Bei Aufgabe 2 entnimmt man
den Resonanzkurven (vgl. Abb. E.4.2.2) die
betreffenden Halbwertsbreiten, mit der die
gesuchten Werte für die Güte und die Dämpfungskonstante berechnet werden können.
Die Dämpfungswiderstände (R = RSp + Rd)
können bei bekannter Induktivität mit Gl. (4)
bestimmt werden. Bei der Diskussion der
Frequenzabweichung 'Z = Z 0 Z C,max ist in
Aufgabe 3 die Gültigkeit Z 0 ' Z | G 2 (vgl.
Gl. (19), G 2 >> Z 02) zu überprüfen. Die gesuchte Kapazität kann unter Verwendung der
Gln. (56a) und (56b) ermittelt werden.
4.3 Resonanz im Parallelschwingkreis
Aufgabenstellung
1. Für einen Parallelschwingkreis soll die
Frequenzabhängigkeit der Stromstärke für
drei verschiedene Dämpfungen gemessen
und graphisch dargestellt werden. Der Einfluss der Dämpfung ist zu diskutieren.
2. Aus den Messwerten sind für jede Dämpfung die Frequenzabhängigkeit der Schwingkreisimpedanz zu ermitteln und graphisch
darzustellen sowie die jeweilige Halbwertsbreite und Schwingkreisgüte zu bestimmen.
Die Abhängigkeit der Schwingkreisgüte von
den zur Dämpfung verwendeten Widerständen ist zu begründen.
3. Für den Fall der besten Güte sollen die
Phasenverschiebungen zwischen Strom und
Spannung für die die Halbwertsbreite bestimmenden Frequenzen sowie die Stromstärke durch die Spule bei der Resonanzfrequenz gemessen werden. Dieser Wert ist mit
der Gesamtstromstärke im Resonanzfall zu
vergleichen und zu diskutieren.
Wie in Abb. E.4.3.1 dargestellt ist, setzt sich
der ohmsche Gesamtwiderstand R der Versuchsschaltung unter der Annahme eines
verlustfreien Kondensators aus dem Spulenwiderstand RSp, dem zu variierenden Dämpfungswiderstand Rd und dem Widerstand des
Strommessgeräts RAmp für die Messung von
IL zusammen.
I
IL
A
G
f
RAmp A
U V C
CH I (X)
CH II (Y)
halten ist. Den Resonanzfall f = f0 kann man
sehr genau mit Hilfe der entsprechenden
Lissajous-Figur (Phasenwinkel M = 0, vgl.
Abb. E.3.1.5) einstellen. Es werden die Effektivwerte für die Spannung am Kondensator UC( f0) und die Stromstärke I( f0) gemessen. Der Maximalwert des Effektivwerts der
Kondensatorspannung UC ( fC,max) lässt sich
durch Variation der Frequenz im Bereich des
Maximums hinreichend genau ermitteln.
Es sind die auf die Maximalwerte normierten
Werte > I ( f ) / I ( f 0 ) @ ª¬iˆ( f ) / iˆ( f 0 ) º¼ und
ª¬U C ( f ) / U C ( fC ,max ) º¼ ª¬uˆC ( f ) / uˆC ( f C ,max ) º¼
219
Rd
L, RSp
Abb. E.4.3.1 Schaltung zur Untersuchung des
Frequenzverhaltens eines Parallelschwingkreises
Die Versuchsschaltung mit den realen Größen R, L und C wird, wie im Abschnitt
E.4.0.2 beschrieben ist, im Weiteren theoretisch als Parallelschaltung aus einem Widerstand Rp nach Gl. (35a), einer idealen Spule
mit der Induktivität Lp nach Gl. (35b) und
dem gegebenen Kondensator behandelt
(Abb. E.4.0.3c). Aus Gl. (35a) folgt, dass der
Dämpfungswiderstand RP im Parallelschwingkreis für den Fall eines sehr kleinen
Widerstands R (R << Z L) sehr groß ist.
Der Betrag der Impedanz des Parallelkreises
lässt sich mit den Größen LP und RP durch die
220 Elektrizitätslehre
4 Elektrische Schwingungen
folgende Gleichung beschreiben:
1
Z (Z )
2
§ 1 · §
1 ·
¨
¸ + ZC ¸
¨ RP ¸ ¨©
Z LP ¹
©
¹
2
. (57)
2
Die Resonanzfrequenz Z R ist nach Gl. (32)
vom ohmschen Gesamtwiderstand R des
Parallelschwingkreises abhängig. Für den
Resonanzfall ergibt sich dann nach Gl. (41)
der Zusammenhang:
RP
L 1
.
C R
Im Resonanzfall Z = ZR ist der Wert des
Phasenwinkels null und es gilt für den Betrag
der Impedanz des Parallelschwingkreises
Z (ZR ) RP . Das Maximum der Impedanz Z (ZM ) bzw. Minimum der Gesamtstromstärke stellt sich bei der Frequenz
Z = ZM (vgl. Gl. (33) ein.
Für R 2 L
gilt Z (ZM ) | Z (ZR ) RP .
C
Für diesen Fall werden die Halbwertsbreite
der Resonanzkurve und die Güte des
Schwingkreises berechnet. Mit den für die
Halbwertsbreite 'Z Z2 Z1 definierten
Kreisfrequenzen Z1 und Z2 gilt:
Z (Z 1,2 )
§ Z (Z 1,2 ) ·
¨
¸
© Z (ZR ) ¹
1
2
2
Z (ZR )
RP
2
,
(58a)
Z 2,1
§ 1 ·
1
1 1
¨
r
. (59b)
¸
© 2 C RP ¹ LP C 2 C RP
Für die Halbwertsbreite ergibt sich
1
'Z Z2 Z1
,
C RP
(60)
und mit der Definition der Güte Q ZR 'Z
folgt die Beziehung:
QP
RP
C
LP
RP
.
ZR LP
(61a)
Setzt man in Gl. (61a) für RP(ZR) und LP(ZR)
die entsprechenden Beziehungen mit den
realen Größen R und L ein, erhält man für
die Güte QP im Parallelschwingkreis die
Beziehung
ZR L
QP
.
(61b)
R
Mit den Gln. (40) und (61a) ergibt sich
'Z
LP 2
ZR
RP
'f
'Z
2ʌ
ZR
QP
f 2 f1
bzw.
fR
.
QP
(62)
Versuchsausführung
1
.
2
(58b)
Ein Vergleich zwischen den Gln. (58a) und
(57) führt zu
1
RP
senwinkel M (Z1,2) = ± 45°. Die Kreisfrequenzen Z1 und Z2 zur Bestimmung der Halbwertsbreite erhält man aus den Lösungen der
Gl. (59a):
§
1
r ¨ Z 1,2 C ¨
Z
1,2 LP
©
·
¸¸ ,
¹
(59a)
und aus der Gegenüberstellung der Gl. (59a)
und Gl. (39) folgt für die zugehörigen Pha-
Die Schaltung ist nach Abb. E.4.3.1 aufzubauen. Wegen der schaltungsbedingten zusätzlichen Phasenverschiebung zwischen
Gesamtstromstärke und Spannung um 180°
muss ein Kanal am Oszilloskop invertiert
werden. Der Resonanzfall kann nur unter der
Bedingung (RSp + Rd + RAmp)2 < L / C realisiert
werden. Bei Aufgabe 1 wird die Frequenz f
in einem vorgegebenen Bereich in geeigneten
Schritten vergrößert und der Effektivwert der
Stromstärke I(f) ist für jede Dämpfung zu
5.0 Grundlagen
221
5 HalbleiterBauelemente, elektronische Grundschaltungen
Die Breite dieser verbotenen Zone hängt vom
verwendeten Halbleiter ab und besitzt zum
Beispiel für Silizium einen Wert von
1,14 eV. Das ist groß im Vergleich zur thermischen Energie der Elektronen von 25 meV
bei Raumtemperatur. Wird ein elektrischer
Strom durch den Übergang von Elektronen
aus dem Valenz- in das Leitungsband ermöglicht, spricht man von Eigenleitung und bezüglich des Halbleiters vom intrinsischen
oder Eigenhalbleiter. Um für diesen Fall die
Temperaturabhängigkeit der Anzahl der
Elektronen im Leitungsband zu erhalten, geht
5.0 Grundlagen
5.0.1 Leitungsvorgänge in Halbleitern
Bei Halbleitern liegt der spezifische elektrische Widerstand U zwischen dem eines Leiters und dem eines Isolators, d. h., sie haben
E0
E0
EL
EL
e Φn
Werte zwischen 10-5 : m und 107 : m. Ihr
Leitungsmechanismus beruht auf der Bewegung von Elektronen oder Löchern. Zudem
nimmt die Leitfähigkeit von Halbleitern im
Gegensatz zu Leitern in der Regel mit der
Temperatur zu. Bei T 0 verhalten sich
Halbleiter wie Isolatoren.
Elektronen können in einem Festkörper ebenso wie in einem Atom nur diskrete Energiewerte annehmen. Diese liegen aber so dicht
beieinander und „verschmieren“, so dass man
von Energiebändern spricht. Das oberste, von
Elektronen praktisch vollständig besetzte,
nennt man das Valenzband (obere Bandkante EV) und das nächst höhere (leere) das Leitungsband (untere Bandkante EL). Valenzund Leitungsband sind durch einen im Vergleich zum Isolator schmalen Bereich nichterlaubter Energiewerte, die so genannte verbotene Zone (EL EV), getrennt.
eΦp
messen, dabei ist die am Schwingkreis anliegende Spannung U bei allen Messungen
konstant zu halten. Eine Änderung der
Dämpfung erfolgt durch das Austauschen der
am Arbeitsplatz zur Verfügung gestellten
Widerstände Rd . Den Phasenabgleich an der
Resonanzstelle (Phasenwinkel M = 0) kontrolliert man mit Hilfe von LissajousFiguren (Abb. E.3.1.5). Es werden die Stromstärken in Abhängigkeit von der Frequenz in
einem Diagramm dargestellt und unter Verwendung der Gln. (29), (42) und (57) diskutiert man den Einfluss der Dämpfungswiderstände R (R = RSp+RAmp+Rd) auf die Stromstärke im Resonanzfall.
Der Betrag des komplexen Widerstands lässt
sich bei Aufgabe 2 aus den Messwerten I( f )
und der Spannung U mit Z( f ) = U/I( f ) berechnen. Es ist (Z( f ) / Z( fR ))2 in Abhängigkeit von f in einem Diagramm darzustellen
und daraus die Halbwertsbreite 'f zu ermitteln. Der Einfluss der Größe von R bzw. Rp
auf die Güte soll mit Hilfe der Gln. (61a) und
(61b) diskutiert werden. Bei Aufgabe 3 ermittelt man mit Hilfe von Lissajous-Figuren
die Phasenverschiebungen bei den die Halbwertsbreite bestimmenden Frequenzen (f1, f2)
und vergleicht diese mit den theoretischen
Werten. Die Effektivwerte der Stromstärke
durch die Spule und der Gesamtstromstärke
werden im Resonanzfall direkt gemessen und
ihr Verhältnis ist zu diskutieren (Gl. (46a)).
EF
ED
EF
EA
EV
z=0
EV
z=0
z
Abb. E.5.0.1 Bändermodelle für einen p- und ndotierten Halbleiter vor dem Kontakt (Bezeichnungen siehe Text)
222 Elektrizitätslehre
5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen
man von ihrer Energieverteilungsfunktion
aus:
n
gi
Ni
e
Ei EF
kT
.
(1)
1
Sie ergibt sich unter den Voraussetzungen,
dass die Elektronen ununterscheidbar sind
und dass nach dem Pauli-Verbot jeder Zustand nur von einem Elektron eingenommen
werden darf (Fermi-Statistik). Ni ist die Zahl
der Elektronen mit Energien zwischen Ei und
Ei dEi, gi die Anzahl der Zustände, die ein
Elektron in diesem Energieintervall annehmen kann, k die Boltzmann-Konstante, T die
absolute Temperatur und EF die FermiGrenzenergie, die man aus der Gesamtzahl
der Zustände unter der Bedingung 6Ni N
ermittelt. Die Bedeutung von EF besteht
darin, dass die Zustände mit der Energie EF
gerade zur Hälfte besetzt werden und dass für
T 0 alle erlaubten Zustände gi mit Energien
kleiner als EF voll besetzt sind. Die Energieverteilungsfunktion Gl. (1) liefert unter den
im Halbleiter erfüllten Voraussetzungen
EL EF !! k T und EF EV !! k T
(2)
für die Anzahl n der Elektronen pro Volumen
im Leitungsband
n
NL e
EL EF
kT
,
(3a)
bzw. für die Anzahl p der Löcher pro Volumen im Valenzband
p
NV e
EF EV
kT
.
(3b)
Für den Fall der Eigenleitung gilt n p.
Somit folgt aus den Gln. (3a) und (3b), da die
effektiven Zustandsdichten NL und NV nahezu übereinstimmen,
EF
sowie
EL EV kT NV EL EV
|
ln
2
2
NL
2
(4)
p
NL NV e
EL EV
2kT
.
(5)
Die Fermi-Grenzenergie liegt beim Eigenhalbleiter demzufolge etwa in der Mitte der
verbotenen Zone, so dass die Eigenleitung
bei Zimmertemperatur vernachlässigt werden
kann. Zudem zeigt Gl. (4), dass EF nur sehr
schwach von der Temperatur abhängt. Dies
rechtfertigt die Verwendung des Begriffs der
Fermi-Grenzenergie, wie in der Halbleiterphysik üblich, als temperaturunabhängige
Konstante.
Im
Allgemeinen
gilt
EF —(T 0), wobei — das chemische Potential darstellt.
Im Gegensatz zur Eigenleitung bildet die
Störstellenleitung die Grundlage der Funktionsweise von Halbleiterbauelementen. Bei
ihr stammen die Elektronen im Leitungsband
nicht aus dem Valenzband, und die Löcher
des Valenzbands werden nicht durch die in
das Leitungsband übergegangenen Elektronen erzeugt. Ein Störstellenhalbleiter entsteht
aus einem Eigenhalbleiter durch den Einbau
von Gitterstörungen, indem in vierwertige
Halbleitermaterialien, z. B. Silizium, geringe
Mengen (etwa ein Fremdatom auf 107 Gitteratome) eines fünfwertigen (Phosphor, Arsen,
Antimon) bzw. eines dreiwertigen (Bor,
Aluminium, Gallium) Elements eingebaut
werden (Dotierung). Im ersten Fall erhält
man bezüglich der Bindung im Grundgitter
zusätzliche Valenzelektronen, die sehr leicht
in das Leitungsband abgegeben werden.
Diese Störstellen nennt man deshalb Donatoren und die so dotierten Halbleiter Überschuss- oder Störstellenhalbleiter vom n-Typ.
Im zweiten Fall wird ein Loch im Kristall
erzeugt, das von einem Valenzelektron aufgefüllt werden kann, wodurch eine neue
Fehlstelle entsteht. Diese Störstellen nennt
man deshalb Akzeptoren und die so dotierten
Halbleiter Mangel- oder Störstellenhalbleiter
vom p-Typ. Die elektrische Leitung im Störstellenhalbleiter ist folglich durch die Bewe-
5.0 Grundlagen
gung von Majoritätsträgern (Elektronen bzw.
Löchern) gekennzeichnet. Die Eigenleitung
spielt im Vergleich zur Störstellenleitung
keine Rolle. Die Donatoren (Dichte nD) bzw.
Akzeptoren (Dichte nA) erzeugen in der verbotenen Zone zusätzliche erlaubte Energieniveaus. Bei einem Störstellenhalbleiter vom nTyp liegen diese zusätzlichen Niveaus ED
nahe am Leitungsband (Abb. E.5.0.1, rechts),
bei einem Störstellenhalbleiter vom p-Typ
liegen diese zusätzlichen Niveaus EA nahe
am Valenzband (Abb. E.5.0.1, links). Für
Silizium beträgt der Abstand der Störstellenniveaus von der jeweiligen Bandkante bezüglich der Donatoren ca. 45 meV und bezüglich
der Akzeptoren z. B. ca. 55 meV.
Analoge Überlegungen wie im Falle des
Eigenhalbleiters ergeben, dass die FermiGrenzenergie EF im Störstellenhalbleiter nach
Abb. E.5.0.1 zwischen den Bandkanten (EL
bzw. EV) und dem jeweiligen Störstellenniveau liegt. Je größer nD bzw. nA ist, desto
näher liegt EF bei EL bzw. EV. Damit sind bei
Zimmertemperatur praktisch alle Donatoren
bzw. Akzeptoren ionisiert und können zur
elektrischen Leitung beitragen.
5.0.2 pn-Übergang, Dioden, Transistoren
Werden die beiden in Abb. E.5.0.1 getrennt
dargestellten p- bzw. n-dotierten Halbleiter
(nA und nD können durchaus unterschiedlich
sein) zur Berührung gebracht, ändert sich an
der Kontaktstelle z = z0 = 0 die Konzentration
der Akzeptoren nA und die der Donatoren nD
sprunghaft. Dadurch diffundieren freie Elektronen so lange vom n- zum p-Halbleiter und
Löcher in die umgekehrte Richtung, bis die
Fermi-Niveaus auf gleicher Höhe liegen, da
die Fermi-Grenzenergie EF in zusammenhängender Materie konstant ist. Als Folge dieses
Diffusionsstroms über den pn-Übergang
verarmt die n-Zone an negativen Ladungsträgern und es bleibt eine positive Raumladung U (z) zurück.
Ebenso verarmt die p-Zone an positiven
Ladungsträgern und es bildet sich eine nega-
223
tive Raumladung (Abb. E.5.0.2). Die Ausdehnung dieser Raumladungszone (Sperrschicht) wird durch die Raumladungsbreite
(zn zp) begrenzt. Das dieser Raumladung
entsprechende elektrische Feld verursacht
einen rückfließenden Felddriftstrom, der im
thermischen Gleichgewicht (d. h., ohne eine
an den pn-Übergang angelegte Spannung)
den Diffusionsstrom kompensiert. Die Gesamthöhe der durch Ausgleich der FermiNiveaus verursachten Energiestufe ist nach
Abb. E.5.0.1 bezüglich des Bezugspotentials E0 gleich der Differenz
)p )n
UD .
(6)
UD ist die Diffusionsspannung und muss von
den Elektronen überwunden werden, um in
das p-Gebiet zu gelangen (entsprechendes
gilt für die Löcher).
ρ
enD
zp
0
zn
z
enA
Abb. E.5.0.2 Raumladungsdichte ȡ(z) in der
Sperrschicht eines pn-Übergangs (- - - real, 
Näherung zur Lösung der Gl. (8)
Legt man eine Gleichspannung U mit dem
negativen Pol an die p-Zone und dem positiven Pol an die n-Zone, werden freie Ladungsträger vom pn-Übergang abgezogen
und damit die Potentialstufe UD und die
Breite der Sperrschicht vergrößert. Der pnÜbergang ist in Sperrrichtung vorgespannt
und es kann nur ein sehr kleiner Sperrstrom
fließen. Bei umgekehrter Polung der Spannung U verringert sich die Potentialstufe auf
den Wert
)p )n U U D U .
(7)
224 Elektrizitätslehre
5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen
Die Ladungsträger werden zum pn-Übergang
getrieben und die Breite der Sperrschicht
wird kleiner. Übersteigt U die Diffusionsspannung UD, kann ein Strom fließen, d. h.
der pn-Übergang ist in Durchlassrichtungvorgespannt. Da die Gesamtladung in der
Sperrschicht null, aber die Ladung nicht
homogen verteilt ist, verhält sie sich wie ein
Plattenkondensator mit dem Plattenabstand znzp. Dessen Kapazität (Sperrschichtkapazität) Cs dQ / d U ergibt sich nach
Lösung der Poisson-Gleichung
U z
H H0
d 2)
dz2
A
H H 0 e nA nD
2 nA nD U D U H H0 A
zn zp
(9)
.
U
I S (e U T 1) ,
(10)
wobei U T k T e die so genannte Temperaturspannung bezeichnet, die bei Raumtemperatur ca. 25 mV beträgt. Die Stärke des Sättigungssperrstroms
I Sv e
UD
UT
Si
GaAs
U
0,7 V
1,6 V
U
Us
Dabei bezeichnen H die relative, H0 die absolute Permittivität und A die Querschnittsfläche des Kristalls. Gl. (9) ist anwendbar für
das Verhalten des pn-Übergangs im Sperrbereich (U 0), da der Ausdruck für U UD
divergiert.
Der quantitative Zusammenhang zwischen
der Stromstärke I und der Spannung U durch
den pn-Übergang (Strom-Spannungs-Kennlinie) ergibt sich näherungsweise zu
I
I
I
(8)
mit der Raumladungsdichte U (z) entsprechend Abb. E.5.0.2 zu
CS
der Diffusionsspannung UD und somit vom
verwendeten Halbleitermaterial ab.
Damit durch den pn-Übergang nach dem
Anlegen einer Spannung ein Strom fließen
kann, muss er an beiden Seiten mit einem
Metall kontaktiert werden (so genannter
ohmscher Kontakt). Zusammen mit den Widerständen im Kristall bilden sie die Bahnwiderstände, die je nach Diodentyp zwischen
0,01 : bis 10 : liegen.
(11)
liegt zwischen 1 —A und 1 pA und hängt von
Abb. E.5.0.3 Schaltsymbol
und
StromSpannungs-Kennlinie einer Si- bzw. GaAs-Diode
Diesen kontaktierten pn-Übergang nennt man
eine pn-Diode. Für eine Silizium- und Gallium-Arsenid-Diode sind in der Abb. E.5.0.3
das Schaltsymbol sowie die StromSpannungs-Kennlinien entsprechend Gl. (10)
dargestellt. In Abb. E.5.0.3 wurde ebenfalls
berücksichtigt, dass der Bahnwiderstand ein
exponentielles Anwachsen nach Gl. (10) für
größere Ströme in Durchlassrichtung verhindert (Linearisierung).
Die Spannung, bei der ein merklicher Diodenstrom zu fließen beginnt, nennt man die
Schleusenspannung US. Ihr Wert ist durch
eine Tangentenkonstruktion aus der Kennlinie, wie in Abb. E.5.0.3 dargestellt, bestimmbar. Näherungsweise beträgt sie für
eine Si-Diode 0,7 V und z. B. für eine GaAsDiode 1,6 V. Für diese Dioden existiert eine
maximale Sperrspannung, deren Überschreitung zur Zerstörung des Bauelements führt.
5.0 Grundlagen
225
Wichtige Anwendungen dieser pn-Dioden
sind die Gleichrichtung und Begrenzung von
Wechselspannungen (so genanntes Großsignalverhalten, d. h., die Diode wird als Schalter betrachtet) sowie die Modulation, Mischung und Frequenzvervielfachung (so
genanntes Kleinsignalverhalten, d. h., es wird
die Krümmung der Kennlinie bei der Schleusenspannung US ausgenutzt).
Wird das Halbleitermaterial hoch dotiert,
bildet sich eine sehr schmale Sperrschicht
aus, so dass schon beim Anlegen relativ
kleiner Sperrspannungen hohe elektrische
Feldstärken im pn-Übergang herrschen. Dann
können Valenzelektronen durch innere Feldemission aus ihren Bindungen gelöst werden
und in das Leitungsband gelangen (ZenerEffekt). Dieses Durchbruchverhalten ist
reversibel, so dass man die so genannten ZDioden in dem steil verlaufenden Gebiet
ihrer Durchbruchkennlinie betreiben kann
(Abb. E.5.0.4). Z-Dioden werden insbesondere zur Spannungsstabilisierung eingesetzt.
Weitere Ausführungsformen von Dioden sind
z. B. Tunneldioden, Kapazitätsdioden, PINDioden, Schottky-Dioden, Photodioden, oder
Lumineszenzdioden.
ment darstellt und somit als Verstärker arbeiten kann (Abb. E.5.0.5). Beim bipolaren
Transistor sind sowohl Elektronen als auch
Löcher am Ladungstransport beteiligt. Die
Voraussetzungen für die Wirkungsweise
eines Transistors als Verstärker sind:
1. Die Basis-Emitter-Diode ist in Durchlassrichtung und die Kollektor-Basis-Diode in
Sperrrichtung gepolt.
2. Die Breite der Basiszone ist sehr klein
(wenige ȝm), so dass sich hier Elektronen
und Löcher praktisch nicht vereinigen (rekombinieren) können.
3. Die Emitterzone ist stark dotiert gegenüber der Basiszone.
C
IC
n
p
n
B
IB
UBE
UCE
IE
E
IC
mA
IC
mA
30
UCE=const
20
UBE=700 mV
30
ΔIC=S ΔUBE
20
680 mV
Δ IC
10
10
ΔUBE
I
ΔUz
U
0
0 200 400 600 U
BE
I
mV
Uz
Durchbruchkennlinie
U
ΔIz
0,7 V
Iz
Abb. E.5.0.4 Schaltsymbol und Strom-Spannungs-Kennlinie einer Z-Diode
Eine Zonenfolge npn bzw. pnp mit den zugehörigen Anschlüssen Emitter E, Basis B und
Kollektor C führt zu einem bipolaren npnbzw. pnp-Transistor, der ein aktives Bauele-
2
4
6
8
660 mV
640 mV
620 mV
10
UCE
V
Abb. E.5.0.5 Aufbau und Schaltsymbol (oben)
sowie Übertragungskennlinie und Ausgangskennlinienfeld (unten) eines npn-Transistors mit typischen Zahlenwerten
Da der Basis-Emitter-Übergang in Durchlassrichtung gepolt ist, fließt bei der Spannung
UBE = US ein Elektronenstrom in das pGebiet der Basis. Auf Grund der geringen
Breite und der geringen Dotierung dieses
Gebietes rekombinieren nur sehr wenige
Elektronen mit Löchern im p-Gebiet. Dadurch werden fast alle Elektronen aus dem
Emitter von dem positiven Potential des
Kollektors erfasst und fließen proportional
zum Basisstrom als Kollektorstrom ab. Damit
226 Elektrizitätslehre
5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen
wird IC | -IE und somit IB sehr klein. Das
Verhältnis IC /IB nennt man den statischen
Stromverstärkungsfaktor B und das Verhältnis dIC/dIB bei konstanter Spannung UCE den
Kleinsignal-Stromverstärkungsfaktor E.
Da weiterhin U CB U BE gewählt und folglich U CE | U CB wird, gilt U CE I C U BE I B . Das
entspricht einer Leistungsverstärkung. Analoge Betrachtungen gelten für die Wirkungsweise eines pnp-Transistors, nur dass hier die
Löcher die Funktion der Elektronen übernehmen und an den Kontaktierungen in Elektronenströme umgewandelt werden. Die
Zusammenhänge zwischen den Eingangsgrößen UBE und IB sowie den Ausgangsgrößen
UCE und IC eines Transistors lassen sich in
verschiedener Weise sowohl durch Kennlinien (Großsignalverhalten) als auch durch
lineare Gleichungen (Kleinsignalverhalten)
darstellen bzw. analytisch beschreiben.
In der Abb. E.5.0.5 sind die Übertragungskennlinie IC = f (UBE) für eine konstante Kollektor-Emitter-Spannung UCE und das Ausgangskennlinienfeld IC = f (UCE) mit UBE als
Parameter für einen npn-Transistor dargestellt. Sie sind geeignet, die Spannungsverstärkung zu beschreiben und lassen sich
experimentell leicht aufnehmen. Mit der
Diodenkennlinie von Gl. (10), verwendet für
die Basis-Emitter-Diode, ergibt sich wegen
IC v IB und U BE U T die Übertragungskennlinie
U BE
IC
f U BE I CS e UT
(12)
mit ICS als Sättigungssperrstrom. Damit erhält
man für den bipolaren Transistor die so genannte Steilheit
Sbp
dI C
dU BE
U CE
IC
UT
für eine bestimmte
Spannung UCE.
(13)
Kollektor-Emitter-
Im Gegensatz zu den bipolaren Transistoren
beruht die Wirkungsweise der Unipolar- oder
Feldeffekttransistoren (FET) auf der Bewegung nur einer Ladungsträgerart (entweder
Elektronen oder Löcher) und ihre Steuerung
erfolgt praktisch leistungslos mittels eines
elektrischen Felds. Man kann sechs verschiedene Typen von FET unterscheiden. In der
Abb. E.5.0.6 sind Aufbau und Kennlinien
eines n-Kanal-Sperrschicht-FET dargestellt.
UDS
ID
S UGS G
G IG
D n-Kanal
U DS
UGS
p-Zone
ID
mA
ID
mA
ΔID=S ΔUGS
UGS= 0
8
8
-0,5V
6
6
-1,0V
4
Up
S
10
10
UDS= const
D
2
ΔID
ΔUGS
-3 -2 -1 0 UGS
V
4
-1,5V
2
-2,0V
0
2
4
6
8
10 UDS
V
Abb. E.5.0.6 Aufbau und Schaltsymbol (oben)
sowie Übertragungskennlinie und Ausgangskennlinienfeld (unten) eines n-Kanal-Sperrschicht-FET
mit typischen Zahlenwerten
An den Enden eines n-dotierten Kristalls sind
zwei Elektroden, Source S und Drain D,
angebracht. Diese Anordnung wirkt wie ein
Halbleiterwiderstand, durch den nach Anlegen einer äußeren Spannung UDS ein Elektronenstrom fließt, der von der Polung der
Spannung UDS unabhängig ist. In der Mitte
wird das Material von oben und unten her pdotiert und mit einer dritten Elektrode, dem
Gate G, versehen. Das Gate wird stets negativ gegen die Source vorgespannt (UGS d 0).
Damit wird der pn-Übergang in Sperrrichtung betrieben, und es kann kein Strom durch
diese Diode fließen. Die Sperrschicht wird
umso breiter, je negativer die Vorspan-
5.0 Grundlagen
227
nung UGS ist. Da in diesem Gebiet bewegliche Ladungsträger fehlen, wird der Strompfad für die Elektronen in der Kristallmitte
mehr oder weniger stark eingeschnürt.
Bei einer positiven Spannung UDS fließt
folglich ein durch die Spannung UGS gesteuerter Elektronenstrom ID. Bei den so genannten MOSFET isoliert eine dünne SiO2Schicht das Gate zwischen Drain und Source.
Wie bei den bipolaren Transistoren gibt es
ebenfalls n- und p-FET. Im Falle der Sperrschicht-FET fließt der größte Strom bei einer
Spannung UGS = 0. Man bezeichnet diese
FET deshalb als selbstleitend. MOSFET kann
man dagegen sowohl selbstleitend als auch
selbstsperrend aufbauen. Letztere sperren
für UGS = 0. Die Gate-Ströme sind bei MOSFET etwa 1000mal kleiner als bei Sperrschicht-FET. Man kann dadurch Eingangswiderstände von bis zu 1015 ȍ realisieren. In
der Abb. E.5.0.6 sind die Übertragungskennlinie ID = f (UGS) für eine konstante DrainSource-Spannung UDS und das Ausgangskennlinienfeld ID = f (UDS) mit UGS als Parameter für einen n-Kanal-Sperrschicht-FET
dargestellt. Oberhalb von UGS = Up (pinch-off
Spannung) lässt sich die Übertragungskennlinie durch die Beziehung
ID
§ U ·
I DS ¨ 1 GS ¸
¨
U p ¸¹
©
2
(14)
beschreiben. IDS ist dabei der Wert des DrainStroms für UGS = 0. Daraus erhält man für die
Steilheit des unipolaren Transistors
S up
Sup
dI D
dU GS
2
Up
U DS
2 I DS
U GS U p , (15a)
U p2
I DS I D .
(15b)
Sie bestimmt wie beim bipolaren Transistor
die Spannungsverstärkung beim Einsatz des
FET in einer Verstärkerschaltung.
5.0.3 Integrierte Schaltkreise Operationsverstärker, logische Gatter
Dioden und Transistoren als Einzelbauelemente haben an Bedeutung verloren, ihre
Funktionsweise bleibt jedoch Grundlage der
integrierten Schaltungstechnik. Der Operationsverstärker (kurz OPV) ist einer der wichtigsten Bausteine der analogen Schaltungstechnik. Sein Schaltsymbol ist in
Abb. E.5.0.7 dargestellt. Er besitzt den invertierenden Ei (-), den nichtinvertierenden
Eni (+) Eingang und einen Ausgang. Die
Anschlüsse für die in der Regel symmetrischen Versorgungsspannungen werden in der
Schaltung meist nicht angegeben.
Ei
Ie–
_
UD
Ie+
+
Eni
Ua
Abb. E.5.0.7 OPV-Schaltsymbol (DIN 40900,
Teil 13), Spannungen und Ströme des Operationsverstärkers
Zur überschlägigen Berechnung von OPVSchaltungen wird von der Näherung des
idealen Operationsverstärkers Gebrauch
gemacht. Die drei wichtigsten Eigenschaften
des idealen OPV sind:
1. Die so genannte Leerlaufspannungsverstärkung V L = U a U D ist unendlich und
damit wird U D = 0, da U a endlich bleibt.
2. Die Eingangsströme Ie+ und Ie- sind null
bzw. der Eingangswiderstand Re ist unendlich.
3. Das übertragbare Frequenzband (charakterisiert durch die Transitfrequenz fT) ist unendlich.
In Tabelle 5.2 sind typische Kennwerte eines
realen OPV den idealen Werten gegenübergestellt.
228 Elektrizitätslehre
5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen
Tabelle E.5.1 Kennwerte für einen idealen bzw.
realen OPV
Idealer OPV
Realer OPV
VL
’
104...107
Re
’
> 1 Mȍ
R2
.
R1
I1 I 2 I e-
(16)
(ua VL ) ergibt sich
ue ua
VL
R1
ua R1
ue(t)
I1
_
S
+
ua(t)
b)
+
_
ue(t)
R1
R2
ua(t)
Abb. E.5.0.8 (a) invertierender und (b) nichtinvertierender Operationsverstärker
ua
VL
R2
ua
Rd VL
uD
und
Rd
0 ,
wobei Rd den Differenzeingangswiderstand
des OPV beschreibt. Infolge der sehr großen
Verstärkung können die Quotienten, die VL
im Nenner enthalten, vernachlässigt werden.
u
u
Daraus folgt e a 0 ,
R1 R2
und mit V Ui
ua / ue erhält man Gl. (16).
Infolge der Gegenkopplung und der großen
Verstärkung liegt der Punkt S unabhängig
von der Eingangs- und Ausgangsspannung
auf nahezu elektrischem Nullpotential und
wird deshalb auch als virtueller Massepunkt
bezeichnet. Analoge Überlegungen führen
für den nichtinvertierenden Operationsverstärker nach Abb. E.5.0.8b zu
V U ni
I2
ua u D
, I eR2
uD
R2
a)
0 .
ue u D
, I2
R1
Mit I1
Bedingt durch seine sehr hohe Verstärkung
wird der OPV mit Gegenkopplung betrieben.
Dabei wird ein Teil der Ausgangsspannung
über ein Rückkopplungsnetzwerk gegenphasig auf den Eingang zurückgeführt, wie es in
Abb. E.5.0.8 dargestellt ist. Durch die beiden
Eingänge des Operationsverstärkers ergeben
sich zwei Grundschaltungen. Auf Grund der
ersten beiden Eigenschaften des idealen
Operationsverstärkers erhält man mit Hilfe
der Kirchhoff-Regeln am Punkt S (auch
Summenpunkt genannt) des invertierenden
Eingangs in Abb. E.5.0.8a für die Verstärkung des invertierenden Operationsverstärkers
V Ui
Ausgehend von der Knotenregel ist
1
R2
.
R1
(17)
Aufgrund des hohen Eingangswiderstands
zwischen dem invertierenden und dem nichtinvertierenden Eingang kann der Spannungsteiler R2/R1 als unbelastet angenommen werden (E.1.4) und es folgt
R R2
,
ua ue 1
R1
womit Gl. (17) begründet ist. Im Fall nach
Gl. (16) wird folglich die Phase der Ausgangsspannung gegenüber der Eingangsspannung um 180° gedreht, im zweiten Fall
nach Gl. (17) nicht. Damit erklärt sich die
Bezeichnung der Eingänge. Weiterhin bewirkt die Gegenkopplung durch den Spannungsteiler R2/R1, dass die Spannungsver-
5.0 Grundlagen
229
stärkung ausschließlich von den beiden Widerständen R1 und R2 abhängt und damit sehr
genau und stabil einstellbar ist. Die Gln. (16)
und (17) gelten auch für den realen OPV
unter der Bedingung, dass für die Leerlaufspannungsverstärkung V L R2 R1 gilt.
Die Unterschiede zwischen realem und idealem OPV sind von dessen Aufbau abhängig.
VL liegt in der Größenordnung von 104 bis
106, d. h., bei einer Ausgangsspannung Ua
von 10 V arbeitet der OPV bis ca. 0,1 mV
Eingangsspannung im linearen Bereich. Die
Eingangsströme Ie + und Ie - liegen je nach
Eingangsstufe des OPV (bipolarer oder Feldeffekt-Transistor) im nA- bzw. pA-Bereich.
Bezüglich der Frequenzabhängigkeit der
Verstärkung zeigt der OPV auf Grund innerer
parasitärer Kapazitäten Tiefpassverhalten.
Operationsverstärker finden vielfältige Anwendungen in der gesamten Elektronik.
Konjunktion
(UND, AND)
X1
L
L
H
H
X2
L
H
L
H
Disjunktion
(ODER, OR)
Y
L
L
L
H
X1
L
L
H
H
Y X1 š X 2
X1˜X2
X1X2
X1
Y
L
H
H
H
Y X1 › X 2
X1X2
&
X1
Y
X2
X2
L
H
L
H
Negation
(Kompliment)
≥1
X
L
H
Y
H
L
Y
X
X1
X2
1
Y
Y
X2
Abb. E.5.0.9 Wahrheitstabelle, logische Funktion
sowie Schaltsymbol der logischen Operationen
Konjunktion, Disjunktion und Negation
In Digitalschaltungen wird im Gegensatz zu
Analogschaltungen die Information nur in
der „ja-nein“-Form übertragen (Binär-, Dualsystem): L („Low“, „nein“, in der Literatur
auch 0) bedeutet kein Signal, z. B. eine Spannung nahe bei null Volt. H („High“, „ja“, in
der Literatur auch 1 ) bedeutet ein Signal,
z. B. eine Spannung nahe bei +5 V. Die Vorteile gegenüber analog arbeitenden Schaltungen sind insbesondere (a) „ja-nein“-Signale
sind durch einen nichtzulässigen Spannungsbereich voneinander getrennt, so dass mit
einer hohen Störsicherheit gearbeitet werden
kann, (b) es wird theoretisch eine beliebig
große Genauigkeit erreicht und (c) digitale
Signale lassen sich einfach speichern und
regenerieren. Ein analoges Signal muss mit
Hilfe eines Analog-Digital-Umsetzers (ADU)
bezüglich seines Werts Z in ein duales Signal, in dem die Stellen Potenzen von 2 entsprechen, umgesetzt werden. So gilt z. B. für
Z 5 { 1 u 22 0 u 21 1 u 20 { 101 { HLH
(die Stellenanzahl im Dualsystem heißt Bit,
8 Bit sind 1 Byte, 1 K =210 = 1024).
Die Rückwandlung einer Dualzahl in einen
analogen Wert erfolgt mit Hilfe eines DigitalAnalog-Umsetzers (DAU bzw. DAC), indem
jeder duale Wert zum gegebenen Zeitpunkt
einen analogen Spannungswert (der z.B.
proportional zu Z ist) generiert. Diese Folge
von Spannungswerten, über einen Tiefpassfilter am Ausgang des DAU zur Verfügung
gestellt, reproduziert das originale analoge
Signal vor der Digitalisierung.
Obwohl digitale Schaltungen bezüglich ihres
Aufbaus im Allgemeinen relativ kompliziert
sind, werden sie mit den Mitteln der wiederholten Anwendung weniger logischer Grundoperationen realisiert. Für zwei Eingangsvariablen X1 und X2 gibt es vier mögliche
Kombinationen (LL, LH, HL und HH) pro
Grundoperation und entsprechende Zustände
für die Ausgangsvariable Y. Die Konjunktion
(logisches UND, AND), Disjunktion (logisches ODER, OR) und Negation als die drei
grundlegenden logischen Verknüpfungen
sind bezüglich ihrer Funktionstabelle (Wahrheitstabelle), ihrer logischen Funktionen und
Schaltsymbole in der Abb. E.5.0.9 angegeben. Weitere wichtige logische Funktionen
sind das NAND (negiertes UND), das NOR
(negiertes ODER), das Exklusiv ODER (An-
230 Elektrizitätslehre
5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen
tivalenz) und die Gleichheit (Äquivalenz,
negierte Antivalenz). Die Verknüpfung der
drei Grundoperationen UND, ODER und
Negation erfolgt mittels der Boole-Algebra,
die auch als Schaltalgebra bezeichnet wird.
Wichtige Theoreme sind in den Gln. (18) bis
(25) wiedergegeben. Dabei gilt wie in der
Algebra des Zahlensystems, dass die UNDVerknüpfung („Multiplikation“) Vorrang vor
der ODER-Verknüpfung („Addition“) besitzt, wobei diese Rangfolge durch Klammern geändert werden kann.
Kommutative Gesetze:
X1 X 2 = X 2 X1
X1 + X 2 = X 2 + X1
(18)
Assoziative Gesetze:
X1 X 2 X 3 X1 X 2 X 3
X1 X 2 X 3 X1 X 2 X 3
(19)
Distributive Gesetze:
X1 X 2 + X 3 = X1 X 2 + X1 X 3
X 1 + X 2 X 3 = X 1 + X 2 X 1 X 3 (20)
Absorptionsgesetze:
X1 X1 X 2 X1
X1 + X1 X 2 = X1
(21)
Tautologien:
XX = X
(22)
X+X=X
Gesetze für Negation und doppelte Negation:
XX
L
XX
X (23)
H
X
(24)
De-Morgan-Gesetze:
X1 X 2
X1 X 2
X1 X 2
X1 X 2
(25)
Mittels Anwendung der De-Morgan-Regeln
nach Gl. (25) kann man zeigen, dass sich alle
oben genannten logischen Funktionen entweder durch die Funktion NAND oder NOR
darstellen lassen. Dadurch ist es möglich,
jede beliebige Verknüpfung auf der Grundlage einer einzigen logischen Grundfunktion zu
realisieren. Man sieht z. B. sofort, dass ein
Negator aus einem NAND dadurch entsteht,
wenn man entweder alle Eingänge parallel
schaltet oder außer dem Steuereingang alle
anderen Eingänge auf H legt.
In der Digitaltechnik unterscheidet man zwischen kombinatorischen und sequentiellen
Schaltungen. Bei kombinatorischen Schaltungen tritt als Parameter nur die aktuelle
Belegung H oder L der Eingangsvariablen Xi,
nicht aber die Zeit auf. Die Problemstellung
ist in Form einer Funktionstabelle, d. h. einer
Tabelle aller möglichen Belegungen H oder
L der Eingangsvariablen Xi gegeben, wobei
die Ausgangsvariable Y, wenn sie wahr sein
soll, mit H und andernfalls mit L belegt wird.
Es ist dann die logische Funktion zu finden,
die diese Wahrheitstabelle erfüllt, und auf
eine Form zu bringen, die es erlaubt, sie mit
den logischen Grundschaltungen möglichst
einfach zu realisieren. Dazu werden aus
dieser Funktionstabelle die Zeilen mit Y = H
entnommen. In diesen Zeilen werden die
Eingangsvariablen (bei H mit Xi, bei L mit
X i ) durch UND, und danach alle diese Zeilen durch ODER verknüpft. Es entsteht die so
genannte disjunktive Normalform. Durch
Anwendung der Rechenregeln der BooleAlgebra (und evtl. zusätzliche Einbeziehung
spezieller Verfahren wie das KarnaughDiagramm) wird die erhaltene Funktion
hinsichtlich der Anzahl der Eingangsvariablen Xi minimiert und schließlich auf eine
schaltungsrelevante Form gebracht. Kombinatorische Schaltungen sind z. B. Addierer,
Paritätsdetektoren, Dekoder, Multiplexer und
Demultiplexer.
Im Falle sequentieller Schaltungen hängt die
Ausgangsvariable Y nicht nur von der aktuel-
5.1 Bandlückenenergie, Sperrschichtkapazität eines pn-Übergangs
len Belegung der Eingangsvariablen Xi, sondern zusätzlich vom vorhergehenden Zustand
des Systems und damit von der Zeit ab. Diese
Schaltungen enthalten ein Schaltungsteil, das
als Speicher arbeitet. Die einfachste sequentielle Schaltung ist das RS-Flip-Flop
(Abb. E.5.0.10). Es besitzt die beiden Eingänge S (Set) und R (Reset) sowie die komplementären Ausgänge Q und Q .
Liegen R und S auf L, sind für Q sowohl H
als auch L stabile Zustände, d. h., der bestehende Ausgangszustand bleibt erhalten. S auf
H gesetzt, erzwingt Q H.
S
1
&
2. Die Sperrschichtkapazität CS eines pnÜbergangs nach Gl. (9) ist am Beispiel einer
Si-Diode in Abhängigkeit von der Sperrspannung U zu ermitteln.
3. Aus den Ergebnissen von Aufgabe 2 sind
die Raumladungsbreite (zn zp) des pnÜbergangs als Funktion der Spannung U und
die Größe der Diffusionsspannung zu bestimmen.
Versuchsausführung
Die Temperaturabhängigkeit der Anzahl von
Elektronen bzw. Löchern pro Volumen ist
durch Gl. (5) gegeben, wodurch sich die
spezifische Leitfähigkeit für die Eigenleitung
Q
V
R
1
&
Q
Abb. E.5.0.10 RS-Flip-Flop
Ein Rücksetzen von S auf L ändert diesen
Zustand nicht. Erst das Setzen von R auf H
erzwingt Q L. Ein Rücksetzen von R auf L
ändert auch diesen Zustand wiederum nicht.
Die Belegung R S H ist nicht zulässig, da
sie zu keinem stabilen Ausgangszustand
führt. Weitere sequentielle Schaltungen sind
z. B. andere Flip-Flops, wie z. B. das D- oder
JK-Flip-Flop, Zähler, Schieberegister und
Speicher.
5.1 Bandlückenenergie, Sperrschichtkapazität eines pnÜbergangs
Aufgabenstellung
1. Es ist die Spannung über einer dotierten
Halbleiterprobe bei konstanter Stromstärke in
Abhängigkeit von der Temperatur zu messen
und daraus die Energie der Bandlücke zu
bestimmen.
231
V0 e
Eg
2kT
(26)
mit der Energie der Bandlücke Eg = ELEV
und der Bezugsleitfähigkeit V0 ergibt.
Gl. (26) behält ihre Gültigkeit auch für dotierte Halbleitermaterialien bei ausreichend
hohen Temperaturen. Aus den Gln. (E.1-2)
und (E.1-4) folgt, dass zwischen Leitfähigkeit V und Spannung U die Beziehung
V v 1 U gilt. Damit bietet sich zur Auswertung eine einfach-logarithmische Darstellung
der Spannung (ln U) gegen das Reziproke der
absoluten Temperatur (1/T ) an. Aus dem
Anstieg der Ausgleichsgeraden kann dann
die gesuchte Energie der Bandlücke (Eg,
Einheit eV) bestimmt werden.
Die Erwärmung der Halbleiterprobe bei
Aufgabe 1 erfolgt mit Hilfe einer elektrischen
Heizung bis auf eine am Arbeitsplatz angegebene Maximaltemperatur, wobei die Temperatur der Probe relativ zur Zimmertemperatur mit einem Thermoelement gemessen
wird.
Bei Aufgabe 2 wird die Diode D in der
Schaltung nach Abb. E.5.1.1 durch die
Gleichspannung U in Sperrrichtung vorgespannt. Der Kondensator C (ca. 2 ȝF) verhindert, dass ein Gleichstrom über die Wechselspannungsquelle ue(t) abfließt, während
232 Elektrizitätslehre
5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen
der Vorwiderstand RV verhindert, dass die
Gleichspannungsquelle U die Eingangswechselspannung ue (t ) uˆe cos Z t belastet.
C
RV
CD
D
CS
ue(t)
U
uM(t)
RM
Abb. E.5.1.1 Schaltung zur Bestimmung von
Sperrschichtkapazität, Raumladungsbreite und
Diffusionsspannung eines pn-Übergangs
Mittels der komplexen Wechselstromrechnung (E.3.0.2) folgt für das Verhältnis aus
Eingangsspannung und Spannungsabfall über
dem Widerstand RM
RM
uM
.
(27)
ue R 1
M
jZ C D
Nach der Berechnung des Betrags (vgl. Anhang A.1) und Umstellung nach der Gesamtkapazität CD der Diode erhält man
1
CD
Z RM
§ u e
¨¨ © uM
2
·
¸¸ 1
¹
.
(z. B. 20 mV bis 200 mV). Alternativ kann
die Gesamtkapazität CD der Diode nach der
Beziehung
(28)
Entsprechend der verwendeten Diode (und
deren Sperrschichtkapazität) muss die Frequenz so eingeregelt werden, dass RV
(z. B. 1 kȍ) groß ist gegen den sich einstellenden Blindwiderstand der Diodenkapazität.
Der Messwiderstand RM soll etwa 100 ȍ
betragen, während die Wechselspannungsamplitude ûe so klein zu wählen ist, dass sie
die Sperrschichtkapazität nicht moduliert
1
(29)
L Z 02
ermittelt werden, wenn in der Schaltung nach
Abb. E.5.1.1 oberhalb der Diode eine der
Größe nach bekannte Induktivität L eingefügt
wird. Der so entstandene Serienschwingkreis
wird nach jeder Neueinstellung der Sperrspannung auf die Resonanzkreisfrequenz Z0
abgestimmt. Zu diesem Zweck ist die Frequenz der Wechselspannung am Frequenzgenerator zu variieren und die Resonanzfrequenz durch das Maximum des Spannungsabfalls über dem Messwiderstand RM zu
bestimmen.
Ein noch empfindlicherer Parameter zum
Ermitteln der Resonanzkreisfrequenz Z0 ist
die Phasendifferenz zwischen der Spannung
über dem Schwingkreis und dem Spannungsabfall über RM. Diese wird null, wenn der
Frequenzgenerator mit der Resonanzfrequenz f0 (Z0 = 2S f0) schwingt. Zur Bestimmung der Phasendifferenz soll die im Versuch E. 3.1 beschriebenen Methode unter
Verwendung der Lissajous-Figuren genutzt
werden. Die beiden beschriebenen Messmethoden sind geeignet, um die Diodenkapazität
CD für U = 0 bis einige 10 V (etwa 15
Messwerte) ohne Überschreitung der bekannten maximalen Sperrspannung zu ermitteln.
Mit dem Ansatz, dass sich die Sperrschicht(CS) und die Gehäusekapazität (CG) addieren,
kann man durch geeignete Anpassung der
Messwerte an die Gleichung
CD
CG CS
CG B
U D U
(30)
den Wert für CG und damit CS in Abhängigkeit von U bestimmen. Dabei werden auch
die Werte für die Diffusionsspannung UD und
den Parameter B ermittelt. Nach Gl. (9) lässt
5.2 Halbleiterdioden
233
B A
H H 0 e nA nD
2 nA nD .
beschreiben. Mit der Kenntnis von der Permittivität für Silizium (H = 11,8) und dem
Kristallquerschnitt A der Diode ist die Raumladungsbreite (zn zp ) nach Gl. (9) als Funktion von U darstellbar. Die Ergebnisse sind
unter Berücksichtigung der in E 5.0.2 beschriebenen Vorgänge in einem pn-Übergang
zu diskutieren.
5.2 Halbleiterdioden
nehmen. Zusätzlich soll der Diodenstrom ID
in Abhängigkeit von der Spannung U in
Durchlassrichtung graphisch dargestellt
(ln ID = f (U )) und unter Beachtung von
Gl. (10) diskutiert werden (z. B. Vergleich
der Anstiege der Kurven in den linearen
Bereichen). Bei Aufgabe 2 ist eine Messschaltung entsprechend Abb. E.5.2.1 mit
einer Si-Diode (D) vorerst ohne Ladekondensator C aufzubauen. Es wird mit einem Oszilloskop die Spannung ua(t) an einem Widerstand R und durch Spannungsmessung an
einem Vorwiderstand RV der Verlauf des
Stroms i(t) bestimmt.
i(t)
5.2.1 Kennlinien einer Si-Diode,
Gleichrichterschaltung
Aufgabenstellung
1. Es sind die I-U-Kennlinien einer Si-Diode
bei verschiedenen Temperaturen aufzunehmen.
2. Man bestimme an einer Gleichrichterschaltung mit Si-Diode zunächst ohne Ladekondensator C mit einem Oszilloskop die Spannung an einem Widerstand und die Stromstärke durch Spannungsmessung an einem
Vorwiderstand. Danach sind die Messungen
mit einem Ladekondensator durchzuführen.
Versuchsausführung
Bei der Aufnahme der Kennlinie einer SiDiode (Abb. E.5.0.3) in Aufgabe 1 ist eine
Messschaltung für die spannungsrichtige
Messung (E.1.1) aufzubauen. Zur Messung
der Spannung und der Stromstärke werden
Digitalmultimeter verwendet. Es sind die
Grenzwerte der Diode zu beachten. Für die
Kennlinie bei Zimmertemperatur ist die
Schleusenspannung US zu bestimmen.
Die Temperatur der Diode kann mittels eines
Thermostaten auf eine konstante, vorgegebene Temperatur erwärmt oder abgekühlt werden. Die Kennlinien sind bei zwei anderen
Temperaturen in Durchlassrichtung aufzu-
D
R
ue(t)
C
ua(t)
RV
RV i(t)
Abb. E.5.2.1 Gleichrichterschaltung
In der Gleichrichterschaltung sollen für die
Amplitude ûe der Eingangsspannung ue (t )
etwa 5 V (bei einem Lastwiderstand von
R t 470 :), für die Frequenz f = 50 Hz und
für den Vorwiderstand RV ein Wert kleiner
als 10 : gewählt werden.
u(t)
ua(t)
uBrss
sich B durch den Zusammenhang
Ua
t
ue(t)
i(t)
isp
Ia
ta
te
t
Abb. E.5.2.2 Spannungsverlauf ua(t) und Stromverlauf i(t) an der Gleichrichterschaltung nach
Abb. E.5.2.1
234 Elektrizitätslehre
5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen
Nach Hinzufügen des Ladekondensators sind
die gleichen Messungen mit unterschiedlichen Werten von C (C 1 —F } 200 —F)
durchzuführen. Die Messergebnisse sind mit
den in der Abb. E.5.2.2 dargestellten Kurvenverläufen zu vergleichen und zu diskutieren. In der Abb. E.5.2.2 bezeichnen Ua und Ia
die jeweiligen Mittelwerte von Spannung und
Strom, isp den Spitzenstrom sowie uBrss den
gabe 2 (Abb. E.5.2.3)ist ein Digitalvoltmeter
zu verwenden.
RV
IZ
Ub
D
IL
RL
UZ
Spitze-Spitze-Wert der sogenannten Restwelligkeit der Ausgangsspannung ua(t).
5.2.2 Kennlinie einer Z-Diode,
Spannungsstabilisierung
Aufgabenstellung
Abb. E.5.2.3 Spannungsstabilisierung mit einer
Z-Diode
1. Man nehme die I-U-Kennlinie einer ZDiode im Durchlass- und Sperrbereich auf.
2. Es sind an der Stabilisierungsschaltung die
Abhängigkeiten UZ = f (Ub) und UZ = g (IL)
aufzunehmen.
3. An Hand des Glättungsfaktors G ist zu
prüfen, unter welchen Bedingungen die
Schaltung optimal arbeitet.
Mit einer Eingangsspannung Ub von 12 V bis
18 V und einer Diode mit einer Z-Spannung
von 6,8 V ergibt sich aus der zu überprüfenden Bedingung für die Größe des Vorwiderstands RV
Zur Bestimmung des Glättungsfaktors verwendet man die Beziehung
so dass RV | 100 : gewählt werden kann.
Bei der Aufnahme der Abhängigkeit
UZ = f (Ub) soll mit IL | 10 mA gearbeitet
werden. Für die Aufnahme von UZ = g (IL) ist
die Stärke des Stroms IL mit einem Potentiometer (RL,max = 1 k:) zwischen 5 mA und
40 mA zu variieren, wobei Ub = 12 V konstant gehalten wird.
G
dU b
dU Z
|
IL
RV
.
rd
(31a)
Um die optimalen Bedingungen für die Spannungsstabilisierung zu untersuchen, ist auch
die Größe des Innenwiderstands
Ri dU Z
dI L
| rd ,
(31b)
Ub
zu berücksichtigen, wobei rd den differentiellen Widerstand der Z-Diode im Arbeitspunkt
Ub beschreibt.
Versuchsausführung
Bei der Aufnahme der I-U-Kennlinie
(Abb. E.5.0.4) sind die Grenzwerte der Diode
zu beachten. Zur Spannungsmessung in Auf-
U b, max U Z
I Z, max I L, min
RV U b, min U Z
I Z, min I L, max
, (32)
5.3 npn-Transistor, n-KanalSperrschicht-FET, Verstärkerschaltung
Aufgabenstellung
1. Es sind die Übertragungskennlinien und
Ausgangskennlinienfelder eines npn-Transistors (Abb. E.5.0.5) und eines n-KanalSperrschicht-FET (Abb. E.5.0.6) aufzunehmen.
2. Für die in der Abb. E.5.3.1 angegebene
5.3 npn-Transistor, n-Kanal-Sperrschicht-FET, Verstärkerschaltung
Emitterschaltung sind für einen mit UBE, IB,
UCE und IC im Kennlinienfeld vorgegebenen
Arbeitspunkt und einer vorgegebenen Betriebsspannung Ub die Widerstände R1, R2, RC
und RE zu berechnen. Analog sind für die in
der Abb. E.5.3.2 angegebenen Sourceschaltung mit vorgegebenem Arbeitspunkt (UGS,
UDS, ID) die Widerstände RD und RS zu
bestimmen.
3. Für beide Transistoren sind die Steilheiten
entsprechend Gl. (13) bzw. Gl. (15) zu berechnen und die Beträge der Spannungsverstärkung beider Grundschaltungen zu bestimmen.
Die in den Abbn. E.5.3.1 und E.5.3.2 dargestellten Verstärkerschaltungen werden als
Emitter-Schaltung bzw. Source-Schaltung
bezeichnet, da diese jeweils den gemeinsamen Anschluss für die Ein- und Ausgangswechselspannung darstellen. Der Kondensator CE bzw. CS bewirkt einen Kurzschluss der
zu verstärkenden Wechselspannung.
235
verstärkung, Eingangs- und Ausgangswiderstand) von der Emitterschaltung. Vergleichbares gilt für die Drain- und Gate-Schaltung
der FET. Bei der Aufnahme der Kennlinien
sind die angegebenen Transistorgrenzwerte
zu beachten. UBE ist in Schritten von 20 mV
(beginnend bei ca. 0,5 V) und UGS in Schritten von 0,5 V zu erhöhen, um auch den nichtlinearen Teil der Übertragungskennlinien
aufzunehmen (siehe dazu Abbn. E.5.0.5 bzw.
E.5.0.6). Die Spannung UCE bzw. UDS ist in
Schritten von etwa 1 V zu variieren.
ID
RD
CD
CG
Ub
UDS
ue(t)
UGS
RG
RS
ua(t)
CS
Versuchsausführung
Abb. E.5.3.2 Verstärker mit n-Kanal-Sperrschicht-FET in Sourceschaltung
RC
R1
CB
IC
CC
IB
Ub
UCE
Iq
ua(t)
UBE
ue(t)
R2
RE
CE
UEO
Abb. E.5.3.1 Verstärker mit npn-Transistor in
Emitterschaltung
Die zwei anderen Grundschaltungen eines
bipolaren Transistors, die Kollektor- und die
Basis-Schaltung, unterscheiden sich in ihren
Betriebskenngrößen (Spannungs- und Strom-
Die Einstellung eines bestimmten Arbeitspunkts, der am Versuchsplatz mitgeteilt wird,
sorgt für die richtige Polung der pnÜbergänge und für das Arbeiten im linearen
Teil der Kennlinien, so dass Wechselspannungen möglichst unverzerrt verstärkt werden können.
Die Größe der Kondensatoren in der Schaltung ist so zu wählen, dass sie unter Berücksichtigung der Frequenz der verwendeten
Sinusspannung „Kurzschlüsse“ darstellen
(Hochpassverhalten mit den zugehörigen
Widerständen, siehe E.3.2). Bei der Kombination aus Widerstand RE und CE (bzw. analog für die Sourceschaltung RS und CS), dient
RE insbesondere der Stabilisierung des Arbeitspunkts bei Temperaturschwankungen:
Steigt bei Temperaturerhöhung der Emitter-
236 Elektrizitätslehre
5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen
strom, verringert sich durch Vergrößerung
von UE0 die Spannung UBE und als Folge
wieder der Emitterstrom. Der Kondensator
CE sorgt seinerseits dafür, dass diese Gegenkopplung bezüglich der zu verstärkenden
Wechselspannung praktisch wirkungslos ist.
Da durch den Kollektor- bzw. Emitterstrom
beim Bipolartransistor am Emitterwiderstand
RE die Spannung UE0 abfällt (in der Regel
etwa Ub /10), muss mit Hilfe des Basisspannungsteilers R1 und R2 das Basispotential auf
die Summe von der Spannung UE0 und der
Schleusenspannung der Basis-Emitter-Diode
von etwa 0,65 V eingestellt werden.
Zur Bestimmung von R1 und R2 gibt man sich
einen durch diesen Spannungsteiler fließenden Strom Iq | 10 IB vor. Da durch den Arbeitspunkt im Kennlinienfeld IC (mit einigen mA) und UCE | Ub /2 (mit Ub etwa +10V)
vorgegeben sind, kann man mit Kenntnis des
Stromverstärkungsfaktors B alle Widerstände
mit Hilfe der Kirchhoff-Regeln (E.1.0.1)
berechnen. Die Bestimmung von B erfolgt
entweder experimentell bei der Kennlinienaufnahme oder wird dem Datenblatt des
verwendeten Transistors entnommen. R1 oder
R2 kann als veränderbarer Widerstand gewählt werden, um Abweichungen vom vorgesehenen Arbeitspunkt korrigieren zu können. Im Gegensatz zum bipolaren Transistor
fließt beim FET nahezu kein Steuerstrom. Es
ist deshalb ausreichend, den Gate-Anschluss
mit einem großen Widerstand RG (da der
Steuerstrom praktisch null ist, kann dieser
Widerstand im Megaohmbereich liegen) auf
Null-Potential zu legen.
Mit dem Source-Strom durch RS stellt sich
damit eine negative Spannung UGS ein, die
den Arbeitspunkt festlegt. Dazu wird der
gewünschte Drain-Strom ID (etwa 5 mA im
Kennlinienbeispiel von Abb. E.5.0.6) mit der
dazugehörigen Spannung UGS aus dem Kenlinienfeld abgelesen und der SourceWiderstand
über
die
Beziehung
UGS = URS = RS IS = RS ID bestimmt. Gibt
man noch UDS | Ub/2 vor, erhält man mit Ub
(etwa +10 V) den Wert für RD. Für die Eingangswechselspannung ue (t ) u e cos Z t soll
uˆe 10 mV (bzw. 0,1 V für den FET) und für
die Frequenz z. B. 1 kHz gewählt werden.
Eingangs- und Ausgangswechselspannung
ua (t ) uˆa cos Z t M sind bezüglich ihrer
Amplitude und gegenseitigen Phasenlage mit
einem Oszilloskop zu beobachten. Zur Ermittlung der Werte für die Spannungsverstärkung VU uˆa uˆe beider Grundschaltungen in Aufgabe 3 verwendet man die Beziehungen
V U | S bp RC bzw. V U | S up RD .
(33)
5.4 Operationsverstärker
Aufgabenstellung
1. Es ist der Betrag der Spannungsverstärkung eines Operationsverstärkers im invertierenden und nichtinvertierenden Betrieb zu
bestimmen.
2. Man messe die Ausgangsspannung eines
Addierverstärkers in Abhängigkeit von der
Überlagerung einer Gleich- mit einer Wechselspannung.
3. Ausgehend von der invertierenden Grundschaltung ist eine Logarithmier- oder eine
Integratorschaltung aufzubauen. Die Ausgangsspannungen sind in Abhängigkeit von
der Größe bzw. von der Frequenz der Eingangsspannungen zu messen und graphisch
darzustellen. Schaltungsrelevante Parameter
sollen ermittelt werden.
Versuchsausführung
Entsprechend dem zur Verfügung stehenden
OPV sind die Betriebsspannungen (in der
Regel ±15 V) zu wählen und ggf. ist eine so
genannte
Offsetspannungskompensation
durchzuführen, so dass ohne Signal an beiden
Eingängen die Ausgangsspannung null wird.
Bei Aufgabe 1 ist die Spannungsverstärkung
VU uˆa uˆe sowohl im invertierenden als
5.4 Operationsverstärker
237
auch im nichtinvertierenden Betrieb
(Abb. E.5.0.8) in Abhängigkeit vom Widerstand R2 bei einer an den entsprechenden
Eingang gelegten Wechselspannung zu
bestimmen. Die Messungen sollen mit
R1 = 1 kȍ bei einer festen Frequenz f = 1 kHz
durchgeführt werden.
Die Amplitude ûe der Eingangsspannung ue (t ) uˆe cos Z t wird so gewählt, dass
sich als Amplitude der Ausgangsspannung
ua (t ) uˆa cos Z t M ein Wert ûa = 5 V
ergibt. Der Widerstand R2 ist im Bereich von
100 : bis 100 k: zu variieren. Mit einem
Zweikanal-Oszilloskop ist die Phasenbeziehung zwischen Eingangs- und Ausgangsspannung zu beobachten. Die gemessenen
und berechenbaren Spannungsverstärkungen
sind für beide Verstärkerschaltungen graphisch darzustellen und zu diskutieren. Für
Aufgabe 2 ist die Schaltung eines Addierverstärkers nach Abb. E.5.4.1 aufzubauen.
R2
R11
E1
§R
·
R
(34)
¨ 2 u11 2 u12 ¸ .
R12
© R11
¹
Werden die Widerstände gleichgroß gewählt,
ergibt sich als Ausgangsspannung die Summe der Eingangsspannungen mit negativem
Vorzeichen. An den Eingang E1 wird eine
Wechselspannung u11 ue (t ) uˆe cos Z t mit
konstanter Amplitude ûe und an den Eingang
E2 eine veränderbare Gleichspannung u12 U
angelegt. Es sollen R2 = 10 kȍ, uˆe 1V ,
f = 1 kHz sowie U = ( 3 V…+3 V) gewählt
werden. Die Verstärkung der Schaltung soll
etwa zwei betragen. Mit einem Oszilloskop
ist die Veränderung der Ausgangsspannung
in Abhängigkeit von der Größe der angelegten Gleichspannung zu beobachten und zu
diskutieren. Ausgehend von der invertierenden Grundschaltung nach Abb. E.5.0.8a ist
bei Aufgabe 3 zuerst eine Logarithmierschaltung nach Abb. E.5.4.2a aufzubauen (der
Widerstand R2 in Abb. E.5.0.8a wurde durch
eine Diode ersetzt).
ua
D
a)
u11(t)
E2
RC
R12
_
S
u12(t)
+
b)
C
ua(t)
R1
_
S
Abb. E.5.4.1 Addierverstärker mit Operationsverstärker
In dieser Schaltung schließt man die beiden
zu summierenden Spannungen u11 und u12
über die Vorwiderstände R11 und R12 an den
invertierenden Eingang an. Für die Berechnung der Ausgangsspannung ua folgt bei
Anwendung der Kirchhoff’schen Knotenregel i11 i12 i2 0 mit i11 u11 R11 ,
i12 u12 R12 sowie i2 ua R2 für die Ausgangsspannung
ue (t)
+
ua (t)
Abb. E.5.4.2 (a) Logarithmier- und (b) Integratorschaltung
Unter Berücksichtigung der Gl. (10) zur
Beschreibung einer Diodenkennlinie gilt bei
Schaltung in Durchlassrichtung für den Diodenstrom ID in guter Näherung
§U ·
I D | I S exp ¨
¸ .
© UT ¹
238 Elektrizitätslehre
5 Halbleiter-Bauelemente, elektronische Grundschaltungen
Die Ausgangsspannung ua ist bei zehn verschiedenen Eingangsspannungen ue im Bereich zwischen 10 mV bis 40 V zu messen
und mittels graphischer Auswertung zu analysieren. Der Wert von UT soll bestimmt
werden. Mit ID = i1= ue /R1 sowie ua = U
folgt
§ u ·
§ u ·
ue
I S exp ¨ a ¸ , ua U T ln ¨ e ¸ .
R1
© UT ¹
© R1 I S ¹
(35)
Im Falle der Integratorschaltung wird R2 in
Abb. E.5.0.8a durch eine Parallelschaltung
aus einem Widerstand (RC) und einem Kondensator (C) ersetzt (Abb. E.5.4.2b).
Bei einer Integratorschaltung ist die Ausgangsspannung dem zeitlichen Integral der
Eingangsspannung proportional. Infolge der
großen Verstärkung und des großen Eingangswiderstands gilt für den Punkt S
iC ue
R1
ua 1
ue dt .
R1 C ³
C
du a
dt
sowie
(36)
Die Zeitkonstante der Integration ist W =R1 C.
Wegen der fehlenden Gleichstromgegenkopplung kann das Ausgangspotential instabil werden. Um das zu vermeiden, schaltet
man einen hochohmigen Kopplungswiderstand (RC > 1 M:) parallel zum Kondensator. Wird an den nichtinvertierenden Eingang
eine konstante Gleichspannung gelegt, entsteht nach Gl. (36) am Ausgang des Integrators eine zeitlinear ansteigende Spannung.
Verwendet man dazu eine Rechteckimpulsfolge mit der Periodendauer T, muss die
Zeitkonstante W größer als T sein.
Im Falle einer Sinusspannung ergibt sich eine
negative Kosinusspannung. Ist die Eingangsspannung eine mit der Zeit linear ansteigende
Spannung, kann eine mit der Zeit quadratisch
anwachsende Ausgangsspannung gemessen
werden. Bei einer sinusförmigen Eingangsspannung ue (t ) uˆe cos Z t ist mit der Integra-
torschaltung in einem vorgegebenen Frequenzbereich und bei einer konstanten Amplitude ûe = 1 V die Verstärkung zu ermitteln.
Zur Messung der Spannungen ( uˆe , uˆa ) wird
ein Zweikanal-Oszilloskop verwendet. Mittels einer graphischen Auswertung bestimmt
man das Produkt R1 C.
5.5 Digitalelektronik
5.5.1 Addierer
Aufgabenstellung
1. Für die in der Abb. E.5.5.1 angegebene
kombinatorische Schaltung ist die Wahrheitstabelle bezüglich der beiden Eingangsvariablen X 1 und X 2 und der Ausgangsvariablen S
aufzustellen. Es ist nachzuweisen, dass die
Schaltung die Addition zweier Binärzahlen
realisiert und der Ausgang Ü den Übertrag
auf die nächste Stelle liefert.
2. Aus der Wahrheitstabelle ist bezüglich der
Variablen X1, X2 und dem Ausgang S die
disjunktive Normalform der Schaltung abzuleiten und die Schaltung nach Abb. E.5.6.1
nur mit NAND-Gattern aufzubauen.
3. Aus zwei Halbaddierern ist ein Volladdierer aufzubauen und die Wahrheitstabelle
aufzustellen.
Versuchsausführung
Es ist die Schaltung nach Abb. E.5.5.1 aufzubauen.
X1
&
&
X2
&
S
&
Ü
&
Abb. E.5.5.1 Halbaddierer mit NAND
5.5 Digitalelektronik
239
Anhand der Wahrheitstabelle ist zu zeigen,
dass die Schaltung nach Abb. E.5.5.1 einen
so genannten Halbaddierer realisiert, da das
Problem der Addition nur in der ersten Digitalstelle gelöst wird.
5.5.3 Digital-Analog-Wandler
Aufgabenstellung
Es ist aus der Funktionsweise des in der
Abb. E.5.0.10 dargestellten RS-Flip-Flops
die Wirkungsweise des in der Abb. E.5.5.2
wiedergegebenen taktgesteuerten RS-FlipFlops mit NAND abzuleiten.
Aus der Grundschaltung eines Operationsverstärkers als invertierender Verstärker
sowie aus der Anwendung als Addierverstärker (E.5.4) ist die Wirkungsweise der in der
Abb. E.5.5.3 angegebenen Schaltung als
Digital-Analog-Umsetzer (DAU) abzuleiten.
Der Quantisierungsschritt, d. h., die Spannungseinheit ULSB für das niedrigste Bit
(Least Significant Bit, LSB), ist für eine
vorgegebene
Referenzspannung
von
U0 = 10 V zu bestimmen.
Versuchsausführung
Versuchsausführung
Es ist die Wahrheitstabelle bezüglich der drei
Eingangsvariablen S, R und C (Takt, clock)
aufzustellen. Dabei ist die Wirkung der acht
möglichen Eingangsbelegungen auf die Ausgänge Q und Q schrittweise über die Ausgänge der ersten beiden NAND zu den Ausgängen der zweiten NAND bezüglich der
Spannungspegel mit einem Digitalvoltmeter
zu verfolgen. Außerdem soll nachgewiesen
werden, dass das taktgesteuerte RS-Flip-Flop
ebenfalls eine sequentielle Schaltung darstellt.
Man beachte die Hinweise zum Versuch E.5.4. Es ist die Wahrheitstabelle bezüglich der beiden möglichen Zustände H
und L der vier Schalter D, C, B und A aufzustellen. H bedeutet, dass der jeweilige Schalter geschlossen, L bedeutet, dass der jeweilige Schalter geöffnet ist. Jedem der vier
Schalter ist damit eine Stelle im Binärcode
zugeordnet. Man berücksichtige, dass dem
Betrag nach die Ausgangsspannung UA nicht
größer als die Betriebsspannung des OPV
werden kann.
5.5.2 RS-Kippschaltungen
Aufgabenstellung
S
&
&
Q
C
&
&
Q
R
U0
D
R
C
2R
B
4R
A
8R
0,8R
_
+
UA
Abb. E.5.5.2 Taktgesteuertes RS-Flip-Flop
Die unterschiedlichen Realisierungsmöglichkeiten der Schaltung sind zu diskutieren.
Abb. E.5.5.3 Digital-Analog-Umsetzer mit OPV
als Addierverstärker
240
Optik und Atomphysik
1 Linsen und Linsensysteme
1.0 Grundlagen
Linsen sind Körper aus einer lichtbrechenden
Substanz, die von zwei meist sphärisch gekrümmten Flächen begrenzt werden. Die
Verbindungslinie der Mittelpunkte dieser
Flächen nennt man optische Achse.
Ein auf die Linse fallender Lichtstrahl wird
entsprechend dem Brechungsgesetz gebrochen. Beschränkt man sich auf Strahlen, die
nur kleine Winkel mit der optischen Achse
bilden, vereinigt eine Linse alle von einem
Gegenstandspunkt 1 ausgehenden Strahlen in
einem Bildpunkt 1'. Das Bild heißt reell,
wenn sich die Strahlen im Bildpunkt wirklich
schneiden, und virtuell, wenn sich nur die
rückwärtigen Verlängerungen der Strahlen
schneiden. Zunächst werden nur dünne Linsen betrachtet. Bei diesen kann man sich die
zweimalige Brechung des Lichts durch eine
einzige Brechung an der Mittelebene der
Linse ersetzt denken (Abb. O.1.0.1). Sammellinsen (Konvexlinsen) sind in der Mitte
dicker, Zerstreuungslinsen (Konkavlinsen)
dünner als am Rand. Parallel zur optischen
Achse einfallendes Licht wird von einer
Sammellinse im Brennpunkt F ' vereinigt; der
Abstand des Brennpunkts von der Mittelebene ist die Brennweite f der Linse. Der reziproke Wert D = 1/f wird als Brechkraft bezeichnet und in Dioptrien gemessen (1 Dioptrie = 1 m-1). Bei Zerstreuungslinsen werden
parallel zur optischen Achse einfallende
Strahlen so gebrochen, als kämen sie von
einem Brennpunkt F '; auch hier ist der Abstand des Brennpunkts von der Mittelebene
die Brennweite f.
Sammellinsen haben also reelle und Zerstreuungslinsen virtuelle Brennpunkte. Befinden sich die beiden brechenden Flächen
einer Linse im gleichen umgebenden Medium, sind objekt- und bildseitige Brennweite
gleich.
b
g
1
2
G
F'
B
F
1'
a)
2'
G
F'
B
F
b)
Abb. O.1.0.1 Bildkonstruktion a) bei einer dünnen Sammellinse und b) einer Zerstreuungslinse.
G und B bezeichnen Gegenstands- und Bildgröße,
g und b Gegenstands- und Bildweite; optische
Achse (Strich-Punkt-Linie)
Für die geometrische Konstruktion des Bilds
benutzt man drei ausgewählte Strahlen:
1. den Mittelpunktsstrahl, der seine Richtung
nicht ändert,
2. den objektseitigen Parallelstrahl, der zum
bildseitigen Brennpunktstrahl durch F ' wird,
und
3. den objektseitigen Brennpunktstrahl durch
F, der zum bildseitigen Parallelstrahl wird.
Abb. O.1.0.1 zeigt die Bildkonstruktionen für
W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum,
DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_5, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
241
1.0 Grundlagen
die Sammel- und die Zerstreuungslinse.
Für Hohlspiegel gelten analoge Betrachtungen (Abb. O.1.0.2).
2'
1
2
M
F
h
f
Abb. O.1.0.2 Bildkonstruktion am Hohlspiegel.
M Krümmungsmittelpunkt, F Brennpunkt; die
Brennweite f ist gleich dem halben Krümmungsradius: f = R/2
Das Verhältnis von Bildgröße B zu Gegenstandsgröße G bezeichnet man als linearen
Abbildungsmaßstab J. Mit Hilfe des Strahlensatzes ergibt sich aus Abb. O.1.0.1a
J
b
.
g
1
fg
1 1
.
f1 f 2
tan E D (4)
sin D .
(5)
und
h
R
Bei einer Kugelfläche geht das Einfallslot
durch den Krümmungsmittelpunkt M.
(1)
R
B
,
b f
1 1
.
g b
1 1
d
f1 f 2 f1 f 2
β-α
F
f
Abb. O.1.0.3 Zur Berechnung der Brennweite
einer dünnen Plankonvexlinse
(2)
Nach dem Brechungsgesetz (O.3.0.1) ist
n sin D
Bei virtuellen Bildern bzw. Brennpunkten
sind b bzw. f negativ einzusetzen.
Zwei im Abstand d voneinander angeordnete
Sammellinsen mit den Einzelbrennweiten f1
und f2 ergeben eine resultierende Gesamtbrennweite fg, die sich mit Gl. (3)
1
fg
h
M
woraus die Abbildungsgleichung folgt:
1
f
β
α
Man erhält auch
G
f
(3a)
Die Brennweite f einer in Luft befindlichen
dünnen Plankonvexlinse lässt sich aus dem
Brechungsindex n des Linsenmaterials und
dem Krümmungsradius R der konvexen Linsenfläche berechnen. Mit Abb. O.1.0.3 gilt
1'
B
G
berechnen lässt. Ist der Abstand d klein gegenüber den Brennweiten (d f ), addieren
sich die reziproken Brennweiten:
(3)
sin E .
(6)
Beschränkt man sich auf kleine Einfallshöhen h, sind die Winkel D und E sehr klein,
und es wird wegen n Į § ȕ
h
f
tan E D | E D
| n 1 D | n 1
h
.
R
Für die Brennweite kann man dementspre-
242 Optik und Atomphysik
1 Linsen und Linsensysteme
chend ableiten:
1
f
n 1
1
.
R
(7)
Für eine dünne Plankonkavlinse gilt die gleiche Formel, man muss jedoch R negativ zählen, so dass sich eine negative Brennweite
ergibt. Linsen mit zwei gekrümmten Flächen
(Radien R1 und R2) kann man sich aus zwei
einseitig planen Linsen zusammengesetzt
denken. Die Gl. (7) gilt nur für achsennahe
Strahlen. Achsenferne Strahlen haben kleinere Brennweiten (sphärische Aberration). Da
der Brechungsindex von der Wellenlänge des
benutzten Lichts abhängt, ist auch die Brennweite wellenlängenabhängig (Ursache für
den Abbildungsfehler der chromatischen
Aberration).
Bei dicken Linsen (d | R) kann man sich die
zweimalige Brechung der Lichtstrahlen an
den Linsenflächen nicht mehr durch eine
einzige Brechung an der Mittelebene ersetzt
denken. Man hilft sich durch die Einführung
der gegenstandsseitigen Hauptebene H und
der
bildseitigen
Hauptebene
H'
(Abb. O.1.0.4), an denen man sich die Strahlen gebrochen denkt. Die Bildkonstruktion ist
nach folgender Vorschrift1 auszuführen:
1. Zwischen H und H' laufen alle Strahlen
parallel zur optische Achse.
2. Der Parallelstrahl 1 wird an der Hauptebene H' gebrochen und zum Brennpunktstrahl 1' durch den zu H' gehörenden Brennpunkt F '.
3. Der Brennpunktstrahl 2 durch den zu H
gehörenden Brennpunkt F wird an der Hauptebene H gebrochen und zum Parallelstrahl 2'.
4. Der Mittelpunktstrahl 3 wird lediglich
parallel verschoben.
Bezieht man g, b und f auf die zugehörige
1
Der nach dieser Vorschrift konstruierte Strahlenverlauf hat nur für die Bildkonstruktion Bedeutung und entspricht nicht dem realen Strahlengang.
Hauptebenen, gelten die Gln. (2) und (1)
auch für dicke Linsen. Die Lage der Hauptebenen lässt sich nach dem in Abb. O.1.2
beschriebenen Verfahren von Abbe bestimmen. Die Methode der Hauptebenen kann
auch zur Bildkonstruktion in zentrierten Linsensystemen (mehrere Linsen mit gemeinsamer optischer Achse) benutzt werden.
H
1
G
H'
b
3
2
1'
F
3'
f
F'
B
2'
g
Abb. O.1.0.4 Bildkonstruktion bei einer dicken
Sammellinse
Die Lage der Hauptebenen des Systems lässt
sich dabei aus der Lage der Hauptebenen der
Einzellinsen konstruieren. Das Verfahren
wird in Abb. O.1.0.5 an zwei dünnen Sammellinsen L1 und L2, die den Abstand d haben, demonstriert (die Linsen sind nur durch
ihre Mittelebenen angedeutet). Zunächst
konstruiert man mit Parallel- und Brennpunktstrahlen das Zwischenbild Bz und das
Bild B des Gegenstands G. Nun verfolgt man
den Verlauf des Parallelstrahls 1 durch beide
Linsen und erhält die Strahlen 1' und 1'', da 1'
an L2 so gebrochen wird, dass 1'' durch das
Bild B geht. Der Schnittpunkt der Verlängerung 1''' von 1 mit 1'' bestimmt die Lage der
Hauptebene H', der Schnittpunkt von 1'' mit
der optischen Achse ist der bildseitige Brennpunkt F' des Systems.
H und F werden analog konstruiert, indem
man den Parallelstrahl 2'' rückwärts verfolgt
und den Schnittpunkt seiner Verlängerung
mit dem Strahl 2 bestimmt. Im Beispiel von
Abb. O.1.0.5 liegt F rechts von H und F' links
von H'. Die Brennweite dieses Zweilinsensystems ist negativ. Im Gegensatz zu einer
einzelnen Zerstreuungslinse können hier
jedoch reelle Bilder entstehen.
1.1 Krümmungsradius und Brennweite dünner Linsen
H
L1
243
H'
L2
d
1'''
1
2''
G
F'1
F1
F2
F'2
F
F'
2
f
B
2'
Bz
1''
1'
f'
Abb. O.1.0.5 Konstruktion der Hauptebenen eines Linsensystems
1.1 Krümmungsradius und
Brennweite dünner Linsen
diese umgekehrt und gleich groß auf dem
Schirm abgebildet (Abb. O.1.1.1).
Aufgabenstellung
1. Krümmungsradius und Brennweite einer
dünnen Sammellinse sind nach verschiedenen Verfahren zu messen. Aus den Messwerten ist der Brechungsindex n zu berechnen.
2. Die Gültigkeit der Abbildungsgleichung
ist zu überprüfen.
Bei Aufgabe 1 kann der Krümmungsradius
mittels mechanischer oder optischer Verfahren gemessen werden. Bei den mechanischen
Verfahren misst man z. B. mit einem Tiefentaster, wie weit eine konvexe Linsenfläche in
eine kreiszylindrische Vertiefung einsinkt
bzw. wie weit die Mitte einer konkaven Linsenfläche über der Auflageebene liegt.
Die berührungslosen optischen Verfahren
benutzen die Linsenfläche als Spiegel. Bei
konkaven Flächen ist das Autokollimationsverfahren am einfachsten: Befindet sich im
Krümmungsmittelpunkt des Spiegels ein
Schirm mit einer leuchtenden Marke, wird
G
M
B
F
Abb. O.1.1.1 Zum Prinzip des Autokollimationsverfahrens beim Hohlspiegel
Praktisch benutzt man als leuchtende Marke
das über eine dünne planparallele Glasplatte P beleuchtete Fadenkreuz K eines so genannten Gauß’schen Okulars (Abb. O.1.1.2)
und verändert den Abstand zwischen Fadenkreuz und Spiegel so lange, bis das Fadenkreuz scharf und parallaxenfrei in sich abgebildet wird. Bei konvexen Flächen entstehen
dagegen virtuelle Bilder und das Autokollimationsverfahren ist nicht anwendbar.
244 Optik und Atomphysik
1 Linsen und Linsensysteme
nicht direkt messbaren Größen b und B, ergibt sich
K
F
R
P
R
Abb. O.1.1.2 Gauß’sches Okular
Man benutzt dann die Methode von Kohlrausch (Abb. O.1.1.3). Bei diesem Verfahren
befinden sich vor der Linsenfläche zwei
leuchtende Marken 1 und 2, deren Spiegelbilder 1' und 2' hinter der Linsenfläche liegen.
2 g Bc
.
G 2 Bc
Die Brennweite von Sammellinsen ermittelt
man bei Aufgabe 2 aus Gegenstands- und
Bildweite, indem man z. B. das Bild eines
beleuchteten durchsichtigen Maßstabs auf
einen Schirm projiziert und die entsprechenden Abstände zum Linsenmittelpunkt misst.
Mit Gl. (2) berechnet man daraus die Brennweite. Das Verfahren hat den Nachteil, dass
bei einer gefassten Linse die Lage der Mittelebene nicht genau bekannt ist.
Skale
I
1
Fernrohr
B
2' F
2
G
BII
BI
Abb. O.1.1.3 Kohlrausch-Methode zur Messung
des Krümmungsradius
Den Abstand der Spiegelbilder B bestimmt
man, indem dicht vor der Linse eine durchsichtige Skala befestigt wird. Mit dem Fernrohr, dessen Objektiv sich auf der Verbindungslinie der beiden leuchtenden Marken
befindet, misst man die Projektion B’ der
virtuellen Bilder auf dieser Skala. Nach
Gl. (2) und mit «f « = R/2 folgt
1
f
2
.
R
Aus Abb. O.1.1.3 entnimmt man unter Benutzung des Strahlensatzes
b
g
II
|b|
g
1 1
g b
s
e
1'
B'
G
(8)
B
Bc
yB
|
.
und
g b
g
yL
Eliminiert man aus diesen Gleichungen die
bI
gI
gII = bI
bII = gI
Abb. O.1.1.4 Bessel’sche Methode zur Brennweitenbestimmung
In diesem Fall wird die Bessel’sche Methode
verwendet (Abb. O.1.1.4). Bei festem Abstand s zwischen Gegenstand und Schirm
erhält man bei zwei symmetrischen Linsenstellungen I und II scharfe reelle Bilder auf
dem Schirm (in Stellung I ein vergrößertes,
in Stellung II ein verkleinertes), wobei der
Abstand s größer als das Vierfache der
Brennweite der Linse sein muss. Ist die Größe der Verschiebung von Stellung I nach
Stellung II gleich e, gilt wegen der Symmetrie der Linsenstellungen
e bI g I
g II bII ,
(9a)
g I bI
g II bII .
(9b)
s
1.1 Krümmungsradius und Brennweite dünner Linsen
Löst man nach g und b auf und setzt in die
Abbildungsgleichung (Gl. (2)) ein, ergibt
sich2
f =
2
1 §
e ·
¨s ¸ .
s¹
4 ©
(10)
LB
LQ
f
Abb. O.1.1.5 Autokollimationsverfahren
Brennweitenbestimmung
zur
Die Brennweitenmessung kann auch nach
dem Autokollimationsverfahren erfolgen
(Abb. O.1.1.5). Man bringt dazu hinter der
Linse einen ebenen Spiegel senkrecht zur
optischen Achse an und verschiebt eine als
Gegenstand dienende und mit einer Lichtquelle (LQ) beleuchtete Lochblende (LB) so
lange, bis ihr Bild in der Gegenstandsebene
scharf erscheint. Ist dies erreicht, befindet
sich der Gegenstand in der Brennweite der
Linse. Alle von einem Punkt des Gegenstands ausgehenden Lichtstrahlen treten daher parallel aus der Linse aus, werden reflektiert und in der Brennebene wieder zu einem
Punkt vereinigt. Für die praktische Ausführung benutzt man ebenso wie bei der Messung des Krümmungsradius das Gauß’sche
Okular. Das Verfahren wird hauptsächlich
benutzt, um ein Fernrohr auf Unendlich einzustellen (das Fadenkreuz befindet sich dann
2
Bei dicken Linsen ist s = g + b + HH', wenn
HH' der Abstand der beiden Hauptebenen ist.
Bei Präzisionsmessungen muss daher HH' ebenfalls gemessen werden. In (10) ist anstelle von s
die Größe s HH' einzusetzen.
245
in der Brennebene des Objektivs) und um
seine Sehlinie senkrecht zu einer reflektierenden Fläche zu stellen. Die Linse ist in
diesem Fall das Fernrohrobjektiv und der
Abstand zwischen Fernrohr und Spiegel kann
beliebig groß sein. Da die Abbildung mit
Zerstreuungslinsen nur virtuelle Bilder liefert, muss deren Brennweite indirekt gemessen werden. Man setzt zu diesem Zweck die
Zerstreuungslinse, deren Brennweite fz zu
messen ist, mit einer Sammellinse bekannter
Brennweite fs zu einem zentrierten Linsensystem zusammen. Ist der Linsenabstand zu
vernachlässigen, ergibt sich nach Gl. (3) für
die Brennweite fg des Systems
1
1
1
=
+
,
fg
fs
fz
wobei fz negativ ist. Wählt man die Brennweite des Systems kleiner als den Betrag der
Brennweite der Zerstreuungslinse, überwiegt
die sammelnde Wirkung. Das System hat
eine positive Brennweite, die sich nach den
oben beschriebenen Methoden messen lässt.
Aus fs und fg ergibt sich
fz = f g fs
fg fs
.
(11)
Versuchsausführung
Details zur mechanischen Ermittlung des
Krümmungsradius sind den entsprechenden
Gerätebeschreibungen zu entnehmen.
Bei der Messung des Krümmungsradius nach
der Methode von Kohlrausch beobachtet man
außer den an der Vorderseite der Linse reflektierten Bildern auch solche, die von Reflexionen an der Rückseite stammen. Sie sind
lichtschwächer; bei einer einseitig planen
Linse kann man sie vermeiden, indem man
die Planfläche schräg zur optischen Achse
des Fernrohrs stellt.
Die Brennweitenmessungen sind auf einer
optischen Bank auszuführen, die Linsen sol-
246 Optik und Atomphysik
1 Linsen und Linsensysteme
len dabei genau senkrecht zur optischen Achse stehen. Um chromatische Abbildungsfehler zu vermeiden, ist ggf. mit monochromatischem Licht zu arbeiten. Abbildungsfehler
infolge zu weit geöffneter Bündel verringert
man durch genügend enge Blenden vor den
Linsen. Zur Überprüfung der Abbildungsgleichung misst man bei verschiedenen Gegenstandsweiten g die Bildweite b und trägt
1/b über 1/g auf. Dabei muss sich eine Gerade mit der Steigung minus eins ergeben.
Ablesemarke A gemessen, und man erhält
nach Abb. O.1.2.1 die beiden Beziehungen
§ 1·
g c = g + h = f ¨1+ ¸ + h und
© J¹
(13a)
b c = b + hc = f ( 1 + J ) + h c .
(13b)
1.2 Brennweite und Hauptebenen eines Linsensystems
B
f
g
g'
Aufgabenstellung
h'
h
b'
b
A
1. Die Brennweite und die Lage der Hauptebenen eines Systems aus zwei dünnen Sammellinsen sind zu bestimmen. Es ist eine
maßstabsgerechte Zeichnung anzufertigen.
2. Die Brennweiten der Einzellinsen sind zu
messen. Unter Benutzung der dabei erhaltenen Werte sind die Lagen der Brennpunkte
und der Hauptebenen zu konstruieren und mit
dem Ergebnis von Aufgabe 1 zu vergleichen.
Die Messung der Brennweite und der Lage
der Hauptebenen eines Linsensystems erfolgt
nach dem Verfahren von Abbe, das auf der
Messung des Abbildungsmaßstabs reeller
Bilder beruht. Kombiniert man die Gln. (2)
und (1) miteinander, ergibt sich
Abb. O.1.2.1 Messung der Lage der Hauptebenen
nach Abbe
Misst man bei zwei verschiedenen Entfernungen g1c und g2c die Werte Ȗ1 und Ȗ2, kann
man die Unbekannten h und hc durch Differenzbildung eliminieren und erhält
f=
f =
Gegenstandsweite g und Bildweite b sind
nicht direkt messbar, da die Lage der Hauptebenen noch unbekannt ist. Daher werden
zunächst die Entfernungen gc und bc von
einer beliebig am Linsensystem angebrachten
(14a)
b 2c b1c
.
J 2 J1
(14b)
Die so bestimmte Brennweite f dient zur Berechnung von h gemäß Gl. (13a):
h
(12b)
g 2c g 1c
bzw.
1 1
J 2 J1
(12a)
bzw.
b = f (1 + J ) .
F'
F
G
§
1·
g = f ¨1 + ¸ ,
J¹
©
H'
H
§
1·
g 1c f ¨1 + ¸
J
©
1¹
§
1·
= g 2c f ¨1 +
¸ .
J2¹
©
(15a)
Für die Größe hc folgt nach Gl. (13b)
hc = b1c f (1 + J 1)
hc = b 2c f (1 + J 2 ) .
(15b)
1.3 Lupe und Mikroskop
247
Ein negatives h bedeutet, dass die Hauptebene H rechts von der Ablesemarke A liegt, ein
negatives hc, dass H ' links von A liegt
(Abb. O.1.2.1). Die Brennweite f kann auch
negativ werden. In diesem Fall liegt der gegenstandsseitige Brennpunkt F rechts von H,
der bildseitige Brennpunkt F ' links von H '.
tivs eines Labormikroskops und die Mikroskopvergrößerung zu ermitteln. Die Apertur
des Mikroskops ist zu bestimmen.
3. Der Zusammenhang zwischen Apertur und
Auflösungsvermögen eines Mikroskops ist
mit Testobjekten zu ermitteln.
Versuchsausführung
Der Winkel, unter dem ein Gegenstand vom
optischen Mittelpunkt des Auges aus gesehen
wird, heißt Sehwinkel ı (Abb. O.1.3.1).
Als Gegenstand benutzt man eine beleuchtete
Glasskala, die durch Verschieben des Linsensystems auf einem Schirm mit Millimeterteilung oder auf der Okularskala einer Messlupe
scharf abgebildet wird. Es empfiehlt sich, bei
mäßiger Vergrößerung oder Verkleinerung
zu messen (etwa 0,2 < Ȗ < 5) und möglichst
enge Blenden vor die Linsen zu setzen, da
sich sonst Abbildungsfehler störend bemerkbar machen. Um die Genauigkeit der Messungen zu vergrößern, misst man nicht nur
bei zwei, sondern bei etwa zehn verschiedenen Gegenstandsweiten und trägt gc über 1/Ȗ
und bc über Ȗ auf. Es ergeben sich zwei Geraden, deren Steigung gleich der Brennweite
ist. Die Steigung ermittelt man, indem man
die Ausgleichsgerade durch die Messpunkte
legt oder diese mit Hilfe der linearen Regression bestimmt. Mit der so ermittelten Brennweite berechnet man mit Gl. (15a) für alle
gemessenen Gegenstandsweiten die Größe h
und bildet den Mittelwert. Analog erfolgt die
Bestimmung von hc mit Gl. (15b).
Für die Abschätzung der Messunsicherheit
werden die Gln. (14) und (15) betrachtet.
Die Brennweite der Einzellinsen bestimmt
man mit einem der in O.1.1 beschriebenen
Verfahren; die Konstruktion der Lage der
Hauptebenen und Brennpunkte erfolgt nach
der in O.1.0 angegebenen Methode.
1.3 Lupe und Mikroskop
Aufgabenstellung
1. Die Vergrößerung einer Lupe ist zu
bestimmen.
2. Es sind der Abbildungsmaßstab des Objek-
σ
G
B
g
Auge
Abb. O.1.3.1 Definition des Sehwinkels
Er hängt von der Objektgröße G und vom
Abstand des Gegenstands vom Auge ab.
B
G σ'
F'
F
g
s
Abb. O.1.3.2 Strahlenverlauf in einer Sammellinse zur Einführung der Vergrößerung der Lupe
Der Sehwinkel kleiner Gegenstände lässt sich
durch Annäherung an das Auge nicht beliebig vergrößern, da unterhalb der deutlichen
Sehweite s = 25 cm die Sehschärfe abnimmt.
Lupe und Mikroskop dienen zur Vergrößerung des Sehwinkels kleiner Gegenstände.
Als laterale Vergrößerung bezeichnet man
das Verhältnis
* =
tan V c
,
tan V
(16)
248 Optik und Atomphysik
1 Linsen und Linsensysteme
wobei ı und ıc die Sehwinkel ohne und mit
optischem Instrument sind und sich beide
Sehwinkel auf die gleiche Entfernung beziehen. Das Verhältnis ı c/ ı wird auch angulare
Vergrößerung genannt.
Eine Lupe ist eine Sammellinse, bei der sich
der Gegenstand innerhalb der Brennweite
befindet, so dass ein vergrößertes, aufrechtes,
virtuelles Bild entsteht (Abb. O.1.3.2).
Zweckmäßigerweise arbeitet man so, dass
sich das Bild in der deutlichen Sehweite s
befindet. Bringt man die Lupe unmittelbar
vor das Auge, gilt tan ıc= B c/s, während ohne
Lupe tan ı = G/s ist. Aus der Abbildungsglei1 1 1
chung Gl. (2 ) mit
f g s
(das negative Vorzeichen entspricht dem
virtuellen Bild) folgt
s s
1 und man erhält
g f
*L =
B
s
s
=
=
+1.
G
g
f
(17)
In diesem Falle ist die Vergrößerung īL
gleich dem Abbildungsmaßstab Ȗ. Im Allgemeinen unterscheiden sich jedoch Vergrößerung und Abbildungsmaßstab. Beispielsweise
kann man eine Lupe auch so benutzen, dass
der Gegenstand in der Brennebene, das virtuelle Bild demzufolge im Unendlichen liegt.
Der Sehwinkel mit Lupe ist dann gleich G / f,
und man erhält *L’ = s / f, während der Abbildungsmaßstab J’ = f ist.
Bei einem Mikroskop (Vergrößerung *M)
wird zunächst mit einer Sammellinse (Objektiv, Ob) ein vergrößertes, reelles Zwischenbild erzeugt und dieses mit einer Lupe (Okular, Ok) betrachtet (Abb. O.1.3.3). Die erzielten Vergrößerungen sind gleich dem Produkt
aus dem Abbildungsmaßstab des Objektivs
J Ob
BZ
G
bZ
1
f Ob
(18)
und der Lupenvergrößerung *L des Okulars:
* M = J Ob * L .
(19)
In Gl. (18) sind fOb die Brennweite der Objektivlinse und bZ der Bildabstand für das Zwischenbild.
B
FOb
F'Ok
BZ
F'Ob
G
FOk
Ob
Ok
Abb. O.1.3.3 Strahlengang im Mikroskop
Maßgebend für die Leistungsfähigkeit eines
Mikroskops ist jedoch nicht die erreichbare
Vergrößerung, sondern sein Auflösungsvermögen, das angibt, bei welchem minimalen
Abstand dmin zwei Objektpunkte noch getrennt wahrnehmbar sind. Das Auflösungsvermögen wird durch die Beugung des Lichts
an der Objektivöffnung begrenzt (O.2). Nach
E. Abbe gilt
d min =
0,61 O
0,61 O
=
.
n sin u
AN
(20)
Dabei ist O die Wellenlänge des benutzten
Lichts (bei weißem Licht rechnet man aufgrund des Maximums der Augenempfindlichkeit mit O = 550 nm), n der Brechungsindex des Mediums zwischen Gegenstand und
Objektiv und u der halbe gegenstandsseitige
Öffnungswinkel (Abb. O.1.3.5). Die Größe
AN = n sin u heißt numerische Apertur des
Objektivs. Sie ist ein Maß für dessen Auflösungsvermögen.
Versuchsausführung
Zur Bestimmung der Lupenvergrößerung
(Abb. O.1.3.4) betrachtet man mit einem
Auge durch einen Tubus (T) die sich in der
deutlichen Sehweite befindende Skala I (Sk I)
1.3 Lupe und Mikroskop
249
und mit dem anderen Auge durch eine Lupe (L) die vertikal verschiebbare Skala (Sk II). Die Skala II wird so lange verschoben, bis ihr von der Lupe erzeugtes Bild
in der gleichen Entfernung wie Skala I scharf
erscheint, so dass man beide Skalen übereinander sieht.
T
L
Sk II
s
Sk I
Abb. O.1.3.4 Ermittlung der Lupenvergrößerung
det, so dass der direkte visuelle Vergleich
von ausgewählten Skalenabschnitten die
Bestimmung von JOb ermöglicht. Die Vergrößerung des Mikroskops lässt sich auf die
gleiche Weise wie die Bestimmung der Lupenvergrößerung durchführen. Als Skala II
wird ein Objektmikrometer mit einer
0,01 mm-Teilung, als Skala I z. B. eine
1 mm-Teilung verwendet. Auch hier ergibt
sich die Vergrößerung *M aus dem Verhältnis
der gleichzeitig sichtbaren Skalenbereiche
entsprechend Gl. (17a).
Zur Messung des Aperturwinkels u benutzt
man das in Abb. O.1.3.5 schematisch dargestellte Verfahren. Zunächst stellt man das
Mikroskop auf eine in der Mitte des Gesichtsfelds befindliche feine Lochblende LB
scharf ein. Dann entfernt man, ohne an der
Einstellung etwas zu verändern, das Okular
und beobachtet eine kleine Lichtquelle (LQ,
z. B. LED), die senkrecht zur Sehlinie auf
einer Skala verschiebbar ist. Man sieht dicht
vor dem Objektiv das verkleinerte Bild der
Lichtquelle.
LQ
Bei richtiger Einstellung zeigen die Skalen
keine Parallaxe gegeneinander. Das Verhältnis der gleichzeitig sichtbaren Skalenbereiche
aI und aII ergibt die gesuchte Lupenvergrößerung
* L, exp
aI
.
aII
(17a)
Um Unterschiede der beiden Augen des Beobachters auszugleichen, vertauscht man
Lupe und Tubus nach der Hälfte der Messungen und bildet den Mittelwert.
Die Bestimmung des Abbildungsmaßstabs
der Objektivlinse erfolgt ebenfalls durch
Vergleichsmessungen. Dabei wird das vergrößerte Zwischenbild eines Objektmikrometers mit der Skala einer Okularstrichplatte
verglichen. Beide Skalen werden bei geeigneter Mikroskopeinstellung scharf abgebil-
B
2a
u
Ob
b
LQ
Abb. O.1.3.5 Messung des Aperturwinkels beim
Mikroskop
Aus den beiden Stellungen, bei denen dieses
gerade am Rande des Gesichtsfelds verschwindet, ergibt sich der Aperturwinkel aus
tan u =
a
.
b
Zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen Apertur und Auflösungsvermögen
250 Optik und Atomphysik
1 Linsen und Linsensysteme
kann man als Testobjekt Strichgitter bekannter Gitterkonstante betrachten und feststellen,
welcher Abstand gerade noch aufgelöst wird.
Führt man diese Messung mit monochromatischer Beleuchtung durch, lässt sich auch die
Abhängigkeit des Auflösungsvermögens von
der Wellenlänge prüfen.
g ∞
1.4 Fernrohr
Objektiv
Okular
Fok' Fob'
Fok
σ
Aufgabenstellung
σ'
Fob
1. Es ist die Vergrößerung eines Fernrohrs zu
messen.
2. Das Gesichtsfeld des Fernrohrs ist zu
bestimmen.
3. Es sind die Brennweiten von Objektiv und
Okular eines astronomischen Fernrohrs zu
ermitteln.
4. Der Durchmesser und die Lage der Austrittspupille des auf Unendlich gestellten
astronomischen Fernrohrs sind zu bestimmen.
Linsenfernrohre bestehen im einfachsten Fall
aus zwei Linsen, dem Objektiv (Sammellinse) und dem Okular (Sammel- oder Zerstreuungslinse). Sie werden zur Vergrößerung des
Sehwinkels eines weit entfernten Gegenstandes verwendet. Das vom Gegenstand ausgehende Licht trifft dazu nahezu parallel auf
das Fernrohrobjektiv.
Objektiv
g ∞
tem), so dass parallel ins Objektiv fallende
Lichtbündel das Okular wieder parallel verlassen. Man beobachtet deshalb mit auf Unendlich akkommodiertem Auge. Zu unterscheiden sind das Kepler’sche und das Galilei’sche Fernrohr.
Okular
F'ob Fok
σ
Bz
Fob
fob
σ'
F'ok
fok
Abb. O.1.4.1 Strahlengang im astronomischen
Fernrohr
Zur Betrachtung ferner Gegenstände lässt
man beim Fernrohr den Brennpunkt Fob' des
Objektivs mit dem Brennpunkt Fok des Okulars zusammenfallen (teleskopisches Sys-
fob
fok
Abb. O.1.4.2 Strahlengang im holländischen
Fernrohr
Das astronomische oder Kepler’sche Fernrohr besteht aus zwei Sammellinsen, einem
Objektiv großer und einem Okular kleiner
Brennweite (Abb. O.1.4.1), während das
holländische oder Galilei’sche Fernrohr eine
langbrennweitige sammelnde Objektivlinse
und eine kurzbrennweitige Zerstreuungslinse
als Okular (Abb. O.1.4.2) enthält.
Zur Berechnung der Vergrößerung des astronomischen Fernrohrs betrachtet man ein vom
fernen Gegenstand ausgehendes paralleles
Lichtbündel, das der Beobachter unter dem
Sehwinkel ı wahrnimmt (Abb. O.1.4.1). Da
bei einem weit entfernten Gegenstand die
Länge des Fernrohrs vernachlässigt werden
kann, tritt das Lichtbündel unter dem gleichen Winkel ı in das Objektiv. In der gemeinsamen Brennebene von Objektiv und
Okular entsteht ein umgekehrtes reelles Zwischenbild der Größe
Bz = f ob tan V .
(21)
Das unmittelbar vor dem Auge befindliche
Okular wirkt als Lupe. Das umgekehrte Bild
erscheint unter dem Sehwinkel ı c mit
tan V c = B z ,
f ok
(22)
und für die Vergrößerung des astronomi-
1.4 Fernrohr
251
schen Fernrohrs ergibt sich aus den Gln. (16),
(21) und (22)
* ast =
f
tan V c
= ob .
tan V
f ok
(23)
Die Objektivfassung eines astronomischen
Fernrohrs, das keine weiteren Blenden enthält, wirkt als Eintrittspupille. Das vom Okular davon hinter dem Fernrohr erzeugte reelle, umgekehrte und verkleinerte Bild wird
Austrittspupille genannt. Ist dEP der Durchmesser der Eintrittspupille und dAP der Austrittspupille, ergibt sich für das auf Unendlich
eingestellte astronomische Fernrohr
d EP
d AP
f ob
f ok
* ast .
(24)
Dies bestätigt sich sofort, wenn man das vom
Okular erzeugte Bild der Objektivfassung
geometrisch konstruiert und die Strahlensätze
anwendet.
Beim holländischen Fernrohr entsteht kein
reelles Zwischenbild. Als Vergrößerung erhält man durch im Wesentlichen analoge
Betrachtungen (Abb. O.1.4.2)
* holl =
f
tan V c
= ob .
tan V
f ok
anderen Auge durch das Fernrohr sieht bzw.
den Maßstab direkt beobachtet.
(25)
Das holländische Fernrohr liefert aufrechte
Bilder (Theaterglas).
Versuchsausführung
Zur Messung der Vergrößerung visiert man
mit einem Auge durch das Fernrohr einen
entfernten Maßstab an, mit dem anderen betrachtet man ihn direkt, indem man seitlich
am Fernrohr vorbei sieht. Es gelingt in der
Regel, beide Bilder gleichzeitig wahrzunehmen. Man vergleicht nun die unvergrößerte
Strecke a1 mit der Länge a2 der vergrößert
gesehenen Strecke und erhält für die Fernrohrvergrößerung * = a1/a2. Man wiederholt
den Versuch, indem man mit dem jeweils
αm
a
D
Abb. O.1.4.3 Zur Definition des Gesichtsfelds
Eine andere Möglichkeit zur Bestimmung der
Vergrößerung des astronomischen Fernrohrs
besteht darin, den Durchmesser der Eintrittspupille (Objektivdurchmesser) direkt zu messen und mit Hilfe einer auf das Okular des
auf Unendlich eingestellten Fernrohrs aufgesetzten Messlupe den Durchmesser der Austrittspupille zu ermitteln. Aus Gl. (24) ergibt
sich die Vergrößerung. Zur Berechnung des
als Winkel definierten Gesichtsfelds (Objektfeldgröße) Įm (Abb. O.1.4.3) bestimmt man
den Durchmesser D des kreisförmigen Gesichtsfelds, indem wieder der Maßstab durch
das Fernrohr betrachtet wird. Ist a der Abstand des Fernrohrobjektivs vom Maßstab,
folgt aus tan D m / 2 | D m / 2 D / 2a das Gesichtsfeld zu Dm = D/a. Dabei ergibt sich Dm
im Bogenmaß. Lassen sich Objektiv und
Okular aus dem Fernrohr herausnehmen,
bestimmt man ihre Brennweiten nach einem
in (O.1.1) beschriebenen Verfahren und ermittelt mit Gl. (23) oder Gl. (25) die Vergrößerung. Es empfiehlt sich der Vergleich mit
dem direkt gemessenen Wert.
Sind Objektiv und Okular einzeln keiner
Brennweitenbestimmung zugänglich, bestimmt man etwa mit Hilfe eines Okularmikrometers (Messschraubenokular) in der Zwischenbildebene die Zwischenbildgröße Bz
eines hinreichend weit entfernten Gegenstands (z. B. eines Maßstabs in einer Entfernung a > fob + fok , Abstand Objektiv-Okular)
und berechnet tan Įm direkt aus Gegenstandsgröße und Gegenstandsentfernung vom
252 Optik und Atomphysik
2 Kohärenz, Interferenz und Beugung
Objektiv. Aus Gl. (21) ergibt sich dann fob.
Günstiger ist es, für einige Gegenstandsgrößen tan ı als Funktion der Zwischenbildgröße Bz graphisch darzustellen und fob aus dem
Anstieg der sich ergebenden Geraden zu
entnehmen. Die Brennweite des Okulars
berechnet man aus Gl. (23), wenn īast und fob
bekannt sind.
Den Durchmesser der Austrittspupille dAP
misst man mit Hilfe einer Messlupe oder
berechnet ihn mit Gl. (24). Die Lage der Austrittspupille wird ermittelt, indem man in die
Abbildungsgleichung Gl. (2) für das Okular
als Gegenstandsweite fob + fok einsetzt.
2 Kohärenz, Interferenz
und Beugung
E x, t E0 e
§ x·
jZ ¨ t ¸
© c¹
.
(1)
Die Benutzung der komplexen Schreibweise
(Anhang A.1) hat rechentechnische Gründe,
physikalische Bedeutung hat nur der Realteil
der Gleichung. E0 E0 ist die Amplitude
der Welle, Z = 2 S f die Kreisfrequenz und
c die Ausbreitungsgeschwindigkeit. Frequenz f und Wellenlänge O sind durch die
Gleichung
c O f
(2)
miteinander verknüpft.
2.0 Grundlagen
2.0.1 Licht als elektromagnetische Welle
In vielen Fällen kann Licht als elektromagnetische Welle beschrieben werden, bei der
elektrische und magnetische Felder gekoppelt
sind. Darauf weisen z. B. Interferenz- und
Beugungsphänomene hin.
Die Vektoren der elektrischen E (r , t ) und
magnetischen Feldstärke H ( r , t ) stehen
senkrecht aufeinander und auf der Ausbreitungsrichtung (Abb. O.2.0.1).
x
E
Beschränkt man sich auf ebene harmonische
Wellen, die sich in die positive x-Richtung
ausbreiten, zieht man zur Beschreibung nur
die elektrische Feldstärke heran und schreibt
(Abb. O.2.0.2)
E0
ng
chtu
gsri
tun
brei
Aus
H0
H
Abb. O.2.0.1 Elektromagnetische Welle mit den
Amplituden der elektrischen und magnetischen
Feldstärke
λ
Re E
E(x,t - Δt)
E(x,t = 0)
x
Δ x = c Δt
Abb. O.2.0.2 Örtliche Verteilung der elektrischen
Feldstärke einer harmonischen Welle für zwei
verschiedene Zeiten
Eine solche Gleichung, die Teilchen- (Frequenz) und Welleneigenschaften (Wellenlänge) miteinander verknüpft, nennt man Dispersionsrelation. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit c ist dabei die Koppelgröße. Direkt
beobachtbar ist die Intensität; sie ist dem
Zeitmittel des Betragsquadrats der Feldstärke
proportional:
I v E x, t ! E x, t E
2
x, t ! .(3)
2.0 Grundlagen
253
Überlagern sich zwei oder mehrere räumlich
und zeitlich unbegrenzte Wellen gleicher
Frequenz, tritt Interferenz ein: Je nach ihrer
Phasenlage ist das resultierende Superpositionsbild hinsichtlich der Intensität verstärkt
oder geschwächt (analoge Erscheinungen
werden bei Schallwellen beobachtet). Die
Beträge der elektrischen Feldstärke von zwei
Wellen werden in komplexer Notation durch
E1 x, t E01 e
E 2 x, t § x·
jZ ¨t ¸
© c¹
E02 e
und
ª § x·
º
j «Z ¨ t ¸ G »
¬« © c ¹
¼»
beschrieben, wobei G 2ʌ 'x / O die Phasenverschiebung der Welle 2 gegenüber der
Welle 1 ist und umgekehrt (mit anderem
Vorzeichen). Da sich elektrische Feldstärken
ungestört überlagern, erhält man am Ort x zu
der Zeit t die Feldstärke
E x, t E
01
E02 e
jG
e
§ x·
jZ ¨ t ¸
© c¹
,
(4)
die einer Intensität
I v E01 E02 e jG E01 E02 e jG E012 E022 2 E01 E02 cos G
(5)
entspricht. Drückt man die reellen Amplituden E01 und E02 durch die Intensitäten I1 und
I2 der Einzelwellen aus, folgt für die Gesamtintensität
I
I1 I 2 2 I1 I 2 cos G ,
(6)
die nicht gleich der Summe der Intensitäten
der Einzelwellen ist. Infolge des Interferenzglieds 2 I1 I 2 cos G entsprechend der Pha-
senverschiebung G kann diese größer oder
kleiner sein.
Der Phasendifferenz G = 2 k S entspricht eine
Wegdifferenz von k O und für G = (2 k + 1) S
eine Wegdifferenz von k Ȝ +O/2, wobei k eine
ganze Zahl ist (Ordnung der Interferenz).
Die Größe
K
I max I min
I max I min
I1 I 2
2
I1 I 2
(7)
nennt man auch Kontrast.
2.0.2 Kohärenz und Laser
Für räumlich und zeitlich begrenzte Wellenzüge lassen sich Interferenzexperimente mit
Licht aus getrennten Lichtquellen, aber auch
mit Licht von verschiedenen Stellen einer
ausgedehnten Lichtquelle nicht ausführen.
Streng betrachtet gibt es praktisch gar keine
punktförmigen Lichtquellen. Die Kohärenzlänge l ist die Länge einer räumlich begrenzten Wellengruppe. Die Kohärenzzeit IJ ist die
Zeitdauer eines zeitlich begrenzten Wellenzugs. Für punktförmige Lichtquellen lassen
sich die Bedingungen für Kohärenz wie folgt
formulieren:
1. Es muss hinreichende Überlappung der
Wellengruppen im Beobachtungsgebiet
vorliegen, d. h., die Wegdifferenz der interferierenden Wellen muss kleiner als die
Kohärenzlänge sein.
2. Die Phasendifferenz darf sich zeitlich
nicht (oder nur sehr langsam) ändern, damit
die Lage der Interferenzfigur während der
Beobachtungszeit konstant bleibt.
Beide Bedingungen lassen sich durch Aufspalten einer Wellengruppe in zwei (oder
mehrere) realisieren.
Bei Verwendung räumlich ausgedehnter
Lichtquellen kommt noch eine weitere Bedingung hinzu.
3. Nur innerhalb eines Öffnungswinkels 2D K, der der räumlichen Kohärenzbedingung
sin D K O
2y
(8)
254 Optik und Atomphysik
y
genügt, kann eine Lichtquelle der linearen
Ausdehnung y als punktförmiges Wellenzentrum betrachtet werden (Abb. O.2.0.3).
αK
Abb. O.2.0.3 Skizze zur Begründung der räumlichen Kohärenzbedingung
Während in gewöhnlichen Lichtquellen die
spontane Emission von Photonen vorherrscht, d. h. alle Atome unabhängig voneinander Licht aussenden, dominiert bei Lasern (Light Amplification by Stimulated
Emission of Radiation) die induzierte Emission. Die Wirkungsweise eines Lasers als
Quelle für kohärente elektromagnetische
Strahlung beruht darauf, dass in einem geeigneten Stoff, dem aktiven Medium, z. B.
einem Helium-Neon-Gasgemisch, einem
Rubinstab oder einem Halbleiter, durch äußere Anregung - den Pumpprozess - eine Besetzungsinversion erzeugt werden kann. Im
Gegensatz zum thermischen Gleichgewicht
sind dann mehr Atome im angeregten, energetisch höheren Zustand als im Grundzustand. Befindet sich das aktive Medium in
einem optischen Resonator, führt ein spontaner Übergang vom angeregten in den Grundzustand zur induzierten (erzwungenen) Emission weiterer Photonen. Im einfachsten Fall
befindet sich das aktive Medium zwischen
zwei planparallelen Spiegeln. Durch diese
Rückwirkung in das aktive Medium werden
alle Atome durch das Strahlungsfeld gekoppelt, die atomaren Dipole senden synchron
Licht aus. Laser stellen daher räumlich einheitlich schwingende Lichtquellen sehr großer Kohärenzlänge dar. Während die Kohärenzlänge bei kommerziellen Niederdruck-
2 Kohärenz, Interferenz und Beugung
Spektrallampen bei einigen 10-3 m bis 10-2 m
liegt, kann sie bei stabilisierten Gaslasern
größer als 103 m sein. Bei Laserdioden sind
Kohärenzlängen von einigen 10-3 m bis 102 m
möglich.
Die von einem Laser erzeugte Strahlung wird
charakterisiert durch eine räumliche und zeitliche Kohärenz, eine hohe spektrale Energiedichte, hohe Monochromasie, große Amplitudenstabilität und eine geringe Divergenz
des Strahls. Beim Umgang mit Lasern sind
die gültigen Arbeitsschutzbestimmungen
einzuhalten. Bei der Justierung von Laserapparaturen ist besondere Sorgfalt erforderlich
und stets darauf zu achten, dass der Laserstrahl niemals auf die Netzhaut des Auges
gelangen kann.
2.0.3 Beugung an Spalt, Doppelspalt und
Gitter
Trifft eine Lichtwelle auf ein Hindernis, dessen Abmessungen in der Größenordnung der
Wellenlänge der verwendeten Strahlung sind,
tritt Beugung auf: Die Welle wird von der
geradlinigen Ausbreitungsrichtung abgelenkt.
Die Erklärung für diese Erscheinung liefert
das Huygens’sche Prinzip, nach dem jeder
Punkt in einem Wellenfeld Ausgangspunkt
einer Elementarwelle ist, die sich nach allen
Richtungen gleichmäßig ausbreitet (Kugelwelle). Werden von einer Welle mehrere
Elementarwellen an verschiedenen Orten
erzeugt (z. B. bei mehreren Öffnungen in
einer Wand), können diese miteinander interferieren.
Zunächst sollen die Verhältnisse an einem
Doppelspalt mit sehr schmalen gleichbreiten
Einzelspalten betrachtet werden. Die in
Abb. O.2.0.4 gezeichneten Strahlen (Ausschnitte aus den in den beiden Spalten entstehenden Kugelwellen) verlaufen praktisch
parallel, wenn man ihre Vereinigung auf
einem sehr weit entfernten Schirm untersucht
(Fraunhofer’sche Beobachtungsart). In der
Praxis beobachtet man die Interferenz in der
2.0 Grundlagen
255
Brennebene einer Linse, in der parallele Bündel vereinigt werden. Die Linse erzeugt keine
zusätzlichen Phasenverschiebungen.
Bei der Fresnel’schen Beobachtungsart betrachtet man die Interferenz beliebig gegeneinander geneigter Bündel, also bei endlicher
Entfernung zwischen beugendem Objekt und
Beobachtungsort. In diesem Fall muss für
den Übergang der Beobachtung der FresnelBeugung zur Fraunhofer-Beugung die Fresnel-Zahl NF ( N F g 2 /(4 L O ) , L Abstand zwischen Doppelspalt und Schirm, O Wellenlänge des monochromatischen Lichts) kleiner als
eins sein.
I(α)
α
auf, wobei k eine ganze Zahl ist. Vollständige
Auslöschung (destruktive Interferenz, Minima) hingegen wird beobachtet, falls die Beziehungen
'x k O O
2
bzw. sin D min, k
O
2g
(2 k 1)
(10)
bei ganzzahligen k-Werten erfüllt werden. Zu
beachten ist, dass k wegen sinD d 1 einen
bestimmten Größtwert nicht überschreiten
kann. Es sind also nicht beliebig viele Ordnungen beobachtbar. Intensitätsbetrachtungen entsprechend Gl. (6) ergeben dasselbe
Ergebnis: Zum Beugungswinkel D gehört
eine Phasenverschiebung G von
G
2ʌ
'x
O
= 2ʌ
g sin D
O
.
(11)
Bezeichnet man die von jedem Einzelspalt
durchgelassene Intensität mit I0, wird nach
Gl. (6)
α
Sp1
Spaltbreite b
I (D ) 2 I 0 (1 cos G ) 4 I 0 cos 2
Δ x = g sin α
α Sp2
g
Spaltebene
einfallendes Licht
Abb. O.2.0.4 Beugung am Doppelspalt und Intensitätsverteilung bei zwei schmalen Einzelspalten (Sp1, Sp2) der Breite b, g Abstand zwischen
den Spaltmitten
Die unter dem Winkel D abgelenkten (also
gebeugten Strahlen) besitzen eine Gangdifferenz von 'x = g sinD. Bei der Überlagerung
auf dem weit entfernten Bildschirm tritt maximale Verstärkung (konstruktive Interferenz, Maxima) unter den Bedingungen
'x
kO
bzw. sin D max, k
O
g
k
(9)
G
2
, (12)
wobei Gl. (11) den Zusammenhang zwischen
G und D beschreibt. Die Intensitätsverteilung
I (D) ist in Abb. O.2.0.4 dargestellt. Beugungsmaxima findet man für
G max,k
2
k ʌ (k = 0, r 1, r 2, ...) ,
(13)
Minima liegen bei
G min,k
2
k ʌ
ʌ
2
(k = 0, r 1, r 2, ...) . (14)
Experimentell ist jedoch die Voraussetzung
sehr schmaler Spalte (b | Ȝ) am Doppelspalt
nicht realisierbar, da die Beugungserscheinungen zu lichtschwach werden; man beobachtet dann eine Streuung des Lichts.
Vor der Betrachtung des Doppelspalts mit
256 Optik und Atomphysik
2 Kohärenz, Interferenz und Beugung
endlicher Spaltbreite soll die Intensitätsverteilung bei der Beugung an einem Einzelspalt
der Breite b für die Fraunhofer’sche Beobachtungsart berechnet werden. Hier hat man
es mit der Interferenz vieler Parallelstrahlbündel der Breite dy zu tun (Abb. O.2.0.5),
die
jeweils
einen
Feldstärkebeitrag dE = E dy/b liefern und deren Phasenverschiebung
G (y ) = 2 ʌ
y sinD
O
G
y
b
I(D) über, ergibt sich (Abb. O.2.0.6):
I (D )
I0
2 2cos G *
G *2
sin 2 (G * / 2)
I0
.
(G * / 2) 2
f (δ*)
(18)
1
(15)
beträgt. Dabei beschreibt
G* 2ʌ
b sinD
(16)
O
0,5
die Phasendifferenz zwischen interferierenden Elementarwellen von den Orten y = 0
und y = b des Einzelspalts, wobei die Beobachtung unter dem Winkel D erfolgt.
Δ xmax = b sin α
1
2
α
0
Δ x = y sin α
y
Spaltebene
b
y-Richtung
Abb. O.2.0.5 Beugung am Einzelspalt,
Spaltbreite b, Wegdifferenz zwischen beiden
Strahlen: 'x = y sin D,
Phasendifferenz:G (y) = (2S y sin D ) / O
Analog zu Gl. (4) ist über alle Teilbündel zu
summieren (hier integrieren). Man erhält
dann für die Feldstärke beim Beugungswinkel D
§
x·
E (D )
E0 j Z ¨© t c ¸¹ b j G * by
e
³0 e dy ,
b
E (D )
j Z¨t ¸
E0 jG *
(e 1) e © c ¹ .
*
jG
§
(17)
x·
Geht man entsprechend Gl. (3) zur Intensität
1. Nebenmaximum
π
2
0
π
3π
2
δ*
2
2π
Abb. O.2.0.6 normierte Intensitätsverteilung bei
der Beugung am Einzelspalt, Spaltfunktion
f(į*) = sin2(į*/2)/(į*/2)2, I1, max /I0 = 0,0472
Im Falle des Einzelspalts liegen entsprechend
Gl. (18) die Beugungsminima bei
*
G min,
k
k ʌ bzw.
2
b sin D min,k k O ( k
(19a)
0, r1, r 2,...) . (19)
Beugungsmaxima treten bei D = 0 und in der
Nähe von (aber bei exakter quantitativer
Analyse nicht genau bei)
*
G max,
k
2
ʌ
(2k 1) bzw.
2
b sin D max,k
(k
(2k 1)
O
2
0, r 1, r 2, ... ) auf.
(20a)
(20)
2.1 Interferenzen gleicher Dicke
257
Mit Gl. (18) kann die exakte Lage der Maxima berechnet werden. Für die Lage der ersten
drei Nebenmaxima erhält man:
k
*
r 1, G max,1
/ 2 1, 43 k ʌ ,
k
*
r 2 , G max,2
/ 2 12, 46 k ʌ
k
*
r 3 , G max,3
/ 2 13, 47 k ʌ .
Die Minima liegen bei G 2 ʌ (k p / N ) mit
ganzzahligen Werten p ( |p| < N 1 ). Bei
einem Beugungsgitter ist über N Spalte zu
integrieren und man erhält
I (D ) = I 0
Ist b < Ȝ, gibt es keinen Winkel, der Gl. (19)
erfüllt, also auch keine Intensitätsminima. So
schmale Spalte werden zum Ausgangspunkt
von Kugelwellen, leuchten also den Halbraum hinter dem Spalt ohne Beugungsstreifen relativ gleichmäßig aus (Streuung).
2
*
2
sin (G / 2) sin ( N G / 2) (22)
.
2
2
sin (G / 2)
(G * / 2)
Der erste winkelabhängige Faktor ist auch
hier die Intensitätsverteilung (Spaltfunktion)
des Einzelspalts (Abb. O.2.0.8).
fg(δ)
60
50
40
I
I0
30
20
g
b
III
10
π k – 1 (k π) π k + 1
N
N
(
II
I
)
(
)
π(k + 1) δ
2
Abb. O.2.0.8 Intensitätsverteilung bei der Beugung am Gitter, Gitterfunktion:
f g (G ) sin 2 ( N G / 2) / sin 2 (G / 2) , N = 8
δ*
2
Abb. O.2.0.7 normierte Intensitätsverteilung am
Doppelspalt, Spaltabstand/Spaltbreite (g /b),
b = const , (I) g/b = 2, (II) g/b = 4, (III) g /b = 6,
rot: Einzelspaltfunktion Gl. (18),
schwarz: Doppelspaltfunktion Gl. (21)
2.1 Interferenzen gleicher Dicke
Die Berechnung der Intensitätsverteilung bei
der Beugung am Doppelspalt mit endlich
breiten Einzelspalten erfolgt analog zur Berechnung beim Einzelspalt, dabei ist über
beide Spalte zu integrieren. Als Ergebnis
erhält man die Intensitätsverteilung
1. Der Krümmungsradius einer Sammellinse
ist mit monochromatischem Licht mit Hilfe
Newton’scher Ringe zu bestimmen.
2. Die Wellenlänge der Spektrallinie einer
Atomspektrallampe ist mittels Newton’scher
Ringe zu ermitteln.
3. Es sind die Schichtdicke einer Folie und
der Durchmesser eines Drahts zu ermitteln.
I( D )= 4 I 0
2
sin (G / 2)
2
cos (G / 2) ,
2
*
( G / 2)
(21)
die sich hinsichtlich der Winkelabhängigkeit
als Produkt der Intensitätsverteilungen entsprechend der Gln. (12) und (18) darstellt
(Abb. O.2.0.7).
Aufgabenstellung
Newton’sche Ringe entstehen beispielsweise
durch die Interferenz von Licht an der dünnen Schicht zwischen einer schwach gewölbten Linse und einer ebenen Glasplatte. Man
beobachtet im Allgemeinen das von dieser
Anordnung reflektierte Licht (Abb. O.2.1.1).
258 Optik und Atomphysik
2 Kohärenz, Interferenz und Beugung
In diesem Fall interferieren die an der Unterseite der Linse bzw. an der Oberseite der
Glasplatte reflektierten Strahlen 1 und 2.
Beide Strahlen sind der Deutlichkeit halber
versetzt gezeichnet. Ihre Richtungsänderungen bei der Brechung bzw. Reflexion an der
Linsenfläche sind für die weiteren Betrachtungen unwesentlich und werden vernachlässigt. Im Abstand r vom Berührungspunkt der
Linse mit der ebenen Glasplatte3 hat die Luftschicht zwischen Linse und Glasplatte die
Dicke d0 + d.
zum
Beobachter
nisse bestehen bei der Reflexion von Schallwellen), so dass sich insgesamt ein Gangunterschied von
' 'x 2 (d 0 d ) O
(23)
2
und damit eine Phasenverschiebung
G = 2ʌ
'x
O
=
4ʌ
O
(d0 + d ) + ʌ
ergibt. Ist
G = 2 ʌ k (k = r 1, r 2, ... ) ,
(25)
verstärken sich die interferierenden Wellenzüge, und es entsteht ein heller Ring, da längs
eines Kreises um den Berührungspunkt von
Glasplatte und Linse die Phasenverschiebung
į konstant bleibt. Ist dagegen
G = ʌ (2k 1) (k = r 1, r 2 , ... ) ,
d0+d
d0
2
Abb. O.2.1.1 Entstehung der Newton’schen Ringe (schematisch)
Der Anteil d0 berücksichtigt, dass keine ideale Berührung vorliegt: Durch Staub kann der
Abstand vergrößert, durch Deformation verkleinert werden. Sieht man von der geringfügigen Brechung der Lichtstrahlen in der Linse ab, beträgt der Wegunterschied in Luft
(Brechzahl nL | 1) der beiden interferierenden Wellenzüge 2(d0+d). Die Reflexion des
zweiten Wellenzugs erfolgt am optisch dichteren Medium und es ist noch ein Gangunterschied von Ȝ/2 zu addieren (analoge Verhält3
Flächen nennt man optisch eben, wenn diese
nicht mehr als ein Viertel der Wellenlänge von
einer idealen Ebene abweichen.
(26)
löschen sich die interferierenden Wellenzüge
aus und es entsteht ein dunkler Ring. Den
Zusammenhang zwischen dem Radius rk des
k-ten Rings und der Dicke d kann man mit
Hilfe
des
Höhensatzes
ermitteln
(Abb. O.2.1.2).
R
M
rk
d
r
1
(24)
Abb. O.2.1.2 Zusammenhang zwischen Schichtdicke d und Radius rk des k-ten Rings
Es ist
d (2 R d ) = rk2 .
(27)
2.1 Interferenzen gleicher Dicke
259
rk2, min = (k 1) R O 2 d0 R
(28)
und für die hellen Ringe
1·
§
rk2, max = ¨ k ¸ R O 2 d 0 R .
2¹
©
(29)
Bestehen die Schichtdicken d und d0 nicht
aus Luft, sondern aus einem Stoff mit dem
Brechungsindex n > 1, gibt es einen Gangunterschied von ǻx = 2 n (d0+d) + Ȝ /2, und man
erhält die Gleichungen
rk2, min = (k 1) R
O
n
2R
d0
,
n
d
1· O
§
rk2, max = ¨ k ¸ R 2 R 0 .
2¹ n
n
©
eine gute Näherung wegen des kleinen Neigungswinkels der Keilflächen gegeneinander
ist. Auch hier wird das Licht in zwei interferierende Strahlen durch die Reflexion an der
Unterseite der geneigten Deckglasplatte und
der Oberseite der ebenen Glasplatte zerlegt.
Das zu messende Objekt der Dicke D bestimmt die Keilhöhe. Unter Vernachlässigung
der geringen Brechung an den Glasplatten
ergibt sich als Phasenverschiebung į zwischen den beiden Strahlen mit n | 1 für Luft
die in Gl. (24) angegebene Beziehung, wobei
in diesem Fall d0 = 0 gesetzt wird.
dk
α
l
(28a)
D
Bei schwach gewölbten Linsen ist d R , so
dass in Gl. (27) das Glied d 2 vernachlässigt
werden kann. Aus den Gln. (24), (25) und
(27) folgt dann mit ganzzahligem k für die
dunklen Ringe
xk
x
Abb. O.2.1.3 Interferenz an einer keilförmigen
Schicht (Tolansky-Verfahren)
(29a)
Im Falle der Interferenz von reflektiertem
Licht bei zwei unter einem kleinen Winkel
geneigten dünnen Planglasplatten spricht
man ebenfalls von der Interferenz an dünnen
Schichten bzw. von der Interferenz am Keil.
Im Gegensatz zu den Newton’schen Ringen,
bei denen die Luftspaltdicke annähernd quadratisch mit dem Abstand vom Ringzentrum
zunimmt, ändert sich die Dicke der Luftschicht bei der Interferenz am Keil linear mit
dem Abstand von der Keilkante. Man beobachtet demzufolge in der Keilfläche parallel
zur Keilkante ein System äquidistanter heller
und dunkler Interferenzstreifen (FizeauStreifen). In Abb. O.2.1.3 ist schematisch die
Erzeugung eines Luftkeils z. B. mit Hilfe
einer Folienkante durch zwei planparallele
Glasplatten dargstellt. Wie im Beispiel der
Newton’schen Ringe beobachtet man die
Keilinterferenz bei senkrechtem Lichteinfall,
wobei der „senkrechte“ Einfall des Lichts
Damit folgt aus den Gln. (24), (25) und (26)
sowie mit d0 = 0 und der Beziehung
dk
xk
tan D
D
l
(Abb. O.2.1.3) für die Lage der hellen Streifen
xk , max =
lO
lO
k
,
D
2
4D
(30)
für die der dunklen
xk ,min =
lO
lO
k
.
2D
2D
(31)
Die äquidistanten Abstände 'x zwischen
benachbarten hellen oder dunklen Streifen
sind
ǻx =
lO
.
2D
(32)
Auch hier ergeben sich wie im Falle der
260 Optik und Atomphysik
2 Kohärenz, Interferenz und Beugung
Newton’schen Ringe für einen Brechungsindex n > 1 modifizierte Gleichungen:
xk , max =
l O
l O
k
2D n
4D n
xk , min =
l O
l O
k
2D n
2D n
ǻx =
l O
.
2D n
,
,
(30a)
(31a)
(32a)
Versuchsausführung
Eine plankonvexe Linse wird mit der gewölbten Seite auf eine optisch ebene Glasplatte und beide zusammen auf einen mittels
Messschraube verschiebbaren Tisch gelegt
und mit parallelem monochromatischem
Licht der Wellenlänge Ȝ bestrahlt. Zur Vermeidung störender Reflexionen legt man
unter die Glasplatte schwarzes Papier. Systematische Abweichungen können sich ergeben, wenn die Linse nicht in allen Richtungen den gleichen Krümmungsradius hat. Dies
lässt sich überprüfen, indem man den
Durchmesser der Ringe in verschiedenen
Richtungen misst. Zur Auswertung trägt man
rk2 über k auf und erhält eine Gerade mit dem
Anstieg
S
RO .
Je nachdem, ob R oder Ȝ bekannt ist, lässt
sich aus dem Anstieg R oder Ȝ berechnen
(Aufgabe 1 bzw. 2). Bei bekanntem Ȝ liefert
diese Methode für Linsen mit sehr großem
Krümmungsradius genauere Werte für R als
andere Messmethoden. Für die Ermittlung
der Messunsicherheit legt man die Gleichung
RO
(rk22 rk21 ) /(k1 k2 )
(33)
zugrunde, die durch Differenzbildung aus
den Gln. (28) bzw. (29) folgt. Strebt man
eine hohe Genauigkeit an, kann man die Ausgleichsgerade mittels linearer Regression
berechnen.
Nachdem die Anordnung nach Abb. O.2.1.3
auf dem verschiebbaren Tisch für Aufgabe 3
aufgebaut ist, misst man die Werte xk für die
hellen oder dunklen Streifen in Abhängigkeit
von k und trägt xk über k auf. Aus der Steigung der Ausgleichsgeraden S = d xk /d k kann
man unter Verwendung der Gln. (30) oder
(31) die gesuchte Größe D ermitteln. Es ist
aber auch möglich, mehrfach die Abstände ǻx zwischen benachbarten hellen oder
dunklen Streifen zu messen und mit deren
Mittelwert die Foliendicke bzw. den Drahtdurchmesser zu bestimmen. Für die Auswertungen ist zuvor mit der Messanordnung
noch die Größe von l zu messen.
2.2 Beugung an Spalt und Doppelspalt
Aufgabenstellung
1. Die Wellenlänge einer monochromatischen
Lichtquelle ist zu bestimmen.
2. Die Intensitätsverteilung bei der Beugung
an einem Einzel- und an einem Doppelspalt
ist mittels eines geeigneten Sensors auszumessen.
3. Die Gültigkeit der Kohärenzbedingung ist
zu überprüfen.
Zur Untersuchung der Beugung an Spalten
benutzt man spaltförmige Lichtquellen (z. B.
einen Beleuchtungsspalt Sp 1) oder auch
einen Laser und beobachtet das Beugungsbild direkt auf einem Schirm (Fresnel’sche
Beobachtungsart) oder besser in der Brennebene einer Sammellinse L (Fraunhofer’sche
Beobachtungsart) z. B. mit einer Messlupe
(Abb. O.2.2.1). Die Registrierung der Intensität erfolgt mit einem lichtelektrischen Empfänger, z. B. einer CCD-Zeile (Charge
Coupled Devices). Ist der Beleuchtungsspalt
genügend schmal, erhält man in der Beobachtungsebene Minima und Maxima. Bei
bekanntem Spaltabstand g des Doppelspalts
lässt sich über die Messung der Winkel Įmax, k
2.2 Beugung an Spalt und Doppelspalt
261
bzw. Įmin, k entsprechend den Gln. (9) bzw.
(10) die Wellenlänge Ȝ der verwendeten
Strahlung bestimmen.
Beleuchtungsspalt
L
erzeugen sie unabhängig voneinander drei
Beugungsbilder, wobei die von den beiden
äußeren Lichtquellen stammenden um den
Winkel M gegen das mittlere verschoben
sind.
Spalt
Messlupe
Sp2
2ϕ
Abb. O.2.2.1 Wellenlängenmessung durch Beugung am Spalt (SP2 Einzel- oder Doppelspalt)
Beim Einzelspalt sind die Gln. (19) bzw. (20)
zu benutzen. Die Winkel Įmax, k bzw. Įmin, k,
unter denen die Maxima bzw. Minima beobachtet werden, ergeben sich entsprechend
Abb. O.2.2.2 mit
tan D k =
xk
.
f
(34)
Zweckmäßigerweise misst man 2xk als Abstand der Streifen gleicher Ordnung k rechts
und links des Maximums nullter Ordnung.
x
xk
αk
0
αk
f
Spalt- Linse
ebene
Brennebene
Abb. O.2.2.2 Sammlung von Parallelstrahlen in
der Brennebene einer Sammellinse
Für breite Beleuchtungsspalte sind zusätzliche Überlegungen erforderlich. Betrachtet
werden hier die Verhältnisse für drei linienförmige Lichtquellen, die sich im Abstand a
vom beugenden Doppelspalt befinden und
voneinander den Abstand y/2 haben
(Abb. O.2.2.3). Da ihr Licht inkohärent ist,
y
Sp1
Lichtquellen
a
Abb. O.2.2.3 Zur Begründung der Kohärenzbedingung
Wenn die Lichtquellen weit vom beugenden
Doppelspalt entfernt sind, ist M klein, und es
gilt
M | tan M =
y
.
2a
(35)
Ist M gerade so groß, dass die hellen Streifen
des Beugungsbilds der mittleren Lichtquelle
mit den dunklen Streifen der Beugungsbilder
der äußeren Lichtquellen zusammenfallen,
kann kein Beugungsbild beobachtet werden.
Dieser Fall tritt beim Doppelspalt ein, wenn
M
D1 =
O
2g
ist, da entsprechend der Gln. (9) und (10)
Maxima und Minima um den Winkel D1 = O / 2g gegeneinander verschoben
sind. Scharfe Beugungsstreifen sind daher
nur zu erhalten, wenn die Bedingung
tan M
y
O
2a 2 g
(36)
erfüllt ist, die der Kohärenzbedingung Gl. (8)
entspricht. Für die Beugung am Einzelspalt
ist 2 g in Gl. (36) durch die Spaltbreite b zu
ersetzen. Ausgedehnte Lichtquellen kann
man sich aus einer Reihe punktförmiger
Lichtquellen zusammengesetzt denken; die
262 Optik und Atomphysik
2 Kohärenz, Interferenz und Beugung
Bedingung Gl. (36) muss dann für die Ränder
der Lichtquelle erfüllt sein. Die Benutzung
ausgedehnter Lichtquellen setzt also sehr
große Entfernungen oder schmale Beugungsspalte voraus, andernfalls muss die Ausdehnung der Lichtquelle durch Vorsetzen eines
schmaleren Beleuchtungsspalts verringert
werden.
Versuchsausführung
Als monochromatische Lichtquelle wird eine
Spektrallampe (z. B. Natrium- oder Quecksilberdampflampe mit einem entsprechenden
Filter) verwendet.
Zur Erfüllung der Kohärenzbedingung nach
Gl. (36) dient Spalt 1 (Sp1), der sich in großem Abstand vom beugenden Spalt (Sp2 )
befindet (Abb. O.2.2.1), so dass dieser praktisch mit parallelem Licht beleuchtet wird.
Die Beugungserscheinung kann man direkt
mit einer Messlupe beobachten, deren Okularskala sich in der Brennebene der Linse L
befindet. Man erreicht dies, indem man zunächst Spalt 2 entfernt und Spalt 1 scharf auf
die Okularskala abbildet. Mit Spalt 2 werden
dann die Abstände 2xk der hellen Streifen
gleicher Ordnung gemessen. Aus den Gln. (9)
und (35) ergibt sich, da die Beugungswinkel Įmax, k sehr klein sind,
xmax, k
f
=
Ok
g
.
(38)
Man trägt xmax, k über k auf und bestimmt den
Anstieg S der Ausgleichsgeraden:
S =
f O
.
g
(39)
Zur Bestimmung der Wellenlänge sind noch
der Spaltabstand g des Doppelspalts und die
Brennweite f der Linse zu ermitteln. Diese
Größen sind entweder gegeben oder mit den
in O.1 beschriebenen Methoden zu ermitteln.
Bei photoelektrischer Registrierung tastet
man die Beugungsfigur mit einem lichtemp-
findlichen Sensor ab, vor dem sich ein feiner
Messspalt befindet, der zusammen mit dem
Sensor messbar verschoben werden kann.
Die über den Sensor registrierte Größe ist ein
Maß für die Lichtintensität am Ort des Messspalts. Schneller erfolgt die Messung, wenn
man das Beugungsbild direkt auf einen möglichst hochauflösenden CCD-Sensor abbildet. Dieser bildet die Hauptkomponente einer
CCD-Kamera und besteht in der Regel aus
einem Raster von Photodioden bzw. Speicherzellen, in denen einfallende Photonen
Elektronen erzeugen (innerer Photoeffekt).
Nach einer gewissen Belichtungszeit kann
das CCD-Ausgangssignal in einem PC gespeichert und anschließend mit geeigneter
Software weiterverarbeitet werden. Zu erwarten sind Intensitätsverläufe analog zu den in
den Abbn. O.2.0.6 und O.2.0.7 dargestellten
Beispielen. Wegen der endlichen Breite b der
Einzelspalte hat das Verhältnis zum Spaltabstand g einen starken Einfluss auf die Intensitätsverhältnisse im Beugungsbild. Die theoretischen Intensitätsverhältnisse für den Doppelspalt bei bekannten Verhältnissen b/g
lassen sich mittels bereitgestellter Software
berechnen. Im Fall ganzzahliger Werte z
(b/g = z) ergeben sich z. B. (2 z+1) Maxima
bzw. 2 z Minima innerhalb der einhüllenden
Spaltfunktion.
Um die Kohärenzbedingung zu überprüfen,
benutzt man einen Beleuchtungsspalt variabler Breite. Diese wird so weit vergrößert, bis
das durch den Spalt 2 (Abb. O.2.2.1) erzeugte Beugungsmuster in der Messlupe verschwindet. Man misst diejenige Spaltbreite y,
bei der dies eintritt. Über die Beziehung
Gl. (36) kann dann die Erfüllung der Kohärenzbedingung Gl. (8) geprüft werden. Dabei
ist mit ruhendem Auge zu beobachten, da bei
schräger Blickrichtung eine Bündelbegrenzung durch die Pupille erfolgt. Das entspricht
einer Verkleinerung des Beleuchtungsspalts,
so dass auch dann noch Beugungsstreifen zu
beobachten sind, wenn Gl. (36) nicht mehr
erfüllt ist.
2.3 Beugung am Gitter
263
Normalen des Gitters, beträgt die Phasenverschiebung į benachbarter Wellenzüge (z. B.
1 und 2 in Abb. O.2.3.1)
2.3 Beugung am Gitter
Aufgabenstellung
1. Es ist die Gitterkonstante eines Reflexionsgitters zu bestimmen.
2. Die Wellenlängen der intensivsten Linien
eines Atomspektrums sind zu messen.
3. Die Formel für das Auflösungsvermögen
des Beugungsgitters ist zu überprüfen.
Ein optisches Beugungsgitter besteht aus
einer Glas- oder Metallplatte, die viele eng
benachbarte, äquidistante linienartige Strukturen aufweist. Dabei werden sehr verschiedene Herstellungsverfahren angewendet, die
die Herstellung qualitativ hochwertiger
Transmissions- und Reflexionsgitter ermöglichen. Die Flächen zwischen den Strichen
wirken als enge durchlassende (oder reflektierende) Spalte. Beleuchtet man das Gitter
mit parallelem Licht, wird jeder dieser Spalte
zur Quelle einer Elementarwelle. Vereinigt
man das gesamte unter einem bestimmten
Winkel gebeugte Licht in der Brennebene
einer Sammellinse (Abb. O.2.3.1), kann dort
das Interferenzbild beobachtet werden.
Normale
Lichtquelle
1
Beobachtungsebene
2
G = 2ʌ
g (sin D sin E )
Gitter
g
Abb. O.2.3.1 Beugung am Reflexionsgitter
Ist Į der Einfallswinkel des parallelen Lichts
und beobachtet man unter dem Winkel ȕ zur
.
(40)
In Gl. (40) ist g die Gitterkonstante, die den
Abstand der äquidistanten Striche des Gitters
angibt. Beobachtet man auf der Seite, auf der
das Licht einfällt, ist ȕ negativ zu rechnen,
d. h., in Gl. (40) ist das Minuszeichen durch
ein Pluszeichen zu ersetzen.
Die Intensitätsverteilung wird durch Gl. (22)
beschrieben. Die bei einem Gitter mit vielen
Spalten allein beobachtbaren Hauptmaxima
der Intensitätsverteilung liegen bei den Nullstellen des Nenners, d. h. bei į/2 = k ʌ. Für
sie gilt bei ganzzahligen k-Werten:
sin E max, k = sin D kO
.
g
(41a)
Man beobachtet also in der durch ȕmax,k gegebenen Richtung nur Licht, dessen Wellenlänge die Gl. (41a) erfüllt. Da den verschiedenen Wellenlängen verschiedene Ablenkwinkel ȕmax,k entsprechen, kann man das Gitter zur Zerlegung des Lichts in sein Spektrum
benutzen (Gitterspektrometer). Im Falle eines
Transmissionsgitters erhält man bei senkrechtem Lichteinfall (D = 0) analog zur Herleitung von Gl. (41a) die Beziehung
sin Emax, k =
αβ
O
kO
.
g
(41b)
Je nach der Größe des Betrags von k spricht
man von einem Spektrum 1., 2., 3. Ordnung
usw.; das zu k = 0 (ȕmax, 0 = Į) gehörende
Licht bezeichnet man als Spektrum nullter
Ordnung, das wie eine Abbildung des Spalts
in der Farbe des unzerlegten Lichts erscheint.
Von entscheidender Bedeutung für die Leistungsfähigkeit eines Spektrometers ist sein
264 Optik und Atomphysik
2 Kohärenz, Interferenz und Beugung
Gleichsetzen der Gln. (43) und (45) liefert
Auflösungsvermögen A:
O
.
'O
A=
(42)
In dieser Gleichung ist ǻO die kleinste Wellenlängendifferenz, die man mit dem
Spektrometer noch getrennt wahrnehmen
kann. ǻO hängt von der Breite der bei der
Beugung am Gitter entstehenden hellen Beugungsstreifen ab. Zur Berechnung des Auflösungsvermögens nimmt man an, dass das
einfallende Licht die Wellenlängen Ȝ und
O+'O ('O O) enthält. Das Hauptmaximum
k-ter Ordnung für die Wellenlänge O liegt bei
ȕmax, k, für die Wellenlänge O+'O liegt es bei
ȕcmax, k , wobei ȕcmax, k durch
c k
sin E max,
sin D k
O + 'O
(43)
g
§
©
O ¨k +
1
N
'O
1
·
=
.
¸ = k (O + ' O ) ,
O
kN
¹
Das Auflösungsvermögen des Gitters ist also
unabhängig von der Einfallsrichtung lediglich durch die Strichzahl N und die Beugungsordnung k bestimmt:
O
= kN .
'O
A=
(46)
Zur Ausmessung von Spektren wird ein
Spektrometer benutzt. Die Hauptteile Spaltrohr (Kollimator) mit Eintrittsspalt, Spektrometertisch mit Justierschrauben (1, 2 ,3),
Beobachtungsfernrohr mit Fadenkreuz sind
in Abb. O.2.3.2 zusammen mit dem Strahlengang schematisch dargestellt.
Lichtquelle
gegeben ist. Eine getrennte Wahrnehmung ist
gerade noch möglich, wenn ȕcmax, k mit der
ersten Nullstelle der Intensitätsverteilung
neben dem Hauptmaximum ȕmax,k der Wellenlänge Ȝ zusammenfällt. Aus Gl. (22) und
Abb. O.2.0.8 ergibt sich, dass diese Nullstelle
bei einer Phasenverschiebung liegt, die durch
N
Gc
2
= N
G
2
2 ʌ g (sinD sin E c
G c= 2ʌk +
max, k
O
)
,
(44)
1
3
Spektrometertisch
mit Gitter
Fernrohr
zum
Beobachter
Abb. O.2.3.2 Strahlengang im Gitterspektrometer
2ʌ
,
N
c k ergibt
und die Umstellung nach sin E max,
c k = sin D sin E max,
Spaltrohr
2
+ ʌ
gegeben ist, während das Hauptmaximum
k-ter Ordnung bei į/2 = k ʌ liegt. Daraus folgt
G c=
Spalt
O§
1·
¨k + ¸ .
g©
N¹
(45)
Spalt und Spaltrohr dienen der Erzeugung
parallelen Lichts. Der Spektrometertisch trägt
das dispergierende System, hier das Beugungsgitter. Das Objektiv des Fernrohrs erzeugt ein Bild des Spalts in der Farbe des
gebeugten Lichts, das mit dem Okular beobachtet werden kann. Die Verdrehung des
2.4 Michelson-Interferometer
265
Fernrohrs gegenüber dem Spektrometertisch
misst man über die Winkelteilung eines Teilkreises. In der Praxis verwendet man für
spektrometrische Untersuchungen oft auch
Monochromatoren. Die verschiedenen Wellenlängen werden durch Drehung des Gitters
(bzw. des Prismas bei Prismenmonochromatoren) nacheinander auf den feststehenden
Austrittsspalt abgebildet. Das austretende
Licht wird mittels lichtempfindlicher Detektoren nachgewiesen.
Versuchsausführung
Vor der Messung muss das Spektrometer
entsprechend den Hinweisen am Arbeitsplatz
justiert werden oder es steht vorbereitet zur
Verfügung. Der am Teilkreis ablesbare Winkel gibt die Richtung der Gitternormalen an.
Den Einfallswinkel Į bestimmt man durch
Beobachtung des Spektrums nullter Ordnung,
indem man bei möglichst engem Eintrittsspalt das Fadenkreuz im Okular des Fernrohrs mit dem entsprechenden Spaltbild zur
Deckung bringt und den zugehörigen Winkel
am Teilkreis abliest. Die ggf. vorhandenen
und um 180q gegeneinander versetzten Nonien sind zu nutzen, um Teilungsfehler zu
eliminieren.
Die direkte Messung der Gitterkonstanten g,
z. B. mit einem Mikroskop, ist zu ungenau.
Man ermittelt daher g mit Licht bekannter
Wellenlänge, indem man die entsprechenden
Beugungswinkel misst und mit der aus
Gl. (41) folgenden Formel
g =
kO
sin D sin E max, k
(47)
berechnet. Ist g bekannt, ergibt sich aus den
Beugungswinkeln ȕmax,k die Wellenlänge zu
O =
g (sin D sin E max,k )
k
.
(48)
Zur Überprüfung des Auflösungsvermögens
wählt man geeignete Linienpaare des Queck-
silber- oder Natriumspektrums aus (Tabelle A.18 im Anhang ) und verändert mittels
einer Spaltblende den Querschnitt des aus
dem Spaltrohr austretenden Lichtbündels und
damit die Zahl N der an der Beugung beteiligten Gitterspalte. Wenn b die Breite der
Spaltblende ist, ergibt sich die Zahl N der
ausgeleuchteten Gitterspalte durch N = b/g.
2.4 Michelson-Interferometer
Aufgabenstellung
1. Es ist die Längenänderung eines Piezoaktors in Abhängigkeit von der angelegten
Gleichspannung zu messen.
2. Der Brechungsindex eines Gases ist für
Normbedingungen zu ermitteln.
3. Es ist der thermische Längenausdehnungskoeffizient eines Metalls zu bestimmen.
Der prinzipielle Aufbau eines Interferometers
nach Michelson ist in Abb. O.2.4.1 dargestellt. Das von einem Gaslaser (z. B. He-NeLaser mit Ȝ0 = 632,8 nm) oder Diodenlaser
mit bekannter Wellenlänge ausgesandte parallele Lichtbündel wird über einen Strahlteiler (halbdurchlässige Platte P oder Strahlteilerwürfel) in zwei Teilbündel gleicher Intensität aufgeteilt. Im Beispiel der Abb. O.2.4.1
wird das Bündel 1 zunächst an P, am Spiegel S1 erneut reflektiert und gelangt schließlich nach Durchdringen von P zum Schirm.
Das Bündel 2 durchsetzt zuerst die Platte P,
wird am Spiegel S2 und danach an P zum
Schirm reflektiert. Dort sind Interferenzen
gut zu beobachten, wenn
a) sich die beiden Teilbündel geometrisch
überlagern, also parallel verlaufen oder nur
wenig gegeneinander geneigt sind,
b) sich die getrennt durchlaufenen Wege l1
und l2 nicht mehr als um eine halbe Kohärenzlänge des verwendeten Lichts unterscheiden,
c) die Platte P und die beiden Spiegel S1 und
S2 optisch eben sind.
266 Optik und Atomphysik
2 Kohärenz, Interferenz und Beugung
S1
M = ʌ + 2ʌ
1
l1
P'
Δl
P
2
Laser
LF
S2
l2
LA
Schirm
Abb. O.2.4.1 Prinzip des Michelson-Interferometers mit Strahlteilerplatte P (Korrekturplatte P '
gestrichelt)
Für die Phasendifferenz zwischen den beiden
sich überlagernden (ebenen) Wellen am
Schirm sind die geometrische Wegdifferenz e = 2 (l2 l1) und die Gangunterschiede
zu berücksichtigen, die durch Reflexionen an
den spiegelnden Flächen sowie beim Durchsetzen der Platte P entstehen. Die als Strahlteiler wirkende Platte P steht um 45q geneigt
zum einfallenden Strahl, Reflexionen treten
nur an der dem Laser zugewandten Seite auf,
die andere Seite ist entspiegelt. Das Teilbündel 1 erfährt bei der Reflexion an P (am optisch dichteren Medium) einen Phasensprung
von ʌ. Das Teilbündel 2 wird bei seiner Reflexion an P (am optisch dünneren Medium)
nicht phasenverschoben. Beide Bündel
durchlaufen die Platte unterschiedlich oft.
Zur Aufhebung der dadurch zusätzlich entstehenden Phasendifferenz kann man eine
passende Korrekturplatte P' in den Strahlengang des Teilbündels 1 setzen, die bei Verwendung eines Strahlteilerwürfels entfällt.
Bei den Reflexionen an den Spiegeln erfahren beide Teilbündel jeweils einen Phasensprung um ʌ. So ergibt sich für den Phasenunterschied M der Teilbündel am Schirm
2 (l2 l1 )
.
(49)
O0
In Gl. (49) sind Ȝ0 die Wellenlänge des verwendeten Lichts und der Faktor 2 im Zähler
berücksichtigt, dass die Strecken l2 und l1
zweimal durchlaufen werden. Ist M gleich
einem ungeraden Vielfachen von ʌ, sollte der
Interferenzfleck auf dem Schirm dunkel erscheinen, maximale Helligkeit könnte sich
für Vielfache von 2ʌ ergeben. Da aber stets
einer der beiden Spiegel leicht gegen das
auftreffende Licht geneigt ist, ändert sich e
über den Bündelquerschnitt, und es ergeben
sich Interferenzstreifen auf dem Schirm. Eine
Aufweitungslinse (LA) dient zu ihrer besseren
Beobachtung. Wird der optische Weg in einer der beiden getrennt durchlaufenen Strecken verändert, verschieben sich die Streifen.
Aus der Zahl der durch eine festgehaltene
Stelle des Schirms laufenden Streifen kann
man auf die Veränderung der optischen Weglänge schließen. Setzt man in das vom Laser
ausgehende parallele Lichtbündel eine weitere Linse (LF) ein, die das Licht vor der Platte P fokussiert, beobachtet man auf dem
Schirm nicht mehr die Interferenz von ebenen Wellen, sondern die von Kugelwellen.
Diese Kugelwellen gehen vom Brennpunkt
der Linse LF aus. Anstelle von Streifen erscheinen Interferenzringe. Bei jeder Änderung der optischen Weglänge eines Teilbündels um Ȝ (z. B. durch Verschieben des Spiegels S2 um Ȝ/2) entsteht oder verschwindet im
Zentrum der Interferenzfigur ein Ring. Bei
allen Messungen muss man Erschütterungen
aus der Umgebung vermeiden.
Versuchsausführung
Zu Beginn des Experiments ist das Interferometer sorgfältig zu justieren. Dazu werden
der Laser und der Strahlteiler auf einem optischen Tisch in geeignetem Abstand aufgestellt sowie die Spiegel S1 und S2, wie in
Abb. O.2.4.1 dargestellt, positioniert. Die
Korrekturplatte P' kann weggelassen werden,
2.4 Michelson-Interferometer
da nur die Änderung einer Länge bzw. die
eines Brechungsindex bestimmt werden soll.
Man beachte bzw. bedenke, dass Michelson,
der in seinem Versuch historisch eigentlich
die Lichtgeschwindigkeit bestimmen wollte,
außerdem keinen Laser, sondern nur normales, sichtbares Licht hatte und die Kohärenzlänge der heute verwendeten Laser alle deutlich größer sind als die Dicke der verwendeten Korrekturplatte. Ohne die Linsen LA und
LF werden auf dem Schirm die beiden Teilbündel durch Feinjustage von S1 zur Deckung gebracht. Interferenzringe erscheinen,
wenn die Linsen an den apparativ festgelegten Orten einsetzt werden, ggf. ist eine geringe Nachjustage an S1 erforderlich.
Bei Aufgabe 1 befindet sich der Spiegel S2
am Ende eines Piezoaktors (Stapeltranslator),
der in der Praxis als Positionierungssensor
verwendet wird. Er enthält in seinem zylindrischen Gehäuse eine große Anzahl dünner
piezoelektrischer Scheiben in geeigneter
elektrischer Verschaltung in Stapelanordnung. Durch Ausnutzung des inversen Piezoeffekts kommt es beim Anlegen einer elektrischen Gleichspannung und dem damit im
Inneren des piezoelektrischen Kristalls wirkenden elektrischen Feld zu einer direkten
Umwandlung von elektrischer in mechanische Energie, die bei diesem Sensortyp zu
einer Längenänderung des Aktors führt. Diese ist proportional der angelegten Spannung
und lässt sich in begrenzten Einstellbereichen
näherungsweise durch einen linearen Zusammenhang beschreiben. Bei den spannungsgesteuerten piezoelektrischen Aktoren
können auch geringfügige Hystereseerscheinungen auftreten.
Durch das Anlegen einer Gleichspannung in
einem vorgegebenen Spannungsbereich unter
Beachtung der vorgegebenen Anschlusspolaritäten an den Piezoaktor wird der Spiegel
um ǻl verschoben, da dieser fest mit dem
optischen Tisch verbunden ist. Man bestimmt
für zehn unterschiedlich große Spannungswerte U bei Erhöhung bzw. Erniedrigung der
267
angelegten Spannung die Zahl z der das Zentrum des Interferenzbilds durchlaufenden
Ringe. Mit der Beziehung zwischen ǻl und z
('l = z (O0/2)) berechnet man die Längenänderung und stellt diese in Abhängigkeit von
der Spannung (ǻl(U)) graphisch dar. Der
Kurvenverlauf ist zu diskutieren und bei linearem Verhalten der Anstieg des Graphen zu
ermitteln.
Für die Aufgabe 2 bringt man eine evakuierbare Glasküvette bekannter Länge d in den
Strahlengang, so dass die optisch ebenen und
parallel zueinander angeordneten Begrenzungsfenster vom Bündel 2 genau senkrecht
durchsetzt werden. Zum Evakuieren verwendet man eine Vakuumpumpe. Zwischen dem
evakuierten und dem langsam wieder belüfteten Zustand mit dem Testgas konstanter
Temperatur (Druck p, Temperatur T = const)
ermittelt man die Zahl z = z(p) der durchlaufenden Ringe. Für jeden Ring gilt mit ǻn als
Brechzahländerung 2d 'n = O0, und für die
Druckabhängigkeit der Brechzahl n = n(p)
gegenüber dem Wert im Vakuum (nvac = 1)
ergibt sich
'n
n nvac
n 1 =
z O0
,
2d
(50)
wobei z die Zahl der das Zentrum durchlaufenden Ringe darstellt. Außerdem gilt nach
Gl. (O.3-25a)
p T0
'n n 1 = (n0 1)
.
(51)
p0 T
Es ist 'n in Abhängigkeit des Gasdrucks p in
der Küvette graphisch darzustellen und mit
dem Anstieg der Ausgleichsgeraden der Wert
für n0 zu berechnen. Bei Aufgabe 3 ist der
Spiegel S2 auf einen Metallstab montiert, der
mit Hilfe einer elektrischen Heizung z. B. auf
etwa 60 qC erwärmt wird. Durch die thermische Ausdehnung des Stabs wird nur der
Spiegel um ǻl verschoben, da die dem Spiegel abgewandte Seite fest mit dem optischen
Tisch verbunden ist. Beim Abkühlen wird die
268 Optik und Atomphysik
3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption
Temperatur im Stabinneren mit einem Digitalthermometer gemessen und die Zahl z der
das Zentrum des Interferenzbilds durchlaufenden Ringe während der langsamen Temperaturänderung gezählt. Mit 'l = 'z (O0/2)
und Gl.(W.1-2) folgt
'z
'T
2 l0
O0
Dl ,
(52)
wobei l0 die Länge des Metallstabs bei 293 K
beschreibt und am Arbeitsplatz mitgeteilt
wird. Aus dem Anstieg der graphisch darzustellenden Abhängigkeit z(T ) kann man auf
den thermischen linearen Ausdehnungskoeffizienten Įl des eingesetzten Metalls schließen. Bei der Auswertung wird die sehr geringe thermische Ausdehnung des Spiegelmaterials vernachlässigt.
3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption
3.0 Grundlagen
3.0.1 Brechungsindex und Dispersion
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts
in Stoffen hängt von der betrachteten Substanz und von seiner Frequenz ab. Ursache
dafür ist, dass alle Stoffe aus geladenen Teilchen (Protonen und Elektronen) aufgebaut
sind, die durch die einfallende elektromagnetische Welle in Schwingungen versetzt werden und dadurch zum Ausgangspunkt neuer
Lichtwellen werden. Von zwei Stoffen bezeichnet man den mit der größeren Lichtgeschwindigkeit als den optisch dünneren, den
mit der kleineren Lichtgeschwindigkeit als
den optisch dichteren Stoff. Trifft eine Lichtwelle auf die Grenzfläche zwischen zwei
verschiedenen Stoffen, ändert sich ihre Ausbreitungsrichtung, sie wird gebrochen (und
teilweise reflektiert bzw. absorbiert).
Einfallslot
optisch dünner
Stoff: c1, n1
α
Grenzfläche
optisch dichter
Stoff: c2, n2
βg
totalreflektierter β
Strahl
Grenzstahl
gebrochener Strahl
Abb. O.3.0.1 Snellius’sches Brechungsgesetz
(Strahlengang ist umkehrbar)
Für die Brechung einer ebenen Welle (in
Abb. O.3.0.1 durch Lichtstrahlen, d. h. durch
ihre Flächennormalen, gekennzeichnet) an
einer ebenen Grenzfläche gilt das Brechungsgesetz von Snellius
sin D
sin E
c1
c2
n2
n1
n21 .
(1)
Das Verhältnis n1 = c0 /c1 (c0 Lichtgeschwindigkeit im Vakuum, c1 Lichtgeschwindigkeit
im Stoff 1) heißt (absoluter) Brechungsindex
des Stoffs 1; n21 ist der relative Brechungsindex des Stoffs 2 gegenüber dem Stoff 1.
Aus Gl. (1) ergibt sich: Geht der (auf der
Wellenfront senkrecht stehende) Lichtstrahl
vom optisch dünneren zum optisch dichteren
Stoff über (z. B. von Luft in Glas), wird er
zum Einfallslot hin, im umgekehrten Fall
vom Lot weg gebrochen. Der gebrochene
Strahl liegt dabei in beiden Fällen in der
durch das Einfallslot und den einfallenden
Strahl gebildeten Einfallsebene. Beim Übergang vom optisch dichteren zum optisch
dünneren Stoff ist der Brechungswinkel stets
größer als der Einfallswinkel, er erreicht daher bereits bei einem Einfallswinkel Eg < 90q
den Wert 90q. Wird der Einfallswinkel größer als Eg, wird nach den Modellvorstellungen der Strahlenoptik das gesamte Licht in
3.0 Grundlagen
269
den dichteren Stoff zurückgeworfen. Es tritt
Totalreflexion ein und Eg heißt daher Grenzwinkel der Totalreflexion. Die Lichtgeschwindigkeit hängt nicht nur vom Stoff ab,
in dem sich das Licht ausbreitet, sondern
auch von der Frequenz (außer im Vakuum).
Diese Erscheinung nennt man Dispersion. Sie
wird dadurch verursacht, dass die Moleküle
des Stoffes, die durch die Lichtwelle in erzwungene Schwingungen versetzt werden,
eine (oder mehrere) optische Eigenfrequenzen Z0 besitzen. Demzufolge hängt die Größe
des elektrischen Dipolmoments p, das durch
das elektrische Feld E der Lichtwelle in einem Molekül hervorgerufen wird, von der
Frequenz Z der Lichtwelle ab. Das Verhältnis Dp = p/E eines Atoms oder Moleküls ist
ein Maß für die Deformierbarkeit der Elektronenhülle und wird Polarisierbarkeit genannt. Aus der Theorie der erzwungenen
Schwingungen ergibt sich
Dp
e2
1
,
m Z02 Z 2
(2)
wobei e die elektrische Ladung und m die
Masse des für die optische Resonanz verantwortlichen Teilchens sind. Berücksichtigt
man den Beitrag benachbarter Moleküle zu
dem elektrischen Feld der Lichtwelle erhält,
man für die Abhängigkeit des Brechungsindex n von der Kreisfrequenz Z
n 1
n2 2
2
1
N Dp
3H 0
dient in diesem Bereich die Differenz der
Brechungsindizes für die Wasserstofflinien
HD und HE, die als mittlere Dispersion nF - nC
bezeichnet wird (F und C sind die Fraunhofer’schen Bezeichnungen für HD und HE).
n,α
nF
nC
(3)
(Lorentz-Lorenz’sche Formel). N ist dabei
die Teilchenzahldichte, H0 die Permittivität
des Vakuums. Schematisch ergibt sich daraus, wenn man auch den Einfluss der Dämpfung berücksichtigt, die Kurve 1 in
Abb. O.3.0.2. Bei genügend langen Wellenlängen (bei üblichen Gläsern im sichtbaren
Bereich) nimmt der Brechungsindex mit zunehmender Wellenlänge ab (normale Dispersion). Als Maß für die Größe der Dispersion
Kurve 2: α ( λ )
anomale Dispersion
Hα
Hβ λ
Abb. O.3.0.2 Dispersion n(O) und Absorption D (O) in der Umgebung einer optischen Resonanzstelle
In dem in Abb. O.3.0.2 dargestellten Gebiet
anomaler Dispersion, in dem der Brechungsindex mit wachsender Wellenlänge
zunimmt, tritt gleichzeitig starke Absorption
auf (Kurve 2), so dass dort n nicht mehr mit
den sonst üblichen Methoden gemessen werden kann. Die aus dem Brechungsindex n
berechenbare Größe
RM
2
e N
1
2
3H 0 m Z 0 Z 2
Kurve 1: n ( λ )
n2 1 M
n2 2 U
(4)
(M molare Masse, U Dichte) heißt Molrefraktion. Sie ist eine Stoffkonstante, die von
Druck, Temperatur und Aggregatzustand
weitgehend unabhängig ist. RM kann genähert
als Summe der Refraktionsanteile der Bindungen betrachtet werden:
RM
a x b y c z ... ,
(5)
wobei x, y, z, ... die Bindungsrefraktionen, a,
b, c, ... die Anzahl der jeweiligen Bindungen
im betrachteten Molekül sind. Infolge der
vorausgesetzten Addition der Bindungsre-
270 Optik und Atomphysik
3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption
fraktionen ist RM eine wichtige Größe in der
organischen Chemie. Zur Berechnung von
RM steht eine Tabelle mit den entsprechenden
Bindungsrefraktionen zur Verfügung.
3.0.2 Extinktion und Absorption
Für vollständig durchsichtige Stoffe genügt
im Allgemeinen der Brechungsindex n zur
optischen Charakterisierung. Tatsächlich
wird jedoch ein Lichtbündel beim Durchgang
durch einen Stoff auch geschwächt. Die
Schwächung wird durch Lichtstreuung (Richtungsänderung eines Teils der Welle) und
durch Absorption (Umwandlung von Lichtin Wärmeenergie) verursacht. Bei senkrechtem Durchgang einer Lichtwelle (Intensität I0) durch eine planparallele Schicht der
Dicke d erhält man für die Intensität I hinter
der Schicht in guter Näherung
I
I 0 1 R e K d .
2
(6)
K heißt Extinktionskoeffizient, 1/K entspricht
der mittleren Reichweite des Lichts in dem
betrachteten Stoff und kann auch als mittlere
freie Weglänge der Photonen interpretiert
werden. R ist der Reflexionskoeffizient der
Grenzfläche Durch den Faktor (1 R)2 wird
die Reflexion an Vorder- und Rückseite der
Schicht berücksichtigt. Mehrfachreflexionen
und Interferenzen werden in Gl. (6) vernachlässigt. Bei verdünnten Lösungen ist K proportional zur Konzentration c der gelösten
Moleküle (Beer’sches Gesetz):
K
Hc .
(7)
Die Wechselwirkung der gelösten Moleküle
untereinander ist hier unwesentlich. Die Proportionalitätskonstante H heißt spezifischer
Extinktionskoeffizient und ist für den gelösten Stoff charakteristisch. Gl. (6) geht damit
über in das Lambert-Beer’sche Gesetz:
I
I 0 1 R e H c d .
2
Die in einer dünnen Schicht der Dicke dx
dem einfallenden Lichtbündel entzogene
relative Intensität ergibt sich aus Gl. (6) zu
(9)
K dx .
Diese Größe stimmt überein mit der Wahrscheinlichkeit für das Verschwinden eines
Photons aus dem Strahl auf der Strecke dx.
Andererseits enthält die Schicht im durchstrahlten Querschnitt A (Abb. O.3.0.3)
dN
N A dx
(10)
Moleküle, wobei N die Teilchenzahldichte
(Zahl der gelösten Moleküle je Volumen) ist.
Ordnet man jedem Molekül einen extingierenden Querschnitt q zu, ist der Bruchteil
q dN
A
N q dx
der durchstrahlten Fläche von gelösten Molekülen bedeckt.
I0
Schichtdicke d x
I
Querschnitt A
Abb. O.3.0.3 Zur Berechnung des extingierenden
Querschnitts
Diese Größe ist daher ebenfalls gleich der
Wahrscheinlichkeit für das Verschwinden
eines Photons aus dem Lichtbündel. Setzt
man die beiden Wahrscheinlichkeiten gleich
(K dx = N q dx), ergibt sich
q
(8)
dI
I
K N .
(11)
Der Teilchenzahldichte N entspricht eine
3.1 Refraktometrie
271
Konzentration c = N m, wobei m die Molekülmasse (m = M / NA, M molare Masse,
NA Avogadro-Konstante) ist. Damit folgt für
den extingierenden Querschnitt
q H
M
,
NA
(12)
so dass man aus der (makroskopischen) spezifischen Extinktion den (mikroskopischen)
Extinktionsquerschnitt eines Moleküls ermitteln kann. Ist die Extinktion ausschließlich
durch Absorption bedingt (keine Streuung),
spricht man nicht vom Extinktionskoeffizienten, sondern vom Absorptionskoeffizienten DA. Der Absorptionskoeffizient ist stark
von der Wellenlänge der einfallenden Strahlung abhängig, so dass sich für jeden Stoff
ein charakteristisches Absorptionsspektrum DA (O) ergibt, das z. B. zur Identifizierung des betreffenden Stoffs herangezogen
werden kann. Starke Absorption tritt insbesondere im Bereich der anomalen Dispersion
auf (Abb. O.3.0.2).
3.1 Refraktometrie
Aufgabenstellung
1. An einem Refraktometermodell sind der
Brechungsindex des Prismas und eines Glasplättchens mit Na-Licht zu messen.
2. Die Brechungsindizes und die mittleren
Dispersionen von fünf organischen Verbindungen sind zu messen. Mit den Brechungsindizes sind die jeweiligen Molrefraktionen
zu ermitteln.
3. Der Brechungsindex einer Flüssigkeit ist
in Abhängigkeit von der Temperatur zu messen und graphisch darzustellen. Es ist der
Volumenausdehnungskoeffizient bei 20 °C
zu bestimmen.
Geräte zur Bestimmung des Brechungsindex
heißen Refraktometer. Oft wird mit ihnen der
Grenzwinkel der Totalreflexion bei streifendem Lichteinfall an einem Prisma (Bre-
chungsindex n1, brechender Winkel İ) gemessen, an dessen Grundfläche sich die
Messprobe mit dem Brechungsindex n2 befindet. Der streifend einfallende Strahl
(Į = 90 q) wird unter dem Winkel ȕg in das
Prisma hinein gebrochen, trifft unter dem
Winkel Ȗg auf die zweite Prismenfläche und
verlässt das Prisma unter dem Winkel įg
(Abb. O.3.1.1).
βg
n1
ε
ε
δg
n ~1
γg L
n2
Abb. O.3.1.1 Brechung am Prisma bei streifendem Lichteinfall
Nach dem Brechungsgesetz gilt beim Eintritt
des Strahls
sin E g =
n2
n1
(13)
und beim Austritt in Luft (nL § 1)
sin G g =
n1
sin J g | n1 J g .
nL
(14)
Aus Abb. O.3.1.1 ist ersichtlich, dass
Eg + Jg= H
(15)
gilt, da İ Außenwinkel in dem vom Lichtstrahl und den beiden Loten gebildeten Dreieck ist. Zur Bestimmung des Brechungsindex n1 des Messprismas misst man neben
dem brechenden Winkel İ zunächst įg ohne
Messprobe (die Prismengrundfläche befindet
sich in Luft: n2 = nL § 1). Setzt man Ȗg nach
Gl. (15) in Gl. (14) ein, ergibt sich mit
Gl. (13)
cot E g =
sin G g + cos H
.
sin H
(16)
272 Optik und Atomphysik
3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption
Saum, da der Brechungsindex und damit
auch die Lage der Grenzlinie von der Wellenlänge abhängen.
Versuchsausführung
hell
dunkel
δg
Abb. O.3.1.2 Prinzip des Strahlengangs im
Refraktometer
Aus Gl. (16) lässt sich ȕg und damit aus
Gl. (13) n1 berechnen. Ist n1 bekannt, erhält
man den Brechungsindex n2 der Messprobe
(Glasplättchen), indem man mit Probe den
Winkel įg misst, aus Gl. (14) Ȗg und aus
Gl. (15) ȕg bestimmt. Aus Gl. (13) folgt
schließlich n2. Strahlen, die unter einem kleineren Einfallswinkel als 90q einfallen, verlassen das Prisma unter einem größeren Winkel
als įg, so dass nur Strahlen austreten, die mit
dem Lot einen Winkel größer als įg bilden.
Beobachtet man das austretende Licht mit
einem auf Unendlich eingestellten Fernrohr,
entspricht jeder Strahlrichtung ein Punkt in
der Brennebene (Abb. O.3.1.2).
Da in dem aus dem Prisma austretenden
Lichtbündel nicht alle Richtungen enthalten
sind, bleibt ein Teil des Gesichtsfelds dunkel.
Der Richtung des Grenzstrahls entspricht
daher bei Verwendung monochromatischen
Lichts eine scharfe Grenze zwischen hellem
und dunklem Teil des Gesichtsfelds.
Bei Verwendung von weißem Licht entsteht
anstelle der scharfen Grenzlinie ein farbiger
Die Aufgabe 1 wird mit einem Refraktometermodell ausgeführt, das aus einem drehbaren Prisma, einem Teilkreis und einem auf
Unendlich eingestellten Fernrohr besteht.
Den brechenden Winkel İ bestimmt man,
indem man das Fernrohr senkrecht zu einer
an İ anliegenden Prismenfläche einstellt (Ablesung M1 am Teilkreis) und dann das Prisma
dreht, bis die zweite an İ anliegende Prismenfläche senkrecht zum Fernrohr steht (Ablesung M2). Für den Drehwinkel folgt dann
M1 M2 = 180° H. Die Senkrechtstellung des
Fernrohrs erfolgt nach dem in O.1.1 beschriebenen Autokollimationsverfahren mittels des am Fernrohr befindlichen GaußOkulars. Der Winkel įg wird gemessen, indem man das Prisma streifend beleuchtet, das
Fadenkreuz auf die Hell-Dunkel-Grenze des
Gesichtsfeldes einstellt und die Winkeldifferenz zwischen austretendem Strahl und Lot
bestimmt. Um den Brechungsindex n2 des
Glasplättchens zu messen, klebt man es mit
einer Flüssigkeit mit höherem Brechungsindex (häufig Monobromnaphthalin) an die
Eintrittsfläche des Refraktometerprismas und
bestimmt den Austrittswinkel įg bei streifendem Lichteinfall. Die zwischen Glasplättchen
und Prisma befindliche Flüssigkeit hat auf
die Messung keinen Einfluss, solange ihr
Brechungsindex größer als der des Glasplättchens ist. Sie bildet nämlich eine sehr dünne
planparallele Schicht, die nur zu einer geringen Parallelverschiebung der einfallenden
Lichtstrahlen führt, die Strahlrichtung jedoch
unverändert lässt.
Die Aufgaben 2 und 3 werden mit einem
Abbe-Refraktometer ausgeführt. Dieses Refraktometer besitzt ein aufklappbares Doppelprisma, in dessen Zwischenraum die Flüssigkeit mit einer Pipette eingefüllt wird. Da-
3.1 Refraktometrie
273
bei darf die Fläche des Messprismas nicht
berührt werden, um Kratzer zu vermeiden.
Messprisma
Beleuchtungsprisma
der eine scharfe Hell-Dunkel-Grenze erscheint. Aus der Größe der dazu erforderlichen Drehung kann über eine Kalibrierung
die mittlere Dispersion der Flüssigkeit bestimmt werden. Um die Ablenkung von Licht
als Folge der Brechung auch in Abhängigkeit
von der Wellenlänge des verwendeten Lichts
zu messen, kann z. B. ein Pulfrich-Refraktometer verwendet werden (Abb. O.3.1.5).
Messprobe
Grenzstrahl
Abb. O.3.1.3 Beleuchtung beim Abbe-Refraktometer
Die der Flüssigkeit anliegende Fläche des
unteren Prismas ist aufgeraut und dient als
sekundäre Lichtquelle, wodurch günstige
Beleuchtungsverhältnisse geschaffen werden
(Abb. O.3.1.3). Das Prisma kann mittels
durchströmender Flüssigkeit, die von einem
Thermostaten geliefert wird, gekühlt oder
erwärmt werden. Statt eines Teilkreises ist
eine Skala vorhanden, an der der Brechungsindex nD für Natriumlicht (O = 589 nm) direkt abgelesen werden kann.
Kron
Kron
Flint
rot
gelb
blau
Abb. O.3.1.4 Amici-Prisma: Kronglas hat einen
kleinen Brechungsindex und geringe Dispersion;
Flintglas hat einen großen Brechungsindex und
große Dispersion
Die Messung erfolgt mit weißem Licht. Dabei erscheint zunächst ein farbiger Saum. Im
Fernrohr des Refraktometers befinden sich
jedoch zwei so genannte Amici-Prismen, die
für Licht der Na-D-Linie geradsichtig sind,
für andere Wellenlängen aber eine schwache
Brechung bewirken (Abb. O.3.1.4). Durch
Verdrehen der beiden Prismenkombinationen
gegeneinander kann der farbige Saum zum
Verschwinden gebracht werden, so dass wie-
n2
n1
ε = 90 °
βg
γg
δg
Glaswürfel
Abb. O.3.1.5 Prinzip des Pulfrich-Refraktometers
mit Glaswürfel
Dabei wird statt eines Prismas z. B. ein Glaswürfel benutzt, um dessen Oberseite eine
(zumindest teilweise aus Glas bestehende)
Berandung zur Aufnahme der Messflüssigkeit angebracht ist. Der brechende Winkel İ
(Winkel zwischen einfallendem Licht und
Grenzflächen-Normale, Abb. O.3.1.1) beträgt
jetzt 90q. Aus Gl. (14) ergibt sich unter Berücksichtigung von Ȗg = 90q ȕg die Beziehung
sin G g = n1 cos E g = n1 1 sin 2 E g . (17)
Verwendet man Gl. (13), folgt für den zu
bestimmenden Brechungsindex n2 der zu
untersuchenden Flüssigkeit
n2
n12 sin 2 G g .
(18)
Beim Pulfrich-Refraktometer muss mit streifend einfallendem monochromatischem Licht
274 Optik und Atomphysik
3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption
gemessen werden. Hat man Gg aus der Lage
der Hell-Dunkel-Grenze bestimmt, kann man
bei bekanntem Brechungsindex n1 des Glaskörpers für die entsprechende Wellenlänge
aus Gl. (18) den Brechungsindex der Flüssigkeit berechnen. Ist der Brechungsindex des
Glaswürfels unbekannt, misst man mit einer
Flüssigkeit mit bekanntem Brechungsindex n2 den Winkel įg und berechnet n1 aus
n1 = n22 + sin 2G g .
(18a)
Verwendet man ein V-Prisma, das im Prinzip
aus zwei aneinander gekitteten Glasprismen
mit zwei seitlich abschließenden Glasplatten
besteht, beträgt der Winkel des V-Lagers 90°.
Dadurch ist der Einfallswinkel des aus dem
Glas in die Flüssigkeit übergehenden parallelen und monochromatischen Lichts 45°. Unter Berücksichtigung der gegenüberliegenden
Grenzfläche Wasser-Glas, (Winkel zwischen
V-Symmetrieebene und Grenzfläche ebenfalls 45°) erhält man mit J = 90° Gg die
Gleichung
n2
n sin (90q J ) ˜
2
1
n12 sin 2 (90q J ) . (19)
Der Winkel J wird gegen die Austrittsfläche
des V-Messprismas mit einem Fernrohr gemessen. Die Berechnung der Molrefraktionen
erfolgt nach Gl. (4). Diese sollen mit berechenbaren Werten verglichen werden, die
man mit den am Arbeitsplatz angegebenen
Werten der Bindungsrefraktionen unter Verwendung von Gl. (5) ermitteln kann.
Zur Lösung der Aufgabe 3 geht man zur Beschreibung der Temperaturabhängigkeit des
Brechungsindex in Flüssigkeiten von der
Lorentz-Lorenz’schen Formel nach Gl. (3)
aus:
n2 1 N A D P
U aU .
(20)
n2 2 3 H 0 M
Im Allgemeinen bleibt die Polarisierbarkeit
unter den gegebenen Messbedingungen bei
Änderung der Temperatur im Gegensatz zur
Dichte konstant. Erhöht man die Temperatur,
wird die Dichte infolge der thermischen Ausdehnung und dadurch der Brechungsindex
abnehmen. Für kleine Änderungen von U und
n erhält man
dU
dn
6n
1
(n 2 2) 2 a
6n
U .
(n 2 2) (n 2 1)
Mit
dV
dT
d (m/U )
dT
m dU
U 2 dT
folgt für den Volumenausdehnungskoeffizienten
JV
1 dV
V dT
1 dU
U dT
1 dU dn
,
U d n dT
bzw.
JV
6n
§ dn ·
.
(n 2 2) (n 2 1) ¨© dT ¸¹
(21)
Es wird der Brechungsindex der Versuchsflüssigkeit bei etwa acht verschiedenen Temperaturen gemessen und n(T) graphisch dargestellt. Aus dem Anstieg d n/d T der Ausgleichsgeraden und mit dem Wert n bei
- = 20 °C, den man durch graphische Extrapolation oder rechnerisch mit Hilfe der Geradenparameter der Ausgleichsgeraden erhält,
kann der Volumenausdehnungskoeffizient
der untersuchten Flüssigkeit für 20 °C ( J V20 )
bestimmt werden.
3.2 Prismenspektrometer
Aufgabenstellung
1. Die Dispersionskurve eines Prismas ist zu
ermitteln.
2. Für die Wasserstofflinien HĮ, Hȕ und HȖ
sind die Wellenlängen zu bestimmen.
3. Das Auflösungsvermögen des Prismas ist
zu berechnen und der gefundene Wert experimentell zu überprüfen.
3.2 Prismenspektrometer
275
Beim Durchgang durch ein Prisma wird ein
Lichtstrahl zweimal an den Grenzflächen
gebrochen. Für den Fall, dass der Strahl in
einem Hauptschnitt (senkrecht zur brechenden Kante) verläuft und das Prisma symmetrisch durchsetzt (Abb. O.3.2.1), tritt die
kleinste Ablenkung į auf. Ist Į der Einfallswinkel und İ der brechende Winkel, gilt
sin D = n sin E . Mit ȕ = İ/2 und į = 2Į İ
ergibt sich
sin
n=
1
(G + H )
2
.
H
sin
2
(22)
Da der Brechungsindex von der Frequenz f
abhängt, wird das benutzte Licht in sein
Spektrum zerlegt (Prismenspektrometer).
Verwendet man eine Lichtquelle, die ein
Linienspektrum aussendet (z. B. eine Quecksilberdampflampe), kann man durch die Messung der Ablenkwinkel die Dispersionskurve
ermitteln.
betreffende Wellenlänge misst und damit aus
der Dispersionskurve O bestimmt. Man kann
sich dabei die Umrechnung von į in n ersparen, indem man sofort į = į(O) darstellt und
nach Messung des Ablenkwinkels die gesuchte Wellenlänge direkt abliest.
Das Auflösungsvermögen eines Prismenspektrometers ist durch die apparativ bedingte Breite der Linien begrenzt. Ist der Eintrittsspalt breit, sind es auch die im Fernrohr
beobachteten Spaltbilder. Durch Verringerung der Spaltbreite lässt sich diese aber
nicht beliebig schmal machen. Die untere
Grenze ist durch die Beugung bestimmt. Da
das Prisma höchstens von einem Lichtbündel
der Breite a durchsetzt werden kann, wirkt es
wie ein Spalt gleicher Breite (Abb. O.3.2.2).
Man erhält bei Verwendung monochromatischen Lichts in der Brennebene des Fernrohrs
die in Abb. O.2.0.6 dargestellte Intensitätsverteilung.
ε
2
s
ε
a
δ+ ε
2
δ
α
α
β
s
β
Abb. O.3.2.1 Brechung am Prisma bei symmetrischem Strahlengang
Üblicherweise bezeichnet man als Dispersionskurve die Abhängigkeit des Brechungsindex von der Wellenlänge n = n (O) mit
O = c0 / f, wobei man unter c0 die Vakuumlichtgeschwindigkeit versteht. Ist die Dispersionskurve bekannt, kann man umgekehrt das
Prisma zur Wellenlängenmessung benutzen,
indem man den Brechungsindex für die
90°- ε
2
δ/2
b
Abb. O.3.2.2 Auflösungsvermögen des Prismas
Für den Winkelabstand der ersten Minima
vom Hauptmaximum ergibt sich nach
Gl. (O.2-17): sin Į = O /a § Į. Zwei Wellenlängen Ȝ und O + ǻO mit ǻO O werden dann
noch als getrennte Spektrallinien wahrgenommen, falls das Hauptmaximum der Linie
O + ǻO mit dem 1. Minimum der Linie Ȝ zusammenfällt, d. h., es gilt
G (O 'O ) G (O ) r D G (O ) r
O
. (23)
a
Als Größe des Auflösungsvermögens defi-
276 Optik und Atomphysik
3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption
niert man (in Analogie z. B. zum Mikroskop) A = O / 'O und man erhält durch die
Taylor-Entwicklung der linken Seite von
Gl. (23)
A=
O
'O
= a
wG
.
wO
(24a)
Für die partielle Ableitung w į/ w Ȝ ergibt sich
aus Gl. (22)
H
sin
wG
wn
2
= 2
,
wO
wO cos G + H
2
und durch Einsetzen in Gl. (24a) folgt dann
H
sin
wn
2
A=
2a
.
G +H
wO
cos
2
(24b)
Ist das Prisma voll ausgeleuchtet, ergeben
sich aus der Abb. O.3.2.2 die Beziehungen
a = s cos
G +H
2
und
b
H
= s sin
2
2
mit der Basis- (b) und Seitenlänge (s) des
Prismas. Damit vereinfacht sich Gl. (24b) zu
A= b
dn
.
dO
(24)
Das Auflösungsvermögen lässt sich also aus
der Steigung an einem bestimmten Punkt
längs der Dispersionskurve berechnen und ist
wie diese von der Wellenlänge abhängig.
Versuchsausführung
Die Bestimmung von n nach Gl. (22) erfordert die Messung des brechenden Winkels İ
und des Winkels der minimalen Ablenkung į. Die Winkelmessung erfolgt mit einem Spektrometer, das ggf. vor den Messun-
gen noch zu justieren ist. Die brechende Kante des Prismas ist senkrecht zur Sehlinie des
Fernrohrs zu stellen, damit das Prisma im
Hauptschnitt durchstrahlt wird. Dies geschieht, indem man beide brechende Flächen
senkrecht zur Sehlinie stellt. Das Prisma stellt
man dazu zweckmäßigerweise so auf den
Spektrometertisch, dass eine der brechenden
Flächen senkrecht zur Verbindungslinie
zweier Justierschrauben (Abb. O.2.3.2) verläuft, und verstellt diese Fläche unter alleiniger Benutzung dieser beiden Schrauben. Für
die Justierung der zweiten Fläche benutzt
man dann ausschließlich die dritte Justierschraube. Die Messung des brechenden Winkels kann in der in O.3.1 beschriebenen Weise erfolgen. Ein weiteres Verfahren besteht
darin, das Prisma so aufzustellen, dass beide
brechende Flächen gleichzeitig vom Spaltrohr beleuchtet werden. Man erhält dann
zwei Strahlenbündel, die einen Winkel
von 2 İ einschließen.
Zur Messung der Dispersionskurve wird der
Spalt mit dem Licht einer Quecksilberdampflampe beleuchtet. Nach dem Durchgang des
Lichts durch das Prisma beobachtet man mit
dem Fernrohr voneinander getrennte farbige
Bilder des Spalts, die bei hinreichend kleiner
Spaltbreite als Spektrallinien bezeichnet werden und den verschiedenen Wellenlängen des
vom Quecksilberdampf ausgestrahlten Lichts
entsprechen. Zur Bestimmung des Minimums
der Ablenkung dreht man den Spektrometertisch mit dem Prisma und verfolgt die zu
messende Linie im Fernrohr. Bei einer bestimmten Stellung kehrt sich bei gleichbleibender Drehrichtung des Prismas die Bewegung der Linie um. In dieser MinimumStellung bringt man das Fadenkreuz mit der
Spektrallinie zur Deckung und liest den Einstellwinkel ab. In dieser Weise ist bei jeder
Linie zu verfahren.
Anschließend dreht man das Prisma so, dass
das einfallende Licht nach der anderen Seite
abgelenkt wird und wiederholt das Verfah-
3.3 Brechungsindex von Gasen
ren. Die Differenz der beiden Einstellwinkel
ist dann gleich dem doppelten Ablenkwinkel
für die betreffende Wellenlänge. Die zu den
einzelnen Spektrallinien gehörenden Wellenlängen können dem Anhang A.18 entnommen werden. Damit kann die Kalibrierkurve į = į ( Ȝ) des Prismenspektrometers erstellt
werden. Zur Ermittlung der Wellenlängen der
Wasserstofflinien ersetzt man die Quecksilberdampflampe z. B. durch eine wasserstoffgefüllte Entladungsröhre und misst wieder
die Ablenkwinkel. Die gesuchten Wellenlängen werden mittels der Kalibrierkurve bestimmt. Eine experimentelle Überprüfung des
Zusammenhangs von Auflösungsvermögen
und Bündelbreite a lässt sich mit Hilfe eng
benachbarter Spektrallinien ausführen. Dazu
bringt man vor dem Objektiv des Fernrohrs
oder des Spaltrohrs eine Spaltblende an, deren Breite a veränderlich ist. Es ist diejenige
Breite zu ermitteln, bei der die gewählten
Linien gerade noch getrennt erscheinen, und
Gl. (24b) zu überprüfen. Geeignete Linienpaare können der Tabelle A.18 im Anhang
entnommen werden.
3.3 Brechungsindex von Gasen
Aufgabenstellung
1. Es ist das Rayleigh-Löwe-Interferometer
mit monochromatischem Licht zu kalibrieren.
2. Der Brechungsindex von Luft und Kohlendioxid ist als Funktion des Drucks zu messen. Für beide Gase ermittle man die Brechkraft bei Normbedingungen.
Aus der Lorentz-Lorenz’schen Formel Gl. (3)
ergibt sich für Gase bei nicht zu hohen Drücken (Brechungsindex n | 1) und bei konstanter molekularer Polarisierbarkeit, dass die
Differenz (n 1) proportional zur Teilchenzahldichte N (Anzahl der Teilchen pro Volumen) ist:
NA U
(25)
n 1 v N , N
.
M
277
In Gl. (25) sind NA die Avogadro-Konstante,
U die Dichte und M die Molmasse des Gases.
Für ideale Gase (W.2.0.1) und mit N v U
folgt
n 1
p T0
=
.
n0 1
p0 T
(25a)
Dabei bezeichnet der Index 0 die NormbeT0
1
'T T T0 ,
T 1 J 'T
J 1 T0 ) ergibt sich für die Druckabhängigkeit des Brechungsindex
dingungen. Mit
n 1 = ( n0 1)
p
1
,
p 0 1 + J 'T
(26)
wobei Ȗ = 1/T0 der Ausdehnungskoeffizient
des idealen Gases ist. Der Wert von n0 ist
dann nur noch von der Stoffart und der Frequenz des Lichts abhängig. Üblicherweise
arbeitet man nicht mit der sehr kleinen Größe n0 – 1, sondern mit der Brechkraft:
E (n0 1) ˜ 106 .
Wegen der sehr geringen Änderung des Brechungsindex von Gasen bei Veränderung des
Drucks bestimmt man die Brechzahldifferenz
'n = n nV , wobei nV der Brechzahl eines
Gases in der Vergleichsküvette bei konstantem Druck und bei konstanter Temperatur T
entspricht. Es gilt
'n
n0 1
p
(nV 1) . (27)
p0 (1 J 'T )
Mittels Gl. (27) kann der Wert für n0 des
Testgases ermittelt werden.
Da der Brechungsindex von Gasen nur sehr
wenig von eins verschieden ist, erfolgt die
Messung mit einem Interferometer, mit dem
die Differenz der optischen Weglängen
(n nV ) l von zwei kohärenten Strahlenbündeln, die zwei gleichlange Küvetten durchlaufen, gemessen wird.
278 Optik und Atomphysik
3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption
bewegliche
Kompensationsplatten
Seitenansicht
Spaltrohr
Doppelspalt
Draufsicht
L1
Beobachtungsfernrohr
feste
Kompensationsplatten
Messküvette
Vergleichsküvette
Abb. O.3.3.1 Schema eines Rayleigh-Löwe-Interferometers
In diesem Versuch wird ein Rayleigh-LoeweInterferometer (Abb. O.3.3.1) verwendet. Bei
diesem Interferometertyp werden die beiden
Strahlenbündel durch zwei Spalte erzeugt.
Bei ihrer Vereinigung durch die Linse L1
entsteht daher in der Brennebenen des Fernrohrs das Beugungsbild eines Doppelspalts
(Spaltabstand g), das bei Verwendung von
monochromatischem Licht aus äquidistanten
hellen und dunklen Streifen besteht.
mit dem Brechungsindex nv, erhalten die
beiden Wellen zusätzlich eine Differenz der
optischen Weglängen, die gleich (n nv) l ist,
wenn l die Länge der Küvetten ist und die
geringe Neigung der Strahlen vernachlässigt
wird. Der helle Streifen k-ter Ordnung wandert dadurch an eine Stelle, die durch den
Winkel Įk' bestimmt ist. Es gilt:
g sin D kc
(n nV ) º
ª
l» O
«k O
¬
¼
kλ
l
Messküvette
n
g
nv
Doppelspalt
Vergleichsküvette
Abb. O.3.3.2 Zur Herleitung der InterferometerGleichung (Gl. (29))
Nach Gl. (O.2.9) erhält man helle Streifen für
alle Winkel Dk, die der Beziehung
g sin Dk = k O genügen. Der helle Streifen kter Ordnung kommt durch Überlagerung
zweier Wellen zustande, zwischen denen bei
leeren Küvetten eine Wegdifferenz von k O
besteht (Abb. O.3.3.2). Befindet sich in der
Messküvette ein Gas mit dem Brechungsindex n und in der Vergleichsküvette ein Gas
k O (n nV ) l
( k h) O .
(28)
Da eine Differenz der optischen Weglängen
von Ȝ gerade einer Streifenbreite im Beugungsbild entspricht, entspricht das einer
Verschiebung des ganzen Beugungsbilds um
h Streifenbreiten, wobei gilt
( n nV )
l
(29)
.
O
Um diese Verschiebung messen zu können,
lässt man einen Teil der beiden Strahlenbündel unterhalb der Küvetten in Luft verlaufen,
so dass sie von Unterschieden im Brechungsindex unbeeinflusst bleiben und infolgedessen ein feststehendes Streifensystem erzeugen. Die Messung der Verschiebung des
beweglichen gegenüber dem feststehenden
Streifensystem erfolgt durch Kompensation:
Im Strahlengang der Vergleichsküvette beh
3.3 Brechungsindex von Gasen
findet sich eine durch eine Messtrommel
drehbare Glasplatte (Kompensationsplatte),
die eine kontinuierliche Veränderung der
Plattendicke und damit der optischen Weglänge des Vergleichstrahls ermöglicht, wodurch die Verschiebung messbar kompensiert
werden kann.
Versuchsausführung
Zur Kalibrierung bei Aufgabe 1 ist zunächst
festzustellen, bei welcher Stellung der Kompensationsplatte die Wegdifferenz der beiden
Strahlenbündel gleich null ist. Dabei bleiben
die beiden Küvetten offen (Luft, gleicher
Druck) und die Beleuchtung der Spalte erfolgt mit weißem Licht. Das Streifensystem
besteht aus einer Überlagerung der Beugungsstreifen aller Farben. Da der Abstand
der Streifen von der Wellenlänge abhängt,
treten jetzt nur der helle Streifen nullter Ordnung und die beiden dunklen Streifen erster
Ordnung deutlich hervor. Der helle Streifen
nullter Ordnung hat zwei rote Säume, die
dunklen Streifen 1. Ordnung haben innen
(d. h. dem hellen Streifen nullter Ordnung
zugewandt) blaue Säume. Dadurch ist eine
eindeutige Festlegung des Nullpunkts möglich, indem man entsprechende Streifen vom
feststehenden und beweglichen Streifensystem genau übereinander stellt und an der
Messtrommel die zugehörige Lage der Kompensationsplatte abliest.
Nun beleuchtet man mit monochromatischem
Licht (Wellenlänge O) und erhält ein System
von hellen und dunklen Streifen. Die Streifen
von Mess- und Vergleichssystem stehen bei
richtiger Nullpunktsfestlegung genau übereinander. Verschiebt man durch Drehen der
Messtrommel die beiden Systeme genau um
eine Streifenbreite, erzeugt die Kompensationsplatte eine Wegdifferenz von Ȝ für die
Wellenlänge des zur Kalibrierung benutzten
Lichts. Bei Verschiebung um zwei Streifenbreiten beträgt die Wegdifferenz zwei Wellenlängen usw. Es wird die Anzahl der Streifenverschiebungen h in Abhängigkeit von
279
den an der Messtrommel abgelesenen Werten
x graphisch dargestellt und eine nichtlineare
Regression z. B. mit einem Polynom zweiten
Grads durchgeführt:
h( x )
A0 A1 x A2 x 2 .
Um den Brechungsindex bei Aufgabe 2 zu
messen, ist es am günstigsten, die
Vergleichsküvette zu evakuieren. Ist das
nicht möglich, benutzt man z. B. eine mit
einem Vergleichsgas gefüllte verschlossene
Küvette.
Temperaturänderungen
und
Schwankungen des äußeren Drucks haben
dann wegen der konstanten Teilchenzahldichte N keinen Einfluss auf nv. Die Messküvette füllt man mit Luft, der Druck wird mit
einem digitalen Manometer gemessen. Zur
Bestimmung des Brechungsindex wird weißes Licht verwendet und man kompensiert
die bei einem bestimmten Druck auftretende
Verschiebung der Interferenzstreifen mit der
Kompensationsplatte. Mit der Kalibrierfunktion h(x) kann die zugehörige Streifenverschiebung und mit Gl. (29) die Differenz des
Brechungsindex bei bekannter Länge der
Küvetten berechnet werden:
' n = n nv =
h ( x) O
.
l
(30)
Für Ȝ ist die bei der Kalibrierung benutzte
Wellenlänge einzusetzen.
Zur Bestimmung von n0 trägt man ǻn als
Funktion von p auf (nv braucht dazu nicht
bekannt zu sein) und ermittelt durch lineare
Regression die Parameter der Ausgleichsgeraden. Aus Gl. (27) folgt für die Steigung S
dieser Geraden
S=
(n0 1)
1
,
p0
1 + J 'T
und man erhält
n0 = 1 + S p0 (1 + J 'T ) .
(31)
Damit ergibt sich die Brechkraft unter Norm-
280 Optik und Atomphysik
3 Brechungsindex, Dispersion und Absorption
bedingungen. Die zur Ermittlung der Temperaturdifferenz 'T = T – T0 in Gl. (31) erforderliche Temperatur T wird mit einem Thermometer bestimmt. Anschließend werden die
Messungen anlog zu der oben beschriebenen
Versuchdurchführung für Kohlendioxid
durchgeführt. Von Vorteil ist es, auch die
Vergleichsküvette mit CO2 durchzuspülen
und danach wieder zu verschließen, um annähernd den gleichen Messbereich an Streifenverschiebungen wie bei der Messung mit
Luft nutzen zu können.
3.4 Spektralphotometrie
Aufgabenstellung
1. Durch Messung des Reintransmissionsgrads von wässrigen Kupfersulfatlösungen
verschiedener Konzentration bei konstanter
Schichtdicke und durch Messung des Reintransmissionsgrads einer wässrigen Kupfersulfatlösung bestimmter Konzentration bei
verschiedenen Schichtdicken soll die Gültigkeit des Lambert-Beer’schen Gesetzes mittels
graphischer Darstellungen überprüft werden.
2. Der extingierende Querschnitt von Kupfersulfat ist zu ermitteln.
3. Man bestimme die Extinktion einer Farbstofflösung in Abhängigkeit von der Wellenlänge. Der Kurvenverlauf ist zu diskutieren.
Der prinzipielle Aufbau eines Spektralphotometers ist in Abb. O.3.4.1 dargestellt.
d
Aus dem von der Lichtquelle ausgehenden
Licht wird durch Filter bzw. einen Gitteroder Prismenmonochromator Licht einer
bestimmten Wellenlänge ausgesondert und
als Parallelbündel durch die mit der Messprobe gefüllte, von planparallelen Wänden
begrenzte optische Glasküvette hindurchgeleitet. Die Messung der Intensität nach der
Transmission erfolgt durch optoelektronische
Sensoren. Von den drei Prozessen, die zur
Intensitätsabnahme des Lichts beim Durchgang durch eine Stoffschicht führen (Reflexion an den Grenzflächen, Absorption und
Streuung), kann der Anteil der Lichtstreuung
bei Lösungen absorbierender Teilchen in
einem nichtabsorbierenden Lösungsmittel,
die im folgenden ausschließlich zum Einsatz
kommen, vernachlässigt werden. Durch Vergleichsmessungen besteht die Möglichkeit,
den Einfluss der Reflexionsverluste an den
Grenzflächen und die Extinktion des Lösungsmittels weitgehend eliminieren.
Um die Extinktion des gelösten Stoffs zu
bestimmen, misst man zunächst die Extinktion des Systems mit Küvette, Lösungsmittel
und gelöstem Stoff. Danach wird davon die
Extinktion des Bezugssystems (Küvette und
Lösungsmittel) abgezogen. Bei allen Messungen ist monochromatisches Licht zu verwenden. Da durch die gewählte Messmethode der Einfluss der Reflexion nicht mehr
wirksam wird, kann man Gl. (6) in der Form
I = I0 e K d
(32)
schreiben und Gl. (8) lautet dann:
I = I 0 e -H c d .
(33)
Für den Exponenten in Gl. (33) wird die dimensionslose Größe E eingeführt:
Lichtquelle
Filter , Gitter- Küvette mit
oder Prismen- Messprobe
monochromator
Detektor
Abb. O.3.4.1 Schematischer Aufbau eines Spektralphotometers
E
Kd
H cd .
(33a)
Beim letzten Gleichheitszeichen setzt man
die Gültigkeit des Beer’schen Gesetzes voraus. Die Größe E wird auch als Extinktion im
3.4 Spektralphotometrie
281
engeren bezeichnet, so dass stets gilt:
I = I0 e
E
.
(34)
Ebenso schreibt man für den Reintransmissionsgrad
-=
I
= e E .
I0
(35)
Oft verwendet man zur Definition der Extinktionsgrößen aus praktischen Gründen
anstelle der Exponentialfunktion Zehnerpotenzen. So schreibt man für Gl. (32)
I = I 0 10 K c d bzw. - = 10 K c d ,
(36)
für Gl. (33)
I = I 0 ˜ 10H c c d bzw. - = 10H c cd
(37)
und anstelle der Gln. (34) und (35)
I = I 0 ˜ 10 Ec bzw. - = 10 Ec .
(38)
Die Umrechnung zwischen den unterschiedlich definierten Größen ist leicht möglich:
K = 2,303 K c , ½
°
H = 2,303 H c , ¾
°
E = 2,303 E c . ¿
(39)
Versuchsausführung
Für diesen Versuch wird ein Spektralphotometer verwendet, in dem die spektrale Zerlegung des Lichts einer Wolfram-Halogenlampe mittels eines Beugungsgitters realisiert
wird. Das Licht kommt als paralleles Lichtbündel aus dem Kollimator und fällt auf das
Beugungsgitter (Reflexionsgitter, O.2.3). Es
wird mittels einer zweiten Linse auf den Austrittsspalt fokussiert, hinter dem sich die Küvette befindet. Nach dem Durchgang durch
die Probe fällt das Licht auf einen Detektor,
dessen Photostrom verstärkt und als Extinktionswert an der Anzeigeeinheit abgelesen
werden kann. Alle Messungen werden als
Vergleichsmessungen durchgeführt. Als Vergleichsnormal dient eine Küvette gleicher
Schichtdicke, die mit dem Lösungsmittel, im
vorliegenden Fall destilliertes Wasser, gefüllt
ist. Misst man eine absorbierende Probe (bestehend aus Küvette, Lösungsmittel und gelöster absorbierender Substanz) und liest am
Photometer einen bestimmten Wert E ab, ist
dieser zu korrigieren, indem man den bei der
Vergleichsmessung (Küvette und Lösungsmittel) gewonnenen Extinktionswert davon
abzieht.
Liest man den Reintransmissionswert der
Messprobe direkt ab, ist dieser Wert entsprechend Gl. (35) durch den Reintransmissionsgrad des Vergleichsnormals zu teilen. Durch
dieses Vorgehen erreicht man, dass Lichtverluste im Lösungsmittel oder durch Reflexion
an den Grenzflächen in das Messresultat
nicht mehr eingehen. Die Mess- und
Vergleichsküvette müssen genau gleich sein.
Sie sind vor den Messungen innen und außen
sorgfältig zu reinigen. Man misst den Reintransmissionsgrad - bei konstanter Wellenlänge in Abhängigkeit von der Konzentration c der Kupfersulfatlösungen und der
Schichtdicke d. Aus - berechnet man nach
Gl. (35) jeweils die Extinktion E.
Bei industriell gefertigten Spektralphotometern wird oft E ' nach Gl. (38) angezeigt. Zur
Umrechnung benutzt man Gl. (39). Das Lambert-Beer’sche Gesetz überprüft man, indem
man den Reintransmissionsgrad - in einfachlogarithmischer Darstellung als Funktion der
Konzentration c bzw. der Schichtdicke d
aufträgt. In beiden Fällen muss sich bei Gültigkeit des Lambert-Beer’schen Gesetzes eine
Gerade ergeben. Aus dem Anstieg lässt sich
die spezifische Extinktionskonstante İ berechnen. Ist das Beer’sche Gesetz erfüllt, ist
die Extinktionskonstante eine lineare Funktion der Konzentration c. Man prüft dies, indem man die für die verschiedenen Konzentrationen berechneten Werte K = E/d über der
Konzentration c aufträgt. Der Anstieg der
282 Optik und Atomphysik
Geraden liefert direkt die spezifische Extinktionskonstante İ. Zur Bestimmung des extingierenden Querschnitts q verwendet man die
Gln. (11) oder (12).
Bei der Messung der Wellenlängenabhängigkeit der Extinktion E einer Farbstofflösung
ist bei jeder Wellenlänge die Extinktion der
Vergleichsprobe mit zu messen und die Korrektur in der oben beschriebenen Weise vorzunehmen. Die Messwerte sind graphisch
darzustellen und bei der Diskussion ist zu
beachten, dass die Probenfarben als Komplementärfarben erscheinen.
4 Polarisation
4.0 Grundlagen
Licht lässt sich als transversale elektromagnetische Welle beschreiben. Magnetische und
elektrische Feldstärke stehen senkrecht aufeinander, die Schwingungen der Feldvektoren erfolgen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung (Abb. O.2.0.1). Den Beweis dafür liefert
die Polarisierbarkeit des Lichts.
Im Folgenden wird linear polarisiertes Licht
betrachtet, bei dem die Schwingungen des
elektrischen Feldstärkevektors nur in einer
bestimmten Ebene, der Schwingungsebene,
erfolgen. Die dem magnetischen Feldvektor
zuzuordnende Ebene wird als Polarisationsebene bezeichnet. Natürliches Licht ist unpolarisiert, die Schwingungsebene wechselt
innerhalb sehr kurzer Zeiten völlig unregelmäßig. Um linear polarisiertes Licht zu gewinnen, kann man z. B. die Reflexion an
durchsichtigen Flächen oder die Doppelbrechung nutzen.
4.0.1 Polarisation durch Reflexion
Die Intensität I (r) eines an einem durchsichtigen Medium reflektierten parallelen Strahlenbündels ergibt sich bei Polarisation parallel zur Einfallsebene zu
4 Polarisation
2
I & r § n cos D cos E · e ¨
¸ I&
© n cos D cos E ¹
(1)
und bei Polarisation senkrecht zur Einfallsebene zu
2
r
IA
§ cosD n cosE · e ¨
¸ IA ,
© cos D n cos E ¹
(2)
wobei D der Einfallswinkel, E der Brechungswinkel, n der Brechungsindex des
reflektierenden Mediums und I(e) die Intensität des einfallenden Strahlenbündels sind. Die
Gln. (1) und (2) sind zwei der vier FresnelFormeln für den Fall des Übergangs eines
Lichtstrahls von Luft in das brechende Medium und umgekehrt.
R
1
R
R
0
αp
π
2
α
Abb. O.4.0.1 Reflexionskoeffizient R als Funktion des Einfallswinkels D
Ist n > 1, ergibt sich die in Abb. O.4.0.1 gezeigte Abhängigkeit des Reflexionskoeffizienten R = I (r)/I (e) vom Einfallswinkel D.
Bei einem bestimmten Einfallswinkel Dp
verschwindet die Intensität des reflektierten
Strahls, wenn dieser parallel zur Einfallsebene polarisiert ist. Lässt man daher unpolarisiertes Licht unter dem Winkel Dp einfallen,
werden nur die senkrecht zur Einfallsebene
polarisierten Anteile reflektiert, das reflektierte Licht ist daher linear polarisiert. Der
4.0 Grundlagen
283
Winkel Dp wird Polarisationswinkel genannt.
Aus Gl. (1) folgt, indem man I(r) = 0 setzt und
das Brechungsgesetz berücksichtigt,
D p Ep
90 q .
(3a)
Reflektierter und gebrochener Strahl stehen
also in diesem Fall senkrecht aufeinander
(Brewster’sches Gesetz, Abb. O.4.0.2).
Setzt man Gl. (3a) in das Brechungsgesetz
(Gl. (O.3-1)) ein, ergibt sich
tan D p
n .
(3b)
Bei der Diskussion des Schwingungszustands, der Polarisierbarkeit und der Phasensprünge an Grenzflächen ist es von Bedeutung, ob die Betrachtung aus der Sicht eines
außen stehenden Beobachters geführt wird
oder etwa vom Standpunkt des auf dem
Lichtstrahl mitbewegten Beobachters, der in
einem anderen Bezugssystem sitzt. Dies soll
hier aber nicht weiter vertieft werden.
optisch dünnes
Medium
αp
αp
βp
90°
optischen Achse oder senkrecht dazu verläuft) in zwei Strahlen verschiedener Richtung aufgespaltet. Der eine der Strahlen verhält sich nach dem Snellius’schen Brechungsgesetz und wird als ordentlicher Strahl
bezeichnet; der andere gehorcht diesem Gesetz nicht und heißt außerordentlicher Strahl.
Für den außerordentlichen Strahl hängt der
Brechungsindex von der Ausbreitungsrichtung ab. Beide Strahlen sind senkrecht zueinander linear polarisiert; da im einfallenden
natürlichen Licht beide Polarisationsrichtungen mit gleicher Stärke enthalten sind, haben
beide Strahlen die gleiche Intensität.
Will man mittels Doppelbrechung linear polarisiertes Licht erzeugen, muss man einen
der beiden Strahlen ausblenden. Dies geschieht beim Glan-Thompson-Prisma in folgender Weise: Aus einem doppelbrechenden
Kalkspatkristall werden zwei Prismen mit
ihren brechenden Kanten parallel zur optischen Achse herausgeschnitten und mit Kanadabalsam gekittet (Abb. O.4.0.3). Für den
ordentlichen Strahl (Index o) ist der Brechungsindex des Kalkspats (no = 1,66) größer
als der des Kanadabalsams (n = 1,54), er wird
daher an der Kittfläche totalreflektiert und an
der geschwärzten Fassung des Prismas absorbiert. Für den außerordentlichen Strahl
(Index ao) ist dagegen der Brechungsindex
des Kalkspats in der betreffenden Richtung
(nao = 1,49) kleiner als der des Kanadabalsams, er tritt daher als linear polarisierter
Strahl aus dem Prisma aus.
otisch dichtes
Medium
ao
o
Abb. O.4.0.2 Brewster’sches Gesetz
4.0.2 Polarisation durch Doppelbrechung
Trifft ein Lichtstrahl auf einen optisch einachsigen Kristall, z. B. Kalkspat, wird er im
Allgemeinen (wenn er nicht in Richtung der
Abb. O.4.0.3 Glan-Thompson-Prisma
Auf dem gleichen Prinzip beruht die polarisierende Wirkung des nach Nicol bezeichneten Prismas, bei dem jedoch die Eintrittsfläche schräg zur Längsrichtung steht und das
284 Optik und Atomphysik
4 Polarisation
nur einen kleineren Gesichtsfeldwinkel (beim
Glan-Thompson-Prisma 42 q) auszunutzen
gestattet. Anstelle von Polarisationsprismen
lassen sich auch dichroitische Kristalle zur
Herstellung polarisierten Lichts benutzen,
z. B. Turmalin. Bei diesen Kristallen wird der
eine der beiden Strahlen stark absorbiert. Bei
den häufig benutzten Polarisationsfiltern sind
derartige Kristalle geordnet in geeignete Folien eingelagert.
4.0.3 Drehung der Polarisationsebene
Beim Durchgang von linear polarisiertem
Licht durch optisch aktive Substanzen wird
die Schwingungsebene gedreht. Optisch aktive Substanzen treten stets in zwei Formen
auf, die gleich stark, aber in entgegengesetzten Richtungen drehen. Liegen diese Substanzen als Kristalle vor, unterscheiden sich
die rechts- und linksdrehenden auch in ihrer
äußeren Form, sie verhalten sich wie Bild
und Spiegelbild (Enantiomorphie).
CH3
HO
H3C
H
COOH
H
OH
HOOC
Abb. O.4.0.4 Stereoisomerie der Milchsäure
(CH3 CHOH COOH, das asymmetrische
Kohlenstoffatom hat man sich in der Mitte des
gezeichneten Tetraeders zu denken)
Die Drehung ist durch den Aufbau der Substanz bedingt und geht bei Stoffen, die auch
in Lösung optisch aktiv sind, auf eine asymmetrische Molekülstruktur zurück, die meist
durch ein asymmetrisches Kohlenstoffatom
(C-Atom mit vier verschiedenen Substituenten) bedingt ist. Abb. O.4.0.4 zeigt für die
einfachste optisch aktive Substanz, die
Milchsäure, schematisch die beiden möglichen Molekülformen. Die optische Aktivität
von Kristallen ist nicht notwendig durch
asymmetrische Moleküle bedingt, sie kann
auch durch eine schraubenförmige Anordnung der Gitterbausteine hervorgerufen werden (z. B. beim Quarz oder bei der DNADoppelhelix).
Blickt man der Ausbreitungsrichtung des
Lichts entgegen, heißt eine Substanz rechtsdrehend, wenn sie die Schwingungsebene im
Uhrzeigersinn dreht, andernfalls linksdrehend. Bei festen Stoffen muss man zur Messung des Drehwinkels eine planparallele Platte der Dicke d aus dem zu untersuchenden
Material herausschneiden. Der Drehwinkel M
ist dann proportional zu d:
MO
>M @O d
.
(4)
Die Materialkonstante [M]O (meist in Grad
pro mm angegeben) nennt man spezifische
Drehung oder Rotation. Sie hängt von der
Schnittlage und von der Wellenlänge des
Lichts ab (Rotationsdispersion) und nimmt
im Allgemeinen mit zunehmender Wellenlänge ab. Bei Lösungen hängt der Drehwinkel außer von den durchstrahlten Schichtdicken auch noch von der Konzentration c ab.
Für verdünnte Lösungen gilt
M
>M @O c d
T
,
(5)
und die spezifische Drehung hängt nicht nur
von der Wellenlänge sondern auch noch von
der Temperatur ab. Manche Stoffe werden
erst optisch aktiv, wenn man sie in ein Magnetfeld bringt, dessen Richtung parallel oder
antiparallel zur Ausbreitungsrichtung des
Lichts liegt. Diese Erscheinung bezeichnet
man als Faraday-Effekt. Die Drehung der
Polarisationsebene ist bei nicht zu starken
Magnetfeldern auch hier proportional zur
Schichtdicke d und hängt linear von der magnetischen Flussdichte B ab. Es gilt daher
M
KV d B .
(6)
Den Proportionalitätsfaktor KV bezeichnet
4.1 Polarisationswinkel und Reflexionsvermögen
285
man als Verdet-Konstante, deren Wert sowohl vom Stoff als auch von der Wellenlänge bestimmt wird und bei Flüssigkeiten auch
noch von der Temperatur abhängen kann.
Eine positive Verdet-Konstante bewirkt eine
Drehung der Schwingungsrichtung im mathematisch negativen Sinn, sofern das Magnetfeld parallel zur Ausbreitungsrichtung des
Lichts ist bzw. umgekehrt, d. h., dass sich bei
Umpolung des Magnetfelds der Drehwinkel
gegenüber dem Schwingungszustand vor der
Umpolung verdoppelt.
der Polarisator so lange gedreht, bis die minimale Helligkeit des Spaltbilds erreicht ist.
Nun wird der Einfallswinkel verändert, ohne
dass das Spaltbild aus dem Gesichtsfeld verschwindet. Hat man auf diese Weise den
Polarisationswinkel erreicht, tritt völlige
Verdunklung des Spaltbilds ein (ggf. den
Polarisator noch geringfügig nachdrehen)
und die Durchlassrichtung des Polarisationsfilters liegt in der Einfallsebene, steht also
senkrecht zur Drehachse des Spektrometers.
Zur Messung des Refelexionsvermögens
ersetzt man das Okular des Fernrohrs durch
den Strahlungsempfänger und misst bei verschiedenen Einfallswinkeln die Intensität des
reflektierten Strahls bei parallel und bei senkrecht zur Einfallsebene polarisiertem Licht.
Dabei ist sorgfältig darauf zu achten, dass das
gesamte aus dem Spaltrohr austretende Licht
an der Glasplatte reflektiert wird und ins
Fernrohr fällt. Falls erforderlich, muss der
Durchmesser des Lichtbündels durch geeignete Blenden begrenzt werden. Ferner ist zu
beachten, dass die Messung nicht durch
Streulicht verfälscht wird. Schließlich entfernt man die Glasplatte und misst die Intensität des einfallenden Lichts, indem man das
Fernrohr in die Richtung des Spaltrohrs
dreht. Die gefundene Abhängigkeit des Reflexionsvermögens vom Einfallswinkel ist
graphisch darzustellen und mit den über die
Gln. (1) und (2) berechneten Werten zu vergleichen. Für die Berechnung ist der aus dem
Polarisationswinkel nach Gl. (3b) ermittelte
Wert des Brechungsindex zugrunde zu legen.
4.1 Polarisationswinkel und Reflexionsvermögen
Aufgabenstellung
1. Der Polarisationswinkel von Glas ist zu
bestimmen.
2. Das Reflexionsvermögen als Funktion des
Einfallswinkels ist zu messen.
Unter Benutzung eines Spektrometers lässt
sich die in Abb. O.4.0.1 gezeichnete Abhängigkeit des Reflexionskoeffizienten R vom
Einfallswinkel Į überprüfen. Man verwendet
dazu ein Messgerät mit einem optoelektronischen Sensor, dessen Ausgangssignal proportional zur Lichtintensität ist.
Versuchsausführung
Für die Messung benutzt man eine Platte aus
geschwärztem Glas, um störende Reflexionen
von der Rückseite zu vermeiden. Diese Platte
wird so auf den Tisch eines Spektrometers
gestellt, dass die Normale der reflektierenden
Fläche senkrecht zur Drehachse steht (O.2.3).
Zur Messung des Polarisationswinkels bringt
man vor dem Spaltrohr ein Polarisationsfilter
an. Ist dessen Durchlassrichtung nicht bekannt, ermittelt man sie zusammen mit dem
Polarisationswinkel in folgender Weise: Zunächst wird bei beliebigem Einfallswinkel
das Bild des Spalts nach Reflexion des Lichts
an der Glasplatte im Fernrohr beobachtet und
4.2 Drehung der Schwingungsebene linear polarisierten Lichts
Aufgabenstellung
1. Die Konzentrationsabhängigkeit einer
Zuckerlösung ist zu untersuchen und das
spezifische Drehvermögen zu ermitteln. Die
Konzentration von weiteren Lösungen derselben Zuckerart ist zu bestimmen.
286 Optik und Atomphysik
4 Polarisation
2. Die Wellenlängenabhängigkeit der spezifischen Drehung eines Quarzplättchen und
einer optisch aktiven Flüssigkeit ist zu messen und graphisch auszuwerten.
3. Es ist die Verdet-Konstante für Wasser
und eine organische Flüssigkeit zu bestimmen.
Die Drehung der Schwingungsebene linear
polarisierten Lichts wird mit dem Polarimeter
(Abb. O.4.2.1) gemessen. Hauptbestandteile
dieses Geräts sind zwei Polarisationsprismen
oder -filter. Das erste Prisma, der Polarisator (P), erzeugt linear polarisiertes Licht; mit
Hilfe des zweiten Prismas, des Analysators (A), lässt sich die Lage der Schwingungsebene feststellen. Stehen die Durchlassrichtungen von Polarisator und Analysator
parallel, ist das Gesichtsfeld des Fernrohrs (F) hell; stehen sie senkrecht aufeinander (gekreuzt), ist es dunkel. Bringt man
zwischen die gekreuzten Polarisationsprismen eine Küvette (K) mit einer optisch aktiven Substanz, wird das Gesichtsfeld aufgehellt, da die Schwingungsebene des Lichts
gedreht wurde. Der Drehwinkel M lässt sich
messen, indem man den Analysator so lange
dreht, bis wieder Dunkelheit herrscht. Dies
ist dann der Fall, wenn der Analysator entweder um M oder um 180q- M gedreht wird, je
nachdem, ob eine rechts- oder linksdrehende
Probe vorliegt. Um zwischen diesen beiden
Fällen zu unterscheiden, muss der Drehsinn
der betreffenden Substanz ermittelt werden.
Verwendet man weißes Licht, werden infolge
der Rotationsdispersion bei rechtsdrehenden
bzw. im mathematisch negativen Sinne drehenden Stoffen die Farbanteile in der Reihenfolge rot - gelb - grün - blau nach rechts gedreht, rot also am schwächsten und blau am
stärksten. Beim Rechtsdrehen des Analysators werden die Farben in der oben genannten
Reihenfolge ausgelöscht, man beobachtet die
Komplementärfarben. Findet man daher beim
Rechtsdrehen die Farbfolge grün - blau - rot gelb, ist der Stoff rechtsdrehend. Entsteht
diese Farbfolge beim Linksdrehen, ist der
Stoff linksdrehend.
Da die Einstellung auf völlige Dunkelheit
schwierig ist, benutzt man für genauere Messungen ein Halbschatten-Polarimeter. Bei
diesem wird durch ein Zusatzprisma (N) oder
auch eine Laurent-Platte (O/2-Quarzplatte)
das Gesichtsfeld in zwei Hälften geteilt.
Bei parallelen Polarisationsprismen bewirkt
das Zusatzprisma eine Verdunklung der einen Hälfte des Gesichtsfelds, wenn seine
Durchlassrichtung schräg zu der des Polarisators steht. Dreht man nun den Analysator,
dass der helle Teil des Gesichtsfelds dunkler
wird, wird die vorher verdunkelte Hälfte
aufgehellt. Dadurch kann man erreichen, dass
bei einer Stellung des Analysators beide Teile gleich hell erscheinen. Bei einer Drehung
um 360 q erscheinen die beiden Gesichtsfeldhälften in zwei Stellungen gleich hell und in
zwei anderen gleich dunkel (vgl. Gesetz von
Malus, O.4.3). Die dunkle Halbschattenstellung ist für das Auge die empfindlichere
Ablesung (Weber-Fechner-Gesetz), sie wird
als Ausgangsstellung für die Messung des
Drehwinkels benutzt.
N
P
K
A
F
Abb. O.4.2.1 Aufbau eines Polarimeters mit Halbschatteneinrichtung (schematisch)
4.3 Polarisationsgrad und Viertelwellenlängenplatte
Versuchsausführung
Das spezifische Drehvermögen wird bei Aufgabe 1 nach Gl. (5) mit einer Lösung bekannter Konzentration unter Verwendung von
monochromatischem Licht ermittelt. Ist [M]
bekannt, kann man über die Messung des
Drehwinkels die Konzentrationsbestimmung
in Zuckerlösungen verschiedener Konzentration bestehend aus der gleichen Zuckerart
durchführen. Da der Drehwinkel mit wachsender Konzentration zunimmt, ergibt sich
auch der Drehsinn der Lösung. Die Schichtdicke d ist bekannt.
Um die Abhängigkeit der spezifischen Drehung von der Wellenlänge zu messen, wird
bei Aufgabe 2 mit Hilfe von Filtern monochromatisches Licht unterschiedlicher Wellenlänge gewonnen. Für jede Wellenlänge
wird der zugehörige Drehwinkel gemessen.
Die Dicke des Quarzplättchens wird am Arbeitsplatz gegeben. Um den optischen Drehsinn festzustellen, verwendet man zweckmäßigerweise weißes Licht. Die spezifische
Drehung wird als Funktion der Wellenlänge
in einem zweifach-logarithmischen Diagramm graphisch dargestellt und der Anstieg
der Ausgleichsgeraden ist zu bestimmen. In
gleicher Weise wird die Messung mit einer
optisch aktiven Flüssigkeit realisiert und
ausgewertet. Zur Messung der VerdetKonstante bei Aufgabe 3 werden die mit den
Testflüssigkeiten gefüllten Messküvetten in
eine Zylinderspule geschoben, in der ein
ausreichend starkes Magnetfeld erzeugt werden kann. Die Spule muss ggf. gekühlt werden. Monochromatisches und linear polarisiertes Licht erhält man nach Filterung (Interferenz- und Polarisationsfilter), paralleles
Licht mit Hilfe einer Kollimatorlinse.
Gemessen wird der Drehwinkel M in Abhängigkeit von der magnetischen Flussdichte B.
Zur Verbesserung der Messgenauigkeit polt
man den Spulenstrom um, misst also bei
wechselnden Richtungen der magnetischen
Feldstärke und erhält dadurch den doppelten
287
Drehwinkel. Die magnetische Flussdichte
innerhalb der Magnetspule wird mit einem
Teslameter gemessen. Um thermische Schäden in der Spule zu vermeiden, sind die am
Arbeitsplatz angegeben maximalen Stromstärken zu beachten. Ein Thermoelement im
Inneren der Spule kontrolliert die Temperatur
in der Umgebung der Messküvette. Die Abhängigkeit M (B) ist graphisch darzustellen
und der Anstieg der Ausgleichsgeraden zu
bestimmen. Damit berechnet man mit Gl. (6)
bei bekannter Schichtdicke d den Wert für
die Verdet-Konstante.
4.3 Polarisationsgrad und Viertelwellenlängenplatte
Aufgabenstellung
1. Für verschiedene Lichtquellen (Diodenlaser, Glühlampe, Atomspektrallampe) ist der
Polarisationsgrad zu bestimmen. Für die
Auswertung ist das Gesetz von Malus zu
verwenden.
2. Mit Hilfe von Reflexions- und Transmissionsmessungen ist abzuschätzen, ob Korrekturen bei der Ermittlung des Polarisationsgrads
der Lichtquellen notwendig sind, die auf die
optischen Eigenschaften des Analysators
zurückzuführen sind.
3. Es ist der Einfluss einer O/4-Platte auf
linear polarisiertes Licht zu untersuchen.
Im Versuch durchläuft das von verschiedenen Quellen (L) emittierte Licht eine Kollimatorlinse (K), eine Blende (B) sowie ggf.
einen Farbfilter zur Erzeugung von monochromatischem Licht und trifft danach auf
einen Linearpolarisator (Analysator A), der
in einer Drehvorrichtung mit Winkelskala
befestigt ist (Abb. O.4.3.1). Der Analysator
lässt das Licht nur in einer bestimmten
Schwingungsebene durch, d. h., der E-Vektor
des Lichts schwingt nach dem Durchgang
durch den Polarisator in einer Schwingungsebene.
288 Optik und Atomphysik
K
B
4 Polarisation
A
D
L
Abb. O.4.3.1 Schema der Versuchsanordnung zur
Messung des Polarisationsgrads von Lichtquellen (L), Kollimatorlinse (K), Lochblende (B),
Analysator (A), Detektor (D)
Die Intensität wird mit einem optoelektronischen Detektor D gemessen. Fällt eine linear
polarisierte elektromagnetische Welle der
Amplitude E0 auf den Analysator und ist
dieser um einen Winkel D gegenüber der
Schwingungsrichtung des Lichts verdreht,
wird vom elektrischen Feldvektor nun nur die
Projektion E0 cos D vom Analysator durchgelassen, d. h., das Licht schwingt parallel
zur Durchlassrichtung des Analysators.
α
E
E=E0 cos α
E0
Abb. O.4.3.2 Zum Gesetz von Malus (Durchlassrichtung des Analysators A rot gepunktet)
Da die Intensität I proportional zum Quadrat
der Amplitude der Schwingung ist, beträgt
die vom Analysator durchgelassene Intensität
bei einem Winkel D zwischen der Durchlassrichtung des Analysators und der Schwingungsebene des linear polarisierten Lichts
I 0 cos 2 (D D 0 ) .
Ip
(7)
Gl. (7) wird auch als das Gesetz von Malus
1
ʌ
ʌ
2
³I
0
cos 2 (M ) dM .
(8)
ʌ
2
Daraus folgt Ip = Ie /2 als Intensität hinter dem
Analysator (Ie Intensität des einfallenden
Lichts). Oft ist es nützlich, den Polarisationsgrad von teilweise polarisiertem Licht zu
kennen, der als Verhältnis der Intensität des
polarisierten Lichts zur Summe der Intensitäten aus unpolarisiertem und polarisiertem
Licht definiert ist. Sind Ip,min und Ip,max die
kleinste bzw. größte Intensität, die in Abhängigkeit vom Drehwinkel D gemessen wird
(Abb. O.4.3.3), kann der Polarisationsgrad P
bestimmt werden:
P
A
I (D )
bezeichnet (Abb. O.4.3.2). Dabei sind I0 die
vom Analysator durchgelassene maximale
Intensität und D0 ein Korrekturwinkel, sofern
die mit dem Analysator verbundene Winkelskala eine Korrektur in Bezug auf das Maximum der Intensität erfordert (I (D0 ) = I0).
Licht braucht jedoch nicht vollständig polarisiert zu sein. Unter der Annahme, dass im
natürlichen Licht alle Schwingungsebenen
statistisch verteilt sind, folgt nach Gl. (7) und
der Integration über alle Schwingungsebenen
die Gleichung
I p,max I p,min
I p, max I p, min
.
(9)
Reale Polarisatoren werden infolge von Absorptions- und Streueffekten sowie Reflexionen an den Grenzflächen die Amplitude von
natürlichem Licht um mehr als die Hälfte
abschwächen. Diese Einflüsse können u. a.
durch Messung des Reflexionsgrads der
Oberfläche sowie des Transmissionsgrads für
natürliches und linear polarisiertes Licht
abgeschätzt und bei der Berechnung des Polarisationsgrads berücksichtigt werden. Der
Anteil des reflektierten Lichts kann bei den
im Versuch verwendeten Linearpolarisatoren
vernachlässigt werden.
4.3 Polarisationsgrad und Viertelwellenlängenplatte
289
I
Ip,max
E
E
α
E
Ip,min
0
α
Abb. O.4.3.3 Intensität I in Abhängigkeit vom
Winkel D zwischen Linearpolarisator und der
Schwingungsebene von nicht vollständig linear
polarisiertem Licht (schematisch)
Eine Viertelwellenlängenplatte (Ȝ/4-Platte) ist
ein spezielles optisches Gerät, das Licht in
einer Richtung um ein Viertel der Wellenlänge (oder –ʌ/2 bzw. ʌ/2) gegen die dazu senkrechte Richtung verzögert. Damit kann aus
linear polarisiertem Licht zirkular oder elliptisch polarisiertes Licht und aus zirkular polarisiertem Licht wieder linear polarisiertes
Licht erzeugt werden. Bei einer optischen
Wellenplatte (-folie) handelt es sich um eine
dünne Schicht eines optisch an-isotropem
Materials, also ein Material, das für unterschiedlich polarisiertes Licht verschiedene
Ausbreitungsgeschwindigkeiten (bzw. verschiedene Brechzahlen) in verschiedenen
Richtungen aufweist. Beim Eintritt von polarisiertem Licht in einen einachsig optischen
Kristall findet eine Zerlegung der elektrischen Feldkomponenten in einen Feldvektor
parallel und einen Feldvektor senkrecht zur
optischen Achse statt (Abb. O.4.3.4). Die den
Feldkomponenten entsprechenden Geschwindigkeiten v& und vA stehen in Beziehung zu dem außerordentlichen (extraordinären, Index e) bzw. zu dem ordentlichen Strahl
(Index o) sowie deren Brechzahlen (Hauptbrechungsindizes):
ne
c0
, no
v&
c0
.
vA
(10)
Abb. O.4.3.4 Zerlegung linear polarisierten
Lichts in zwei senkrecht zueinander schwingende
Anteile E& E cos D , E A E sin D
Dabei ist c0 die Lichtgeschwindigkeit im
Vakuum. Die Differenz zwischen den Brechzahlen ne und no ( 'n ne no ) ist ein Maß
für die Doppelbrechung und bestimmt deren
optischen Charakter, d. h., ob der Kristall
optisch negativ oder positiv einachsig ist.
Bei optisch positiv einachsigen Kristallen,
beispielsweise Quarz (kristallines Siliziumdioxid, 'n ! 0 ), ist vA > v& , d. h., die ordentliche Welle bewegt sich schneller als die außerordentliche Welle. Im Beispiel des Kalkspats als Vertreter eines optisch negativ einachsigen Kristalls ist v& größer als vA .
Nach dem Durchlaufen der Kristallplatte
entsteht eine Phasenverschiebung von
'M
2ʌ
O
d (ne no )
(11)
zwischen den beiden Komponenten der Welle. Dabei ist d die geometrische Dicke des
Plättchens und Ȝ die Wellenlänge des eingestrahlten Lichts. Die beiden Strahlen (Wellenanteile) überlagern sich hinter dem Kristall im austretenden Licht. Dadurch entsteht
eine neue Polarisation des Lichts (Frequenz
und Wellenlänge bleiben erhalten). Eine derartige Wellenplatte ist also immer nur für
eine bestimmte Wellenlänge angefertigt,
wobei die Größe der Phasenverschiebung 'M
290 Optik und Atomphysik
4 Polarisation
durch die Dicke d der Platte bestimmt wird.
Je nach den Amplituden von ordentlichem
und außerordentlichem Strahl erhält man
linear polarisiertes (ein Strahl hat die Amplitude null), elliptisch oder zirkular polarisiertes Licht (beide Strahlen haben die gleiche
Amplitude). Das Verhältnis der Amplituden
der beiden Strahlen kann durch verschiedene
Winkeleinstellungen der optischen Achse der
O/4-Platte zum auftreffenden linear polarisierten Licht verändert werden.
Statt einer O/4-Platte wird im Versuch eine
O/4-Folie verwendet. Diese Verzögerungsfolien sind farblose Klarfolien, in die entweder
dichroidische Moleküle eingebettet sind oder
die aus speziell präparierten Polymerfolien
bestehen. Dadurch kommt es zur Entstehung
von zwei sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausbreitende Wellen, die
senkrecht zueinander linear polarisiert sind.
Die Phasendifferenz zwischen den beiden
Wellenanteilen hängt von der Dicke der Folie
ab. Viertelwellenlängen-Folien können in der
Regel im Wellenlängenbereich von 480 nm
bis 640 nm verwendet werden.
Zum Nachweis der Polarisationsrichtung
nach dem Durchgang des linear polarisierten
Lichts durch die O/4-Folie dient wie im Falle
der Messungen zur Bestimmung des Polarisationsgrads ein Linearanalysator, dessen
Durchlassrichtung gegen die ursprüngliche
Schwingungsrichtung um den Winkel D
drehbar ist. Für die Intensität I = I (D) hinter
dem Analysator ergibt sich mit dem Parameter T (Winkel zwischen E-Vektor des linear
polarisierten Lichts und der optischen Achse
der O/4-Folie) die Beziehung
I (D )
E02
[cos 2T cos 2 (D T )
2
sin 2T sin 2 (D T )] .
(12)
Gl. (12) kann durch Vektorzerlegung begründet werden. Durch weitere Umformungen
erhält man die Gleichung
I (D )
I0
[1 cos 2T cos 2(T D )] . (13)
2
Versuchsausführung
In Aufgabe 1 ist für verschiedene Lichtquellen die Abhängigkeit der von einem Analysator durchgelassenen Intensität vom Drehwinkel D zu bestimmen. Dazu wird mit einem
optoelektronischen Detektor (Photodiode,
optisches Leistungsmessgerät) die Intensität I
in Abhängigkeit vom Winkel D in Abständen
von etwa 10° über einen Winkelbereich von
180° gemessen und graphisch dargestellt. Mit
Hilfe des Gesetzes von Malus nach Gl. (7) ist
mittels nichtlinearer Regression eine rechnerische Anpassung an den Kurvenverlauf vorzunehmen. Die Ergebnisse der Anpassung
sind mit den entsprechenden experimentellen
Werten unter Berücksichtigung der Standardabweichungen zu vergleichen.
Bei Aufgabe 2 erfolgt die Bestimmung des
Transmissionsgrads des Analysators mit natürlichem und teilweise linear polarisiertem
sowie monochromatischem Licht. Mit Hilfe
eines dem Analysator analogen Polarisators
wird das Licht zunächst so linear polarisiert,
dass maximale Intensität hinter dem Polarisator gemessen wird. Danach stellt man den
Analysator zwischen den Polarisator und den
Detektor, wobei die Polarisator- und die Analysatorrichtungen parallel zueinander sind.
Aus der Differenz der Intensitäten kann der
Anteil der durch den Analysator absorbierten
Intensität bestimmt werden.
Mit Hilfe des Gesetzes von Malus und unter
Berücksichtigung der Absorption sowie der
Abschwächung des nicht polarisierten Anteils ist für jede Lichtquelle der korrigierte
Polarisationsgrad Pkorr zu ermitteln:
Pkorr
I max, korr I min, korr
I max, korr I min, korr
.
(14)
Dabei entsprechen Imax,korr und Imin,korr den
5.0 Grundlagen
291
korrigierten Werten der maximalen bzw.
minimalen Intensität. In Aufgabe 3 stellt man
zwischen die Blende und den Analysator
(Abb. O.4.3.1) einen Linearpolarisator zur
Erzeugung linear polarisierten Lichts und
dahinter stellt man die O/4-Folie auf, deren
Durchlassrichtung markiert ist. Eine Halterung verfügt über eine Winkelskala und ermöglicht die Drehung der Platte zur Einstellung des Winkels T .
5 Ionisierende Strahlung
90
1
I (α) / I0
5.0 Grundlagen
(1)
(2)
(3)
0 180
0
α
1
neten Graphen dargestellt werden. Die im
Polardiagramm dargestellten Graphen sowie
Abweichungen zwischen den experimentellen und den berechneten Werten sind zu diskutieren (z. B. im Hinblick auf die exakte
Erzeugung linear polarisierten Lichts und die
korrekte Winkeleinstellung der Viertelwellenlängenplatte).
270
Abb. O.4.3.5 Polardiagrammdarstellung der mit
Gl. (13) berechneten, normierten Lichtintensitäten
hinter dem Analysator in Abhängigkeit des Winkels D bei drei verschiedenen Winkeleinstellungen der O/4-Platte (1: T = 0, 2: T = 45°, 3: T = 30°)
Die Intensität des den Analysator passierenden Lichts soll in Abhängigkeit von der Analysatorstellung (Winkel D) bei drei verschiedenen Einstellungen für den Winkel T
(T = 0, 30° und 45°, T Winkel zwischen der
Polarisationsrichtung des Linearpolarisators
und der Durchlassrichtung der O/4-Folie) mit
einem optoelektronischen Detektor gemessen
werden. Dazu dreht man den Analysator von
D = 0 über D = 180° bis D = 360° im mathematisch positiven Sinn und ermittelt alle 10°
die Intensität. Die normierten Intensitäten I/I0
sollen in zwei verschiedenen Diagrammen
graphisch dargestellt werden, in kartesischen
Koordinaten in Analogie zu Abb. O.4.3.3
und in Polarkoordinaten (Abb. O.4.3.5). In
letzteres sollen auch die mit Gl. (13) berech-
Ionisierende Strahlung tritt in geringer Dosis
als natürliche Strahlenbelastung auf. Diese
besteht unter anderem aus der kosmischen
Strahlung, die auf der Erdoberfläche trotz
atmosphärischer Schichten noch vorhanden
ist, und der Strahlung radioaktiver Stoffe, die
natürlich in der Erdkruste und Atmosphäre
vorkommen. Dazu zählen z. B. die radioaktiven Isotope der lebenswichtigen Elemente
Kohlenstoff und Kalium. Die kosmische
Strahlung besteht hauptsächlich aus schnellen
geladenen Teilchen, die Sekundärstrahlung
durch Wechselwirkung mit der Atmosphäre
gelangt bis zur Erdoberfläche und ist verantwortlich z. B. für die Strahlungsbelastung
beim Flugverkehr. Die Strahlung der Sonne
enthält einen hohen Anteil an Ultraviolett.
UV-B wird fast vollständig absorbiert und
führt u. a. zu Sonnenbrand, UV-C wird vollständig in der Atmosphäre absorbiert und
führt durch Auftrennen des molekularen Sauerstoffs zur Ozonschicht. Teilchenstrahlung
führt zu Polarlichtern.
Radiometrie umfasst ursprünglich den Nachweis und die Analyse der primären Korpuskular- und Quantenstrahlung bei der
Atomkernumwandlung sowie die mit der
Röntgendosimetrie verbundenen messtechnischen Aufgaben. Eine durch Protonen- (Z)
und Neutronen- (N) bzw. Massenzahl (A),
(A = Z + N) gekennzeichnete Atomart heißt
Nuklid (siehe Anhang A.5). Es gibt natürli-
292 Optik und Atomphysik
5 Ionisierende Strahlung
che und künstliche Radionuklide und man
unterscheidet heute noch drei natürliche Zerfallsreihen, in die sich etwa 30 bis 40 Nuklide einordnen lassen (A.5-Abb. A.5.1).
Am Ende dieser radioaktiven Zerfallsreihen
stehen jeweils stabile Bleiisotope. Beispielsweise koexistieren in einem Stück Uranerz
alle Mitglieder der zwei Reihen 238Uran und
235
Uran. Die Zahl der Uranatome nimmt dabei ständig ab und die Zahl der Bleiatome
ständig zu. Für alle Zwischenglieder der Reihe hat sich im Laufe der Zeit ein (so genanntes radioaktives) Gleichgewicht herausgebildet, bei dem pro Zeiteinheit genau soviel
Atome eines solchen Nuklids zerfallen, wie
von der Muttersubstanz durch Zerfall nachgeliefert werden. Arten und Energie der
Strahlung eines radioaktiven Stoffes können
aus dem Zerfallsschema des betreffenden
Nuklids abgeleitet werden. Bildet das Nuklid
beim Zerfall radioaktive Tochtersubstanzen,
müssen auch deren Strahlungen berücksichtigt werden. Dieser Fall ist immer dann gegeben, wenn die Halbwertszeiten der Folgeprodukte mit dem Alter des Präparates vergleichbar sind.
Bestimmungen oder sind so abgeschirmt und
nicht direkt zugänglich, dass sie keine Gefahr
darstellen, wenn die Arbeitsvorschriften konsequent eingehalten werden. Man unterscheidet zwischen Partikel- und Quantenstrahlung.
5.0.1 Wechselwirkung von Strahlung
und Stoff
Quantenstrahlung:
Die J-Strahlung ist eine elektromagnetische
Welle, die nur in Verbindung mit einem Doder E-Prozess auftritt. Sie besitzt als Folge
angeregter Kernniveaus eine diskrete, vom
jeweiligen Radionuklid abhängende Energieverteilung im Bereich von etwa 0,1 MeV bis
3 MeV und durchdringt unter Umständen
noch einige Dezimeter dicke Stoffe. Die Intensität elektromagnetischer Strahlung nimmt
quadratisch mit der Entfernung von der
Strahlungsquelle ab. Theoretisch ist ihre
Reichweite deshalb unendlich groß; praktisch
kann man sich mittels ausreichend dicker
Blei- oder Eisenabschirmung schützen.
Röntgenstrahlung ist der J-Strahlung wesensgleich, ihre Photonen sind energieärmer.
Sie entsteht bei Übergängen der Hüllenelekt-
Bei der Wechselwirkung von ionisierender
Strahlung mit Stoffen werden physikalische,
chemische und biologische Veränderungen
beobachtet, die von der Strahlenart und vom
bestrahlten Stoff abhängen. Hier interessieren
solche primären und sekundären Prozesse,
die in radiometrischen Detektoren ausgenutzt
werden, und der biologische Einfluss der
Strahlen insofern, als er zu erheblichen irreversiblen Schädigungen biologischer Objekte
führen kann. Deshalb müssen beim Umgang
mit derartigen Strahlungsquellen die jeweiligen Strahlenschutzvorschriften streng beachtet werden. Die im Praktikum verwendeten
Quellen unterliegen entweder aufgrund ihrer
geringfügigen Strahlung keinen besonderen
Partikel- bzw. Teilchenstrahlung:
Die Partikel der D-Strahlung sind 42 He -Kerne
mit diskretem Energiespektrum bei einer vom
jeweiligen Radionuklid abhängenden Energie
zwischen 2 MeV und 10,5 MeV. Sie werden
schon von sehr dünnen Metall- und Kunststofffolien vollständig absorbiert. Selbst in
Luft beträgt die Reichweite nur einige cm.
Die E+-(Positronen-) und E--(Elektronen-)
Strahlungen besitzen kontinuierliche Energiespektren mit einer von der Strahlungsquelle abhängenden Maximalenergie zwischen
18 keV und 5 MeV. Der E-Prozess ist aus
Gründen verschiedener Erhaltungssätze, wie
z. B. der Energie- und Impulserhaltung, stets
von einer Neutrinoemission begleitet. Das
Neutrino ist ein ganz spezielles Elementarteilchen, welches hier nicht näher betrachtet
werden soll. Die E-Strahlung ist in der Lage,
dünne Folien (bis zum mm-Bereich) zu
durchdringen.
5.0 Grundlagen
ronen zwischen kernnahen Energieniveaus
entweder als Folge einer Kernreaktion (Elektronen-Einfang) oder durch Beschuss der
Stoffe mit Elektronen-, Ionen- oder Quantenstrahlungen entsprechender Energie. Diese
für den emittierenden Stoff „charakteristische“ Röntgenstrahlung besitzt ein diskretes
Energiespektrum im Gegensatz zur so genannten „Bremsstrahlung“.
Im Ergebnis einer elektrostatischen Wechselwirkung mit der Elektronenhülle von
Atomen gasförmiger, flüssiger oder fester
Stoffe werden die zuvor genannten Strahlungen gestreut und (oder) absorbiert. Kernstöße
oder Kernreaktionen sind unter normalen
Bedingungen selten. Bei der Wechselwirkung mit Stoffen zerlegen die Į- und ȕStrahlen die von ihnen getroffenen Atome in
ein Ladungsträgerpaar aus positivem Ion und
Elektron (direkte Ionisation). In Stoffen mit
molekularem Aufbau werden auch negative
Ionen beobachtet. Bei jedem Stoß erleiden
die Partikel der Strahlung einen Energieverlust in der Größenordnung von 10 eV, so
dass bis zur Abbremsung auf thermische
Energien eine große Anzahl von Stößen erforderlich ist. Die Zahl der Ladungsträgerpaare ist der Partikelenergie proportional und
ermöglicht daher eine Energiebestimmung.
Die Quanten der elektromagnetischen Strahlung geben bei der Wechselwirkung mit Stoffen ihre gesamte Energie oder einen erheblichen Teil davon auf einmal ab. Da diese
Wechselwirkungsprozesse im Vergleich zu
den Į- oder ȕ-Stößen weniger wahrscheinlich
sind (kleinerer „Wirkungsquerschnitt“), sind
Ȗ- und Röntgenstrahlen durchdringungsfähiger als Teilchenstrahlen. Bei der Wechselwirkung von Quanten mit Stoffen entstehen
erst geladene Teilchen, die ihrerseits Ionenpaare erzeugen und so beispielsweise den
Nachweis der J-Quanten ermöglichen (indirekte Ionisation). Bei der Wechselwirkung
von J-Strahlung mit Materie werden hauptsächlich drei Prozesse beobachtet:
293
1. Photoeffekt (O.6.3.1): Ein Quant (Photon)
wird vollständig absorbiert und befreit ein
Elektron, das die um die Ablösearbeit verminderte, aber dennoch große Energie des
Photons besitzt. Der Wirkungsquerschnitt für
J-Quanten ist dabei V a Z 5 (Z Kernladungszahl des Absorbers). Energien im Bereich des
Ultravioletten sind ausreichend.
2. Compton-Effekt (O.5.3): Bei höheren
Energien überträgt ein J-Quant beim Stoß nur
einen Teil seiner Energie auf ein quasifreies
Elektron. Dabei stellen sich eine typische
vom Streuwinkel abhängende Verteilung der
Elektronen- und Photonenenergie und eine
entsprechende richtungsabhängige Änderung
der Wellenlänge der elektromagnetischen
Strahlung ein. Der Wirkungsquerschnitt bei
der Compton-Streuung ist V ~ Z.
3. Paarbildung: Bei einer Quantenenergie
EJ > 1,02 MeV können Elektron-PositronPaare erzeugt werden, die ihrerseits ihre Umgebung ionisieren und dadurch ihre kinetische Energie verlieren. Das Positron zerstrahlt zusammen mit einem Elektron und
bildet dabei zwei J-Quanten zu je 0,51 MeV,
die einen Photoeffekt auslösen können. Der
Wirkungsquerschnitt bei der Paarbildung ist
V ~ Z 2. Ionisierende Strahlen können außerdem Hüllenelektronen bestimmter Stoffe
anregen und strahlende Übergänge erzeugen
(Lumineszenz).
5.0.2 Strahlungsdetektoren
In radiometrischen Detektoren wird die Energie der Strahlung durch die zuvor behandelten Wechselwirkungen mit dem Detektormedium in Signale umgewandelt, die es ermöglichen, Partikel im klassischen Sinne sowie
Photonen als Quanten der elektromagnetischen Strahlung zu zählen, ihre Energie und
die Energieverteilung zu bestimmen, die
Partikelspuren und die räumliche Verteilung
der Bahnen aufzunehmen sowie die Intensität
der Strahlung zu messen.
294 Optik und Atomphysik
5 Ionisierende Strahlung
In Tabelle O.5.1 sind die in der Labor- und
Betriebsmesstechnik üblicherweise verwendeten Detektoren und einige wichtige charakteristische Parameter aufgeführt, die ihre
Einsatzgebiete vorwiegend bestimmen. Zählrohr und Ionisationskammer sind mit einem
Zylinderkondensator zu vergleichen, dessen
Dielektrikum vom Detektorgas gebildet wird
und an dem eine Spannung im kV-Bereich
liegt. Der Gasdruck ist so bemessen, dass die
mittlere freie Weglänge der Gasmoleküle
klein gegenüber den Abmessungen des Detektors ist. Eine in das Detektorvolumen eindringende Strahlung ionisiert das Gas, die
positiven Ionen und Elektronen wandern
infolge der elektrischen Feldkraft in entgegengesetzte Richtungen zu den Elektroden.
Unterwegs rekombiniert ein Teil der Ladungsträgerpaare. Bei genügend hoher Spannung ist dies jedoch kaum noch möglich, so
dass sich ein Sättigungsstrom Is im Detektor
einstellt (Abb. O.5.0.1). Dessen Größe ist der
Zahl der Ionenpaare proportional.
Unter solchen Bedingungen arbeitet beispielsweise eine in Abb. O.5.0.2 schematisch
dargestellte Ionisationskammer. Der Ionisationsstrom I wird entweder über einen geeigneten Gleichstromverstärker gemessen oder
mit einem empfindlichen Elektrometer bestimmt, das durch diesen entweder aufgeladen (Auflademethode) oder entladen (Entlademethode) wird (Abb. O.5.0.2).
I
Ionisationskammer
Zählrohr
unge- gesättigt Proportional- Auslösesättigt
bereich
α
Is
β
Is
U
Abb. O.5.0.1 Arbeitsbereiche von Gas-Ionisationsdetektoren (schematisch)
Tabelle O.5.1 Eigenschaften ausgewählter Detektoren
Typ
Ionisationskammer
Proportionalzählrohr
Auslösezählrohr, GMZ2)
Halbleiterdetektor
Szintillationszähler
Nebelkammer
1)
2)
Detektormedium
Raumauflösung
mm
Energieauflösung
%
Totzeit1)
s
gasförmig
Nachweisbare
Strahlenarten
Į, ȕ, Ȗ
gasförmig
1 ... 10
1 ... 10
| 10-6
Į, ȕ
gasförmig
1 ... 10
-
10-4... 10-3
Į, ȕ, Ȗ
fest
1… 2
0,2 … 0,3
> 10
5 … 10
gasförmig
flüssig
fest
gasförmig
+ H2O
1
Į, ȕ, Ȗ
< 10-6
Į, ȕ, Ȗ
> 10
Į, ȕ
Zeitspanne, während der Detektor nach der Erfassung eines Ereignisses nicht anspricht.
GMZ Geiger Müller-Zählrohre
5.0 Grundlagen
295
Der Grad der Ionisation des „Zählgases“ und
der Strom I in der Ionisationskammer sind
der Intensität I * (Dimension: Leistung pro
Fläche) der einfallenden Strahlung bzw. auch
der Aktivität A der Strahlungsquelle (Zahl
der Zerfälle / pro Zeiteinheit) direkt und der
Auf- bzw. Entladezeit 't des Elektrometers
umgekehrt proportional:
1
I ~ I , I ~
.
(1)
't
Eine Erhöhung der Spannung der Ionisationskammer über den Sättigungsbereich hinaus (Abb. O.5.0.1) führt zu einer „Gasverstärkung“, indem die primär erzeugten Elektronen zwischen zwei Zusammenstößen so
viel kinetische Energie gewinnen, dass sie
ihre Stoßpartner ionisieren (Stoßionisation).
In einem gewissen Spannungsbereich ist die
Anzahl der sekundär durch Stoß erzeugten
Ionen der Anzahl der Primärionisationen
proportional. In diesem Bereich arbeiten
Proportionalzählrohre.
a)
b)
IK
UH
–
+
S
IK
über einen Verstärker dem Impulszähler (IZ)
zugeführt wird (Auslöse- bzw. GeigerMüller-Zählrohr). Das Löschen kann statt
durch einen hohen Widerstand auch durch
den Zusatz eines „Löschgases“ (z. B. von
Alkoholen) erreicht werden, dessen Moleküle
die Energie der Ionen lediglich als Rotationsund Schwingungsenergie übernehmen und
dadurch Dauerentladungen verhindern
(selbstlöschendes Zählrohr). Eine weitere
Steigerung der Spannung bewirkt eine die
Zählrohre gefährdende Dauerentladung.
C
R
A
IZ
K
U
+
Abb. O.5.0.3 Prinzipschaltung für den Betrieb
eines Zählrohrs (K Zählrohrmantel - als Kathode
geschaltet; A Zähldraht - als Anode geschaltet,
IZ Impulszähler)
S
E
+
UH
–
E
Abb. O.5.0.2 Schaltung von Ionisationskammer IK und Elektrometer E, a) Auflademethode,
b) Entlademethode
Wird eine für jede Anordnung und Gasfüllung charakteristische Spannung, die so genannte Geiger-Schwelle (vgl. Abb. O.5.1.1),
überschritten, wächst die Zahl der Ionen unabhängig von der Größe der primären Ionisation sprunghaft an. Der so fließende Strom
erzeugt über dem Widerstand R einen Spannungsabfall (Abb. O.5.0.3), so dass die Spannung am Zählrohr unter den Wert von UG
sinkt und die Entladung erlischt. Es entsteht
dadurch ein zeitlich begrenzter Impuls, der
über den Kondensator C ausgekoppelt und
Die Ladungsmenge, die durch ein Primärereignis in einem Proportionalzählrohr erzeugt
wird, ist durch Art und Energie des auslösenden Teilchens bestimmt. Mit Proportionalzählrohren können daher Energieverteilungen
mit ausreichendem Auflösungsvermögen
aufgenommen werden. Beim Auslösezählrohr bestimmen die Betriebsspannung und
die Zählrohrgeometrie die Ladungsmenge. Es
dient daher der Impulszählung.
J-Quanten lassen sich im Prinzip durch Detektormedien von hoher Ordnungszahl und
größerer Dichte besser nachweisen. Dem
kommen Halbleiterdetektoren (Si, Ge) entgegen, die eine Art Festkörperionisationszähler
mit kleinem Volumen darstellen. Der pnÜbergang ist in Sperrrichtung geschalten (die
Spannung beträgt größenordnungsmäßig
50 V). Dadurch bildet sich im pn-Über-
296 Optik und Atomphysik
5 Ionisierende Strahlung
gangsgebiet eine an Ladungsträgern verarmte
Raumladungszone aus, die das empfindliche
Detektorvolumen darstellt (Abb. O.5.0.4).
Eine ionisierende Strahlung erzeugt auf ihrem Weg durch die „Zähldiode“ ElektronenLöcher-Paare, die im p- und n-Gebiet rekombinieren, in der Grenzschicht aber getrennt
werden und so einen Stromimpuls erzeugen.
Seine Höhe ist der Energie der ionisierenden
Strahlung proportional.
pn - Grenzschicht
1,0 μm
100–1000 μm
+
n
p
- ++
+ - - +
+
- +
- + + - +
+
xn
xp
Eγ= h f
Ra
U
Raumladungszone
Abb. O.5.0.4 Prinzip eines Festkörperdetektors
mit pn-Übergang, xn und xp stellen die Schichtdicken der Verarmungsgebiete im n- und p-Gebiet
dar (E.5.0.2)
Das Energieauflösungsvermögen dieser Detektoren ist sehr gut. Sie erfordern nur etwa
3 eV Ionisationsenergie/Ionenpaar, besitzen
aber einen starken Rauschuntergrund, so dass
sie in der Regel bei tiefen Temperaturen betrieben werden müssen.
Abb. O.5.0.5 zeigt den prinzipiellen Aufbau
eines Szintillationszählers. Die ionisierende
Strahlung erzeugt in einem Gas, einer Flüssigkeit oder in einem Festkörper Szintillationen (Lichtblitze), die in der Photokathode
eines angekoppelten Sekundärelektronenvervielfachers (SEV) Elektronen auslösen. Der
Elektronenstrom wird in dem mehrstufigen
Dynodensystem verstärkt (Abb. O.5.0.5). Die
Anordnung ermöglicht je nach Betriebsbedingungen Teilchenzählungen oder Energiemessungen.
S PK
D1
D3
D2
D4
D5 A
SEV
R1
R2
R3
R4
R5
R6
R
-U
Abb. O.5.0.5 Szintillationszähler (schematisch),
S Szintillatorkristall, PK Photokathode, SEV Sekundärelektronenvervielfacher, D1,..., D5 Dynoden, A Anode, R1,..., R6 Spannungsteiler
Nebelkammern dienen zur Sichtbarmachung
der Bahnen hochenergetischer geladener
Teilchen. Man nutzt dabei aus, dass die von
den Teilchen erzeugten Ionen als Kondensationskerne bei der Bildung von Nebeltröpfchen aus übersättigten Dämpfen dienen können. Die Übersättigung kann durch adiabatische Expansion (Wilson-Kammer) oder
durch Diffusion erzeugt werden.
5.0.3. Radioaktive Umwandlung
Die radioaktive Umwandlung eines Nuklids
ist ein statistischer Prozess. Es lässt sich nicht
vorhersagen, wann welcher Kern zerfallen
wird, sondern nur, dass in einer bestimmten
Zeit im Mittel stoffspezifisch immer der gleiche Bruchteil der vorhandenen Kerne sich
umwandeln wird. Man definiert als Aktivität
A die Anzahl der Umwandlungen dN* im
Zeitintervall dt
A d N *(t )
O N * t .
dt
(2)
Die Einheit der Aktivität ist das Becquerel (Bq), nach Antoine Becquerel genannt,
dabei entspricht 1 Bq einer Kernumwandlung
pro Sekunde. Als spezifische Aktivität bezeichnet man das Verhältnis der Aktivität zur
Masse der Probe. Die Integration von Gl. (2)
führt zum bekannten Gesetz der radioaktiven
Umwandlung:
N * t N 0* e O t .
(3)
5.1 Messungen mit dem Geiger-Müller-Zählrohr
297
N0* ist die Zahl der Ausgangskerne einer
radioaktiven Nuklidsorte für t = 0, N*(t) ist
die Zahl der zum Zeitpunkt t noch nicht umgewandelten Kerne. Nach der Halbwertszeit
T1/2 hat die Aktivität definitionsgemäß um die
Hälfte abgenommen. Für die materialspezifische Umwandlungskonstante Ȝ folgt
Verseuchung der Messanordnung und der
Umgebung verursacht, ist somit nicht vermeidbar und daher stets vom Messergebnis
als Korrektion (Einführung 3.1) abzuziehen.
In einem gewissen Bereich der Zählrohrcharakteristik (Abb. O.5.1.1), dem Arbeitsbereich oder Plateau, ist die Zählrate nahezu
unabhängig von der Spannung.
ln 2
.
T1/2
(4)
N
Geigerschwelle
Arbeitsbereich
5.1 Messungen mit dem GeigerMüller-Zählrohr
Aufgabenstellung
1. Es ist die Zählrohrcharakteristik eines
Geiger-Müller-Zählrohrs aufzunehmen. Die
Einsatz- und Arbeitsspannung sowie die
Mindestplateaulänge und die Plateausteigung
sind anzugeben.
2. Die Kalibrierkurve eines Flüssigkeitszählrohrs mit Kaliumlösungen bekannter Konzentrationen ist aufzustellen. Damit soll die
unbekannte Konzentration in einer Kaliumlösung bestimmt werden.
3. Es ist die Aktivität eines ThalliumPräparats (204Tl) abzuschätzen.
4. Die Ansprechwahrscheinlichkeit des Zählrohrs für Ȗ-Strahlung ist zu ermitteln.
Die Messergebnisse von (Partikel-) Zählungen werden als (zeitliche) Impulsdichte oder
Zähl- bzw. Impulsrate N angegeben. Definitionsgemäß ist dies die auf das Messintervall
' t bezogene Anzahl m der Impulse:
N
m
't
.
(5)
Ihre Einheit ist s-1 oder min-1.
Der Nulleffekt N c = m c/ǻ t c ist diejenige
Zählrate, die auch bei Abwesenheit eines
Messobjekts beobachtet wird. Er wird durch
Höhenstrahlung sowie natürlich radioaktive
Länge des Plateaus
Arbeitspunkt
Dauerentladung
O
ΔN
UG
UA
U
Abb. O.5.1.1 Zählrohrcharakteristik N = f (U),
N Zählrate, UG Spannung in Bezug auf die Geiger-Schwelle, UG Spannung am Arbeitspunkt,
U Zählrohrspannung, 'N =N2 – N1 (vgl. Text)
Die Plateaulänge soll bei guten Zählrohren
etwa 200 V betragen und die Plateausteigung
5 % nicht überschreiten. Die Steigung wird
für den Arbeitspunkt angegeben. Dieser liegt
etwa 100 V über der Geiger-Schwelle oder
50 V über dem Anfang des Plateaus. Sind N
die Impulsrate im Arbeitspunkt, N1 und N2
die Impulsraten bei um 50 V geringerer und
höherer Spannung, beträgt die vereinbarungsgemäß auf 100 V bezogene und daher
in der Einheit % / V angegebene Steigung des
Plateaus im Arbeitspunkt
S
N 2 N1
100 % / 100 V .
N
(6)
Die Empfindlichkeit der Stabzählrohre
nimmt nach dem Ende hin ab (Feldverzerrungen, Ausdiffundieren von Ladungen aus
298 Optik und Atomphysik
5 Ionisierende Strahlung
dem aktiven Volumen). Ähnliche Erscheinungen treten auch in Randpartien von Stirnfenster- und Glockenzählrohren auf. Die
Längs- und Querempfindlichkeit der Zählrohre lassen sich durch Scannen mit einem
scharf ausgeblendeten Strahl nachweisen.
Eine Alterung dieser Zählrohre erkennt man
daran, dass das Plateau kürzer und steiler
sowie der Arbeitspunkt nach höheren Spannungen verschoben wird.
Fehlerquellen bei Zählrohrmessungen sind
(a) Absorption der Strahlung im Präparat und
im Zählrohrmantel, (b) Rückstreuung der
Strahlen am Präparatträger, (c) Koinzidenzfehler, d. h., ein Quant oder Teilchen kann
mit einem anderen koinzidieren oder in die
durch den vorangegangenen Zählvorgang
verursachte „Totzeit“ des Zählrohrs fallen
sowie (d) Verteilungsfehler infolge zeitlich
schwankender Intensität der Strahlung und
des „Hintergrunds“ (Nulleffekt).
Die Impulszahl ist eine mit der PoissonVerteilung beschreibbare Zufallsgröße (Einführung 4.2). Für hinreichend lange Messzeiten und bei genügend hoher Zählrate kann
auch mit einer Normalverteilung gerechnet
werden. Die Grenzen, innerhalb derer der
Mittelwert einer Messreihe mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 68 % anzunehmen ist,
sind durch die mittlere zufällige Abweichung G festgelegt:
G
m .
(7)
Die Messunsicherheit der Zählrate beträgt
uN G
't
m
,
't
(8)
bzw. die relative Messunsicherheit
uN N
m
m
1
m
.
(9)
Bei kleiner Impulsrate ist daher im Interesse
einer möglichst hohen Genauigkeit das Messintervall ǻt groß zu wählen. Die Messunsi-
cherheit für die Zählrate des Nulleffekts N c
ergibt sich analog, und für die Messunsicherheit der Nettozählrate u(NN) = N – N c folgt
damit (Einführung 3.2.2)
u NN 2
2
§ m · § mc ·
¨ ¸ ¨
¸ .
© 't ¹ © 't c ¹
(10)
Darin sind m' und m die Anzahl der im Zeitintervall ǻt' bzw. ǻt gemessenen (Nulleffekt-) Impulse. Der Nulleffekt sollte möglichst klein und hinreichend genau bekannt
sein.
Kalium ist ein in der Natur häufig vorkommendes Element. Die Isotopenzusammensetzung des Kaliums und seiner Verbindungen
ist konstant und unabhängig von dessen Her40
kunft. Das instabile 19 K- Nuklid tritt mit
einem Anteil von 0,0117 % im natürlichen
Kalium auf und besitzt eine Halbwertszeit
von 1,277˜109 Jahren. Es wandelt sich unter
Aussendung von E -Strahlung ( 40
19 K (- , ȕ ))
in
40
20
Ca (etwa 89,3 % aller Zerfälle) bzw.
durch Elektroneneinfang ( 40
19 K (e , Ȗ)) in
48
18
Ar um. Im letzteren Fall kann begleitend
J-Strahlung auftreten, wenn zuvor ein angeregter Kern entsteht.
Versuchsausführung
Nach einem Vorversuch, bei dem man sich
mit der Messapparatur vertraut macht, wird
nach den Gln. (7) bis (9) die relative Unsicherheit festgelegt, die bei jeder Einzelmessung nicht überschritten werden soll. Die
Messunsicherheit sollte so bemessen werden,
dass die Messzeit je Messpunkt vertretbar ist.
Es wird daher empfohlen, mit einer entsprechenden „Impulsvorwahl“ zu arbeiten und
die zugehörige Messzeit zu erfassen.
Als Präparat verwendet man bei Aufgabe 1
eine geeignete Strahlungsquelle (z. B. Uranglaswürfel, 60Co-Prüfstrahler). Von der Geiger-Schwelle an wird die Spannung am Zähl-
5.1 Messungen mit dem Geiger-Müller-Zählrohr
299
rohr in Schritten von etwa 10 V, im Bereich
des Plateaus um jeweils 20 V verändert und
bei jeder Spannung mehrmals die Zählrate
bestimmt. Dauerentladungen müssen vermieden werden. Man begnügt sich deshalb mit
der Angabe der Mindestplateaulänge. Der
Anstieg ist unter Verwendung von Gl. (6) für
einen gegebenen Arbeitspunkt zu ermitteln.
Bei Aufgabe 2 wird von einer bei Zimmertemperatur gesättigten wässrigen Lösung
bekannter Konzentration eines Kaliumsalzes
ausgegangen, von der man eine Verdünnungsreihe (etwa fünf Verdünnungsgrade)
herstellt. Chemisch und radiologisch ist das
verwendete Kaliumsalz ungefährlich und es
kann auf besondere Sicherheitsmaßnahmen
verzichtet werden.
Der Nulleffekt wird bei dem mit destilliertem
Wasser gefüllten, zuvor gründlich gesäuberten Flüssigkeitszählrohr gemessen. Die Messungen beginnen mit der Lösung geringster
Konzentration. In einer Abgleich- oder Kalibrierungskurve (Zählrate als Funktion der
Konzentration) werden die um den Nulleffekt
verminderten Impulsraten in einem Diagramm dargestellt. Damit ist die Bestimmung
der Konzentration in einer Kaliumlösung
unbekannter Konzentration möglich.
Die Ermittlung der Aktivität eines radioaktiven Präparats (204Tl, E--Strahler) bei Aufgabe 3 kann auf zwei verschiedenen Wegen
erfolgen. Zum einen wird bei der Aktivitätsbestimmung die Probe unbekannter Aktivität
mit einer Probe bekannter Aktivität unter
gleichen geometrischen und apparativen Bedingungen unter Verwendung entsprechender
Eichpräparate verglichen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die absolute Aktivität A nach Gl. (11) zu bestimmen, die einen
direkten Zusammenhang zwischen A und
gemessener Zählrate N beschreibt:
der Absorptionsfaktor, fS der Selbstabsorptionsfaktor, fT der Zeitauflösungsfaktor, fR der
Rückstreufaktor, fU die Einstreuung aus der
Umgebung, fA die Ansprechwahrscheinlichkeit und fE die Anzahl der Quanten pro Zerfall. Die angegeben Faktoren können zum
Teil nur empirisch ermittelt oder näherungsweise abgeschätzt werden. Beispielsweise
lässt sich der Absorptionsfaktor der Probenmatrix im realitätsnahen Fall (Sand, Erde,
Gestein) nur experimentell bestimmen.
Bei Kenntnis der geometrischen Anordnung
des Präparats im Versuchsaufbau lässt sich
der Geometriefaktor abschätzen. Die von
einem Präparat ausgehenden Strahlen verlaufen nach allen Richtungen des Raums, d. h.,
sie verteilen sich gleichmäßig auf den Raumwinkel 4ʌ. Das Zählrohr erfasst hiervon nur
einen bestimmten Anteil, der als Verhältnis
des wirksamen Raumwinkels zum Raumwinkel 4ʌ aufgefasst werden kann. Dieses Verhältnis wird als Geometriefaktor fG bezeichnet. Für spezielle Anordnungen ergeben sich
für den Geometriefaktor einfache analytische
Ausdrücke.
A
N
.
f G f AB fS f T f R f U f A f E
(11)
In Gl. (11) sind fG der Geometriefaktor, fAB
5
4
3
2
a
r
1
Abb. O.5.1.2 Vom Glockenzählrohr erfasstes
Bündel ankommender Strahlung
1 Probe,
2 Zählrohrfenster,
3 Glasperle,
4 Anode (Zähldraht), 5 Katode Dabei sind a der
Abstand Quelle-Detektor und r der Radius der
Strahleneintrittsfläche
300 Optik und Atomphysik
5 Ionisierende Strahlung
Der Geometriefaktor für ein punktförmiges
Präparat (Abb. O.5.1.2) kann z. B. mit der
folgenden Beziehung berechnet werden:
fG
§
·
a
0,5 ¨1 ¸ .
2
2
a r ¹
©
(12)
Für a >>r folgt mit der Detektorfläche AD die
Näherung
fG |
r2
4 a2
AD
,
4 ʌ a2
(12a)
die das quadratische Abstandsgesetz ausdrückt (vgl. auch Abb. W.1.4.3).
Die Präparatabdeckung und die Dicke des
Zählrohrfensters bestimmen den Absorptionsfaktor für die gegebene ȕ--Strahlung zu
fAB = 0,8. Eine der wichtigsten Eigenschaften
einer Zähleinrichtung ist die Ansprechwahrscheinlichkeit fA, d. h. die Anzahl der registrierten Impulse bezogen auf die Anzahl der
auf den Detektor treffenden Teilchen oder
Quanten. Sie hängt entscheidend von den
Eigenschaften des Detektors (Abmessung des
Detektors, Art des Detektormediums) und
von den Eigenschaften der Strahlung (Art
und Energie der Strahlung) ab. Bei Quanten
und ungeladenen Teilchen wird die Ansprechwahrscheinlichkeit sehr stark durch die
Wahrscheinlichkeit bestimmt, mit der die
geladenen Sekundäreilchen entstehen können. Bei Auslösezählrohren gilt für geladene
Teilchen fA § 1. Alle anderen Faktoren in
Gl. (11) sind unter den gegebenen Messbedingungen eins zu setzen. Nach der Vorwahl
des sich aus der gemessenen Kennlinie des
Geiger-Müller-Zählrohrs ergebenden Arbeitspunkts (Gl. (6)) ist die Impulsrate mit
einer vorgegebenen Unsicherheit zu messen.
Die Aktivität A(t) des 204Tl-Präparats (Halbwertszeit 3,78 a) zum aktuellen Zeitpunkt
wird über das Zerfallsgesetz (Gl. (2)) berechnet. Diese soll mit dem nach Gl. (11) abgeschätzten Wert verglichen werden.
Bei Aufgabe 4 bestimmt man die Ansprechwahrscheinlichkeit des Zählrohrs für JStrahlung mit einer punktförmigen 60CoQuelle, deren ȕ-Strahlung von der Umhüllung absorbiert wird. Die relative Unsicherheit der gemessenen Impulsrate soll kleiner
als 1 % sein. Man bestimmt die Ansprechwahrscheinlichkeit mittels Gl. (11). Der Faktor fE ergibt sich hier aus dem Zerfallsschema
von 60Co (Abb. O.5.5.3) mit fE = 2 und die
erforderliche Aktivität des 60Co-Strahlers
(60Co-Halbwertszeit T1/2 = 5,27 a) unter Berücksichtigung von Gl. (2).
5.2 Messung der Halbwertszeit
Aufgabenstellung
Es sind die Halbwertszeit und die Zerfallskonstante von 220Rn zu bestimmen.
Die meisten natürlichen radioaktiven Nuklide
gehören Zerfallsreihen an. Bei der Bestimmung der Halbwertszeit eines derartigen
Nuklids durch Messung des zeitlichen Abklingens seiner radioaktiven Strahlung ist
darauf zu achten, dass die Strahlung der Vorläufersubstanzen und seiner Folgekerne das
Ergebnis nicht verfälschen.
Diese Bedingung lässt sich sehr gut bei einem Radiumisotop, dem 220Radon (auch als
Thoron bezeichnet), das der Thoriumzerfallsreihe angehört, erfüllen. Radon ist ein Edelgas, das sich über jedem Radiumpräparat
ansammelt und daher von der Muttersubstanz
leicht abgetrennt werden kann, so dass dadurch keine Beeinflussung der Zeitabhängigkeit des Zerfallsprozesses möglich ist. Wegen
der kurzen Lebensdauer des Folgeprodukts
(216Po, T1/2 = 0,15 s) wird man neben der DStrahlung von 220Rn auch solche des 216Po
erfassen. Letztere erhöht zwar die Gesamtaktivität, hat aber aufgrund des sich einstellenden Gleichgewichts und der geringen Intensität keinen Einfluss auf den zeitlichen Verlauf
des Zerfalls von 220Rn. Da der zeitliche Ab-
5.3 Reichweite von Į-Strahlung in Luft
301
fall der Gesamtaktivität AG nach der Einstellung des Gleichgewichts nur noch durch die
Zerfallskonstante des Radons ȜRn bestimmt
wird, lässt sich diese bzw. T1/2, Rn aus dem
Anstieg der zeitlichen Änderung der Gesamtaktivität bestimmen. Aufgrund der großen
Halbwertszeiten der weiteren Folgeprodukte
kann auch deren Einfluss auf die Zeitabhängigkeit der Zählrate vernachlässigt werden.
Versuchsausführung
Zur Aufnahme der zeitlichen Änderung der
Aktivität wird Radon aus dem Vorratsbehälter mit Thoriumsalz in eine Ionisationskammer gepumpt. Aufgrund der anliegenden
Hochspannung (bis maximal 5 kV) wird dadurch in der Ionisationskammer ein Ionenstrom erzeugt, der über einen Messverstärker
verstärkt und mit einem computergestützten
Messwerterfassungssystem registriert wird
(Abb. O.5.2.1).
Ionisationskammer
Rn
A
K
I
0...5 kV
R
Abb. O.5.2.1 Versuchsaufbau zur Bestimmung
der Halbwertszeit (schematisch)
Ist die Stärke des Ionisationsstroms I hinreichend groß, schließt man die Radonzufuhr
und beginnt mit der Aufnahme der Zeitabhängigkeit von I. Lässt sich praktisch keine
zeitliche Änderung des Ionisationsstroms
(Aktivität) mehr nachweisen, wird die Messung beendet. Aufgrund der Proportionalität
zwischen Ionisationsstrom und Gesamtaktivität kann aus der erhaltenen I(t)-Kurve die
Halbwertszeit T1/2 bzw. die Zerfallskonstante O Gl. (4) ermittelt werden.
5.3 Reichweite von Į-Strahlung
in Luft
Aufgabenstellung
1. Mit einem 226Ra-Präparat ist die Luftäquivalenz der Abdeckung durch Reichweitenmessungen von D-Strahlung bei zwei verschiedenen Luftdichten zu bestimmen.
Die beim D-Zerfall entstehenden D-Teilchen
haben definierte Energien und damit besitzt
die D-Strahlung ein diskretes Energiespektrum, das für jedes Nuklid charakteristisch ist.
Im Beispiel des D-Zerfalls des Radiumisotops 226Ra entsteht als Nachfolgeprodukt
226
Ra, und 94,6 % der emittierten D-Teilchen
besitzen eine kinetische Energie von
4,87 MeV (vgl. Abb. A.5.2). Durchdringen
D-Teilchen eine absorbierende Materialschicht, verlieren diese aufgrund von Wechselwirkungen mit den Elektronen der Atome
bzw. Moleküle des Absorbermaterials kinetische Energie. Dieser Absorptionsprozess
wird auch als Ionisationsbremsung bezeichnet. Aufgrund ihres diskreten Energiespektrums haben D-Teilchen näherungsweise alle
die gleiche Reichweite, die jedoch infolge
der statistischen Prozesse bei der Energieabsorption eine charakteristische Streuung um
eine mittlere Reichweite aufweist.
N
N0
p1
p2
N0
2
0
Rm Rex
a
Abb. O.5.3.1 Absorptionsverhalten von D-Strahlung in Gasen, Zählrate N in Abhängigkeit vom
Abstand a zwischen Detektor und Strahlungsquelle, Rm mittlere Reichweite, Rex extrapolierte
Reichweite, Druck p1 > p2
302 Optik und Atomphysik
5 Ionisierende Strahlung
In Abb. O.5.3.1 wird eine typische Reichweitenkurve für D-Strahlung gezeigt. Zuerst
bleibt die Zählrate trotz zunehmenden Abstands zwischen Strahlungsquelle und Detektor nahezu konstant, um dann stark innerhalb
einer kleinen Vergrößerung des Abstands
abzunehmen. Als mittlere Reichweite Rm
wird derjenige Abstand definiert, bei dem die
Zählrate N auf die Hälfte ihres Anfangswertes N0 abgenommen hat (Abb. O.5.3.1). Verlängert man den annähernd linearen mittleren
Teil der Kurve bis N = 0, lässt sich auch der
Wert für die extrapolierte Reichweite Rex
bestimmen.
In der natürlichen Zerfallsreihe kommen
mehrere verschiedene D-Strahler mit vergleichbaren Lebensdauern vor. Die energiereichste Nuklidsorte besitzt die maximale
Reichweite. Bei praktischen Anwendungen
werden häufig empirische ReichweiteEnergie-Beziehungen benutzt. Für die mittlere Reichweite Rm von D-Strahlung (ED > 2,5
MeV) in Luft wendet man oft die von Geiger
eingeführte empirische Beziehung an:
Rm
mm
§ E ·
3,1 ¨ D ¸
© Me V ¹
3/ 2
.
(13)
Da die Absorption in Gasen von deren Dichte
und diese wiederum von Druck und Temperatur abhängt, ist es üblich, die mittlere
Reichweite bei Normbedingungen Rm, 0 anzugeben. Mit Gl.(M.1. - 7) folgt für die Umrechnung
T p
Rm, 0 Rm (T , p) N .
(13a)
T pN
Versuchsausführung
Die Intensität der D-Strahlung wird mittels
eines Halbleiterdetektors in Abhängigkeit
vom Abstand zwischen Strahlungsquelle und
Detektor in einem vorgegebenen Bereich
gemessen.
In Abb. O.5.3.2 wird das Schema der Versuchsanordnung zur Messung der Zählrate in
Abhängigkeit vom Abstand zwischen Detektor und Strahlungsquelle sowie vom Luftdruck in einer evakuierbaren Messkammer
gezeigt. Der Abstand a zwischen dem Detektor und der Quelle, die sich am Ende einer
Gewindestange befindet, kann mittels einer
mechanische Vorrichtung verändert werden,
an der man auch den Abstandswert ablesen
kann. Die Gewindestange wird über eine
geeignete Vakuumabdichtung nach außen
geführt, so dass man ein relativ stabiles
Grobvakuum (ca. 300 hPa, Leckrate etwa
0,5 hPa/h) erreicht.
1
5
4
3
Z
2
10
ϑ
6
a
9
7
hPa
8
Abb. O.5.3.2 Schema der Versuchsanordnung zur
Messung der Reichweite von D-Strahlung bei
unterschiedlichem Luftdruck: 1 Vakuumrezipient
mit Abschirmung, 2 punktförmiger D-Strahler,
3 Strahlungsdetektor, 4 Messelektronik, 5 Zählgerät, 6 Gewindestange mit Antrieb, 7 Vorvakuumpumpe, 8 Druckmessgerät, 9 Nadelventil,
10 Temperatursensor
Der Vakuumrezipient ist mit einer Abschirmung versehen und besitzt einen Anschluss,
der die Verbindung zur Vorvakuumpumpe,
die Druckanzeige und das Belüftungsventil
(Nadelventil) ermöglicht. Zur Temperaturmessung der Luft ist ein Temperatursensor
(Thermoelement) innerhalb des Rezipienten
befestigt. Zuerst führt man die Messung zur
Abstandsabhängigkeit der Zählrate bei aktuellem Luftdruck durch. Danach wird die Vorvakuumpumpe in Betrieb genommen und ein
Grobvakuum von etwa 500 hPa erzeugt (ggf.
über das Nadelventil einregeln) und anschließend mit der Messung der Zählrate
5.4 ȕ-Strahlung
303
begonnen. Die Abstände sind so zu wählen,
dass die charakteristischen Bereiche für die
Bestimmung der mittleren Reichweite hinreichend genau erfasst werden. Es werden die
Nettozählraten in Abhängigkeit vom Abstand
graphisch so dargestellt, dass man mit größtmöglicher Genauigkeit die Werte von Rm aus
den Graphen ablesen kann. Mit Gl. (13a) sind
die Werte auf Normbedingungen umzurechnen. Die Ergebnisse sollen in Bezug auf die
Luftdichte diskutiert werden. Die Luftäquivalenz der Abdeckung des Präparats folgt aus
der Differenz zwischen dem mittleren Wert
der experimentell bestimmten Reichweiten
sowie dem nach Gl. (13) berechneten Wert
entsprechend der in der Zerfallsreihe vorkommenden Nuklide, deren Energien am
Versuchsplatz mitgeteilt werden.
5.4 ȕ-Strahlung
5.4.1 Absorption von ȕ-Strahlung
Aufgabenstellung
1. Die Energie des verwendeten Strahlers soll
abgeschätzt werden.
2. Es ist die Schichtdicke von dünnen Platten
zu bestimmen.
3. Der Massenabsorptionskoeffizient verschiedener Materialien ist zu ermitteln.
Beim ȕ-Zerfall ist ein kontinuierliches Energiespektrum zu beobachten. Elektronen- und
Positronenspektren unterscheiden sich nur im
Bereich des Koordinatenursprungs. Im Strahlenschutz ist es üblich und von Vorteil, anstatt der Schichtdicke x die Flächenmasse
dƍ = ȡ x des Absorbers anzugeben, wobei ȡ
die Dichte des Absorbermaterials ist. In guter
Näherung gilt das Schwächungsgesetz
I
I0 e
P
d'
U
.
(14)
Dabei sind I die Teilchenflussdichte bzw.
Intensität der Strahlung hinter dem Absorber,
I0 entsprechend davor und P der materialspezifische Schwächungskoeffizient. P /U ist der
Massenabsorptionskoeffizient für ein bestimmtes Material. Für den Gültigkeitsbereich von Gl. (14) ist ȝ /ȡ näherungsweise nur
von der Energie der Strahlung, nicht aber
vom Material abhängig (mit Ausnahme von
stark wasserstoffhaltigen Materialien). Es gilt
P
Z
|
.
U Z n
(15)
Z ist die Protonen- und n die Neutronenzahl.
Für die Halbwertsflächenmasse d1/c 2 folgt
definitionsgemäß aus Gl. (14)
d1/c 2
ln 2
.
P/U
(16)
Für die Beschreibung der Abhängigkeit der
Halbwertsflächenmasse von der Energie
( d1/c 2 f ( Emax ) ) gibt es mehrere empirische
Beziehungen. Die beste Übereinstimmung
mit den Messergebnissen liefert erfahrungsgemäß die folgende Größengleichung:
d1/c 2
kg/m 2
3/2
§E ·
0,0046 ¨ max ¸ .
© MeV ¹
(17)
Bei relativ großen absorbierenden Schichtdicken (größer als etwa drei Halbwertsdicken)
sinkt die Impulsrate N schneller als es der
exponentiellen
Abnahme
entspricht
(Abb. O.5.4.1) und die reale Absorptionskurve zeigt größere Abweichungen vom exponentiellen Verlauf. Auch noch bei sehr großen Absorberdicken kann weiterhin eine
Strahlung gemessen werden. Dieser Strahlungsuntergrund wird im Wesentlichen durch
die beim Abbremsvorgang erzeugte Röntgenbremsstrahlung (O.5.7) verursacht. Mit
Hilfe der Absorptionskurve ist die Bestimmung der maximalen Reichweite Rmax möglich, wobei sich diese auf die energiereichsten Teilchen des E-Spektrums bezieht. Dazu
wird der Wert für die maximale Flächenmas-
304 Optik und Atomphysik
5 Ionisierende Strahlung
se ȡ Rmax ermittelt, der über den Einmündungspunkt der Absorptionskurve in den
Strahlungsuntergrund (Abb. O.5.4.1) bestimmt werden kann. Mittels des Schnittpunkts der Wendetangente mit der geradlinigen Verlängerung des Bremsstrahlungsuntergrunds ist auch die Bestimmung der mittleren
Reichweite Rm der E-Teilchen möglich.
1
po
10-1
Ex
I
I0
Versuchsausführung
ne
nt
Die für die Versuchsdurchführung erforderlichen Geräte- und Messparameter werden am
Arbeitsplatz mitgeteilt. Bei den Messungen
der Teilchenflussdichte I bzw. Impulsrate N
(Iv N) der E-Strahlung ist zu berücksichtigen, dass nach dem Ansprechen des Zählrohrs eine Entladung aufgebaut wird, die ca.
IJ | 200 ȝs dauert. Die in dieser Zeit eintreffen Partikel werden demzufolge nicht gezählt
(„Totzeit“). Deshalb muss die gemessene
Impulsrate Ng, wenn sie größer als
50 Impulse/s ist, korrigiert werden:
ia
lg
10-2
es
et
Nk
Ng
z
1 W Ng
.
(18)
-3
10
Bremsstrahlung
-4
10
10-50
6
ρRm
12
ρRmax
18
-2
‚
d kg m
Abb. O.5.4.1 Absorption von E-Strahlung in
Abhängigkeit von der Flächenmasse d ƍ des Absorbers, mittlere (ȡ Rm) und maximale (ȡ Rmax)
Massenreichweite
Der Massenabsorptionskoeffizient ist nur von
der Energie der E-Strahlung abhängig. Da
das Verhältnis Z/(Z+n) bei stabilen Isotopen
etwa 0,5 beträgt (mit Ausnahme von Wasserstoff und bei Elementen mit sehr hoher Ordnungszahl), ist auch der Massenabsorptionskoeffizient ȝ /ȡ für alle Elemente ungefähr
gleich groß. Aufgrund dieser Tatsache lässt
sich unter Anwendung der Gl. (14) für einen
bestimmten Strahler nach der Aufnahme
einer Kalibrierungskurve (in der Regel mit
Al-Absorbern) bei gegebener Dichte der zu
untersuchenden Probe und durch die Messung der entsprechenden Zählrate deren
Schichtdicke ermitteln.
In Gl. (18) ist Nk die korrigierte Zählrate.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass durch
die Höhenstrahlung und andere Strahlungsquellen stets eine Nulleffektrate N c vorhanden ist. Die korrigierte Nettoimpulsrate der
Anordnung ist deshalb NN = Nk – N c. Die
Absorptionsmessungen in Aufgabe 1 beginnt
man zunächst ohne Absorber (Impulsrate N0)
und misst dann die Impulsraten N(x) mit den
Al-Folien bekannter Dicke x. Die normierten
Nettoimpulsraten sind in Abhängigkeit von
der Massenreichweite halblogarithmisch
graphisch darzustellen und die Werte ȡ Rm
sowie ȡ Rmax zu ermitteln. Aus letzterem Wert
kann Rmax und mit Gl. (17) die Größe von
Emax berechnet werden, die zumindest näherungsweise die Abschätzung der gesuchten
Maximalenergie ermöglicht. Der im Experiment bestimmte Wert ist mit Werten zu vergleichen, die am Arbeitsplatz mitgeteilt werden.
Danach wird in Aufgabe 2 die Schichtdicke
von zwei unterschiedlich dicken Glimmerblättchen bekannter Dichte sowie der zugehörigen gemessenen Impulsraten ermittelt,
die der Absorptionskurve entnommen werden
können. Bei Aufgabe 3 ist für zwei verschiedene Substrate (z. B. Folie, Papier) der Mas-
5.4 ȕ-Strahlung
305
senabsorptionskoeffizient durch die Messung
der zugehörigen Impulsraten zu bestimmen,
die dazu erforderliche Flächenmasse der untersuchten Proben wird am Arbeitsplatz gegeben.
5.4.2 E-Spektroskopie
Aufgabenstellung
Es ist das E-Spektrum verschiedener Radionuklide aufzunehmen.
Beim Zerfallsprozess besitzen Elektronen
und Positronen eine diskrete Energie, die
teilweise an die Neutrinos abgegeben wird.
Die Energieübertragung ist ein statistischer
Prozess und damit die Ursache für den kontinuierlichen Verlauf des Spektrums. Ein solches Spektrum besitzt zwei charakteristische
Größen (Abb. O.5.4.2), Ew ist die wahrscheinlichste und Emax die maximale Energie
der E-Teilchen.
I
Ew
Emax
I0
E
Abb. O.5.4.2 Schema eines E-Spektrums, Untergrund I0
Da die Strahlung aus geladenen Teilchen
besteht, kann diese durch elektrische oder
magnetische Felder beeinflusst werden. Diese
Art der Dispersion kann man dazu verwenden, um E-Teilchen hinsichtlich ihrer Energie
zu trennen. Ein E-Spektrometer selektiert die
einzelnen Energien der E-Strahlung durch ein
senkrecht zur Flugbahn der Elektronen gerichtetes Magnetfeld. Die Elektronen mit der
Ladung e und der Masse m erfahren durch
die Lorentz-Kraft (O.6.4) eine Ablenkung.
Die Kraftwirkung durch das Magnetfeld wird
durch die Zentrifugalkraft kompensiert, so
dass die Elektronen auf eine stabile Kreisbahn gezwungen werden. Der Radius dieser
Kreisbahn ist von der Geschwindigkeit v und
damit von der Energie der Elektronen abhängig. Das Spektrometer ist so konstruiert, dass
der Radius der Kreisbahn konstant bleibt und
die Flussdichte des Magnetfelds verändert
werden kann. Mit Hilfe der beiden Größen
Kreisbahnradius r und magnetische Flussdichte B ist es möglich, die Energie der
Elektronen zu berechnen.
In der Regel besteht ein E-Spektrometer aus
einem relativ flachen massiven Hohlzylinder,
der an Grund- und Deckfläche verschlossen
ist. Im Mantel des Hohlzylinders befinden
sich drei radiale Bohrungen (Abb. O.5.4.3).
Eine von ihnen ist für die Aufnahme der
Hall-Sonde (Hall-Effekt, E.2.4) zur Bestimmung der magnetischen Flussdichte vorgesehen, die beiden anderen Bohrungen sind in
einem bestimmten Winkel zueinander positioniert und liegen auf einem Kreisbogen mit
dem Radius r und sind für die Aufnahme
eines E-Strahlers und eines Detektors vorgesehen. Im Inneren des Hohlzylinders sind zur
Vermeidung von Messfehlern durch Streueffekte Halbkreisschalen aus Blei angebracht.
Die Elektronen bzw. Positronen der EStrahlung besitzen Energien im MeVBereich. Bei so großen Energien muss die
Rechnung bezüglich der Geschwindigkeit der
Teilchen relativistisch durchgeführt werden.
Befindet sich das Elektron innerhalb des
homogenen Magnetfelds, herrscht ein
Gleichgewicht zwischen Zentrifugal- und
Lorentz-Kraft. Mit Gl. (O.6.4-29) ergibt sich
für den Impuls des Elektrons p = e B r.
Mit der Gleichung für die kinetische (relativistische) Energie des Elektrons
Ekin c0
2
p 2 m0,e
c02 m0,e c02
(19)
erhält man die kinetische Energie des Teil-
306 Optik und Atomphysik
5 Ionisierende Strahlung
chens in Abhängigkeit vom Bahnradius r und
von der magnetischen Flussdichte B:
Ekin (r , B)
2
(e B r c0 ) 2 m0e
c04
m0e c02 .
(20)
In Gl. (20) sind e und m0e die c0 bekannten
Fundamentalkonstanten (Anhang A.6). Der
Term unter der Wurzel entspricht der Gesamtenergie. Subtrahiert man davon die Ruheenergie, erhält man den Anteil an Bewegungsenergie des Elektrons.
Versuchsausführung
Mit dem Versuchsaufbau nach Abb. O.5.4.3
ist das E-Spektrum verschiedener Radionuklide aufzunehmen. Man verwendet einen
Elektromagneten mit geeigneter Stromversorgung sowie einen Geiger-Müller-Zähler
oder auch einen Szintillationszähler. Die
magnetische Flussdichte wird variiert und
damit der Bahnradius geändert.
5
6
4
3
2
1
r
M
Abb. O.5.4.3 Messapparatur zur Bestimmung des
Energiespektrums eines E-Strahlers (schematisch), 1 nicht magnetisierbare Wand, 2 Öffnung
für den Probekörper, 3, 6 Irisblenden, 4 Öffnung
für eine tangentiale Hall-Sonde, 5 Öffnung für das
Zählrohr, r Bahnradius in Bezug auf Punkt M
Als Ergebnis erhält man ein Spektrum wie in
Abb. O.5.4.2 schematisch dargestellt, das mit
einer mathematischen Verteilung, der so
genannten E-Verteilung analysiert werden
kann. Die Auswertung der Energieverteilung,
und damit die konkrete Bestimmung der einzelnen Energiearten erfolgt numerisch mittels
zur Verfügung gestellter Software.
5.5 Ȗ-Strahlung
5.5.1 Schwächung von J-Strahlung
Aufgabenstellung
1. Die Charakteristik eines Szintillationszählers für Ȗ-Strahlung ist aufzunehmen und die
Arbeitsspannung zu ermitteln.
2. Es sind die Schwächungskoeffizienten und
Halbwertsdicken verschiedener Metalle für
monoenergetische Ȗ-Strahlung zu bestimmen.
2. Die Abstandscharakteristik ist aufzunehmen.
Die Spannungscharakteristik eines Szintillationszählers wird analog zu der eines GeigerMüller-Zählrohrs bestimmt (O.5.1). Bei niedrigen Spannungen ist die Verstärkung des
Sekundärelektronenvervielfachers (SEV)
gering, so dass nur starke Lichtblitze zu
Stromimpulsen führen, die den Impulsverstärker und die elektronische Zähleinrichtung
zum Ansprechen bringen. Erst im Bereich
eines Plateaus wird die Impulsrate nahezu
spannungsunabhängig. Bei hohen Spannungen führen auch die durch Temperatureffekte
in der Photokathode oder in den Dynoden des
SEV ausgelösten einzelnen Elektronen zu
zählbaren Impulsen. Dieses thermische Rauschen (Dunkelstrom) begrenzt den Einsatz
des SEV. Für den realen Verlauf der Charakteristik haben Strahler, Szintillator, SEV und
Verstärker einen bedeutenden Einfluss. Wegen der relativ schwachen Wechselwirkung
von Ȗ-Strahlung (O.5.0.2) mit Substanzen
muss als Szintillator ein Festkörper gewählt
werden, der hinreichend schwere Atome
enthält und andererseits die entstehenden
Lichtblitze zur Kathode des optisch gut angekoppelten SEV leitet. Beim Durchgang
durch feste, flüssige und in geringem Maße
auch gasförmige Stoffe erleiden Ȗ- und die
ihnen wesensgleichen Röntgenstrahlen eine
Schwächung, wie sie in O.5.4 für die ȕStrahlung diskutiert wird. Für den linearen
5.5 Ȗ-Strahlung
307
Schwächungskoeffizienten gilt in Analogie
zu Gl. (14):
P=
1
I
ln
.
d
I0
(21)
Die Schwächung der Ȗ-Strahlung wird durch
Photoeffekt, Compton-Effekt und ggf. durch
Paarbildung hervorgerufen, wobei jeder dieser Effekte von der Ordnungszahl Z, der relativen Atommasse A des Absorbers und der
Energie der Ȗ-Photonen abhängt (O.5.0.3).
Unter der Halbwertsdicke d1/2 definiert man
diejenige Schichtdicke (Materialstärke), bei
der die Intensität I0 auf die Hälfte herabgesetzt wird:
d 1/ 2 =
ln 2
P
.
(22)
Versuchsausführung
Die Aufnahme der Charakteristik des Szintillationszählers in Aufgabe 1 erfolgt in einer
geometrischen Anordnung, die schematisch
in Abb. O.5.5.1 dargestellt ist und auch für
die Aufgabe 2 verwendet wird. Ausführliche
Informationen zu den Betriebsdaten und spezielle Hinweise zur Versuchsdurchführung
sowie zum Strahlenschutz liegen am Arbeitsplatz aus. Als Ȗ-Strahlungsquelle wird ein
60
137
Co- oder Cs-Präparat verwendet. Um die
gleichzeitig mit der Ȗ-Strahlung auftretende
ȕ-Strahlung zu unterdrücken, befindet sich
vor dem Szintillator eine hinreichend dicke
Al-Absorberschicht. Die Betriebsspannung U
(Beschleunigungsspannung) für den SEV
wird in Schritten von etwa 50 V erhöht. Nach
jeder Änderung der Spannung U ist zur Einstellung stabiler Messbedingungen ausreichend lange zu warten, bevor die Impulsrate N bestimmt wird. Zu jeder eingestellten
Betriebsspannung muss auch der Nulleffekt Nƍ bestimmt werden. Um das Plateau
besser erkennen zu können, stellt man den
Logarithmus der Nettoimpulsrate NN = N – Nƍ
als Funktion der Betriebsspannung U dar.
Die Spannung darf nicht über die in der Arbeitsanleitung genannte Größe hinaus erhöht
werden, um eine Zerstörung des SEV zu
vermeiden.
Impuls zu Verstärker
und Zähleinrichtung
SEV (Abb. O.5.0.6)
Photokathode
Szintillator
Absorber
Probenwechsler
γ–Quelle
Abb. O.5.5.1 Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus für Ȗ-Absorptionsmessungen in
einer Abschirmkammer
Bei Aufgabe 2 werden zuerst der Nulleffekt
zur gewählten Arbeitsspannung im Bereich
des Plateaus und die Nettoimpulsrate NN
ohne Absorber bestimmt. Anschließend ermittelt man für verschiedene Materialien mit
deutlich unterschiedlich großen Ordnungszahlen Z (z. B. Al, Fe, Pb) die Abhängigkeit
der Nettoimpulsrate NN von der Schichtdicke d. Zur Bestimmung von ȝ trägt man den
natürlichen Logarithmus der Nettoimpulsrate
NN in Abhängigkeit von d auf und bestimmt
mit dem Anstieg der Ausgleichsgeraden den
linearen Schwächungskoeffizienten und damit die Halbwertsdicke. Bei Aufgabe 3 wird
die Zählrate in Abhängigkeit von der Entfernung zwischen Strahlungsquelle und Detektor gemessen. Bei Aufgabe 2 wird eine vergleichbar zu der in Abb. O.5.3.2 dargestellte
Versuchsanordnung verwendet (ohne Vaku-
308 Optik und Atomphysik
umkammer). Die mit dem Nulleffekt korrigierten Nettozählraten werden in Abhängigkeit vom Quadrat des Abstands graphisch
dargestellt und der Verlauf des Graphen ist
zu diskutieren (vgl. Gl. (12a)).
5.5.2 J-Spektroskopie
Aufgabenstellung
1. Mit Ȗ-Strahlern unterschiedlicher Quantenenergie wird ein Ȗ-Spektrometer kalibriert
und sein Energieauflösungsvermögen bestimmt.
2. Mit diesem Spektrometer ist das Impulshöhenspektrum eines unbekannten Ȗ-Strahlers aufzunehmen. Das Spektrum soll interpretiert und der Strahler identifiziert werden.
Zur Aufnahme des Energiespektrums einer JStrahlung werden im Wesentlichen Halbleiterdetektoren, Szintillationszähler und Proportionalzählrohre eingesetzt. Diese Detektoren geben in der Regel einen Spannungsimpuls ab, dessen Höhe eine meist lineare
Funktion der von ihnen absorbierten JEnergie ist. Nach der Verstärkung der Impulse werden diese einem Analysator zugeführt,
der nur solche Impulse an das Zählwerk abgibt und registrieren lässt, deren Spannung
innerhalb eines gewählten Kanals zwischen
der Diskriminator- und der Analysatorspannung liegt. Eine bestimmte im Szintillator
absorbierte J-Energie liefert also Impulse, die
bei einer ganz bestimmten Kanallage registriert werden. Da die Kanallage außer von
dieser Energie noch von apparativen Parametern, insbesondere der eingestellten Hochspannung und der Impulshöhenverstärkung
abhängt, muss für die verwendete Apparatur
und die gewählten Einstellungen eine Energiekalibrierung der Kanäle auf der Basis der
Messungen bekannter J-Spektren vorgenommen werden. Da die Impulshöhe annähernd
eine lineare Funktion der absorbierten Energie ist, lässt sich diese Kalibrierung schon
5 Ionisierende Strahlung
mit Hilfe von nur zwei bekannten J-Energien
als Energie- oder Kalibrierungsgerade durchführen. Bei der Auswertung der aufgenommenen J-Spektren muss berücksichtigt werden, dass die Wechselwirkung der Strahlung
mit Materie infolge unterschiedlicher Effekte
erfolgt (Photo-, Compton- und Paarbildungseffekt), bei denen unterschiedliche Anteile
der einfallenden J-Quantenenergie absorbiert
werden. Somit kann eine monoenergetische
J-Strahlung mehrere Impulsratenmaxima bei
verschiedenen Spannungskanallagen bedingen. Für die Energiebestimmung wird meist
das durch den Photoeffekt bedingte Impulsratenmaximum genutzt, das bei dem Kanal mit
der höchsten Spannungsschwelle liegt.
Die Energiegerade für die Messapparatur mit
festgelegten Betriebsparametern lässt sich
mit Hilfe eines gemessenen Spektrums von
60
Co darstellen, da 60Co beim Zerfall zwei JQuanten mit den Energien EJ1 = 1,33 MeV
und EJ2 = 1,17 MeV abstrahlt. Nach Darstellung der Energiegeraden lässt sich dann auch
mit ihrer Hilfe die Energie der J-Strahlung
des unbekannten Nuklids nach Aufnahme
seines Impulshöhenspektrums bestimmen.
Ein Ȗ-Spektrometer erlaubt es also, den quantitativen Zusammenhang zwischen Intensität
und Energie von Ȗ-Strahlung zu messen.
Im Impulshöhenanalysator werden die Spannungsimpulse fein unterteilten Spannungsbereichen (Kanälen, Speichern) zugeordnet. Die
Darstellung der in jedem Kanal gezählten
Impulse über der Spannungshöhe bezeichnet
man als Impulshöhen- oder Energiespektrum.
Verwendet man einen Szintillationszähler, ist
als markanteste Wechselwirkung der Photoeffekt zu erörtern. Dabei wird ein Ȗ-Quant
von einem Atom vollständig absorbiert und
ein gebundenes Elektron aus der Elektronenhülle herausgeschlagen, das die um die Ablösearbeit verminderte Energie E des Quants
hat. Dieses Elektron wird im Szintillator unter Erzeugung von Lumineszenzlicht abgebremst. Auch durch die Sekundärstrahlung
5.5 Ȗ-Strahlung
309
(meist Röntgenstrahlung) des bei der Absorption des Ȗ-Quants angeregten Atoms entsteht
Lumineszenzlicht. Das gesamte Licht wird
möglichst vollständig auf die Photokathode
des Sekundärelektronenvervielfachers (SEV)
geleitet. Dort werden durch den äußeren Photoeffekt Elektronen ausgelöst. Der am Ausgang des SEV beobachtbare Spannungs- oder
Stromimpuls besitzt eine Höhe, die der Energie des ursprünglichen Ȗ-Quants proportional
ist.
Aufgrund der statistischen Prozesse im Szintillator und im SEV besitzen die Impulshöhen
eine gewisse Verteilung. Der sich ausbildende Photo- oder Vollenergiepeak besitzt näherungsweise eine Gauß-Verteilung (Einführung, 4.2). Das Maximum UȖ dieses Peaks
wird der Energie EȖ des Ȗ-Quants zugeordnet.
Stehen mehrere Ȗ-Strahler mit bekannten
Quantenenergien zur Verfügung, kann man
die energetische Linearität des Ȗ-Spektrometers überprüfen. Das Energieauflösungsvermögen R des Spektrometers ist über die
relative Halbwertsbreite definiert:
R=
'1/ 2 E
100 % ,
EȖ
(23)
wobei '1/2 E die Halbwertsbreite des Photopeaks bei E = Emax/2 beschreibt. Für ein Szintillationsspektrometer wird R < 10 % erwartet. Das Energieauflösungsvermögen von
Halbleiterdetektoren (O.5.0.6) ist wesentlich
besser.
Eine weitere Wechselwirkung der ȖStrahlung mit Materie ist die ComptonStreuung (O.5.6). Dabei überträgt das einfallende Quant nur einen Teil seiner Energie auf
ein locker gebundenes oder nahezu freies
Elektron und erfährt eine Richtungsänderung.
Die gestreuten Ȗ'- Quanten besitzen Streuwinkel im Bereich 0 d - d 180° und können,
wenn die Streuung im Szintillator erfolgt,
diesen zum Teil verlassen. Die ComptonElektronen geben in jedem Fall ihre Energie
an den Szintillator ab. Wegen der möglichen
Verteilung der Streuwinkel - besitzen sie
eine kontinuierliche Energieverteilung von
Ee = 0 für - = 0 bis zu einer maximalen
Energie Emax = EC für - = 180° (O.5.6). Im
Energiespektrum der rückgestreuten Compton-Elektronen, das gemeinsam mit dem
Photopeak am Ausgang des SEV in Erscheinung tritt (Abb. O.5.5.2), ist diese maximale
Energie EC als Compton-Kante zu beobachten.
Photopeaks
I
Cs
2
1
3
EC
Co
E
Abb. O.5.5.2 Beispiel eines Impulshöhenspektrums von Ȗ-Strahlung (Überlagerung einer 60Cound einer 137Cs-Quelle), 1 K-Linie (Abschirmung), 2 Rückstreupeak, 3 Compton-Kante
Das sich zu niedrigeren Energien anschließende Compton-Kontinuum überdeckt vielfach die Photopeaks energieärmerer Strahler.
Bei einer Versuchsanordnung, wie sie in
Abb. O.5.5.1 dargestellt ist, muss man auch
die Compton-Streuung in den Wänden der
Abschirmung beachten. Die von dort in den
Detektor rückgestreuten Ȗ'-Quanten können
im Szintillator absorbiert werden. Den durch
Compton-Effekt etwa um 180° gestreuten Ȗ'Quanten entspricht ein Rückstreumaximum
bei ER = EJ EC , das sich ebenfalls dem
Compton-Kontinuum überlagert.
Die Paarbildung (O.5.0.2) und der Kernphotoeffekt sollen auf Grund ihres geringen Einflusses hier nicht betrachtet werden.
Der Photoeffekt tritt nicht nur im Szintillator
310 Optik und Atomphysik
auf, sondern auch in den Materialien der
Strahlerumgebung. Die herausgeschlagenen
Elektronen stammen zu 80 % aus der jeweiligen K-Schale. Die entstandene Lücke wird
durch ein Elektron aus einer höheren Schale
aufgefüllt. Die dabei freiwerdende Energie
kann als Röntgenfluoreszenzstrahlung emittiert werden und im Zähler einen entsprechenden Peak erzeugen (z. B. Pb-KĮStrahlung mit 0,074 MeV).
Der nach der ȕ -Umwandlung eines 137CsKerns entstehende 137Ba-Kern regt sich nicht
nur über die Emission eines Ȗ-Quants ab,
sondern übergibt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit seine Energie auch an ein Elektron aus der K-Schale, das das Atom als
monoenergetisches Konversionselektron verlässt. Das in der K-Schale fehlende Elektron
wird durch ein Elektron aus höheren Schalen
ersetzt. Die dabei abgestrahlte Energie tritt
wieder in Form von Röntgenfluoreszenzstrahlung auf, die hauptsächlich als KĮStrahlung des 137Ba (0,032 MeV) entsteht.
Versuchsausführung
Bei Verwendung eines SEV ist in einem Vorversuch der Arbeitspunkt festzulegen. Für
diese Messungen wird ein Ȗ-Strahler mit
genügend großer Halbwertszeit benutzt. Zur
Kalibrierung (Aufgabe 1) werden ein 137CsPräparat (Halbwertszeit 30 a) und ein 60CoPräparat (Halbwertszeit 5,27 a) benutzt. Die
Umwandlungsschemas sind in Abb. O.5.5.3
dargestellt. Anschließend wird das Impulshöhenspektrum von 60Co mit einer ausreichend kleinen Kanalbreite (0,1 V bis 2 V)
aufgenommen.
Die jeweils zu beobachtende diskrete ȖStrahlung ist die Folge einer vorangehenden
ȕ-Umwandlung. Für die Untersuchung der
Photopeaks sind die Einstellungen einschließlich der Messdauer einer Betriebsanleitung am Arbeitsplatz zu entnehmen.
Bei 60Co findet man zwei Peaks bei den für
das Nuklid charakteristischen J-Energien von
5 Ionisierende Strahlung
1,173 MeV bzw. 1,333 MeV. Nach Kalibrierung mittels Energiegerade ermittelt man für
das 137Cs-Präparat eine Ȗ-Energie von
0,662 MeV.
60
27
β-
137
55
Co [5,27 a]
0,315 MeV
(90%)
β-
Cs [30 a]
0,518 MeV
(94%)
2,506 MeV
γ2
0,662 MeV
γ
1,333 MeV
0
137
56
Ba
γ1
0
60
28
Ni
Abb. O.5.5.3 Umwandlungsschema für 60Co und
137
Cs (in den eckigen Klammern sind die Halbwertszeiten angegeben)
Mit Hilfe von Gl. (23) lässt sich aus Lage und
Form des Photopeaks das Energieauflösungsvermögen R bestimmen.
Bei Aufgabe 2 wird nur das 137Cs-Präparat
verwendet. Diesmal interessiert das gesamte
Spektrum vom Photopeak bis zur Ba-KĮRöntgenfluoreszenzstrahlung. Die beobachtbaren Peaks sind zu interpretieren und die
energetische Lage der registrierten Comptonkante (halbe Höhe der Abbruchflanke des
Compton-Kontiniums) ist mit dem nach
Gl. (28) berechenbaren Wert zu vergleichen.
5.6 Compton-Effekt
Aufgabenstellung
1. Es sind die Energiespektren der an einem
Streukörper unter verschiedenen Winkeln
gestreuten Röntgenstrahlung aufzunehmen.
2. Die Energie der gestreuten Photonen ist in
Abhängigkeit vom Streuwinkel zu bestimmen.
3. Es sollen die gemessenen Energien mit den
5.6 Compton-Effekt
aus Energie- und Impulserhaltung berechneten verglichen werden.
Als Thomson-Streuung (Joseph John Thomson) wird die elastische Streuung von Licht
(Photonen) an geladenen Teilchen (i. A. quasifreie Elektronen) bezeichnet. Die geladenen
Teilchen werden dabei durch das Feld einer
elektromagnetischen Welle zu kohärenten
harmonischen Schwingungen in der Ebene
des elektrischen Felds angeregt. Da diese
Oszillation eine beschleunigte Bewegung ist,
strahlen die Teilchen gleichzeitig Energie in
Form einer elektromagnetischen Welle gleicher Frequenz ab (Dipolstrahlung).
Thomson-Streuung ist eine rückstoßfreie
Streuung, d. h., es findet kein Energieübertrag vom Photon auf das Elektron statt. Sie
tritt nur auf, solange die Energie der einfallenden Photonen klein genug ist, d. h. die
Wellenlänge der elektromagnetischen Strahlung viel größer ist als ein Atomradius (z. B.
weiche Röntgenstrahlung). Bei kürzeren
Wellenlängen, also höheren Energien, muss
der Rückstoß des Elektrons berücksichtigt
werden (Compton-Streuung). Dieses Modell
gilt auch für (quasi-)freie Elektronen im Metall, deren Resonanzfrequenz aufgrund fehlender Rückstellkräfte gegen Null geht.
Streuung an gebundenen Elektronen oder
ganzen Atomen bezeichnet man als RayleighStreuung. Während beim Photoeffekt das
Photon seine gesamte Energie an ein gebundenes Elektron abgibt und damit eine (vollständige) Absorption stattfindet, wird mit
zunehmender Energie der einfallenden elektromagnetischen Welle (EJ > EK,L,M..., wobei
EK,L,M.. die Bindungsenergie der Elektronen
auf der jeweiligen Schale ist) die ComptonStreuung immer wahrscheinlicher, bei der
das Photon nur einen Teil seiner Energie auf
ein mehr oder weniger stark gebundenes oder
ein (fast) freies Elektron überträgt und eine
Richtungsänderung erfährt. In Abb. O.5.6.1
ist dieser Prozess schematisch dargestellt. Es
handelt sich im klassisch-mechanischen Sin-
311
ne um einen normalen (elastischen) Stoß.
Die Behandlung der Wechselwirkung zwischen einem Photon mit der Energie E1 = h f1
und dem Impuls p1 = E1 /c0 mit einem freien
Elektron erfolgt demzufolge nach den Gesetzmäßigkeiten des elastischen Stoßes im
Laborsystem. Nach dem Stoß hat das Photon
die verminderte Energie E2 = h f2 und den
Impuls p2 = E2 / c0.
E2
freies Elektron
E1
γ - Quant
p1
gestreutes
Quant
p2
ϑ
ϕ
pe
Ee=E1 – E2
Compton-Elektron
Abb. O.5.6.1 Schematische Darstellung des
Compton-Effekts als Stoß zwischen einem Photon
und einem (quasi-) freien Elektron
Der Impuls des anfangs ruhenden Elektrons
ist null und seine Energie gleich der Ruheenergie m0e c02 . Dabei ist m0e die Ruhemasse
eines Elektrons und c0 die Vakuumlichtgeschwindigkeit. Das Rückstoßelektron (Compton-Elektron) bewegt sich mit relativ hoher
Geschwindigkeit v, so dass sich seine Masse
geschwindigkeitsabhängig und damit relativistisch ändert. Die Gesamtenergie, die sich
aus der Summe von Ruheenergie und Bewegungsenergie ergibt, sowie der Gesamtimpuls
bleiben beim Compton-Effekt erhalten.
Der relativistische Energieerhaltungssatz
liefert
m c2
(24)
h f1 m0 c02 h f 2 0 0 ,
1E2
wobei E der Quotient aus Geschwindigkeit
des Elektrons v und der Lichtgeschwindigkeit c0 im Vakuum ist. Der Impulserhaltungssatz lautet in Komponentenschreibweise z. B.
312 Optik und Atomphysik
5 Ionisierende Strahlung
in einem (x, y)-Koordinatensystem für die xRichtung
h f1
c0
m v
h f2
cos- 0e
cos M
c0
1 E 2
(25a)
m0e v
1 E 2
sin M
(25b)
E1
.
E1
1
1 cos- m0e c02
(26)
Häufig wird auch die Änderung der Wellenlänge der gestreuten Photonen in Abhängigkeit vom Streuwinkel - angegeben:
'O
1
0,5
h f2
sin - c0
für die y-Richtung. Aus den Erhaltungssätzen
kann die folgende Beziehung für die Energie
der gestreuten Strahlung erhalten werden:
E2
Erel
Elektron (1)
und
0
nen weisen daher ein breites Energiespektrum zwischen E2, min und E1 auf.
O 1 O 2
h
(1 cos- ) . (27)
me c0
Der Quotient h / (m 0e c0) = OC = 2,426 pm
wird auch als Compton-Wellenlänge OC bezeichnet. Sie ist identisch mit der Wellenlänge eines Photons, dessen Energie gleich der
Ruheenergie des Elektrons ist. Die Änderung
der Photonenenergie beim Compton-Effekt
hängt somit vom Streuwinkel - des Photons
ab. Es sind sämtliche Streuwinkel im Bereich
0 d - d 180° möglich. Bei kleiner Primärenergie ist die Winkelverteilung der gestreuten Photonen symmetrisch zu - = 90°. Mit
wachsender Energie EJ wird mehr und mehr
die Streuung in Vorwärtsrichtung (kleine
Winkel - ) bevorzugt. Gemäß Gl. (26) verliert
ein Photon bei Vorwärtsstreuung (- = 0)
keine Energie ( E2 E1 ). Den größten Energieverlust erleidet es bei Rückwärtsstreuung,
wenn der Streuwinkel - = 180° beträgt. Die
durch Compton-Effekt rückgestreuten Photo-
Photon (2)
π
0
ϑ/rad
2π
Abb. O.5.6.2 Zur Energie-Winkel-Abhängigkeit
bei Compton-Streuung
(1) Erel = Ee /E1, (2) Erel = E2 / E1
Der Rückstoßwinkel M des Compton-Elektrons liegt im Bereich 0 d M d 90°. Dieses
Elektron besitzt eine kinetische Energie zwischen Ee = 0 (für - = 0, M = 90° ) und einem
Maximalwert für - = 180°, M = 0. Im Energiespektrum der Rückstoßelektronen bestimmt Ee,max = EC die Lage der so genannten Compton-Kante. Die Größe von EC ist
gegeben durch
EC
2 E12
.
m0e c02 2 E1
(28)
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der
Compton-Effekt auftritt, kann mit quantenmechanische Berechnungen erhalten werden.
Sie steigt mit der Kernladungszahl und fällt
mit zunehmender Quantenenergie.
Der Streuquerschnitt je Elektron ist unabhängig von den Eigenschaften des Wechselwirkungsmaterials und in erster Näherung umgekehrt proportional von der Energie des
Primärphotons abhängig. Bei Elementen mit
kleiner Ordnungszahl tritt der ComptonEffekt zwischen 50 keV und 15 MeV und bei
Elementen mit hoher Ordnungszahl zwischen
0,5 MeV und 5 MeV als wahrscheinlichster
Wechselwirkungsprozess auf.
5.7 Röntgenstrahlung
313
Versuchsausführung
5.7 Röntgenstrahlung
Die Messungen erfolgen mit einem Röntgengerät mit Energiedetektor, das mit einem
computergestützten Messwerterfassungssystem verbunden ist. Als Streuobjekt wird für
diese Messungen ein Plexiglas-Körper verwendet. In Aufgabe 1 ist zunächst das Primärspektrum, d. h., das Emissionsspektrum
der Röntgenröhre (z. B. Mo-Anode mit ZrFilter) aufzunehmen. Dabei sind die am Arbeitsplatz angegebenen maximalen Betriebsparameter der Röntgenröhre zu beachten.
Die zu messende Röntgenstrahlung erzeugt
im Gehäuse des Röntgenenergiedetektors
zusätzlich Röntgenfluoreszenzstrahlung, die
ebenfalls registriert wird. Im Primärspektrum
sind daher neben der Mo KD- und der Mo KELinie auch die Au LD- und die Au LE-Linie zu
erwarten. Mit Hilfe dieser Linien kann die
Energiekalibrierung der Spektren durchgeführt werden (z. B. Mo KD-Linie: 17,44 keV,
Au LD-Linie: 9,71 keV).
Nach dem Entfernen der Abschwächerblende
sind der Probenhalter auf dem Goniometer zu
montieren sowie der Plexiglas-Streukörper
aufzulegen und festzuklemmen. Anschließend können mit den am Arbeitsplatz angegebenen Parametern des Emissionsstroms
und der Hochspannung weitere Spektren für
verschiedene Streuwinkel (in 30 GradSchritten) aufgenommen werden.
In Aufgabe 2 werden aus den aufgenommen
Spektren mit den jeweiligen Peak-Schwerpunkten die Energien E2 der gestreuten Photonen ermittelt und in Abhängigkeit vom
Streuwinkel in ein Diagramm eingetragen.
Die Energie nach der Streuung wird nach
Gl. (26) mit den Parametern E = 17,44 keV
(Mo KD-Linie) und m0e c02 = 511 keV für die
gemessenen Winkel in Aufgabe 3 berechnet.
In das energiekalibrierte Diagramm (EnergieIntensität-Abhängigkeit) werden die gemessenen Energien mit den berechneten Werten
eingetragen. Abweichungen außerhalb der
Messunsicherheiten sollen diskutiert werden.
Aufgabenstellung
1. Es ist das Röntgenfluoreszenzspektrum
eines Kalibriertargets aufzunehmen.
2. Die Röntgenfluoreszenzspektren unterschiedlicher Legierungen sind aufzunehmen.
Es ist eine qualitative Analyse des Fluoreszenzspektrums vorzunehmen, wobei die in
der Legierung vorhandenen Elemente bestimmt werden sollen.
3. Die quantitative Zusammensetzung einer
Messingprobe soll bestimmt werden.
Fluoreszenz ist eine charakteristische Leuchterscheinung bestimmter Stoffe, die bei deren
Bestrahlung mit Licht, Röntgen- oder Korpuskularstrahlung auftritt. Die Energie der
auftreffenden Strahlung wird zur Anregung
oder Ionisierung der Atome bzw. Moleküle
ausgenutzt und bei der Rückkehr in den
Grundzustand teilweise als sichtbares Licht
wieder abgegeben. Die Übergänge erfolgen
sehr schnell (< 10-5 s), so dass die Fluoreszenz im Gegensatz zur Phosphoreszenz nur
während der Bestrahlung sichtbar ist.
Röntgenstrahlung entsteht, wenn schnelle
Elektronen in Materie auf kurzem Wege abgebremst werden. Beim Auftreffen der Elektronen auf das Anodenmaterial wird deren
kinetische Energie in Wärme und Röntgenstrahlung umgewandelt. Gemäß den Gesetzen
der klassischen Elektrodynamik wird beim
Abbremsen elektromagnetische Strahlung
erzeugt, die für Elektronenenergien unter
50 keV überwiegend senkrecht zur Beschleunigungsrichtung, hier also senkrecht
zur Richtung der auf die Anode treffenden
Elektronen abgestrahlt wird. Dieser Anteil
der Röntgenstrahlung wird entsprechend
seiner Entstehung als Bremsstrahlung bezeichnet. Diese Bremsstrahlung hat ein kontinuierliches Spektrum (Abb. O.5.7.1), das
sich bis zu einer bestimmten maximalen Frequenz fmax oder einer minimalen Wellenlän-
314 Optik und Atomphysik
5 Ionisierende Strahlung
ge Omin erstreckt. Diese markante kurzwellige
Grenze wird allein durch die angelegte Beschleunigungsspannung der Röntgenröhre
bestimmt.
Überschreitet die Energie der Elektronen
einen bestimmten Wert, wird zusätzlich zur
kontinuierlichen Bremsstrahlung die im
Spektrum in Form von einzelnen Linien auftretende charakteristische Röntgenstrahlung
angeregt. Diese entsteht dadurch, dass energiereiche Elektronen tief in die Atomhüllen
des Anodenmaterials eindringen und dort
durch Stöße Elektronen aus kernnahen Schalen herausschlagen. Die entstehenden Lücken
werden unter Abgabe von Röntgenstrahlen
durch Elektronen aus den äußeren Schalen
der Atomhülle aufgefüllt.
schen Röntgenstrahlung: Die Schalen sind
durch eine bestimmte Bindungsenergie charakterisiert und werden von innen nach außen
mit den Buchstaben K, L, M, N usw. bezeichnet.
O
N
Mα M β
M
Lα Lβ Lγ
L
Kα Kβ Kγ K δ
Intensität
K
charakteristisches
Spektrum
Abb. O.5.7.2 Vereinfachtes Termschema eines
Atoms und Definition der K-, L- und M-Serie der
charakteristischen Röntgenstrahlung
Kα(1)
Kα(2)
Bremsspektrum
Kβ
λmin
λ
Abb. O.5.7.1 Röntgenspektrum mit Bremsstrahlungsspektrum und Spektrum der charakteristischen Röntgenstrahlung
Die Röntgenstrahlung ist für das Anodenmaterial typisch und entspricht ungefähr dem
optischen Linienspektrum eines Stoffs im
gas- oder dampfförmigen Zustand. Auch
Festkörper emittieren im Röntgenbereich
einzelne, scharfe Linien, deren Lage, anders
als das in den äußeren Schalen der Atomhülle
erzeugte sichtbare Licht, kaum von der chemischen Umgebung der emittierenden Atome
oder vom Aggregatzustand des Stoffs abhängt. Abb. O.5.7.2 verdeutlicht die dem
Schalenmodell der Atomhülle angepasste
Nomenklatur für die Linien der charakteristi-
Zwischen den Schalen sind Übergänge in
Übereinstimmung mit den Gesetzen der
Quantenmechanik möglich, die je nach Richtung mit der Absorption oder Emission von
Strahlung verbunden sind. Dabei tritt z. B.
Strahlung aus Übergängen zur K-Schale als
Serie benachbarter Linien auf, die mit KD,
KE, KJ usw. bezeichnet werden. Von KD ausgehend nimmt die Energie der Übergänge zu
bzw. die zugehörige Wellenlänge ab. Beim
Einsatz hochauflösender Goniometer wird
eine Aufspaltung der K-Linien nachweisbar.
Die KD-Linie spaltet dadurch z. B. in die
beiden dicht nebeneinander liegenden Linien
KD1 und KD2 auf (Feinstruktur als Folge der
Nebenquantenzahlen). Die Energie und damit
auch die Wellenlänge von Röntgenstrahlen
können mittels eines geeigneten Röntgenenergiedetektors sehr einfach bestimmt werden. Grundelement eines solchen Detektors
kann z. B. eine Halbleiterdiode sein, die zur
Verringerung des Rauschuntergrunds oft mit
einem Peltier-Element gekühlt wird. Be-
5.7 Röntgenstrahlung
315
strahlt man eine Probe mit hochenergetischen
Röntgenphotonen, emittiert diese charakteristische Röntgenstrahlung, deren Energie von
der Ordnungszahl des Elements des Probenmaterials abhängt. Nach dem von H. Moseley
empirisch gefundenen und nach ihm benannten Gesetz ist die Frequenz f der entsprechenden charakteristischen Linien proportional zum Quadrat der Ordnungszahl Z. In
Form einer allgemeinen Gleichung ausgedrückt lautet es:
f
§ 1
1 ·
f R ( Z K )2 ¨ 2 2 ¸ ,
© n1 n2 ¹
(29)
Rydberg-Frequenz fR, Abschirmungskonstante K, Hauptquantenzahlen der inneren (n1)
und äußeren (n2) Schale.
Wenn die Probe eine chemische Verbindung
oder ein Gemisch darstellt, ist auch ihr Fluoreszenzspektrum von komplexer Natur. Da
die inneren Elektronenschalen, zwischen
denen die Röntgen-Übergänge stattfinden,
nicht in die chemische Bindung einbezogen
werden, sind auch die charakteristischen
Linien weitgehend von der chemischen Bindung des Elements unabhängig. Somit sind
deren Röntgenfluoreszenz-Spektren in erster
Näherung eine Überlagerung von Spektren
ihrer Komponenten. Um eine qualitative
Analyse der chemischen Zusammensetzung
einer Probe durchzuführen, werden zunächst
alle im Fluoreszenzspektrum vorhandenen
Peaks den Elementen zugeordnet. Dies geschieht mit Hilfe von Tabellenwerten für die
Energien der charakteristischen Linien. Für
die Zuordnung wird auch das „Muster“ jeder
Spektralserie berücksichtigt. So muss zusammen mit der KD-Linie die KE-Linie mit
einer ca. fünf- bis zehnmal kleineren Intensität im Spektrum vorhanden sein. Die LDLinie erscheint in Begleitung von der LELinie mit ähnlicher Intensität und die LJLinie mit geringerer Intensität. Die Aussagen
über die relativen Anteile einzelner Elemente
in der Verbindung können anhand der relati-
ven Intensitäten ihrer Fluoreszenz-Linien
gemacht werden. Soll jedoch eine quantitative Analyse durchgeführt werden, spielen so
genannte Matrixeffekte eine wesentliche
Rolle. Die Oberflächenqualität und die geometrische Beschaffenheit der Probe sowie
spezielle Parameter (Ansprechzeit, Totzeit)
des Messsystems sind ebenfalls bei der Auswertung zu berücksichtigen. Zur quantitativen Bestimmung der Massenanteile in einer
Probe kann die Tatsache ausgenutzt werden,
dass die Höhe H0 eines Peaks eines elementaren Materials, z. B. eines reinen Metalls, zur
Anzahl der strahlenden Atome n0 proportional ist. Sie ist bestimmt durch:
n0
Sd
U
.
A
Dabei sind S die bestrahlte Fläche, d die effektive Schichtdicke, ȡ die Dichte und A das
Atomgewicht des Stoffs. Die Anzahl der
Atome in einer Legierung ergibt z. B. eine
Peak-Höhe H und in guter Näherung kann
mit der Verhältnisgleichung
H
H0
n n0
V
U H
A H0
(30)
der Wert von n ermittelt werden. H und H0
beschreiben die Höhen zugehöriger Peaks
des zu analysierenden Stoffs bzw. des Referenzmaterials (Elements) und V das analysierte Volumen. Für den relativen Masseanteil Ci des i-ten Elements in einer Legierung
ergibt sich damit
Ci
ni Ai
¦ ni Ai
i
Ui ( H i H 0 i )
.
¦ Ui ( H i H 0 i )
(31)
i
Versuchsausführung
Die Messungen werden mit einem Röntgengerät durchgeführt, das eine Molybdänanode
enthält. Die Röhrenhochspannung liegt erfahrungsgemäß im kV-Bereich, und die Messungen sind bei kleinen Emissionsströmen zu
316 Optik und Atomphysik
beginnen. Die Aufnahme der Energiespektren erfolgt mit einem computergestützten
Messwerterfassungssystem, wobei zur Impulshöhenanalyse ein Energiedetektor (Vielkanalanalysator) verwendet wird. Der Energiedetektor wird senkrecht zum Röntgenstrahl positioniert und die Probe auf dem
Probenhalter unter einem Winkel von
45 Grad unterhalb des Energiedetektors befestigt. Zur Energiekalibrierung nimmt man
bei Aufgabe 1 das Energiespektrum eines
Kalibriertargets (verzinkter Stahl) auf und
ordnet die Peaks den beiden Elementen zu.
Mit bekannten Energien, z. B. der Fe-KĮLinie (6,40 keV) und der Zn-KĮ-Linie
(8,63 keV) erfolgt eine Zweipunktkalibrierung der Energiekanäle des Detektors.
Nach erfolgter Energiekalibrierung werden in
Aufgabe 2 in gleicher Weise die Spektren der
verschiedenen Legierungen aufgenommen
und die jeweiligen Peak-Schwerpunkte bestimmt. Die damit erhaltenen Energiewerte
werden mit den am Arbeitsplatz ausliegenden
Tabellenwerten bzw. mit den in der bereitgestellten Software enthaltenen Referenzwerten
verglichen. Anschließend können die Komponenten der Legierungen bestimmt werden.
Bei Aufgabe 3 werden zunächst die Peaks im
Spektrum der Messingprobe (Cu-ZnLegierung) identifiziert. Da es zwischen den
Peaks von Cu und Zn zu einer teilweisen
Überlagerung kommt, ist eine Entfaltung mit
separaten Gauß-Kurven erforderlich. Aus den
mit einer zur Verfügung gestellten Software
angepassten Gauß-Verteilungen werden die
Höhen Hi der jeweiligen Peaks ermittelt und
mit den Referenzspektren der identifizierten
Elemente erhält man die zugehörigen PeakHöhen H0 i. Mittels Gl. (31) kann dann der
prozentuale Anteil der ermittelten Bestandteile des Messings berechnet werden. Die erforderlichen Dichten sind dem Anhang A.7 zu
entnehmen. Auf Grund von sekundären Fluoreszenzerscheinungen in Kupfer-ZinkLegierungen kann ein zu hoher Kupfergehalt
erhalten werden.
6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik
6 Fundamentale Konstanten und Effekte der
Physik
6.0 Grundlagen
Viele physikalische Gesetze enthalten Fundamentalkonstanten, die die Eigenschaften
des Vakuums sowie fundamentale Wechselwirkungen charakterisieren und nur durch
Experimente bestimmt werden können. Dazu
gehören u. a. die Lichtgeschwindigkeit im
Vakuum c0, die Elementarladung e, die Avogadro-Konstante NA, die Boltzmann-Konstante k, das Planck’sche Wirkungsquantum h,
die Elektronenmasse me und die Gravitationskonstante G. Im Folgenden werden Methoden zur Bestimmung von Fundamentalkonstanten beschrieben, die relativ einfache
Versuchsanordnungen erfordern.
Die Elementarladung e kann z. B. mit Hilfe
des Millikan-Versuchs (O.6.2) ermittelt werden. Bei einem einwertigen Elektrolyten ist
die Faraday-Konstante F die bei der Elektrolyse überführte Ladungsmenge Q pro Mol
F = Q/NA und bei Kenntnis von e kann man
die Avogadro-Konstante bestimmen:
NA
F
.
e
(1)
Die Bedeutung der Avogadro-Konstante liegt
darin begründet, dass mit ihr eine Umrechnung von mikroskopischen auf makroskopische Größen möglich ist. Bei Kenntnis von
NA lassen sich weitere Fundamentalkonstanten berechnen. Die Protonenmasse mp lässt
sich z. B. durch Wägung aus der Masse M
eines Mols Wasserstoff bestimmen. Da
M(H2)/NA gleich der Masse von zwei Wasserstoffatomen ist, folgt
mp
1 M H2 me .
2 NA
(2)
6.1 Lichtgeschwindigkeit
317
Dabei liefert die Elektronenmasse me nur eine
geringe Korrektur. Analog ergibt sich die
Neutronenmasse mn aus der Wägung von
Deuterium. Die Boltzmann-Konstante k lässt
sich mit der bekannten Gaskonstanten R mit
k
R
NA
(3)
berechnen. Die Größe von R kann z. B. mit
einer Methode bestimmt werden, bei der man
eine genau messbare Ladung einer bekannten
Gasmenge durch Elektrolyse abscheidet und
deren Zustandsgrößen Druck p, Volumen V
und Temperatur T misst. Eine Bestimmung
der Elektronenmasse me kann durch die Messung der Ablenkung von Elektronenstrahlen
in einem magnetischen Feld bestimmt werden (O.6.4). Es ergibt sich die spezifische
Ladung e/me, aus der man me mit dem bekannten Wert für e berechnen kann.
Alle Methoden zur Bestimmung des
Planck’schen Wirkungsquantums h beruhen
auf dem quantenhaften Charakter der Wechselwirkung zwischen Licht und Materie. Am
einfachsten zu überblicken ist die Ermittlung
von h/e aus der Einstein’schen Gleichung
zum äußeren Photoeffekt (O.6.3.1) oder aus
der kurzwelligen Grenzwellenlänge des
Spektrums der Röntgenstrahlung (O.6.3.2).
Während diesen Methoden die Umwandlung
der Energie eines Lichtquants in kinetische
Energie zugrunde liegt, stellt der FranckHertz-Versuch (O.6.5) im physikalischen
Sinne die Umkehrung dazu dar: Die kinetische Energie von Elektronen wird bei unelastischen Zusammenstößen mit Atomen in die
Energie eines Lichtquants umgewandelt.
Dieser Versuch vermittelt die Realisierung
einer Messmethode zur Bestimmung von h/e,
wenn man neben den Anregungspotentialen
auch die Frequenz des emittierten Lichts
misst. Als eine weitere Methode zur Ermittlung von h wird in O.6.6 die Berechnung von
h aus der Rydberg-Konstanten des Wasserstoffatoms beschrieben.
6.1 Lichtgeschwindigkeit
Aufgabenstellung
1. Die Lichtgeschwindigkeit c ist in verschiedenen Stoffen mit einem elektronischen
Modulationsverfahren zu bestimmen.
2. Es soll die Brechzahl n verschiedener Stoffe ermittelt werden.
Die Geschwindigkeit des Lichts im Vakuum c0 gehört zu den Naturkonstanten. Wie
die Relativitätstheorie beschreibt, ist sie unabhängig von den Geschwindigkeiten der
Quelle bzw. des Empfängers. In einem Stoff
(Medium) ergibt sich die Geschwindigkeit
des Lichts aus den Maxwell‘schen Gleichungen zu
c
1
H H 0 P P0
.
(4)
Dabei sind H0 die elektrische, P0 die magnetische Feldkonstante, H die Dielektrizitäts- und
P die Permeabilitätszahl des Mediums.
Die Brechzahl n eines Mediums ist das Verhältnis der Geschwindigkeiten des Lichts im
Vakuum c0 und im entsprechenden Medium c
n
c0
c
PH .
(5)
Für die meisten transparenten Stoffe ist ȝ = 1.
Die Dielektrizitätszahl H und die Brechzahl n sind frequenz- bzw. wellenlängenabhängige Größen, d. h., es gilt n = n (O) (Dispersion O.3.0.1).
Versuchsausführung
Bei der eingesetzten Methode wird die Geschwindigkeit eines sinusförmig modulierten
Lichtsignals durch Phasenvergleich bestimmt. Der Abstand zweier Messpunkte
gleicher Phase ist dann ǻs = Ȝ. Eine zusätzliche Messung der Modulationsfrequenz erlaubt die Berechnung der Ausbreitungsge-
318 Optik und Atomphysik
6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik
schwindigkeit c aus der fundamentalen Beziehung der Wellenausbreitung
c O f .
(6)
Gl. (6) ist eine Dispersionsrelation, die Teilchen- (Frequenz f) und Welleneigenschaften
(Wellenlänge Ȝ) über die Größe der Ausbreitungsgeschwindigkeit c miteinander verknüpft. Die Modulation ist erforderlich, da
die Frequenz des Lichts f § 1015 Hz nicht
direkt messbar und die Messung der Wellenlänge zwar prinzipiell möglich, aber sehr
aufwendig ist. Beträgt dagegen die Frequenz
der Modulationswelle z. B. f = 50 MHz, ist
die Wellenlänge Ȝ § 6 m.
Für die Durchführung der Messungen wird
rotes Licht einer Senderdiode (LED, Light
Emitting Diode) mit bekannter Wellenlänge O verwendet. An der Senderdiode liegt
eine hochfrequente Wechselspannung an, so
dass die Intensität des emittierten Lichts periodisch moduliert wird. Der Modulationsfrequenz von 50 MHz entspricht eine Periodendauer von T = 2·10-8 s. Das Licht, das
nach Durchlaufen einer gewissen Wegstrecke
auf die Empfängerdiode (Photodiode) trifft,
erzeugt an dieser eine Wechselspannung mit
der gleichen Frequenz, die Phasenlage wird
im Allgemeinen jedoch verschieden sein.
Über die Phasenbeziehung zwischen beiden
Spannungen ist zunächst keine Aussage möglich, da die einzelnen Perioden nicht unterschieden werden können. Misst man jedoch
den Lichtweg, für den die Phasenverschiebung null ist, und einen zweiten Lichtweg,
für den sich die Phasenlage des Empfängersignals gerade um 180° (im Bogenmaß ʌ)
verschoben hat, kann die Laufzeitdifferenz
zwischen den beiden Lichtwegen z. B. für
f = 50 MHz errechnet werden:
't
1 1
2 f
108 s .
(7)
Mit der Differenz ǻl beider vom Licht durch-
laufenen Wegstrecken ergibt sich für die
Lichtgeschwindigkeit:
c
'l 't .
(8)
Ein sehr empfindlicher Phasenvergleich ist
mit Hilfe eines Oszilloskops möglich. Legt
man die beiden zu vergleichenden Wechselspannungen an den X- und den Y-Eingang
des Oszilloskops, erscheint auf dem Bildschirm eine Lissajous-Figur. Bei zwei Spannungen gleicher Frequenz ergibt sich eine
Ellipse (da die Amplituden der Spannungen
nicht exakt gleich sein werden). Die Lage der
Ellipse hängt vom Phasenverhältnis beider
Spannungen ab (vgl. E.3.1). Beim Phasenunterschied null oder ʌ (bzw. ganzzahlige Vielfache von ʌ) wird die Ellipse zu einer Geraden. Das zur Messung der Lichtgeschwindigkeit verwendete Gerät gestattet keinen direkten Vergleich der Phasenverschiebung bei
50 MHz. Deshalb wird den Spannungen von
Sender
und
Empfänger
(Frequenz
f1 = 50,1 MHz) zusätzlich eine hochfrequente
Spannung der Frequenz f2 = 50,05 MHz über
lagert (Abb. O.6.1.1). Die zur Anwendung
kommende Methode wird auch als multiplikative Mischung bezeichnet. Diese verwendet man häufig zur Konvertierung eines Signals hoher Frequenz in ein Signal tieferer
Frequenz unter Beibehaltung der ursprünglichen Phaseninformation. Dabei wird ein
hochfrequentes Signal uA(t) mit der Frequenz f1 mit einem Signal uB(t) der Frequenz
f2 multipliziert, dessen Frequenz sich nur
wenig von der Frequenz des Originalsignals
unterscheidet. Nach der multiplikativen Mischung ergibt sich ein zusammengesetztes
Signal uM (t ) mit einer tieferen (Differenzfrequenz f1 f 2 ) und einer höheren Frequenz
(Summenfrequenz f1 f 2 ):
uM (t ) uA (t ) uB (t )
uˆA cos(2 ʌ f1 t M ) uˆB cos(2 ʌ f 2 t ) ,
6.1 Lichtgeschwindigkeit
uM (t )
319
­cos[2 ʌ ( f1 f 2 ) t M ] ½
1
uˆA uˆB ®
¾.
2
¯cos[2 ʌ ( f1 f 2 t ) M ] ¿
Durch Abtrennung des hochfrequenten Anteils mittels elektronischer Filterung verbleibt
im Signal nur noch die tieffrequente Komponente.
S
f
Hz
f
1000
G
50,1MHz
G
X
50,05MHz
Y
ϕ
Δx
Abb. O.6.1.1 Schema des Versuchsaufbaus zur Messung der Lichtgeschwindigkeit in Luft mit einem
Modulatiosnverfahren (multiplikative Mischung)
Dementsprechend lässt sich das Ausgangssignal am Ausgang der elektronischen
Mischstufe durch
uM (t )
1
uˆA uˆB cos ¬ª 2ʌ f1 f 2 t M ¼º
2
beschreiben, wobei die Phasenverschiebung
konstant bleibt. Jedoch entspricht diese Phasenverschiebung jetzt einer anderen Zeitskala
als derjenigen bei der ursprünglichen Modulationsfrequenz von f1, da die Zeitskala um
den Faktor f1/(f1f2) größer geworden ist.
Dementsprechend gilt für eine Zeitdifferenz 't die Umrechnung
't
f1 f 2
' tM .
f1
Dabei ist 'tM die nach der Mischung z. B.
mit einem Oszilloskop gemessene Zeitdiffe-
renz zwischen Empfänger- und Sendersignal,
letzteres in derselben Weise wie das Empfängersignal gemischt. In dem oben beschriebenen Beispiel ergeben sich zwei Spannungen mit einer Frequenz von etwa 50 kHz
für die Messung zum Phasenvergleich.
Der Umlenkspiegel (S) und die Linsen werden so justiert, dass die hin- und zurücklaufenden Lichtstrahlen parallel zur Grundplatte
verlaufen und das Signal der Empfangsdiode
maximal wird. Zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit in Luft wird der Umlenkspiegel zuerst möglichst dicht an das Betriebsgerät gestellt. Mit Hilfe eines Phasenreglers
wird die Lissajous-Figur am Oszilloskop zu
einer Linie (z. B. Gerade mit positivem Anstieg) verformt. Nun wird der Spiegel um ǻx
verschoben, bis sich die Phase um ʌ geändert
hat. Diese Messungen sind mehrmals zu wiederholen.
320 Optik und Atomphysik
6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik
Zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit in
einem vorgegebenen Medium wird dieses so
in den Strahlengang gebracht, dass die Endflächen senkrecht zur optischen Achse stehen. Mit Hilfe des Phasenabgleichs wird die
Lissajous-Figur am Oszilloskop zunächst
wieder zu einer Linie verformt. Das Medium
wird dann aus dem Strahlengang entfernt und
der Spiegel um ǻx soweit verschoben, bis die
Lissajous-Figur wieder die gleiche Phase wie
bei der Messung mit dem Medium aufweist.
Mit Hilfe eines Digitalzählers kann die Frequenz f / 1000 mit hoher Genauigkeit überprüft werden. Bei allen Messungen ist eine
exakte Justierung des Strahlengangs erforderlich (maximale Intensität auf der Empfängerfläche der Photodiode). Steht keine Spiegelanordnung zur Reflexion des ausgesendeten
Lichtstrahls zur Verfügung, reduziert sich der
Lichtweg auf den einfachen Abstand zwischen Sender und Empfänger. Dann wird es
zweckmäßig sein, die Phasenverschiebung
bzw. die Zeitverschiebung zwischen Senderund Empfängersignal für verschiedene Wegstrecken des Lichts zu messen und diese statistisch oder graphisch auszuwerten.
Zur Messung der Lichtgeschwindigkeit bei
Aufgabe 1 in Luft wird der Lichtweg um
ǻl = 2ǻx (Abb. O.6.1.1) vergrößert, so dass
eine Phasenänderung um ʌ eintritt. Das Licht
benötigt für diesen Weg
't
'l
't
4 'x f .
t1
1
1
(l1 lM ) +
lM .
cL
cM
(1)
M lM
(10)
x2
Δx
x1
x2
(2)
Abb. O.6.1.2 Messung der Lichtgeschwindigkeit
für transparente Medien: Messung mit Medium M (1) und mit Luft (2)
Mit der zweiten Messung (ohne Medium)
legt das Licht die Strecke l2 = l1 + 2ǻx in der
Zeit
t2
1
(l1 2 ǻ x)
cL
(11)
zurück. Da die Phasenbeziehung zwischen
Sender und Empfänger in beiden Fällen
gleich ist, gilt demzufolge
1
,
2f
wobei f die Modulationsfrequenz des roten
Lichts, 50,1 MHz ist. Damit ergibt sich für
die Lichtgeschwindigkeit cL in Luft:
cL
Bei der ersten Messung (mit Medium) legt
das Licht in der Zeit t1 eine Gesamtstrecke
l1 = 2 x1 + x2 zurück, wobei die Strecke
(l1lM) mit der Lichtgeschwindigkeit cL und
die Strecke lM mit cM durchlaufen wird. Damit ergibt sich für t1
(9)
Anschließend wird die Messung der Lichtgeschwindigkeit in einem transparenten Medium mit Hilfe von Vergleichsmessungen
durchgeführt (Abb. O.6.1.2).
t1
t2 k
f
,k
0,1, 2,3,... .
(12)
Mit der in sehr guter Näherung erfüllten Beziehung cL = c0 folgt für die Brechzahl n
n
c0
cM
1
2'x k cL
.
lM
f lM
(13)
Die Messungen sind für zwei verschiedene
Medien durchzuführen.
6.2 Elementarladung
6.2 Elementarladung
Aufgabenstellung
Es ist die Elementarladung durch Messen der
Sink- und Steiggeschwindigkeit von Öltröpfchen im elektrischen Feld einer MillikanKammer zu ermitteln. Die Messwerte sollen
in einem Histogramm graphisch dargestellt
und statistisch ausgewertet werden.
Kleine Flüssigkeitströpfchen sind im Allgemeinen geladen. Ihre Ladung ist notwendigerweise ein ganzzahliges Vielfaches der
Elementarladung. Betrachtet man ein in Luft
befindliches geladenes Tröpfchen in einem
vertikal gerichteten elektrischen Feld E, wirken die Beträge der folgenden Kräfte:
1. Summe von Schwerkraft F0 im Gravitationsfeld der Erde und Auftriebskraft FA in
Luft:
F0 FA
4ʌ 3
r ( U UL ) g .
3
2. Stokes’sche Reibungskraft in Luft (M.6.1):
FW
6 ʌK r v .
Das Minuszeichen steht, weil die Reibungskraft immer der beabsichtigten Bewegungsrichtung entgegengerichtet ist.
3. Elektrische Kraft:
Fe
rqE ,
Ihre Richtung hängt von der Richtung des
Felds ab (positives Vorzeichen bedeutet
Feldstärke in Richtung der Schwerkraft für
positive Ladungen).
Dabei sind r der Radius, q die Ladung und U
die Dichte des Tröpfchens, U L die Dichte der
Luft, K der Koeffizient der inneren Reibung
der Luft und E die Feldstärke.
Unter Einwirkung dieser Kräfte bewegt sich
das Tröpfchen bereits nach kurzer Zeit
321
gleichförmig mit der Geschwindigkeit v. Sind
elektrisches Feld und Schwerkraft gleichgerichtet, ergibt sich
4ʌ 3
r ( U U L ) g 6ʌK rv qE
3
0 , (14a)
sind sie entgegengerichtet, erhält man
4ʌ 3
r ( U U L ) g 6ʌK rv qE
3
0 . (14b)
Ohne elektrisches Feld errechnet man die
Fallgeschwindigkeit v0 aus
4ʌ 3
r ( U U L ) g 6ʌK rv0
3
0 .
(14c)
Die Addition der Gln. (14a) und (14b) liefert
8ʌ 3
r ( U UL ) g
3
6ʌK r (v v ) ,
woraus sich der Tröpfchenradius ergibt:
r
3
2
K (v v )
.
g ( U UL )
(15)
Bildet man die Differenz der Gln. (14a) und
(14b) und berücksichtigt außerdem Gl. (15),
erhält man für die Ladung des Tröpfchens
q
3ʌ K r (v v )
E
(16)
bzw.
q
9
K3
1
˜
ʌ
2
g ( U U L ) E
(16a)
(v v ) (v v ) .
Die Gleichung für die Stokes’sche Reibungskraft setzt voraus, dass sich die kugelförmigen Tröpfchen in einem homogenen Medium
bewegen. Diese Voraussetzung ist aber bei
dem vorliegenden Experiment nur schlecht
erfüllt, da die Radien der Tröpfchen r in der
Größenordnung der mittleren freien Weglänge O in Luft bei Normaldruck liegen. Diese
322 Optik und Atomphysik
6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik
Tatsache wird durch eine Korrektur der dynamischen Viskosität der Luft berücksichtigt
(Cunningham-Korrektur):
1
§
O·
K K0 ¨1 0,63 ¸ .
r¹
©
(17)
Die Viskosität K0 beschreibt den für große
Tröpfchendurchmesser gültigen Koeffizienten der inneren Reibung. Bei der Berechnung
von q nach Gl. (16) muss deshalb die Viskosität nach Gl. (17) verwendet werden, wobei
der Wert von O bekannt und der Tröpfchenradius experimentell zu ermitteln ist.
Versuchsausführung
Zur Messung werden in einen seitlich beleuchteten Kondensator (Abb. O.6.2.1) Öltröpfchen mit Hilfe eines Zerstäubers eingeblasen, wodurch gleichzeitig eine Ladung der
Öltröpfchen erfolgt.
Gesichtsfeld
Polwender
E
U0
Kondensator
Abb. O.6.2.1 Schema des Versuchsaufbaus zur
Bestimmung der Elementarladung nach Millikan
Diese Tröpfchen beobachtet man mit einem
Mikroskop mit kalibrierter Okularskala; die
optische Achse des Mikroskops steht dabei
senkrecht zum elektrischen Feld und zum
einfallenden Licht (Dunkelfeldbeleuchtung,
die Tröpfchen erscheinen hell auf dunklem
Grund). Man wählt ein Tröpfchen aus, schaltet das elektrische Feld ein und ermittelt die
Zeit, in der es eine bestimmte Anzahl von
Marken der Okularskala passiert.
Noch ehe das Tröpfchen den Skalenrand
verlässt, polt man das Feld um und misst in
gleicher Weise bei entgegengesetzt gerichte-
tem Feld die Zeit für die zurückgelegte
Wegstrecke. Anschließend bestimmt man die
Geschwindigkeit v0 des freien Falls ohne
elektrisches Feld. Zur Auswertung überprüft
man zunächst, ob die folgende Beziehung
2v0
v v
innerhalb der Fehlergrenzen der Geschwindigkeitsmessung erfüllt ist. Ist das nicht der
Fall, sind die Messwerte infolge von Umladungen des Tröpfchens während der Messung verfälscht und deshalb unbrauchbar.
Ist obige Beziehung erfüllt, berechnet man
zunächst nach Gl. (15) den Tröpfchenradius r. Man setzt hier für K näherungsweise
K | K0. Für die Berechnung von K0 wird die
zugeschnittene Größengleichung
K0
kgm1s 1
[1,835 ˜105 4,9 ˜108 (20 - )]
genutzt, dabei ist - der Zahlenwert der in
Grad Celsius gemessenen Temperatur im
Kondensator. Die Temperatur wird mit einem
Digitalthermometer mehrfach während der
gesamten Versuchszeit gemessen. Mit Hilfe
des so gewonnenen Näherungswerts für den
Tröpfchenradius berechnet man nach Gl. (17)
den für diesen Radius gültigen K -Wert
( O = 6˜10-8 m für Luft unter Normbedingungen). Die Feldstärke E ermittelt man aus der
angelegten Spannung U0 und dem bekannten
Abstand d der Kondensatorplatten; für die
Dichte U der Tröpfchen benutzt man den
Wert für das verwendete Öl. Es sind möglichst viele Tröpfchen auszumessen; die Größe der Elementarladung erhält man aus den
q-Werten als größten gemeinsamen Teiler.
Eventuell auftretende Strömungseffekte, die
z. B. durch das Einströmen der Öltröpfchen
und Temperaturdifferenzen verursacht werden, können zu Turbulenzen in der Messkammer und damit zu systematischen Abweichungen führen. Ein geeigneter Wärmefilter kann den Wärmeeintrag in die Konden-
6.3 Planck’sches Wirkungsquantum
323
satorkammer durch die Beleuchtungsquelle
abschwächen. Um die Genauigkeit bei der
Zuordnung zu den Vielfachen der Elementarladung zu erhöhen, kann mit einem bereits
aus mehreren hundert Messungen bestehender Datensatz und den eigenen Ergebnissen
ein Häufigkeitsdiagramm angefertigt und
statistisch analysiert werden.
6.3 Planck’sches Wirkungsquantum
6.3.1 Äußerer Photoeffekt
Aufgabenstellung
Es sind das Planck‘sche Wirkungsquantum
und die Grenzfrequenz zu bestimmen.
Als äußeren photoelektrischen Effekt bezeichnet man die Erscheinung, dass durch
Einwirkung von elektromagnetischer Strahlung Elektronen aus einem Material freigesetzt werden, wobei das ursprünglich eingestrahlte Photon im Material (vollständig)
absorbiert wird. In Abb. O.6.3.1 ist das Prinzipschema des Versuchsaufbaus zur Messung
des äußeren lichtelektrischen Effekts dargestellt.
quelle, einem Strom- und Spannungsmessgerät, einer Beleuchtungseinrichtung und einer
Photozelle. Letztere stellt im Allgemeinen
einen evakuierten Kolben dar, in dem sich
die Photokatode und die Anode, die zum
Sammeln der aus der Kathode ausgelösten
Elektronen dient, befinden. Fällt nun Licht
(Abb. O.6.3.1) auf die Photokathode, ist (unter bestimmten Voraussetzungen) am Messgerät ein Stromfluss nachweisbar.
Zum Verständnis dieses Phänomens ist es
von Vorteil, sich zunächst die physikalische
Zustand in der Photokatode zu veranschaulichen (Potentialtopf-Modell Abb. O.6.3.2).
Metalle sind elektrische Leiter mit Elektronen als frei bewegliche Ladungen (Elektronengas) und positiv geladenen Atomrümpfen
(Metallgitter). Die Wechselwirkung beider
kann hierbei zunächst vernachlässigt werden.
Soll ein Elektron aus dem Gitterverband herausgelöst werden, muss dem Elektron Energie zugeführt werden. Alle Elektronen im
Metallinneren haben auch bei T = 0 eine von
Null verschiedene kinetische Energie Ekin,i,
die aber einen bestimmten Betrag, die so
genannte Fermi-Energie EF, nicht übersteigt.
EF ist somit das höchste Energieniveau eines
Elektrons im Metall bei T = 0.
E
K
-
A
Ekin,a
hf
hf
Φ
EA
Metall
A
Außenraum
EF
V
Epot,a
Epot,i
e-
Ekin,i
x
+ –
U
Abb. O.6.3.1 Prinzip des Versuchsaufbaus beim
äußeren photoelektrischen Effekt
Der Messplatz besteht aus einer Spannungs-
Abb. O.6.3.2 Potentialtopfmodell für freie Elektronen an der Grenzfläche Metall/Vakuum
Bei höheren Temperaturen ist diese Grenze
nicht mehr so scharf, was auf die zusätzliche
324 Optik und Atomphysik
6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik
thermische Energie der Elektronen zurückzuführen ist. Dieses Verhalten ist aber in diesem Versuch nicht von Bedeutung, da dieser
Effekt unterhalb der Nachweisgrenze der
Apparatur liegt. In Abb. O.6.3.2 (Potentialtopfmodell) ist ein freies Elektron durch seine Gesamtenergie Eges = Epot + Ekin charakterisiert. Es muss dem Elektron also noch die
Energie EA zugeführt werden, damit es den
Potentialtopf verlassen kann. Man bezeichnet
diejenige Energie, die benötigt wird, um
Elektronen von der Fermi-Energie aus dem
Potentialtopf ins Vakuum zu bringen und die
spezifisch für das jeweilige Metall ist, als
Austrittsarbeit ). Wird also dem Elektron
(das im Metallinneren eine Energie Ekin,i < EF
besitzt und somit einen energetischen Abstand EA vom Vakuumniveau Epot,a hat) eine
Energie E > EA > ) zugeführt, besitzt es im
Außenraum eine kinetische Energie von
Ekin,a
me va 2
2
E EA .
(18)
Wird die Energie nun in Form von Licht
zugeführt, kann man folgende Sachverhalte
zusammenfassen:
1. Das Auftreten des photoelektrischen Effekts hängt nicht von der Intensität des eingestrahlten Lichts ab, sondern nur von dessen
Frequenz f.
2. Dieses Verhalten ist nur erklärbar, wenn
dem Licht auch ein Impuls und damit Teilchencharakter zugesprochen wird. Die Lichtteilchen (Photonen) stoßen mit den Elektronen zusammen und geben ihren Impuls und
ihre Energie an diese weiter.
3. Photonen haben eine Energie E = h f,
wobei die Proportionalitätskonstante das
Planck‘sche Wirkungsquantum h ist.
Bei dem beschriebenen Versuchsaufbau muss
vermieden werden, dass auch aus der Anode
Elektronen ausgelöst werden. Deshalb be-
steht die Anode in der Regel aus einem dünnen ringförmig angeordneten Draht. Weiterhin verwendet man als Anodenmaterial ein
Metall möglichst hoher Austrittsarbeit, während die Kathode aus einem Material mit
möglichst niedriger Austrittsarbeit hergestellt
ist (z. B. Kalium). Der photoelektrische Effekt lässt sich demnach auch in Form des
Energieerhaltungssatzes darstellen, wobei
va,max die Geschwindigkeit der Elektronen im
Außenraum ist, die im Metallinneren die
Fermi-Energie
h f
2
me va,max
2
+)
(19)
hatten. Diese Tatsache macht man sich bei
der Bestimmung des Planck‘schen Wirkungsquantums h zu Nutze. Legt man eine
Gegenspannung zwischen Photokatode und
Anode an, so dass der Photostrom gerade
verschwindet, entspricht diese neue Potentialbarriere gerade der Energie der schnellsten
Elektronen. Für die Gegenspannung UG ergibt sich damit:
UG
2
me va,max
2e
1
h f ) .
e
(20)
Versuchsausführung
Zur Messung der Gegenspannung bei der
Gegenfeldmethode wird die in Abb. O.6.3.3
dargestellte Schaltung genutzt.
Zur Strommessung ist ein Gerät mit geringem Spannungsabfall zu verwenden, ggf.
muss ein Gleichstromverstärker eingesetzt
werden. Für die Beleuchtung der Photozelle
kann man die Spektrallinien von Quecksilber
nutzen, die mit geeigneten Filtern oder einem
Monochromator aus dem Spektrum ausgeblendet werden. Bei jeder Lichtwellenlänge
wird durch Einregeln des Potentiometers die
Gegenspannung so eingestellt, dass kein
Stromfluss mehr nachweisbar ist. Wesentlich
für eine exakte Bestimmung ist dabei eine
6.3 Planck’sches Wirkungsquantum
stabile und reproduzierbare Einstellung des
Nullpunkts des hochempfindlichen Strommessgeräts.
V
A
Rs
U
Abb. O.6.3.3 Schaltung zur Messung der Gegenspannung UG in einer Photozelle bei der Gegenfeldmethode (Vorwiderstand RS), Photostrom I
wird mit einem hochempfindlichen Strommessgerät erfasst
Wird die jeweilige gemessene Spannung UG
über der Frequenz f des eingestrahlten Lichts
graphisch dargestellt, erhält man eine Gerade
mit der Steigung h/e. Ist e aus anderen Versuchen (z. B. Millikan-Experiment, O.6.2)
bekannt, kann aus dem Anstieg der so genannten Einstein’schen Geraden die Größe
von h bestimmt werden. Aus Gl. (20) folgt,
dass aus dem Ordinatenabschnitt die Austrittsarbeit ) bestimmt werden kann. Es handelt sich jedoch dabei nicht, wie man zunächst vermutet, um die Austrittsarbeit der
Kathode ) K.
Werden zwei Metalle mit unterschiedlicher
Austrittsarbeit elektrisch leitend miteinander
verbunden, bildet sich eine Kontaktspannung
UK aus. Deren Größe wird durch die Differenz der Austrittsarbeiten beider Metalle
1
()A )K )
(21)
e
bestimmt, wobei )A die Austrittsarbeit der
UK
325
Anode ist. Messtechnisch kann aber nur die
Summe aus Gegenspannung und Kontaktspannung ermittelt werden. Bei Kombination
der Gln. (20) und (21) wird die Austrittsarbeit )K der Kathode eliminiert und der Ordinatenabschnitt ergibt die Austrittsarbeit der
Anode. Die Austrittsarbeit aus einer Metalloberfläche hängt sehr stark von der Kristallorientierung und von Verunreinigungen der
Oberfläche (z. B. durch Restgasatome und
Oxidation) ab. Deshalb ist der Photoeffekt
wenig geeignet zur Bestimmung von Austrittsarbeiten. Ist h f < ), genügt die bei der
Absorption des Lichts von den Elektronen
aufgenommene Energie nicht zur Überwindung der Austrittsarbeit, es treten keine
Elektronen aus. Der äußere lichtelektrische
Effekt tritt daher nur oberhalb der Grenzfrequenz fg mit der Grenzwellenlänge Og auf:
h c0
Og
.
(22)
)
Nach den bisherigen theoretischen Betrachtungen ist zu erwarten, dass für negative Vorspannungen größer als die Gegenspannung UG kein Stromfluss festgestellt wird. In
der Praxis ist dies aber nicht der Fall. Da sich
auf der Gegenelektrode (Anode) nach einiger
Zeit Kathodematerial ablagern kann, wird so
auch die Gegenelektrode bei indirektem
Lichteinfall zu einer Photokathode. Dieser
sehr geringe Strom kann zu einer erheblichen
Verfälschung der Gegenspannung führen,
wenn der Nullpunkt der Strommessung nicht
hinreichend genau bestimmbar bzw. stabil ist.
Abschirmung
V
Abb. O.6.3.4 Messschaltung zur Bestimmung der
Gegenspannung mit Hilfe der Kompensationsmethode
326 Optik und Atomphysik
6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik
Bei der Kompensationsmethode nach
Abb. O.6.3.4 erfolgt die Beleuchtung der
Photozelle in Analogie zur Gegenfeldmethode. Bei dieser Messmethode wird jedoch ein
Kondensator durch die freigesetzten Elektronen so lange geladen, bis die Spannung U
über dem Kondensator, die mit einem hochohmigen Spannungsmessgerät gemessen
wird, gleich der Gegenspannung UG ist. Vor
jeder neuen Messung ist der Kondensator mit
dem Taster zu entladen. Die Auswertung
erfolgt analog zur Gegenfeldmethode.
6.3.2 Röntgenbremsspektrum
Aufgabenstellung
1. Es ist das Bremsstrahlungsspektrum bei
verschiedenen Beschleunigungsspannungen
aufzunehmen.
2. Aus den Bremsstrahlungsspektren soll die
jeweilige Grenzwellenlänge der Röntgenbremsstrahlung ermittelt und damit das
Planck‘sche Wirkungsquantum bestimmt
werden.
Das Bremsstrahlungskontinuum im Emissionsspektrum einer Röntgenröhre (vgl. dazu
auch O.5.7) ist durch eine maximale Frequenz fmax bzw. durch die Grenzwellenlänge Omin gekennzeichnet (Abb. O.6.3.5).
Nach dem Duane-Hunt’schen Verschiebungsgesetz, das den Zusammenhang zwischen der Beschleunigungsspannung Ua einer
Röntgenröhre und der maximalen Frequenz
bzw. der minimalen Wellenlänge beschreibt,
gilt für letztere Omin v 1/Ua . Somit entspricht
der Grenzwellenlänge Omin eine maximale
Energie Emax = h fmax = (h c0) / Omin der emittierten Röntgenquanten.
Eine maximale Energie erhält ein Röntgenquant aber nur dann, wenn es die gesamte
kinetische Energie Ekin = e Ua eines in der
Anode abgebremsten Elektrons aufnimmt.
Für die Grenzwellenlänge Omin folgt damit
Omin
h c0 1
.
e Ua
(23)
Sind c0 und e bekannt, kann mit Hilfe von
Gl. (23) das Planck’sche Wirkungsquantum
bestimmt werden.
Versuchsausführung
Zur Ermittlung der Grenzwellenlänge Omin
wird eine Röntgenanlage mit einer BraggBrentano-Anordnung (Abb. O.6.3.6) genutzt.
3
2θ
θ
I
2
1
Ua
Abb. O.6.3.6 Prinzipskizze einer Bragg-Brentano-Beugungsanordnung
(1 Kollimator, 2 NaCl-Kristall, 3 Zählrohr)
λmin
λ
Abb. O.6.3.5 Bremsstrahlungsspektrum einer
Röntgenröhre, Intensität I in Abhängigkeit von
der Beschleunigungsspannung Ua, Grenzwellenlänge Omin
Dazu wird auf dem Goniometer ein NaClKristall optimal zur Lage des Detektors (Geiger-Müller-Zählrohr, O.5.1) positioniert.
Aus dem Bragg’schen Reflexionsgesetz kann
für den jeweiligen Streuwinkel T die zugehörige (Grenz-) Wellenlänge mit der Beziehung
6.4 Spezifische Ladung e/m des Elektrons
n Omin
2 d sin T
327
(24)
ermittelt werden, wobei n die Interferenzordnung beschreibt (erste Beugungsordnung n = 1) und ein Netzebenenabstand für
NaCl von d = 282,01 pm eingesetzt wird.
Für unterschiedliche Beschleunigungsspannungen (üblicherweise zwischen 20 kV und
35 kV) wird bei maximalem Emissionsstrom
der jeweilige Intensitätsverlauf im Bereich
der Grenzwellenlänge aufgenommen.
Aus allen ermittelten Wertepaaren wird eine
Graphik Ua-1 = f (Omin)) erstellt, und mit dem
Anstieg der Ausgleichsgeraden kann entsprechend Gl. (23) das Planck’sche Wirkungsquantum mit den bekanten Werten für die
Fundamentalkonstanten c0 und e (Anhang A.6) berechnet werden.
6.4 Spezifische Ladung e/m des
Elektrons
Aufgabenstellung
Aus dem Krümmungsradius eines Elektronenstrahls in einem homogenen Magnetfeld
ist in Abhängigkeit von der Beschleunigungsspannung und der magnetischen Flussdichte die spezifische Ladung e/m des Elektrons zu bestimmen.
Bewegt sich ein Elektron in einem magnetischen Feld der Flussdichte B, unterliegt es
dem Einfluss der Lorentz-Kraft
F
e v u B ,
e v u B .
FA
e vA B ,
(27)
die senkrecht zur Bewegungsrichtung wirkt.
Es bewegt sich dadurch auf einer Kreisbahn,
deren Radius sich aus dem Gleichgewicht
zwischen Zentrifugalkraft und Lorentz-Kraft
(Radialkraft) ergibt:
1
me vA2
r
e vA B .
(28)
Für den Radius erhält man die Beziehung
r
me
vA
.
eB
(29)
Elektronen einheitlicher Geschwindigkeit
erzeugt man, indem die aus einer Glühkathode austretenden Elektronen durch eine an die
Anode angelegte Spannung UA beschleunigt
werden und sie sich nach dem Passieren einer
Lochblende in der Anode senkrecht zum
Magnetfeld bewegen (Abb. O.6.4.1). Die
Richtung des Magnetfelds zeigt in die Zeichenebene hinein.
a
UA
b
UW
2r
c
UH
(25)
seine Bewegungsgleichung lautet daher
dv
me
dt
wird entsprechend Gl. (25) nicht beeinflusst.
Ein senkrecht zum Magnetfeld fliegendes
Elektron unterliegt der Kraft
(26)
Den Vektor v zerlegt man zweckmäßigerweise in eine Komponente parallel ( v& ) und in
eine senkrecht ( vA ) zum Magnetfeld. Ein
parallel zum Magnetfeld fliegendes Elektron
Abb. O.6.4.1 Schema zur e/m-Messung mit BFeld, a: Anode, b: Wehnelt-Zylinder, c: Heizung.
Anodenspannung UA, Wehnelt-Zylinder-Spannung UW, Heizspannung UH
Aus dem Energieerhaltungssatz
me 2
vA
2
e UA
(30)
328 Optik und Atomphysik
6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik
folgt dann
2e U A
me
vA
(31)
bzw.
2 me U A 1
,
e
B
r
(32)
und somit ergibt sich für die spezifische Ladung des Elektrons:
e
me
2 UA
.
B2 r 2
(33)
Das erforderliche homogene Magnetfeld wird
mit einem Helmholtz-Spulenpaar erzeugt. In
dem frei zugängigen Innenraum zwischen
den Spulen ist das Magnetfeld weitgehend
homogen und hat die Flussdichte (E.2.2)
B
8 P0 I
n .
125 R
(34)
Die Bahn der Elektronen wird dadurch sichtbar, dass sich in der nicht vollständig evakuierten Messröhre z. B. eine geringe Menge
Wasserstoff befindet. Die mit den Wasserstoffmolekülen zusammenstoßenden Elektronen regen diese zur Lichtemission an. Bei
einem Teil der Zusammenstöße entstehen
positive Ionen. Sie bleiben wegen ihrer im
Vergleich zu den Elektronen großen Masse in
der Nähe des Entstehungsorts, d. h. auf der
Elektronenbahn, und kompensieren durch
ihre Ladung die Raumladung des Elektronenstrahls. Infolge dieser Raumladungsfokussierung entsteht ein enges Elektronenbündel
(Fadenstrahl). Ist das Magnetfeld nicht hinreichend homogen, beobachtet man eine spiralförmige Bahnkurve senkrecht zur Achse
des Helmholtz-Spulenpaars.
Versuchsausführung
Nach dem Einschalten der Versuchsapparatur, die einen konstanten Heizstrom für die
Kathode liefert, beobachtet man nach einer
gewissen Verzögerung bei genügend hoher
Anodenspannung den Elektronenstrahl als
Leuchtspur. Mit Hilfe der Wehnelt-Spannung
kann der Elektronenstrahl in der Regel zusätzlich fokussiert werden. Der Radius r der
sich nach dem Einschalten des B-Felds ausbildenden kreisförmigen Elektronenbahn
wird bei verschiedenen Beschleunigungsspannungen UA und magnetischen Flussdichten B gemessen. Zur Auswertung bieten sich
zwei Möglichkeiten an. Trägt man bei konstantem UA den Radius r über 1/B auf, ergibt
sich nach Gl. (32) eine Gerade mit dem Anstieg S1, aus dem e/me ermittelt werden kann.
Trägt man in einem zweiten Diagramm bei
konstantem B die Größe r2 über UA auf, erhält man nach Gl. (33) eine Gerade mit dem
Anstieg S2, aus dem wiederum e/me ermittelt
werden kann. Die Anstiege S1 und S2 werden
mittels linearer Regression bestimmt.
Mögliche Ursachen für systematische Abweichungen (z. B. Magnetfeld der Erde,
thermische Geschwindigkeit der Elektronen
beim Austritt aus der Kathode) sollen diskutiert werden.
6.5 Franck-Hertz-Versuch
Aufgabenstellung
Das Anregungspotential von Quecksilber und
Neon ist mit Hilfe des Elektronenstoßversuchs nach Franck und Hertz zu bestimmen.
Daraus soll das Verhältnis h/e ermittelt werden.
Atome können sich nur in diskreten Energiezuständen befinden, sie können daher nur
Energiebeträge aufnehmen oder abgeben, die
gerade Energiedifferenzen zwischen erlaubten Energieniveaus entsprechen.
Ein Nachweis für den quantenhaften Charakter der Energieübertragung wird durch den
Elektronenstoßversuch von J. Franck und
G. Hertz erbracht.
6.5 Franck-Hertz-Versuch
329
Der für die Versuchsausführung erforderliche
Versuchsaufbau ist in Abb. O.6.5.1 schematisch dargestellt. In einer mit Hg-Dampf gefüllten Triode beschleunigt man die von der
geheizten Kathode (Heizspannung Uh) emittierten Elektronen durch eine positive Gitterspannung U; zwischen Gitter und Anode liegt
ein Bremspotential Ug von etwa 0,5 V.
Ia
A
Ug
V
U
V
Uh
Abb. O.6.5.1 Schaltung zur Messung des Anregungspotentials von Gasen
Misst man die Stärke des Anodenstroms Ia als
Funktion der Beschleunigungsspannung U,
erhält man die in Abb. O.6.5.2 schematisch
dargestellte Kurve. Bei niedriger Spannung
steigt der Strom wie in einer Hochvakuumröhre mit wachsender Spannung an, sinkt
jedoch beim Erreichen einer bestimmten
Spannung plötzlich ab.
Ia
1
2
3
U0
U
Abb. O.6.5.2 Messkurve beim Franck-HertzVersuch (Parameter Röhrentemperatur: Röhre zu
kalt (1), Röhre richtig temperiert (2), Röhre zu
heiß (3)
Nach Durchlaufen des entsprechenden elektrischen Felds zwischen Kathode und Anode
haben die Elektronen genügend Energie, um
die Hg-Atome anzuregen, während bei niedrigerer Energie die Zusammenstöße völlig
elastisch sind. Bei der Anregung der HgAtome verlieren die Elektronen fast ihre gesamte Energie und können daher nicht mehr
das Bremspotential Ug überwinden.
Weitere Minima in der Anodenstromkurve
entstehen infolge der aufeinanderfolgenden
Anregung von zwei oder mehr Atomen durch
das gleiche Elektron. Der Abstand zwischen
zwei aufeinander folgenden Minima ist
gleich dem Anregungspotential U0 der HgAtome; infolge der Differenz der Austrittsarbeiten von Kathode und Anode kann jedoch
das erste Minimum bei einer von U0 abweichenden Spannung liegen. Die angeregten
Atome gehen unter Lichtemission wieder in
den Grundzustand über, die Energie der ausgestrahlten Lichtquanten ist dabei gleich
e U0. Man kann daher bei gleichzeitiger Bestimmung der Energie h f der Lichtquanten
die Größe h/e = U0 / f ermitteln. Für Neon
gelten die gleichen Aussagen, jedoch tritt in
diesem Fall eine andere Differenz der Spannung zwischen den einzelnen Peaks auf.
Versuchsausführung
Um sich einen Überblick zur Abhängigkeit
des Anodenstroms von der Beschleunigungsspannung zu verschaffen, kann die in
Abb. O.6.5.3 angegebene Schaltung benutzt
werden. An der Kathode der Messröhre liegt
eine Sägezahnspannung, die man z. B. der
Zeitablenkung eines Oszilloskops entnimmt.
Dadurch wird die Beschleunigungsspannung U linear mit der Zeit t erhöht. Der am
Widerstand R entstehende Spannungsabfall
ist proportional zur Stromstärke Ia. Benutzt
man diesen nach entsprechender Verstärkung
für die Vertikalablenkung und die Sägezahnspannung für die Horizontalablenkung, erhält
man auf dem Oszilloskopschirm die Abhängigkeit I a f (U a ) dargestellt.
330 Optik und Atomphysik
Ug
y
6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik
R
x
G
f
Uh
Abb. O.6.5.3 Schaltung zur Optimierung der
Messbedingungen für den Elektronenstoßversuch
von Franck und Hertz
Damit können sehr praktisch die bestmöglichen Betriebsbedingungen für die Messung
von U0 ermittelt werden. Der Kurvenverlauf
wird von der Größe der Gegenspannung Ug
und der Kathodenheizung beeinflusst und
hängt stark von der mittleren freien Weglänge der Elektronen in der Röhre und damit
vom Dampfdruck des Quecksilbers ab. Letzterer lässt sich durch Änderung der Temperatur der Röhre regulieren, die sich vollständig
in einem elektrisch geheizten Ofen befindet.
Nach Ermittlung der optimalen Messbedingungen nimmt man mit der Schaltung von
Abb. O.6.5.1 den Verlauf der Kurve Ia = f(U)
mit Hilfe eines geeigneten computergestützten Messwerterfassungssystems auf. Aus den
gewonnenen Kurven kann dann das Anregungspotential U0 bestimmt werden. Die bei
der Elektronenstoßanregung von Quecksilber
ausgestrahlte Resonanzlinie liegt im ultravioletten Spektralbereich. Zur Ermittlung der
gesuchten Größe h/e ist die betreffende Wellenlänge O = 253,65 nm zu verwenden.
Als Messröhre wird praktisch häufig eine
Tetrode benutzt, die gegenüber einer Triode
den Vorteil hat, die Auflösung des Spektrums
deutlich zu verbessern. Durch die zusätzliche
Elektrode wird die Beschleunigung der
Elektronen nur auf eine kurze Wegstrecke
begrenzt. Der Stoßraum zwischen Elektronen
und Hg-Dampf ist dann weitestgehend feldfrei. Mit dieser Anordnung gelingt es, höhere
(auch metastabile) Energieniveaus des HgAtoms aufzunehmen.
Für die Bestimmung des Anregungspotentials
von Neon wird in ähnlicher Weise verfahren
wie bei den Messungen mit Quecksilber. Da
Neon ein Edelgas ist, benötigt man für diese
Messungen keine zusätzliche Heizung der
Röhre. Der Übergang aus dem angeregten
Zustand in den Grundzustand ist hier aber
nur über ein Zwischenniveau möglich. Das
dabei emittierte Licht liegt im sichtbaren
Bereich und kann deshalb direkt mit dem
Auge beobachtet werden (rot leuchtende
ringförmige Schicht nahe des Beschleunigungsgitters). Bei Erhöhung der Spannung
wandert der Leuchtring in Richtung Kathode.
Das lässt sich dadurch erklären, dass die
Elektronen nun schon früher die erforderliche
kinetische Energie erreichen, um das Neongas zum Leuchten anzuregen. Bei ca. 40 V
erscheint eine zweite leuchtende Schicht, die
sich nach Erhöhung der Spannung ebenso in
Richtung Kathode bewegt. In diesem Fall
erfahren die Elektronen, die beim ersten Stoß
ihre kinetische Energie verloren haben,
nochmals eine hinreichend große Beschleunigung, die zur Anregung weiterer Ne-Atome
ausreicht.
Die Aufgabenstellung beim Franck-HertzExperiment mit Neon wird oft dahingehend
ergänzt, dass die wahrscheinlichsten Energieübergänge nicht nur des Anregungsvorgangs, sondern auch des Abregungsvorgangs
untersucht werden sollen. Hierzu kann das
Spektrum einer Ne-Spektrallampe mit einem
Gitterspektrometer (O.3.2) untersucht werden
und jene Spektrallinien für eine Wellenlängenabschätzung herangezogen werden, die
der beobachteten Lichtfarbe im FranckHertz-Experiment entsprechen. Alternativ
kann auch ein automatisch arbeitendes
Spektrometer zum Einsatz kommen, das direkt an die Lichtquelle der Franck-HertzRöhre gekoppelt ist. Mit Hilfe eines Term-
6.6 Rydberg-Konstante
331
schemas (Anhang A.19) können dann die
wahrscheinlichsten (beobachteten) Energieübergänge identifiziert werden.
In diesem Zusammenhang muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass bei vielen NeTermschemen die Energieniveaus oft mit
dem Termschema nach Paschen bezeichnet
werden (z. B. 2p5-3s bedeutet fünf nichtangeregte Elektronen im 2p-Orbital, ein angeregtes im 3s-Orbital). Dieses Termschema wurde
etwa 1919 eingeführt, ist rein phänomenologisch und beschreibt nicht die korrekte Elektronenkonfiguration. Neon verhält sich im
Bereich der Energieübergänge des FranckHertz-Experiments so wie ein Zweielektronensystem. Die angeregten Zustände sind nur
unter Angabe der Hauptquantenzahl, der
Einstellung des Gesamtspins, der Form des
Zweielektronenorbitals und der Multiplizität
(Singulett- oder Triplett-Zustand) exakt beschreibbar (z. B. 3 3P2, vgl. Termschema im
Anhang A.19).
6.6 Rydberg-Konstante
(Proton) und einem Elektron, das sich auf
einer Kreisbahn um diesen Kern bewegt. Es
herrscht ein Gleichgewicht zwischen Zentrifugalkraft und elektrischer Anziehungskraft
(Coulomb-Kraft):
2
me
me v r = n =
1 ·
§1
v = RH ¨ 2 ¸
©4 m ¹
(m = 3, 4, 5, .. .)
n = 1, 2, 3, . . . ,
(37)
n ist die Hauptquantenzahl, die den angeregten Zustand des Atoms charakterisiert. Aus
den Gln. (36) und (37) kann man den Bahnradius r und die Geschwindigkeit v der Elektronen auf diesen Bahnen berechnen:
Aufgabenstellung
Das Spektrum des atomaren Wasserstoffs
besitzt im sichtbaren Spektralbereich die
Linien HĮ, Hȕ, HȖ usw., deren Wellenzahlen v = f / c = 1 / Ȝ (Einheit cm-1) sich durch
die experimentell gefundene Beziehung
(36)
Das erste Bohr’sche Postulat verlangt, dass
für Elektronen nur Bahnen erlaubt sind, auf
denen der Drehimpuls ein ganzzahliges Vielfaches der Größe = h / 2ʌ ist. Das bedeutet
für den Drehimpuls des Elektrons
r=
Die Rydberg-Konstante RH für das Wasserstoffatom ist zu bestimmen und daraus das
Planck’sche Wirkungsquantum h zu berechnen.
2
v
e
=
.
r
4 ʌH0 r2
v
4 ʌ H 0 =2 n2
= a0 n 2 ,
e2 me
n
=
me r
=
.
me a0 n
(38)
(39)
Der erste Bohr’sche Radius ist der Radius der
kernnächsten Bahn: a0 = 5,29˜10 11 m. Auf
der Bahn mit der Hauptquantenzahl n hat das
Elektron die Energie
En = Ekin + Epot
2
1
e
me v 2 .
2
4 ʌH0 r
Setzt man r und v ein, erhält man
(35)
beschreiben lassen (Balmer-Formel).
Eine Begründung dieser Formel wurde von
Bohr gegeben. Danach besteht das Wasserstoffatom aus einem positiv geladenen Kern
En = me e 4 1
=
1
=
. (40)
2 me a02 n 2
8 H 02 h 2 n 2
Gl. (40) gibt die für das Elektron erlaubten
Energiewerte an (vgl. Termschema in
Abb. O.6.6.1). E ist negativ, da das Elektron
gebunden ist und zu seiner Ablösung vom
332 Optik und Atomphysik
6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik
Kern Energie aufgewendet werden muss.
Geht das Elektron von einem Zustand hoher
Energie (kernferne Bahn) in einen Zustand
niedriger Energie (kernnahe Bahn) über, wird
Energie frei. Die Frequenz des ausgestrahlten
Lichts ist durch die Gleichung
h f = 'E = Em En
(41)
gegeben (zweites Bohr’sches Postulat).
In der Spektroskopie rechnet man statt mit
der Frequenz f meist mit der Wellenzahl Q
und erhält dann aus den Gln. (40) und (41)
(42a)
1 ·
§1
2¸ .
2
©n m ¹
Q R f ¨
(42b)
Rf ist die Rydberg-Konstante für den unbewegten (unendlich schweren) Kern.
8
n=
n=5
n=4
n=3
0
Hα
Hβ
Hγ
RH =
-1
bzw.
me e
.
§
me ·
2 3
8 H 0 h c0 ¨1 +
¸
¨
mp ¸¹
©
(44)
Alle Übergänge, die zum gleichen Endzustand n führen, liefern eine Serie von Spektrallinien. Insbesondere erhält man für n = 2
und m t 3 die Balmer-Formel Gl. (35).
Versuchsausführung
me e 4 § 1
1 ·
v =
2 ¸ bzw.
¨
2 3
2
8 H 0 h c0 © n m ¹
Energie
§
m ·
RH = Rf ¨1 + e ¸
mp ¹
©
n=2
Mit einem Gitter- oder Prismenspektrometer
(O.2.3 bzw. O.3.2) bestimmt man die Wellenlängen der Balmer-Linien HĮ (m = 3),
Hȕ ( m =4) und HȖ (m = 5). Wird als Lichtquelle eine wasserstoffgefüllte Gasentladungsröhre verwendet, beobachtet man eine
Vielzahl von zusätzlichen Linien, die vom
molekularen Wasserstoff herrühren; die Balmer-Linien unterscheiden sich davon durch
größere Intensität. Günstiger ist der Einsatz
einer speziellen Balmer-Lampe, bei der nur
die Wasserstofflinien auftreten. Für jede gemessene Linie bestimmt man nach Gl. (35)
den Wert für RH, berechnet den Mittelwert
und ermittelt daraus das Planck’sche Wirkungsquantum, indem man Gl. (44) nach h
auflöst.
6.7. Avogadro-Konstante
n=1
-13,6 eV
Aufgabenstellung
Abb. O.6.6.1 Termschema des Wasserstoffatoms
Berücksichtigt man die Mitbewegung des
Kerns, folgt für Wasserstoff
§1
1 ·
v = RH ¨ 2 2 ¸
¨n
m ¸¹
©
mit
(43)
Es ist die Avogadro-Konstante mittels Röntgenbeugung zu bestimmen.
Als Einheit der Stoffmenge ist im SI-System
das Mol definiert (Einführung 1.1). Die Art
der Teilchen (Atome, Moleküle, Ionen,
Elektronen oder auch spezielle Gruppierungen) muss jeweils angegeben werden. Die
Teilchenzahl je Mol ist eine Naturkonstante
und wird als Avogadro-Konstante NA be-
6.7. Avogadro-Konstante
333
zeichnet. Entsprechend der obigen Definition
folgt für die Berechnung der AvogadroKonstante
NA
Vmol
,
VT
(45)
wobei Vmol das Molvolumen und VT das Volumen eines Teilchens des Systems ist. Wird
das Molvolumen durch den Quotienten von
Molmasse M und Dichte U ersetzt, geht
Gl. (45) über in
NA
M
U VT
.
(46)
Die Molmasse für Elemente kann dem Periodensystem entnommen werden.
Für Verbindungen berechnet sie sich additiv
aus den einzelnen Komponenten entsprechend ihrer Häufigkeit
M Ax B y C z x M A y M B z M C .
(47)
Die Dichte U des betrachteten Stoffs ist in der
Regel hinreichend gut bekannt. Als wesentlich problematischer erweist es sich, das Volumen eines Teilchens des betrachteten Stoffsystems zu bestimmen.
a)
a
d
b)
a
2
Chlorionen (Cl-)
Natriumionen (Na+)
Abb. O.6.7.1 Kristallgitter von Natriumchlorid:
a) Einheitszelle, b) Teilausschnitt des Natriumchlorid-Gitters
In Abb. O.6.7.1 ist der Aufbau eines Natriumchloridkristalls schematisch dargestellt.
NaCl besitzt ein so genanntes kubischflächenzentriertes Gitter (auch fcc, face centered cubic), wobei sich NaCl nicht als Molekül auf einem Gitterplatz befindet, sondern
die Na+ - und Cl– -Ionen einen Abstand von d
haben (Ionenkristall). In einfacher Weise
kann man sich das NaCl-Gitter auch aus zwei
getrennten kubisch-flächenzentrierten Gittern
aufgebaut vorstellen, d. h. jeweils ein separates für die Na+ - bzw. die Cl--Ionen, die gegeneinander um d = a/2 versetzt angeordnet
sind. Im NaCl-Kristallgitter besetzen dann
die Na+- und die Cl -Ionen abwechselnd die
Ecken eines Würfels mit der Kantenlänge
a/2, wobei a die Gitterkonstante der Na+bzw. der Cl--Elementarzelle (auch Einheitszelle genannt) ist. Unter der Elementarzelle
versteht man die kleinste Einheit eines Kristalls, die eine identische Fortsetzung dieses
kleinsten Elements in alle drei Raumrichtungen in gleicher Weise gestattet.
Damit kann eine auf die Festkörperdimensionen angepasste periodische Fortsetzung der
Kristall-Elementarzellen realisiert werden.
Die im betrachteten Würfelvolumen (a/2)3
enthaltene Anzahl von NaCl-Molekülen kann
in einfacher Weise aus Abb. O.6.7.1 abgeleitet werden. Da jedes Ion (z. B. das Cl--Ion im
Zentrum der Einheitszelle, Abb. O.6.7.1a) zu
gleichen Anteilen zu acht dieser Teilwürfel
(Abb. O.6.7.1b) beiträgt, sind in jedem Teilwürfel 1/8 der vier NaCl-Moleküle der Elementarzelle enthalten. Entsprechend Gl. (46)
folgt für die Avogadro-Konstante:
NA
1
M
4
8 U d3
1 M
.
2 U d3
(48)
Mittels Röntgenbeugung kann das Volumen (VT) eines NaCl-Moleküls bestimmt
werden. Ähnlich wie bei der Interferenz an
planparallelen Platten kann auch bei der
Röntgenbeugung davon ausgegangen werden, dass die einfallende Röntgenstrahlung
an den verschiedenen parallelen Netzebenen
(Abb. O.6.7.2) teilweise reflektiert wird und
334 Optik und Atomphysik
6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik
diese reflektierten Anteile anschließend untereinander interferieren. Für das Maximum
n-ter Ordnung gilt dann die Bragg’sche Gleichung Gl. (24).
Versuchsausführung:
In diesem Versuch wird die KD-Strahlung
(O = 71 pm) einer Röntgenröhre mit Molybdänanode und Zr-Filter genutzt. Als Spektrometer dient ein Goniometer mit einem Einkristall, z. B. NaCl, und ein Geiger-MüllerZählrohr als Detektor.
einfallender Strahl
1
2
I
Netzebenen
II
reflektierter Strahl
θ
d
Gitterpunkte
Abb. O.6.7.2 Strahlenverlauf bei der Beugung an
einem Einkristall
Die Messungen werden mit dem so genannten Bragg-Brentano-Verfahren (O.6.3.2)
durchgeführt, d. h., bei einer konstanten Wellenlänge wird der Einkristall und das Zählrohr im Verhältnis der Winkel T : 2T gedreht
(Abb. O.6.3.6). Es ist zu beachten, dass
NaCl - Kristalle hygroskopisch und zerbrechlich sind, daher ist der NaCl-Kristall nach
den Messungen auszubauen und im Exsikkator aufzubewahren. Mechanische Belastungen des Kristalls sind zu vermeiden und nur
die Seitenflächen der Halterung anzufassen.
Die Aufzeichnung der Spektren erfolgt mit
einem computergestützten Messwerterfassungssystem. Aus einem Übersichtsspektrum,
aufgenommen mit Zr-Filter, sind zunächst
grob die Lagen der ersten Beugungsreflexe
zu ermitteln. Um eine hinreichend hohe Genauigkeit bei der Ermittlung der Linienposition (Peaklage T P) zu erreichen, ist anschließend im Winkelbereich 1q T P d 1q die
Intensitätsverteilung des jeweiligen Peaks mit
entsprechend langer Messzeit aufzunehmen.
Aus den so bestimmten Peakschwerpunkten
wird mit der Bragg’schen Gleichung
(Gl. (24)) die mittlere Gitterkonstante des
verwendeten Kristalls berechnet. Sind Dichte
und Molmasse des Kristalls bekannt, kann
mittels Gl. (48) die Avogadro-Konstante ermittelt werden.
6.8. Gravitations-Konstante
Aufgabenstellung
1. Die Gravitationskonstante G ist mit
a) der Beschleunigungsmethode und
b) der Endausschlag-Methode zu bestimmen.
2. Es ist der Korrekturfaktor zu berechnen.
Nach Newton übt eine Masse m1, die sich im
Abstand r von einer zweiten Masse m2 befindet, auf diese eine Anziehungskraft F vom
Betrag
F
G
m1 m2
r2
(49)
aus. Wegen des Reaktionsprinzips wirkt dieselbe Kraft von m2 auf m1 zurück.
a) Beschleunigungsmethode
In der Ruhelage I (Abb. O.6.8.1) herrscht
Gleichgewicht zwischen der Anziehungskraft
von großen und kleinen Kugeln und der Verdrillung des Torsionsfadens. Schwenkt man
die äußeren großen Kugeln auf ihrem drehbaren Halter in Stellung II, wird dadurch das
Gleichgewicht gestört; denn der Torsionsfaden ist wegen der großen Schwingungsdauer
noch in der alten Richtung verdrillt, und die
großen Kugeln ziehen die kleinen Kugeln
nun in umgekehrter Richtung an. Deshalb ist
die zu Beginn der Bewegung zwischen je
einem Kugelpaar wirkende Kraft F doppelt
so groß wie die wechselseitige Anziehung
allein, da die zunächst noch vollständige
Verdrillung des Fadens einer Kraft gleicher
6.8. Gravitations-Konstante
335
Größe und Richtung entspricht:
2 G m1 m2
.
r2
F
(50)
Unter der Wirkung der Kraft F bewegen sich
die beiden kleineren Kugeln beschleunigt auf
die ihnen gegenüberliegenden großen Kugeln
zu. Dabei wird der Torsionsfaden zuerst mehr
und mehr entspannt und dann in entgegengesetzter Richtung verdrillt.
L
m1 m2
d
α0
2 α0
II
X
I
s
r
Skala
Abb. O.6.8.1 Gravitationsdrehwaage nach Cavendish (Draufsicht), Gleichgewichtslagen I, II, D0 Winkel zwischen den Gleichgewichtslagen, r -Abstand zwischen den Mittelpunkten der großen und kleinen
Kugeln in der Gleichgewichtslage, s -Weg der kleinen Kugel, d -Abstand der kleinen Kugel von der
Achse, X -Weg des Lichtzeigers auf der Wand (Skala), L -Abstand zwischen Skala und Spiegel in der
Waage, m1 und m2 große bzw. kleine Kugelmasse
Die Bewegung kann in diesem Zeitintervall
als gleichförmig beschleunigt mit der Beschleunigung a beschrieben werden. Für
diesen Teil des Einschwingvorgangs gilt
m2 a
2 G m1 m2
r2
(51)
Mit a =2 s t -2 (s Weg der kleinen Kugel) folgt
aus Gl. (51) für die Gravitationskonstante
G
s r2
.
t 2 m1
(52)
Wenn L der Abstand zwischen dem Spiegel
in der Drehwaage und der Skala sowie d der
Abstand der kleinen Kugeln vom Torsionsfaden ist, gilt für den Weg s der kleinen Kugeln
in der Waage:
s
d
X
.
2L
(53)
Dabei muss die Winkelverdopplung bei der
Reflexion des Lichtstrahls am ebenen Spiegel
beachtet werden. Setzt man Gl. (53) in
Gl. (52) ein, erhält man
G
d r2 X
.
2 L m1 t 2
(54)
b) Endausschlag-Methode
Durch Umlegen der großen Kugeln geht die
Drehwaage aus der Ruhelage I nach einigen
Schwingungen in die neue Ruhelage II über.
336 Optik und Atomphysik
6 Fundamentale Konstanten und Effekte der Physik
Der Winkel zwischen diesen beiden Endlagen ist D0. In den Ruhelagen herrscht Momentengleichgewicht. Infolge der Massenanziehung der beiden Kugelpaare wirkt auf das
Messsystem das Drehmoment M = 2 F d,
wobei F entsprechend Gl. (49) bestimmt und
d der Abstand der kleinen Kugel vom Torsionsband ist. Diesem ist entgegengesetzt
gleich groß das Drehmoment, das durch die
Verdrillung des Torsionsfadens verursacht
wird. Dadurch kommt es zu einer Drehung
um den Winkel D 0 / 2 :
M
D
D0
2
2G
D
J
.
bzw.
2
m1 m2
d
r2
tan D 0 | D 0
D
D0
2
(56)
.
s0
d
X0
,
2L
DD
4 ʌ2 J
.
T2
F1
r
(59)
(60)
F1'
FK
d
F
(58)
über die Schwingungsdauer T bestimmt
D
(62)
Bei der Ermittlung der Gravitationskonstanten gibt es in beiden Fällen eine systematische Abweichung, da die kleinere Kugel
auch von der mehr entfernten großen Kugel
angezogen wird (Abb. O.6.8.2).
(57)
wobei X 0 der Abstand des Lichtzeigers auf
der Skala zwischen den beiden Gleichgewichtslagen vor und nach Umlegen der großen Kugeln ist. Die Richtgröße D des Torsionsfadens wird mit hinreichender Genauigkeit aus der ungedämpften Schwingung des
Waagensystems
d 2D
d t2
ʌ2 d r 2 X 0
.
m1 L T 2
(55)
D0
(61)
Indem man die Gln. (58), (60) und (61) in
Gl. (57) einsetzt und nach J auflöst, erhält
man Gl. (62) für die Bestimmung der Gravitationskonstanten:
Für kleine Winkel D0 gilt nach Gl. (53)
J
2 m2 d 2 .
G
D ist das Direktionsmoment (Richtgröße) des
Torsionsfadens. Für das Momentengleichgewicht folgt somit
2F d
Das Trägheitsmoment J für die beiden kleinen Kugeln hat unter Vernachlässigung der
Spiegelaufhängung und der endlichen Ausdehnung der Kugeln den Wert
Abb. O.6.8.2 Skizze zur Berechnung des Korrekturfaktors E
Der im Experiment gemessene Betrag der
Kraft FK, die die Kugel beschleunigt, ist gegeben durch die vektorielle Addition der
Kräfte
FK
F F1c F 1 E mit dem Korrekturfaktor
3
§
·
b
¸ .
E ¨
(63)
¨ b 2 4d 2 ¸
©
¹
Die Gravitationskraft F und damit auch die
Gravitationskonstante G wird infolgedessen
6.8. Gravitations-Konstante
337
um den Faktor (1E ) zu klein bestimmt. Für
den korrigierten Wert von G folgt
Gkorr
G
.
1 E (64)
Versuchsausführung:
Für diese Messungen wird eine Drehwaage
nach Cavendish verwendet. Vor der eigentlichen Messung ist die Nullpunktstabilität
mindestens 10 Minuten lang zu kontrollieren.
Aus diesen Messungen sind der Mittelwert
( X I ) und die zugehörige Standardabweichung zu bestimmen. Der eigentliche Versuch beginnt mit dem Umlegen der großen
Bleikugeln. Das muss sowohl recht schnell
als auch so behutsam wie möglich erfolgen.
Das Gehäuse darf dabei weder von den Fingern noch von den Bleikugeln berührt werden, um Erschütterungen zu vermeiden.
Gleichzeitig ist die Stoppuhr zu starten
(t = 0). Zu Beginn der Schwingungen ist
zunächst die Bewegung des Lichtzeigers auf
der Skala alle fünf Sekunden abzulesen. Das
Zeitintervall kann nach etwa zwei Minuten
auf 10 s bzw. 30 s erhöht werden. Es sind
mindestens drei volle Schwingungsperioden
aufzunehmen. Außerdem ist der Abstand L
zwischen Skala und Spiegel in der Drehwaage zu bestimmen, dabei darf die Drehwaage
nicht berührt werden. Die Werte für die Größen m1, r und d liegen am Arbeitsplatz aus.
a) Beschleunigungsmethode
Für die Ermittlung der Gravitationskonstanten mit Hilfe der Beschleunigungsmethode
wird zunächst die Änderung 'X des Lichtzeigerwegs für die ersten 100 s in Abhängigkeit von t2 graphisch dargestellt. Für den
Bereich der Messwerte, für die sich eine Gerade ergibt, ist der Anstieg der Ausgleichgerade zu ermitteln, und mit Gl. (55) berechnet
man die Gravitationskonstante.
b) Endausschlagsmethode
Mit der Endausschlagsmethode wird die Änderung des Lichtzeigerwegs in Abhängigkeit
von der Messzeit dargestellt. Die neue
Gleichgewichtslage XII des Lichtzeigers nach
Abklingen der Schwingung ermittelt man aus
drei aufeinander folgenden Scheitelwerten
der Lichtzeigerauslenkung, z. B. xˆ1 , xˆ2 , xˆ3
usw. wie folgt:
X II ( xˆ1 2xˆ2 xˆ3 )/ 4
(65)
Aus der gleichen Darstellung wird ebenfalls
an drei Stellen die Schwingungsdauer T bestimmt. Eine Berechnung der Gravitationskonstanten erfolgt nach Gl. (62). Entsprechend Gl. (64) kann man den korrigierten
Wert für die Gravitationskonstante G ermitteln. Es sollen die Ergebnisse der beiden
Methoden mit dem CODATA-Wert von
2006 (Anhang A.6) unter Berücksichtigung
der Messunsicherheiten verglichen werden.
338
Fourier-Transformation und Signalanalyse
1.0 Grundlagen
1.0.1 Das Prinzip der FourierTransformation
Das Theorem von Jean Baptiste-Joseph de
Fourier (1768 – 1830) besagt, dass jede
periodische Funktion f (t) mit der Periode T
exakt oder angenähert durch eine Summe aus
trigonometrischen
Funktionen
mit
Z (2 ʌ T ) dargestellt werden kann:
f t a0 f
¦ ª¬ a
n
n 1
cos n Z t bn sin n Z t º¼ . (1)
Die Größen a0, an und bn (n = 1, 2, ...) heißen
Fourier-Koeffizienten. Für sie gilt
Wegunterschied (in cm) und Wellenzahl
Q 1 O (Einheit cm-1) in der FourierSpektroskopie. Die Fourier-Koeffizienten an
und bn können auch durch die Amplituden cn
und die Phase In beschrieben werden:
an cos n Z t bn sin n Z t mit
cn
an2 bn2 ,
(6a)
In
§a ·
arctan ¨ n ¸ .
© bn ¹
(6b)
Damit wird aus Gl. (1)
f
a0
an
bn
1
T
2
T
2
T
³ f t d t
³ f t cos n Z t d t
n 1
(2)
,
T
2
T
2
,
(3)
T
2
³ f t sin n Z t d t
(7)
wobei c0 { a0 ist.
Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht, in
dem durch die Überlagerung von drei Wellen
ein periodisches Signal entsteht:
f t c0 c1 sin Z t I 1 c2 sin 2Z t I 2 (8)
c3 sin 3Z t I 3 .
T
2
f t c0 ¦ cn sin n Z t I n ,
T
2
(5)
cn sin n Z t I n ,
(4)
T
2
wie durch Integration über f (t) gezeigt werden kann. Die Koeffizienten an und bn sind
symmetrisch bzw. unsymmetrisch bzgl. der
Frequenz. Gemäß Gl. (1) wird die periodische
Funktion f (t) durch Funktionen beschrieben,
die im „reziproken Raum“ der Frequenz
durch n Z n (2 ʌ / T ) definiert sind. Eine
analoge Beziehung gibt es z. B. zwischen
Mathematisch entspricht das der Addition
von Grundwelle und ihrer zweiten und dritten
Harmonischen (Abb. F 1 (a-c)).
In der mathematischen Beschreibung einer
beliebigen Funktion ersetzt man die Summe
in Gl. (1) durch ein Integral und erhält bei
Verwendung der Euler’schen Identität (Anhang A.1)
f t 1
2ʌ
f
³ F Z e
f
W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum,
DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_6, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
iZ t
dZ .
(9)
1.0 Grundlagen
339
Dabei ist F(Z) die Fourier-Transformierte
von f (t) und in Analogie zu den FourierKoeffizienten definiert als
(a)
-iZ t
f2(t)
t
t
f3(t)
t
f3(t)
f3(t)
t
t
f (t)
t
f (t)
f (t)
t
t
F(ω)
F(ω)
2
2
1
1
ω3 ω
(10)
t
t
f2(t)
f2(t)
f t d t .
f
f1(t)
t
ω2
³e
(c)
f1(t)
ω1
2ʌ
f
(b)
f1(t)
0
1
F Z 0
t
F(ω)
2
1
ω1
ω2
Abb. F.1.0.1 Überlagerung von drei Wellen, f n
ω3
ω
0
ω1
ω2
ω3
ω
cn sin(n Zn t )n ) , n = 1, 2, 3; f (t )
3
¦f
n 1
(a) )1
(c) )1
)2 )3 0 , c1 c2 c3 , (b) )1
)2 )3 0 , c1 0,5 c2 2 c3
0, )2
30 q, )3
60 q , c1
c2
c3 ,
n
340 Fourier-Transformation und Signalanalyse
f(t)
Sinusfunktion
F(ω)
f (t )
sin(Z0 t )
t
ω
f(t)
F(ω)
t
Überlagerung von vier
Sinusfunktionen
1
f (t ) sin(Z0 t ) sin(3Z0 t ) 3
1
1
sin(5Z0 t ) sin(7Z0 t )
5
7
ω
Rechteckfunktion
f(t)
F(ω)
f (t )
rect(t )
t
ω
f(t)
exponentiell gedämpfte
Sinusfunktion
F(ω)
f (t )
A e G t sin(Z0 t )
t
ω
Deltafunktion
f(t)
F(ω)
f (t ) G (t t0 )
t
ω
Abb. F.1.0.2 Beispiele für den Zusammenhang zwischen der Funktion f(t) und ihrer FourierTransformierten F(Z ) im inversen Raum der Frequenz für zeitlich nicht begrenzte Zeitintervalle
1.0.2 Diskrete Fourier-Transformation
und Abtasttheorem
Oft liegt die Funktion f (t) nicht analytisch
vor, sondern sie wird in äquidistanten Zeitintervallen 't als Funktionswerte yj = f(tj) mit
tj =j 't (Index j  ` ) gemessen. Man nennt
fa = 1/' t die Abtastrate. Die Fourier-Analyse
eines so digitalisierten Signals lässt sich nur
näherungsweise durchführen, weil das Signal
nur in diskreten Schritten (an den Stellen tj )
341
1.0 Grundlagen
bekannt ist. Bei m Messwerten pro Periode
yj = f (tj) (j = 0, 1, ..., m) mit f (t0) = f (tm) folgt
für die Fourier-Koeffizienten nach den
Gln. (2) bis (4):
a0
an
1
m
m
¦y
j
,
(11)
j 1
2 m
§ 2ʌn j ·
¦ y j cos ¨© m ¸¹
m j1
(12)
2 m
§ 2ʌn j ·
y j sin ¨
¦
¸
mj1
© m ¹
(13)
f
Fgem Z ³
f gem t e-i2ʌZ t d t
(16)
f
als Approximation von F(Z). Mit der Fourier-Transformierten
f
S Z mit n 1, 2,..., m und
bn
Transformierte Fgem(Z)
³ s t e
-i2ʌZ t
dt
(17)
f
von s(t) ergibt sich nach dem Faltungssatz
der Fourier-Theorie, der besagt, dass die
Fourier-Transformierte einer Produktfunktion
gleich der Faltung (Symbol …) ihrer FourierTransformierten ist,
Fgem Z F Z … S Z f
³ F Z Z c S Z c d Z c
mit n 1, 2,..., m 1.
(18)
f
Das Abtasttheorem von Nyquist und Shannon
besagt
nun,
dass
die
Frequenz
f 0 Z 0 / (2ʌ) einer im Signal f (t) enthaltenen
harmonischen Schwingung nur dann detektiert werden kann, wenn für die Abtastrate
fa ! 2 f0
(14)
gilt, d. h., es müssen pro Schwingungsperiode mindestens zwei Abtastwerte yj gemessen
werden. Die Frequenz 0,5 f a wird auch als
Nyquist-Frequenz bezeichnet.
Die Funktion f(t) in Gl. (10) kann immer nur
in
einem
endlichen
(Zeit)intervall
(0 d t d tmax ) gemessen werden.
Mathematisch entspricht dies der Multiplikation von f(t) mit einer Apodisationsfunktion
s(t), so dass für die gemessene Funktion
gilt.
f (t ) ˜ s (t )
Daraus
folgt
(15)
für
die
³
f (t ) s t e-i2ʌZ t d t .
f
Die gemessene Funktion ist also gleich der
wahren Funktion F (Z) gefaltet mit der Fourier-Transformierten S (Z) der Apodisationsfunktion. Für letztere können verschiedene
Modellfunktionen angenommen werden. Die
symmetrische Rechteckfunktion mit
sr t 1 für t d tmax
0
für t ! tmax
(19)
führt zu der Fourier-Transformierten
1.0.3 Fourier-Transformation in
endlichen (Zeit)Intervallen
f gem (t )
f
Fourier-
Sr Z 2 tmax
sin(2ʌ Z tmax )
,
2ʌ Z tmax
(20)
die eine Halbwertsbreite von
'Z
1, 25
1
|
hat,
2 tmax 2 tmax
(21)
aber als Artefakt Seitenmaxima produziert
(Abb. F.1.0.3, unten). Diese können durch
Apodisationsfunktionen minimiert werden,
342 Fourier-Transformation und Signalanalyse
die steile Flanken vermeiden, wie z. B. die
Gauss- (sG) oder die Happ-Genzel-Funktion (sHG) :
ª § 2 t ·2 º
sG (t ) exp « ¨
¸ » sr (t ) ,
«¬ © D tmax ¹ »¼
(22)
die Messfunktion ebenfalls an den Grenzen
( 1 s und + 1 s) abgeschnitten, zusätzlich
wird aber die Intensität der Seitenmaxima
wie in Abb. F.1.0.4 (unten) am Beispiel einer
Sinusfunktion gezeigt, deutlich vermindert.
(1)
ª
§ 2ʌ t · º
sHG (t ) « 0,54 0, 46cos ¨
¸ » sr (t ) . (23)
© tmax ¹ ¼»
¬«
(2)
(3)
0,5
0
-1
Bei realen Anwendungen der Fourier-Transformation muss also immer die Apodisationsfunktion mit berücksichtigt werden.
s (t)
f (t)
- 0,5
0,5
1
t s
- 0,5
F(ω) + S (ω)
(a)
0.4
(1)
(b)
(2)
0.2
0,5
(c)
(3)
0
1
-1
- 0,5
0
0,5
1
t s
(1)
S (ω)
(2)
0,5
(3)
0
-2
-1
0
1
2
ω Hz
2π
Abb. F.1.0.3 Graphische Darstellung einer
Rechteck- (1), Happ-Genzel- (2) und GaussApodisationsfunktion (3) sowie deren FourierTransformierte S(Z)
Bei der in den Grenzen ¨tmax» = 1 s abrupt
abfallenden Rechteckfunktion erkennt man
deutlich die nach der Fourier-Transformation
auftretenden Nebenmaxima, die Frequenzanteile vortäuschen, die nicht vorhanden sind.
Um diesen Fehler zu unterdrücken, wird die
Messfunktion apodisiert, indem die ursprüngliche Rechteckfunktion durch eine Apodisationsfunktion entsprechend den Gln. (22) und
(23) ersetzt wird. Durch diese Funktion wird
2
3
4
ω Hz
2π
Abb. F.1.0.4 Beispiele zur Apodisation einer
idealen Sinusfunktion (rote Kurve oben) im Intervall 1 s d t d 1 s, Faltung F(Z) … S(Z) mit
verschiedenen Apodisationsfunktionen (unten):
(a): Sr (Z) , (b): SHG (Z) , (c): SG (Z)
Die Apodisation führt die fouriertransformierte Signalfunktion stetig auf null, erzeugt
jedoch eine Linienverbreiterung. Bei der
Wahl der Apodisationsfunktion muss deshalb
immer ein Kompromiss zwischen optimaler
Dämpfung der Seitenmaxima und minimaler
Linienverbreiterung gewählt werden.
1.1 Fourier-Synthese und -Analyse optischer Muster und elektrischer Signale
Aufgabenstellung
1. Für ein periodisches optisches Muster ist
die Periodizität der Schwebung in Abhängigkeit von der Frequenz zweier Grundwellen
und ihrer Phasenbeziehung zu diskutieren.
Aus der Periodizität der Schwebung soll bei
1.1 Fourier-Synthese und -Analyse optischer Muster und elektrischer Signale
Kenntnis der Frequenz des einen Musters auf
die des anderen geschlossen werden. Es sind
quantitativ die unterschiedlichen Periodizitäten in horizontaler und vertikaler Richtung
bei zweidimensionalen Mustern zu interpretieren.
2. Durch die Überlagerung von Sinusspannungen mit Hilfe eines Addierers soll sowohl
ein Rechteck- als auch ein Dreiecksignal
erzeugt werden. Davon ist die Fourier-Transformierte zu berechnen und zu analysieren.
3. Eine periodische Funktion mit einer Oberschwingung soll digital mit unterschiedlichen
Abtastraten gemessen und mittels FourierTransformation ausgewertet werden.
0
0,5 1 1,5 x 0
0,5 1
1,5 x 0
0,5 1
343
erzeugen, die nach der Überlagerung Schwebungen unterschiedlicher Frequenz in x- und
y-Richtung zeigen (Abb. F.1.2).
1,5 x
Abb. F.1.1 Optische Muster mit der Periodizität
8 (links) und 10 (Mitte), und ihre Phasenverschiebung von null (oben) sowie S (unten).
Die Schwebung in der Intensitätsverteilung (Einhüllende rot hervorgehoben) ist oben rechts dargestellt
Die Überlagerung von zwei optischen Mustern unterschiedlicher Frequenzen bzw. Periodizitäten (f1, f2) in Bezug auf ihre Intensitätsverteilungen führt zu einer Schwebung
und damit zu einer neuen Periodizität. In der
oberen Hälfte von Abb. F.1.1 erkennt man
auf der rechten Abbildung das Auftreten
einer Schwebung ( (f1f2) / 2). Im unteren Teil
der Abbildung weist das zweite gegenüber
dem ersten Muster eine Phasenverschiebung
von 180° auf. Als Folge davon kommt es
auch zu einer Verschiebung der Schwebung.
Im Zweidimensionalen lassen sich Muster
Abb. F.1.2 Optische Muster von Periodizitäten,
die zueinander senkrecht stehen, oben: Periodizität in horizontaler (x) und vertikaler (y) Richtung
ist 10, Mitte: Periodizität in x-Richtung ist 7 Perioden pro Längeneinheit und in y-Richtung
8 Perioden pro Längeneinheit, unten: Überlagerung beider Muster führt zu neuem Muster mit
unterschiedlichen Schwebungen der Intensitäten
in x- und y- Richtung
Mittels der Additionstheoreme für trigonometrische Funktionen
sin(Z1 t ) sin(Z2 t )
(24a)
§ Z Z2 ·
§ Z Z2 ·
t ¸ cos¨ 1
t¸ ,
2sin ¨ 1
© 2
¹
© 2
¹
344 Fourier-Transformation und Signalanalyse
sin Z1 t sin Z2t ʌ § Z Z2 ·
§ Z Z2 ·
2sin ¨ 1
t ¸ cos¨ 1
t¸ .
© 2
¹
© 2
¹
(24b)
ergeben sich zwei neue Kreisfrequenzen, die
Summen- und die Differenzkreisfrequenz:
Z1 Z 2
2
,
Z1 Z2
2
(25)
.
Letztere stellt die Modulationsfrequenz
(„Einhüllende“) dar, mit der die Amplitude
der Summenfrequenz moduliert wird.
Aus den Gln. (24a) und (24b) ist ersichtlich,
dass eine Phasenverschiebung um 180 Grad
eines der beiden Signale mit den Kreisfrequenzen Z 1 oder Z 2 die Phase von Summenund Differenzfrequenz um den gleichen
Betrag verändert.
In Abb. F.1.2 ist das obere im Gegensatz zu
dem mittleren Muster symmetrisch in den
Flächendimensionen x und y. Analog zu den
obigen Überlegungen ergeben sich in x- bzw.
y-Richtung die Modulationsfrequenzen von
3 Hz und 2 Hz, die direkt der unteren Abbildung in Abb. F.1.2 entnommen werden können.
Eine periodische Rechteckfunktion (rect(t))
kann durch die Fourier-Reihen
f
( 1) n
¦ 2 n 1 cos((2 n 1)Z t )
,
schwingungen bei einer festen Phasenbeziehung zwischen den Signalen so überlagert
werden, dass annähernd die gewünschten
Funktionen synthetisiert werden.
Versuchsausführung
Für die Aufgabe 1 werden verschieden dimensionale Muster unterschiedlicher Periodizität (Frequenz) auf transparenten Folien zur
Verfügung gestellt. Durch Übereinanderlegen
der Folien entstehen Muster mit einer neuen
Periodizität. Die entstehenden Schwebungsmuster sind unter Verwendung der Gln. (24a)
und (24b) auch unter Berücksichtigung unterschiedlicher Phasenverschiebungen zu
diskutieren. Zur Realisierung von Aufgabe 2
können mit einem elektronischen Addierer
(Abb. F.1.3) bis zu sechs phasenstarr miteinander gekoppelte Sinussignale unterschiedlicher Frequenz überlagert werden.
Mit Hilfe eines Digitaloszilloskops oder
eines computergestützten Messwerterfassungssystems, mit dem auch FFT-Rechnungen (Fast Fourier Transformation) möglich sind, werden die Einzelsignale und das
nach der Überlagerung entstehende Signal
erfasst und analysiert. Spezielle Hinweise zu
den versuchstechnischen Parametern und zur
Software für die Auswertung der Daten liegen am Arbeitsplatz aus.
(26a)
n 0
f
¦
n 0
1
sin((2 n 1) Z t )
2n 1
(26b)
G
f
und eine periodische Dreiecksfunktion durch
f
1
¦ (2 n 1)
n 0
f
¦
n 0
2
cos((2 n 1)Z t ) , (27a)
( 1) n
sin ((2 n 1)Z t )
(2 n 1) 2
Addierer
G
f
(27b)
approximiert werden. Mittels eines elektronischen Addierers können z. B. n Grund-
Abb. F.1.3 Zur Überlagerung von zwei Sinusspannungen mit einem elektronischen Addierer
(schematisch)
1.2 Fourier-Analyse gekoppelter elektrischer Schwingungen
Entsprechend der Gln. (26) und (27) sind ein
Rechteck- und ein Dreiecksignal zu synthetisieren, wobei die Anzahl der überlagerten
Sinussignale von n = 2 bis auf n = 6 erhöht
werden soll. Es sind die Veränderungen der
resultierenden Signale auch in Bezug auf eine
mit n = 5 berechnete Rechteck- bzw. Dreiecksfunktion zu diskutieren. Letztere sollen
im Rahmen der Versuchsvorbereitung mit
geeigneter Software erstellt werden.
f (t)
Δt
t
Abb. F.1.4 Beispiel zur Digitalisierung der analytisch gegebenen Funktion nach Gl. (28) mit der
Abtastrate 1/'t = 5fa. Die Oberschwingung bei
8 fa ist wegen 1/'t < 16 fa nach der Digitalisierung gemäß dem Abtasttheorem von Nyquist und
Shannon (Gl. (14)) nicht mehr nachweisbar
Bei Aufgabe 3 ist unter Berücksichtigung
von Gl. (28) eine Funktion zu synthetisieren,
die neben niederfrequenten Anteilen Z L eine
Oberschwingung der Kreisfrequenz Z H mit
Z L ZH enthält. Als Beispiel dient die in
Abb. F.1.4 dargestellte Funktion vom Typ
f t uˆ1 sin (Z t ) uˆ1 sin(2 Z t )
uˆ1 sin(8 Z t ) .
(28)
Durch Abtasten des Signals mit einer Rate
fa = Z a /(2 S) werden mit einem computergestützten Messwerterfassungssystem diskrete
Werte erfasst, mit denen man gemäß der
Gln. (11) bis (13) eine Fourier-Tranformation
durchführen kann. Für mindestens drei verschiedene Abtastraten (fa << 2 fL, fa | 2 fL,
fa >> 2 fL) sind die Messungen durchzuführen
345
und die Fourier-Transformierten unter Berücksichtigung des Abtasttheorems nach
Gl. (14) zu diskutieren.
1.2 Fourier-Analyse gekoppelter
elektrischer Schwingungen
Aufgabenstellung
1. Für zwei kapazitiv gekoppelte Schwingkreise sind mit Hilfe von Abklingvorgängen
die Schwebungsschwingungen zu messen
und aus den Fourier-Transformierten die
Frequenzen der gleich- sowie der gegensinnigen Schwingung zu bestimmen. Damit sind
die Kopplungsgrade zu ermitteln und mit den
berechenbaren Werten zu vergleichen.
2. Die Frequenzen zweier kapazitiv gekoppelter Schwingkreise sollen bei gleich- und
gegensinniger Anregung gemessen werden.
Zusätzlich ist die Schwebungsschwingung zu
messen und zu analysieren. Die Änderung
des Kopplungsgrads ist in Abhängigkeit von
der Kapazität des Kopplungskondensators im
Vergleich zu Aufgabe 1 zu diskutieren.
3. Für den Fall zweier induktiv gekoppelter
Schwingkreise ist der Kopplungsgrad in
Abhängigkeit vom Abstand zwischen den
Schwingkreisspulen qualitativ zu untersuchen.
Zwischen zwei miteinander verbundenen
Schwingkreisen, z. B. in kapazitiver oder
induktiver Kopplung, gibt es eine Wechselwirkung wie beim mechanischen Analogon,
den gekoppelten Pendeln (M.2.4). Die mathematische Beschreibung gekoppelter
Schwingkreise erfolgt unter der Annahme,
dass die Verluste von Spulen und Kondensatoren (vgl. E.3) vernachlässigbar und die
Größe der Kondensatoren (CA, CB) bzw. der
Induktivitäten (LA, LB) in den beiden
Schwingkreisen (A, B) gleichgroß sind.
Bei einer kapazitiven Kopplung können
praktisch zwei Fälle unterschieden werden,
die so genannte „Tiefpunkt-“ und die „Hoch-
346 Fourier-Transformation und Signalanalyse
punkt-Schaltung“. Im ersten Fall (Schaltung I, Grundschaltung nach Abb. F.1.2.1)
UC,A
CA
UL,A L
A
A Uk
I A I B I A,0 I B,0 cos Z 1 t
UC,B
CB
Ik
IA
IB
Ck
B
Die Lösung von Gl. (34) lautet (vgl. Anhang A.2)
LB UL,B
.
(35)
Dabei ist Z 1 die Eigenkreisfrequenz der
Schwingung mit
Z 1 Z0
1
LC
(36)
.
Subtrahiert man die Gln. (32) und (33), folgt
Abb. F.1.2.1 Grundschaltung kapazitiv gekoppelter Kreise (Schaltung I, „TiefpunktSchaltung“)
erhält man für die Spannungen UC,A und UC,B
nach der 2. Kirchhoff-Regel (E.1.0.1, Maschenregel)
U C ,A U L ,A U k
0
(29)
und
U C ,B U L ,B U k
0 .
(30)
L
§1
d2
2 ·
I I B ¨ ¸ IA IB 0 .
2 A
dt
© C Ck ¹
(37)
Als Lösung ergibt sich
I A I B I A,0 I B,0 cos Z 2 t
mit der Eigenkreisfrequenz
Z2
Mit den Beziehungen
1
I d t und U L
C³
UC
L
dI
dt
(31)
ergeben sich die beiden Differentialgleichungen (vgl. E.4)
L
d2 I A 1
1
IA IA IB 0 ,
2
dt
C
Ck
(32)
2
L
d IB 1
1
I B I A I B 0 , (33)
2
dt
C
Ck
wobei Ck den Kopplungskondensator beschreibt. Nach Addition der Gln. (32) und
(33) erhält man
L
d2
1
I A I B I A I B 0 . (34)
dt 2
C
(38)
1
§1
2 ·
L¨ ¸
© C Ck ¹
1
.
(39)
Nach Umstellung der Gln. (35) und (38) nach
IA und IB erhält man
1
I A0 I B0 cos Z 1t 2
1
I A0 I B0 cos Z 2t ,
2
(40)
1
I A0 I B0 cos Z1t 2
1
I A0 I B0 cos Z 2t .
2
(41)
I A (t )
I B (t )
Werden die Schwingungen beider Schwingkreise mit gleichgroßen Amplituden phasengleich angeregt, dann oszillieren beide
Schwingkreise in derselben Weise mit der
gleichen Frequenz f1 = Z 1/2S (gleichsinnige
Schwingung).
347
1.2 Fourier-Analyse gekoppelter elektrischer Schwingungen
folgt mit den Gln. (36) und (39) der Kopplungsgrad für Schaltung I (Abb. F.1.2.1):
U
T
kC ,I
t
TS
Abb. F.1.2.2 Schwingung mit Schwebung,
Schwingungsdauer T, Schwebungsdauer TS
Intensität
Für den Fall, dass die Anregung beider
Schwingkreise mit gleichgroßen Amplituden
aber mit einer Phasenverschiebung von 180°
(IA = IB) erfolgt, ist die Frequenz f2 = Z 2/2S
(gegensinnige Schwingung).
1
2
C
.
C Ck
(43)
Bei schwacher Kopplung sind die Unterschiede zwischen den Kreisfrequenzen Z2
und Z1 nicht sehr groß und analog zu den
gekoppelten Pendelschwingungen (M.2.4)
schwingen in diesem Fall beide Schwingkreise mit der Kreisfrequenz
2 ʌ Z 1 Z 2
Z
.
(44)
T
2
Für die Kreisfrequenz der Schwebung gilt
2ʌ
Z2 Z1 .
(45)
TS
Für die zweite Schaltungsvariante (Schaltung
II, „Hochpunkt-Schaltung“) zur Untersuchung kapazitiv gekoppelter Schwingungen
verwendet man die in Abb. F.1.2.4 dargestellte Grundschaltung.
ZS
Ik b
a
3
IL,A
LA
ω1
ω2
Abb. F.1.2.3 Fourier-Spektrum kapazitiv gekoppelter Schwingkreise mit den Kreisfrequenzen Z1
und Z2, gleichsinnige (1) und gegensinnige (2)
Kopplung, Schwebungsschwingung (3)
Wird nur einer der Kreise zum Zeitpunkt
t = 0 angeregt (IA  0, IB = 0), entstehen für
nicht zu starke Kopplungen Schwebungsschwingungen (Abb. F.1.2.2), die die Frequenzen f1 und f2 enthalten (Abb. F.1.2.3).
Aus der Definition des Kopplungsgrads k mit
k
Z 22 Z 12
Z 22 Z 12
(42)
A
CA
IC,A
Kreisfrequenz
IL,B
Ck
C
CB
IC,B
B
LB
Abb. F.1.2.4 Grundschaltung kapazitiv gekoppelter Kreise (Schaltung II, „HochpunktSchaltung“)
Wendet man die Kirchhoff-Regeln (E.1.0.1)
auf die Masche C sowie die beiden Knoten a
und b an, werden die folgenden Beziehungen
erhalten:
0
I L ,A
I k I C ,A I C ,B
(Masche C) ,
Ck
C
C
I k I C ,A
(Knoten a) ,
(46)
(47)
348 Fourier-Transformation und Signalanalyse
I L,B
I k IC ,B
(Knoten b) .
(48)
Unter der Annahme
dI
1
I C dt L L
³
dt
C
0
(49)
folgt für den Schwingkreis A mit den
Gln. (46) und (47) die Differentialgleichung
0
§ d2 I
C d2 I+ ·
L ¨ C2,A k
¸ . (50)
¨ dt
C
C d t 2 ¸¹
©
I C ,A
Mit I+ = IC,A+IC,B und mit den Gln. (46) und
(48) kann für den Kreis B eine entsprechende
Gleichung aufgestellt werden:
0
§ d 2 I C ,B Ck d 2 I + ·
L¨
¸ .
¨ dt2
C
C d t 2 ¸¹
©
I C ,B
0
(52)
2
0
Id I
L 2- .
C
dt
(53)
Mathematisch lässt sich das Zeitverhalten des
Stroms als Linearkombination
I (t )
A+ cos(Z+ t ) A- cos(Z- t )
(54)
mit den Kreisfrequenzen
Z+
und
1
L (C 2 C k )
,
(55)
1
LC
(56)
beschreiben (Ck > 0, Z > Z+). Die Beiträge
der Amplituden A+ und A- der beiden Eigenschwingungen zur Gesamtschwingung hängen dabei von den Anfangsbedingungen ab.
Für den Kopplungsgrad erhält man wie für
den Fall der „Tiefpunktschaltung“ in Analogie zu Gl. (42):
kC ,II
Z2 Z2
Z2 Z2
Ck
.
C Ck
(57)
Die Herleitung der Differentialgleichungen
im Fall von zwei induktiv gekoppelten
Schwingkreisen (Abb. F.1.2.5) erfolgt wieder
unter Verwendung der Kirchhoff-Regeln.
(51)
Die Gln. (50) und (51) beschreiben wieder
ein gekoppeltes System von Differentialgleichungen. Durch Addition und Subtraktion
erhält man aus diesen Gleichungen unter
Verwendung von I+ und I = IC,AIC,B die
entkoppelten Differentialgleichungen:
I+
C d2 I+
(L 2L k )
,
C
C dt2
Z
IA
IB
UB
UA
CA
A
LA
LB
CB
B
M
Abb. F.1.2.5 Grundschaltung induktiv gekoppelter Schwingkreise
In jedem der Kreise gibt es vom Kondensator
und von der Spule einen Beitrag zur Spannung. Durchdringt das Magnetfeld der einen
Spule die Windungen der anderen Spule,
erfolgt nach dem Faraday’schen Induktionsgesetz eine Kopplung der Ströme der beiden
Kreise. Mit C = CA = CB und L = LA = LB
erhält man:
IA
d2 IA
d2 IB
L
M
C
dt2
dt2
0 ,
(58)
IB
d2 IB
d2 IA
L
M
C
dt2
dt2
0 .
(59)
349
1.2 Fourier-Analyse gekoppelter elektrischer Schwingungen
Die Stärke dieser Kopplung wird durch die
Gegeninduktivität M beschrieben.
Eine Entkopplung dieses Differentialgleichungssystems erfolgt in Analogie zum kapazitiv gekoppelten Fall. Durch die Addition
und Subtraktion der Gln. (58) und (59) und
mit I+ = IA+IB bzw. I= IAIB folgt:
I
d2 I
( L M ) 2
C
dt
0 ,
(60)
Id2 I
( L M ) 2C
dt
0 .
(61)
Die entsprechenden Kreisfrequenzen sind
Z
1
,
C (L M )
(62)
Z-
1
C (L M )
(63)
.
Unter Berücksichtigung der Eigenkreisfrequenz Z 0 = (L C)-1/2 der ungekoppelten
Schwingung erhält man
Zr
Z0
M
1r
L
=
Z0
1 r kL
.
(64)
Der Kopplungsgrad kL der induktiv gekoppelten Schwingungen wird in Analogie zu
Gl. (57) definiert:
kL
M
.
L
(65)
Für den Fall einer schwachen Kopplung folgt
'Z Z Z
'f
f f
kL Z0 bzw.
kL f 0 .
(66a)
(66b)
Die Aufspaltung der Linien im FourierSpektrum ist deshalb symmetrisch zur Eigen-
frequenz f0 = Z0 / (2S). In der Zeitdarstellung
beobachtet man Schwebungsschwingungen
analog zu den gekoppelten Pendelschwingungen (M.2.4) oder den kapazitiv gekoppelten Schwingungen (Abb. F.1.2.2).
Versuchsausführung
In einem Vorexperiment ist mit den im Versuch verwendeten Bauteilen ein ungekoppelter Schwingkreis aufzubauen (Abb. F.1.2.6).
Der Kondensator (Kapazität C) wird mittels
der Gleichspannung Ua aufgeladen. Nach
dem Schließen des Stromkreises bestehend
aus Spule (Induktivität L) sowie dem Kondensator mit einem elektronischen Umschalter (S) kommt es zum exponentiell gedämpften Ausschwingverhalten (vgl. E.4.1).
L
S
Ua
C
Abb. F.1.2.6 Messschaltung zur Ermittlung der
Eigenfrequenzen und der Dämpfungskonstanten
der nicht gekoppelten Schwingkreise
Mit einem Digitaloszilloskop mit mathematischen Funktionen bzw. eines rechnerunterstützten Messwerterfassungssystems sind in
einem Vorversuch die Identität der Eigenfrequenzen der ungekoppelten Schwingkreise zu
überprüfen sowie deren Dämpfungskonstanten mit Hilfe der Abklingfunktion
(vgl. E.4.0.1) zu ermitteln. Mit diesen Werten
kann die Bedingung für schwach gedämpfte
Schwingungen kontrolliert werden. Sind die
Eigenfrequenzen unterschiedlich, ist die
Frequenzabstimmung der Kreise mit zusätzlich zur Verfügung gestellten Bauteilen (regelbare Kapazitäten) durchzuführen.
350 Fourier-Transformation und Signalanalyse
C
C
Ck
L
L
S
Ua
Abb. F.1.2.7 Messschaltung I für kapazitiv gekoppelte Schwingkreise
Für Aufgabe 1 ist die in Abb. F.1.2.7 dargestellte Messschaltung aufzubauen und anschließend werden die Kondensatoren mit
Hilfe eines Labornetzgeräts (Quellenspannung Ua) geladen. Die Ladezustände der
Kondensatoren bestimmen die Anfangsbedingungen und damit auch die Größe von IA0
und IB0 (Gln. (40) und (41)). Bei der Schaltung in Abb. F.1.2.7 erkennt man, dass hier
eine Reihenschaltung des linken Kondensators mit einer Parallelschaltung bestehend aus
variablem Kopplungskondensator Ck und der
Reihenschaltung am rechten Kondensator C
und der rechten Spule (Induktivität L) vorliegt. Der linke und rechte Kondensator sind
also verschieden geladen (die Vorzeichen der
Ladungen sind jedoch gleich). Es handelt
sich um einen „gemischten“ Ausgangszustand und dementsprechend treten Schwingungen mit den Frequenzen f1 und f2 gemäß
der Gln. (36) und (39) auf. Um die Messung
zu starten, wird der Umschalter (S) geschlossen. Es wird die über der Spule abfallende
Spannung gemessen und mittels FFT das
Frequenzspektrum berechnet, das anschließend mit einem Mess-Cursor-System ausgemessen werden kann. Es sind für zehn unterschiedliche Kapazitäten des Kopplungskondensators die jeweiligen Frequenzen f2 bei
konstanter Frequenz f1 und die Kopplungsfaktoren zu ermitteln, wobei darauf zu achten
ist, dass die betreffenden Linien (Peaks)
bezüglich ihrer Frequenzunterschiede im
Spektrum noch deutlich unterschieden werden können.
Bei Aufgabe 2 ist die Messschaltung nach
Abb. F.1.2.8 aufzubauen. Diese ermöglicht
durch die eindeutig bestimmten Anfangszustände der geladenen Kondensatoren die
Eigenschwingungen eines kapazitiv gekoppelten Systems separat zu messen. Mit der
Anfangsbedingung Ua = Ub wird der Fall der
gleichsinnigen Schwingungen (Frequenz f1)
realisiert, während man für Ua = Ub die
gegensinnigen Schwingungen (Frequenz f2)
erfassen kann. Für etwa zehn verschiedene
Werte der Kopplungskapazität werden mittels FFT die Frequenzen f1 und f2 bestimmt
und daraus die Periodendauer T und die
Schwebungsdauer Ts unter Berücksichtigung
der Gln. (44) und (45) berechnet.
C
C
Ck
S
Ua
S
L
Ub
L
Abb. F 1.2.8 Messschaltung II für kapazitiv
gekoppelte Schwingkreise
Danach sind durch Überbrücken des rechten
Schalters und Laden des linken Kondensators
sowie nach Schließen des linken Schalters
Schwebungsschwingungen aufzunehmen und
die Periodendauer und die Schwebungsdauer
zu bestimmen. Die aus den Frequenzen f1 und f2 berechneten Werte T und Ts sind
mit den aus den Schwebungsschwingungen
erhaltenen Werten zu vergleichen. Der Kopplungsfaktor kC,II ist zu bestimmen.
Zur Durchführung von Aufgabe 3 ist die in
der Abb. F.1.2.9 dargestellte Schaltung aufzubauen. Als Kopplungsspulen werden zwei
flache, identische Kreisspulen verwendet, die
sich auf einer optischen Bank parallel und
koaxial gegenüber stehen.
351
1.3 Fourier-Analyse akustischer Schwingungen
CB
LB
S
Ua
Abb. F.1.2.9 Messschaltung für induktiv gekoppelte Schwingkreise
Nach dem Laden des Kondensators CA wird
der Umschalter (S) geschlossen und die gekoppelten Schwingungen können während
des Ausschwingens aufgenommen sowie
anschließend kann das Fourier-Spektrum
berechnet werden. Es sind für etwa fünf
unterschiedliche Abstände zwischen den
Kreisspulen die Frequenzen f+ und f- sowie
die Frequenz f0 des ungekoppelten Schwingkreises zu ermitteln. Damit ist der Kopplungsgrad nach Gl. (66b) zu berechnen, dessen Abhängigkeit vom Abstand der Spulen
graphisch darzustellen und zu diskutieren ist.
1.3 Fourier-Analyse akustischer
Schwingungen
Aufgabenstellung
1. Es ist für drei unterschiedlich abgestimmte
Stimmgabeln die Eigenfrequenz der jeweiligen Einzelschwingung sowie die Überlagerung der Einzelschwingungen zu messen und
zu analysieren.
2. Die Hohlraumschwingungen von Rundhalskolben verschiedener Abmessungen sollen untersucht und deren Eigenfrequenzen
bestimmt werden.
3. Mit einem Monochord sind Saitenschwingungen unter verschiedenen Bedingungen zu
untersuchen.
Zur Messung der unterschiedlichen Schallsignale wird ein Messmikrofon mit Verstärker verwendet, das mit dem Interface eines
rechnerunterstützten Messwerterfassungssys-
Versuchsausführung
Für die Realisierung von Aufgabe 1 stehen
drei gleichartige Stimmgabeln zur Verfügung, deren Eigenfrequenz durch Verschieben eines kleinen Reiters längs der Achse
eines Gabelzinkens gegenüber der Grundfrequenz ohne Reiter verändert werden kann.
Die Schwingungen der Stimmgabelzinken
kann man durch Biegeschwingungen (M.4.1)
beschreiben. Bei dieser speziellen Form von
Schwingungen in Festkörpern hängt die
Frequenz unter anderem von der Masseverteilung längs der Achse des Gabelzinkens ab.
Im vorliegenden Beispiel bewirkt der Reiter
am Ende eines Zinkens die größtmögliche
Änderung (Verringerung) der Grundfrequenz
der Stimmgabel.
Intensität
LA
Amplitude
CA
tems verbunden ist und mit dem neben der
Signalaufzeichnung auch eine Fourier-Transformation der Signale möglich ist. Ausführliche Hinweise zur Bedienung des Messmikrofons und des Messwerterfassungssystems
sowie zur Datenanalyse liegen am Versuchsplatz aus.
Zeit
f1 f2
f3 Frequenz
Abb. F.3.1 Beispiel eines Signals f (t) nach der
Überlagerung von drei Stimmgabelschwingungen
mit den Frequenzen f1, f2, f3 und dessen FourierTransformierte
An den Gabelzinken sind in definierten Abständen Markierungen angebracht, so dass
man die verschiedenen Positionen des Reiters
auf dem Zinken gut reproduzieren kann.
Nachdem man die Reiter an drei ausgewählten Stellen (jeweils etwa 10 Hz Unterschied
zwischen den Eigenfrequenzen) festgeklemmt hat, sind die Stimmgabeln einzeln
mit einem kleinen Gummihammer anzu-
352 Fourier-Transformation und Signalanalyse
schlagen, die jeweiligen Einzelschwingungen
aufzunehmen und deren Frequenz dem Fourier-Spektrum zu entnehmen. Zur Optimierung der Signalamplitude wird das Messmikrofon nahe der Öffnung des Resonanzkastens
aufgestellt und der Grad der Verstärkung am
Mikrofon geeignet gewählt. Anschließend
sind erst zwei und danach alle drei Stimmgabeln kurz nacheinander anzuschlagen und in
Schwingungen zu versetzen. Die überlagerten Schwingungen sind zu messen und die
Frequenzen mittels anschließender FourierTransformation zu bestimmen. In der Diskussion sind die Frequenzen, die aus den überlagerten Schwingungen erhalten werden, mit
denjenigen der Einzelschwingungen zu vergleichen.
Bei Aufgabe 2 werden mit Luft gefüllte
Rundhalskolben zu Hohlraumschwingungen
angeregt. Bereits Hermann von Helmholtz
entwickelte diese Art von akustischen Resonatoren (Helmholtz-Resonatoren), die heute
noch in der Raumakustik praktische Anwendungen finden. Diese Hohlraumschwingungen werden in Analogie zur Schwingung
eines Masse-Feder-Systems beschrieben
(Masse m, Federkonstante c, M.3.3). Für die
Eigenfrequenz dieses Systems gilt
f0
1
2ʌ
c
.
m
(67)
Das kompressible Gasvolumen VH des Hohlraums wirkt wie eine Feder mit der Masse m = mG (Gasmasse mG = UG l A , l Länge
des Resonatorhalses, A Querschnittsfläche
der schwingenden Masse, UG Dichte des
ruhenden Gases).
Zunächst berechnet man die Federkonstante c
des Gasvolumens (vgl. W.2.2.3). Unter der
Annahme, dass die Änderungen des Drucks
im Gas so schnell erfolgen, dass kein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfinden
kann, gilt für den Kompressionsmodul K:
1
K
1 ǻV
VH ǻ p
1
.
J pG
(68)
Dabei sind J der Adiabatenexponent (W.2.2)
und pG der Druck des ruhenden Gases. Die
Druckänderung 'p entsteht durch eine Kraft
'F, die auf die Fläche A wirkt:
'p
'F
.
A
(69)
Eine Verschiebung der schwingenden Gasmasse mG aus der Ruhelage um die Strecke 'l in Richtung des Hohlraumvolumens VH bewirkt eine Verringerung des Resonatorvolumens um den Wert 'V. Demzufolge verhalten sich Volumen- und Längenänderung entgegengesetzt ('V = A ' l ). Mit
'F = c ' l und den Gln. (68) und (69) folgt
ǻF
ǻl
c
pG J A2
VH
.
(70)
Nach Einsetzen der Federkonstante c und der
Masse mG in Gl. (67) erhält man
f0
1 A pG J
.
2ʌ VH l UG
(71)
Addiert man zur Länge l die so genannte
Mündungskorrektur ( ʌ R / 4 , R Radius des
Halses, Abb. F.3.2) auf beiden Seiten des
Resonatorhalses, folgt für die Eigenfrequenz
f0 des Helmholtz-Resonators
f0
1
2ʌ
J pG ʌ R 2
VH U G (l ʌR
)
2
.
(72)
Zunächst wird das Mikrofon ein Stück in den
Hals des eingespannten Resonatorvolumens
hinein geschoben (Abb. F.3.2).
Ein Lautsprecher, der mit Hilfe eines Funktionsgenerators zu Sinusschwingungen angeregt wird, ist so aufzustellen, dass sein abgestrahltes Schallfeld im Hohlraum zu erzwungenen Schwingungen führt. Bei langsamer
Variation der Generatorfrequenz in einem
vorgegebenen Frequenzbereich wird das
Ausgangssignal des Mikrofons mit einem
353
1.3 Fourier-Analyse akustischer Schwingungen
rechnerunterstützten Messwerterfassungssystem bei ausreichend kleiner Abtastrate
(F.1.0.1) aufgenommen und das Frequenzspektrum mittels FFT berechnet.
Computer
Signalverarbeitung
Interface
(II)
b
(I)
a
c
l
2R
VH
Rauschgenerator
Abb. F.3.2 Schema des Messplatzes zur Messung von Hohlraumschwingungen (Rundhalskolben (a), Messmikrofon (b), Lautsprecher (c)),
weißes Rauschen1 (I) zur Anregung von Hohlraumschwingungen, Frequenzspektrum (II, roter
Peak entspricht der Eigenfrequenz der Hohlraumschwingung)
Im Frequenz-Spektrum sind dann die beiden
Frequenzen der Schallwelle und der Hohlraumschwingung deutlich zu erkennen.
Stimmen beide Frequenzen nahezu überein,
beobachtet man maximale Intensität der Linie
für die betreffende Eigenfrequenz der Hohlraumschwingung. Weitere Messungen sollen
nach Anregung der Hohlraumschwingungen
durch Anschlagen mit einem kleinen Gummihammer und durch ein Rauschsignal (weißes Rauschen) eines Lautsprechers durchgeführt und deren Fourier-Spektren diskutiert
werden. Die Eigenfrequenzen der unter1
Beim weißen Rauschen verteilt sich die Rauschleistung pro Frequenzintervall konstant über alle
Frequenzen. Thermisches Rauschen (elektronisches Rauschen, Johnson-Nyquist-Rauschen) ist
ungefähr weißes Rauschen. Es entsteht durch die
thermische Bewegung von Ladungsgträgern
(insbesondere von Elektronen) innerhalb eines
elektrischen Leiters im thermischen Gleichgewicht unabhängig von der angelegten Spannung.
schiedlich großen Resonatoren, deren Abmessungen bekannt sind, sollen berechnet
und mit den im Experiment bestimmten Werten verglichen werden.
Bei Aufgabe 3 werden u. a. die Saitenschwingungen von dünnen Stahldrähten in
Abhängigkeit von der Spannkraft (Zugspannung) und der Saitenlänge untersucht
(Abb. F.3.3). Die Saiten sind auf einem Resonanzkasten (z. B. Monochord) befestigt.
Durch diesen werden die Saitenschwingungen akustisch verstärkt. Zur Variation der
Länge L der schwingenden Saite stehen zwei
verschiebbare Keile zur Verfügung. Der
Einfluss der Spannkraft F und der Länge L
auf die Eigenfrequenzen der Saitenschwingung wird mit einem rechnerunterstützten
Messplatz ermittelt.
Keil
Spannvorrichtung
Schwingungsrichtung
Saite
Keil
Resonanzkasten
L
Abb. F.3.3 Zur Messung von Saitenschwingungen mit Resonanzkasten (schematisch)
Ausgangspunkt der theoretischen Behandlung von Saitenschwingungen (beide Enden
fest eingespannt, axiale Normalspannung V F / A ) ist die Wellengleichung vom
Typ
w2 y
wt 2
F w2 y
.
U A w x2
(73)
Es ist U die Dichte des Drahts und die Koordinaten x bzw. y beschreiben die Richtungen
der ruhenden Saite sowie die Auslenkung der
Saite. Die Differentialgleichung in Gl. (73)
zeigt, dass die Transversalschwingungen
nicht von der Elastizität des Materials (EModul) sondern nur von der Spannkraft F
und der so genannten linearen Massendichte
P U A abhängen. Für die Phasengeschwin-
354 Fourier-Transformation und Signalanalyse
O f
ct
F
UA
.
(74)
l
n=1
t
Grundschwingung
f
1
n=2
t
1. Oberschwingung
f =2f
2
1
t
n= 3
2. Oberschwingung
f =3f
3
1
Abb. F.3.4 Stehende Welle bei beidseitig eingespannter Saite für die ersten drei Harmonischen
einer Saitenschwingung
Im Falle beidseitig fixierter Saiten existieren
bei einer stehenden Welle an den Enden der
Saite immer Knoten. Infolge des Abstands
O /2
zwischen
den
Knoten
gilt
L n On / 2 bzw.
On
2L
( n 1, 2,3, ...) .
n
(75)
f1
Damit folgt aus Gl. (74) für die Eigenfrequenzen (fn = ct /On)
fn
n
2L
F
UA
.
An den fixierten Stellen (Keile, Befestigungspunkte) erfahren die Wellen bei der
Reflexion einen Phasensprung von S.
Zur Erregung transversaler Saitenschwingungen zieht man im einfachsten Fall die
Saite in der Mitte kurz nach oben (Anzupfen). Es ist aber auch möglich, die Saite
durch geeignete äußere Beeinflussung
(z. B. mechanisch oder magnetisch) zu erzwungenen Schwingungen anzuregen. Dabei
kann auch die Frequenzabhängigkeit der
Schwingungsamplitude in Form einer Resonanzkurve (M.2.3) erfasst werden. Die Aufnahme und Auswertung der Schallwellen
erfolgt analog zu den bereits oben beschriebenen Messungen. In Abb. F.3.5 ist das Frequenzspektrum einer gemessenen Saitenschwingung nach der Fourier-Transformation
dargestellt.
Intensität
digkeit c der sich ausbildenden transversalen
Welle ergibt sich
(76)
Die in Abb. F.3.4 dargestellte Amplitudenverteilung längs der Saite zeigt den momentanen Schwingungszustand für den Zeitpunkt t (schwarze Kurven) und für den ZeitT
punkt t n 1 mit n = 1, 2, 3, …(rote Kur2
ven). T1 entspricht der Periodendauer und f1
der Frequenz der Grundschwingung. Zwischen diesen beiden Zuständen schwingt die
Saite mit den Frequenzen fn (fn = n f1).
f2
f3
f4
f5
f
Abb. F.3.5 Fourier-Transformierte einer Saitenschwingung, Grundfrequenz f1 (roter Peak) und
Oberschwingungen
Außer der Frequenz f1 der Grundschwingung
sind auch die Frequenzen einiger Oberschwingungen zu erkennen. Unter Anwendung von Gl. (76) können die Frequenzen des
Spektrums eindeutig zugeordnet werden. Die
experimentell bestimmten Grundfrequenzen
der Saitenschwingung in Abhängigkeit von
der Spannkraft F sind mit den nach Gl. (76)
berechneten Werten zu vergleichen. Dazu
werden neben der Größe von F, die mit der
zur Verfügung stehenden Spannvorrichtung
bestimmt wird, die Länge L und der Durchmesser (2r) der Saite ermittelt, die Dichte U
1.3 Fourier-Analyse akustischer Schwingungen
des Materials ist bekannt. Für die Diskussion
der Abhängigkeit der Eigenfrequenz der
Saitenschwingung von der Länge der Saite ist
eine graphische Darstellung f1(L) anzufertigen, in die auch die mit Gl. (76) berechneten
Werte einzutragen sind. Abweichungen, die
außerhalb der Messunsicherheiten liegen,
355
sollen diskutiert werden. Zusätzlich können
auch Messungen mit einer Saite aus einem
anderen Material oder mit einem anderen
Durchmesser durchgeführt werden, um den
Einfluss des Materials und des Querschnitts
auf die Grundfrequenz unter Beachtung von
Gl. (76) zu erörtern.
357
Anhang
A.1
Komplexe Zahlen
358
A.2
Lösungen linearer Differentialgleichungen
360
A.3
Nichtlineare Dynamik
364
A.4
Grundlagen digitaler Messungen
370
A.5
Nuklid-Zerfall
373
A.6
Physikalische Fundamentalkonstanten
377
A.7
Eigenschaften fester Stoffe
378
A.8
Eigenschaften von Flüssigkeiten
379
A.9
Dichte und dynamische Viskosität von Wasser
380
A.10
Siedetemperatur des Wassers in Abhängigkeit vom Luftdruck
380
A.11
Spezifische Wärmekapazität von Wasser
381
A.12
Dichte von Gasen, Schallgeschwindigkeit in Gasen, Flüssigkeiten und
Festkörpern
381
A.13
Wärmeleitfähigkeit fester Stoffe
381
A.14
Flächenträgheitsmomente ausgewählter Querschnitte
382
A.15
Beispiele stationärer Wärmeleitung
383
A.16
Spezifischer elektrischer Widerstand und Temperaturkoeffizient
384
A.17
Beweglichkeit der Ladungsträger verschiedener Halbleiter
384
A.18
Spektrallinien ausgewählter Elemente
385
A.19
Termschema von Neon
386
A.20
Tabelle zur Standardnormalverteilung
387
A.21
Tabelle zur t-Verteilung
388
A.22
Tabelle zur F 2-Verteilung
389
W. Schenk et al., Physikalisches Praktikum,
DOI 10.1007/978-3-658-00666-2_7, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
Anhang
358
A.1 Komplexe Zahlen
A.1.0 Bedeutung komplexer Zahlen für
die Physik
Alle messbaren physikalischen Größen sind
durch Zahlenwert und Einheit gekennzeichnet (siehe Einführung 1). Die Zahlenwerte sind dabei reelle Zahlen. Dennoch
rechnet man in der Physik und der Elektrotechnik häufig mit komplexen Zahlen, da
sich dadurch die Rechnungen oft wesentlich vereinfachen. Im Allgemeinen wird
dabei der physikalischen Größe mit reellem
Zahlenwert eine komplexe Größe zugeordnet. Die Berechnungen erfolgen im Bereich
der komplexen Zahlen und führen zu einem
komplexen Ergebnis. Dieses ist entsprechend zu interpretieren und auf den aus
physikalischer Sicht relevanten reellen Fall
zurückzuführen. Für komplexe Zahlen gibt
es die kartesische und die trigonometrische
Form (Polarform), die sich mit der Euler’schen Identität in eine Exponentialform
überführen lässt.
A.1.1 Kartesische Form
(1)
Die reellen Zahlen x = Re( z ) und
y = Im ( z ) sind dabei der Real- und der
Imaginärteil der komplexen Zahl z . Für
die imaginäre Einheit i gilt:
i = 1 .
Im
(2)
Die komplexe Zahl z lässt sich als Punkt
P(x,y) in der Gauß’schen Zahlenebene
(Abb. A.1.1) darstellen. Die y-Achse trägt
die imaginäre Einheit i. Diese wird in der
Elektrizitätslehre auch mit j bezeichnet, um
Verwechslungen mit dem Symbol i für die
P(x,y)
y
z
ϕ
x
-z
Re
z*
Abb. A.1.1 Darstellung einer komplexen Zahl
und der konjugiert komplexen Zahl in der
Gauß’schen Zahlenebene (Im: imaginäre Achse
mit der imaginären Einheit i, Re: reelle Achse)
Die Länge des Zeigers charakterisiert den
Betrag z = z der komplexen Zahl:
z
Komplexe Zahlen stellen eine Erweiterung
der Menge der reellen Zahlen dar. Sie haben die Struktur
z = xiy .
Wechselstromstärke zu vermeiden. Der
Punkt P(x,y) bildet die Spitze eines Zeigers,
dessen anderer Begrenzungspunkt im Ursprung der Gauß’schen Zahlenebene liegt.
x2 + y 2 .
(3)
Die Zahl z * = x -i y ist die zu z konjugiert
komplexe Zahl und es gilt:
z = z z* .
(4)
Es seien z 1 = x1 + i y1 und z 2 = x2 + i y2 zwei
von null verschiedene komplexe Zahlen.
Für das Rechnen mit komplexen Zahlen in
kartesischer Form gelten die folgenden
Regeln:
Komplexe Zahlen werden in kartesischer
Form addiert bzw. subtrahiert, indem man
jeweils ihre Real- und Imaginärteile getrennt addiert bzw. subtrahiert und zum
komplexen Ergebnis zusammensetzt:
z = z 1 ± z 2 = (x1 ± x2 ) + i (y1 ± y2 ) .
(5)
Komplexe Zahlen werden in kartesischer
359
A.1 Komplexe Zahlen
Form multipliziert, indem man die Klammerausdrücke nach den aus dem Bereich
der reellen Zahlen bekannten Regeln ausmultipliziert. Anschließend wird nach Realund Imaginärteil sortiert und zusammengefasst:
z
z1 z2 = (x1 +i y1 ) (x2 +i y2 )
= (x1 x2 y1 y2 ) +i (x1 y2 y1 x2 ) .
(6)
Das Produkt einer komplexen Zahl mit
ihrer konjugiert komplexen Zahl ist gleich
dem Quadrat des Betrages der komplexen
Zahl:
z
2
zz
*
x y .
2
2
(7)
Bei der Division zweier komplexer Zahlen
macht man den Nenner durch Erweitern mit
seiner konjugiert komplexen Zahl rational:
z
z1
z2
( x1 i y1 ) ( x2 i y2 )
( x2 i y2 ) ( x2 i y2 )
(x1 x2 + y1 y2 ) (x2 y1 x1 y2 )
+i
.
x2 2 + y2 2
x2 2 + y2 2
1
x i y
( x i y) x2 y 2
x
y
i 2
.
x y2
x2 y 2
z cos M , y
x
z sin M .
(10)
Damit geht die in Gl. (1) gegebene kartesische Form der komplexen Zahl in die trigonometrische Darstellung über:
z (cos M isin M ) .
z
(11a)
Die dazu konjugiert komplexe Zahl ist
z*
z (cos M i sin M ) .
(11b)
Der Zeiger der konjugiert komplexen Zahl
schließt in diesem Fall mit der Abszisse den
Winkel -M ein (Abb. A.1.1). Aus der Beziehung
tanM =
Im(z )
Re(z )
y
x
(12a)
lässt sich der Winkel M mit
(8)
§ Im( z ) ·
§ y·
¸ = arctan ¨ ¸
z
Re(
)
©x¹
©
¹
M = arctan ¨
Für den Reziprokwert der komplexen
Zahl z (Gl. (1)) ergibt sich somit
1
z
schließt, darstellen. Es gilt:
(9)
Potenzieren und Radizieren ist in der kartesischen Form möglich. Günstiger ist allerdings das Ausführen solcher Rechnungen in
der Exponential- oder der trigonometrischen Form, die im Folgenden beschrieben
werden.
A.1.2 Trigonometrische Form
Wie aus Abb. A.1.1 ersichtlich ist, lässt
sich die komplexe Zahl z auch durch ihren
Betrag z (Länge des Zeigers) und den Winkel ij, den der Zeiger mit der Abszisse ein-
(12b)
berechnen.
Die Addition, Subtraktion, Multiplikation
und Division werden nach den für die kartesische Form beschriebenen Regeln ausgeführt. Durch die Anwendung von Additionstheoremen ist bei der Multiplikation und
der Division eine weitere Zusammenfassung der Winkelfunktionen möglich. Für
zwei von null verschiedene komplexe Zahlen
z1
z1 (cos M1 i sin M1 ) und
z2
z2 (cos M2 i sin M2 )
ergibt sich durch Multiplikation bzw. Division
z
z1 z 2
z1 z2 cos (M1 M 2 ) i sin(M1 M 2 ) ,
(13)
Anhang
360
z1
z
z2
z1
cos (M1 M2 ) i sin (M1 M2 ) .
z2
(14)
Bei der Berechnung der n-ten Wurzel ergeben sich genau n verschiedene Wurzeln wn:
1
zn
zz
*
z cos M sin M 2
2
2
2
z .
(15)
Die Euler’sche Identität und ihre konjugiert
komplexe Form
eiM = cosM i sinM ,
(16a)
e = cosM i sinM
(16b)
ermöglichen eine Beschreibung beliebiger
komplexer Zahlen in exponentieller Form:
z (cos M i sin M )
z ei M ,
z (cos M i sinM ) = z e-iM .
z*
(17a)
(17b)
Rechenoperationen wie Multiplikation,
Division, Potenzieren und Radizieren im
Bereich der komplexen Zahlen vereinfachen sich damit wesentlich. Für die Multiplikation und Division folgt:
z
z1 z 2
z
z1
z2
z1 z2 ei (M1 M2 ) ,
z1 eiM1
z2 eiM2
z1 i(M1 M2 )
e
.
z2
z n (ei M ) n
z n ei n M
z n cos (n M ) i sin (n M ) .
M k 2ʌ
n
(20)
1
1
e
i
ʌ k 2ʌ
2
ª § ʌ k 2ʌ ·
§ ʌ k 2ʌ · º
¸ +i sin ¨
¸» .
«cos ¨
2
2
¹
©
¹¼
¬ ©
Mit k = 0 und 1 erhält man
w1
§ʌ·
§ʌ·
(cos ¨ ¸ +i sin ¨ ¸ = i ,
©2¹
©2¹
w2
§ 3ʌ ·
§ 3ʌ ·
(cos ¨ ¸ +i sin ¨ ¸ )= i .
2
© ¹
© 2 ¹
Damit sind i und –i Lösungen der Gleichung w2 = 1.
Mit der Euler’schen Identität lassen sich
auch der Sinus bzw. der Kosinus eines
Winkels M in exponentieller Form darstellen. Es gilt:
eiM e-iM
, cos M
2i
eiM + e-iM
. (21a,b)
2
(18a)
sin M
(18b)
A.2 Lösungen linearer Differentialgleichungen
Durch Verwenden der Euler’schen Identität
erhält man daraus die durch die Gl. (13)
bzw. Gl. (14) gegebenen trigonometrischen
Darstellungen. Für das Potenzieren einer
komplexen Zahl z mit der Zahl n folgt:
zn
i
k = 0 … n1. Zum Beispiel folgt mit z = 1
und n = 2 sowie M ʌ aus Gl. (20):
1
z
1
zn e
z 2 = 12 =1 (ei(ʌ k 2ʌ) ) 2
A.1.3 Exponentielle Darstellung
-iM
1
1
ª § M k 2ʌ ·
§ M k 2ʌ ·º
z n «cos ¨
¸isin ¨
¸» ,
© n ¹¼
¬ © n ¹
Die Anwendung von Gl. (7) zur Berechnung des Betrags der komplexen Zahl z
führt mit cos 2M sin 2M 1 zu
1
z n (ei(M k 2ʌ) ) n
(19)
A.2.0 Lineare Differentialgleichungen
erster und zweiter Ordnung
In den verschiedenen Kapiteln dieses Buches findet man Gleichungen vom Typ
a
dy
by
dt
f (t )
bzw.
(1)
361
A.2 Lösungen linearer Differentialgleichungen
d2 y
dy
b c y f (t )
2
(2)
dt
dt
zur Beschreibung physikalischer Sachverhalte. In diesen linearen inhomogenen Differentialgleichungen erster und zweiter
Ordnung stehen y für eine zeitabhängige
physikalische Systemgröße und t für die
Zeit. Die Funktion f (t) kennzeichnet einen
zeitabhängigen äußeren Einfluss auf das
System und wird daher als Störfunktion
oder auch als Störglied bezeichnet. In den
hier behandelten Fällen sollen die Koeffizienten a, b und c konstante physikalische
Größen sein. Das Lösen solcher Differentialgleichungen erfolgt stets in zwei Teilschritten: Zuerst setzt man f (t) = 0 und löst
die homogenen Differentialgleichungen:
a
dy b
y
dt a
Die homogene Differentialgleichung
dy 1
y 0
dt W
0 ,
(3)
0 .
(4)
Die entsprechenden Lösungen yh(t) gewinnt
man bei Gl. (3) durch Trennung der Variablen und bei Gl. (4) über die Ansatzmethode.
Beim zweiten Schritt wird ein partikuläres
Integral yp(t) bestimmt. Darunter versteht
man eine spezielle Lösung, die die inhomogene Differentialgleichung erfüllt. Wenn
das Störglied f (t) der Differentialgleichung
eine Konstante f (t) = const oder eine harmonische Wechselgröße f (t) = f0 cosZ t ist,
dann ergibt sich als partikuläre Lösung
yp(t) = ye, wobei ye der Zustand des Systems
ist, der sich nach hinreichend langer Zeit
einstellt. Bei den folgenden Betrachtungen
werden ausschließlich diese Fälle behandelt. Die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung ist die Summe
aus der Lösung der homogenen Differentialgleichung und einer partikulären Lösung:
y h (t ) y p ( t ) .
(5)
(6)
mit der Zeitkonstanten W a / b löst man
durch Trennung der Variablen:
dy/ y
dt / W .
(7)
Die anschließende Integration führt zur
Funktion ln( y ) W t C , woraus sich
dann die Lösung der homogenen Differentialgleichung mit den Integrationskonstanten C bzw. K eC ergibt:
yh (t )
d2 y b d y c
y
dt 2 a dt a
y (t )
A.2.1. Lösung der linearen Differentialgleichung erster Ordnung
Ke
t
W
.
(8)
Für den Fall einer sprunghaften Änderung
der Funktion f (t) von null auf einen konstanten Wert bzw. von einem konstanten
Wert auf null ist eine partikuläre Lösung
yp (t ) ye const bzw. yp (t ) ye 0 und
die allgemeine Lösung der inhomogenen
Differentialgleichung lautet:
y (t )
Ke
t
W
ye .
(9)
Die Integrationskonstante K lässt sich aus
den jeweiligen Anfangsbedingungen bestimmen:
1. Fall: Für t = 0 gilt y(0) = 0 und durch die
sprunghafte Änderung von f (t ) wird nach
hinreichend langer Zeit der Zustand
ye ymax z 0 erreicht. Es folgt K ymax
und die allgemeine Lösung lautet dann:
y (t )
t
ymax (1 e W ) .
(10)
2. Fall: Für t 0 gilt y (0) ymax .
Der durch die physikalische Größe y beschriebene Vorgang klingt gegen null ab.
Anhang
362
Mit ye
y (t )
0 folgt als Gesamtlösung:
ymax e
t
W
.
(11)
2.2. Lösung der linearen Differentialgleichungen zweiter Ordnung
Die homogene Differentialgleichung Gl. (4)
lässt sich mit 2G b / a und Z0 2 c / a in
der Form
d2 y
dy
2G
Z0 2 y
dt 2
dt
Man nennt das durch diese Lösung beschriebene Verhalten des Systems einen
aperiodischen Ausgleichsvorgang oder
Kriechfall (Abb. A.2.1a).
y
b)
td
y
c)
(12)
0
a)
t
darstellen. Die Lösung erfolgt über die
Ansatzmethode. Es sei:
yh (t )
K eO t .
(13)
Das Einsetzen dieses Lösungsansatzes sowie seiner ersten und zweiten Ableitung
nach der Zeit in Gl. (12) mit anschließender
Division durch K eO t führt zur charakteristischen (quadratischen) Gleichung:
O 2 2 G O Z0 2
0 .
(14)
Deren Lösungen lauten:
O1,2
G r G 2 Z0 2 .
(15)
Die Beträge der Größen Ȧ0 und į, die die
Kreisfrequenz der Eigenschwingung und
die Dämpfungskonstante des Systems beschreiben, beeinflussen somit das Verhalten
des schwingungsfähigen Systems.
Fall 1: Es sei į > Ȧ0 und damit į2 Ȧ02 > 0.
Die quadratische Gleichung hat zwei reelle
Lösungen Ȝ1 und Ȝ2, die beide kleiner als
null sind. Die Gesamtlösung der homogenen Differentialgleichung ist dann die Überlagerung zweier abklingender Exponentialfunktionen:
yh (t )
K1 e
O1t
K2 e
O2 t
.
(16)
Abb. A.2.1 a) Kriechfall (į > Ȧ0, starke Dämpfung), b) aperiodischer Grenzfall (į = Ȧ0),
c) Schwingfall ( į < Ȧ0 , schwache Dämpfung),
verschiedene Zeitmaßstäbe td bzw. t
Fall 2: Es sei į = Ȧ0 und damit į2 Ȧ02 = 0.
Die quadratische Gleichung beschreibt eine
Doppelnullstelle (O = G). Wie sich durch
Einsetzen in Gl. (12) zeigen lässt, ist neben
y1 K1 eO t auch y2 K 2 t eO t eine Lösung
der homogenen Differentialgleichung. Für
die Gesamtlösung gilt:
y h (t )
( K1 K 2 t ) e O t .
(17)
Diese Lösung beschreibt den aperiodischen
Grenzfall (Abb. A.2.1b).
Fall 3: Es sei į < Ȧ0 und damit į2 Ȧ02 < 0.
Die beiden Lösungen Ȝ1 und Ȝ2 sind komplexe Größen (A.1). Aus Gl. (15) ergibt sich
unter Verwendung der imaginären Einheit
i = 1 :
O1,2
G r i Z 02 G 2 .
(18)
Mit der Kreisfrequenz des gedämpften Sys-
363
A.2 Lösungen linearer Differentialgleichungen
tems Z Zd
Z 02 G 2 und O1,2 G r iZ
lässt sich die Gesamtlösung yh (t ) als
Summe der Einzellösungen darstellen:
yh (t )
K1 eO1 t K 2 eO2 t
K1 e( G iZ )t K 2 e( G iZ )t
e
G t
( K1 e
iZ t
K2 e
iZ t
(19)
) .
d y (0)
dt
ymax
K1 K 2 ,
O1 K1 O2 K 2
(20a)
0 .
(20b)
Aus den Lösungen dieses Gleichungssystems
O2 ymax
O1 ymax
K1
und K 2
(O2 O1 )
(O1 O2 )
ergibt sich
K1
G iZ
ymax bzw. K2
2i Z
G iZ
ymax .
2iZ
Das Einsetzen in Gl. (19) und anschließendes Umordnen führt zu:
yh
§ G (eiZ t e iZ t ) eiZ t eiZ t
ymax eG t ¨
2i
2
©Z
·
¸.
¹
Unter Berücksichtigung der Gln. (21a) und
(21b) aus A.1 ergeben sich
yh
§G
·
e G t ymax ¨ sin(Z t ) cos(Z t ) ¸
©Z
¹
bzw. nach Ausklammern von (Z0 / Z)
yh eG t ymax
cos M
·
Z0 § G
Z
¨ sin(Z t ) cos(Z t ) ¸ .
Z © Z0
Z0
¹
Das Umschreiben unter Verwendung des
Additionstheorems
cos(D E ) sin D sin E cos D cos E
Z
, sin M
Z0
Zt , E
M,
G
und Z Zd zur
Z0
reellen Lösung der homogenen Differentialgleichung für den Fall einer freien gedämpften Schwingung (Abb. A.2.1c):
yh (t )
Die Konstanten K1 und K 2 werden aus den
y (0) ymax
und
Anfangsbedingungen
d y (0) / dt 0 bestimmt. Es gilt:
y (0)
führt mit den Festlegungen D
ymax e G t
Z0
cos(Zd t M ) . (21)
Zd
Für den Phasenwinkel gilt:
tan M
G
.
Zd
(22)
Um die inhomogene Differentialgleichung
(Gl. (2)) zu lösen, ist nun noch eine partikuläre Lösung yp(t) zu suchen.
Die allgemeine Lösung ist die Überlagerung der Lösung der homogenen Differentialgleichung und der partikulären Lösung:
y (t )
ymax
yh (t ) yp (t )
(23)
Z0 G t
e cos(Zd t M ) yp (t ) .
Zd
Nach Gl. (21) klingt yh(t) exponentiell mit
der Zeit ab, so dass die partikuläre Lösung
nach hinreichend langer Zeit die Gesamtlösung allein bestimmt.
Als Störglied wird eine harmonische Anregung f (t ) f 0 cos (Z t ) des Systems in
Gl. (2) gewählt, wobei Z nun die Kreisfrequenz der Anregung ist. Um die Vorteile
des Rechnens mit komplexen Zahlen (A.1)
zu nutzen, wird f (t ) in die komplexe Form
f (t )
f 0 ei Z t überführt. Die inhomogene
Differentialgleichung (Gl. (21)) lautet dann
d2 y
dy
2G
Z0 2 y
dt2
dt
AE eiZ t ,
(24)
f0
ist. Die partikuläre Lösung
a
hierfür findet man ebenfalls über einen
wobei AE
Anhang
364
folgt für die frequenzabhängige Amplitude
geeigneten Lösungsansatz:
y p (t )
Ae
i ( Z t M )
(25)
.
Für Gl. (25) sind zunächst die erste und die
zweite Ableitung nach der Zeit zu bilden:
d yp
i AZ e
dt
i(Z t M )
,
(26)
d 2 yp
A Z 2 ei (Z t M )
dt2
Das Einsetzen in Gl. (24) sowie die anschließende Division durch ei (Z t M ) ergibt
AE eiM
A (Z0 2 Z 2 ) i 2 G A Z
(27)
und das Anwenden der Euler’schen Identität führt zur Beziehung
AE eiM
AE cos M i AE sin M .
(28)
Durch Vergleich der Real- und Imaginärteile der Gln. (27) und (28) erhält man die
Beziehungen cos M A (Z0 2 Z 2 ) / AE und
sin M 2 G AZ / AE , woraus sich der Phasenwinkel ij nach Gl. (12b) im Anhang A.1
bestimmen lässt:
M
arctan
2G Z
.
(Z0 2 Z 2 )
(29)
Ersetzt man den Lösungsansatz nach
Gl. (25) durch yp (t ) A ei (Z t M ) , gilt für den
Phasenwinkel die Beziehung
2G Z
M arctan 2
.
(Z0 Z 2 )
Die im Lösungsansatz nach Gl. (25) enthaltene Amplitude A ergibt sich durch Multiplikation von Gl. (27) mit der konjugiert
komplexen Beziehung
AE e -iM
A (Z0 2 Z 2 ) i 2 G A Z .
Aus
AE 2
A2 (Z0 2 Z 2 )2 A2 4G 2Z 2
(30)
A(Z )
AE
(Z Z ) 4 G 2Z 2
2
0
2 2
.
(31)
Damit ist die durch den Lösungsansatz
nach Gl. (25) beschriebene partikuläre Lösung vollständig bestimmt. Das Anwenden
der Euler’schen Identität ermöglicht die
Rückführung in den reellen Bereich:
yp (t )
A(Z ) cos(Z t M ) .
(32)
A.3 Nichtlineare Dynamik
Im Gegensatz zur linearen Dynamik können sich im Falle einer nichtlinearen Dynamik kleine Veränderungen der Anfangsbedingungen erheblich auf den Verlauf und
das Ergebnis eines physikalischen Vorgangs auswirken. Eine geringe Abweichung
der Startwerte kann zu einer nicht vorhersagbaren Entwicklung des Systems führen.
Ein schwingendes System, das chaosfähig
ist, muss drei Bedingungen erfüllen:
o Es muss nichtlinear sein.
o Es muss eine sensitive Abhängigkeit
von den Startbedingungen vorliegen.
o Es muss mindestens drei effektive
Freiheitsgrade haben, damit es bei den
Trajektorien im Phasenraum zu keinen
Überschneidungen kommt, die der Determinismus verbietet.
Diese Bedingungen sind notwendige aber
nicht hinreichende Bedingungen für chaosfähige Systeme.
A.3.1 Verhulst-Dynamik
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
stellte sich in den industriell entwickelten
europäischen Staaten ein rascheres Anwachsen der Bevölkerung ein. Dies weckte
Befürchtungen einer Überbevölkerung, die
zu kontroversen Diskussionen führte. Der
belgische Mathematiker Pierre Francois
365
A.3 Nichtlineare Dynamik
Verhulst (1804-1849) entwickelte vor diesem Hintergrund ein Modell, um die Bevölkerungsentwicklung seines Heimatlands
zu beschreiben. Zentrale Idee war die Annahme eines beschränkten Wachstums. Es
galt, einen verträglichen Maximalwert für
die Bevölkerung zu finden und die Annäherung an diesen Grenzwert als Extrapolation
der bisherigen Bevölkerungsentwicklung
mathematisch allgemein zu beschreiben.
Heute wird dieses Modell in der Populationsdynamik häufig als Wechselwirkungsterm in Differentialgleichungssystemen
oder in diskretisierter Form genutzt. Während die Differentialgleichung stets zu einer
kontinuierlichen Veränderung der Population führt, offenbart die diskretisierte Form
eine vielschichtige Abhängigkeit vom
Wachstumsparameter.
N (t )
Mit
N0
N (t )
Nmax
N max
. (2)
N 0 ( N max N 0 ) exp( At )
x(t ) und
N0
N max
x0 x (0) erhält
man die normierte Darstellung
x(t )
x0
,
x0 (1 x0 ) exp( A t )
(3)
wobei x0 im Intervall 0 x0 1 zu wählen ist. Diese Funktion erreicht für t o f
stets den Maximalwert eins, d. h., die Maximalpopulation (Abb. A.3.1).
1,0
x
A.3.1.1 Differentialgleichung
Das damals befürchtete exponentielle
Wachstum setzt eine Wachstumsgeschwindigkeit dN/dt voraus, die proportional zur
aktuellen Populationszahl N ist. Aus der
zugehörigen Differentialgleichung
dN
dt
AN
(1)
0
folgt dann die Exponentialfunktion
N (t )
N 0 exp( At ) ,
wobei A der Wachstumsparameter und N0
die Ausgangspopulation sind. Im VerhulstModell wird ein zusätzlicher Faktor eingeführt, der die Wachstumsgeschwindigkeit
umso stärker abschwächt, je mehr sich die
Population einem Maximalwert N max nähert. Für die zeitliche Entwicklung der Population N kann als Differentialgleichnung
dN
dt
0,5
§
N ·
A N ¨1 ¸
© N max ¹
(1a)
geschrieben werden, deren Lösung zur
sigmoidalen Funktion führt:
0,2
0,4
0,6
0,8
t
Abb. A.3.1 Sigmoidales Populationswachstum
x(t) nach Gl. (3), x0 = 0,25, A = 0.75 (roter
Graph), A = 2.0 (schwarzer Graph)
A.3.1.2 Logistische Abbildung und diskretisierte Beschreibung
Wenn das Wachstum streng zyklisch verläuft, kann die Populationsentwicklung
genau in diesem Rhythmus beschrieben
werden. So stellt sich in Gebieten mit ausgeprägten Jahreszeiten für viele Tier- und
Pflanzenpopulationen ein Jahresrhythmus
oder ein Vielfaches davon ein.
Für unbegrenztes Wachstum gilt für eine
anwachsende Population mit der Anfangszahl N0 und dem Wachstumsfaktor c ! 0
Anhang
366
wegen N1
c N 0 und N 2
c N1
c2 N0
n 1
allgemein N n 1 c N n c N 0 . Eine einfache Annahme für begrenztes Wachstum
besteht darin, den Wachstumsfaktor von
der Differenz zwischen maximaler und
aktueller Populationszahl abhängig zu machen (Veränderung der Ressourcen).
Mit c r
N n 1
( N max N n )
folgt
N max
r N n (1 Nn
),
N max
r xn (1 xn ) r xn r x .
2
n
(4)
Die Nichtlinearität der logistischen Abbildung ist offensichtlich. Für die Diskussion
der Populationsdynamik ist das Intervall
0 r d 4,0 für den Wachstumsparameter r
besonders interessant, weil dann die zugehörigen normierten Populationen im Intervall {0, 1} bleiben.
Für 0 < r < 1 stirbt die Population analog
zum einfachen Ansatz N n 1 c N n für alle
Startwerte 0 < x0 < 1 aus. Für 1 r d 3,0
strebt die Population unabhängig vom
Startwert x0 festen Grenzwerten zu, die
mit r kontinuierlich wachsen. Da für diese
Fixpunkte xn*1 xn* gilt, folgt aus Gl. (4)
x* r x* (1 x* ) bzw. x* (r 1) r für
1 r d 3,0 .
Aus Abb. A.3.2 ist ersichtlich, dass bei
Vergrößerung von r die Annäherung an den
jeweiligen Fixpunkt erst nach immer mehr
Iterationsschritten erfolgt. Für noch größere
r (3 r d 4) könnte man annehmen, dass
die Einschwingzeit ohne das Auftreten
prinzipiell neuer Verhaltensmuster des Systems gegen unendlich geht.
1,0
r = 2,8
0,5
0,5
0
1,0
0
20
40 k
x
r = 3,2
1,0
0,5
0,5
x
0
woraus sich nach Division beider Seiten
durch Nmax mit 0 < xi < 1 die logistische
Abbildung ergibt:
xn1
x
x
1,0
20
40 k
r = 3,0
40 k
20
r = 3,52
0
20
40 k
Abb. A.3.2 Entwicklung der Population x(k)
für 50 Zyklen und steigenden Wachstumsparameter r
Ein Blick auf das Teilbild für r = 3,2 in
Abb. A.3.2 zeigt jedoch, dass ein schnelles
Einschwingen auf zwei alternierend angenommene Werte eintritt.
x
1,0
0,5
0
2,5
3,0
3,5
4,0 r
Abb. A.3.3 Feigenbaum-Diagramm x(r ) für
den Bereich 2,5 d r d 4, 0
Einen Überblick über die Eigenschaften des
Systems
liefert
das
FeigenbaumDiagramm (Abb. A.3.3), in dem die Zustände x als Funktion des Wachstumsparameters r dargestellt werden. Um dieses
Diagramm zu gewinnen, lässt man das Sys-
367
A.3 Nichtlineare Dynamik
tem für jeden Wachstumsparameter einschwingen und trägt alle folgenden Werte
über diesem Wachstumsparameter auf. So
verfährt man in kleinen Schritten für möglichst viele Wachstumsparameter im ausgewählten Intervall. In Abb. A.3.3 ist eine
Folge von Bifurkationen zu erkennen, die
für r t 3,570 in einen chaotischen Bereich
führen. Diese Aufspaltungen der Fixpunkte
folgen immer enger aufeinander, wobei
sich die Abstände etwa um einen Faktor f | 4,7 ( f 'ri 1 / 'ri ) verringern.
Tabelle A.3.1 Bifurkationspunkte in Abb. A.3.3
i
ri
'ri
fi
1
3,00
-
-
2
3,449
0,449
-
3
3,544
0,095
4.726
4
3,5644
0,0204
4,657
5
3,56876
0,00436
4.679
x
Bifurkationsfolge: Eine genaue Analyse der
Bifurkationspunkte führt zu den in Tabelle A.3.1 zusammengestellten Werten für die
ersten fünf Bifurkationen, mit denen man
deren Abstände 'ri berechnen und die Feigenbaumkonstante fi abschätzen kann. Ein
exakterer Wert ergibt sich erst als Grenzwert für den Übergang ins Chaos:
f
lim
i of
lim
i of
'ri 1
| 4,669 . (5)
'ri
1,0
x
0,8
0,6
0,4
0,2
0
1,0
ri 1 ri 2
ri ri 1
10
20
30
40
k 50
Abb. A.3.5 Population x in Abhängigkeit von
der Zyklenzahl k, Sensitivität bei r = 4,0 (Entwicklung für zwei nahezu identische Startwerte)
0,5
0
3,82
3,84
3,86 r
Abb. A.3.4 Ausschnitt aus dem FeigenbaumDiagramm x(r) von Abb. A.3.3 („DreierFenster“ um den Wert r = 3,84)
Sowohl für die Bifurkationsfolge als auch
den chaotischen Bereich können typische
Eigenschaften herausgearbeitet werden.
Chaotischer Bereich:
1. Im chaotischen Bereich entstehen Bänder, deren Ränder eine höhere Punktdichte
haben.
2. Innerhalb des chaotischen Bereichs öffnen sich Fenster periodischen Verhaltens,
die wiederum über Bifurkation ins Chaos
führen. Besonders ausgeprägt ist das „Dreierfenster“ bei r | 3,84 in Abb. A.3.4.
3. Vergrößert man geeignete Bereiche des
Feigenbaumdiagramms, so entstehen Diagramme, die dem Original ähneln (Selbstähnlichkeit).
4. Variiert man die Startwerte der Iteration
nur geringfügig, so stellen sich stark von
einander abweichende Entwicklungen ein
(vgl. Abb. A.3.5).
Anhang
368
A.3.2 Praktische Beispiele
Beispiele für Systeme mit einer nichtlinearen Dynamik sind u. a. das Drehpendel
nach Pohl mit Unwucht, der nichtlineare
elektrische Schwingkreis, das Magnetpendel und das Doppelpendel. Die beiden erstgenannten Beispiele sollen kurz näher beschrieben werden.
A.3.2.1 Nichtlineare Drehschwingungen
Im Beispiel des nichtlinearen Drehpendels
nach Pohl (Versuch M.2.3.2) erreicht man
durch das geeignete Anbringen einer Zusatzmasse m, dass ein zusätzliches Drehmoment m g R sin(M ) entsteht (Auslenkung
M, Abstand zwischen Drehachse und Massenmittelpunkt der Zusatzmasse R). Wenn
die Zusatzmasse groß genug gewählt wird,
stellen sich zwei neue stabile Gleichgewichtslagen symmetrisch zur ursprünglichen Nulllage ein.
Als Gesamtpotential ergibt sich
U ges 0,5 D M 2 m g r cos M
(6)
und die Differentialgleichung zur Beschreibung der (nichtlinearen) Drehschwingungen des Pendels mit Zusatzmasse lautet
J nl M mg R sin M M 0 sin(Z t ) D M J M .
Die Simulationen mit einem Computeralgebraprogramm basieren auf dieser Differentialgleichung. Als Lösungsverfahren
bieten sich das Zeitschrittverfahren nach
Euler ( M o M o M ) oder die Überführung
in ein autonomes Differentialgleichungssystem an. In Abb. A.3.7 sind drei Ergebnisse graphisch dargestellt.
(a)
Upot
(1)
(b)
(3)
(2)
ϕ
(c)
Abb. A.3.6 Schematische Darstellung zur Entstehung des W-Potentials Upot(M), (1) Spiralfeder, (2) Zusatzmasse, (3) Gesamtpotential Uges
Diese neue Situation ist in Abb. A.3.6 anhand der Potentiale graphisch dargestellt.
Das gezeigte W- Potential beim Drehpendel
entsteht aus der Überlagerung eines Anteils, der von der Spiralfeder herrührt
( v M 2 ), und des Anteils, der durch die Zusatzmasse bestimmt wird (v cos M).
Abb. A.3.7 Ergebnisse der Simulation des
nichtlinearen Drehpendels nach Pohl bei abnehmender Dämpfung; rote Kurven: Phasenraumdarstellung M (M ) , graue Kurven: Zeitdarstellung M (t ) ; a) Grundschwingung, b) 1. Bifurkation, c) chaotische Schwingung
369
A.3 Nichtlineare Dynamik
Für die Simulationsrechnungen werden
u. a. die im Experiment bestimmten Größen
(Trägheitsmoment des Pendels, Richtmoment der Feder) sowie des Antriebsmoments verwendet. Als Dämpfungseinfluss
wird im Experiment nur die Wirbelstromdämpfung beachtet, die von der Stromstärke abhängt (vgl. Versuch M.2.3.2). Um die
Sensitivität des Systems noch besser zu
beschreiben, müsste man auch die geringe
Gleitreibung in den Lagern des Drehpendels und andere Reibungseinflüsse berücksichtigen.
A.3.2.2 Nichtlinearer elektrischer
Schwingkreis
H0 Hr A
d
,
d v (U D U ) m .
(7)
(8)
Dabei sind H0 die elektrische Feldkonstante,
Hr die relative Permittivität, A die Fläche der
Platten des Kondensators und UD die Diffusionsspannung (Versuch E.5.1). Der Exponent m in Gl. (8) wird in diesem Fall vereinfacht mit m = 1 angenommen. Daraus folgt
die Beziehung
C (U )
C0 U D
,
UD U
dQ / dU folgt
dU c
UD U c
0
U
Q C0 U D ³
C0 U D ln
U UD
UD
und für die Diodenspannung ergibt sich
§
§ Q
U D ¨ exp ¨
¨
© C0 U D
©
U
· ·
¸ 1¸¸ .
¹ ¹
(10)
Im Falle des elektrischen Reihenschwingkreises nach Abb. A.3.8 addieren sich zu
jedem Zeitpunkt die Teilspannungen zur
Gesamtspannung:
uL (t ) uR (t ) uC (t ) u (t ) .
Ersetzt man in einem elektrischen
Schwingkreis (E.4.0.2) den Kondensator
durch eine Halbleiterdiode (Abb. A.3.8), ist
zu erwarten, dass deren Sperrschichtkapazität CS von der Amplitude der Anregungsspannung U abhängt. Für die Simulation
benötigt man einen Zusammenhang zwischen der Diodenspannung U und der Ladung Q. Ein einfaches Modell geht von
dem Vergleich aus, dass man die Sperrschichtkapazität wie die Kapazität eines
Plattenkondensators mit einem variablen
Plattenabstand d beschreiben kann. Es gelten die folgenden Beziehungen:
C CS
schreibt. Aus C
(9)
wobei C0 die Kapazität bei U = 0 be-
R
G
L
C(U)
U
Abb. A.3.8 Elektrischer
Reihenschwingkreis
mit einer Halbleiterdiode als nichtlineare Kapazität (schematisch)
Als Differentialgleichung für den nichtlinearen Schwingkreis erhält man:
L
d 2Q
dQ
R
dt 2
dt
§
§ Q
··
U D ¨ exp ¨
) 1¸ ¸ uˆ sin(Z t ) .
¨
¸
© C0 U D
¹¹
©
(11)
Für die prinzipielle Simulation des nichtlinearen Schwingkreises wird die oben begründete Differentialgleichung verwendet.
Der dabei verwendete Ansatz stellt eine
Vereinfachung dar. Zur theoretischen Beschreibung der Sperrschichtkapazität CS bei
Halbleiterdioden in Abhängigkeit von der
an die Diode angelegten Spannung U
kommt in der Regel ein von eins verschiedener Exponent m zur Anwendung, dessen
Wert vom Verlauf des Störstellenprofils am
pn-Übergang abhängt.
Anhang
370
Die Ergebnisse der Simulation, die wie im
Fall des nichtlinearen Drehpendels mit
Hilfe von zwei verschiedenen mathematischen Verfahren durchgeführt werden können, zeigt Abb. A.3.9. Es ist deutlich zu
erkennen, dass man mit dem verwendeten
Modell das prinzipielle Verhalten eines
nichtlinearen dynamischen Systems auch
im Fall des elektrischen Schwingkreises
richtig beschreiben kann. Durch die systematische Variation der Amplitude der Anregungsspannung können die Bifurkationspunkte und die Feigenbaumkonstante
abgeschätzt werden.
(a)
A.4 Grundlagen digitaler Messungen
Eine analoge Messgröße G wird mit Hilfe
eines geeigneten Messverfahrens bzw.
Messwandlers in eine Eingangsgröße Xe
sowie in eine Ausgangsgröße Xa umgewandelt, dass dadurch die Ausgabe des Messwerts {G} in digitaler Form und in einer
vorgegeben Maßeinheit [G] realisiert wird.
Messgerät
G
Messgröße
{G} [G ]
ÜbertragungsMesswert(anzeige)
einheit
Eingangsgröße A/D-Wandler Ausgangsgröße
(analog)
(digital)
Abb. A.4.1 Prinzipschema der digitalen Umwandlung einer Messgröße G in einen Messwert
{G} mit der Maßeinheit [G]
(b)
(c)
Abb. A.3.9 Ergebnisse der Simulation zum
nichtlinearen Schwingkreis bei verschiedenen
Anregungsspannungen U; rote Kurven: Phasenraumdarstellung UD(U), graue Kurven: Zeitdarstellung UD(t); (a) Grundschwingung, (b) 1. Bifurkation, (c) chaotische Schwingung
Bei der Messung einer Vielzahl physikalischer Größen erhält man primär analoge
Messwerte, d. h., es ergibt sich ein zum
Eingangssignal proportionales Ausgangssignal. Für eine Weiterverarbeitung dieser
Ausgangssignale mittels moderner Rechenbzw. Anzeigetechnik ist eine entsprechende
Umwandlung der analogen in digitale Signale erforderlich.
Hierfür werden spezielle Analog/DigitalWandler (A/D-Wandler) genutzt, die kommerziell in vielfältigen Formen und verschiedenen Genauigkeiten als integrierte
Schaltkreise zur Verfügung stehen. Schaltungstechnisch werden unterschiedlichste
Wandlungsverfahren, wie Stufenumsetzer,
Spannungs-Frequenzumsetzer, Dual-SlopeVerfahren und Sägezahnumsetzer, genutzt.
Als ein Beispiel soll hier der Sägezahnumsetzer in seiner Grundfunktion erläutert
werden. In Abb. A.4.2 sind für den Sägezahnumsetzer das Blockschaltbild (a) und
die zugehörigen Spannungs-Zeit-Verläufe
(b bis f) schematisch dargestellt.
371
A.4 Grundlagen digitaler Messungen
Messkomparator
a)
Ux
Zu
Zählimpulse
Tor
Auf
Zähler
Löschen
Start
Sägezahngenerator
t2
Steuerteil
Starten/
Löschen
Impulsgenerator
b)
Ux
U2
zu messende
Spannung
t3
t
Sägezahngenerator
t
Steuerimpulse
für die
U1
0
c)
t0
t1
Nullimpuls
0
d)
Messimpuls
Tor offen
Tor offen
0
t
Torschaltung
e)
0
t
f)
0
t0
Zählimpulse
für U1
Zählimpulse
für Ui
Ansteige- und
Rückstellzeit
t1
t2
t
Impulsgenerator
Zählimpulse
t3
Abb. A.4.2 a) Blockschaltung eines A/D-Umsetzers nach dem Sägezahnverfahren, b) bis f) Spannung-Zeit-Diagramme für den Sägezahnumsetzer
Von einem Sägezahngenerator wird eine
Sägezahnspannung (Abb. A.4.2b) mit konstantem Spannungsanstieg (ǻU/ǻt = const)
an den Eingang des Messspannungskomparators gegeben, die zu messende analoge
Spannung Ux(t) liegt am zweiten Eingang
Anhang
372
an. Hier erfolgt ein ständiger Vergleich
zwischen den beiden Spannungen, sind
beide gleich groß, so wird über den Ausgang ein Messimpuls („zu“) auf den Eingang des Tor-Schalters gegeben.
Ein Impulsgenerator liefert für den TorSchalter symmetrische Rechteckimpulse
mit einer wesentlich geringeren Periodendauer (Abb. A.4.2e) als die der Sägezahnspannung. Vom Steuerteil wird zum Zeitpunkt t0 ein so genannter „Nullimpuls“
abgegeben, der sowohl die Sägezahnspannung startet als auch den Tor-Schalter „öffnet“ und damit die Zählung der Rechteckimpulse beginnt. Da die Periodendauer der
Rechteckimpulse konstant und bekannt ist,
kann darüber eine Zeitmessung realisiert
werden. Zum Zeitpunkt t1 ist die Sägezahnspannung gleich der zu messenden analogen Spannung Ux(t), d. h., der Tor-Schalter
wird durch den Messimpuls des Messkomparators „geschlossen“.
Bis zum Zeitpunkt t2 erfolgt das Rücksetzen
der Sägezahnspannung auf den Ausgangswert null und die Ermittlung der im Zeitintervall von t0 bis t1 gezählten Rechteckimpulse durch einen Zähler. Anschließend
(Zeitpunkt t2) wird der nächste Vergleichszyklus wieder mit einem Nullimpuls gestartet und die Zählung läuft bis zum Zeitpunkt
t3 (Abb. A.4.2). Mit der Anzahl n der gezählten Rechteckimpulse kann der Messwert der zu messenden Spannung Ux(t) zum
Zeitpunkt t wie folgt ermittelt werden:
U x (t ) n TR
ǻU
.
ǻt
(1)
Dabei ist TR die Periodendauer der Rechteckimpulse. Die Umwandlung eines analogen Messsignals in ein digitales Signal ist
in Abb. A.4.3 schematisch dargestellt. Das
Abtastintervall des analogen Messsignals
ist durch die Intervallzeit von t0 bis t2 des
A/D-Wandlers bestimmt, d. h., mit diesem
Intervallabstand ǻT werden die zum jeweiligen Zeitpunkt t zugehörigen Messsignalwerte Ux ermittelt.
a)
Ux
t
ΔT
b)
Ux
ΔU
t
Abb. A.4.3 a) Veranschaulichung der Umwandlung eines analogen Messsignals (schwarze Kurve) in diskrete digitale Messwerte (rote
Pfeile), Abtastintervall ǻT, b) Gegenüberstellung des Zeitverlaufs des analogen Eingangssignals (schwarze Kurve) und des digitalen
Ausgangssignals (rote Kurve)
Da nur zu bestimmten Zeitpunkten ein
Wert des zu messenden Signals bestimmt
wird, ist für eine möglichst getreue Wiedergabe des Signalverlaufs eine hohe Abtastrate bzw. ein kleines Abtastintervall ǻT
erforderlich. Dies ist einer der Nachteile
dieses A/D-Wandlungsverfahrens. Sind
z. B. dem zu messenden Signal Störsignale,
was in der Realität nicht selten vorkommt,
überlagert, so kann genau zu dieser „Wandlungszeit“ ein Wert eines Störimpulses
bestimmt werden. Eine weitere Messunsicherheit ist in der Diskretheit der Impulse
für die Zeitmessung begründet, d. h., es
werden nur ganze Zahlen für die Anzahl
der Rechteckimpulse erfasst. Für eine hohe
Genauigkeit der A/D-Wandlung mit diesem
Verfahren ist außerdem eine sehr gute Konstanz der Frequenz der Rechteckimpulse
erforderlich.
Das Auflösungsvermögen bzw. die kleinste
nachweisbare
Änderung
der
Spannung 'Umin (minimale Eingangssignaländerung) eines A/D-Wandlers ergibt sich aus
der maximal möglichen Zahl der Rechteck-
373
A.5 Nuklid-Zerfall
' U min
Wandlungsbereich U
.
2n
2(Bit-Zahl)
(2)
Für einen Wandlungsbereich von 2 V ergeben sich als kleinste unterscheidbare Spannungsänderung die in der Tabelle A.4.1
gezeigten Werte.
Tabelle A.4.1 Auflösungsvermögen eines A/DWandlers für einen Messbereich von 2 V (theoretisch)
Bitzahl
8
12
16
Schrittzahl
265
4096
65536
'Umin
(mV)
7,8
0,49
0,031
Grel
(%)
0,4
0,02
0,001
Häufig sind einfache A/D-Wandler so ausgelegt, dass z. B. für einen Messbereich
von 2 V eine 4-stellige Anzeige genutzt
wird. Praktisch wird dabei in vielen Fällen
die so genante 3½-stellige Anzeige verwendet, d. h. von 0000 bis 1999. Für die
vierte Stelle (0 oder 1) ist dann nur ein Binärübertrag von 0 auf 1 erforderlich, der
ohnehin als Zahlenübertrag von der dritten
Stelle geliefert wird. Andere Messbereiche
werden in der Regel durch entsprechende
Messbereichserweiterungen bzw. Vorverstärker vor der A/D-Wandlung realisiert.
Da die A/D-Wandlung stets auf dem Vergleich von Spannungen beruht, ist für die
Messung anderer physikalischer Größen
zunächst eine geeignete Umwandlung in
Spannungswerte erforderlich, d. h., es sind
speziell angepasste Messsensoren notwendig. Um eine hinreichend geringe Messunsicherheit zu erreichen, werden in der Regel
Referenzspannungsquellen (in Form integrierter Schaltkreise) verwendet. Deren Genauigkeit und Stabilität muss dem kleinsten
unterscheidbaren Wert der Spannungsänderung 'Umin genügen.
A.5 Nuklid-Zerfall
A.5.1 Nuklidkarte
In Analogie zum Periodensystem der Elemente (PSE) kann man sämtliche Nuklide
in einem Z-N-Nuklid-Diagramm (Nuklidkarte) darstellen. Die meisten Nuklide liegen in dieser Darstellung (Abb. A.5.1) unterhalb der quadrantenhalbierenden Gerade
Z = N auf bzw. in der näheren Umgebung
einer „stabilen Linie“. Diese ist konkav
nach rechts gekrümmt, da bei schwereren
Kernen die Neutronenzahl N schneller
wächst als die Protonenzahl Z.
β+
Z
α
Z
N
N
Protonenzahl Z
impulse (Zählerstand), die in der Zeit, in
der die Sägezahnspannung den Wandelbereich durchläuft, erreicht werden kann. Dies
ist abhängig von der genutzten Bit-Technik,
standardmäßig werden Zähler mit 8-, 12bzw. 16-Bit-Technik eingesetzt. Das bedeutet, dass der Wandlungsbereich in 2nSchritte unterteilt wird. Für das Auflösungsvermögen, d. h., für die kleinste unterscheidbare Spannungsänderung 'Umin
ergibt sich infolgedessen
82
126
Z
50
20
28
8
28
20
2
8
2
50
82
N
Z
βN
Neutronenzahl N
Abb. A.5.1 Darstellung der Nuklide im Z-NDiagramm (stark vereinfachte Darstellung),
auf der stabilen Linie liegen z. B. die Nuklide
molekularer Wasserstoff (Z = 1, N = 0, A = 1),
Kohlenstoff (Z = 6, N = 6, A = 12), Stickstoff (Z = 7, N = 7, A = 14) und Sauerstoff (Z = 8, N = 8, A = 16), schwarze Quadrate
charakterisieren stabile Kerne
Oberhalb der stabilen Linie finden im Be-
374
reich leichterer Kerne E+-Umwandlungen
(d. h. ein Proton wandelt sich mit Hilfe
eines Elektrons in ein Neutron um), im
Bereich schwererer Kerne gleichwertige
Elektroneneinfangsreaktionen statt. Ursache dafür ist, dass die Radien der Elektronenbahnen immer näher an den durch das
Vorhandensein vieler Protonen und Neutronen stark vergrößerten Kern rücken und
die Aufenthaltswahrscheinlichkeit auch
innerhalb des äußeren Kernradius liegen
kann. Unterhalb der stabilen Linie treten E-Umwandlungen auf. Das Nuklid 208Blei ist
der schwerste stabile Kern. Somit sollte die
Reihe natürlich vorkommender Elemente
beim Blei abbrechen. In Wirklichkeit endet
die stabile Linie aber nicht nur dort. Es
existiert bei genauer Betrachtung z. B. das
mit einer Halbwertszeit von mehr als
1019 Jahren quasistabile Nuklid 209Bi aus
der bereits abgeklungenen NeptuniumReihe. Beta-Strahler (E+, E ) besitzen häufig
eine kurze Halbwertszeit.
Im rechten oberen Bereich der Nuklidwolke
treten bevorzugt D-Umwandlungen auf,
weil mit diesen der instabile Kern aufgrund
des höheren Massendefekts wesentlich
schneller in den stabilen Bereich wechseln
kann. Da bei schweren Kernen eine Umwandlung allein nicht ausreicht, um auf die
stabile Linie zu gelangen, treten ganze Zerfallsreihen auf, die im Folgenden näher
beschrieben werden. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit der spontanen
oder auch induzierten Kernspaltung eines
relativ schweren Kerns (Uran) in zwei mittelschwere Kerne, die dann in Abhängigkeit
von der nach dem Zerfall entstandenen
Kernart nach nochmaliger radioaktiver
Umwandlung stabil werden.
A.5.2 Natürliche Zerfallsreihen
In der Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems, das sich aus Materie zusammen setzen muss, die nach der gegenwärtig
existierenden Theorie der Astrophysik als
Anhang
Folge einer Supernova - Explosion entstand,
existierten auch „Atomsorten“ mit bis zu
100 Protonen in ihren Kernen. Fast alle
Kerne mit mehr als 82 Protonen sind jedoch
so instabil, dass sie innerhalb kurzer Zeit
zerfallen. Es gibt jedoch auch Ausnahmen:
Während Kerne mit Protonenzahlen zwischen 84 und 89 relativ instabil sind und
schnell zerfallen, existieren Kerne von
90 (Thorium), 92 (Uran), 93 (Neptunium),
94 (Plutonium) oder 96 (Curium) Protonen,
die eine außerordentlich große Halbwertszeit (HWZ) haben. Dabei handelt sich um
die Nuklide 232Thorium (HWZ: 14 Milliarden Jahre), 235Uran (700 Millionen Jahre),
238
Uran (4,5 Milliarden Jahre), 237Neptunium (2 Millionen Jahre), 244Plutonium
(80 Millionen Jahre) und 247Curium
(15 Millionen Jahre). Im Vergleich dazu
beträgt das Alter der Erde etwa
4,6 Milliarden Jahre.
Man geht davon aus, dass die Sonne in fünf
Milliarden Jahren in das Stadium eines
Roten Riesen übergehen und ihre Sternhülle so groß sein wird, dass die inneren Planeten in dieser liegen. Auf dieser Vorstellung
beruhend schätzt man die mittlere Lebensdauer unseres Sonnensystems (und damit
unserer Erde) auf etwa 10 Milliarden Jahre.
Demzufolge bleiben von den oben genannten Nukliden diejenigen übrig, die eine
Halbwertszeit von mindestens einem Zehntel dieser Zeitspanne (etwa 500 Millionen
Jahre) aufweisen. Plutonium, Neptunium
und Curium existieren dann nicht mehr.
Von den drei verbleibenden Nukliden
238
Uran, 235Uran und 232Thorium entstehen
durch deren radioaktiven Zerfall nun noch
immer Elemente, die Ordnungszahlen zwischen 82 und 92 besitzen. Sie werden aus
diesen drei Nukliden ständig nachgebildet
und stehen mit diesen in einem Gleichgewicht (Säkular-Gleichgewicht, radioaktives
Gleichgewicht).
Für den radioaktiven Zerfall von instabilen
Atomkernen besteht eine grundlegende
Gesetzmäßigkeit: Wandelt sich ein Kern
A.5 Nuklid-Zerfall
durch E-Zerfall oder Elektronen-Einfang
um, ändert sich seine Massenzahl A nicht,
erleidet dieser einen D-Zerfall, nimmt die
Massenzahl A des Tochter-Nuklids gegenüber dem Mutter-Nuklid um vier Einheiten
ab. Daraus folgt, dass sich von einem bestimmten Mutternuklid nur Tochternuklide
ableiten können, die sich von jenem um
vier oder keine Massen-Einheiten unterscheiden. Es gibt prinzipiell vier mögliche
Zerfallsreihen:
1. Das 232Thorium hat eine Massenzahl, die
durch 4 teilbar ist (4n, n natürliche Zahl).
Von ihm leiten sich Nuklide ab, deren Massenzahl ebenfalls durch vier teilbar ist. Das
stabile Endglied der Reihe ist 208Pb.
2. Das 237Neptunium hat eine Massenzahl,
bei der ein Rest von eins verbleibt. Als es
in der Frühgeschichte unseres Sonnensystems noch 237Neptunium gab, leitete sich
von ihm eine Zerfallsreihe ab, die Nuklide
besaß, deren Massenzahlen 4n+1 betragen
haben. Das letzte zurückbleibende Nuklid
dieser Zerfallsreihe ist 209Bi, das mit einer
sehr großen Halbwertszeit (> 1019 Jahre)
weiter zum stabilen 205Thallium zerfällt.
375
3. Vom 238Uran ausgehend leiten sich Nuklide ab, deren Massenzahl sich mit einem
Rest von zwei durch vier teilen lassen. Sie
zerfallen im Endeffekt zum 206Blei. Zu den
Nukliden dieser Zerfallsreihe gehören unter
anderem das 226Radium, 222Radon sowie
210
Polonium. Demzufolge nennt man diese
Zerfallsreihe auch Uran-Radium-Reihe.
222
Radon tritt als natürliche Strahlenbelastung überall dort auf, wo z. B. das Muttergestein Uranerze enthält.
4. 235Uran hat Tochternuklide mit Massenzahlen von 4n+3. Sie zerfallen zu 207Blei.
Da 235Uran eine Halbwertszeit von etwa
700 Millionen Jahren hat (von ursprünglich
einem Kilogramm sind dann noch etwa ein
Gramm vorhanden), wird es in etwa zwei
bis drei Milliarden Jahren auf der Erde
nahezu kein 235Uran mehr geben. Zu dieser
Zerfallsreihe gehören unter anderem
227
231
Actinium,
Protactinium
und
223
Francium, die dementsprechend auch als
Uran-Actinium-Reihe bezeichnet wird.
In Abb. A.5.2 auf der folgenden Seite ist
exemplarisch das Beispiel für eine natürliche Zerfallsreihe (Uran-Zerfall) dargestellt.
Anhang
376
A
238
238
U
α
4,47 . 109 a
24,1 d 1,17 m
234
Th
β-,γ
234
234
Pa
β-,γ
234
U
α
2,455 . 105 a
230
Th
α,γ
230
7,54 .104 a
226
Ra
α,γ
226
1602 a
222
Rn
α
222
3,825 d
218
Po
α
218
3,10 m
26,8 m 19,9 m
Pb 214Bi
β- α, β- ,γ
214
214
214
Po
α
19,7 m
164 μs
19,4 a 5,01 d
210
210
Tl
β-
210
Pb
β-,γ
210
Bi
β-
210
Po
α
1,30 m
138 d
206
Pb
stabil
206
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92 Z
Abb. A.5.2 Darstellung der Nuklide im Ordnungszahl (Z) – Massenzahl (A) – Diagramm am Beispiel der Uran-Zerfallsreihe (4n+2 - Reihe), relevante D-Energien: 230Th (4,770 MeV),
226
Ra (4,871 MeV) , 222Rn (5,590 MeV), 218Po (6,615 MeV), 214Po (7,883 MeV), 210Po (5,407 MeV),
Abkürzungen für die Halbwertszeiten: a Jahre, d Tage, h Stunden, m Minuten, s Sekunden
Anhang
377
A.6 Fundamentalkonstanten der Physik
(CODATA-Werte 2010, Committee on Data for Science and Technology1)
Planck-Konstante
h = 6,626 069 57 ˜10-34 J s
Boltzmann-Konstante
k = 1,380 6488 ˜10-23 J K-1
Vakuum-Lichtgeschwindigkeit
c0 = 299 792 458 m s-1
Elementarladung
e = 1,602 176 565 ˜10-19 A s
Gravitationskonstante
G = 6,673 84 ˜10-11 m3 kg-1 s-2
Avogadro-Konstante
NA = 6,022 141 29 ˜1023 mol-1
Faraday-Konstante
F = 96485,3365 A s mol-1
Molare Gaskonstante
R = 8,314 4621 J mol-1 K-1
Elektrische Feldkonstante
H0 = 8,854 187 817 ˜10-12 F m-1
Magnetische Feldkonstante
P0 = 12,566 370 61 ˜10-7 V s A-1 m-1
Molares Volumen idealer Gase unter
Normbedingungen 2
Vm = 22,413 968 ˜10-3 m3 mol-1
Temperatur des absoluten Nullpunktes -0 = 273,15 °C
1
2
Ruhemasse des Elektrons
m0e = 9,109 382 91 ˜10-31 kg
Ruhemasse des Protons
m0p = 1,672 621 777 ˜10-27 kg
Stefan-Boltzmann-Konstante
V = 5,670 373 ˜10-8 W m-2 K-4
Sommerfeld-Feinstrukturkonstante
D = 7,297 352 5376 ˜10-3
Compton-Wellenlänge
OC = 2,426 310 2389 ˜10-12 m
Rydberg-Konstante
Rf = 10 973 731, 568 539 m-1
Atommassenkonstante
mu = 1,660 538 921 ˜10-27 kg
NIST Reference on Constants, Units and Uncertainty
Normbedingungen: TN = 273,15 K ; pN = 101,325 kPa
378
Anhang
A.7 Eigenschaften fester Stoffe
Mechanische Eigenschaften fester Stoffe
Stoff
Aluminium
Blei
Eisen
Gold
Kupfer
Magnesium
Messing
(62% Cu, 38% Zn)
Nickel
Platin
Silber
Wolfram
Zink
Zinn
1
) Werkzeugstahl
Dichte (20 °C)
103 kg m-3
2,70
11,35
7,86
19,29
8,92
1,74
8,4
Elastizitätsmodul
GPa
73
15˜˜˜17
200˜˜˜220 1)
79
120
42
80˜˜˜103
Torsionsmodul
GPa
24
5˜˜˜8
77˜˜˜81 1)
27
38˜˜˜47
16˜˜˜19
26˜˜˜41
8,90
21,45
10,5
19,3
7,14
7,28
200˜˜˜220
170
60˜˜˜80
355
80˜˜˜130
46˜˜˜54
76
64
24˜˜˜28
130˜˜˜150
39
18
Thermische Eigenschaften fester Stoffe
Stoff
Aluminium
Blei
Eisen
Gold
Kupfer
Magnesium
Messing
(62% Cu, 38% Zn)
Nickel
Platin
Silber
Wolfram
Zink
Zinn
Linearer Ausdehnungskoeffizient
(0 bis 100 °C)
10-6 K-1
24
31
12
14,3
17
26
18
Spezifische
Wärmekapazität
(20 °C)
J kg-1 K-1
895
128
450
130
385
1020
380
Schmelztemperatur
Spezifische
Schmelzwärme
°C
660
327
1535
1063
1083
651
910
103 J kg-1
398
24
269
65
205
373
201
13
9,0
19,5
4,3
26
27
445
135
235
135
385
225
1455
1769
960
3422
419
232
300
100
105
192
100
60
Anhang
379
A.8 Eigenschaften von Flüssigkeiten
Stoff
Dichte
(20 °C)
103 kg m-3
0,789
0,714
0,879
1,490
0,779
1,261
0,791
0,804
0,786
13,546
0,867
0,998
Ethanol
Ethylether
Benzol
Chloroform
Cyclohexan
Glycerin
Methanol
1-Propanol
2-Propanol
Quecksilber
Toluol
Wasser
Stoff
Ethanol
Ethylether
Benzol
Chloroform
Cyclohexan
Glycerin
Methanol
1-Propanol
2-Propanol
Quecksilber
Toluol
Wasser
1)
bei 20 °C
Spezifische
WärmeKapazität 1)
103 J kg-1 K-1
2,43
2,30
1,72
0,96
1,85
2,40
2,50
2,35
2,56
0,139
1,69
4,182
2)
Kubischer
Ausdehnungskoeffizient
(20 ° C)
10-3 K-1
1,1
1,6
1,2
1,3
1,2
0,5
1,2
1,0
1,1
0,18
1,1
0,2
Schmelztemperatur
°C
-114,5
-116,3
5,53
-63,5
6,72
18,1
-97,7
-126,2
-88,5
-38,87
-95,0
0,0
Oberflächenspannung
(gegen Luft
bei 20 °C)
10-3 N m-1
22,8
17
29
27
26
66
23
23,8
21,7
465
29
73
Spezifische
Schmelzwärme
105 J kg-1
1,08
0,98
1,27
0,75
0,79
2,0
0,92
0,87
0,89
0,118
0,72
3,337
bei Normdruck pN = 101,325 kPa
Siedetemperatur 2)
°C
78,3
34,6
80,1
61,3
80,7
290
64,6
97,8
82,5
356,6
110,6
100,0
Dynamische
Viskosität
(20 ° C)
10-3 Pa s
1,20
0,24
0,66
0,56
0,98
1412
0,597
2,3
2,2
1,554
0,585
1,005
Spezifische
VerdampfungsWärme 2)
105 J kg-1
8,4
3,8
3,9
2,8
3,6
8,5
11,0
7,0
6,7
2,85
3,6
22,56
Anhang
380
A.9 Dichte U und dynamische Viskosität K von Wasser
- / °C
U / 103 kg m-3 K / 10-3 Pa s
- / °C
U / 103 kg m-3
K / 10-3 Pa s
0
1
2
3
4
5
6
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