ArzneimittelPROFIL Onkologie Necitumumab Oktober 2016 Necitumumab, Oktober 2016 ArzneimittelPROFIL Onkologie Scientific Editor Univ.-Prof. Dr. Christoph Zielinski, Wien Managing Scientific Editor Univ.-Prof. Dr. Johannes Drach, Wien Editorial Board Univ.-Prof. Dr. Werner Aberer, Graz Priv.-Doz. Dr. Walter Albrecht, Mistelbach Univ.-Prof. Dr. Thomas Bauernhofer, Graz Univ.-Prof. Dr. Thomas Brodowicz, Wien Univ.-Prof. Dr. Martin Burian, Linz Priv.-Doz. Dr. Maria De Santis, Warwick Univ.-Prof. Dr. Günther Gastl, Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant, Wien Univ.-Prof. Dr. Richard Greil, Salzburg Univ.-Prof. Dr. Ulrich Jäger, Wien Univ.-Prof. Dr. Felix Keil, Wien Univ.-Prof. Dr. Gabriela Verena Kornek, Wien Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Loidl, Linz Univ.-Prof. Dr. Peter Lukas, Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Christine Marosi, Wien Univ.-Prof. Dr. Christian Marth, Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Markus Müller, Wien Univ.-Prof. Dr. Robert Pirker, Wien Univ.-Prof. Dr. Karl Pummer, Graz Univ.-Prof. Dr. Markus Raderer, Wien Univ. Prof. Dr. Klemens Rappersberger, Wien Univ.-Prof. Dr. Hellmut Samonigg, Graz Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger, Wien Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Wien Univ.-Prof. Dr. Josef Smolle, Graz Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder, Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Günther Steger, Wien Univ.-Prof. Dr. Susanne Taucher, Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Peter Valent, Wien Univ.-Prof. Dr. Herbert Watzke, Wien Univ.-Prof. Dr. Andreas Widschwendter, Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Martin Widschwendter, London Univ.-Prof. Dr. Reinhard Windhager, Wien Univ.-Prof. Dr. Heinz Zwierzina, Innsbruck Ziel der Publikation Die Reihe ArzneimittelPROFIL fasst die aktuell verfügbare wissenschaftliche Evidenz zu einer Substanz objektiv und komprimiert, aber nicht selektiv, zusammen. Pharmakologische Aspekte, Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil werden übersichtlich und leicht verständlich dargestellt. Grundlage für die Erstellung ist die umfassende Sichtung der wissenschaftlichen Fachliteratur. Hierbei kann auch auf Datenmaterial der Hersteller zurückgegriffen werden. Große kontrollierte Studien werden bevorzugt behandelt, ergänzend ev. Abstracts und Kongressberichte. Die Einhaltung wissenschaftlicher Grundsätze wird durch einen Scientific Editor, einen Managing Scientific Editor sowie ein Editorial Board gewährleistet, das bei der Auswahl von Substanzen, Autoren und Reviewer beratende Funktion hat. Die Beiträge werden von Experten der jeweiligen Fachgebiete verfasst. Objektivität und Korrektheit sind durch zwei unabhängige Reviewer gewährleistet. Die Meinung der Autoren und Reviewer muss nicht immer mit der des Editorial Board und des Verlags übereinstimmen. Die kritische Beurteilung der jeweiligen Substanz und deren klinischer Wertigkeit beruht allein auf der Einschätzung der unabhängigen Experten. Bei Vorliegen neuer Daten wird eine Aktualisierung angestrebt. Autoren dieser Ausgabe Assoc.-Prof. Mag. Dr. Martin Filipits (Präklinik), Institut für Krebsforschung, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Eisterer (Klinik), Abteilung für Hämatologie und internistische Onkologie, Klinikum Klagenfurt am Wörthersee Offenlegung von Interessenkonflikten Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Eisterer: Honorare für Beratung und/oder Vortragstätigkeit von Roche, Merck, Novartis, Eli Lilly, MSD, BMS, Amgen. Assoc.-Prof. Mag. Dr. Martin Filipits: Honorare für Beratung und/oder Vorträge von AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, MSD, Novartis, Roche Impressum: Verleger, Eigentümer und Herausgeber: Medizin Medien Austria GmbH, DVR-Nr: 4007613, Verlagsanschrift: Grünbergstraße 15, 1120 Wien, Tel.: 01/546 00-0, Fax-DW: -730, Geschäftsführung: Thomas Zembacher, Prokuristin: Pia Holzer, Chefredaktion: Dr. Susanne Billich, [email protected], Koordination: Dr. Susanne Billich, Objektleitung: Martina Osterbauer, osterbauer@ medizin-medien.at, Art Direction: Karl J. Kuba, Layout und DTP: Sonja Vetters, Lektorat: Heinz Javorsky, Druck: Friedrich Druck & Medien GmbH, A-4020 Linz, Offenlegung gemäß §25 Mediengesetz siehe http://medizin-medien.at/impressum; Auflage: 1500 Exemplare Die Realisierung dieser Ausgabe ermöglichte Eli Lilly GmbH: erstellt 10/2016; ATPRT00046/Oktober 2016 Eine inhaltliche Einflussnahme durch die Firma ist abgesehen von Datenkorrekturen gemäß den Studienergebnissen nach Ermessen der Redaktion nicht erfolgt. Copyright: Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung bleiben der Medizin Medien Austria GmbH vorbehalten. Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt, verwertet oder verbreitet werden. Hinweise: Autoren, Reviewer und Verlag verwenden höchste Sorgfalt darauf, alle Daten dem Wissensstand bei Fertigstellung entsprechend anzugeben. Der Verlag kann für etwaige Fehler jedoch keine Gewähr übernehmen. Jeder Anwender ist angehalten, die aktuelle Fachinformation zu beachten. Zugunsten der besseren Lesbarkeit wird auf das Verwenden weiblicher Endungen verzichtet. Die Bezeichnung Patient ist geschlechtsneutral zu verstehen. ISSN 2220-3842 (Print) ISSN 2220-3850 (Online) www.arzneimittelprofil.at Necitumumab ▼ Wolfgang Eisterer, Martin Filipits Abstract Necitumumab ist ein rekombinanter humaner monoklonaler Antikörper, der an den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) bindet und dessen Ligandenbindung blockiert. Die Expression und Aktivierung von EGFR korreliert mit maligner Progression, Induktion der Angiogenese und Inhibierung der Apoptose. In präklinischen Xenotransplantationsmodellen humaner Tumore, unter anderem dem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), bewirkt die zusätzliche Gabe von Necitumumab zur Chemotherapie vermehrte Antitumoraktivität. Diese vielversprechenden Daten und eine Dosisfindungsstudie bei Patienten mit soliden Tumoren waren Grundlage für die klinische Phase-III-Studie SQUIRE, in der Patienten mit metastasierendem Plattenepithelkarzinom der Lunge (SQ-NSCLC) im experimentellen Studienarm zusätzlich zu Cisplatin und Gemcitabin Necitumumab erhielten. Die Kombinationstherapie mit Necitumumab resultierte in einem statistisch signifikant verbesserten medianen Gesamtüberleben von 11,5 Monaten im Vergleich zu 9,9 Monaten mit Chemotherapie alleine (p=0,01). Als wichtigste mit der Klasse der EGFR-Antikörper assoziierte Nebenwirkungen waren Hypomagnesiämie (31%, davon 9% Grad 3/4) und Hautreaktionen (79% davon 8% Grad 3) zu beobachten. Auch gab es etwas mehr venöse thrombotische Ereignisse im Necitumumab-Arm bezogen auf alle Schweregrade (9 vs. 5%). Die Rate schwerwiegender venöser oder arterieller thromboembolischer Ereignisse war zwischen den beiden Therapiearmen nicht signifikant unterschiedlich (<1% in beiden Gruppen). In den Warnhinweisen der Fachinformation wird auf die Risiken thromboembolischer Ereignisse hingewiesen, und als besondere Vorsichtsmaßnahme für die Anwendung von Necitumumab wird die engmaschige Überwachung des Elektrolythaushaltes empfohlen. In einer ähnlichen Phase-III-Studie (INSPIRE) bei NSCLCPatienten mit nicht plattenepithelialer Histologie (Non-SQNSCLC) brachte Necitumumab keinen Überlebensvorteil, sodass seine Verabreichung in dieser Patientengruppe nicht indiziert ist. Das metastasierende Plattenepithelkarzinom der Lunge ist besonders schwierig zu behandeln, da es nur wenige Therapieoptionen gibt. Das Fünf-Jahres-Überleben liegt bei unter fünf Prozent. Daher ist gerade beim Plattenepithelkarzinom eine neue Therapieoption, die eine signifikante Verlängerung des Überlebens bei gleichzeitig akzeptablen Nebenwirkungen bewirkt, relevant. So erhielt die Substanz 2015 einen OrphanDrug-Status durch die „U.S. Food and Drug Administration“ (FDA) zur Behandlung seltener Erkrankungen. Inhalt 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pharmakokinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pharmakodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. Präklinische Pharmakodynamik . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Klinische Pharmakodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Phase-III-Studie SQUIRE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Phase-III-Studie INSPIRE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verträglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. Phase-III-Studie SQUIRE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Phase-III-Studie INSPIRE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Dosierung und Verabreichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zulassungsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Bewertung und Aussichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4 5 6 6 6 6 6 8 8 8 9 9 9 9 10 10 Eigenschaften von Necitumumab Dosierung Necitumumab wird als intravenöse Infusion mit einer Fixdosis von 800mg über 60min an Tag eins und acht jedes dreiwöchigen Zyklus vor der Gemcitabin- und Cisplatin-Infusion verabreicht. Die Behandlung wird bis zum Krankheitsfortschreiten bzw. bis zu nicht tolerierbarer Toxizität fortgeführt. Aufnahme und Verteilung t1/2..................................... 14 Tage Steady State ...................... nach 70 Tagen Verteilungsvolumen ............ 6,97l Metabolisierung und Elimination Die systemische Clearance im Steady State beträgt 0,014l/h. ArzneimittelPROFIL Necitumumab Oktober 2016 3 1. Einleitung Das nicht-kleinzellige Bronchialkarzinom (NSCLC) ist eine heterogene Erkrankung mit einem mannigfaltigen histologischen und molekularen Profil (Travis et al. 2013, Thomas et al. 2013). Patienten, die an nicht zu den Plattenepithelkarzinomen zählenden (Non-Squamous Cell Carcinoma, Non-SQ-NSCLC) Lungentumoren erkranken und einen guten Performance-Status aufweisen, stehen eine Reihe von Erstlinienbehandlungen zur Verfügung. So hat sich die Gabe von Cisplatin oder Carboplatin mit Pemetrexed, Taxanen, Gemcitabin oder Vinorelbin mit oder ohne Bevacizumab als wirksam in Bezug auf das Gesamtüberleben (OS) erwiesen (Reck et al. 2014a, Pillai et al. 2014, Sandler et al. 2006, Cohen et al. 2010, Cohen et al. 2009, Paz-Ares et al. 2013). Das Vorliegen sensitivierender Mutationen des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR) und einer „Anaplastischen Lymphomkinase“(ALK)-Translokation oder einer „Repressor of Silencing 1“(ROS1)-Translokation erlaubt außerdem die Anwendung spezifischer zielgerichteter Therapien (Cooper et al. 2013; Gerber et al. 2014, Kerr et al. 2014, Shaw et al. 2014). Das Plattenepithelkarzinom der Lunge (Squamous Cell Carcinoma, SQ) macht ca. 30% aller weltweit diagnostizierten Formen des NSCLC aus (Perez-Moreno et al. 2012) und ist schwer zu behandeln. Das Fünf-Jahres-Überleben liegt bei unter fünf Prozent (Cetin et al. 2011). Neben dem histopathologischen Profil ist auch das Mutationsprofil zwischen SQ-NSCLC und NonSQ-NSCLC unterschiedlich (Chen et al. 2014). Für Patienten mit SQ-NSCLC wurde noch kein prädiktiver Biomarker für bestimmte zielgerichtete Therapien validiert, und das Behandlungsschema ist seit zwei Dekaden unverändert. Standard der Erstlinienbehandlung ist das Platin-basierte ChemotherapieDuplet. Aufgrund von in Metaanalysen etwas höheren Ansprechraten und eines Trends zu einem verbesserten Überleben wird zumeist Cisplatin gegenüber Carboplatin bevorzugt. Vorhandene zielgerichtete Therapien sind entweder aus Mangel an Effektivität oder wegen zu hoher Toxizität nicht indiziert, weil sie gegen Treibermutationen gerichtet sind, die bei diesem Subtyp sehr selten auftreten (National Comprehensive Cancer Network [NCCN] Non-small cell lung cancer guidelines, Kim et al. 2008, Hanna et al. 2004). So können beispielsweise Bevacizumab wegen erhöhtem Blutungsrisiko, Pemetrexed wegen Unwirksamkeit sowie EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren und ALK-Inhibitoren wegen nicht vorhandener Mutationen bei SQ-NSCLC in der Regel nicht eingesetzt werden. Damit fehlen viele Optionen, die bei Non-SQ-NSCLC wesentliche Fortschritte bei der Verlängerung des Überlebens gebracht haben. Die Entwicklung von Antikörpern gegen Zielstrukturen, die auf Tumorzellen exprimiert werden, stellt eine wichtige Säule in der Entwicklung der modernen Antitumortherapie dar. So zeigen monoklonale Antikörper der zweiten Generation wie z. B. Ramucirumab und Nivolumab einen Überlebensvorteil in Kombination mit Chemotherapie in der Zweitlinientherapie. Nivolumab wirkt gegen den sogenannten Immun-Checkpoint PD-1, und Ramucirumab ist gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor-Rezeptor 2 (VEGFR2) gerichtet (Brahmer et al. 2015, Garon et al. 2014, Ramucirumab U.S. prescribing information 2014). Die meisten fortgeschrittenen NSCLC exprimieren den epithelialen Wachstumsfaktor-Rezeptor (epithelial growth factor receptor, EGFR), wobei eine hohe EGFR-Expression in SQ-NSCLC häufiger ist als in Non-SQ-NSCLC (Lopez-Malpartida et al. 2009, Pirker et al. 2009). Die aberrante Funktion des Rezeptors dürfte für die Entwicklung des NSCLC ein Schlüsselfaktor sein (Paz-Ares et al. 2015). So konnte in der Phase-III-Studie FLEX (NCT00148798) durch die zusätzliche Gabe des chimären mo- 4 ArzneimittelPROFIL Necitumumab noklonalen Antikörpers Cetuximab zu Cisplatin und Vinorelbin das OS bei Patienten mit EGFR-exprimierendem fortgeschrittenem NSCLC verbessert werden (Pirker et al. 2009). Allerdings wurde Cetuximab mit dem Argument eines unzureichenden Nutzen-Risiko-Profils nicht zugelassen. Necitumumab ist ein rekombinanter, humaner monoklonaler IgG1-Antikörper der zweiten Generation (Abbildung 1). Er bindet an die extrazelluläre Domäne des EGFR und blockiert dadurch dessen Interaktion mit seinen Liganden. Dies verhindert die Aktivierung des Rezeptors und nachgeschalteter Signalproteine, was letztlich das Tumorwachstum hemmt (Dienstmann et al. 2011, siehe Kapitel 2). Rekombinanter humaner monoklonaler Anti-EGFRAntikörper Necitumumab Abb. 1 Antigen-Bindungsstelle Variable Fab-Region, human Variable Region Gelenkregion Konstante Region Konstante Fc-Region mit Bindungsstelle für Effektorzellen, human Quelle: EMA Assessment Report 2015 2. Wirkmechanismus EGFR ist ein 170kD großes Glykoprotein bestehend aus einer extrazellulären, hydrophoben, transmembranen und einer intrazellulären Domäne mit Tyrosinkinase-Aktivität. Es gehört mit HER-2/neu, HER-3 und HER-4 zur Familie der sogenannten ErbB-Tyrosinkinasen. Die EGFR-Signaltransduktionskaskade wurde in Tumoren mit einer Vielzahl unterschiedlicher Funktionen in Zusammenhang gebracht, die für das neoplastische Wachstum von Krebserkrankungen von Bedeutung sind. Dazu zählen die Stimulation der Tumorproliferation, die Hemmung der Apoptose, die Steigerung der Adhäsion und Migration von Tumorzellen sowie die Förderung der Neovaskularisierung (Kumar et al. 2008; Ciardiello & Tortora 2008). Im nicht aktivierten Zustand liegt der EGF-Rezeptor als Monomer vor. Durch Bindung von Liganden wie dem epidermalen Wachstumsfaktor (EGF), dem transformierenden Wachstumsfaktor alpha (TGFα) oder Amphiregulin erfolgt eine Aktivierung des EGFR, was eine Dimerisierung entweder mit einem anderen EGFR (Homodimeriserung) oder mit einem der drei anderen Mitglieder der EGFR-Familie (Heterodimerisierung) zur Folge hat (Kumar et al. 2008). Dies führt zur Phosphorylierung der intrazellulären Tyrosinkinase-Domäne mit anschließender Aktivierung „downstream“ gelegener Signaltransduktionswege wie Oktober 2016 z.B. dem Ras-Raf-MAP-Kinase-, dem PI3-Kinase- oder dem JAK/ STAT-Signalweg (Salomon et al. 1995; Kumar et al. 2008; Ciardiello & Tortora 2008). Auch Punktmutationen oder „In-frame“Deletionen in bestimmten, für die Tyrosinkinase-Domäne kodierenden EGFR-Exons (meistens Exon 19 und 21) können zu einer konstitutiven Aktivierung führen (Lynch et al. 2004). Dass eine gesteigerte EGFR-Aktivierung durch Rezeptor-Überexpression, erhöhte Ligandenkonzentration, autokrine Stimulation oder konstitutive Aktivierung mitverantwortlich für das Tumorwachstum ist, wurde für eine Reihe von Tumorerkrankungen publiziert (u.a. Kolon-, Hals- & Kopf-, Lungen-, Blasen-, Mamma-, Ovarial-, Pankreaskarzinome; Wosikowski et al. 1997; Mendelsohn & Baselga 2003; Galizia et al. 2006; Kumar et al. 2008). Monoklonale Antikörper wie Cetuximab, Panitumumab und Necitumumab blockieren die Bindung von Liganden an EGFR. Dies unterbindet die Autophosphorylierung und in Folge die Homo- oder Heterodimerisierung (Toporkiewicz et al., Abbildung 2). Wirkmechanismus von Necitumumab Abb. 2 EGF Necitumumab JAK RAS STAT MAPK ERK mTOR Spezielle Patientengruppen Alter, Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit hatten keinen Einfluss auf die Pharmakokinetik, während Clearance und Verteilungsvolumen eine unterproportional positive Korrelation mit dem Körpergewicht zeigten. Es sind keine gewichtsbasierten Dosisanpassungen erforderlich. Alter Bei Patienten über 70 Jahren konnten in einer Subgruppenanalyse keine Gesamtunterschiede in der Wirksamkeit zwischen den Behandlungsarmen beobachtet werden. Es werden keine anderen Dosisreduktionen empfohlen als jene, die für alle Patienten aufgrund von Überempfindlichkeitsreaktionen und infusionsbedingten Reaktionen erforderlich sind. Es gibt in der Indikation NSCLC keinen relevanten Nutzen von Necitumumab bei Kindern und Jugendlichen. Leberfunktionsstörungen EGFR PI3K betrug das mittlere Verteilungsvolumen im Gleichgewichtszustand (Steady State) 6,97 Liter. Die Zeit bis zum Erreichen des Steady State beträgt etwa 70 Tage. Nach Administration von 800mg Necitumumab an den Tagen eins und acht eines 21-tägigen Zyklus beträgt die geschätzte systemische Clearance im Steady State 0,014l/h. Dies entspricht einer Halbwertszeit von etwa 14 Tagen. Gentranskription Proliferation, Wachstum EGF(R)=Epidermal Growth Factor (Receptor); ERK=Extracellular-signal Regulated Kinases; JAK=Januskinasen; MAPK=Mitogen-Activated Protein Kinases; mTOR=mechanistic Target of Rapamycin; PI3K=Phosphoinositid-3-Kinase; RAS=Rat Sarcoma Proto-Onkogen; c-SRC=Cellular Sarcoma Proto-Onkogen; STAT=Signal Transducers and Activators of Transcription; TNFα=Tumor Necrosis Factor α Quellen: adaptiert nach Chong et al. 2013, Lee et al. 2007 3. Pharmakokinetik Die pharmakokinetischen Daten wurden sofern nicht anders angegeben aus der Fachinformation Necitumumab (Stand Februar 2016) der European Medicines Agency (EMA) entnommen. Es gibt keine Daten zu Patienten mit moderater oder schwerer Leberinsuffizienz. Die pharmakokinetische Analyse der SQUIRE-Studienpopulation zeigt keinen Einfluss von milder oder moderater Leberfunktionsstörung auf die NecitumumabExposition (Alanin-Aminotransferase 2–615U/l, Aspartat-Aminotransferase 1,2–619U/l, Bilirubin 0,1–106µmol/l). Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen wurden nicht in die Studie mit eingeschlossen. Es werden keine Dosisreduktionen empfohlen. Nierenfunktionsstörungen Es gibt keine Daten zu Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz. Bei Patienten mit leichter oder moderater Einschränkung der Nierenfunktion sind keine Dosisanpassungen notwendig. Die pharmakokinetische Analyse der SQUIRE-Studienpopulation ergab keinen Einfluss der Nierenfunktion auf die Necitumumab-Exposition (Kreatinin-Clearance 11–250ml/min). Schwangerschaft und Stillzeit Es liegen weder klinische noch präklinische Daten zur Gabe von Necitumumab bei Schwangerschaft und Stillzeit vor. Man kann aber von einer Toxizität für den Embryo ausgehen, da EGFRDepletion bzw. das Fehlen von EGFR im Tierversuch mit vermindertem embryofötalem Wachstum bzw. Letalität assoziiert ist. Gebärfähige Frauen sollten angewiesen werden, während der Behandlung mit Necitumumab nicht schwanger zu werden. Während und drei Monate nach einer Behandlung mit Necitumumab ist daher die Einnahme von Kontrazeptiva angebracht. Es gibt keine Information, ob Necitumumab über die Muttermilch einen Einfluss auf den Säugling hat. Ein Risiko für den Säugling kann nicht ausgeschlossen werden. Frauen sollten deshalb während der Necitumumab-Gabe das Stillen abbrechen und auch nach der letzten Verabreichung mindestens vier Monate lang nicht stillen. Pharmakokinetik im Plasma, Verteilung und Elimination Necitumumab wird intravenös verabreicht. Es wurden keine Studien mit anderen Verabreichungsarten durchgeführt. Die Verteilung von Necitumumab folgt einem biphasischen Abfall. Basierend auf der populationspharmakokinetischen Methode ArzneimittelPROFIL Necitumumab Natrium-kontrollierte Diät Dieses Arzneimittel enthält 244mg Natrium pro Dosis. Dies sollte bei Patienten, die eine natriumkontrollierte Diät durchführen, berücksichtigt werden. Oktober 2016 5 Monitoring Aufgrund des Auftretens von plötzlichem Herz-Kreislauf-Stillstand bei etwa drei Prozent der Patienten nach Gabe von Necitumumab in Kombination mit Gemcitabin und Cisplatin (siehe Kapitel 6) ist eine sorgfältige Beobachtung der Serumelektrolyte inklusive Magnesium, Kalium und Kalzium erforderlich. Vor jeder Necitumumab-Gabe sowie mindestens acht Wochen nach Ende der Behandlung soll daher auf Hypomagnesiämie, Hypokalzämie und Hypokaliämie überwacht werden. Bei Grad-3/4Elektrolytabnormalitäten soll die Behandlung unterbrochen und sollen Elektrolyte zugeführt werden. Auch im Falle von schweren venösen und arteriellen thromboembolischen Ereignissen, schweren dermatologischen Toxizitäten (Grad 4) und schweren infusionsbedingten Reaktionen (IRR) muss die Therapie mit Necitumumab abgebrochen werden. Leichte dermatologische oder IRR-Nebenwirkungen (Grad-1/2) erfordern eine Dosisreduktion bzw. Therapieunterbrechung, bis die Symptome nachlassen. Bei Patienten mit vorangegangenen Überempfindlichkeitsreaktionen oder Grad-1/2-IRR wird eine Prämedikation mit einem Kortikosteroid und einem Antipyretikum zusätzlich zu einem Antihistaminikum vor der Necitumumab-Infusion empfohlen. Weiters muss vor jeder Necitumumab-Infusion eine Prämedikation zur Prophylaxe möglicher Hautreaktionen in Betracht gezogen werden. 5. Wirksamkeit 5.1. Phase-III-Studie SQUIRE (NCT00981058) In dieser offenen randomisierten Phase-III-Studie wurden 1.093 Patienten mit vorher unbehandeltem SQ-NSCLC im Stadium IV entweder mit Necitumumab plus Gemcitabin und Cisplatin (n=545) oder nur mit Gemcitabin und Cisplatin (n=548) behandelt (Thatcher et al. 2015a). Als Einschlusskriterien galten ein „Eastern Cooperative Oncology Group“(ECOG)Status 0–2, eine adäquate Organfunktion und keine Vorbehandlung mit Chemotherapeutika. Die eingeschlossenen Pati- Ergebnisse der Phase-III-Studie SQUIRE Necitumumab + Gemcitabin + Cisplatin (n=545) Tab. 1 Gemcitabin + Cisplatin (n=548) OS Todesfälle, n (%) 418 (77%) 442 (81%) 4. Pharmakodynamik Medianes OS, Monate (95% CI) 4.1. Präklinische Pharmakodynamik 1-Jahres-Überleben (95% CI) 48% (43–52) 43% (39–47) 2-Jahres-Überleben (95% CI) 20% (16–24) 17% (13–20) In murinen NSCLC-Xenotransplantationsmodellen resultierte die zusätzliche Gabe von Necitumumab zu Cisplatin und Gemcitabin in einer deutlich erhöhten Antitumor-Aktivität (Samakoglu et al. 2012). Paz-Ares et al. (2015) berichten von ähnlichen Ergebnissen in Xenotransplant-Mausmodellen bei Gabe von Necitumumab, Cisplatin und Pemetrexed, sodass die kombinierte Gabe von Chemotherapeutika mit Necitumumab in klinischen Studien auf einen therapeutischen Erfolg hoffen ließ. 4.2. Klinische Pharmakodynamik In einer Phase-I-Studie zur Dosisfindung erhielten Patienten mit soliden Tumoren unterschiedliche Konzentrationen von Necitumumab (Erstdosen zwischen 100 und 1.000mg) gefolgt von einer zweiwöchigen Phase der Blutprobenentnahme. Danach wurde ein sechswöchiger Therapiezyklus gestartet (Kuenen et al. 2010). Pharmakokinetik und dosisabhängige Nebenwirkungen wurden beobachtet. Aufgrund der beobachteten Toxizitäten wurden 800mg als maximal tolerierbare Dosis ermittelt. Als Zielkonzentration im Plasma wurden mehr als 40µg/ml angestrebt. Diese erreichten alle Patienten, die mehr als 600mg Necitumumab erhielten. Antikörper gegen das Medikament wurden nicht detektiert. Zwei bzw. 16 Patienten hatten ein teilweises Ansprechen bzw. eine stabile Erkrankung unter Necitumumab. Aufgrund der akzeptablen Nebenwirkungen und der Evidenz einer Antitumoraktivität empfahlen Kuenen et al. die wöchentliche oder 14-tägige Gabe von 800mg Necitumumab. Da es bei Gabe des chimären monoklonalen Antikörpers Cetuximab Hypersensitivitäten durch Immunglobulin(Ig)-EReaktivität gab, untersuchten Yu et al. (2011) die Unterschiede in der IgE-Reaktivität zwischen Cetuximab, Necitumumab und einem weiteren humanen monoklonalen Antikörper, Panitumumab. Es zeigte sich, dass Necitumumab eine um das Zehnfache verminderte Expression IgE-spezifischer reaktiver Proteine aufwies als Cetuximab. Während Cetuximab in Spenderseren mit vermehrtem IgE-Anteil hohe Reaktivität aufwies, blieb diese 6 bei Necitumumab und Panitumumab minimal. Hypersensitivitätsreaktionen wie bei Cetuximab sind also bei vollhumanen EGFR-Antikörpern nicht zu erwarten. ArzneimittelPROFIL Necitumumab 11,5 (10,4–12,6) 9,9 (8,9–11,1) PFS Todesfälle oder Krankheitsfortschreiten, n (%) 431 (79%) Medianes PFS, Monate (95% CI) 5,7 (5,6–6,0) 5,5 (4,8–5,6) PFS nach 3 Monaten (95% CI) 79% (76–83) 73% (68–76) PFS nach 6 Monaten (95% CI) 45% (40–49) 37% (33–42 417 (76%) Zeit bis zum Therapieversagen Ereignisse Mediane Dauer, Monate (95% CI) 529 (97%) 4,3 (4,2–4,8) 528 (96%) 3,6 (3,3–4,1) Bestes Gesamtansprechen (%) CR 0 <1 PR 31 28 SD 51 48 PD 8 10 Nicht evaluierbar <1 2 Nicht bestimmt 10 11 Patienten mit objektiver Ansprechrate (95% CI) 31 (27–35) 29 (25–33) Patienten mit Krankheitskontrolle* (95% CI) 82 (78–85) 77 (73–80) *Anzahl Patienten mit CR, PR oder SD OS=Overall Survival, CI=Confidence Interval, CR=Complete Response, PR=Partial Response, SD=Stable Disease, PD=Progressive Disease Quelle: Thatcher et al. 2015a Oktober 2016 enten wurden 1:1 einer Chemotherapie mit Cisplatin (75mg/ m2, Tag 1) und Gemcitabin (1.250mg/m2, Tag 1 und 8) mit maximal sechs dreiwöchigen Zyklen mit oder ohne Necitumumab (800mg, Tag 1 und 8) zugeordnet. Nach Ende der Chemotherapiezyklen wurde Necitumumab bis zur Krankheitsprogression oder dem Auftreten nicht tolerierbarer Nebenwirkungen weiter verabreicht. Wegen der zu erwartenden akneiformen Hautveränderungen unter Necitumumab, einem Klasseneffekt von EGFR-Antikörpern, war eine Verblindung der Studie nicht möglich. Primärer Endpunkt war das OS. Die Analyse der Daten ergab ein medianes Gesamtüberleben von 11,5 Monaten im Vergleich zu 9,9 Monaten mit Chemotherapie allein (stratifizierte Hazard Ratio [HR] 0,84, 95% CI 0,74–0,96; p=0,01). Weitere Daten sind in Tabelle 1 angeführt. Die objektive Ansprechrate war in beiden Therapiearmen ähnlich (Cochran-Mantel-Hänszel-Statistik für stratifizierte kategorische Daten, p=0,4), mit Necitumumab wurde jedoch eine Krankheitskontrolle statistisch signifikant häufiger erreicht als mit Chemotherapie allein (p=0,043). Subgruppenanalyse der Gesamtpopulation. In den meisten Subgruppen wurde sowohl bezüglich OS als auch PFS ein Vorteil durch Necitumumab beobachtet. Es profitierten insbesondere Patienten mit ECOG-Performance-Status 2 (HR 0,78, 95% CI 0,51–1,21). In einer Subgruppenanalyse von Patienten mit EGFR-exprimierenden Tumoren wurde in dieser Population ein statistisch signifikanter Vorteil beobachtet (siehe Tab. 2). Subgruppenanalyse nach EGFR-Expressionsstatus. In einer vorab geplanten Auswertung wurde die klinische Wirksamkeit von Necitumumab anhand der EGFR-Expressionsspiegel im Tumor bestimmt. In SQUIRE waren 982 Patienten (89,8%) auswertbar, und die große Mehrzahl (n=935) hatte eine EGFR-Expression im Tumor. Bei Patienten mit nachgewiesener EGFRExpression war das mediane OS mit Necitumumab im Vergleich zum Kontrollarm mit 11,7 versus 10,0 Monaten statistisch signifikant verbessert, entsprechend einer geschätzten Reduktion des Sterberisikos um 21% (HR 0,79, p=0,002). Außerdem war eine Verbesserung des medianen PFS zu beobachten: 5,7 Monate unter Necitumumab und 5,5 Monate im Kontrollarm (HR 0,84, p=0,018). Bei Patienten ohne nachweisbarer EGFRExpression wurde keine Verbesserung im OS (HR 1,52, 95% CI 0,74–3,12) oder PFS (HR 1,33, 95% CI 0,65–2,70) beobachtet (Paz-Ares et al. 2016, siehe Tab. 2). Frühere Daten mit Cetuximab plus Chemotherapie (Pirker et al. 2009) wiesen darauf hin, dass eine hohe EGFR-Expression mit einem histologischen (H)-Score >200 mit einem verbesserten OS assoziiert war. In SQUIRE war jedoch der H-Score >200 nicht prädiktiv für unterschiedliche Effekte durch Necitumumab bei SQ-NSCLC. Auch in der ebenfalls beschriebenen INSPIRE- Subgruppenanalyse von Patienten mit EGFR-Expression in SQUIRE Tab. 2 OS HR* (95% CI) PFS HR* (95% CI) 0,79 (0,69-0,92) 0,84 (0,72-0,97) <65 (n=581) 0,85 (0,71-1,02) 0,85 (0,71-1,02) ≥65 (n=354) 0,73 (0,58-0,93) 0,82 (0,64-1,04) <70 (n=776) 0,78 (0,67-0,91) 0,80 (0,68-0,94) ≥70 (n=159) 0,93 (0,65-1,33) 1,05 (0,72-1,52) Weiblich (n=154) 0,79 (0,56-1,13) 0,58 (0,40-0,85) Männlich (n=781) 0,80 (0,69-0,94) 0,89 (0,76-1,04) Kaukasier (n=784) 0,81 (0,69-0,94) 0,85 (0,72-0,99) Nicht-Kaukasier (n=151) 0,80 (0,55-1,16) 0,78 (0,54-1,13) Nichtraucher 0,81 (0,70-0,94) 0,84 (0,72-0,98) Raucher 0,75 (0,46-1,22) 0,83 (0,50-1,37) 0–1 0,80 (0,69-0,93) 0,83 (0,71-0,97) 2 0,74 (0,46-1,19) 0,84 (0,50-1,39) USA, Europa, Austr. 0,81 (0,69-0,94) 0,85 (0,73-1,00) Südam., Südafr., Indien 0,70 (0,37-1,31) 0,62 (0,34-1,15) Ostasien 0,80 (0,46-1,38) 0,84 (0,50-1,42) EGFR-Expression (n=935) Alter Geschlecht Herkunft Raucherstatus ECOG Geograf. Region 0,35 favorisiert Necitumumab 1 1,4 favorisiert CT alleine 0,3 favorisiert Necitumumab *HR=Hazard Ratio für die EGFR-exprimierende Patientenpopulation, CI=Konfidenzintervall, CT=Chemotherapie ArzneimittelPROFIL Necitumumab 1 1,6 favorisiert CT alleine Quelle: Paz-Ares et al. 2016 Oktober 2016 7 Studie bei Non-SQ-NSCLC gab es keinerlei Unterschiede zwischen hohem und niedrigem EGFR-Expressionsstatus (Paz-Ares et al. 2015). Zusammenfassend erhöht die zusätzliche Gabe von Necitumumab zur Chemotherapie das Gesamtüberleben bei Patienten mit fortgeschrittenem SQ-NSCLC. Damit bietet es eine neue Erstlinienoption für diese Erkrankung. Zusätzlich erwies sich die fortwährende Verabreichung von Necitumumab bis zur Progression als vorteilhaft (Socinsky et al. 2014). So erhielten 51% der Patienten im experimentellen Arm der SQUIRE-Studie nach Beendigung der Chemotherapie und fehlender Krankheitsprogression zu diesem Zeitpunkt Necitumumab im Durchschnitt für weitere 6,4 Zyklen verabreicht. Das mediane OS und PFS betrugen 15,6 bzw. 7,2 Monate mit einer Zwei-Jahres-Überlebensrate von 27,5%. Damit haben Patienten ohne Krankheitsprogression nach der Erstlinienchemotherapie plus Necitumumab und fortgesetzter Necitumumab-Monotherapie ein besseres klinisches Ergebnis als der durchschnittliche SQ-NSCLC-Patient. Die Auswertung der Daten ergab keinen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungsarmen, das mediane OS betrug 11,3 Monate im Necitumumab-Arm und 11,5 Monate im Kontrollarm. Damit gibt es keinen Hinweis, dass die zusätzliche Gabe von Necitumumab bei Non-SQ-NSCLC einen Überlebensvorteil bringt. Die Ursache für das Ausbleiben eines Effekts ist nicht klar. Allerdings konnte auch in einer verwandten Studie mit Cetuximab (SELECT, Kim et al. 2013) kein Vorteil durch die Gabe des Antikörpers bei NSCLC-Patienten mit Krankheitsfortschreiten nach Chemotherapie festgestellt werden. 6. Verträglichkeit Das Sicherheitsprofil von Necitumumab entspricht generell jenem anderer EGFR-Antikörper. Die häufigsten EGFR-klassenspezifischen Nebenwirkungen von Necitumumab waren Hautausschlag (79%) und Magnesiummangel (31%), davon waren acht bzw. neun Prozent von Grad 3 oder höher (FDA Briefing Document 2015, Fachinformation 2016). 5.2. Phase-III-Studie INSPIRE (NCT00982111) 6.1. Phase-III-Studie SQUIRE (NCT00981058) In dieser offenen, randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie wurde die Effektivität von Necitumumab plus Pemetrexed und Cisplatin mit Pemetrexed und Cisplatin alleine bei 633 Patienten mit Non-SQ-NSCLC verglichen. Einschlusskriterien und Verabreichungsschema entsprachen jenen von SQUIRE. Insgesamt 315 Patienten erhielten Necitumumab plus Pemetrexed und Cisplatin, und 318 Patienten wurden nur Pemetrexed und Cisplatin alleine verabreicht. Nach einer Empfehlung des unabhängigen Datenüberwachungskomitees wurde die Neuaufnahme von Patienten im Februar 2011 aufgrund von thromboembolischen Ereignissen und vermehrten Todesfällen im Necitumumab-plus-Chemotherapie-Arm gestoppt. Da die meisten fatalen Ereignisse in den ersten beiden Behandlungszyklen auftraten, wurde Necitumumab bei jenen Patienten eingestellt, die diese Zyklen noch nicht abgeschlossen hatten. Patienten, die bereits in fortgeschrittener Therapie waren, konnten nach schriftlicher Zustimmung die Behandlung fortsetzen. Im experimentellen Arm mit Necitumumab plus Chemotherapie war die Anzahl an Patienten mit einer oder mehreren Grad3-Nebenwirkungen mit 388 (72%) von 538 Patienten höher als im Chemotherapie-Arm allein (333 von 541 Patienten, 62%, Thatcher et al. 2015a). Auch die Inzidenz schwerwiegender unerwünschter Ereignisse war in der Necitumumab-Gruppe höher als in der Gruppe mit Gemcitabin und Cisplatin allein (257/538 vs. 203/541, 48 vs. 38%). Beispielsweise waren im experimentellen Arm Grad-3/4-Magnesiummangel und -Hautausschlag deutlich häufiger als im Chemotherapie-Arm (9 vs. 1% bzw. 4 vs. <1%). Auch venöse thromboembolische Ereignisse traten mit Necitumumab etwas häufiger auf (9 vs. 5%, Grad 3: 5 bzw. 3%; Thatcher et al. 2005a). Die Inzidenz von Grad-3-Diarrhoe war in beiden Armen ähnlich. Eine Dosismodifikation oder Behandlungsunterbrechung war bei 60% der Patienten im experimentellen Arm und bei 58% mit herkömmlicher Therapie erforderlich. Häufigste Unterbrechungs- bzw. Modifikationsursachen waren Erkrankungen des Verträglichkeit von Necitumumab in der SQUIRE Studie Nebenwirkung (%) Neutropenie Tab. 3 Necitumumab+Gemcitabin+Cisplatin (n=538) Gemcitabin+Cisplatin (n=541) Grad-1/2 Grad 3 Grad 4 Grad 5 Grad-1/2 Grad 3 Grad 4 Grad 5 19 18 6 0 18 20 8 0 Febrile Neutropenie <1 <1 <1 0 <1 1 <1 0 Anämie 31 10 <1 0 35 10 <1 0 Thrombozytopenie 12 7 3 0 16 6 4 0 Diarrhoe 14 2 0 0 10 1 <1 0 Müdigkeit 35 7 <1 0 35 7 <1 0 Hypomagnesiämie 22 7 2 0 15 1 0 0 Hautreaktionen 71 8 0 0 11 <1 0 0 Ausschlag 69 7 0 0 10 <1 0 0 Infusionsbedingte Hypersensibilität 1 <1 0 0 2 0 0 0 Konjunktivitis 7 <1 0 0 2 0 0 0 Pneumonitis <1 <1 0 <1 <1 <1 0 0 Arterielle Thromboembolie 1 2 <1 <1 2 1 <1 <1 Venöse Thromboembolie 4 4 1 <1 3 <1 1 <1 Quelle: Thatcher et al. 2015a 8 ArzneimittelPROFIL Necitumumab Oktober 2016 Blutes bzw. lymphatischen Systems. Bei 168 Patienten in der Necitumumab-Gruppe und 133 Patienten unter Standardtherapie musste die Therapie dauerhaft eingestellt werden. Häufigste Ursachen für den Therapieabbruch waren schwere Neutropenie und Thrombozytopenie. In beiden Therapiearmen gab es Todesfälle durch unerwünschte Ereignisse (Necitumumab- vs. Standard-Arm, 12 vs. 11%), wobei drei bzw. zwei Prozent auf Nebenwirkungen zurückgeführt wurden. Die wichtigsten Nebenwirkungen der SQUIRE-Studie sind in Tabelle 3 dargestellt. Insgesamt ist das Nebenwirkungsprofil von Necitumumab in Kombination mit Gemcitabin und Cisplatin in allen Patientengruppen inklusive ältere Patienten akzeptabel (Thatcher et al. 2015b). Eine Analyse des Gesundheitsstatus der Patienten basierend auf der Zeit bis zur Verschlechterung der sechs wesentlichen Symptome maligner Lungenerkrankungen ergab keine Verschlechterung der Lebensqualität durch Necitumumab (Reck et al. 2014b). Wurde Necitumumab als Monotherapie bei Patienten, die nach Beenden der Induktionsphase eine CR PR oder SD aufwiesen, weiter verabreicht, so wurden folgende relevante unerwünschte Ereignisse ≥Grad 3 beobachtet (Socinsky et al. 2014): Hautausschlag (4%), Magnesiummangel (2,5%), Konjunktivitis (0,7%), venöse (1,8%) und arterielle thrombotische Ereignisse (1,8%). Die Langzeitgabe von Necitumumab hatte also keine weiteren unerwarteten Nebenwirkungen zur Folge. Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung Thromboembolische Ereignisse. Aufgrund von venösen und arteriellen thromboembolischen Ereignissen einschließlich tödlich verlaufender Fälle muss die Verwendung von Necitumumab bei Patienten mit einer Vorgeschichte von thromboembolischen Ereignissen sorgfältig abgewogen werden. Kardiorespiratorische Ereignisse. Unter Necitumumab wurde eine erhöhte Häufigkeit von Herz- und Atemstillstand oder plötzlichem Tod im Vergleich zu Patienten beobachtet, die nur Chemotherapie erhielten (2,8 vs. 0,6%). Ein Zusammenhang mit Necitumumab-assoziiertem Elektrolytmangel ist möglich, da einige der verstorbenen Patienten eine nicht oder unzureichend korrigierte Hypomagnesiämie aufwiesen. Aus diesem Grund wird eine engmaschige Überwachung des Elektrolythaushaltes empfohlen (Details siehe Kapitel 3, Monitoring). 8. Zulassungsstatus Necitumumab wurde von der EMA am 15.2.2016 in Kombination mit Gemcitabin und Cisplatin zur Therapie von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem EGFR-exprimierendem SQ-NSCLC zugelassen, wenn diese bislang keine Chemotherapie für dieses Stadium der Erkrankung erhalten haben. Vor Therapiebeginn muss eine Testung auf EGFR-Expression durchgeführt werden. Bei Non-SQ-NSCLC ist Necitumumab nicht indiziert. 6.2. Phase-III-Studie INSPIRE (NCT00982111) Im Necitumumab-Arm der INSPIRE-Studie bei Non-SQ-NSCLC-Patienten war die Inzidenz von Grad-3/4-Nebenwirkungen inklusive Todesfällen höher als bei Therapie mit Pemetrexed und Cisplatin allein (Paz-Ares et al. 2015). So traten bei 15 von 304 Patienten unter Necitumumab therapieassoziierte Todesfälle (5%) auf im Vergleich zu neun von 312 Patienten (3%) unter Standardtherapie. Entsprechend gab es im experimentellen Arm mehr schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (155 [51%] von 304 vs. 127 [41%] von 312 Patienten). Darunter waren unter Necitumumab vor allem mehr Grad-3/4-Hautausschläge (15 vs. <1%), Hypomagnesiämie (8 vs. 2%) und venöse thrombotische Ereignisse (8 vs. 4%) zu beobachten als in der Pemetrexed/Cisplatin-Gruppe. Eine Metaanalyse von Seng et al. (2012) zeigte, dass die Gabe von Cisplatin mit einem erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse assoziiert ist. In einer weiteren Metaanalyse zu Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren konnte ebenso ein erhöhtes Risiko thromboembolischer Ereignisse bei Kombination von Cetuximab oder Panitumumab mit Platin-basierter Chemotherapie beobachtet werden (Petrelli et al. 2012a). Das häufigere Vorkommen von Thromboembolien im experimentellen Studienarm ist daher mutmaßlich auf einen additiven Effekt des EGFR-Antikörpers und der Platin-basierten Therapie zurückzuführen. Necitumumab wird in Kombination mit Pemetrexed und Cisplatin bei Non-SQ-NSCLC-Patienten nicht empfohlen. 7. Dosierung und Verabreichung Necitumumab wird für bis zu sechs Zyklen in Kombination mit Gemcitabin und Cisplatin angewendet und kann danach als Erhaltungstherapie in Monotherapie angewendet werden, wenn der Patient eine Remission oder Stabilisierung der Erkrankung erreicht hat. Der EGFR-Antikörper wird in einer Fixdosis von 800mg über 60 Minuten an Tag eins und acht jedes dreiwöchigen Zyklus infundiert. Falls eine verringerte Infusionsrate erforderlich ist, sollte die Infusionsdauer zwei Stunden nicht unterschreiten. ArzneimittelPROFIL Necitumumab 9. Bewertung und Aussichten Die Kombination des monoklonalen humanen EGFR-Antikörpers Necitumumab mit Gemcitabin und Cisplatin erhöhte in der Phase-III-Studie SQUIRE das mediane Gesamtüberleben bei Patienten mit fortgeschrittenem SQ-NSCLC von 9,9 auf 11,5 Monate. Eine Subgruppenanalyse zeigte, dass nur jene SQ-NSCLC-Patienten profitieren, die EGFR im Tumor exprimieren, wobei in diesem Patientengut das mediane OS mit Necitumumab 11,7 Monate im Vergleich zu 10,0 Monaten bei Chemotherapie alleine betrug. Diese Ergebnisse stimmen mit früheren Studien überein, wo der chimäre EGFR-Antikörper Cetuximab ähnliche Resultate erzielen konnte (Pujol et al. 2014). Die zusätzliche Gabe von Necitumumab führte allerdings zu vermehrten Nebenwirkungen (≥Grad 3) wie Hypomagnesiämie und Hautreaktionen, welche auf Klasseneffekte von EGFR-Antikörpern zurückgeführt werden können (Petrelli et al. 2012b, Segaert & Van Cutsem 2005). Auch kam es in Kombination von Necitumumab mit Platin-basierter Chemotherapie zu mehr venösen thromboembolischen Ereignissen. Die damit assoziierten Todesfälle waren jedoch nicht höher als bei Standardtherapie, und es gab keinen Hinweis, dass Necitumumab die typischen Chemotherapie-assoziierten Nebenwirkungen verstärkt. Bei Non-SQ-NSCLC-Patienten, welche in der Phase-IIIStudie INSPIRE mit Necitumumab, Pemetrexed und Cisplatin im Vergleich zu Chemotherapie alleine behandelt wurden, brachte der EGFR-Antikörper keinen Überlebensvorteil. Eine Behandlung von Non-SQ-NSCLC-Patienten mit Necitumumab ist daher nicht indiziert. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Necitumumab aufgrund der positiven Ergebnisse der SQUIRE-Studie eine neue Option in der Behandlung des SQ-NSCLC ist. Für die Subgruppe der EGFR-exprimierenden Patienten lag die HR bei 0,79 und erfüllt damit hinsichtlich Effektivität die Vorgaben der „American Society of Clinical Oncology“ (ASCO, <0,8). Entsprechend gab es eine Empfehlung des FDA-Beirates Onkologie im Juli 2015 für den klinischen Einsatz von Necitumumab (FDA Oktober 2016 9 Briefing Document 2015) und eine Zulassung in Europa im Februar 2016. Weitere Untersuchungen der Effekte auf Symptome und Lebensqualität sowie die Identifikation neuer Biomarker (z.B. Anzahl der EGFR-Genkopien, KRAS-Mutationsstatus etc.) werden möglicherweise mehr Klarheit über die Rolle dieses EGFR-Antikörpers bei der Behandlung von Patienten mit SQ-NSCLC bringen (Pillai & Ramalingam 2014). 11. 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Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede 50 ml Durchstechflasche enthält ungefähr 244,4 mg Natrium. Vollständige Auflistung der sonstigen Bestandteile, siehe Abschnitt 6.1. 4.1 Anwendungsgebiete: Portrazza ist in Kombination mit Gemcitabin- und Cisplatin-Chemotherapie indiziert zur Therapie von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem, den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) exprimierenden, plattenepithelialen, nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom, wenn diese bislang keine Chemotherapie für dieses Stadium der Erkrankung erhalten haben. 4.3 Gegenanzeigen: Patienten mit einer schweren oder lebensbedrohlichen Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der in Abschnitt 6.1 genannten sonstigen Bestandteile (siehe Abschnitt 4.4). Pharmakotherapeutische Gruppe: Antineoplastische Mittel, Monoklonale Antikörper, ATC-Code: L01XC22. 6.1 Liste der sonstigen Bestandteile: Natriumcitrat Dihydrat (E331), Zitronensäure wasserfrei (E330), Natriumchlorid, Glycin (E640), Mannitol (E421), Polysorbat 80 (E433), Wasser für Injektionszwecke. 7. INHABER DER ZULASSUNG: Eli Lilly Nederland B.V., Papendorpseweg 83, 3528 BJ Utrecht, Niederlande. NR, Apothekenpflichtig. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Stand: Februar 2016. ArzneimittelPROFIL Necitumumab Oktober 2016 11 ArzneimittelPROFIL Necitumumab, Oktober 2016