26 Pflanze BAUERNBLATT | 4. Juni 2016 ■ „Nicht obligatorische Beschaffenheitsprüfung“ spart Zeit bei Anerkennung Verfügbarkeit von Saatgut – eine logistische Herausforderung In Schleswig-Holstein, dem Bundesland mit der spätesten Ernte und den frühesten Aussaatterminen, ist die zeitgerechte Lieferung des Saatgutes in nahezu jedem Jahr eine echte Herausforderung für alle Beteiligten. Da der Ernte­ termin des Saatgetreides wie auch beim Konsumgetreide von den natürlichen Gegebenheiten, insbesondere der Witterung, abhängt, kann auch eine rechtzeitige Bestellung keinen definierten Liefertermin sichern, es sei denn, der Handel hält Saatgut aus überlagerten Partien vor. Die Tendenz zur Überlagerung hat in den vergangenen Jahren zugenommen und ist sicherlich zum Teil durch die guten Erträge der vergangenen Jahre mit verursacht worden. Auch die Handelshäuser haben erkannt, dass es vorteilhaft ist, gewisse Mengen für die nächste Aussaat vorzuhalten. Dies kann aufgrund der benötigten Mengen, insbesondere beim Getreidesaatgut, aber immer nur Teilmengen umfassen. Der Bedarf an Lagerkapazitäten wäre schlicht zu hoch. Das Risiko, dass Partien die gesetzlichen Vorgaben insbesondere für die Keimfähigkeit im Folgejahr nicht mehr erfüllen, besteht, und nicht zuletzt verlangt der Kunde häufig neue Ware aus dem aktuellen Erntejahr. An dieser Stelle sei deutlich darauf hingewiesen, dass überlagertes Saatgut mit einer aktuellen Untersuchung der Beschaffenheit genauso gut und verkehrsfähig ist wie Saatgut aus dem laufenden Erntejahr. Aus den genannten Kapazitäts- und Logistikgründen wird der Großteil des Saatguts aber immer aus der aktuellen Ernte kommen müssen. Auf dem Weg des Saatgutes von der Vermehrungsfläche bis in die Drillmaschine des späteren Kunden stellt die allseits bekannte und im Ergebnis hoffentlich erfolgreiche Feldbestandsprüfung des Vermehrungsbestandes nur einen kleinen Zwischenschritt im amtlichen Anerkennungsverfahren dar. Es werden im Feld die Sortenechtheit, der Gesundheitszustand und das Vorkommen von Fremdbesatz auf die Einhaltung der gesetzlichen Mindestanforderungen überprüft. Nach der Ernte wird die Rohware gegebenenfalls zunächst getrock- bis 14 Tagen. Auswertungen der vergangenen Jahre haben eine durchschnittliche Dauer von knapp zehn Tagen vom Probeneingang im Saatgutlabor bis zur Erteilung des Anerkennungsbescheides ergeben, wobei die Streuung je nach Keimruhe erheblich sein kann. Da aufgrund der Konzentrationsprozesse im Landhandel nur noch wenige, dafür sehr große Aufbereitungsanlagen für Saatgut betrieben werden, ist der Aufwand insbesondere für den Transport der Rohware und das anerkannte Saatgut gestiegen. Daraus lässt sich ableiten, dass der ZeitDie rechtzeitige Bereitstellung von Saatgut ist eine logistische Herausforderung. Fotos: Henning Brogmus bedarf für den gesamten Produktionsprozess des net, was entweder auf dem Ver- fung unterzogen wird. Sind die Saatgutes deutlich länger als die eimehrungsbetrieb oder bei direkter Untersuchungen der technischen gentliche Untersuchungsdauer ist. Anlieferung des Erntegutes in ei- Reinheit, des Fremdbesatzes und nem Erfassungslager beziehungs- der Tausendkornmasse noch relativ „Nicht obligatorische weise im Aufbereitungsbetrieb des zügig durchzuführen, kommt bei Beschaffenheitsprüfung“ Landhändlers erfolgt. Die getrock- der Ermittlung der Keimfähigkeit nete Rohware wird dann gereinigt, ein weiterer Aspekt hinzu, die soZum Zwecke der Vereinfachung um die gesetzlichen Anforderun- genannte Dormanz oder Keimruhe. und Beschleunigung des Anerkengen, insbesondere hinsichtlich der nungsverfahrens, ohne jedoch den Reinheit und des Fremdbesatzes Verbraucherschutz zu vernachlässiBestimmung der einzuhalten. gen, hat der Gesetzgeber bereits Keimfähigkeit Während der Aufbereitung wervor über zehn Jahren das Verfahden aus der jeweiligen SaatgutIm Hinblick auf die Fallzahlsta- ren der sogenannten „nicht obligapartie, die maximal 30 t umfassen bilität und die Verhinderung von torischen Beschaffenheitsprüfung“ darf, repräsentative Proben gezo- Auswuchs ist die Keimruhe eine (NoB) eingeführt. Die Unterschiegen, von denen die Anerkennungs- durchaus wünschenswerte Ei- de zum zuvor beschriebenen herprobe im akkreditierten Labor der genschaft, die aber bei der Be- kömmlichen Anerkennungsverfahsogenannten Beschaffenheitsprü- stimmung der Keimfähigkeit zu- ren sind zum Teil gravierend und nächst gebrochen werden muss. können, je nach betrieblichen GeDies erfolgt durch die Vorküh- gebenheiten, zu einer erheblichen lung der Keimprobe, die 100 Kör- Zeiteinsparung auf dem Produkner in vierfacher Wiederholung tionsweg führen. Voraussetzung umfasst. Je nach Witterungsbe- für die Teilnahme an diesem Verdingungen, Sorte sowie weiteren fahren ist neben einigen techniFaktoren kann eine Vorkühldauer schen Voraussetzungen insbesonvon zwei bis zu sechs Tagen not- dere das Einverständnis zur Veröfwendig sein, in Ausnahmefällen fentlichung von Kontrollprobenerauch noch mehr. Hinzu kommt die gebnissen. Auch darf nur Saatgut Dauer der eigentlichen Keimfähig- von Feldbeständen, die uneingekeitsuntersuchung mit Auszählun- schränkt erfolgreich feldbesichtigt gen nach vier und nach acht Tagen. wurden, im Rahmen dieses VerfahDie so ermittelten Ergebnisse wer- rens zur Anerkennung vorgestellt den sowohl den beteiligten Un- werden. Insbesondere erhöhter ternehmen mitgeteilt als auch Besatz mit anderen Getreidearten der Landwirtschaftskammer für im Feld, auch wenn eine Reinigung die Zertifizierung der jeweiligen technisch möglich ist, wird bei dieSaatgutpartie übermittelt. In der sem Verfahren nicht toleriert. Summe steht beispielsweise beim Wie bereits der Name aussagt, „Geprüft nach § 12 (1b) SaatgutV“ – Winterweizen somit eine Untersu- wird nicht mehr jede Saatgutpartie die erforderliche Kennzeichnung von chungsdauer vom Probeneingang auf die Einhaltung der Mindestanbis zur Datenübermittlung von acht forderungen an die Beschaffenheit „NoB-anerkanntem“ Saatgut. Pflanze 27 ■ BAUERNBLATT | 4. Juni 2016 Tabelle: Anzahl der Saatgutpartien und der Beanstandungen im NoB-Verfahren, 2012 bis 2015 2015 2014 2013 2012 Anzahl Partien mit ­NoB-Anerkennung Anzahl untersuchter ­Kontrollproben 496 561 372 390 109 122 124 105 untersucht. Es ist möglich, Einheiten bis zu 120 t, also vier Saatgutpartien, in einer Probe zusammenzufassen und untersuchen zu lassen. Das NoB-Verfahren geht an dieser Stelle aber noch weiter und verlangt auch nicht mehr die vorherige komplette Aufbereitung der Partien. Vielmehr ist es möglich die Probe aus der Rohware beispielsweise unter Zuhilfenahme einer Laborreinigung zu reinigen und so die Anerkennungsprobe zu erzeugen. Der Saatgutwirtschaft wird damit eine erhebliche Eigenverantwortung übertragen, da der Grad der Reinigung im Probenmaßstab mit dem später erzielten Ergebnis der großtechnischen Anlage übereinstimmen sollte. Ergibt die Beschaffenheitsprüfung, dass die Mindestanforderungen erfüllt sind, werden die maximal vier zu dieser Probe gehörigen Partien anerkannt. Für die Saatgutwirtschaft besteht der Vorteil darin, dass Saatgutpartien anerkannt werden können, ohne die zeit- und kostenintensiven Transporte und Reinigung durchführen zu müssen. Zeichnet sich im davon Unterschreitung der gesetzlichen ­Mindestanforderungen außerhalb der Toleranz Reinheit Keimfähigkeit Besatz 0 0 0 0 0 0 4 10 0 0 0 0 Verlauf der Saison eine Nachfrage nach Saatgut dieser Sorten ab, kann ohne Zeitverlust das Saatgut aufbereitet, gebeizt, abgepackt und direkt ausgeliefert werden. Der Kunde kann dem amtlichen Etikett entnehmen, ob er Saatgut erhalten hat, dass nach den Vorschriften für die „nicht obligatorische Beschaffenheitsprüfung“ anerkannt wurde. In diesem Fall steht auf dem Etikett der Hinweis „geprüft nach § 12 (1b) SaatgutV“. Um den Kunden zu schützen und das System zu überwachen, müssen zwingend während der Aufbereitung für jede Einzelpartie mit maximal 30 t Partiegröße Kontrollproben gezogen werden. Um diese Proben möglichst repräsentativ zu erstellen, ist ein zugelassenes automatisches Probenahmegerät in der Saatgutaufbereitungsanlage vorgeschrieben. Von den so hergestellten Kontrollproben wird zeitnah nach der Aufbereitung zunächst eine Probe je Einheit im Auftrag der Landwirtschaftskammer untersucht. Erfüllt diese Probe die gesetzlich Mindestanforde- rungen an die Beschaffenheit, ist das Verfahren damit abgeschlossen. Werden die Anforderungen unterschritten, werden alle weiteren zu dieser Einheit gehörigen Proben ebenfalls untersucht. Kontrollprobenergebnisse werden veröffentlicht Zu bestimmten Terminen werden die Ergebnisse aus den Untersuchungen der Kontrollproben bundesweit veröffentlicht. Auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft der Anerkennungsstellen unter www.ag-akst.de sind weitere Informationen sowie die Kontrollprobenergebnisse unter dem Punkt „nicht obligatorische Beschaffenheitsprüfung“ zu finden. Ebenfalls enthalten ist dort ein Entschädigungskatalog, der bestimmte Preisnachlässe bei deutlicher Unterschreitung der gesetzlichen Mindestanforderungen vorsieht. Die mehrjährige Auswertung der Ergebnisse aus der Untersuchung der Kontrollproben in der Tabelle zeigt, dass sich NoB-anerkann- tes Saatgut hinsichtlich der Saatgutqualität nicht verstecken muss. Es gab in den vergangenen beiden Jahren keine Beanstandungen hinsichtlich der Saatgutqualität, sodass für den Kunden der Vorteil des Zeitgewinns im Vordergrund stehen sollte. FAZIT Auch in diesem Jahr, gleich, ob es eine frühe oder späte Ernte gibt, wird die zeitgerechte Anerkennung und Disposition des Saatgutes wieder eine große Herausforderung für alle Beteiligten sein. Durch standardisierte Untersuchungen kann der Kunde bei aktuell beprobter und untersuchter Ware auf die Angaben auf dem amtlichen Etikett vertrauen, ganz gleich, ob es sich um Ware aus dem vergangenen oder dem aktuellen Erntejahr handelt. Das Verfahren der „nicht obligatorischen Beschaffenheitsprüfung“ sichert eine schnellere Versorgung des Marktes mit Getreidesaatgut, ohne dass dabei die hohen Standards bei der Anerkennung von Saatgut auf der Strecke bleiben. Henning Brogmus Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 31-94 53-350 [email protected] Selektiv und gezielt gegen Blattläuse im Weizen • • • • Erfasst alle Läusearten Ausgeprägte Dauerwirkung Effektiv unter allen Witterungsbedingungen Spezifische Wirkstoffklasse • Wirkungsstark • Einzigartig • Nachhaltig • Pflanzenschutzmittel vorsichtig verwenden. Vor Verwendung stets Etikett und Produktinformationen lesen. Bitte beachten Sie die Warnhinweise und Warnsymbole in der Gebrauchsanleitung. Irrtümer und Fehler vorbehalten. 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