Definition eines Spiels 1. Einleitung 1.1 Einführung: Die mathematische Spieltheorie beschäftigt sich nicht nur mit der Beschreibung und Analyse von Spielen im üblichen Sinn, sondern allgemein mit Konfliktsituationen zwischen mehreren Beteiligten, die verschiedene Handlungsmöglichkeiten haben und damit den Ausgang des Konflikts zu ihrem jeweiligen Nutzen beeinflussen können. Es kann sich bei einer solchen Konfliktsituation um einen Markt mit konkurrierenden oder interagierenden Unternehmen, um politische Gruppen mit unterschiedlichen Zielen, aber auch um die Gegner einer Schachpartie handeln. Für die mathematische Behandlung muss man ein Modell bilden, dass die Situation, die Spieler, die Handlungsmöglichkeiten und Zielsetzungen möglichst real beschreibt. Bei einem Gesellschaftsspiel mit gegebenen Spielregeln ist die Modellbildung in der Regel einfacher als bei einer realen Situation. Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene formale Beschreibungen ergeben, die jeweils Vor- und Nachteile für bestimmte Spiele, für die Erläuterung verschiedener Beurteilungskonzepte und für die Analyse oder Lösung eines Spiels haben. Um verschiedene Ausgänge und Strategien beurteilen und vergleichen zu können, muss der Gewinn oder der Nutzen für die Spieler am Ende des Spiels quantifizierbar sein. Dies kann mittels absoluter oder erwarteter Auszahlungen in Form von Geld ,Prestige oder Zufriedenheit berücksichtigt werden. Erwartete Auszahlungen entstehen durch Zufallsentscheidungen oder zufällige Züge, wie z.B. Würfeln. Generell können zufällige Einflüsse durch einen zusätzlichen Spieler berücksichtigt werden. Ziel der Spieltheorie ist neben einer Beschreibung des Spiels, auch eine Analyse der Gewinnmöglichkeiten für einzelne Spieler und wenn möglich auch eine Empfehlung für die zu treffenden Entscheidungen des Spielers, also die Entwicklung einer Strategie. Falls alle Spieler nur die eigenen Ziele verfolgen, können allerdings am Spielende auch Situationen entstehen, die für alle Spieler ungünstig sind. 2. Spiele in extensiver Form Definition 2.1 (Spiel in extensiver Form) Ein Spiel in Extensivform bezeichnet in der Spieltheorie ein Spiel, bei dem die Spieler zu verschiedenen Zeitpunkten Entscheidungen treffen müssen und dabei zumindest teilweise die zuvor getätigten Züge ihrer Gegenspieler kennen. Damit unterscheidet sich die Extensivform von der Normalform, bei der sämtliche Spieler ihre Strategien gleichzeitig festlegen. Ein n-Personenspiel in extensiver Form mit Auszahlungsfunktion besteht aus: (i) einem (Spiel-)Baum Γ mit einem Startknoten A (ii) einer Auszahlungsfunktion ,die jedem Endknoten von Γ eine Auszahlung für jeden Spieler zuordnet (iii) einer Zerlegung der Zwischenknoten von Γ in (n+1) Mengen S0,S1, …,Sn, die Spielermengen genannt werden (iv) einer Wahrscheinlichkeitsverteilung zu jedem Knoten von S0, (v) einer Zerlegung für jedes Si (i =1, …,n) in disjunkte Teilmengen Sij(Informationsmengen)so dass, – kein Weg, der von A ausgeht, zwei oder mehr Elemente von Sji enthält – alle Knoten aus Sji gleich viele und entsprechend übereinstimmend indizierte Nachfolgeknoten haben – die Zahl der Zugpositionen von i vor allen Knoten von Sji identisch ist – die von i auf dem Weg zum Knoten Sji gewählten Aktionen für alle solche Knoten übereinstimmen In (i) ist ein Baum im Sinne der Graphentheorie gemeint , also ein Kreisfreier , zusammenhängender Graph mit einem Startpunkt. (ii) ergibt die Auszahlungsfunktion. (iii)Die Zerlegung der Knoten in die Mengen Si gibt an, welcher Spieler am Zug ist, und trennt die zufälligen Züge (S0) von den Spielerzügen ab(S1,…Si). (iv) Definiert eine Zufallsverteilung bei jedem zufälligen Zug.(v)Diese Mengen Sji werden als Informationsmengen eines Spielers bezeichnet. Ihren Knoten sind aufgrund der von ihm gemachten Züge und der Information über die Züge der anderen Spieler nicht unterscheidbar für den Spieler. Definition 2.2 (vollständige Information) Bei Spielen mit perfekter Information ist jedem Spieler zum Zeitpunkt einer Entscheidung stets das vorangegangene Spielgeschehen, d.h. die zuvor getroffenen Entscheidungen seiner Mitspieler sowie die zuvor getroffenen Zufallsentscheidungen, vollständig bekannt. Beispiele für Spiele mit perfekter Information sind Brettspiele wie Schach, Mühle und Backgammon. Gegenbeispiele sind Kartenspiele wie Skat und Poker sowie Spiele mit simultanen Zügen wie Schere-Stein-Papier. Sei Γ ein n-Personenspiel in extensiver Form. (i) Ein Spieler i hat vollständige (perfekte) Information, wenn |Sji| = 1 gilt. Das Spiel Γ ist ein Spiel mit vollständiger Information wenn alle vollständige (perfekte) Informationen besitzen Spieler in Γ Beispiel 2.3 (Verteilungsspiel). Zwei gleiche Objekte sollen auf zwei Spieler verteilt werden. Spieler 1 schlägt die Aufteilung vor, Spieler 2 akzeptiert den Vorschlag oder lehnt ihn ab. Wenn Spieler 2 akzeptiert, werden die Objekte so aufgeteilt, wie von Spieler 1 vorgeschlagen, ansonsten erhält keiner der Spieler etwas. Darstellung als Spielbaum: A Spieler 1 (2,0) (1,1) B1 Spieler 2 B2 j (2,0) (0,2) n (0,0) B3 j n j n (1,1) (0,0) (0,2) (0,0) - Anfangspunkt des Baumes: A - Spielermengen: S1= {A} - Informationsmengen: S11={A} S2= {B1,B2,B3} S2 ={B1}; S22={B2} ; S23={B3} 1 3. Spiele in Normalform Definition 3.1 (Normalform) In der Spieltheorie bezeichnen Spiele in Normalform diejenigen Spiele, bei denen alle Spieler ihre Strategien zeitgleich und ohne Kenntnis der Wahl der anderen Spieler festlegen. Sie unterscheiden sich von den Spielen in Extensivform, bei denen die Spieler ihre Entscheidungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten treffen müssen und dabei teilweise oder vollständige Kenntnis der bereits getätigten Züge der Mitspieler haben können. Ein n-Personen-Spiel in Normalform ist gegeben durch: (i) eine Spielermenge I = {1, . . . , n} bzw. I = {0, 1, . . . , n}, falls es Zufallseinflüsse gibt (Spieler 0). (ii) die Strategiemengen ∑1, . . . , ∑i der einzelnen Spieler und ∑0, die Strategiemenge für Spieler 0 mit ihren Verwirklichungswahrscheinlichkeiten. (iii) eine Auszahlungsfunktion mit π((σ0), σ1, . . . , σn) = (π1((σ0), σ1, . . . , σn), . . . , πn((σ0), σ1, . . . , σn)), die jeder Strategienkombination ((σ0), σ1, . . . , σn) einen Erwartungswert der Auszahlungsfunftion πi((σ ), σ , . . . , σn)) für jeden Spieler i = 1,…,n zuordnet 0 1 Die Durchführung eines Spiels besteht darin, dass jeder Spieler eine Strategie aus seiner Strategiemenge ∑i wählt – ohne die Entscheidung der Mitspieler zu kennen. Die sich ergebende Strategienkombination beurteilt dann jeder Spieler entsprechend seiner Auszahlungsfunktion. Folgerung 3.2 Ein Spiel Γ lässt sich als n-dimensionale Anordnung mit n-dimensionalen Auszahlungsvektoren darstellen. Diese Darstellung heißt Normalform des Spiels Γ. Beispiel 3.3 (ohne) Wahrscheinlichkeiten S Spieler 1 Schere S 1 Papier Stein 1 2 S 2 2 S Spieler 2 Papier Schere Sch. (0,0) - (-1,1) . St. Stein (1,-1) (1,-1) 3 2 Pap (0,0) Pap. Sch. (-1,1) (-1,1) St. (1,-1) (0,0) Anzahl der Spieler : I = {1,2} Strategiemengen: ∑1= {Schere,Stein,Papier} ∑2 ={Schere‘,Stein‘,Papier‘} Strategie: σi ist die gespielte Strategie des Spielers i σi ∈∑i Auszahlungsfunktion: z.B. π(Schere,Schere‘) = ( π1(Schere,Schere‘) , π2(Schere,Schere‘) (0,0) = ( 0 , 0 ) Dazugehörige Normalform: Spieler 2 Spieler 1 Schere Stein Papier Schere (0,0) (-1,1) (1,-1) Stein (1.-1) (0,0) (-1,1) Papier (-1,1) (1,-1) (0,0) Beispiel 3.4 (mit Wahrscheinlichkeiten) S Spieler 1 1/4 Schere S 1 1/4 1/2 Stein 1 2 Papier S 2 2 S Spieler 2 2/3 Papier 0 Schere 1/3 Stein (0,0) 1/12(-1,1) 1/6(1,-1) 0 Sch. 1/3 St. 2/3 0 . Pap 3 2 Sch. 2/3 Pap. 1/3 St. (0,0) 1/3(-1,1) (0,0) 1/12(1,-1) (0,0) (0,0) Dazugehörige Normalform Spieler 2 Spieler 1 Schere Stein Papier Schere (0,0) (-1/12,1/12) (1/6,-1/6) Stein (0,0) (0,0) (-1/3,1/3) Papier (0,0) (1/12,-1/12) (0,0) Definition 3.5 (endliche Spiele) Ein n-Personen-Spiel heißt endlich, wenn alle Si kompakte Teilmengen sind d.h. wenn Γ nur endlich viele Knoten enthält 4. Equilibrium Zur Beurteilung eines Spiels kann man die Menge aller Strategienkombinationen analysieren, da der Ausgang des Spiels durch die gewählte Strategienkombination festgelegt ist. Aus Sicht eines einzelnen Spielers ist es interessant die Wahl der eigenen Strategie im Vergleich zu einer Festlegung der Strategien der Mitspieler zu beurteilen. Das Equilibrium ist ein zentraler Begriff der mathematischen Spieltheorie. Es beschreibt in Spielen einen Zustand eines strategischen Gleichgewichts, von dem ausgehend kein einzelner Spieler für sich einen Vorteil erzielen kann, indem er allein seine Strategie verändert. Definition 4.1 Eine Strategienkombination σ* = (σ *, σ *, …,σn* ) heißt im Gleichgewicht oder Equilibrium n - Tupel , 1 2 wenn für jedes i = 1,…,n und für jedes σi* ∈∑i gilt: πi (σ1* ,…, σn*) ≥ πi ( σ1* ,…, σi-1* , σi , σi+1* ,…,σn*) Ein n-Tupel von Strategien ist im Gleichgewicht, wenn das Abweichen von der Strategie zu keiner Verbesserung führt, wobei die anderen Spieler stets ihre Strategien beibehalten. Nicht jedes Spiel besitzt ein Gleichgewichts n-Tupel in solchen Spielen wollen die Spieler ihre Strategie sehr geheim halten.Dies lässt vermuten ,dass in Spielen mit vollständiger Information Gleichgewichts n-Tupel existieren. Definition 4.2 (Zerlegung eines Spiels) Ein Spiel Γ heißt am Knoten X zerlegt, wenn es keine Informationsmenge gibt, die sowohl X oder Nachfolgerknoten als auch andere Knoten enthält. Dann lässt sich Γalso zerlegen in: - Teilspiel Γx mit Startknoten X und dessen Nachfolgern Quotientenspiel Γ/X mit Endknoten X und dem Restbaum. Die Auszahlung an X ist die Auszahlung beim Ausspielen von Γx Satz 4.3 Sei Γ zerlegt an X. Für σi ∈∑i sei πx (σ1Γx , … , σnΓx ) die Auszahlung am Endknoten X des Quotientenspiels Γ/X Dann gilt: π(σ1, . . . , σn) = π Γ/X ( σ1Γ/X , … , σnΓ/X) Beweis: Sei px = px(σ1, . . . , σn) die Wahrscheinlichkeit, dass Knoten X mit Strategien σi erreicht wird. Dann gilt: π(σ1, . . . , σn) = px *π(σ1, . . . , σn) + (1-px ) π(σ1, . . . , σn) = px * πx (σ1Γx , … , σnΓx ) + (1-px ) π ( σ1Γ/X , … , σnΓ/X) = π Γ/X ( σ1Γ/X , … , σnΓ/X) Satz 4.4 Sei Γ zerlegt an X und seien σi ∈∑i i so gewählt, dass i) (σ1Γx , … , σnΓx ) ein Equilibrium von Γx und ii) ( σ1Γ/X , … , σnΓ/X) ein Equilibrium von Γ/X ist. Dann gilt: (σ1, . . . , σn) ist ein Equilibrium von Γ Beweis: Sei σi* ∈∑i dann gilt: πi ( σ1,…, σi-1, σi *, σi+1 ,…,σn) = π ( σ1Γ/X , … , σi*Γ/X ,…, σnΓ/X) mit Auszahlung πi ((σ1Γx , … , σi*Γx , … σnΓx ) an X (Satz 4.3) <=π ( σ1Γ/X , … , σi*Γ/X ,…,σnΓ/X) mit Auszahlung πi ((σ1Γx , … , σi|Γx , … σnΓx ) an X (nach i) <=π ( σ1Γ/X , … , σnΓ/X) mit Auszahlung πi ((σ1Γx , … , σi|Γx , … σnΓx ) an X (nach ii) = πi (σ1, . . . , σn) (nach Satz 4.3) Satz 4.5 Jedes endliche Spiel mit vollständiger Information besitzt ein Equilibrium. Beweis: Durch Induktion über die Höhe h des Spielbaums Γ - h = 1: Höchstens ein Spieler macht einen Zug und wählt die für ihn beste Alternative. - Ist h > 1: lässt sich Γ wegen vollständiger Information in kleinere Spielbäume zerlegen. Diese besitzen nach Induktionsvoraussetzung Equilibiria. Damit besitzt nach Satz 4.4 auch Γ ein Equilibrium. Ein einfacher Algorithmus zur Identifizierung von Gleichgewichten: Liegt ein Spiel in strategischer Form vor, so lassen sich alle Equilibria in reinen Strategien durch folgenden Algorithmus bestimmen: - Optimiere die Entscheidung von Spieler i=1,...,n bei (beliebig) fixierten Strategien aller anderen Spieler: Markiere die unter diesen Umständen erreichbaren höchsten Auszahlungen für Spieler i. Wiederhole dies für alle möglichen Strategiekombinationen der anderen Spieler. - Führe 1. für alle Spieler durch. Dann sind genau die Strategienkombinationen Equilibria, bei denen alle Auszahlungen markiert sind. Spieler2 Spieler2 Spieler2 links mitte rechts Spieler1 oben 4,2 1,1 2,0 Spieler1 mitte 2,3 1,1 1,4 Spieler1 unten 3,0 0,2 1,3 Dann funktioniert der Algorithmus wie folgt: • i = 1: • gegeben Spieler 2 spielt Rechts: Für Spieler 1 ist oben optimal – markiere die 2 • gegeben Spieler 2 spielt Mitte: oben und mitte ist optimal – markiere die beiden 1en • gegeben Spieler 2 spielt Links: oben ist optimal – markiere die 4 • • i = 2: • gegeben Spieler 1 spielt oben: Für Spieler 2 ist Links optimal – markiere die 2 • gegeben Spieler 1 spielt mitte: Rechts ist optimal – markiere die 4 • gegeben Spieler 1 spielt unten: Rechts ist optimal – markiere die 3 Das eindeutige Equilibrium n-Tupel ist also die Strategie die zur Auszahlung 4, 2 führt