Welchen Rheumafaktor braucht man wirklich?

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Diplomarbeit
Welchen Rheumafaktor braucht man wirklich?
Vergleich der Wertigkeit von anti-CCP2- und anti-MCV-AK
sowie des Rheumafaktors (IgM) für die Diagnostik der
frühen rheumatoiden Arthritis
eingereicht von
Markus Schlattl
Matr. Nr.: 0312900
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt an der
Klin. Abteilung für Rheumatologie und Immunologie
Universitätsklinik für Innere Medizin
unter der Anleitung von
Univ. Prof. Dr. Winfried Graninger
Ass. Dr. Kerstin Brickmann
Graz, im Dezember 2010
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und
die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche
kenntlich gemacht habe.
Graz, im Dezember 2010
Unterschrift
Gleichheitsgrundsatz
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde in dieser Arbeit darauf verzichtet, geschlechtsspezifische Formulierungen zu verwenden. Jedoch wird ausdrücklich festgehalten, dass das bei Personen verwendete generische Maskulinum sich auf beide Geschlechter bezieht.
-2-
Danksagungen
An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen Personen bedanken, die mich bei der
Diplomarbeit sowie bei der Bewältigung meines gesamten Studiums unterstützt haben.
Ein besonderer Dank geht an Herrn Univ. Prof. Dr. Winfried Graninger für die Betreuung meiner Diplomarbeit. Mit äußerst hilf - und lehrreichen Tipps sorgte er in den Betreuungsgesprächen immer wieder dafür, dass sich die Arbeit in die richtige Richtung
entwickelte.
Weiters bedanke ich mich bei Frau Ass. Dr. Kerstin Brickmann, die für meine Anliegen
immer ein offenes Ohr hatte.
Ich danke ganz besonders meiner Freundin Silvia und meinem Sohn Alexander für die
Liebe, die positive Energie und Motivation.
Besonders bedanken möchte ich mich bei meiner Mutter, die mich während des Medizinstudiums nicht nur finanziell, sondern auch motivierend unterstützt hat.
Ich möchte hiermit auch meinem Bruder Andreas danken, der mir mit Rat und Tat zur
Seite gestanden ist.
-3-
„Der ganze Körper wird von Schmerzen gepeinigt.
Besonders in den Gelenken wüten sie,
so dass Fuß oder Hand oder Finger nicht im geringsten ohne Weherufe
bewegt werden können.“
Guillaume de Baillou, Liber de rheumatismo et pleuritede (1642)
-4-
Zusammenfassung
Einleitung
Die rheumatoide Arthritis ist die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung. Eine
effektive Therapie möglichst früh nach Diagnosesicherung entscheidet über den weiteren Krankheitsverlauf. Spezifische Autoantikörper gegen citrullinierte Peptide (ACPA)
können dabei einen entscheidenden Beitrag zur Frühdiagnose der RA leisten. Wir beurteilten mit dieser Arbeit die diagnostische Wertigkeit von Antikörpern gegen mutiertes
citrulliniertes
Vimentin
(anti-MCV-AK)
sowie
Antikörpern
gegen
cyklisch
citrulliniertes Peptid der 2. Generation (anti-CCP2-AK) und verglichen sie mit dem
Rheumafaktor (IgM) für die frühe rheumatoide Arthritis.
Methoden
In der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine retrospektive Auswertung von routinemäßig erhobenen Daten. Es wurden Serumproben von 171 RA-Patienten, davon 59
mit früher und 112 mit etablierter RA, und 817 Kontrollpatienten untersucht. Für die
Untersuchung wurden kommerzielle ELISA-Kits verwendet.
Ergebnisse
Die Auswertung der Daten für die Diagnose der frühen RA ergab für anti-CCP2-AK eine Sensitivität von 46 % und eine Spezifität von 98 Prozent. Für anti-MCV-AK ergab
die Auswertung eine Sensitivität von 59 % und eine Spezifität von 94 Prozent. Eine
Kombination von anti-CCP2-AK und anti-MCV-AK erhöhte die Spezifität für die frühe
RA auf 99 Prozent, bei einer etwas geringeren Sensitivität von 42 Prozent. Der RF
(IgM) erreichte für die frühe RA eine Spezifität von 91 % bei einer Sensitivität von 42
Prozent.
Schlussfolgerung
Anti-CCP2-AK und anti-MCV-AK sind für die Diagnostik der frühen RA hinsichtlich
Spezifität annähernd gleichwertig, (98 % vs. 94 %). Eine Kombination der beiden Antikörper erhöhte die Spezifität auf 99 Prozent. Damit sind die beiden ACPA dem Rheumafaktor (IgM) hinsichtlich Spezifität (91 %) für die Diagnostik der frühen RA überlegen.
-5-
Abstract
Introduction
Rheumatoid arthritis is the most common inflammatory rheumatic disease. An early diagnosis and an effective therapy can limit the progressive course of the disease. Antibodies against citrullinated peptides (ACPA) can play an important role in the early diagnostic of RA. We assessed the diagnostic value of anti-mutated citrullinated vimentin
antibodies (anti-MCV) and compared it with those of anti-cyclic citrullinated peptide
antibodies (anti-CCP2) for early rheumatoid arthritis (RA).
Methods
The present paper is a retrospective analysis of routinely collected data. Serum samples
of 171 RA patients, 59 with early and 112 with established RA, and 817 controls were
tested for anti-MCV and anti-CCP2 antibodies, using commercially available ELISA
kits.
Results
Sensitivity and specificity for the diagnosis of early RA with anti-CCP2 was 46 % and
98 percent. The sensitivity and the specificity for the diagnosis of early RA with antiMCV was 59 % and 94 percent. A combination of anti-CCP2 and anti-MCV antibodies
achieves a specificity of 99 % for the early RA and a sensitivity of 42 for early RA.
Sensitivity and specificity for the diagnosis of early RA with rheumatoid factor (IgM)
was 42 % and 91 percent.
Conclusions
The performance of anti-MCV ELISA test for the diagnosis of early RA is similar to
that of the anti-CCP2 ELISA test (specificity 94 % vs. 98 %). However the combination
of anti-CCP2 and anti-MCV antibodies achieves a specificity of 99 percent. The ACPA
ELISA tests are superior to RF (IgM) for the diagnosis of early RA because of their
higher specificity (RF IgM 91 %)
-6-
Glossar und Abkürzungen
a-CCP
Antikörper gegen citrullinierte Peptide
ACPA
Antikörper gegen citrullinierte Peptide
ACR
American College of Rheumatologie
AKA
Anti-Keratin Antikörper
ALT
Alanin-Aminotransferase
BSG
Blutsenkungsgeschwindigkeit
Bzw.
Beziehungsweise
C3, C4
Komplementfaktor 3, 4
CD
Cluster of Differentiation
CK
Creatininkinase
COX
Cyclooxygenase
CP
Chronische Polyarthritis
CRP
C-reaktives Protein
DAS
Disease Activity Score
dG
Druckschmerzhafte Gelenke
DIP
Distales Interphalangealgelenk
DMARD
Disease-modifying antirheumatic drug
ELISA
Enzyme-linked Immunosorbent Assay
Fc
Fragment crystallizable region
HLA
Human Leukozyte Antigen
IgA
Immunglobulin Typ A
IgM
Immunglobulin Typ M
IgG
Immunglobulin Typ G
IL
Interleukin
LR
Likelihood Ratio
LWAR
Langwirksame Antirheumatika
MCP
Metakarpophalangealgelenk
MCV
Mutiertes Citrulliniertes Vimentin
MTX
Methotrexat
NPV
Negativer Prädiktiver Wert
-7-
NSAID
Non steroidal anti inflammatory drug
NSAR
Nichtsteroidales Antirheumatikum
PAD
Peptidylarginindesaminase
PIP
Proximales Interphalangelagelenk
PPV
Positiver Prädiktiver Wert
PTT
Partielle Thromboplastinzeit
PTZ
Plasma Thrombinzeit
RA
Rheumatoide Arthritis
RF
Rheumafaktor
ROC
Receiver Operating Characteristics
Rheum.
Rheumatoiden/Rheumatischen
SLE
Systemischer Lupus Erythematodes
TNF
Tumor-Nekrose Faktor
TSH
Thyreoidea-stimulierendes Hormon
VAS
Visuelle Analogskala
yg
Mikrogramm
z.B.
Zum Beispiel
-8-
Inhaltsverzeichnis
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Einleitung
14
1.1
2010 ACR/EULAR Klassifikationskriterien für die RA
16
1.2
1987 ACR Klassifikationskriterien für die RA
17
Das Krankheitsbild „rheumatoiden Arthritis“
18
2.1
Epidemiologie
18
2.2
Ätiologie
18
2.3
Genetik und Umweltfaktoren
19
2.4
Pathophysiologie
20
Klinisches Bild
22
3.1
24
Extraartikuläre Manifestationen
Therapie
4.1
Einleitung
25
4.2
Medikamentöse Therapie
26
4.2.1 Nicht steroidale Antiphlogistika (NSAR)
27
4.2.2 Glukokortikoide
27
4.2.3 Basistherapeutika (DMARD)
27
4.2.4 Biologika
28
Diagnostik
29
5.1
Anamnese und klinische Untersuchung
29
5.2
Röntgendiagnostik
30
Labordiagnostik
31
6.1
Blutsenkungsgeschwindigkeit
31
6.2
C-reaktives Protein
32
-9-
7.
8.
9.
Rheumafaktoren (IgM, IgA)
33
7.1
Bestimmung
34
7.2
Erhöhung des Rheumafaktors
34
7.3
Diagnostische Wertigkeit
34
Antikörper gegen citrullinierte Peptide
36
8.1
Einleitung
36
8.2
Historischer Hintergrund über citrullinierte Peptid AK und Assays
37
8.3
Sensitivität und Spezifität von ACPA für die frühe und etablierte RA 37
8.4
ACPA als Teil der neuen 2010 ACR/EULAR Klassifikationskriterien 38
Antikörper gegen mutiertes citrulliniertes Vimentin (anti-MCV-AK)
39
9.1
Einleitung
39
9.2
Historischer Hintergrund über anti-MCV-AK
39
9.3
Wertigkeit von anti-MCV-AK für die RA
40
10. Weitere Antikörper bei der RA
10.1 RA33
11. Methodik
40
40
41
11.1 Patientenkollektiv
41
11.2 Definition frühe RA
42
11.3 Testverfahren
43
11.4 Statistische Auswertung
45
11.5 Fragestellung
47
12. Ergebnisse und Resultate
48
13. Diskussion
56
13.1 Schlussfolgerung
57
14. Literaturverzeichnis
58
15. Curriculum vitae
65
- 10 -
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Seite 14
Holzschnitt von Albrecht Dürer (1471–1528)
Abbildung 2:
Seite 33
Prinzip der Rheumafaktorenbestimmung
Abbildung 3:
Seite 36
Desaminierung des Arginins durch das Enzym PAD
Abbildung 4:
Seite 48
Aufteilung des gesamten Patientenkollektivs geordnet
nach Diagnosen
Abbildung 5:
Seite 52
Sensitivität von aCCP2-AK, anti-MCV-AK und RF (IgM)
für die frühe RA
Abbildung 6:
Seite 52
Spezifität von anti-CCP2-AK, anti-MCV-AK und RF
(IgM) für die frühe RA
Abbildung 7:
Seite 53
Boxplot über anti-CCP2-AK für die frühe und die etablierte RA verglichen mit der Kontrollgruppe
Abbildung 8:
Seite 54
Boxplot über anti-MCV-AK für die frühe und die etablierte RA verglichen mit der Kontrollgruppe
- 11 -
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Seite 16
2010 ACR/EULAR Klassifikationskriterien für die RA
Tabelle 2:
Seite 17
1987 überarbeitete ACR Klassifikationskriterien für die
RA
Tabelle 3:
Seite 29
Differentialdiagnose zwischen Arthritis und Arthrose
Tabelle 4:
Seite 35
Vorkommen von RF (IgM) bei rheumatischen und anderen Erkrankungen
Tabelle 5:
Seite 38
Prävalenz von anti-CCP2-AK bei verschiedenen Krankheiten
Tabelle 6:
Seite 40
Sensitivität und Spezifität von anti-CCP2- und anti-MCVAK in der Auswertung von Luime J J et al
Tabelle 7:
Seite 49
Aufteilung des gesamten untersuchten Patientenkollektivs
aufgeteilt nach Diagnose und nach ACPA-Status
Tabelle 8:
Seite 49
Aufteilung des gesamten untersuchten Patientenkollektivs
aufgeteilt nach Diagnose und RF (IgM)-Status
Tabelle 9:
Seite 51
Sensitivität, Spezifität, PPW und NPW für anti-CCP2-AK
und anti-MCV-AK für die frühe- und für die etablierte RA
Tabelle 10:
Seite 53
Median und Standardabweichung in U/ml von anti-CCP2AK bei der Kontrollgruppe, der frühen RA und der etablierten RA
- 12 -
Tabelle 11:
Seite 53
Diagnosen (+Wert in U/ml) die die anti-CCP2-AK positiven Ausreißer der Kontrollgruppe haben
Tabelle 12:
Seite 54
Median und Standardabweichung in U/ml von anti-MCVAK bei der Kontrollgruppe, der frühen RA und der etablierten RA
Tabelle 13:
Seite 54
Diagnosen (+Wert in U/ml) die die anti-MCV-AK positiven Ausreißer der Kontrollgruppe haben
Tabelle 14:
Seite 55
Likelihood Ratio von anti-CCP2-AK, anti-MCV-AK und
RF (IgM) für die frühe RA
Tabelle 15:
Seite 55
Likelihood Ratio von anti-CCP2-AK, anti-MCV-AK und
RF (IgM) für die etablierte RA
Tabelle 16:
Seite 56
Sensitivität und Spezifität für anti-CCP2-AK, anti-MCVAK und RF (IgM) für die frühe RA
- 13 -
1. Einleitung
Die rheumatoide Arthritis (RA) ist die weltweit am häufigsten vorkommende entzündlich-rheumatische Erkrankung. Charakteristisch für die Erkrankung sind Gelenksschwellung, Gelenksschmerzen und Gelenkszerstörung durch eine persistierende
Synovitis, die zu einer ernsthaften Behinderung führen kann. Die RA ist mit einer höheren Mortalität verbunden (1,2).
Die erste anerkannte Beschreibung der Erkrankung fand im Jahre 1800 durch den
französischen Arzt Dr. Augustin J. Landrè-Beavais (1772-1840) in Paris statt (3). Der
heutige Name „rheumatoide Arthritis“ wurde 1859 vom britischen Rheumatologen Dr.
Alfred Baring Garrod geprägt (1819-1907) (4).
Abbildung 1
Abbildung 1 zeigt einen Holzschnitt von Albrecht Dürer (1471–1528). Titel: „Der Heilige Peter und der Heilige Johannes heilen ein Krüppel“ (5)
- 14 -
Angesichts der Präsenz von Autoantikörpern, wie der Rheumafaktoren (IgM, IgA)
oder der anti-citrullinierten Protein Antikörper (ACPA), welche der klinischen Manifestation der Erkrankung um Jahre voraus gehen können (6), wird die rheumatoide Arthritis als Autoimmunerkrankung angesehen (7,8).
Früher Einsatz medikamentöser Therapien, wie disease-modifying antirheumatic
drugs (DMARD) oder Biologika, beeinflussen das Fortschreiten der Erkrankung positiv,
und bremsen die Gelenkszerstörung und die damit verbundene drohende Invalidität
(9,10).
Die Klassifikation der rheumatoiden Arthritis richtete sich bis dato primär nach den
Grundlagen der 1987 überarbeiteten Kriterien des American College of Rheumatology
(ACR-Kriterien) (11). Diese Kriterien bezogen sich überwiegend auf klinische Symptome, welche im frühen Stadium der Erkrankung stark variieren können, was eine frühzeitige Diagnose erschwert (12). Um diese Lücke in der Diagnostik zu schließen, war es
notwendig, Klassifikationskriterien zu schaffen, welche eine höhere Aussagekraft für
die frühe RA haben. Aus diesem Grund wurden die neue Klassifikationskriterien (2010
ACR/EULAR Klassifikationskriterien) entwickelt (13).
Neben dem Rheumafaktor (IgM), der schon in den ACR-Kriterien von 1987 berücksichtigt wurde, ist in den neuen Klassifikationskriterien mit dem anti-CCP2-AK ein
weiterer serologischer Parameter für die Diagnostik der RA hinzugekommen (13).
In den letzten Jahren wurden weitere Autoantikörper im Serum von RA-Patienten
gefunden und charakterisiert. Neue Studienergebnisse ergaben für anti-MCV-AK (mutiertes citrulliniertes Vimentin) eine dem anti-CCP2-AK gleichwertige Spezifität für die
frühe RA von über 95 Prozent, sowie den klassischen Rheumafaktoren (IgM, IgA)
gleichwertige Sensitivität (14).
- 15 -
1.1
Tabelle 1
2010 ACR/EULAR Klassifikationskriterien für die RA
nach Aletaha et al. (13)
a) Gelenksbeteiligung
1 großes Gelenk
0
2-10 große Gelenke
1
1-3 kleine Gelenke (mit oder ohne Beteiligung großer Gelenke)
2
4-10 kleine Gelenke (mit oder ohne Beteiligung großer Gelenke)
3
> als 10 Gelenke (zumindest ein kleines Gelenk)
5
b) Serologie (zumindest ein positives Testresultat)
Negativer RF und negativer ACPA
0
Leicht erhöhter RF oder leicht erhöhter ACPA
2
Hoch positiver RF oder hoch positiver ACPA
3
c) Akut-Phase-Reaktion (zumindest ein positives Testresultat)
Normales CRP und normale BSG
0
Abnormales CRP oder normale BSG
1
d) Dauer der klinischen Symptome
< 6 Wochen
0
≥ 6 Wochen
1
Ein Score von ≥6 von möglichen 10 Punkten entspricht der Diagnose „definitive RA“
- 16 -
1.2.
1987 überarbeitete Kriterien zur Klassifikation der RA
Nach Arnett FC et al. (11)
Tabelle 2
a)
Morgensteifigkeit: Die Steifigkeit im Bereich der Gelenke dauert mindestens eine
Stunde bis zur maximalen Besserung.
b) Arthritis an drei oder mehr Gelenkregionen: Mindestens drei Gelenkregionen zeigen gleichzeitig von einem Arzt festgestellte Weichteilschwellungen oder Gelenkergüsse, nicht nur knöcherne Auswüchse. Die 14 möglichen beteiligten Gelenkregionen
sind
die
rechten
Metakarpophalangeal-,
oder
Hand-,
linken
proximalen
Ellbogen-,
Interphalangeal-,
Knie-,
Fuß-
und
Metatarsophalangealgelenke.
c)
Arthritis
der
Gelenke
der
Hand:
Arthritis
des
Handgelenks,
der
Metakarpophalangealgelenke oder der proximalen Interphalangealgelenke.
d) Symmetrische Arthritis: Gleichzeitige Beteiligung der gleichen Gelenkregionen an
beiden Seiten des Körpers.
e)
Rheumaknoten: Von einem Arzt nachgewiesene subkutane Knoten über knöchernen prominenten Stellen, Extensorflächen oder im gelenknahen Bereich.
f)
Rheumafaktor im Serum: Nachweis pathologischer Konzentrationen des Rheumafaktors im Serum durch jede Methode, bei der das Ergebnis bei <5 Prozent der
gesunden Kontrollpersonen positiv ausfällt.
g) Radiologische Veränderungen: Für eine RA typische Veränderungen in posterioranterioren Aufnahmen der Hände und Handgelenke, die Erosionen oder gelenknah
eine eindeutig verminderte Knochendichte beinhalten
Richtlinien zur Klassifikation:
a)
4 von 7 Kriterien müssen für die Diagnose einer rheumatoiden Arthritis bei einem
Patienten erfüllt sein.
b) Patienten mit zwei oder mehr klinischen Diagnosen werden nicht ausgeschlossen.
c)
Die Kriterien a – d müssen seit mindestens 6 Wochen vorhanden sein. Die Kriterien b – e müssen von einem Arzt festgestellt werden.
- 17 -
2. Das Krankheitsbild „rheumatoide Arthritis“ (RA)
Synonym: Chronische Polyarthritis (CP)
2.1 Epidemiologie
Die Prävalenz der rheumatoiden Arthritis beträgt etwa 1 % der erwachsenen Bevölkerung, sie ist somit die am häufigsten vorkommende entzündlich-rheumatische Erkrankung. Frauen sind bis zu dreimal häufiger betroffen als Männer. Die Prävalenz
steigt mit zunehmendem Alter, dagegen vermindert sich die Geschlechtsdifferenz. Die
rheumatoide Arthritis beginnt normalerweise im vierten und fünften Lebensjahrzehnt,
kommt aber in jedem Lebensalter vor. Sie ist eine globale Erkrankung und betrifft alle
Rassen (15,16).
2.2 Ätiologie
Die Ursache der rheumatoiden Arthritis ist bis heute unbekannt. Möglicherweise
handelt es sich um eine Reaktion auf ein infektiöses Agens in einem genetisch prädisponierten Wirt.
Der Ablauf, durch den ein infektiöses Agens eine chronische entzündliche Arthritis
auslösen könnte, ist bis gegenwärtig ebenfalls unklar. Unter Umständen triggert eine Infektion der Gelenksstrukturen oder eine Retention mikrobieller Produkte im Synovium
die chronische entzündliche Reaktion.
Eine weitere Ursache könnte sein, dass der infizierte Mikroorganismus dem Wirt
gegenüber kreuzreagierende Determinanten, die an den Gelenksstrukturen präsentiert
werden, durch „molekulares Mimikry“ sensibilisiert. Schlussendlich könnten Stoffwechselprodukte infektiöser Mikroorganismen, wie Superantigene, die Krankheit auslösen (15,17).
- 18 -
2.3 Genetik und Umweltfaktoren
Eine genetische Komponente bei der Entstehung der RA gilt mittlerweile als sehr
wahrscheinlich. Bei Verwandten ersten Grades von Patienten mit seropositiver rheumatoider Arthritis findet sich die Erkrankung drei- bis viermal häufiger als in der Normalbevölkerung. Mittlerweile wurde HLA-DRB1 als Hauptkomponente in der genetischen
Disposition bei der RA identifiziert. (18) Trotzdem trägt ein HLA-DRB1 positiver Befund nur zu etwa 30 % zum familiären Risiko bei, was die Rolle von anderen genetischen Faktoren aufzeigt (19,20). Das größte Risiko eine RA zu bekommen, wurde bei
eineiigen Zwillingen beobachtet, die homozygot für HLA-DRB1 sind. (18,21) Die
Wahrscheinlichkeit eine RA zu bekommen ist damit drei- bis viermal höher als bei
dizygoten Zwillingen. Jedoch entwickeln nur 15–20 Prozent der betroffenen monozygoten Zwillingsgeschwister eine rheumatoide Arthritis.
Nach Molkentin J und Gregersen PK, et al. (22) ist für die genetische Prädisposition eine definierte Aminosäuresequenz („shared epitope“) verantwortlich. HLA-DRB1
Moleküle,
welche
die
Aminosäuresequenz
QKRAA/QRRAA/RRRAA
(HLA-
DRB1*0101, *0102, *0401, *0404, *0405, *0408, *0410, *1001 and *1402) an der Position 70-74 in der dritten hypervariablen Region beinhalten, sind anfällig für eine RA.
Hingegen
sind
HLA-DRB1
Moleküle,
die
an
der
gleichen
Position
die
Aminosäuresequenz DERAA (HLA-DRB1*0103, *0402, *1102, *1103, *1301, *1302
and *1304) haben, negativ assoziiert mit RA. Der dafür zugrunde liegende Mechanismus wird bis heute noch nicht verstanden.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass genetische Risikofaktoren die Inzidenz der rheumatoiden Arthritis nicht zur Gänze erklären, sodass möglicherweise auch
Umweltfaktoren bei der Ätiologie der Erkrankung eine wichtige Rolle spielen. (18)
Die meisten Studien bezüglich Umweltfaktoren zielten auf infektiöse Ereignisse,
Ernährung, Nikotinkonsum und hormonelle Einflüsse. Allein das Zigarettenrauchen
(Nikotinkonsum) kristallisierte sich als ein wichtiger Faktor heraus, eine rheumatoide
Arthritis zu bekommen. (23,24) Eine prospektive Studie (Nurse’s Health Study) zeigte,
dass sowohl die Nikotinmenge als auch die Häufigkeit des Nikotinkonsums eine lineare
Korrelation mit dem Risiko einer rheumatoiden Arthritis hat. Ein Zigarettenkonsum von
mehr als 40-pack-years ist verbunden mit einem zweifach höheren Risiko an einer
RAzu erkranken, verglichen mit Nichtrauchern. (25)
- 19 -
2.4 Pathophysiologie der rheumatoiden Arthritis
Die erste Läsion der RA-Synovitis ist eine mikrovaskuläre Schädigung und eine
Hyperplasie und Hypertrophie der Synovialdeckzellen. Neben der Zunahme der
Synovialdeckzellen bildet sich ein perivaskuläres Infiltrat aus mononukleären Zellen.
Vor dem Ausbruch klinischer Symptome besteht dieses perivaskuläre Infiltrat hauptsächlich aus myeloischen Zellen. Bei klinisch manifester RA sind dann auch T-Zellen
zu finden.
Die vorwiegend infiltrierende Zelle ist der T-Lymphozyt. CD4-positive T-Zellen
überwiegen gegenüber CD8-positiven Zellen und werden häufig in unmittelbarer Nähe
von HLA-DR+-Makrophagen und dendritischen Zellen gefunden. Sowohl CD4- als
auch CD8- positive Zellpopulationen exprimieren das Early Activation Antigen CD69.
Polyklonale Immunglobuline, wie auch der Rheumafaktor, der die lokale Bildung von
Immunkomplexen zur Folge hat, werden im Synovium gebildet. Das RA-Synovium ist
durch zahlreiche Sekretionsprodukte aktivierter Lymphozyten, Makrophagen und
Fibroblasten charakterisiert.
Diese Befunde weisen darauf hin, dass die Unterhaltung des Krankheitsprozesses
der RA immunologisch vermittelt ist, obwohl der ursprünglich auslösende Stimulus bisher nicht charakterisiert worden ist.
Innerhalb des RA-Synoviums differenzieren sich die CD4-positiven T-Zellen
hauptsächlich in TH1-Effektorzellen, die das proinflammatorische Zytokin IFN-y produzieren. Sie scheinen nicht in der Lage zu sein, sich in TH2-Effektorzellen, die das
antiinflammatorische Zytokin IL-4 produzieren, zu differenzieren.
Als Ergebnis der Sekretion von IFN-y (ohne den regulatorischen Einfluss von IL4), werden die Makrophagen aktiviert, die proinflammatorischen Zytokine IL-1 und
TNF-a zu produzieren. Darüber hinaus exprimieren die T-Lymphozyten Oberflächenmoleküle, wie CD154 und produzieren zahlreiche Zytokine, welche die Proliferation
von B-Zellen und deren Differenzierung zu Antikörper-bildenden Zellen fördern. Der
entscheidende Beitrag der B-Lymphozyten am chronischen Entzündungsprozess wurde
durch die Beobachtung unterstützt, dass die Behandlung mit monoklonalen AK gegen
den B-Zell-Marker CD20 zur prompten Depletion der B-Lymphozyten und Verbesserung der Entzündungssymptome führt.
- 20 -
Der genaue Mechanismus der Knorpel- und Knochendestruktion ist bisher nicht
vollständig geklärt. Obwohl die Synovialflüssigkeit mehrere knorpelabbauende Enzyme
enthält, findet die hauptsachliche Zerstörung dort statt, wo sich das wuchernde
synoviale Gewebe, der Pannus, über den Gelenkknorpel ausbreitet und ihn bedeckt.
Dieses gefäßreiche Granulationsgewebe produziert eine Menge destruierender Enzyme,
die Gewebsschäden begünstigen können.
Proentzündliche Effektormoleküle wie IL-1, TNF und IL-6, die im Synovium produziert werden, sind für die systemischen Manifestationen der RA mitverantwortlich
(17,26-28).
- 21 -
3. Klinisches Bild
Frühsymptom der rheumatoiden Arthritis ist eine schmerzhafte, teigige Gelenksschwellung ohne vorausgegangene Verletzung.
Typische Zeichen der Synovitis sind Schwellung, Druckschmerzhaftigkeit und Bewegungseinschränkung. Eine Morgensteifigkeit von mehr als einstündiger Dauer ist fast
immer ein Zeichen für eine entzündliche Gelenkerkrankung und dient der Unterscheidung gegenüber verschiedenen nicht entzündlichen Gelenkerkrankungen.
Obwohl die Entzündung jedes Gelenk betreffen kann, verursacht die rheumatoide
Arthritis am häufigsten eine symmetrische Arthritis mit charakteristischer Beteiligung
bestimmter
Gelenke,
wie
der
proximalen
Interphalangealgelenke
(PIP)
und
Metakarpophalangealgelenke (MCP). Die distalen Interphalangealgelenke (DIP) sind
selten beteiligt.
Die Synovitis des Handgelenks kann nicht nur zur Deformierung, sondern auch zur
Kompression des N. medianus (Karpaltunnelsyndrom) führen. Im Ellbogengelenk verursacht die Entzündung häufig Beugekontrakturen, die bereits frühzeitig im Krankheitsverlauf auftreten können. Das Kniegelenk ist üblicherweise mit einem chronischen Erguss und häufig schlaffen Bändern am Krankheitsprozess beteiligt.
Eine Beteiligung des Achsenskeletts ist meist auf die obere Halswirbelsäule beschränkt. Eine Manifestation an der Lendenwirbelsäule wird nicht beobachtet, sodass
auch kein Zusammenhang zwischen lumbalen Rückenschmerzen und der rheumatischen
Entzündung besteht.
Vereinzelt kann die Entzündung der Gelenke und Bursen der oberen Halswirbelsäule zur atlanto-axialen Subluxation führen. Leitsymptom ist üblicherweise ein Nackenschmerz, in seltenen Fällen kann es jedoch auch zu einer Kompression des Rückenmarks kommen (15,17,26).
- 22 -
Charakteristische Deformitäten der Hand sind:

Radiale Deviation des Handgelenks mit Ulnardeviation der Finger und oft palmarer
Subluxation der proximalen Phalangen („Z“- Deformität).

Hyperextension der proximalen Interphalangealgelenke mit kompensatorischer
Flexion der distalen Interphalangealgelenke („Schwanenhalsdeformität“).

Beugekontraktur der proximalen Interphalangealgelenke und Extension der distalen
Interphalangealgelenke („Knopflochdeformität“).

Hyperextension
des
Interphalangealgelenks
und
Flexion
des
Metakarpophalangealgelenks des Daumens mit entsprechendem Verlust der Daumenmobilität.
Charakteristische Deformitäten an den Füßen:

Valgusdeformität (Subtalargelenk)

Plantare Subluxation der Metatarsalköpfchens

Verbreiterung des Vorfußes

Hallux valgus

Laterale fibulare Deviation und dorsale Subluxation der Zehen
(15,17,26)
- 23 -
3.1 Extraartikuläre Manifestationen
Die rheumatoide Arthritis ist eine systemische Erkrankung mit diversen
extraartikulären Manifestationen. Sie kann fast jedes Organssystem betreffen und
kommt häufig bei Patienten mit schweren Krankheitsverlauf und hohen Rheumafaktoren vor.
Eine
aggressive
rheumatoide
Vaskulitis
kann
unter
Umständen
eine
Polyneuropathie mit einer Mononeuritis multiplex, Hautulzerationen und Hautnekrosen,
eine digitale Gangrän sowie viszerale Infarkte auslösen. Eine kutane Vaskulitis tritt
meist in Form von Gruppen kleiner Flecken im Nagelbett, im Nagelfalz und der Fingerpulpa auf (29).
Rheumaknoten entstehen bei 20 – 30 % der Patienten. Sie finden sich meist an
periartikulären Strukturen. Sie können sich aber auch woanders entwickeln, etwa in der
Pleura oder den Meningen. Manchmal sind sie auch in der Bursa olecrani, an der proximalen Ulna, der Achillessehne oder am Hinterkopf lokalisiert.
Eine Mitbeteiligung des Auges ist mit weniger als einem Prozent der Patienten selten. Dabei kann es neben einer Episkleritis, die üblicherweise mild verläuft und nur vorübergehend auftritt, auch zu einer Skleritis kommen, die die tiefen Schichten des Auges betreffen kann, und einen ernsten klinischen Zustand darstellt (26).
Die Abnahme der Knochendichte korreliert mit Krankheitsdauer, Krankheitsaktivität
und
funktioneller
Beeinträchtigung.
Eine
Osteoporose
ist
auch
ohne
Glukokortikoidtherapie zu erwarten; wird durch sie aber verstärkt (30).
- 24 -
4. Therapie der rheumatoiden Arthritis
4.1 Einleitung
Die Ziele der Therapie sind:

Schmerzlinderung

Minderung der Entzündungsaktivität

Hemmung der Gelenksdestruktion

Erhaltung der Gelenkfunktion

Verhinderung weiterer Organkomplikationen

Gute Gesamtprognose
Die Betreuung von Patienten mit RA erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Das Ziel ist, den verschiedenen Problemen dieser Patienten mit funktionellen sowie psychosozialen Maßnahmen zu begegnen.
Physikalische Therapiemaßnahmen und Ergotherapie sind ein wichtiger Bestandteil
der therapeutischen Versorgung von RA-Patienten. Ein Übungsprogramm zur Erhaltung
der Muskelkraft und Gelenkbeweglichkeit ohne Aktivierung der Gelenkentzündung ist
ein wichtiger Teil des therapeutischen Vorgehens. Orthetische Hilfsmittel können durch
Stützung und Haltungskorrektur deformierter Gelenke zur Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung beitragen.
Die Behandlung der rheumatoiden Arthritis ist immer eine Kombination aus verschiedenen Therapieverfahren. Sie orientiert sich am individuellen Krankheitsverlauf
und der aktuellen Krankheitsaktivität mit validierten Messinstrumenten (z.B. mittels
DAS 28 oder CDAI) (31,32).
- 25 -
4.2 Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie der rheumatoiden Arthritis umfasst drei Arzneimittelgruppen:

Nicht steroidale Antiphlogistika (NSAID’s), Sie unterdrücken die Symptome
des lokalen Entzündungsprozesses. Diese Mittel sind schnell analgetisch wirksam, beeinflussen das Fortschreiten der Erkrankung aber nur minimal.

Segensreich ist der Einsatz von niedrig dosierten oralen Glukokortikoiden. Sie
hemmen nicht nur die Entzündungsreaktion, sondern verzögern in niedrig dosierter oraler Anwendung die Entwicklung und das Fortschreiten der Gelenkdestruktion.

Die dritte Gruppe schließt Medikamente ein, die als krankheitsmodifizierende(Disease modyfying antirheumtic drugs, DMARD’s) oder Basistherapeutika bezeichnet werden. Diese Medikamente haben die Fähigkeit den Entzündungsprozess und die Gelenkdestruktion zu beeinflussen. Sie umfasst niedermolekulare
Substanzen wie Methotrexat, Leflunomid und Sulfasalazin und die gesamte
Gruppe der Biologika (Zytokinhemmer, T- und B-Lymphozyteninhibitoren).
(31,33)
- 26 -
4.2.1 Nicht steroidale Antiphlogistika (NSAR-Therapie)
Sie wirken unter anderem durch Hemmung der Prostaglandinsynthese mittels
Cyclooxygenasehemmung (COX-1 und COX-2).
4.2.2 Glukokortikoide
Die Glukokortikoide sind die stärksten und verlässlichsten therapeutischen Substanzen bei entzündlich-rheumatischen Krankheiten. Durch die Nebenwirkungen ist ihr
langfristiger Einsatz aber limitiert. Ihr Einsatzgebiet umfasst die Akutbehandlung von
Schüben und die Überbrückungstherapie bis zum Wirkungseintritt von DMARD’s. In
Einzelfällen werden sie auch als Low-dose-Dauertherapie eingesetzt.
4.2.3 Basistherapie (DMARD-Therapie)
Basistherapeutika wirken nicht primär antiphlogistisch oder analgetisch. Eine Kombination mit NSAR u/o. Glukokortikoiden ist darum meist unvermeidlich. Basistherapeutika sollten so früh wie möglich eingesetzt werden. Auch bei länger währender Teiloder Vollremission ist das Absetzen der Basistherapeutika immer riskant. Ein Kompromiss ist die vorsichtige Dosisreduktion. Die Wiederaufnahme der Therapie ist kein Hindernis für einen erneuten Erfolg mit der gleichen Substanz.
Als krankheitsmodifizierende Basistherapeutika (DMARD’s) sind für die rheumatoide Arthritis derzeit folgende Medikamente zugelassen und gebräuchlich: (31,33)

Methotrexat (MTX)

Chloroquin und Hydroxychloroquin

Sulfasalazin

Azathioprin

Cyclosporin A

Leflunomid
- 27 -
4.2.4 Biologika
Mit Beginn der Ära der Biologika ergab sich ein riesiger Schritt in Richtung Remission, dem primären Therapieziel. Mit den klassischen Biologika Infliximab,
Etanercept und Adalimumab, ist es bisher gelungen, bei etwa 60% der RA-Patienten
zumindest eine deutliche Reduktion der Krankheitsaktivität zu erzielen, eine Remission
dagegen wird bei nicht einmal der Hälfte der Patienten erreicht (31-33).
Einteilung Biologika:

TNF-Hemmer (Infliximab, Adalimumab, Etanercept, Certolizumab-Pegol,
Golimumab)

B-Zell-Depletionstherapien (Rituximab)

T-Zell gezielte Therapien (Abatacept)

Anti-Interleukin-6-Therapie (Tocilizumab)

Interleukin-1-Rezeptor Antagonist (Anakinra)
(33-35)
- 28 -
5. Diagnostik
Im Mittel vergehen vom Beginn der ersten Symptome der Erkrankung bis zur Diagnosestellung neun Monate. Dies lässt sich häufig auf die unspezifischen Beschwerden
bei Erkrankungsbeginn zurückführen. Bei den meisten Patienten zeigt die Krankheit ihre typischen Symptome erst innerhalb von ein bis zwei Jahren nach Krankheitsbeginn
(15,17,27).
5.1 Anamnese und klinische Untersuchung
Typische Frühsymptome sind:

Morgensteifigkeit deutlich über 30 Minuten.

Volarer Handgelenkbeugeschmerz

Schmerzen u./o. Schwellung in einzelnen Gelenken, meist an den Fingergrundund Fingermittelgelenken.

Kraftlosigkeit

Eventuell Tenosynovitis und Karpaltunnelsyndrom
Die charakteristischen Symptome einer rheumatoiden Arthritis sind persistierende,
synovitische Gelenkschwellungen, Morgensteifigkeit, Kraftlosigkeit und früh einsetzender juxtartikulärer Muskelatrophie, von wechselnd starken Schmerzen begleitet. An
den Händen, dem „Aushängeschild“ der Patienten, findet man symmetrische Schwellungen und eine rasch auftretende Atrophie der Mm. Interossei.
Tabelle 3
Schmerz
Schwellung
Überwärmung
Gelenkssteifigkeit
BSG
Arthritis
Arthrose
Nachts, Ruhe
Abends, Belastung
Fluktuierend/weich
derb
+
-
> 1 Stunde
< 1 Stunde
Normal/Erhöht
Normal
Tabelle 3 zeigt die Differentialdiagnose zwischen Arthritis und Arthrose.
- 29 -
5.2 Röntgendiagnostik
Der primäre Wert der Röntgenuntersuchung besteht darin, das Ausmaß der durch
die Krankheit bedingten Knorpeldestruktion und Knochenerosion zu beurteilen, insbesondere wenn man die Aggressivität der Erkrankung einschätzen will, um daraus die
Therapie abzuleiten. Die Magnetresonanztomographie ist in der Lage, frühe entzündliche Veränderungen von Knochen und Gelenken darzustellen und zu erkennen.
Typische Arthritiszeichen:

Gelenknahe Osteoporose (nicht obligat)

Usuren: Früh und krankheitsspezifisch; treten besonders an Metacarpal- und
Metatarsalköpfchen und distalem Ellenende auf.

Pseudozysten

Gelenkspaltverschmälerung

In schweren Fällen: Subluxation, Luxation, Fehlstellungen, selten Mutilationen

Ankylosen kommen vor, sind aber nicht das gesetzmäßige Endstadium
(36)
- 30 -
6. Labordiagnostik
Basislabordiagnostik bei Verdacht auf eine rheumatoide Arthritis:

Blutsenkungsreaktion

C-reaktives Protein

Serologie: Rheumafaktor-Isotypen (IgM, ev. IgA), ACPA
(37)
6.1 Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
Die Messung der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) ist eine der ältesten, einfachsten und zugleich billigsten Methoden, Entzündungen im Körper festzustellen, die
bis heute nichts von ihrer Aussagekraft verloren hat.
Die Bestimmung erfolgt im Allgemeinen nach der Westergren-Methode, bei der 1,6
ml Vollblut in einem mit Millimetergraduierung versehenem Glas- oder Kunststoffröhrchen mit 0,4 ml 3,8%iger Natriumcitratlösung versetzt wird um es ungerinnbar zu machen.
Im senkrecht stehenden Röhrchen sinken die festen Bestandteile des Blutes
(insbesonders die Erythrozyten) mit konstanter Geschwindigkeit und setzten sich am
Boden ab. Die Messung des Überstandes nach einer Stunde ergibt die Blutsenkungsgeschwindigkeit.
Die Normwerte unter 50 Jahre betragen beim Mann bis 15 mm/Stunde und bei der
Frau bis 20 mm/Stunde, über 50 Jahre betragen die Normwerte bei der Frau bis 30
mm/Stunde und beim Mann bis 20 mm/Stunde. (38).
Die BSG steigt frühestens 24 Stunden nach Beginn einer Entzündungsreaktion an
und sinkt nach Beendigung der Akute-Phase-Reaktion mit einer Halbwertszeit von 96144 Stunden. Eine erhöhte Agglomerationsbereitschaft der Erythrozyten führt zu einer
Erhöhung der Senkungsgeschwindigkeit, da größere Agglomerate naturgemäß schneller
absinken. Verschiedene großmolekulare Plasmaproteine, die besonders im Verlauf von
- 31 -
Entzündungen vorkommen, fördern die Agglomerationsbereitschaft. Zu ihnen zählen
unter anderem Fibrinogen, -Globuline, Haptoglobin und Akute-Phase-Proteine. Auch
eine Verminderung des Hämatokrit (Viskositätsabnahme) führt zu einer erhöhten BSG.
Daraus erklärt sich auch der höhere Referenzbereich für Frauen, deren Hämatokrit im
Vergleich zu Männern vermindert ist (38-40).
Eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit kann ein Hinweis auf einen bakteriellen
Infekt, ein Malignom (Zellzerfall), oder eine Autoimmunerkrankung sein, kommt aber
auch bei schwangeren oder menstruierenden Frauen sowie bei Patienten mit Anämie
oder Hyperlipoproteinämie vor. Auch bestimmte Pharmaka wie Kortison oder Salizylate, sowie hohe Östrogenspiegel können die BSG erhöhen (40).
6.2 C-reaktives Protein
Das C-reaktive Protein (CRP) ist das klassische Akute-Phase-Protein. Sein Anstieg
erfolgt unmittelbar nach Beginn der Akute-Phase-Reaktion und erreicht sein Maximum
nach etwa 48-72 Stunden. Seine Plasma-Halbwertszeit beträgt etwa 48 Stunden. Die
Höhe des CRP korreliert mit der Schwere des entzündlichen Geschehens.
Das CRP wird in der Leber gebildet und ist als Opsonin durch Bindung an Bakterien, Pilze oder Parasiten in der Lage, das Komplementsystem zu aktivieren. Seinen Namen erhielt es durch sein Bindungsvermögen am C-Polysaccharid der Zellwand von
Streptococcus pneumoniae.
Den stärksten Anstieg beobachtet man bei bakteriellen Infektionen (Virale Infektionen führen allenfalls zu geringen CRP-Erhöhungen). Akute oder chronische Entzündungen, verschiedene Autoimmunerkrankungen oder Malignome gehen ebenfalls mit
einer Erhöhung des CRP einher. Bei der rheumatoiden Arthritis ist ein hoher CRPSpiegel ein Zeichen für eine hohe Krankheitsaktivität (41,42).
- 32 -
7. Rheumafaktoren (IgM, IgA)
Rheumafaktoren sind Antikörper, die gegen das in seiner Tertiärstruktur veränderte
Fc-Fragment von IgG gerichtet sind. Die RF-Isotypen werden als IgM-, IgG- und IgARheumafaktoren bezeichnet. In der Routinediagnostik wird meist nur der IgM- selten
der IgA-Isotyp bestimmt (43,44).
Abbildung 2
Abbildung 2 zeigt das Prinzip der Rheumafaktorenbestimmung. Der Rheumafaktor
bindet an das Fc-Stück eines IgG-Antikörpers. Zur Konzentrationsbestimmung im
Enzymimmunoassay erfolgt die Markierung des IgM-Rheumafaktors durch enzymmarkiertes Anti-Human-IgM (45).
Je höher der Titer (die Konzentration) des RF ist, desto sicherer wird die Diagnose.
Trotz der relativ niedrigen Spezifität des IgM-RF ist er aus der Routinediagnostik nicht
wegzudenken.
Rheumafaktoren treten – ganz gegen ihren Namen - auch häufig auch im Rahmen
von diversen Infektionskrankheiten auf, insbesondere bei Virusinfektionen und viralen
Hepatitiden. Ebenso nimmt ihre Prävalenz mit zunehmendem Alter zu, ohne dass eine
klinische Bedeutung besteht. Sehr hohe Konzentrationen sind allerdings häufig mit einer besonders destruktiven Erkrankung und einer schlechten Prognose assoziiert (46).
- 33 -
7.1 Bestimmung
Bei der Latex-Agglutination wird als Antigen ein an Latexpartikel gebundenes humanes IgG eingesetzt. Im Gegensatz dazu ist das Prinzip des Waaler-Rose-Tests die direkte Hämagglutination von mit tierischem IgG (meist von Kaninchen) beladenen
Erythrozyten durch Rheumafaktoren in der Probe.
Gegenüber der Latex-Agglutination weist die Hämagglutination (Waaler-Rose
Test) eine höhere Spezifität, aber eine geringere Sensitivität auf.
Die diagnostischen Möglichkeiten lassen sich mit einer quantitativen Bestimmung
von Rheumafaktoren verbessern, wie sie durch die nephelometrische Messung der Latex-Agglutination ermöglicht werden. ELISA-Verfahren sind relativ neu und werden
vor allem zur Bestimmung der RF-Isotypen verwendet (43-45).
7.2 Erhöhung des Rheumafaktors
70-90% der RA-Patienten weisen im Serum Rheumafaktoren (IgM, IgA) auf, dies
wird etwas missverständlich als seropositiv bezeichnet. Eine seropositive rheumatoide
Arthritis hat im Allgemeinen eine ungünstigere Prognose als die seronegative Form.
Erhöhte RF-Konzentrationen gehen oft mit einem schweren Verlauf und einem generalisierten Krankheitsbild einher. Positive IgG-RF werden häufig mit dem Auftreten
von Rheumaknoten und extraartikulären Manifestationen assoziiert. Hohe IgA-RF-Titer
können auf besonders aggressive Verläufe hinweisen.
7.3 Diagnostische Wertigkeit
Die Bestimmung des RF kann im Zusammenhang mit dem klinischen Bild wertvolle diagnostische Hinweise liefern und helfen, Diagnosen zu bestätigen oder auszuschließen. Als Suchtest für „irgendwelche“ rheumatologische Erkrankungen ist der RF
aber nicht geeignet, wenn keine Polyarthritis besteht (43,44,46).
Die Beobachtung der Verlaufskurve des RF-IgM Wertes ist zur Beurteilung des
Therapieerfolges nur bedingt aussagekräftig. Höhere Wertigkeit wird der Verlaufsbeobachtung des IgA-RF zugeschrieben. Rheumaknoten und Vaskulitis treten hauptsächlich bei seropositiven Patienten auf, (47-49) was wiederum mit einer erhöhten Mortalität verbunden ist (50).
- 34 -
Tabelle 4
Krankheitsbild
Häufigkeit (%)
Rheumatoide Arthritis
70 – 90
Systemischer Lupus erythematodes
15 – 35
Sjögren Syndrom
75 – 95
Mixed connected tissue disease
50 – 60
Systemische Sklerose
20 – 30
Essentielle gemischte Kryoglobulinämie Typ II
100 (monokl.
IgM-RF)
Systemische Vaskulitiden zB. Wegenersche Granulomatose
5 – 20
Chronische Sarkoidose
5 – 30
Chronische Lebererkrankungen zB. chron. aktive Hepatitis
15 – 70
Chronische entzündliche Lungenerkrankungen
10 – 50
Subakute bakterielle Endokarditis
25 – 65
Parasitäre Infekte zB. Trypanosomen, Plasmodium
20 – 90
Andere bakterielle Infekte zB. Mykobacterien
5 – 60
Virale Infekte sowie Schutzimpfungen zB. Röteln, HIV
15 – 65
Neoplasien, vor allem nach Bestrahlung od. Chemotherapie
5 – 25
Gesunde <50 Jahre
<5
Gesunde >70 Jahre
10 – 25
(45,51)
Tabelle 4 zeigt das Vorkommen von Rheumafaktoren (IgM) bei rheumatischen und anderen Erkrankungen (51).
- 35 -
8 Antikörper gegen citrullinierte Peptide (ACPA)
8.1 Einleitung
Unter citrullinierten Peptiden werden Peptide und Proteine verstanden, bei denen
Argininreste in Citrullinreste umgebildet werden. Citrullinierung oder Desaminierung
ist ein Vorgang, bei dem positiv geladene Aminogruppen der Aminosäure Arginin zu
einer neutralen Sauerstoffgruppe hydrolysiert werden. Die Katalyse der Desaminierung
erfolgt durch vier bekannte Peptidylarginindesaminasen (PAD’s).
Abbildung 3
Abbildung
3
zeigt
die
Desaminierung
des
Arginins
durch
das
Enzym
Peptidylarginindesaminase (PAD) (45)
- 36 -
8.2 Historischer Hintergrund über citrullinierte Peptid AK und Assays
Mit dem Antiperinuklearen Faktor beschrieb 1964 Nienhuis et al. (52) den ersten an
Citrullin bindenden Antikörper bei der RA. Fünfzehn Jahre später berichtete Young et
al. (53) über den Anti-Keratin-Antikörper. Untersuchungen ergaben, dass beide AK das
gleiche Epitop erkennen und dass die Umwandlung von Arginin zu Citrullin wesentlich
für die Bindung ist.
Autoantikörper können gegen verschiedene Peptide-Antigene in Immunoassays zur
Diagnostik der RA eingesetzt werden. Dazu zählen citrullinierte Peptid Autoantikörper
wie gegen perinukleäre Faktoren, Keratin, Sa-Protein und Filaggrin (54,55).
Im Erstgenerationen-Test für aCCP-1 kam ein singulär cyclisches Peptid als
Immunosorbent zum Einsatz. Der ELISA der zweiten Generation setzt auf synthetische
Peptide als Antigen, die durch eine intramolekulare Disulfid-Brückenbindung eine
Ringstruktur bekamen, wodurch das Citrullin-Epitop eine neue Wertigkeit erhält.
Die dritte Generation des Anti-CCP-Antikörperassays wurde erst vor kurzen eingeführt,
wobei vergleichende Untersuchungen keine signifikante Verbesserung der diagnostischen Wertigkeit des Assays gegenüber der zweiten Generation ergaben (56,57).
Zu den klinisch häufig verwendeten ACPA gehören der anti-CCP2- und der anti-MCVAK Test (siehe unten).
8.3 Sensitivität und Spezifität von ACPA für die frühe und etablierte
RA
Etliche Studien haben die diagnostische Wertigkeit von anti-CCP-Antikörpern für
die RA untersucht. Für den anti-CCP-1 Assays wurde darin eine Sensitivität von 44-56
% und eine Spezifität von 90-97 % beschrieben. Hingegen erreichten anti-CCP-2
Assays eine Sensitivität von 64-89 % und eine Spezifität von 88-99 %. Im Vergleich
dazu liegt die Sensitivität für den Rheumafaktor (IgM) bei 59-79 % und die Spezifität
bei 80-84 %. Studien über anti-CCP-2 AK bei der frühen RA (Symptomatik <6 Monate)
ergaben eine Spezifität von 93-98 % bei einer Sensitivität von 39-50 %. Im Vergleich
dazu erreichte der Rheumafaktor (IgM) bei der frühen RA eine Spezifität von 91-93 %
und eine Sensitivität von 31-54 %. Die Kombination von Rheumafaktor (IgM) und anti-
- 37 -
CCP-2 für die RA ergab eine Spezifität von 98-100 % bei einer Sensitivität von 30-39
%. Ein positiver ACPA Nachweis steigert die Wahrscheinlichkeit, eine rheumatoide
Arthritis zu haben, um das 6 – 20fache bei Patienten im Frühstadium. (58-60) Im Vergleich steigert ein positiver Rheumafaktor die Wahrscheinlichkeit um das 3 – 10fache.
(61-63). Diese Werte hängen von der durch die Klinik bedingten Vortestwahrscheinlichkeit ab. Falsch-positive Werte für ACPA liegen unter 5%, hingegen liegen sie für
Rheumafaktoren bei 10 – 30%, abhängig von der untersuchten Studienpopulation. (64)
Tabelle 5
Krankheit
Häufigkeit von
ACPA (%)
Rheumatoide Arthritis
71
Frühe RA (<1 Jahr)
57
SLE
6
Sjögren Syndrom
5
Systemische Vaskulitis
4
Juvenile chronische Arthritis
6
Polymyalgia rheumatica
2
Borreliose
5
Psoriasis-Arthritis
8
Systemische Sklerose
6
Reaktive und virale Arthritiden
4
Infektiöse Erkrankungen ohne Arthritis
2
Gesunde Personen (inklusive älterer)
0,5
Tabelle 5 zeigt die Prävalenz von anti-CCP2-AK bei verschiedenen Krankheiten. (37)
8.4 ACPA als Teil der neuen 2010 ACR/EULAR Klassifikationskriterien
Aufgrund der hohen Spezifität von >98 Prozent für die frühe RA wurden antiCCP2-AK neben dem Rheumafaktor (IgM) als serologischer Marker in den neuen
ACR/EULAR Klassifikationskriterien für die frühe RA aufgenommen (13).
- 38 -
9 AK gegen mutiertes citrulliniertes Vimentin (anti-MCV)
9.1 Einleitung
Ein relativ neuer Marker in der RA-Diagnostik ist der anti-MCV-Antikörper (antiMCV). Vimentin ist ein Intermediär Filament das in Mesenchymzellen und Makrophagen exprimiert wird, und im Synovium und RA-Pannus vorkommt (65-67).
9.2 Historischer Hintergrund über anti-MCV-AK
Anti-Sa Antikörper, die Vorgänger der anti-MCV-AK, wurden zuerst bei einem
französisch-kanadischen Patienten identifiziert und aufgrund seiner Namensinitialen
„Sa“ benannt (68).
Der Anti-Sa-Antikörper zeigte in mehreren Studien eine hohe Spezifität (95 %) für
die RA. (62,69-71) Die Sensitivität des Antikörpers variierte je nach untersuchter Studienpopulation zwischen 20 und 25 % bei der frühen RA und erreichte 47 % bei der etablierten RA. (62,70)
Das Sa-Antigen wurde in weiterer Folge als citrullinierte Form des Vimentins identifiziert. (68) In weitere Folge wurden Vimentin-Isoformen erkannt, bei denen
Argininreste durch Glycin ersetzt wurden, diese wurden dauraufhin mutiertes
citrulliniertes Vimentin (MCV) genannt. Mit der Entwicklung von Autoantikörpern gegen diese Isoformen (anti-MCV), wurde die diagnostische Treffsicherheit im Vergleich
zu anti-Sa weiter erhöht. (72)
Seit einiger Zeit steht ein ELISA auf Basis von mutierten citrullinierten Vimentin
(MCV) für den kommerziellen Einsatz zur Verfügung. Er bietet eine vergleichbare diagnostische Wertigkeit wie die ACPA (73,74).
- 39 -
9.3 Wertigkeit von anti-MCV-AK für die RA
Je nach Studie haben anti-MCV-AK für die RA eine etwas höhere Sensitivität bei
gleicher Spezifität verglichen mit anti-CCP2-AK (73,75,76)
In einer Übersichtsarbeit reviewten Luime J J et al (73) die diagnostische Wertigkeit von aCCP2 und anti-MCV für die etablierte RA in 14 unterschiedlichen Studien.
Die Auswertung der diagnostischen Daten ergab für anti-MCV eine Sensitivität von
0,64-0,84 und eine Spezifität von 0,79-0,96. Die Ergebnisse für aCCP2 lagen bezüglich
Sensitivität bei 0,55-0,80 und bezüglich Spezifität bei 0,92-0,98.
Tabelle 6
CCP2
MCV
Sensitivität
0,55-0,80
0,64-0,84
Spezifität
0,92-0,98
0,79-0,96
Tabelle 6 zeigt die Sensitivität und Spezifität von anti-CCP2- und anti-MCV-AK (in %)
in der Auswertung von Luime J J et al (73)
10. Weitere RA-Antikörper
RA33
Antikörper gegen hnRNP-A2, die vereinfacht anti-RA33 genannt werden, wurden
erstmals 1981 von Hassfeld et al. (55) beschrieben. Sie kommen in ungefähr einem
Drittel der RA-Patienten vor, sowie in ähnlich hoher Zahl auch bei SLE-Patienten. Dafür findet man sie bei Arthritiden ohne Autoimmunität wie der Osteoarthritis oder der
reaktiven Arthritis äußerst selten. Für die RA haben anti-RA33-Antikörper eine Spezifität von durchschnittlich 90 % (14).
- 40 -
11. Methodik
11.1 Patientenkollektiv
In der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine retrospektive Auswertung von
routinemäßig erhobenen Daten. Die Patientensera wurden im Zeitraum Jänner 2009 bis
Mai 2010 im Rahmen der Routinediagnostik von der Rheumatologischen Ambulanz der
Universitätsklinik für Rheumatologie und Immunologie Graz zur Bestimmung der antiCCP-AK, anti-MCV-AK und RF (IgM) an das Labor der klinischen Abteilung für
Rheumatologie und Immunologie des Universitätsklinikums Graz eingesandt.
Die erhobenen Werte wurden mir vom Labor der klinischen Abteilung für
Rheumatologie und Immunologie des Universitätsklinikums Graz zur Verfügung gestellt. Die korrespondierenden klinischen Daten wie zum Beispiel die Diagnose, wurden
dem RCQM entnommen. RCQM ist ein klinisches Informationssystem, das die Datenund Informationsflüsse einer Rheumaambulanz moderiert. Alle klinischen und funktionellen Parameter, die zur gesamtheitlichen Beurteilung des Patienten notwendig sind,
werden in standardisierter Form erfasst. RCQM wird routinemäßig in der Rheumaambulanz eingesetzt und enthält alle dort behandelten Patienten mit Diagnosen und klinischen Scores zum Zeitpunkt jeder Visite.
Insgesamt wurden Proben von 988 Patienten ausgewertet. Bei 171 wurde die Diagnose rheumatoide Arthritis gestellt, 59 der Patienten hatten eine frühe RA, 112 eine
etablierte RA. Die restlichen 817 Patienten der Kontrollgruppe teilten sich auf in 26
Arthritis urica, 97 Spondylarthropathien und in 694 Patienten mit degenerativen Erscheinungen oder nicht-rheumatischen Erkrankungen.
- 41 -
11.2 Definition frühe RA
Für eine bestmögliche Therapie ist die frühestmögliche Festsetzung der Diagnose
„RA“ essentiell. Die früheren Diagnosekriterien (siehe oben) bezogen sich auf eine gesicherte, etablierte RA. Wenn man erst in diesem (späten) Stadium mit der immunmodulierenden Basistherapie beginnen würde, so würde die Patientin wertvolle Zeit verlieren, in der der irreversible Zerstörungsprozess schon voranschreitet. Daher ist es ein
Hauptaugenmerk der modernen Diagnostik, eine möglichst frühe Diagnose der RA zu
erzielen (siehe oben).
Besonders bei der frühen RA (ehemalig auch mit dem Begriff „undifferenzierte
Oligoarthritis“ umschrieben) ist eine serologische Hilfestellung durch die Autoantikörperdiagnostik sehr erwünscht.
Die Definition der Früharthritis wird in der Literatur sehr unterschiedlich gehandhabt, und dabei nicht einheitlich definiert. Eine pubmed Suche mit den Begriffen „early
arthritis“ und „definition“ ergab 10 Treffer, von denen keiner eine klare Definition enthielt.
In der Arbeit von Combe et al. (77) wird als Definitionsersatz eine Meinung artikuliert: “Arthritis is characterised by the presence of joint swelling, associated with pain
or stiffness. Patients presenting with arthritis of more than one joint should be referred
to, and seen by a rheumatologist, ideally within six weeks after the onset of symptoms”.
Wir haben für die Kohortenbildung der Patientinnen mit definitiver RA (n= 112)
die ACR Klassifikationskriterien 1987 verwendet, die Zeit seit dem ersten erinnerlichen
Schmerzsymptomen gaben diese Patientinnen mit 13 +/- 9 Jahren an. Es handelte sich
also um definitive „späte“ RA Patientinnen, von denen im Untersuchungszeitraum eine
Blutprobe an das Immunolog Labor gesandt worden war.
Alle Patientinnen der Rheumaambulanz, von denen im Untersuchungszeitraum Blut
eingesandt wurde und bei denen letztlich (also in den späteren Arztbriefen) die Diagnose RA (ebenfalls nach den ACR Kriterien 1987) gestellt wurde, die aber zur Zeit der
Blutabnahme eine Schmerzdauer von weniger als 6 Monaten angaben, stellten unsere
Kohorte „frühe RA“ (n=59) dar. Die Daten wurden den Krankengeschichten der jeweiligen Patienten entnommen.
- 42 -
11.3 Testverfahren
Testprinzip Anti-CCP ELISA
(78,79)
EliA CCP Wells sind mit citrullinierten synthetischen Peptiden (zweite Generation)
beschichtet. Falls im Patientenserum vorhanden, binden Antikörper an ihre entsprechenden Antigene. Nach dem Auswaschen ungebundener Antikörper werden enzymmarkierte Antikörper gegen humane IgG-Antikörper (EliA IgG Conjugate) zugegeben,
um einen Antikörper-Konjugat-Komplex zu bilden. Nach Inkubation wird ungebundenes Konjugat ausgewaschen, und anschließend der gebundene Komplex mit EntwicklerLösung inkubiert.
Nach dem Abstoppen der Reaktion wird schließlich die Fluoreszenz der Reaktionsmischung gemessen. Je höher das Messsignal, desto mehr spezifische IgGAntikörper befinden sich in der Probe. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt durch direkten Vergleich der Patientenproben mit einer Standardkurve.
Die vom Hersteller empfohlenen Messwert-Bereiche für die Auswertung der Ergebnisse:
Test negativ: <7 U/ml
Test grenzwertig: 7–10 U/ml
Test positiv: >10 U/ml
(79)
- 43 -
Testprinzip RF (IgA, IgM) und Anti-MCV-ELISA
(79)
Der RF-ELISA Screen ist ein indirekter Enzymimmunoassay zum quantitativen
Nachweis von Rheumafaktoren der Immunglobulinklasse IgM und IgA. Die Kavitäten
der Mikrotiterplatte sind mit Fc-Fragmenten, aus humanem Immunglobulin G beschichtet. Im Serum vorhandene Antikörper können an die immobilisierten Antigene binden.
Durch Waschen werden nicht gebundene Serum-Antikörper entfernt.
Enzymmarkierte Detektions-Antikörper (HRP-konjugierte Anti-human IgM, Antihuman IgG und Anti-human IgAAntikörper) heften sich anschließend an die oberflächengebundenen Autoantikörper. Überschüssige Detektionsantikörper werden durch
Waschen entfernt.
Ein Enzymsubstrat wird in Anwesenheit von gebundenen Detektionsantikörpern zu
einem blauen Reaktionsprodukt hydrolysiert. Die Zugabe von Säure stoppt die Reaktion
ab und das Reaktionsprodukt verfärbt sich gelb. Die Intensität der Gelbfärbung kann
photometrisch bei 450 nm /620 nm bestimmt werden. Die Farbentwicklung ist direkt
proportional zur gesuchten Autoantikörper-Konzentration.
Mit einer Mikrotiterplatte können 96 Bestimmungen durchgeführt werden. Jede
Mikrotiterplatte setzt sich aus 12 einzelnen Streifen mit jeweils 8 Kavitäten zusammen.
Bei Bedarf können die Streifen in einzelne Kavitäten aufgeteilt werden.
Normalwerte für RF-IgA und IgM und Anti-MCV lt. Hersteller
Normal < 20 U/ml
Erhöht > 20 U/ml
Die untere Nachweisgrenze beträgt 1 U/ml.
(79)
- 44 -
11.4 Statistische Auswertung
Für die statistische Datenanalyse wurde die im Internet frei erhältliche Software
Jumbo Statistik, Version 6.8 der Universität Münster und das Statistikprogramm „R“,
Version 2.11.1 verwendet.
Kategorische
(qualitative)
Variablen
wurden
mit
dem
Chi-Quadrat-Test
(Vierfeldertest) nach Pearson getestet.
Sensitivität
Die Sensitivität eines Tests ist die bedingte Wahrscheinlichkeit für einen positiven
Test unter den tatsächlich Kranken. Sie wird geschätzt durch: „Zahl der Erkrankten mit
positiven Test“ durch „Gesamtzahl der Erkrankten“. Ist die Sensitivität des Tests hoch,
so übersieht der Test kaum Kranke.
Spezifität
Die Spezifität eine Tests ist die bedingte Wahrscheinlichkeit für einen negativen
Test unter den tatsächlich Gesunden. Sie wird geschätzt durch: „Zahl der Gesunden mit
negativen Test“ durch „Gesamtzahl der Gesunden“. Ein spezifischer Test wird Gesunde
kaum als erkrankt fehlklassifizieren.
PPW
Der positive Vorhersagewert oder der prädiktive Wert des positiven Testresultats
gibt die bedingte Wahrscheinlichkeit an, krank zu sein, falls ein positives Testergebnis
vorliegt. Er wird geschätzt durch: „Zahl der Erkrankten mit positiven Test“ durch „Gesamtzahl der testpositiven Fälle“.
NPW
Der negative Vorhersagewert oder prädiktive Wert des negativen Testresultats gibt
die bedingte Wahrscheinlichkeit an, gesund zu sein, falls ein negatives Testergebnis
vorliegt. Er wird geschätzt durch: „Zahl der gesunden mit negativem Test“ durch „Gesamtzahl der testnegativen Fälle“.
- 45 -
Likelihood Ratio
Die Qualität eines diagnostischen Tests ist unter anderem an Hand positiver (LR+)
und negativer (LR-) Likelihood Ratios zu beurteilen.
Das positive Likelihood Ratio ist definiert als:
LR+ = Sensitivität dividiert durch 1 minus Spezifität
Es beschreibt das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit für ein positives Testergebnis
unter den Erkrankten zur Wahrscheinlichkeit für ein positives Testergebnis unter den
Gesunden. Beträgt dieses Verhältnis 23 (0,46/1-0,98) wie bei meinen Berechnungen zur
frühen RA von anti-CCP2-AK bzw. 10 (0,59/1-0,94) bei anti-MCV-AK bedeutet dies,
dass die Wahrscheinlichkeit für ein positives Testresultat unter den Erkrankten 23-mal
bzw. 10-mal so hoch ist wie unter den Gesunden.
Analog ergibt sich das negative Likelihood Ratio als:
LR- = 1 minus Sensitivität durch Spezifität
LR- gibt den Faktor an, um den sich die a-priori Chance für Krankheit gegenüber
Gesundheit nach Vorliegen eines negativen Testergebnisses verändert. Die entsprechende Berechnung für die frühe RA von anti-CCP2-AK ist 0,55 (1-0,46/0,98) bzw. für
anti-MCV-AK 0,44 (1-0,59/0,94). Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, unter den
Gesunden ein negatives Testresultat zu beobachten, bei anti-CCP2-AK ungefähr 1,8–
mal (1/0,55) bzw. bei anti-MCV-AK 2,3-mal (1/0,44) so hoch ist wie die Wahrscheinlichkeit, unter den Kranken ein negatives Testresultat zu beobachten.
Ein Test wird als akzeptabel bewertet, wenn die LR+ Werte größer als 3 bzw. LRWerte kleiner als 0,3 annimmt. Er wird hingegen als excellent bewertet, wenn LR+ größer als 10 bzw. LR- kleiner als 0,1 ist.
ROC (Receiver-Operating Characteristics)
Die ROC-Kurve liefert einen visuellen Eindruck für die Überlegenheit des diagnostischen Tests gegenüber der Zufallsdiagnose. Auf der x-Achse steht der Wert 1Spezifität (die Falschpositivrate), auf der y-Achse die Sensitivität (die Richtigpositivrate). Fällt die resultierende Kurve mit der Winkelhalbierenden zusammen, so bedeutet
dies, dass der Test keine diagnostische Information über die A-priori-Odds hinaus liefert (LR+ = 1). Als Maßzahl für die Abweichung der Kurve von der Winkelhalbierenden hat sich die Fläche unter der ROC-Kurve etabliert. Diese Fläche gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Kranker einen höheren (im Sinne von „positiv“) Testwert
aufweist als ein Gesunder. In dieser Arbeit wurde die ROC-Kurve nicht angegeben. (80)
- 46 -
11.5 Fragestellung
Wie ist die Wertigkeit (Sensitivität und Spezifität) von anti-CCP-AK der 2. Generation verglichen mit anti-MCV-AK und dem Rheumafaktor (IgM) für die Diagnostik der
frühen rheumatoiden Arthritis.
- 47 -
12. Ergebnisse – Resultate
Insgesamt wurden 988 Patientenproben ausgewertet. Bei 59 Patienten konnte eine
„frühe RA“ und bei 112 eine etablierte RA definiert werden.
Die restlichen 817 Patienten wurden als Kontrollgruppe ( also ohne rheumatoide
arthritis) gewertet. Diese teilten sich auf in Spondylarthropathie (n=97), Arthritis urica
(n=26) und in degenerative bzw. nicht entzündliche Erkrankungen (n=694)
Abbildung 4
Gesamtes Patientenkollektiv n=988
59; 6%
112; 11%
frühe RA
etablierte RA
97; 10%
Spondylarthropathie
Arthritis urica
26; 3%
Sonstige und nicht rheum. Erkr.
694; 70%
Abbildung 4 zeigt die Aufteilung des gesamten Patientenkollektivs geordnet nach Diagnosen.
- 48 -
Bei der Patientengruppe „frühe RA“ (n=59) waren bei 25 Patienten sowohl für
aCCP als auch für MCV-AK positiv. Bei 2 Patienten war nur der aCCP-AK positiv, bei
10 Patienten war ausschließlich der MCV-AK positiv und bei 22 Patienten waren sowohl der aCCP-AK als auch der MCV-AK negativ.
Bei der Patientengruppe „etablierte RA“ (n=112) waren 71 Patienten aCCP-AK
plus MCV-AK positiv. Bei 6 Patienten war nur der aCCP-AK positiv, bei 7 Patienten
war ausschließlich der MCV-AK positiv und bei 28 Patienten waren sowohl der antiCCP2-AK als auch der anti-MCV-AK negativ.
Tabelle 7
frühe RA
etablierte RA
Kontrollgruppe
n=988
n=59
n=112
n=817
aCCP+MCV pos
n=25 (43 %)
n=71 (64 %)
n=14 (2 %)
nur aCCP pos
n=2 (3 %)
n=6 (5 %)
n=8 (1 %)
nur MCV pos
n=10 (17 %)
n=7 (6 %)
n=48 (6 %)
ACPA neg
n=22 (37 %)
n=28 (25 %)
n=747 (91 %)
Tabelle 7 zeigt die Aufteilung des gesamten untersuchten Patientenkollektivs aufgeteilt
nach Diagnose und nach ACPA-Status.
Tabelle 8
frühe RA
etablierte RA
Kontrollgruppe
n=988
n=59
n=112
n=817
RF (IgM) pos
n=25 (42 %)
n=80 (71 %)
n=70 (9 %)
Spezifität
91 %
91 %
Sensitivität
42 %
71 %
Tabelle 8 zeigt die Aufteilung des gesamten untersuchten Patientenkollektivs aufgeteilt
nach Diagnose und RF (IgM)-Status, Spezifität und Sensitivität.
- 49 -
Bei der Kontrollgruppe (n=817) waren 14 Patienten aCCP-AK plus MCV-AK positiv, davon hatten die Diagnosen Arthritis psoriatica (n=4), paraneoplastisch (n=1) sowie
in degenerative und nicht entzündliche Erkrankungen (n=7).
Bei 8 Patienten war nur der aCCP-AK positiv. Diese 8 Patienten teilten sich auf in
Sklerodermie (n=1), Arthritis psoriatica (n=2) sowie in degenerative und nicht entzündliche Erkrankungen (n=5).
Bei weiteren 48 Patienten war lediglich der MCV-AK positiv. Diese 48 Patienten
teilten sich auf in Arthritis psoriatica (n=5), Arthritis urica (n=1), sowie in degenerative
und nicht entzündliche Erkrankungen (n=40).
Bei der frühen RA beträgt die Sensitivität für aCCP-AK 45,8 Prozent und für
MCV-AK 59,3 Prozent. Anti-CCP- und MCV-AK hatten zusammen eine Sensitivität
von 42,4 Prozent. Die Spezifität für aCCP-AK bei der frühen RA beträgt 97,7 Prozent,
für MCV-AK 93,6 Prozent. Zusammen hatten beide AK (aCCP+MCV) eine Spezifität
von 98,5 Prozent für die frühe RA. Der PPW für die frühe RA ergab für aCCP-AK 55,1
Prozent, der NPW ergab 96,7 Prozent. Bei MCV-AK ergab der PPW für die frühe RA
36,1 Prozent, der NPW 97,4 Prozent. Zusammen erreichten der aCCP-AK und der
MCV-AK für die frühe RA einen PPW von 64,1 Prozent und einen NPW von 96,5 Prozent.
Bei der etablierten RA betrug die Sensitivität für anti-CCP2-AK 68,8 Prozent, für
MCV-AK lag die Sensitivität bei 69,6 Prozent. Zusammen erreichten die beiden AK
gegen anti-CCP2 und anti-MCV bei der etablierten RA eine Sensitivität von 63,4 Prozent. Die Spezifität ergab für anti-CCP2-AK 97,7 Prozent, für MCV-AK 93,6 Prozent.
Zusammen erreichten anti-CCP2-AK und MCV-AK eine Spezifität von 98,5 Prozent
für die etablierte RA. Für die etablierte RA errechnete sich ein PPW für anti-CCP2-AK
von 77,8 Prozent und eine NPW von 96,4 Prozent. Für MCV-AK betrug der PPW 55,7
Prozent und der NPW 96,4 Prozent für die etablierte RA. Beide AK zusammen erreichten für die etablierte RA eine PPW von 83,5 Prozent und einen NPW von 95,9 Prozent.
- 50 -
Tabelle 9
aCCP2+MCV
aCCP2
MCV
RF (IgM)
frühe RA
etablierte RA
Sensitivität
42 % (30-56)
63 % (54-72)
Spezifität
99 % (98-99)
99 % (98-99)
PPW
64 % (47-79)
84 % (74-91)
NPW
97 % (95-98)
96 % (94-97)
Sensitivität
46 % (33-59)
69 % (59-77)
Spezifität
98 % (97-99)
98 % (97-99)
PPW
55 % (40-69)
78 % (68-86)
NPW
97 % (95-98)
96 % (95-98)
Sensitivität
59 % (46-72)
70 % (60-78)
Spezifität
94 % (92-95)
94 % (92-95)
PPW
36 % (27-47)
56 % (47-64)
NPW
97 % (96-98)
96 % (95-98)
Sensitivität
42 % (30-56)
71 % (62-80)
Spezifität
91 % (89-93)
91 % (89-93)
PPW
26 % (17-36)
53 % (45-62)
NPW
96 % (94-97)
96 % (94-97)
Tabelle 9 zeigt die Sensitivität, Spezifität, den PPW (Positiver prädiktiver Wert) und
den NPW (Negativer prädiktiver Wert) für anti-CCP2-AK, anti-MCV-AK und den RF
(IgM) sowohl für die frühe- als auch für die etablierte RA.
- 51 -
Abbildung 5
Abbildung 5 zeigt die Sensitivität (in %) für anti-CCP2-AK, anti-MCV-AK und RF
(IgM) für die frühe RA
Abbildung 6
Abbildung 6 zeigt die Spezifität (in %) von anti-CCP2-AK, anti-MCV-AK und RF
(IgM) für die frühe RA
- 52 -
Abbildung 7
Abbildung 7 zeigt einen Boxplot über anti-CCP2-AK für die frühe und die etablierte RA
verglichen mit der Kontrollgruppe.
Tabelle 10
ACPA: CCP2
Median
Standardabweichung
Kontrollgruppe
1
11
Frühe RA
2
143
Etablierte RA
131
158
Tabelle 10 zeigt den Median und die Standardabweichung in U/ml von anti-CCP2-AK bei
der Kontrollgruppe, der frühen RA und der etablierten RA.
Tabelle 11
Kontrollgruppe ACPA: CCP2
Wert (U/ml)
150
145
118
65
65
Diagnose
Arthritis psoriatica
Arthrosen
Polyarthralgien
Polyarthralgien
Arthritis psoriatica
Tabelle 11 zeigt an, welche Diagnosen (+Wert in U/ml) die anti-CCP2-AK positiven Ausreißer der Kontrollgruppe haben. (siehe Boxplot Abbildung 7)
- 53 -
Abbildung 8
Abbildung 8 zeigt einen Boxplot über anti-MCV-AK für die frühe und die etablierte RA
verglichen mit der Kontrollgruppe
Tabelle 12
Kontrollgruppe
Frühe RA
Etablierte RA
Anti-MCV-AK
Median
9
26
57
Standardabweichung
51
321
397
Tabelle 12 zeigt den Median und die Standardabweichung in U/ml von anti-MCV-AK bei
der Kontrollgruppe, der frühen RA und der etablierten RA.
Tabelle 13
Kontrollgruppe MCV
Wert (U/ml)
1000
450
270
234
100
Diagnose
Polyarthrose mit Sarkoidose
Polyarthrose
Polarthralgien
Spondylarthropathie
Fingerpolyarthrose
Tabelle 13 zeigt an, welche Diagnosen (+Wert in U/ml) die anti-MCV-AK positiven Ausreißer der Kontrollgruppe haben. (siege Boxplot Abbildung 8)
- 54 -
Likelihood Ratio für die frühe RA
Tabelle 14
Anti-CCP2-AK
Anti-MCV-AK
RF (IgM)
LR+
23
10
5
LR0,55
0,44
0,64
Tabelle 14 zeigt die Likelihood Ratio von anti-CCP2-AK und anti-MCV-AK für die frühe
RA
Likelihood Ratio für die etablierte RA
Tabelle 15
Anti-CCP2-AK
Anti-MCV-AK
RF (IgM)
LR+
35
12
8
LR0,32
0,32
0,32
Tabelle 15 zeigt die Likelihood Ratio von anti-CCP2-AK und anti-MCV-AK für die etablierte RA
- 55 -
13. Diskussion
Die rheumatoide Arthritis (RA) ist nicht nur die häufigste Form einer Arthritis, sie
hat auch erhebliche gesellschaftliche Auswirkungen in Hinblick auf Produktivitätsverlust und gesellschaftliche Kosten. (2,81,82)
Eine gezielte Behandlung in der Frühphase der Erkrankung kann die Prognose
deutlich verbessern und mögliche Folgeschäden minimieren. Um die RA in der Frühphase der Erkrankung von anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zu differenzieren, sind spezifische serologische Marker wünschenswert. (62,83-85)
Bis dato konnte in mehreren Studien die hohe diagnostische Wertigkeit von Antikörpern gegen citrullinierte Peptide für die frühe RA demonstriert werden. (74) In den
meisten Studien erreichten Antikörper gegen citrullinierte Peptide eine Spezifität von
deutlich über 90 %. Die Sensitivität hingegen erreichte je nach Studie klar geringere
und heterogenere Werte (33-88 %). (86)
Die Zielsetzung meiner Arbeit war es herauszufinden, welche Wertigkeit antiCCP2-AK und anti-MCV-AK verglichen mit dem RF (IgM) für die Diagnostik der frühen RA haben. Dafür konnte ein relativ großes Patientenkollektiv (n=988) mit gesicherten Diagnosen zum Vergleich herangezogen werden. Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse:
Tabelle 16
Anti-CCP2-AK
Anti-MCV-AK
aCCP2- plus
RF (IgM)
aMCV-AK
Sensitivität
46 %
59 %
42 %
42 %
Spezifität
98 %
94 %
99 %
91 %
Tabelle 16 zeigt die Sensitivität und die Spezifität für anti-CCP2-AK, anti-MCV-AK
und dem RF (IgM) für die frühe RA
- 56 -
Als Ergebnis zeigte sich, dass anti-CCP2-AK und anti-MCV-AK für die Diagnostik
der frühen RA hinsichtlich Spezifität annähernd gleichwertig (98 % vs. 94 %) sind. Eine
Kombination der beiden Antikörper erhöhte die Spezifität auf 99 Prozent.
Insgesamt scheint der anti-CCP2-AK für die Diagnose der RA etwas zuverlässiger
zu sein, was sich in der geringeren Anzahl falsch positiver Werte (8 vs.48) niederschlägt. In unklaren fällen kann eine zusätzliche Bestimmung der anti-MCV-AK jedoch
durchaus einen weiteren Informationsgewinn bedeuten. Unsere Ergebnisse liegen damit
im Bereich internationaler Studien.
13.1 Schlussfolgerung
Anti-CCP2-AK und anti-MCV-AK sind hochspezifische und gleichwertige Marker
für die frühe RA. Die geringe Sensitivität von 46 % (anti-CCP2) bzw. 59 % (anti-MCV)
bei der frühen RA sagt aus, dass ein negativer Test eine mögliche RA nicht ausschließt.
Durch die hohe Spezifität von 98 % (aCCP2) bzw. 94 % (anti-MCV) hat ein positiver Test dafür eine hohe Aussagekraft, dass eine RA vorliegt. Folglich identifiziert ein
positiver anti-CCP2-AK- bzw. anti-MCV-AK Test Patienten mit früher RA mit hoher
Wahrscheinlichkeit.
Nicht zuletzt deswegen wurde der anti-CCP2-AK in den neuen 2010 ACR/EULAR
Klassifikationskriterien neben dem Rheumafaktor (IgM) als neuer serologischer Marker
berücksichtigt.
- 57 -
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15. Curriculum vitae
Persönliche Daten
Name:
Markus SCHLATTL
Geboren am:
22. September 1979 in Kirchdorf a. d. Krems (OÖ)
Kontakt:
Landstraße 5, 4552 Wartberg a. d. Krems
Familienstand:
Verlobt; Sohn: Alexander (geb. 29. August 2009)
Hochschulausbildung
Medizinstudium:
2003-2010
Medizinische Universität Graz
Diplomarbeit:
„Welchen Rheumafaktor braucht man wirklich?“
Vergleich der Wertigkeit von anti-CCP2- und anti-MCV-AK
sowie des Rheumafaktors (IgM) für die Diagnostik der frühen rheumatoiden Arthritis; Prof. Dr. Winfried Graninger,
Klinische Abteilung für Rheumatologie und Immunologie,
Medizinische Universität Graz
Praktisches Studienjahr:
Abteilung für Akut- und Notfallmedizin (10 Wochen)
KH Barmherzige Brüder Linz, OA Dr. Firlinger
Allgemeinmedizin (5 Wochen)
Dr. Binder, Kirchdorf an der Krems
Abteilung für Augenheilkunde (5 Wochen)
KH Barmherzige Brüder Linz, Prof. Dr. Schönherr
Abteilung für Innere Medizin (10 Wochen)
KH Barmherzige Brüder Linz, Prof. Dr. Lenz
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Famulaturen:
Abteilung für Innere Medizin (4 Wochen)
Klinikum Wels/Grieskirchen, Prof. Dr. Knobloch
Abteilung für Herz- und Thoraxchirurgie (4 Wochen)
Klinikum Wels/Grieskirchen, Prim. Dr. Hartl
Abteilung für Tropenmedizin (5 Wochen)
Hospital Endulen, Tanzania, Dr. Adams
Abteilung für Innere Medizin (4 Wochen)
Klinikum Wels/Grieskirchen, Prim. Dr. Kramar
Abteilung für Unfall- und Sporttraumatologie (4 Wochen)
LKH Grieskirchen, Prim. Dr. Romankiewicz
Vertiefte Ausbildung und spezielle Studienmodule (Auswahl):
Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen (Prof. Ammer)
Medizinische Parasitologie (Prof. Reinthaler)
Klinisch-topografische Anatomie der Kopf-Hals-Region
(Prof. Weiglein)
Klinisch-topografische Anatomie der Extremitäten
(Prof. Anderhuber)
Basic Medical Communication 1+2 (Hr. Paeston)
Biopsychosoziale Medizin, Anamnesegruppe (Prof.
Pieringer)
Phantomübungen für Anästhesie und Intensivmedizin
(Prof. Schwarz)
Planung und effiziente Durchführung wissenschaftl. Arbeiten
(Prof. Pessenhofer)
„Fehlerkultur“ im Stationären- und im Praxis-Bereich
(Institut für konkrete Ethik, Linz)
Praxisnahe Schmerztherapie (Prof. Sandner-Kiesling)
Ringvorlesung Notfallmedizin (Prof. Prause)
EKG-Seminar (Prof. Zweiker)
Fallbeispiele Innere Medizin (Prof. Skrabal)
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Berufsausübung
2001-2003
LKH Kirchdorf an der Krems
Tätig als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger
Station: Unfallambulanz, Schockraum, Wundversorgung und
Endoskopie
2000-2001
Seniorenheim Schoß Hall, in Bad Hall
Tätig als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger
Präsenzdienst
2001
Kaserne Linz/Hörsching und Kirchdorf
Ausbildung zum Rettungssanitäter und Rettungskraftfahrer
Schulausbildung
2001-2003
Berufsreifeprüfung BFI Wels und Kirchdorf
bzw. HBLA Landwied Linz;
in den Fächern: Deutsch, Englisch, Mathematik und Biologie
Externistenprüfung in Latein
1997-2000
Krankenpflegeschule in Kirchdorf an der Krems
Abschluss mit Diplom
1994-1997
Handelsschule in Kirchdorf an der Krems
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