Epilepsien • • • • • Epilepsien Formen – Ursachen – Therapie - verwandte Symptomatiken Geschichte Formen Ursachen Therapie Differentialdiagnose Dr. med. Gottfried Maria Barth, M.A. Terminologie 2 Barth 2011 Epilepsie und epileptischer Anfall = zerebraler Krampfanfall • Begriff griechisch und lateinisch: der Anfall, der Übergriff, ergreifen, packen, anfallen, „überraschender Angriff“ einzelne zerebrale Krampfanfälle als Gelegenheitsanfälle durch exogene Ursachen wie Fieber, Vergiftungen, Blutzuckerdysregulation 5% aller Menschen betroffen 3 Barth 2011 erhöhte Krampfbereitschaft (z.B. im EEG): 10% aller Menschen 4 Epilepsie als Krankheit von wiederholten zerebralen Krampfanfällen ohne besonderen Anlass 1% aller Menschen betroffen • deutsch: Krampfleiden Fallsucht Barth 2011 Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes und Jugendalter der Universitätsklinik Tübingen Barth 2011 [email protected] Telefon: +49-7071-29 8 65 33 Osianderstraße 16, D-72076 Tübingen, Germany http://www.medizin.uni-tuebingen.de/ppkj/ 1 Email: Ursachen zerebraler Krampfanfälle • • Postiktale Lähmung (Todd-Parese) • Hirnödem durch Hypoxie, Hypoglykämie, etc. • Einnässen 6 • Unfälle Geschichte Barth 2011 • • • • • • • Äußere Verletzungen (Zungenbiss, Sturzverletzungen, …) Vorkommen • 1500 v. Chr.: Rückgaberecht von Sklaven bei epileptischem Anfall innerhalb eines Monats • Viele berühmte Personen litten an einer Epilepsie: – Alexander der Große – Dostojewski –… • Hippokrates (430 v. Chr.): „Epilepsie“ = Heilige Krankheit Barth 2011 7 genaue Beschreibung epileptischer Anfälle Entstehung der Krankheit im Gehirn • In Deutschland derzeit ca. 800 000 • In Tübingen 400 - 500 8 • Primäre bzw. genuine Epilepsie • Posttraumatische Epilepsie • Alkoholentzug • Intoxikation • Medikamentös z.B. unter Psychopharmaka • Gehirntumor • Flüssigkeitsmangel • Reizüberflutung Fieberkrampf Hypoglykämie Elektrolytstörung (Na, Ca) Flüssigkeitsmangel Meningitis, Enzephalitis (viral, bakteriell) Hirnabszess Schädel-Hirn-Trauma Genuine Epilepsie Intoxikation „battered child“ Hirnblutung (Vit.-KProphylaxe, Gefäßmissbildung) Reizüberflutung Barth 2011 • • • • • 5 Bei Erwachsenen Barth 2011 Bei Kindern Folgen zerebraler Krampfanfälle Art der Krämpfe Einteilung • Tonische Krämpfe • der epileptischen Anfälle Lang anhaltende Muskelkontraktionen • der Epilepsien • Klonische Krämpfe Schnell aufeinander folgende Muskelzuckungen Einteilung der epileptischen Anfälle Barth 2011 Barth 2011 9 10 • der Ursachen fokale und generalisierte Anfälle • Fokale Anfälle fokal generalisiert • Generalisierte Anfälle 11 12 Barth 2011 Barth 2011 • nicht klassifizierbare Anfälle Einteilung der epileptischen Anfälle Einteilung der epileptischen Anfälle • • Fokale Anfälle • Generalisierte Anfälle – einfache fokale Anfälle Bewusstsein ist erhalten Absencen Myoklonische Anfälle klonische Anfälle tonische Anfälle tonisch-klonische Anfälle (Grand mal) – atonische (astatische) Anfälle mit Bewusstseinsstörung nicht klassifizierbare Anfälle • nicht klassifizierbare Anfälle Einteilung der epileptischen Anfälle Barth 2011 • Barth 2011 Generalisierte Anfälle 13 – fokale Anfälle mit Entwicklung zu sekundär generalisierten Anfällen 14 – – – – – – komplexe fokale Anfälle • Fokale Anfälle Verlauf von Anfällen • Aura (viszeral, sonsorisch, visuell, • Fokale Anfälle Konzentrationsschwierigkeiten, Vergesslichkeit, …) • singulärer Anfall • Generalisierte Anfälle • Terminalschlaf (bis zu Stunden) • nicht klassifizierbare Anfälle • Status epilepticus (> 15-20 min oder – zu wenige Informationen – nicht klar zuzuordnen 16 • Multiple Anfallsformen (generalisiert und fokal) Barth 2011 Barth 2011 15 Bewusstlosigkeit zwischen einzelnen Anfällen) Epilepsien und epileptische Syndrome Epilepsien und epileptische Syndrome • fokale Epilepsien und Syndrome II • fokale Epilepsien und Syndrome – Temporallappenepilepsie – benigne Epilepsie im Kindesalter mit zentrotemporalen spikes (Rolando-Epilepsie, häufigste Form im Kindesalter) • viszerale Aura, dann Bewusstseinsverlust • Mund, Hand, ganzer Körper – Frontallappenepilepsie (v.a. schlafgebunden) • klonische oder myoklonische Anfälle v.a. im Schlaf • heilt mit Pubertät aus • Automatismen, Sprachäußerungen • tonische und klonische Anfälle – Epilepsie im Kindesalter mit ozipitalen spikes – Primäre Leseepilepsie – Parietallappenepilepsie • sensorisch • v.a. beim lauten Lesen – Okzipitallappenepilepsie – Epilepsia partialis continua Epilepsien und epileptische Syndrome 18 Epilepsien und epileptische Syndrome • generalisierte Epilepsien und Syndrome • generalisierte Epilepsien und Syndrome II – idiopathisch – kryptogen oder symptomatisch 20 – symptomatisch Barth 2011 19 • West-Syndrom (BNS-Krämpfe) (mit Hypsarrhythmie) • Lennox-Gastaut-Syndrom (schwerste Form) • Epilepsie mit myoklonisch-astatischen Anfällen (Doose Syndrom) • Epilepsie mit myoklonischen Absencen Barth 2011 • benigne familiäre Neugeborenenkrämpfe (max. 6 Monate) • benigne Neugeborenenkrämpfe (5. Lebenstag) • benigne myoklonische Epilepsie des Kindesalters • Absenceepilepsie des Kindesalters (pyknoleptische Absencen) (5-15 sec.) • juvenile Absenceepilepsie • juvenile myoklonische Epilepsie (Janz) (Impulsiv petit mal) • Epilepsie mit Aufwach-grand-mal Barth 2011 Barth 2011 17 • visuelle Halluzinationen, Blindheit Epilepsien und epileptische Syndrome Verursachung der Epilepsie • nicht fokal oder generalisiert – Neugeborenenkrämpfe – schwere myoklonische Epilesie des Kleinkindesalters – Epilespsie mit anhaltenden Spike-wave-Entladungen im synchronisierten Schlaf – Aphasie-Epilepsie-Syndrom (Landau Kleffner) 22 Barth 2011 Barth 2011 • Fieberkrämpfe 21 – Gelegenheitskrämpfe Ursachen von Epilepsien Disposition Fehlbildung Gefäßmissbildungen im Gehirn Hirntumoren Schädeltraumen Infektionen des Gehirns (Enzephalitis) Stoffwechselerkrankungen Eklampsie vaskuläre Enzephalopathie (Arteriosklerose) 24 Barth 2011 Fieber Schlafentzug exzessive körperliche Anstrengung Flimmerlicht, Stroboskopeffekt Hypoglykämie Drogen: Alkohol, Entzug, Ecstasy, Kokain Psychopharmaka 23 • • • • • • • Barth 2011 • • • • • • • • • Ursachen von Gelegenheitskrämpfen Autosomal dominant Absenceepilepsie des Kindesalters komplex Juvenile myoklonische Epilepsie komplex Nordisches Epilespiesyndrom Autosomal rezessiv Generalisierte Epilepsie mit Fieberkrämpfen Autosomal dominant Benigne fokale Epilepsie mit zentrotemporalen Spikes komplex Autosomal dominante nächtliche Frontallappenepilepsie Autosomal dominant Familiäre temporallappenepilepsie Autosomal dominant 26 Benigne familiäre infantile Krampfanfälle 27 28 Barth 2011 Auswirkungen fokaler Anfälle: Gehirnareale Barth 2011 Auswirkungen fokaler Anfälle: Gehirnareale Barth 2011 Autosomal dominant Barth 2011 Benigne familiäre neonatale Krampfanfälle Ursachen: rhythmische Entladungen 25 Genetisch bedingte Epilepsieformen 31 32 Barth 2011 Diagnostik: EEG-Ableitung Barth 2011 Diagnostik: Anamnese Barth 2011 Barth 2011 30 Anfallsausbreitung 29 Fokale Ursachen EEG Typisches EEG bei Absencen Diagnostik: Stimulation 34 Barth 2011 Barth 2011 33 Spike-waves Therapie • Im akuten Anfall • Im Intervall zu Vermeidung von Anfällen • Unterbrechung/ Vermeidung von Anfällen • Schutz vor Verletzungen und anderen Folgen 35 36 Barth 2011 Barth 2011 • Medikamentös • Andere Maßnahmen Maßnahmen des Rettungsdienstes • • • • • • • • Beseitigung von Verletzungsquellen Wenn möglich Kopfseitenlage Notarztruf Kein Festhalten Wenn möglich Schutz vor Zuungenbiss (kein Finger, kein Beißkeil) • Kontrolle der Vitalfunktionen Ständige Kontrolle der Vitalfunktionen Atemwegssicherung Sauerstoff-Zufuhr Vorbereitung für Injektionen Blutzuckerwert feststellen Blutabnahme Ermittlung von Informationen Transport in Klinik, wenn möglich ohne Sonderrechte (wegen Anfallsauslösung) 39 40 Barth 2011 Therapie der Epilepsie Barth 2011 Unterbrechung eines akuten Anfalls Barth 2011 Barth 2011 37 • • • • • 38 Allgemeine Maßnahmen bei Anfall 42 Barth 2011 Barth 2011 Zur Vorbeugung epileptischer Anfälle haben sich in erster Linie Valproinsäure, Carbamazepin und sein Ketoanalog Oxcarbazepin etabliert. Carbamazepin gilt dabei als Mittel der Wahl zur Dauerbehandlung fokaler Anfälle, während Valproinsäure bei der Dauerbehandlung primär generalisierter Anfälle bevorzugt wird. Als Monotherapeutika stehen darüber hinaus die klassischen Antiepileptika Phenytoin, Phenobarbital und Primidon mit allerdings recht ungünstigem Nebenwirkungsprofil zur Verfügung. Von den modernen Antiepileptika haben auch Lamotrigin, Topiramat und Levetiracetam Zulassungen zur Monotherapie. Eine spezielle Gruppe von Epilepsien des Kindesalters, die benignen idiopathischen Partialepilepsien, werden bevorzugt mit Sultiam behandelt. Ihre Effekte erzielen diese Arzneistoffe über eine Erhöhung der Reizschwelle durch Hemmung von Natrium- Ionenkanälen (Valproinsäure, Carbamazepin, Oxcarbazepin und Phenytoin) oder durch eine Aktivierung von GABA-Rezeptoren (Phenobarbital und sein Prodrug Primidon) im Zentralnervensystem. 41 Therapiebeispiel Therapie: Operation 43 44 Barth 2011 Barth 2011 Therapie: Medikamentennebenwirkungen Therapie: Operationen Herdexstirpation Führerschein Arbeit Sport soziale Integration Kinderwunsch • • sehr selten (generalisierte große und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von mehr als einem Jahr; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Monaten) 40 • • • selten (generalisierte große und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Monaten; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen) 50–60 • • • mittlere Häufigkeit (generalisierte große und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Tagen) 60–80 • • • • • häufig (generalisierte große oder komplex-fokale Anfälle wöchentlich oder Serien von generalisierten Krampfanfällen, von fokal betonten oder von multifokalen Anfällen; kleine und einfach-fokale Anfälle täglich) 90–100 • Nach drei Jahren Anfallsfreiheit (bei weiterer Notwendigkeit von Behandlung mit Antiepileptika) 30 • Barth 2011 47 • Plötzlicher Tod bei Epilepsie Als SUDEP (von englisch: sudden unexpected death in epilepsy) wird ein plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie bezeichnet. In einer Studie wurden folgende Risikofaktoren identifiziert: •jüngeres Lebensalter •symptomatische Epilepsien mit nachweisbarer Gehirnveränderung •männliches Geschlecht •niedrige Serumkonzentration der eingenommenen Antiepileptika •generalisierte tonisch-klonische Anfälle •Schlaf Die Forschung nach Todesursachen von Epileptikern und die Erfassung ihrer Mortalität ist in Deutschland noch wenig ausgeprägt, weshalb nur wenige Informationen hierzu in der Literatur zu finden sind. Von den Menschen mit Epilepsie liegt die Sterblichkeitsrate bei 600 von 100.000 Personen pro Jahr, bei Neubetroffenen bei 60 von 100.000 Personen pro Jahr. Das Risiko für einen SUDEP liegt bei etwa 50 von 100.000 bis 100 von 100.000 Personen pro Jahr; liegt eine schwere Epilepsie oder eine neurologische Beeinträchtigung vor, sind es sogar bis zu 500 von 100.000 Personen pro Jahr. In Großbritannien wird die Zahl der an oder in Folge von Epilepsie gestorbenen Menschen mit 1000 pro Jahr angegeben. Es wird geschätzt, dass es sich bei den meisten dieser Todesfälle um SUDEP handelt. 48 Grad der Behinderung Barth 2011 Barth 2011 46 • • • • • 45 Callosotomie Hemisphärektomie Barth 2011 Temporallappenektomie Folgen Dissoziativer (hysterischer) Krampfanfall ? Epilespsie und Führerschein Briquet-Syndrom (1859): Hyperästhesie Anästhesie Verzerrte Sinneswahrnehmungen Krämpfe Anfälle Hysterische Paralyse Prädisponierende Faktoren: Weibliches Geschlecht Junges Alter Erblichkeit (bei 30% bei den Eltern nachweisbar) Niedriger Sozialstatus Erziehungsfaktoren (frühe Missbrauchserfahrungen, körperliche Mißhandlung) Keine sexuelle Abartigkeit 50 Barth 2011 Barth 2011 49 Auslöser: psychische und soziale Belastungen, aber auch körperliche Schwächezustände, Anämie und Menstruationsbeschwerden. Dissoziativer (hysterischer) Krampfanfall ? Dissoziativer (hysterischer) Krampfanfall ? Lebensalter 13 14 15 16 17 18 Abasie-Astasie, Lähmungen, Seh- und Hörstörungen Pseudologe Tendenzen, Hyperventilation, Schluck- und Schlingstörungen (Dysphagie) Ausnahmezustände, Schwindelerscheinungen, Psychogene Anfälle, Hystero-Epilepsie, Globusgefühl Sensibilitätsstörungen (Hyp-, An- und Hyperalgesien), Schweratmigkeit, Heiserkeit, Husten, Dysmenorrhöen Episodische Dämmerzustände („Oneiroide“, Multiple Persönlichkeit“), Ganser-Syndrom Parasuicidale Handlungen, Lähmungserscheinungen, Bulimia nervosa, Anorexia nervosa Psychomotorische Erregungszustände, Pseudologia phantastica („sexueller Kindesmissbrauch“) 52 Somatoforme Störungen •Somatisierungsstörung •Hypochondrische Störung •Somatoforme autonome Funktionsstörung (kardiovaskulär, gastrointestinal, respiratorisch, urogenital) •Somatoforme Schmerzstörung Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen) •dissoziative Amnesie •dissoziative Fugue •dissoziativer Stupor •Trance und Besessenheitszustände •dissoziative Bewegungsstörungen •dissoziative Krampfanfälle •dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen •Ganser Syndrom •Multiple Persönlichkeitsstörung •vorübergehende dissoziative Störungen (Konversionsstörungen des Kindes- und Jugendalters) Weglaufen, Wutanfälle, Schreibkrampf, Tortikollis 0 Hysterische Persönlichkeitsstruktur, Psychosomatische Erkrankungen, Bewußtseinsstörungen Barth 2011 Somatoforme Störungen: •Konversionsstörung (mit motorischen oder sensorischen Symptomen, Anfällen oder Krämpfen) •Somatisierungsstörung •somatoforme Schmerzstörung •körperdysmorphe Störung •Hypochondrie Dissoziative Störungen •dissoziative Amnesie •dissoziative Fugue •dissoziative Identitätsstörung (Multiple Persönlichkeitsstörung) •evtl. Depersonalisationsstörung 10 11 12 51 ICD 10 Barth 2011 DSM IV Barth 2011 1 EEG Barth 2011 2 Unterbrechung eines akuten Anfalls Barth 2011 3 Epilespsie und Führerschein