Esoterische Philosophie Alice Bailey Band 19 DAS BEWUSSTSEIN DES ATOMS DAS BEWUSSTSEIN DES ATOMS von ALICE A. BAILEY Verlag: Association Lucis Trust, Genf 1, rue de Varembé 1211 Genf 20 Titel der englischen Originalausgabe: THE CONSCIOUSNESS OF THE ATOM Übersetzt von Erika Classen und Carola Holenia Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 1975 2. Auflage 1990 ISBN 2-88289-032X (o Copyright by Association Lucis Trust, Genf 1990 Inhalt ----------------------------- • Vorwort • Das Feld der Evolution • Die Evolution der Substanz • Die Evolution der Form oder Gruppenevolution • Die Evolution des Menschen, des Denkers • Die Evolution des Bewusstseins • Das Ziel der Evolution • Kosmische Evolution • VORWORT Die hier wiedergegebenen Vorträge wurden während des Winters 1921 in New York mit der Absicht gehalten, die Zuhörer mit den Beweisen der Wissenschaft für die Beziehung zwischen Materie und Bewusstsein bekanntzumachen. Sie sollten in die Lage versetzt werden zu erkennen, dass die Manifestation dieser Beziehungen sowie bestimmte Grundgesetze in aufeinanderfolgenden höheren Seinsstufen identisch sind und sollten sie zur Erkenntnis der Universalität des Evolutionsprozesses und seiner Tatsächlichkeit führen. Schliesslich sollte etwas vom Wesen der erweiterten Bewusstseinszustände und jenes umfassenderen Lebens anklingen, auf das die Menschheit sich zubewegt. Sie waren als Einführungsvorträge zu einem eingehenderen Studium und der Anwendung jener Gesetze des Lebens und der menschlichen Entwicklung gedacht, die gewöhnlich in dem Begriff «Okkultismus» zusammengefasst sind. Man wird in dieser Vortragsreihe häufigen Wiederholungen begegnen, weil jeder Vortrag kurz auf die Themen eingeht, die in den vorhergehenden behandelt wurden. Da ausserdem jedesmal neue Zuhörer hinzukamen, schien es notwendig, jeweils einen Überblick über den behandelten Stoff und eine Begründung für den bezogenen Standpunkt zu bieten. Ein weiterer Vorteil wurde darin gesehen, gewisse Grundkonzepte, die vielen neu waren, dem Gedächtnis der Hörer besser einprägen zu können, um dadurch die fortschreitende Ausweitung des Themas sofort zu begreifen und anzunehmen. Bei Drucklegung des Buches erschien es dann ratsam, den vollständigen Wortlaut der gesprochenen Texte beizubehalten. Wer bereits Schüler der esoterischen Weisheit ist, wird der Argumentationslinie ohne Schwierigkeit folgen können. Denjenigen, die sich zum erstenmal mit der Betrachtung der hier besprochenen Materie befassen, möge die gelegentliche Wiederholung der grundsätzlichen Aussagen zu rascherem Verständnis verhelfen, und es ist dieser Leserkreis, den das Buch vor allem ansprechen will. September 1922 #Alice A. Bailey • ERSTER VORTRAG - DAS FELD DER EVOLUTION Wahrscheinlich [11] hat es in der Geschichte des Denkens noch nie eine Periode gegeben, die der gegenwärtigen völlig ähnlich gewesen wäre. Die Denker überall sind sich zweier Dinge bewusst: erstens, dass die Region des Geheimnisvollen noch nie vorher so klar definiert worden ist und zweitens, dass diese Region leichter betreten werden kann, als es bisher der Fall war; sie wird sich deshalb vielleicht auch bereitfinden, einige ihrer Geheimnisse preiszugeben, wenn die Forscher aller Richtungen entschlossen und unbeirrbar weiterarbeiten. Die Probleme, die sich uns beim Studium der bekannten Fakten des Lebens und der Existenz bieten, sind einer klaren Definition viel zugänglicher geworden, und obwohl wir die Antworten auf unsere Fragen bis jetzt noch nicht kennen, obwohl wir auch die Lösungen für unsere Probleme noch nicht gefunden haben und kein Allheilmittel greifbar ist, das die Krankheiten der Welt heilen könnte, so sind allein schon die Tatsachen, dass wir diese Probleme definieren können, dass wir die Richtung angeben können, in der das Geheimnis liegt und das Licht, das Wissenschaft, Religion und Philosophie über ausgedehnte Gebiete verbreitet haben, die früher als undurchdringlich galten, eine Garantie für zukünftigen Erfolg. Wir wissen so viel mehr als dies vor 500 Jahren, ausser in den wenigen Zirkeln weiser Männer und Mystiker, der Fall war, wir haben so viele Naturgesetze entdeckt, selbst wenn wir sie bis jetzt noch nicht anwenden können, und das Wissen «Von den Dingen, wie sie sind» (ich wähle dieses Wort bewusst) hat immense Fortschritte gemacht. Dennoch, [12] das geheimnisvolle Land muss erst erschlossen werden und unsere Probleme sind zahlreich. Das fängt mit dem Problem unseres eigenen Lebens, was immer das sein mag, an; da ist das Problem dessen, was im weitesten Sinne als das «NichtSelbst» bezeichnet wird und unseren physischen Körper ebenso betrifft wie unsere Umgebung, unsere Lebensumstände und Lebensbedingungen. Falls wir mehr introspektiv geartet sind, bilden unsere individuellen Emotionen, Gedanken, Wünsche und Instinkte, durch die wir gewöhnt sind unser Handeln zu regeln, das Problem. Vielfältig sind auch die Probleme der Gruppen; warum sollte es Leiden, Hunger und Schmerz geben müssen? Warum sollte die Menschheit als Ganzes gesehen in so furchtbarer Armut, Krankheit und Beschwernis leben müssen? Welcher Zweck liegt all dem zugrunde, was wir rings um uns sehen und was wird einmal das Resultat der Weltereignisse als Ganzes sein? Was ist die Bestimmung der Menschenrasse, was ist ihr Ursprung und was erklärt ihre gegenwärtige Lage? Gibt es mehr als nur dies eine Leben und kann das einzig Interessante darin zu finden sein, was sichtbar und materiell ist? Immer wieder gehen uns solche Fragen durch den Kopf, genauso, wie sie die Denker bis zurück in die fernsten Zeiten bewegt haben. [13] Versuche, diese Fragen zu beantworten hat es genug gegeben, und wenn wir sie studieren, entdecken wir, dass die Antworten in drei Hauptgruppen zerfallen und drei prinzipielle Lösungen sich zur Betrachtung anbieten, nämlich: Erstens der Realismus. Eine andere Bezeichnung für diese Denkweise ist Materialismus. Er lehrt, dass «das, was unserem Bewusstsein von der Aussenwelt durch die Sinne dargeboten wird, wahr ist», dass die Dinge sind, wie sie zu sein scheinen; dass Materie und Kraft, wie wir sie kennen, die einzige Wirklichkeit sind und dass es dem Menschen nicht möglich ist, hinter das Berührbare zu schauen. Er sollte sich mit den Tatsachen begnügen, wie sie sind oder wie die Wissenschaft sie ihm erklärt. Das ist zweifellos eine durchaus legitime Methode zur Lösung der Fragen, nur finden einige von uns, dass sie nicht weit genug geht. Sie lehnt es ab, sich mit irgend etwas zu befassen, was jenseits dessen liegt, was bewiesen und anschaulich gemacht werden kann und hört genau an dem Punkt auf, wo der Frager sagt: «Also, das ist so aber warum?» Sie lässt vieles ausserhalb ihrer Berechnung, was beim Durchschnitt der Menschen schon als bekannt und wahr gilt, auch wenn man sich nicht erklären kann, warum man weiss, dass es wahr ist. Überall anerkennen die Menschen die Tatsachengenauigkeit der realistischen Denkrichtungen und der materialistischen Wissenschaft, spüren aber gleichzeitig aus sich heraus, dass irgend eine lebendige Kraft vorhanden sein muss, die dieser bewiesenen Manifestation zugrundeliegt, irgend ein planvoller Zusammenhang, der mit Materiebegriffen allein nicht erklärbar ist. Zweitens gibt [14] es den Standpunkt, der vielleicht am bezeichnendsten Supranaturalismus genannt werden kann. Dem Menschen wird bewusst, dass die Dinge, nach allem was man weiss, vielleicht doch nicht ganz das sind, was sie zu sein scheinen und noch viel Unerklärbares übrigbleibt. Er erwacht zu der Erkenntnis, dass er selbst nicht lediglich eine Anhäufung physischer Atome, ein materielles Irgendwas und ein berührbarer Körper ist, sondern dass es latent in ihm ein Bewusstsein, eine Kraft gibt, die ihn mit allen anderen Mitgliedern der menschlichen Familie verbindet und gleichzeitig mit einer Macht ausserhalb seiner selbst, die er notgedrungen erklären muss. Das ist es, was zum Beispiel zur Bildung der christlichen und jüdischen Anschauung geführt hat, die einen Gott ausserhalb des Sonnensystems ansiedelt, der es zwar geschaffen hat, selbst aber ausserhalb blieb. Diese Glaubenssysteme lehren, dass die Welt durch eine Macht oder Wesenheit entstanden ist, welche die Welt zurecht regiert, unser kleines Menschenleben in der hohlen Hand hält und alle Dinge «liebevoll in Ordnung hält», entsprechend einer verborgenen Absicht, von der wir mit unserem endlichen Verstand keinen Schimmer haben, und die wir noch viel weniger begreifen können. Das ist der religiöse und «supranatürliche» Standpunkt. Er basiert auf dem wachsenden Selbst-Bewusstsein des Individuums und auf einem Erkennen seiner eigenen Göttlichkeit. Ebenso, wie der Standpunkt der realistischen Denkweise, stellt er lediglich eine Teilwahrheit dar und muss vervollständigt werden. Die [15] dritte Denkrichtung können wir die Idealistische nennen. Sie postuliert einen Evolutionsprozess innerhalb jeglicher Manifestation und identifiziert «Leben» mit dem kosmischen Prozess. Sie bildet den exakten Gegensatz zum Materialismus und stellt die «supranatürliche» Gottheit des religiösen Postulats in die Position einer grossen Wesenheit oder eines Lebens, das durch oder vermittels des Universums evolviert, ebenso, wie der Mensch durch das Mittel eines physischen Körpers evolvierendes Bewusstsein ist. In diesen drei Standpunkten, dem eindeutig materialistischen, dem rein supranatürlichen und dem idealistischen, haben wir die Hauptdenkrichtungen, mit denen man den kosmischen Prozess zu erklären versuchte. Alle drei sind Teilwahrheiten und keine ist ohne die anderen vollständig, denn folgt man nur einer, führt jede auf Nebengeleise und in Dunkelheit und lässt das zentrale Geheimnis noch ungelöst. Werden sie zu einer Synthese gebracht, verschmolzen und vereint, verkörpern sie möglicherweise (ich lege dies nur nahe) gerade so viel von der evolutionären Wahrheit, als der menschliche Verstand auf der gegenwärtigen Evolutionsstufe erfassen kann. Wir behandeln hier [16] grosse Probleme, mischen uns vielleicht gelegentlich in hohe und erhabene Dinge und überschreiten Grenzen, welche die anerkannte Domäne des Metaphysikers sind; und ausserdem unternehmen wir den Versuch, in ein paar kurzen Gesprächen zusammenzufassen, was alle Bibliotheken der Welt enthalten. Mit anderen Worten, wir versuchen das Unmögliche. Wir können also nichts weiter tun, als zuerst den einen und dann einen weiteren Aspekt der Wahrheit kurz und oberflächlich zu betrachten. Was uns dabei möglicherweise gelingen wird, kann lediglich ein Umriss der Grundrichtlinien der Evolution sein, eine Studie ihrer Bezogenheit aufeinander und auf uns selbst als bewusste Wesen; und schliesslich zu versuchen, das Wenige was wir wissen können zu verschmelzen und zu einer Synthese zu führen, bis eine generelle Idee von diesem ganzen Prozess klarer wird. Im Zusammenhang mit jeder Darstellung der Wahrheit dürfen wir nicht vergessen, dass jede von einem bestimmten Standpunkt ausgeht oder gemacht ist. Bevor wir nicht unsere mentalen Prozesse weiterentwickelt haben und ehe wir nicht fähig sind, sowohl in abstrakten als auch in konkreten Begriffen zu denken, wird es weder möglich sein, die Frage «Was ist Wahrheit?» vollständig zu beantworten, noch irgendeinen Aspekt dieser Wahrheit ganz vorurteilsfrei und unvoreingenommen zum Ausdruck zu bringen. Einige haben einen weiteren Horizont als andere und einige können die den verschiedenen Aspekten zugrundeliegende Einheit erkennen. Dagegen sind andere geneigt, ihre Ansicht und Interpretation für die [17] einzige zu halten. Ich hoffe, dass es mir in diesen Gesprächen gelingt, Ihren Blickwinkel um ein weniges zu erweitern. Denn ich hoffe, dass wir zur Erkenntnis gelangen, dass ein Mensch, der nur am wissenschaftlichen Aspekt interessiert ist und sich auf das Studium derjenigen Manifestationen beschränkt, die rein materiell sind, ebenso mit dem Studium des Göttlichen beschäftigt ist wie sein religiöser Bruder, den nur die spirituelle Seite interessiere; und dass der Philosoph ja letzten Endes den sehr notwendigen Aspekt der Intelligenz hervorhebt, die den Materieaspekt mit dem spirituellen verbindet, so dass beide in ein zusammenhängendes Ganzes übergehen. Es könnte sogar sein, dass wir durch Zusammenfügen dieser drei Linien, Wissenschaft, Religion und Philosophie, zu einer brauchbaren Kenntnis der Wahrheit gelangen, wie sie ist, wenn wir gleichzeitig nicht vergessen, dass die «Wahrheit in uns selber liegt». Niemals umfasst die Wahrheit, die ein einzelner zum Ausdruck bringt, sämtliche Ausdrucksmöglichkeiten dieser Wahrheit; und der einzige Zweck unseres Denkvermögens ist der, uns zu befähigen, konstruktiv für uns selbst in mentaler Materie zu gestalten und mit ihr zu wirken. Heute möchte ich nur den Plan umreissen, der den Unterbau für unsere künftigen Gespräche bilden und die wichtigsten Grundlinien der Evolution berühren soll. Am augenscheinlichsten ist natürlich die Linie, die mit der Evolution der Substanz zu tun hat, mit dem Studium des Atoms und dem Wesen der atomaren Materie. Nächste Woche werden wir darauf zu sprechen kommen. Die Wissenschaft hat uns viel über die Evolution des Atoms zu sagen und [18] hat seit dem Standpunkt von vor fünfzig Jahren eine grosse Wegstrecke bewältigt. Damals wurde das Atom als eine unteilbare Substanzeinheit angesehen; jetzt wird es als Energiezentrum und elektrische Kraft erkannt. Die Evolution der Substanz führt uns ganz natürlich zur Evolution der Formen oder der Anhäufung von Atomen und dadurch eröffnet sich die interessante Betrachtung von solchen Formen, die sich von rein materiellen unterscheiden - von Formen, die in reinerer Substanz existieren, wie etwa Gedankenformen, den rassischen Formen und den Formen von Organisationen. Bei diesem zweifachen Studium wird jeweils die Betonung auf einem der Aspekte der Gottheit liegen - falls Sie dafür den Begriff «Gottheit» nehmen wollen, oder, wenn Ihnen ein weniger konfessioneller Ausdruck lieber ist, eine der Manifestationen der Natur. Das führt uns zu Überlegungen über die Evolution der Intelligenz oder des Faktors Denkvermögen, der sich als methodische Absicht in allem auswirkt, was wir ringsum sehen. Das wird uns eine Welt offenbaren, die nicht blind ihren Weg verfolgt, sondern hinter der sich eine Art Planung, ein bestimmtes einheitliches Schema oder organisiertes Konzept verbirgt, das sich mit Hilfe materieller Formen auswirkt. Einer der Gründe, warum sich die Dinge so schwer verständlich machen, ist auch in der Tatsache zu suchen, dass wir uns mitten in einer Übergangsperiode befinden und der Plan bisher noch nicht vollkommen ist; wir sind dem Mechanismus zu nahe, weil wir selbst ein integraler Teil des Ganzen sind. Wir sehen [19] davon ein kleines Teilchen hier und ein anderes Teilchen dort, aber die ganze Grossartigkeit der Idee ist uns noch nicht sichtbar geworden. Wohl haben wir einmal eine Vision, einen hohen Moment der Offenbarung, aber wenn wir mit den Realitäten jeder Seite in Berührung kommen, erscheint uns fraglich, ob sich das Ideal verwirklichen lässt, denn die intelligente Beziehung zwischen der Form und dem, was sie benützt, scheint von einer Angleichung noch weit entfernt. Die Erkenntnis des Faktors Intelligenz bringt uns unvermeidlich zur Kontemplation über die Evolution des Bewusstseins in seinen vielen Formen, angefangen von den Bewusstseinstypen, die wir als untermenschlich ansehen, über die menschlichen, bis hin zu dem, was logisch als übermenschliches Bewusstsein (auch wenn das nicht demonstrierbar sein mag) postuliert werden kann. So wird die als nächstes auftauchende Frage lauten: Was ist hinter all dem verborgen? Gibt es hinter der objektiven Form und der sie belebenden Intelligenz eine Evolution, die der «Ich»- Fähigkeit, dem Ego im Menschen entspricht? Gibt es in der Natur und dem was wir rings um uns sehen etwas wie die Auswirkung der Absicht einer individualisierten, ihrer selbst bewussten Wesenheit? Wenn es solch ein Wesen, eine solche fundamentale Existenz gibt, dann müssten wir etwas von dessen intelligenter Aktivität sehen und beobachten können, wie sich seine Pläne erfolgreich entwickeln. Selbst wenn wir nicht beweisen können, dass Gott ist und dass die Gottheit existiert, ist es immerhin möglich zu sagen, dass die Hypothese von seiner Existenz ein vernünftiger, rationaler Vorschlag und eine mögliche Erklärung der vielen uns umgebenden Geheimnisse ist. Dazu muss aber erst einmal demonstriert werden, dass eine intelligente Absicht vermittels Formen aller Art, durch Rassen und Völker wirkt und durch alles, was wir in der modernen Zivilisation sich manifestieren sehen; die Schritte, die von dieser «Absicht» unternommen worden sind und die allmähliche Entwicklung des Plans müssen wir aufzeigen, und erst dann lässt sich möglicherweise erkennen, was uns in den künftigen Stadien bevorsteht. Lassen Sie [20] uns einen Augenblick überlegen, was mit den Worten «evolutiver Prozess» gemeint ist. Wir gebrauchen dauernd diese Worte und im allgemeinen weiss man, dass «Evolution» ein Entfalten von innen nach aussen bedeutet, also das, was sich aus einem inneren Zentrum her entrollt. Aber es ist wichtig, die Idee klarer zu definieren, um eine deutlichere Vorstellung zu bekommen. Eine der treffendsten Definitionen, die mir untergekommen sind, besagt, dass «Evolution die Entfaltung einer stetig zunehmenden Reaktionsfähigkeit ist». Hier haben wir eine sehr einleuchtende Begriffsbestimmung bei der Betrachtung der Manifestation des Materieaspektes. Sie beinhaltet das Konzept der Schwingung und der Reaktion auf Schwingung, und selbst wenn wir mit der Zeit den Begriff «Materie» aufgeben und stattdessen vielleicht «Kraftzentrum» sagen wollen, bleibt das Konzept doch gültig und die Reaktion des Zentrums auf Stimulierung wird sogar noch genauer [21] erkennbar. Bei Betrachtung des menschlichen Bewusstseins ist genau diese Definition sogar wirklich wertvoll. Sie enthält die Idee einer allmählich zunehmenden Verwirklichung, nämlich der sich entwickelnden Antwort des subjektiven Lebens auf seine Umwelt; und sie kann uns schliesslich weiter und bis hinauf zum Ideal einer geeinten Existenz führen, welche die Synthese aller Evolutionswege ist, und zum Begreifen eines zentralen Lebens oder einer Kraft, die alle evolvierenden Einheiten verbindet und zusammenhält, ob es Materieeinheiten wie das Atom des Physikers und Chemikers, oder Bewusstseinseinheiten wie menschliche Wesen sind. Das ist Evolution, nämlich der Vorgang, der das Leben in allen Einheiten zur Entfaltung bringt, der Drang zur Entwicklung, der schliesslich zur Verschmelzung aller Einheiten und Gruppen führt, bis wir die Gesamtsumme der Manifestation haben, die Natur oder Gott genannt werden kann und die das Aggregat aller Bewusstseinszustände ist. Das ist der «Gott», auf den sich der Christ bezieht, wenn er sagt, «in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir»; das ist die Kraft oder Energie, die der Wissenschaftler anerkennt; und es ist das universale Denken oder die Überseele des Philosophen. Das ist auch der intelligente Wille, der lenkt, formuliert, bindet, erbaut und entwickelt und alles letztlich zur Vollkommenheit bringt. Das ist die der Materie selbst innewohnende Vollkommenheit und die Tendenz, die im Atom, im Menschen und in allem was ist, latent vorhanden [22] ist. Diese Interpretation sieht den Evolutionsprozess nicht als das Wirken einer ausserhalb befindlichen Gottheit, die ihre Energie und Weisheit auf eine erwartungsvolle Welt ausgiesst, sondern vielmehr als etwas, das selbst in dieser Welt latent vorhanden ist, denn es liegt verborgen im Kern des Atoms, im Herzen des Menschen selbst, im Planeten und im Sonnensystem. Es ist jenes Etwas, das alles seinem Ziel entgegentreibt und die Kraft, die allmählich aus dem Chaos Ordnung schafft; letzte Vollkommenheit aus der zeitweiligen Unvollkommenheit; Gutes aus scheinbar Bösem; und aus dem Dunkel und Unheil das, was wir eines Tages als schön, wahr und recht erkennen werden. Es ist alles das, was wir in unseren höchsten und besten Augenblicken visionär erschaut und erkannt haben. Evolution wurde auch schon als «zyklische Entwicklung» definiert und diese Definition bringt mich auf einen Gedanken, von dem ich dringend wünsche, wir könnten ihn voll erfassen. Die Natur wiederholt sich ohne Unterlass, so lange, bis ein definitives Ende irgend einer Art erreicht ist, bestimmte konkrete Ergebnisse zustandegebracht und bestimmte Reaktionen auf Schwingungen zustandegekommen sind. Durch Erkenntnis dieser zustandegekommenen Ergebnisse ist die intelligente Absicht der innewohnenden Existenz demonstrierbar. Die hierbei anzuwendende Methode ist Unterscheidung oder intelligente Auswahl. In den Textbüchern der verschiedenen Denkschulen werden häufig Worte gebraucht, welche die gleiche generelle Idee vermitteln sollen, wie zum Beispiel «natürliche Selektion» oder «Anziehung und Abstossung». Wenn möglich möchte ich solche Fachausdrücke vermeiden, denn sie bedeuten in der einen Denkrichtung etwas ganz anderes als in einer anderen. Wenn wir ein Wort finden können, welches das gleiche sagen will, aber nicht auf eine spezielle Denkrichtung festgelegt ist, können wir unser Problem [23] in neuem Licht erkennen. Im Sonnensystem sind Anziehung und Abstossung nichts weiter als die Unterscheidungsfähigkeit des Atoms oder des Menschen, die sich in den Planeten und der Sonne demonstriert. Diese Fähigkeit findet sich in Atomen aller Art und wir können sie «Anpassung» nennen, wenn wir wollen oder die Kraft, zu wachsen und durch Zurückweisen bestimmter Faktoren und Annehmen anderer, die jeweilige Lebenseinheit ihrer Umgebung anzupassen. Im Menschen äussert sich die Unterscheidungsfähigkeit als freier Wille oder als die Fähigkeit, eine Wahl zu treffen; im geistigen Menschen ist sie als die Tendenz zu Opferbereitschaft erkennbar, denn dann wählt er eine bestimmte Handlungsweise im Hinblick auf das Wohl der Gruppe, der er angehört und lehnt ab, was rein selbstsüchtiger Natur ist. Und schliesslich könnten wir Evolution auch als «geordnete Veränderung» und konstante Mutation definieren. Sie äussert sich als unaufhörliche Aktivität der Lebenseinheit, des Atoms, in der Wechselwirkung zwischen Gruppen und dem endlosen Einwirken von einer Kraft oder Energieart auf eine andere. Wir sehen also, dass Evolution, ob die der Materie, der Intelligenz, des Bewusstseins oder des Geistes, in einer sich ständig steigernden Fähigkeit besteht, auf Schwingung zu reagieren; dass sie durch unaufhörlichen Wandel fortschreitet und zwar durch Anwendung eines selektiven Verfahrens, das wir Unterscheidungsfähigkeit nennen und durch die Methode zyklischer Entwicklung oder Wiederholung. Die Stadien, [24] die den evolutiven Vorgang kennzeichnen, können grob in drei Stufen übersichtlich gemacht werden, die den Stadien im menschlichen Leben entsprechen: Kindheit, Jugend und Reife. Beim Menschen lassen sich diese Stadien im Individuum oder in der Rasse verfolgen, und je weiter die Zivilisationen fortschreiten und je mehr Zivilisationen wir hinter uns bringen, desto eher wird es möglich werden, diese dreifache Idee in der Menschenfamilie als Ganzes zu erkennen und so die göttliche Absicht durch das Studium seines Abbilds, seines Spiegelbildes, des MENSCHEN, zu ermitteln. Wir können diese drei Stadien auch in wissenschaftlicheren Begriffen ausdrücken und mit den drei beschriebenen Denkrichtungen in Verbindung bringen, und studieren sie dann als a. die Stufe der Atomenergie, b. die Stufe der Gruppenkohärenz, c. die Stufe der geeinten oder zur Synthese gebrachten Existenz. Lassen Sie mich versuchen, zu erklären, was ich meine. Die Stufe der Atomenergie betrifft grösstenteils die materielle Seite des Lebens und entspricht der Kindheitsperiode eines Menschen oder einer Rasse. Es ist die Periode der Realitätsbezogenheit, der lebhaften Aktivität, vor allem der Entwicklung durch Handeln, oder der reinen Selbstbezogenheit und des Eigeninteresses. Sie bringt die materialistische Anschauung hervor und führt unweigerlich [25] zu Egozentrik. Denn sie beinhaltet die Erkenntnis des Atoms als ein in sich Abgeschlossenes und erkennt ebenso die menschliche Einheit als ein separates, von allen anderen Einheiten abgetrenntes Leben ohne Beziehung zu den anderen Lebenseinheiten. Ein solches Stadium ist bei den wenig entwickelten Rassen der Welt, aber auch bei kleinen Kindern und Unterentwickelten zu beobachten. Sie sind normal auf sich selbst konzentriert, ihre Energien kreisen um das eigene Leben, und sie beschäftigen sich nur mit objektiven und berührbaren Dingen; ihr Charakteristikum ist eine notwendige Selbstsucht, die sie schützt. Es ist dies ein für die Entwicklung und Fortdauer der Rasse sehr wichtiges Stadium. Aus dieser selbstbezogenen, atomischen Periode entwickelt sich die nächste, die der Gruppenkohärenz. In ihr bilden sich die Formen und Arten, bis endlich etwas kohärentes und in sich individualisiertes Ganzes entstanden ist, das jedoch aus vielen niedrigeren Individualitäten und Formen zusammengesetzt ist. Beim menschlichen Wesen entspricht das dem erwachenden Verständnis für Verantwortlichkeit und dem Erkennen des eigenen Platzes in der Gruppe. Es bedingt die Fähigkeit, seinerseits zu erkennen, dass es ein grösseres Leben gibt als das eigene, ob dieses Leben «Gott» genannt oder einfach als das Leben der Gruppe, zu der ein Mensch als Einheit gehört, aufgefasst wird, nämlich jene grosse Identität, von der jeder von uns ein Teil ist. Das entspricht der Denkrichtung die wir die «supranatürliche» genannt haben und die im Lauf der Zeit von einer zutreffenderen, breiteren Konzeption abgelöst werden muss. Wie wir bereits gesehen haben, entwickelte sich das erste (Atom) Stadium durch das Mittel der Selbstsucht oder das selbstzentrierte Leben des Atoms (ob des Substanzatoms oder des menschlichen Atoms). Das [26] zweite Stadium kommt zur Vollendung durch das Opfer der einzelnen Einheit für das Wohl der Vielen und des Atoms für die Gruppe von Atomen, in der es seinen Platz hat. Über dieses Stadium wissen wir bis jetzt praktisch noch wenig und es ist das, was wir uns oft visionär vorstellen und erhoffen. Das dritte Stadium liegt noch in weiter Ferne und mag vielleicht als wesenloses Hirngespinst gelten. Aber für einige von uns ist es eine Vision, die gegenwärtig zwar noch unerreichbar, aber dennoch logisch möglich ist, wenn unsere Prämissen korrekt sind und unsere Begründung richtig definiert ist. Es ist das Stadium der «geeinten Existenz». In dieser Vereinigung wird es nicht nur die getrennten Bewusstseinseinheiten geben, nicht nur die differenzierten Atome innerhalb der Form, nicht nur die aus einer Vielfalt von Identitäten zusammengesetzte Gruppe, sondern wir werden das Aggregat aller Formen, aller Gruppen und Bewusstseinszustände verschmolzen, vereint und in einem vollkommenen Ganzen zur Synthese gebracht erleben. Dieses Ganze mag man das Sonnensystem nennen, oder die Natur, oder man nennt es Gott. Namen tun nichts zur Sache. Dieses Stadium entspricht dem Erwachsensein im Menschen, es findet seine Analogie zur Periode der Reife und zu der Stufe, in der ein Mensch sich ein definitives Ziel und einen Lebenszweck geschaffen haben sollte, mit einem festumrissenen Plan vor Augen, den er mit Hilfe seiner Intelligenz zu verwirklichen [27] sucht. Wenn es mir gelingt, möchte ich zeigen, dass im Sonnensystem, im Planeten, in der menschlichen Familie und im Atom etwas derartiges vor sich geht. Ich bin sicher, wir werden beweisen können, dass es eine Intelligenz gibt, die allem zugrundeliegt; und dass aus Sondersein Einheit kommen wird, die durch Verbindung und Verschmelzung zu Gruppen hervorgerufen wird; und dass schliesslich aus den vielen Gruppen das eine vollkommene, voll bewusste Ganze hervorkommen wird, das aus Myriaden getrennter Identitäten zusammengesetzt ist, beseelt von einer Absicht und einem Willen. Wenn das so ist, was ist dann der nächste praktische Schritt für diejenigen, die zu dieser Erkenntnis gekommen sind? Wie können wir dieses Ideal praktisch auf unser Leben anwenden und unsere unmittelbare Pflicht mit Gewissheit erkennen, damit wir an diesem Plan teilnehmen und ihn bewusst fördern können? In diesem kosmischen Prozess hat jeder von uns zweifellos seinen winzigen Anteil und darum sollte jeder tätig verbrachte Tag uns die uns zugedachte Rolle mit intelligentem Verständnis spielen sehen. Unser erstes Ziel ist ganz eindeutig die Verwirklichung unserer selbst durch die Praxis der Unterscheidungsfähigkeit. Wir müssen lernen, klar und selbständig zu denken, unsere eigenen Gedanken zu formulieren und unsere eigenen mentalen Vorgänge zu handhaben; wir müssen lernen, zu wissen was wir denken und warum wir es denken, wir müssen das Gesetz des Opfers studieren, um den Sinn des Gruppenbewusstseins herauszufinden. Wir müssen uns nicht nur durch das primäre Kindheitsstadium des Egoismus hindurchfinden (das gewiss schon hinter uns liegen sollte) und nicht nur lernen, das Wirkliche vom Unwirklichen zu unterscheiden, sondern wir müssen danach trachten, zu etwas noch weit Besseren weiterzustreben. Unser [28] unmittelbares Ziel müsste es sein, die Gruppe zu finden, zu der wir gehören. Wir gehören nicht zu allen Gruppen und können auch nicht bewusst unseren Standort in dem einen grossen Körper finden. Aber wir können eine Gruppe finden, in der wir wirklich unseren Platz haben, eine Gemeinschaft von Menschen, mit denen wir gemeinsam denken und zusammenarbeiten, Brüder oder Schwestern, denen wir auf vielerlei Weise beistehen oder helfen können. Das bezieht sich eigentlich auf die bewusste Kontaktaufnahme mit dem Ideal der Brüderlichkeit - bis wir uns zu dem Stadium entwickelt haben werden, in dem dann unsere Erkenntnis universal ist. Das bedeutet, den ganz bestimmten Kreis von Brüdern zu finden, die wir lieben und denen wir durch das Gesetz des Opfers und durch Umwandlung von Selbstsucht in liebenden Dienst helfen können. So gelangen wir zur Kooperation mit der generellen Absicht und zur Teilnahme am Lebenszweck der Gruppe. ZWEITER VORTRAG DIE EVOLUTION DER SUBSTANZ Es ist offensichtlich, dass [31] es in einer Vortragsreihe wie dieser unmöglich sein würde, ein so ungeheures Thema nur annähernd angemessen zu behandeln, auch wenn ich die ausreichende Vorbildung besässe, über eine derart fundamentale wissenschaftliche Materie zu sprechen. Und selbst wenn die Schlussfolgerungen der Wissenschaft über die Evolution der Materie endgültig wären, würde das Thema eine zu weitläufige Behandlung erfordern - aber sie sind es nicht; wodurch der Gegenstand sich noch weiter kompliziert. Deshalb möchte ich heute meinen Ausführungen vorausschicken, dass es mein Ziel ist, besonders zu solchen zu sprechen, die keinerlei wissenschaftliche Voraussetzungen mitbringen und ihnen einen Begriff von den allgemein akzeptierten Ideen zu vermitteln suchen. Ich bemühe mich deshalb, einige Anstösse zu geben, die uns vielleicht hilfreich sein können, unser Denkvermögen diesem grossen Problem Materie anzunähern. Bei Betrachtung des Substanzaspekts der Manifestation wurde dieser gewöhnlich als «Sache für sich» angesehen; und erst seit kurzem fängt so etwas wie «die Psychologie der Materie» an, durch die Forschungen und Schlussfolgerungen weitherzigerer Wissenschaftler dem Publikum vor Augen gebracht zu werden. Sie werden [32] sich erinnern, dass ich letzthin allgemein und ausführlich versuchte, Ihnen deutlich zu machen, dass es drei Richtungen gibt, um dem Studium des materiellen Universums näherzukommen. Da ist zunächst die Linie, die lediglich den Materieaspekt betrachtet und sich nur damit beschäftigt, was gesehen, berührt und bewiesen werden kann. Eine zweite - etwa als «Supranaturalismus» zu bezeichnen - berücksichtigt weniger die materielle Seite der Dinge als das, was das Göttliche genannt wird; ihr Gebiet ist der Lebens und der Geistaspekt, und Leben sieht sie als eine Kraft an, die ausserhalb des Sonnensystems und des Menschen existiert die sie aber als grosses schöpferisches Agens einstuft, welches das objektive Universum erschafft und leitet, trotzdem es selbst ausserhalb ist. Diese beiden Gedankenrichtungen sehen wir von den rein materialistischen Wissenschaftlern, den orthodoxen Christen und den Deisten jeden Glaubens vertreten. Als nächstes wies ich auf den dritten Zugang zum Problem hin, wir nannten es die «idealistische» Anschauung. Diese berücksichtigt die materielle Form, aber ebenso auch das Leben in ihr und postuliert ein Bewusstsein oder eine Intelligenz, die sich mit Hilfe dieser äussern Form entwickelt. Sie werden gemerkt haben, dass dies die Richtung ist, auf die ich bei diesen Vorträgen besonderen Nachdruck legen werde. Kein Redner ist ja imstande, sich völlig von seinem eigenen Standpunkt abzusetzen; und ich habe mir hier selber die Aufgabe gestellt, diesem Weg zu folgen, denn für mich bedeutet er die Synthese der anderen zwei, fügt ihnen aber noch bestimmte Konzepte hinzu, die in Vereinigung mit den anderen ein zusammenhängendes Ganzes entstehen lassen. An Ihnen ist es, zu entscheiden, ob dieser dritte Standpunkt logisch, vernünftig und klar ist. Die allergewöhnlichste Tatsache [33] in unser aller Leben ist die der materiellen Welt, der Welt, die wir sehen, mit der wir mittels der fünf Sinne in Berührung kommen können, und die von den metaphysischen Denkern das «Nicht-Selbst» genannt wird oder das, was für jeden von uns «Objekt» ist. Wie wir wissen, besteht die Arbeit des Chemikers darin, alle bekannten Substanzen auf ihre allereinfachsten Elemente zurückzuführen, und noch vor kurzem glaubte man dies befriedigend erreicht zu haben. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts bezifferte man die Anzahl der bekannten Elemente auf 70 - 80. Nun wurde aber im Jahre 1898 ein neues Element, das Radium, entdeckt, eine Entdeckung, die das Denken der Welt über Materie und Substanz vollständig revolutionierte. Blättert man die alten Schriften oder Wörterbücher aus dem vorigen Jahrhundert durch, um die Definition des Atoms zu finden, findet man gewöhnlich Newton zitiert: «das Atom ist ein hartes, unteilbares, letztes Partikel», also etwas, das fernere Unterteilung nicht erlaubt. Es wurde als endgültig letztes Atom im Universum anerkannt und von den Gelehrten der Viktorianischen Aera als «Grundstein des Universums» bezeichnet. Man nahm an, so weit wie möglich gegangen zu sein und gefunden zu haben, was aller Manifestation und dem Objektiven überhaupt zugrundeliegt. Aber als das Radium und die anderen radioaktiven Stoffe erkannt worden waren, sah man sich einem völlig neuen Aspekt gegenüber; denn es war klar geworden, dass das als letzte Einheit angenommene Partikel [34] dies keineswegs war. Die Definition des Atoms (nach dem «Standard Dictionary») heisst nun: «Ein Atom ist ein Kraftzentrum, eine Phase elektrischer Phänomene, ein Energiezentrum, aktiviert durch seine eigene innere Struktur, das Hitze oder Strahlung abgibt.» Ein Atom sei deshalb (wie Lord Kelvin 1867 annahm) ein «Wirbel-Ring» oder Kraftzentrum und nicht ein Partikel dessen, was wir als berührbare Substanz verstehen. Dieses allerletzte Partikel der Materie ist jetzt erwiesen worden als aus einem positiven Energiekern zusammengesetzt, der wie die Sonne von den Planeten von vielen Elektronen oder negativen Korpuskeln umgeben ist und dadurch das Atom der früheren Wissenschaft in zahllose kleine Körper unterteilt. Die Elemente differieren entsprechend der Zahl und Anordnung dieser negativen Elektronen um ihren positiven Nucleus, und sie rotieren oder bewegen sich um diese zentrale elektrische Ladung, wie unser planetarisches System um die Sonne kreist. Professor Soddy führte in einer seiner letzten Arbeiten aus, dass im Atom ein ganzes solares System zu sehen sei - man erkennt die zentrale Sonne und die Planeten, die ihre Bahnen um diese herum verfolgen. Es müsste jedem [35] von uns einleuchten, dass ein vollständig neuer Substanzbegriff sich eröffnet, sobald diese Definition des Atoms gründlich durchdacht und studiert wird. Dogmatische Behauptungen sind jedenfalls nicht mehr am Platze, denn inzwischen ist realisiert worden, dass vielleicht die nächste Entdeckung die Tatsache enthüllen könnte, dass die Elektronen selber Welten innerhalb von Welten sind. Eine interessante Spekulation in dieser Richtung findet sich im Buche eines englischen Physikers, in welchem er eröffnet, es würde möglich sein oder werden, das Elektron selbst weiter aufzulösen und zu unterteilen in, was er «Psychonen» nennt. Dies würde in Regionen führen, die dann nicht mehr dem Physischen zugerechnet werden könnten. Das mag heute noch ein Traum sein. Aber die Sache, mit der ich versuchen möchte, mein Denken und das Ihre zu beeindrucken, ist, dass wir kaum wissen, wo wir im wissenschaftlichen Denken stehen, ebenso wenig wie im religiösen und ökonomischen Bereich. Alles macht eine Periode des Übergangs durch; die frühere Sicht, durch die schier alles gesehen wurde, hat sich als falsch oder unzureichend erwiesen und das alte Denken kann sich nicht mehr angemessen artikulieren. Alles, was der Weise heute tun kann, ist, mit seiner Meinung zurückzuhalten, sich aber selbst dessen zu vergewissern, was ihn als Wahrheit anrührt, und sich dann zu bemühen, diesen speziellen Aspekt der Wahrheit zur Synthese zu bringen mit dem, was seine Brüder angenommen haben. Vom Atom lässt [36] sich demnach sagen, dass es sich in Elektronen auflöst und in Kraft und Energiebegriffen ausgedrückt werden kann. Wenn man also ein Zentrum von Energie oder Aktivität vor sich hat, sieht man sich einem doppelseitigen Konzept gegenüber: einmal ist es das, was Bewegung oder Energie verursacht und dann, was diese mit Energie durchdringt oder aktuiert. Das aber bringt uns unmittelbar in das Gebiet der Psychologie, weil Energie oder Kraft immer als eine Qualität anzusehen ist; und wo es sich um Qualität handelt, betritt man ja den Bereich psychischer Phänomene. Immer wieder tauchen bei Charakterisierung von Substanz gewisse Begriffe auf, über die grösste Definitionsunterschiede bestehen. Beim Durchlesen eines wissenschaftlichen Buches fand ich neulich die entmutigende Behauptung des Autors, das chemische, das physikalische und das Atom des Mathematikers und Metaphysikers seien vier total verschiedene Dinge! Auch aus diesem Grunde ist es unmöglich, bei diesen Fragen dogmatisch vorzugehen. Trotzdem - richtig oder falsch - ich kann eine sehr bestimmte Hypothese vor Sie hinstellen. Mit dem Gespräch über Radium wagen wir uns aller Wahrscheinlichkeit nach in das Gebiet ätherischer Substanz, die Region des Äthers oder des Protyle. «Protyle» ist ein von Sir Walter Crookes geprägter Name, der von ihm wie folgt definiert wird: «Protyle, analog [37] dem Wort Protoplasma, will die Idee der ursprünglichen Urmaterie ausdrücken, also die vor der Bildung der chemischen Elemente. Das Wort, das ich zu diesem Zweck zu gebrauchen gewagt habe, ist zusammengesetzt aus dem griechischen Wort «früher als» und «der Stoff», aus welchem die Dinge gemacht sind.» Wir wollen deshalb den Begriff Materie dahin zurückgeben, wo ihn die östlichen Schulen immer gebraucht haben, nämlich als «uranfänglicher Äther»; wenn wir auch stets bedenken müssen, dass der Äther der Wissenschaft in weitem, weitem Abstand vom uranfänglichen Äther des orientalischen Okkultisten steht. Hier werden wir zurückverwiesen auf jenes unberührbare Etwas, das die Basis der berührbaren Dinge ist, welche Sie und ich sehen, anfassen und benützen können. Das Wort «Substanz» selber meint das, was «unten steht» oder, was hinter den Dingen liegt. Daher ist alles, was wir bisher in Zusammenhang mit dem Raumäther aussagen können, dass er das Medium ist, in dem Energie oder Kraft wirkt oder sich wahrnehmen lässt. Wenn wir in diesen Lektionen von Energie und Kraft, Materie und Substanz sprechen, können wir sie in unserem Denken folgendermassen auseinanderhalten: Sprechen wir über Energie und Substanz, dann betrachten wir das, was jetzt noch ungreifbar ist; und wir gebrauchen Kraft im Zusammenhang mit Materie, wenn wir jenen Aspekt des Objektiven behandeln den unsere Wissenschaftler ausschliesslich studieren. Substanz ist der Äther in einem seiner vielen Grade und auch das, was hinter der Materie selber liegt. Wenn wir [38] von Energie sprechen, muss es auch das geben, was Energie spendet, das, was die Quelle der Energie und der Ursprung jener Kraft ist, die sich in der Materie kundtut. Hierauf möchte ich den stärksten Nachdruck legen. Woher kommt diese Energie und was ist sie? Die Wissenschaft erkennt immer klarer, dass Atome Eigenschaften besitzen. Es würde aber interessant sein, wenn sich einmal jemand die Mühe machte und die verschiedenen wissenschaftlichen Bücher, die sich mit dem Thema atomare Materie befassen, daraufhin durchstudieren und notieren würde, welche der vielen verschiedenen auf sie bezogenen Begriffe auch auf ein menschliches Wesen anzuwenden wären. In bescheidenem Umfang habe ich das versucht und fand es äusserst aufschlussreich. Wir wissen, dass vom Atom vor allem ausgesagt wird, dass es Energie besitzt und die Kraft hat, von einer Art von Aktivität zu einer andern überzuwechseln. Ein recht angesehener Autor schreibt: «Durch jedes Atom in der Welt vibriert absolute Intelligenz». In diesem Zusammenhang möchte ich von einem Interview mit Edison berichten, das in «Harper's Magazin for Februar 1890» und später in «The Scientific American for October 1920» veröffentlicht worden ist, und zwar in vollem Wortlaut; in der früheren Veröffentlichung wird er folgendermassen zitiert: «Ich glaube nicht, dass Materie träge ist und durch eine von aussen kommende Kraft bewegt werden kann. Mir scheint, dass jedes Atom von einer gewissen Menge primitiver Intelligenz beherrscht (possessed) [39] wird. Man betrachte nur die Tausende von Variationen, in denen Wasserstoffatome sich mit denen anderer Elemente verbinden und dabei die verschiedensten Substanzen formen. Können Sie behaupten, dass sie dies ohne Intelligenz tun? Atome gestalten sich zu harmonischer und nützlicher Verbindung, zu schönen oder interessanten Formen und Farben oder geben einen angenehmen Duft von sich, als ob sie ihre Genugtuung ausdrücken wollten... In gewissen Formen zusammengefügt, bauen die Atome Tiere der niederen Ordnung. Schliesslich vereinigen sie sich im Menschen, der die Gesamtintelligenz aller dieser Atome darstellt.» «Aber wo kommt diese Intelligenz ursprünglich her?» fragte der Interviewer. «Von einer Macht, die grösser ist als wir», antwortete Edison. «Dann glauben Sie also an einen intelligenten Schöpfer, einen persönlichen Gott?» «Gewiss. Die Existenz eines solchen Gottes kann meiner Meinung nach bereits aus der Chemie erwiesen werden.» In dem langen Interview im «Scientific American» nannte Edison eine Reihe äusserst interessanter Vermutungen, von denen ich die folgenden herausgesucht habe: 1. «Leben, wie Materie, ist unzerstörbar. 2. Unsere Körper sind aus Myriaden unendlich kleiner Einheiten zusammengesetzt, von denen jede in sich eine Lebenseinheit ist; ebenso, wie das Atom aus zahllosen Elektronen besteht. 3. Der Mensch handelt mehr wie eine Montage (assemblage) denn eine Einheit; Körper und Geist drücken das Votum oder die Stimme der Lebenseinheiten aus. 4. Die Lebenseinheiten [40] bauen gemäss einem Plan. Wenn ein Teil des lebenden Organismus' verstümmelt wird, bauen sie genau wie vorher wieder auf. 5. Die Wissenschaft gibt zu, dass es schwierig ist, die Trennlinie zwischen Belebtem und Unbelebtem zu ziehen; vielleicht dehnen diese Einheiten ihre Aktivitäten sogar auf Kristalle und Chemikalien aus ... 6. Die Lebenseinheiten leben ewig (live for ever); so dass, mindestens bis hierher, das ewige Leben, das viele von uns erhoffen. eine Realität ist.» In einem Vortrag, den Sir Clifford Allbut, der Präsident der britischen Medical Association, hielt, sprach er, wie der «Literary Digest» vom 26. Februar 1921 berichtete, über die Fähigkeit der Mikrobe, zu wählen oder zu verwerfen und sagte dazu: «Wenn die Mikrobe sich im Körper ihres Wirtes befindet, kann sie sich entweder ganz in Disharmonie oder ganz in Harmonie mit bestimmten oder allen Zellen befinden, denen sie sich nähert, in keinem dieser Fälle würde wahrscheinlich etwas krankheitstiftendes geschehen... Krankhaftes könnte zwischen dieser Mikrobe und Körperzellen entstehen, die sich zwar in ihrer Reichweite, aber nicht mit ihr in Harmonie befinden. Nun besteht Grund zu der Annahme, dass eine Mikrobe bei ihrer Annäherung an eine Körperzelle, die nur geringfügig von ihr entfernt ist, alles mögliche versuchen wird, um sich an ihr festzusetzen. Wenn das geschieht, würde die zuerst unschädliche Mikrobe schädlich werden. So können andererseits Körperzellen sich selbst dazu erziehen, mit einer vorher dissonanten Mikrobe in Harmonie zu leben; oder es kann zu gegenseitigem Austausch und Anpassung kommen ... Wenn das so ist, dann sehen wir uns mit einer wunderbaren und weitreichenden Fähigkeit konfrontiert, nämlich mit der Fähigkeit zur Wahl; und dies in aufsteigender Linie vom tiefsten Grund der Biologie bis hinauf zum Gipfel - eine formative Fähigkeit, eine - «Auto-Determination» oder, wenn Sie so wollen, «Denkfähigkeit». Im Jahre 1895 hielt Sir. W. Crookes, einer [41] unserer grössten Gelehrten, eine interessante Vorlesung vor einem Chemikergremium in Grossbritannien, in der er sich mit der Fähigkeit des Atoms auseinandersetzte, sich den eigenen Weg zu wählen, zu verwerfen oder anzunehmen; und er wies nach, dass natürliche Selektion in allen Lebensformen verfolgt werden kann, vom damals letzten Atom ausgehend durch alle Seinsformen. In einem anderen Artikel wird das Atom, noch weitergehend, als zur Empfindung fähig angesehen: «Der kürzlich entstandene Streit, die Natur des Atoms betreffend - das wir in dieser oder anderer Form als letzten Faktor in allen physischen oder chemischen Prozessen ansehen müssen - scheint sich auf höchst einfache Weise lösen zu lassen, nämlich durch die Annahme, dass diese unendlich winzigen Massen - als Zentren von Kraft - eine bleibende Seele besitzen, und dass jedes Atom Empfindung und Bewegungskraft hat.» Auch Tyndall führte in ähnlicher Weise aus, dass die eigentlichen Atome selbst «mit dem Wunsch zum Leben ausgestattet» zu sein scheinen. Nimmt man diese unterschiedlichen Qualitäten des Atoms - Energie, Intelligenz, Fähigkeit zu wählen und abzuweisen, anzuziehen und zurückzustossen, Empfindung, Bewegung und Wunsch - zur Kenntnis, dann hat man etwas, was der Psychologie eines Menschenwesens auffallend ähnlich sieht, freilich in begrenztem Umfang und [42] in sehr definiertem Grad. Sind wir nicht inzwischen auf das zurückgekommen, was wir als die «Psyche des Atoms» bezeichneten? Wir haben gefunden, dass das Atom eine lebende Einheit, eine kleine vibrierende Welt ist, und dass innerhalb seiner Sphäre oder seines Einflusses andere kleine Leben zu finden sind. Und dies durchaus in dem Sinne, in dem jeder von uns eine Entität oder ein positiver Nucleus voll Kraft und Leben ist, der andere, geringere Leben in seiner Einflusssphäre hält - die Zellen unseres Körpers. Was von uns gesagt werden kann, kann, im Gradunterschied, auch vom Atom gesagt werden. Lassen Sie uns diese Idee ein bisschen weiterspannen und damit an das rühren, was die fundamentale Ursache der Weltprobleme sein und möglicherweise ihre Lösung enthalten kann. Diese Idee vom Atom als einer positiven Energiedemonstration, das in seiner aktiven Reichweite sein polares Gegenstück hält, kann nicht nur auf jede Art von Atom, sondern auch auf ein menschliches Wesen angewandt werden. Wir können jede Einheit der menschlichen Familie als menschliches Atom betrachten, denn im Menschen ist das Atom lediglich grösser. Er ist ein Zentrum positiver Kraft, das die Zellen seines Körpers innerhalb der Peripherie seiner Einflusssphäre hält; er besitzt Unterscheidungskraft, Intelligenz und Energie. Es ist einzig ein Gradunterschied. Er besitzt ein ausgedehnteres Bewusstsein und vibriert in stärkerem Mass als das kleine Atom des Chemikers. Die Idee lässt [43] sich noch weiterverfolgen und einen Planeten als Atom betrachten. Vielleicht gibt es ein Leben innerhalb des Planeten, welches die Substanz der Sphäre und alle auf ihm befindlichen Lebensformen als zusammenhängendes Ganzes festhält und das eine spezifische Einflussausdehnung hat. Das mag wie wilde Spekulation klingen, doch von der Analogie her könnte es auch innerhalb der planetarischen Sphäre eine Wesenheit geben, deren Bewusstheit so weit über der des Menschen liegt wie das Menschenbewusstsein über dem des chemischen Atoms. Und trägt man den Gedanken noch weiter, so weit, dass er das Atom des Sonnensystems einschliesst, dann haben wir dort, im Herzen des Sonnensystems - der Sonne - das positive Zentrum der Energie, das die Planeten in seiner Einflusssphäre hält. Haben wir nun aber im Atom Intelligenz, im menschlichen Wesen Intelligenz, und haben wir im Planeten eine Intelligenz, welche alle seine Funktionen kontrolliert, sollte es dann nicht logisch sein, noch weiterzugehen und eine grössere Intelligenz hinter jenem noch grösseren Atom, dem Sonnensystem, zu vermuten? Dies führt uns letztlich zu dem Standpunkt, den die religiöse Welt von jeher vertreten hat, dass ein Gott oder göttliches Wesen existiert. Wo der orthodoxe Christ ehrfürchtig Gott sagen würde, würde der Wissenschaftler mit gleicher Ehrfurcht Ur-Energie sagen, und doch würden beide das gleiche meinen. Wo der idealistische Lehrer vom «immanenten Gott» in der menschlichen Form sprechen würde, würden andere mit gleicher Genauigkeit von der «Energie erzeugenden Fähigkeit» des Menschen reden, die ihn zu physischer, emotionaler und mentaler Aktivität drängt. Überall sind Kraftzentren vorhanden, und die Idee könnte von einem Kraftzentrum, wie dem chemischen Atom, durch die vielen verschiedenen Abstufungen und Gruppen solcher Energiezentren weiterverfolgt und erweitert werden bis hinauf zum Menschen und von da zu einem Leben, das sich durch das System manifestiert. Somit wäre [44] dann ein wunderbares, synthetisch gefügtes Ganzes anschaulich gemacht. Der heilige Paulus mag an etwas ähnliches gedacht haben, als er von dem Himmlischen Menschen sprach. Mit dem «Körper Christi» meint er sicherlich alle jene Lebenseinheiten der Menschheitsfamilie, die in seinem Einflussbereich gehalten werden und im Begriff sind, seinen Körper zu bilden, genauso, wie das Aggregat der physischen Zellen den menschlichen Körper bildet. Was in unseren Tagen religiöser Umwälzungen nottut, ist die Darlegung dieser fundamentalen Wahrheiten des Christentums als wissenschaftlich erwiesene Wahrheit. Wir müssen die Religion verwissenschaftlichen. Es gibt eine bemerkenswerte, viele tausend Jahre alte Sanskritaufzeichnung, die ich hier anzuführen wage. Sie lautet: «Jegliche Form auf Erden und jedes Fleckchen im Raum (Atom) strebt mit allen Kräften nach Selbstformung gemäss dem Vorbild, das mit dem Himmlischen Menschen vorgegeben ist. Die Involution und die Evolution ... haben ein und dasselbe Ziel: den Menschen.» Merken Sie, welch [45] ungeheure Hoffnung dieses Konzept vor uns eröffnet? Nicht ein einziges Atom der Materie, das latent Intelligenz, Unterscheidungsvermögen und selektive Kraft besitzt, das nicht im Verlauf von Äonen jenes fortgeschrittene Bewusstsein erreichen wird, das wir das menschliche nennen. Gewiss kann dann vom menschlichen Atom gleichermassen angenommen werden, dass es zu einer noch weit ausgedehnteren Bewusstheit gelangen und schliesslich das Entwicklungsstadium jener grossen Wesenheiten erreichen wird, deren Körper planetarische Atome sind; und dasselbe gilt auch für sie. Aber was kommt dann? Das Erreichen jenes allumfassenden Bewusstseinszustandes, den wir Gott oder den Sonnenlogos nennen. Ganz sicher ist diese Lehre logisch und brauchbar. Die alten okkulten Weisungen, die dem Menschen sagten, «Erkenne dich selbst, denn in dir ist alles zu finden, was gewusst werden kann», sind für den mit Weisheit Lernenden noch immer die Regel. Würde jeder von uns sich selbst im wissenschaftlichen Sinne als Kraftzentrum betrachten, da wir ja die Materie unseres Körpers tatsächlich innerhalb unseres Kontrollbereichs halten und dadurch mit und in ihm wirken, hätten wir eine Hypothese, mittels derer das ganze kosmische Planschema interpretierbar wäre. Wenn, wie Einstein andeutet, unser ganzes Sonnensystem nur eine Sphäre ist, gibt das der Schlussfolgerung, es könnte seinerseits auch nur ein kosmisches Atom sein, einen interessanten Anstrich; auf diese Weise hätten wir einen Platz innerhalb eines noch grösseren Systems und ein Zentrum, um das unser System kreist und in dem es das Elektron zum Atom darstellte. Die Astronomen sagen uns, unser ganzes System kreise wahrscheinlich um einen zentralen Punkt im Universum. So kann also [46] der Grundgedanke, den ich herauszuarbeiten suchte, überall nachgewiesen werden, den ganzen Weg vom Atom des Chemikers und Physikers, über den Menschen, über das energiespendende Leben eines Planeten, bis hinauf zum Logos, der Gottheit unseres Sonnensystems, der Intelligenz oder dem Leben, das aller Manifestation, oder der Natur, zugrundeliegt und weiter bis zu einem noch grösseren Planschema, in dem selbst unser Gott seine Rolle zu spielen und seinen Platz zu finden hätte. Es ist ein wunderbares Bild, wenn es stimmt. Ich kann mich heute Abend nicht mit den verschiedenen Entwicklungen dieser alle Atome beseelenden Intelligenz beschäftigen, möchte aber gern einen Augenblick darauf verwenden, was wohl die «Methode» ihrer Evolution sein mag, und zwar vom menschlichen Standpunkt aus (der uns ja am intimsten angeht) immer dabei bedenkend, dass das, was für jedes einzelne Atom gilt, in grösserem oder kleinerem Mass für alle gelten müsste. Bei genereller Betrachtung der Atome des Sonnensystems, einschliesslich seiner selbst, machen sich zwei Dinge bemerkbar: einmal die intensive Lebendigkeit und Aktivität des Atoms selbst und seine innere atomare Energie; und zweitens sein Wechselwirken mit andern Atomen, das Abstossen einiger und Anziehen anderer. Vielleicht könnten wir daraus schliessen, dass die evolutive Entwicklungsmethode für jedes Atom auf zwei Ursachen zurückzuführen ist: das innere Leben des Atoms selbst und seine Wechselwirkung oder seinen Interkurs mit anderen Atomen. Diese beiden Stadien [47] sind in der Evolution des menschlichen Atoms augenscheinlich. Das erste wurde von Christus deutlich hervorgehoben, als er sagte «Das Reich Gottes ist in euch», womit er alle menschlichen Atome auf das ihnen selbst innewohnende Zentrum von Leben und Energie verwies und sie lehrte, dass sie von diesem Zentrum aus und durch dieses Zentrum sich ausdehnen und wachsen müssten. Jeder von uns ist sich bewusst, dass er in sich selbst sein Mittelpunkt ist; er sieht alles vom eigenen Standpunkt aus, und die äusseren Ereignisse sind zumeist nur soweit interessant, als sie ihn selbst angehen. Wir befassen uns mit den Dingen, wenn sie uns persönlich betreffen und alles was anderen zustösst ist uns, in einem bestimmten Stadium unserer Evolution, nur insoweit wichtig, als es uns selbst angeht. Das ist die gegenwärtige Stufe Vieler und charakteristisch für die Mehrheit; es ist die Periode eines intensiven Individualismus und diejenige, in der das «Ich»- Konzept an erster Stelle steht. Es beinhaltet viel innere Aktivität. Der zweite Weg, auf dem das menschliche Atom wachsen kann ist sein Wechselwirken mit allen anderen Atomen. Dieser Weg beginnt jetzt der menschlichen Intelligenz zu dämmern und die ihm zukommende Bedeutung zu gewinnen. Wir fangen gerade an, die relative Bedeutung von Wettbewerb und Kooperation zu realisieren, sind im Begriff zu erkennen, dass wir nicht egoistisch und abgesondert von der Gruppe, zu der wir gehören, leben können; und zu lernen, wenn unser Bruder behindert wird und in irgendeiner Weise nicht vorwärtskommen kann, und wenn daher die anderen menschlichen Atome nicht so vibrieren, wie sie es sollten, dass dann jedes Atom in der «Korporative» davon betroffen wird. So wird auch keiner von uns vollendet werden, bis nicht alle anderen Einheiten ihre volle, höchste Vollendung erreicht haben. Ich werde mich [48] nächste Woche etwas ausführlicher hierüber verbreiten, wenn ich die Frage der Formbildung aufgreife. Um diese Lektion heute zum Abschluss zu bringen, will ich nur noch versuchen, Ihnen ein Verständnis für den Platz zum Bewusstsein zu bringen, den wir im grossen Planschema einnehmen, damit Sie verstehen, wie unerhört wichtig das Wechselwirken zwischen allen Atomen ist. Ich möchte die Notwendigkeit unterstreichen, dass jeder von uns seinen eigenen Platz in derjenigen Gruppe finden muss, zu der er von Natur aus gehört (in der wir die Elektronen für die positive Ladung sind), um dann ruhig mit unserer Arbeit innerhalb jenes grösseren Atoms, der Gruppe, fortzufahren. Das macht die gesamte Hypothese nicht bloss zu einem verrückten Traum, sondern zu einem praktischen, nützlichen Ideal. Wenn es wahr ist, dass beispielsweise alle Zellen unseres Körpers die Elektronen sind, die wir kohärent zusammenhalten, und wenn wir der energiespendende Faktor in der materiellen Form sind, dann ist es von erstrangiger Bedeutung, dass wir diese Tatsache anerkennen und mit diesen Formen und ihren Atomen richtig und wissenschaftlich bewusst umgehen. Das beinhaltet die praktische Pflege des physischen Körpers und weise Anpassung all unserer Energie an die zu leistende Arbeit und das Ziel, das wir verfolgen; es erfordert die einsichtsvolle Nutzung jenes Aggregats von Zellen, das für uns Instrument oder Werkzeug und Manifestationssphäre ist. Von all dem wissen wir bis jetzt noch wenig. Wenn aber einmal der Gedanke weiterentwickelt und das menschliche Wesen als ein Kraftzentrum erkannt ist, wird sich das Verhältnis der Menschen zu ihrer Arbeit und ihrer ganzen Lebensweise von Grund auf ändern. Die Ansichten der Medizin werden sich zum Beispiel verändern und man wird die richtigen Methoden zur Anwendung der Energie studieren. Krankheit aus Unwissenheit wird es nicht mehr geben und die Methoden der Übertragung von Kraft werden studiert und befolgt werden. Wir werden dann wahrhaft intelligente Atome sein - etwas, das wir bis jetzt - nicht sind. Ausserdem werden [49] wir nicht nur unseren materiellen Körper sachgemässer behandeln, weil wir seine Konstitution besser verstehen werden, sondern auch bewusst unseren Platz innerhalb der Gruppe finden und unsere Energie zum Wohl der Gruppe einsetzen und nicht, wie bisher, zur Förderung unserer persönlichen Zwecke. Viele Atome haben nicht nur ein eigenes inneres Leben, sondern sie strahlen auch, und je mehr die Radioaktivität allmählich verstanden wird, wird man auch beginnen, den Menschen als ein Zentrum aktiver Strahlung zu studieren. Wir stehen am Vorabend wunderbarer Entdeckungen: wir nähern uns einer beispiellosen Synthese des Weltdenkens, denn wir gehen auf die Epoche zu, wo Wissenschaft und Religion sich gegenseitig unterstützen werden und die Philosophie hierzu ihren Beitrag zum Wahrheitsverständnis leisten wird. Der Gebrauch [50] der Imagination wird eine herrliche Vision erschliessen; und wenn sich diese Imagination auf Wesentliches gründet und von einer logischen Hypothese ausgeht, wird sie uns vielleicht zur Lösung der Geheimnisse und Probleme führen, welche die Welt heute noch ängstigen. Wenn Dinge uns noch mysteriös und unerklärlich scheinen, könnte das nicht wegen jener grossen Wesenheit so sein, die sich durch unseren Planeten manifestiert und eine ganz bestimmte Absicht und einen Plan verfolgt, genauso, wie Sie und ich dies in unserem Leben tun? Wie oft bringen wir unser körperliches Vehikel in Situationen und Schwierigkeiten, die sowohl schmerzhaft als auch betrüblich sind. Vorausgesetzt unsere Arbeitshypothese stimmt, kann man logischerweise unterstellen, dass die grosse Intelligenz unseres Planeten in ähnlicher Weise ihren grossen Manifestationskörper (der die Menschenfamilie umfasst) in Situationen bringen könnte, die für die Atome recht betrüblich wären. Ganz gewiss aber ist es logisch, zu vermuten, dass das Geheimnis all dessen, was wir um uns sehen, im Willen und in der intelligenten Absicht jenes grossen Lebens verborgen ist, das durch unseren Planeten wirkt, genau wie der Mensch durch das Medium seines physischen Körpers, und wäre dennoch selbst nur ein Atom innerhalb einer viel grösseren Sphäre, welche dem Sonnenlogos innewohnt, jener Intelligenz, welche die Gesamtsumme aller geringeren Leben ist. DRITTER VORTRAG DIE EVOLUTION DER FORM ODER GRUPPENEVOLUTION Heute möchte [53] ich die Grundidee der Einheit des Bewusstseins oder der Intelligenz behandeln, wie sie im letzten Vortrag vergangene Woche entwickelt wurde und das Konzept weiter ausführen. Wie es heisst, geschieht alle Evolution aus dem Homogenen, und durch das Heterogene wieder zurück zum Homogenen, und es wurde folgender Hinweis dazu gegeben: «Evolution ist eine sich ständig beschleunigende Vorwärtsbewegung aller Teilchen im Universum, welche diese gleichzeitig auf einem von Zerstörung begleiteten Weg, doch ununterbrochen und pausenlos, vom materiellen Atom bis zum universalen Bewusstsein führt in welchem Allmacht und Allwissen verwirklicht werden: mit einem Wort, zur vollkommenen Verwirklichung des Absoluten Gottes.» Dies vollzieht sich, ausgehend von jenen winzigen Mannigfaltigkeiten, die wir Moleküle und Atome nennen, bis hin zu ihrer Häufung im Aggregat, wenn sie zu Formen gefügt sind, und setzt sich fort durch Einfügen dieser Formen in grössere Formen, bis wir ein Sonnensystem in seiner Gesamtheit vor uns haben. Alles geschieht nach strenger Gesetzmässigkeit, denn das gleiche fundamentale Prinzip beherrscht die Evolution des Atoms wie die eines Sonnensystems. Der Makrokosmos wiederholt sich im Menschen, dem Mikrokosmos, und der Mikrokosmos reflektiert sich in allen geringeren Atomen. Diese Vorbemerkungen, ebenso [54] wie der vorherige Vortrag, betreffen in erster Linie die materielle Manifestation eines Sonnensystems, während ich in unseren zukünftigen Gesprächen hauptsächlich das betonen möchte, was die psychische Evolution oder die stufenweise Demonstration und evolutive Entfaltung der subjektiven Intelligenz oder des Bewusstseins, den Hintergrund der objektiven Erscheinung, angeht. Wir wollen auch diesen Vortrag wieder in vier Abschnitte aufgliedern: Zuerst betrachten wir das Thema des evolutiven Prozesses, der in diesem Fall die Evolution der Form oder der Gruppe ist; dann den Prozess der Gruppenentwicklung; als nächstes die während des evolutionären Zyklus aufeinanderfolgenden Stufen und werden schliesslich versuchen, ins Praktische zu gehen und aus unseren Schlussfolgerungen eine Lektion abzuleiten, die im täglichen Leben anwendbar ist. Zunächst ist es notwendig, der Frage nachzugehen, was eine Form wirklich ist. Im Lexikon können wir folgende Definition finden: «Eine Form ist die äussere Gestalt oder Konfiguration eines Körpers.» In dieser Definition liegt die Betonung auf ihrem Äusserlich sein, ihrer Berührbarkeit und exoterischen Manifestation. Dieser Gedanke kommt uns auch beim Studium des Wortes «Manifestation» entgegen: Es stammt [55] aus zwei lateinischen Wörtern, die soviel heissen, wie «handhaben, mit der Hand anrühren» (manus, die Hand; fendere, berühren), wodurch der dreifache Gedanke suggeriert wird, dass das Manifestierte das ist, was gespürt, kontaktiert und als berührbar erkannt werden kann. Und doch wird in diesen beiden Interpretationen der wichtigste Teil übersehen und wir müssen nach einer richtigeren Definition Ausschau halten. Für mein Gefühl vermittelt Plutarch die Idee der Manifestation des Subjektiven durch das Mittel der objektiven Form viel einleuchtender als das Lexikon, wenn er sagt: «Eine Idee ist ein unkörperliches Wesen, das an sich keine Substanz besitzt, das aber gestaltloser Materie Gestalt und Form verleiht und zur Ursache von Manifestation wird.» Hier haben Sie eine hochinteressante Aussage von wahrhaft okkulter Bedeutung. Sorgfältiges Studium und Betrachtung dieses Satzes wird sich lohnen, denn er stellt ein Konzept dar, das sich nicht nur auf jene kleinen Manifestationen, die Atome des Chemikers und Physikers bezieht, sondern diejenige aller Formen enthält welche das Atom zum eigenen Aufbau benutzt haben, einschliesslich der eines menschlichen Wesens und der Gottheit eines Sonnensystems, jenes allumfassenden Denkens und vibrierenden Energiezentrums, wie auch jener grossen, umfassenden Bewusstheit, die wir Gott oder Kraft oder den Logos nennen - das Seiende, welches sich selbst durch das Mittel des Sonnensystems zum Ausdruck bringt. In der christlichen Bibel [56] wird der gleiche Gedanke von Paulus in einem Brief an die Kirche in Ephesos ausgesprochen. Im 2. Kapitel der Epistel an die Epheser sagt er: «Wir sind sein Kunstwerk.» Wörtlich ist die Übersetzung aus dem Griechischen «Wir sind sein "poema" oder Idee», und der Gedanke des Apostels ist dabei, dass durch das Mittel jedes Menschenlebens, oder in dem Aggregat der Leben, die ein Sonnensystem ausmachen, Gott durch die Form, wie immer diese beschaffen sein mag, eine Idee, ein spezifisches Konzept oder detailliertes Kunstwerk zum Vorschein bringt. Ein Mensch ist ein verkörperter Gedanke und dieses Konzept ist ja auch in der Definition des Plutarch latent enthalten. Wir bekommen darin zunächst die Vorstellung einer selbstbewussten Entität, müssen dann den Gedanken oder Zweck erkennen, den diese Entität auszudrücken sucht und schliesslich haben wir den Körper oder die Form als folgerichtiges Ergebnis. Der Terminus «Logos» übersetzt als «das Wort», wird im Neuen Testament meist gebraucht, wenn von der Gottheit die Rede ist. Die hervorstechendste Stelle ist das erste Kapitel des Johannes-Evangeliums, das so beginnt: «Am Anfang war das Wort und das [57] Wort war bei Gott und das Wort war Gott.» Wir wollen einen Augenblick versuchen, dem Sinn des Ausdrucks Logos nachzugehen. Die wörtliche Übersetzung, «das Wort», ist definiert worden als «einem verborgenen Gedanken objektiven Ausdruck zu geben». Nimmt man ein beliebiges Substantiv oder ähnliches Wort und studiert dessen objektive Sinndeutung, so wird man finden, dass dem Denkbereich immer ein bestimmter Gedanke übermittelt wird, der den Zweck, das Vorhaben oder vielleicht ein abstraktes Konzept beinhaltet. Werden die gleichen methodischen Überlegungen einschliesslich der Idee der Gottheit oder des Logos weitergeführt, kann viel Licht über diese abstruse Frage der Manifestation Gottes, der zentralen Intelligenz, gewonnen werden und zwar mithilfe der materiellen Form, ob wir Ihn durch die winzige Form eines chemischen Atoms manifestiert sehen oder durch Seinen gigantischen physischen Körper, dem wir den Namen Sonnensystem gegeben haben. Wir fanden in unserem Vortrag letzte Woche heraus, dass es etwas gibt, das allen Atomen zugesprochen werden kann und dem immer mehr Wissenschaftler dieses eine, unterscheidende Charakteristikum zuerkennen. Es wurde deutlich gemacht, dass die Atome Anzeichen von einer Seele aufweisen und eine rudimentäre Form von Intelligenz besitzen. Die Atome demonstrieren die Fähigkeit zur Unterscheidung, haben selektive Kraft und die Fähigkeit anzuziehen und abzustossen. Es mag kurios erscheinen, das Wort Intelligenz zum Beispiel in Verbindung mit einem Atom der Chemie zu gebrauchen; trotzdem verkörpert die Wurzelbedeutung dieses Wortes genau diesen Gedanken, denn es stammt aus den beiden lateinischen Worten «inter», zwischen [58] und «legere», wählen. Intelligenz ist also die Fähigkeit zu denken oder zu wählen, auszusondern und zu unterscheiden. Sie ist in Wirklichkeit dieses Abstrakte, Unerklärliche, dieses Etwas, das dem grossen Gesetz der Anziehung und Abstossung, einem der Grundgesetze aller Erscheinung, zugrundeliegt. Diese fundamentale Intelligenzfähigkeit ist ein Charakteristikum aller atomaren Materie, wie sie auch den Aufbau von Formen oder die Anhäufung von Atomen beherrscht. Wir haben uns schon früher mit dem Atom als solchem beschäftigt, aber noch nicht damit, wie es zur Formbildung kommt oder zu jener Totalität von Formen, die wir ein Naturreich nennen. Wir haben über die essentielle Natur des Atoms und seine ursprünglich vorhandene charakteristische Eigenschaft der Intelligenz etwas nachgedacht und haben vor allem das betont, woraus all die verschiedenen Formen, so, wie wir sie kennen, erbaut sind - also alle Formen im Mineralreich, im Pflanzenreich, im Tierreich und im Menschenreich. In der Gesamtsumme aller Formen haben wir also die Totalität der «Natur», wie sie allgemein verstanden wird. Lassen Sie uns jetzt diesen Gedanken von den individuellen Formen, die beim Aufbau jedes dieser vier Naturreiche mitwirken, weiter ausdehnen und sie als Erbauer jener noch grösseren Form, des Naturreichs selbst, sehen und so dieses Reich der Natur als bewusste Einheit erkennen, die ein homogenes Ganzes bildet. Auf diese Weise kann jedes Naturreich als eine Form angesehen werden, durch die sich ein Bewusstsein irgend einer Stufe oder eines Grades manifestieren kann. So bringt etwa das Aggregat der animalischen Formen jene grössere Form hervor, die wir als das Tierreich selbst bezeichnen und dieses hat wiederum seinen Platz innerhalb eines noch grösseren Körpers. Vielleicht sucht sich durch dieses Reich ein bewusstes Leben zum Ausdruck zu bringen, und durch die Summe der Naturreiche könnte ein noch grösseres subjektives Leben nach Manifestation streben. In all [59] diesen Naturreichen - dem mineralischen, pflanzlichen, animalischen und menschlichen - sind, vorausgesetzt, dass die Grundlage unserer Gedankengänge richtig ist, wiederum drei Faktoren gegenwärtig: erstens, dass das ursprüngliche Atom selbst ein Lebewesen ist; zweitens, dass alle Formen aus einer Vielheit von Leben aufgebaut sind und dadurch ein kohärentes Ganzes verfügbar wird, durch das eine subjektive Wesenheit eine Absicht auswirkt; und drittens, dass das zentrale Leben innerhalb der Form ihr richtunggebender Impuls, die Quelle ihrer Energie, der Ursprung ihrer Aktivität und das ist, was die Form als Einheit zusammenhält. Dieser Gedanke kann durchaus zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Menschen durchdacht werden. Zum Zweck unseres Vortrags kann der Mensch als diese zentrale Energie, das Leben oder die Intelligenz definiert werden, welche sich durch eine materielle Manifestation oder Form auswirkt, die ihrerseits aus Myriaden [60] geringerer Leben aufgebaut ist. In diesem Zusammenhang ist ein merkwürdiges Phänomen während des Sterbevorgangs häufig beobachtet worden. Vor einigen Jahren wurde mir von einer der tüchtigsten Operationsschwestern in Indien folgendes erzählt. Sie war lange Zeit Atheistin gewesen, doch waren ihr Zweifel an ihrem Unglauben gekommen, nachdem sie mehrmals Zeugin dieses Phänomens geworden war. Sie berichtete, sie habe im Augenblick des Todes in mehreren Fällen aus dem Kopf des Sterbenden einen Lichtblitz hervorkommen sehen; und, in einem besonderen Fall (dem eines Mädchens von offenbar sehr fortgeschrittener spiritueller Entwicklung und grosser Reinheit, ja Heiligkeit im Leben) sei es gewesen, als sei der ganze Raum einen Augenblick elektrisch erleuchtet. Es wurden ferner unlängst führende Mitglieder eines Ärztegremiums einer grösseren Stadt im Mittelwesten von einem interessierten Forscher brieflich darum gebeten, ob sie gewillt wären, darüber Auskunft zu geben, ob sie im Augenblick des Todes ein spezifisches Phänomen wahrgenommen hätten. Einige antworteten, sie hätten gesehen, wie ein bläuliches Licht vom Schädeldach ausgegangen sei und ein oder zwei fügten noch hinzu, sie hätten auch noch eine Art von Schnappgeräusch in der Kopfregion gehört. Für das Letztere finden wir eine Erhärtung im «Prediger Salomonis», wo die Loslösung der «Silberschnur» oder das Zerbrechen des magnetischen Verbindungsgliedes erwähnt wird, das die innewohnende Wesenheit oder den Denker mit seinem Ausdrucksträger verbindet. In beider Art Fällen kann ein sichtbarer Beweis für das Zurückziehen des zentralen Lebenslichtes gesehen werden, die darauf erfolgende Desintegration der Form und der Zerstreuung der Myriaden geringerer Leben. Es erscheint [61] daher manchen von uns als logisch fundierte Hypothese, dass, genau wie das Atom der Chemie eine winzige Sphäre oder Form mit positivem Kern ist, der um sich die negativen Elektronen in ständigem Umlauf hält, alle Formen in allen Naturreichen von ähnlicher Struktur sind und sich nur durch Grade des Bewusstseins oder der Intelligenz unterscheiden. Wir können deshalb die Naturreiche selbst als physischen Ausdruck irgendeines grossen subjektiven Wesens betrachten und bei logischem Weiterverfolgen zur Erkenntnis kommen, dass jede Einheit in der menschlichen Familie ein Atom im Körper jener grösseren Wesenheit ist, die in einigen Schriften als der «Himmlische Mensch» bezeichnet wurde. So gelangen wir schliesslich zu dem Konzept, dass auch das Sonnensystem nur die Summe aller Naturreiche und aller Formen ist und der Körper eines Wesens, das sich durch ihn zum Ausdruck bringt und das System dazu benutzt, um eine bestimmte Absicht und zentrale Idee zur Auswirkung zu bringen. In allen Erweiterungen unserer entscheidenden Hypothese lässt sich die gleiche Triplizität erkennen, ein zentrales informierendes Leben oder Wesen, das sich durch eine Form oder eine Vielzahl von Formen manifestiert und unterscheidungsfähige Intelligenz demonstriert. Es ist nicht möglich, die Methode zu behandeln, durch welche die Formen gestaltet werden oder sich über den evolutionären Prozess zu verbreiten, mit dessen Hilfe Atome zu Formen zusammengefügt werden, noch die Methode, wie die Formen selbst sich in jener grösseren Einheit sammeln, die wir ein Naturreich nennen. Dies kann lediglich in drei Begriffe zusammengefasst werden: Involution, oder die Verstrickung des subjektiven Lebens in die Materie, nämlich die Methode, durch welche die innewohnende Einheit ihren Ausdrucksträger an sich zieht; Evolution, das Benutzen der Form durch das subjektive Leben, dessen allmähliche Vervollkommnung und die endgültige Befreiung des eingeschlossenen Lebens; und das Gesetz von Anziehung und Abstossung, wodurch Materie und Geist koordiniert werden, das zentrale Leben Erfahrung sammelt, sein Bewusstsein erweitert und durch die Verwendung dieser spezifischen Form zu Selbst-Bewusstsein und Selbst-Beherrschung gelangt. Alles kommt unter diesem fundamentalen [62] Gesetz zustande. In jeglicher Form haben wir ein zentrales Leben oder eine Idee, die sich manifestiert, sich immer mehr in die Substanz verliert und sich je nach ihren Bedürfnissen in eine Form und Gestalt kleidet, dabei die Form als Ausdrucksmittel benützt und dann - nach einem angemessenen Zeitraum - sich selbst von der umgebenden Form befreit, um eine ihren Bedürfnissen angemessenere anzunehmen. So schreitet durch alle Formstufen hindurch der Geist oder das Leben weiter voran, bis der Pfad der Rückkehr durchschritten und der Ursprungspunkt erreicht ist. Das ist der Sinn der Evolution und hierin liegt das Geheimnis der kosmischen Inkarnation. Am Ende löst sich der Geist von der Form, erlangt Befreiung und hat dazu psychische Qualität und stufenweise Erweiterungen des Bewusstseins entwickelt. Diese [63] bestimmten Stadien können wir uns einmal kurz ansehen und flüchtig überlegen. Da ist zuerst der Vorgang der Involution. Das ist die Periode, in der die Begrenzung des Lebens innerhalb der Form oder Hülle vor sich geht. Es ist ein langer, langsamer Prozess, der Millionen und Abermillionen von Jahren dauert. An diesem riesigen Zyklus ist jede Kategorie Leben beteiligt. Er betrifft das Leben des sich durch ein Sonnensystem manifestierenden Sonnenlogos. Er ist ein Teil des Lebenszyklus des planetarischen Geistes, der sich durch eine Sphäre wie unseren Planeten Erde manifestiert; er schliesst das Leben ein, das wir das menschliche nennen und fegt das winzige Leben, das durch ein Atom der Chemie funktioniert, in seine Energiebahn. Es ist der gewaltige Prozess des Werdens und das, was Existenz und das Dasein selbst möglich macht. Diese Periode der Begrenzung eines allmählich immer stärkeren Eingekerkertseins und immer tieferen Hinabsteigens in die Materie wird von einer Periode der Adaption oder Anpassung abgelöst, in der Leben und Form in engste Wechselbeziehung zueinander treten, gefolgt von einer Phase, in der diese innere Beziehung vollkommen wird. Die Form ist dann den Bedürfnissen des Lebens angepasst und kann benützt werden. Während dann das innere Leben wächst und sich ausdehnt, läuft parallel dazu die Kristallisation der Form, weil sie als Ausdrucksmittel nicht mehr genügt. Nach dieser Kristallisation folgt die Periode der Auflösung. Begrenzung, Anpassung, Benützung, Kristallisation und Auflösung - das sind die Stufen, die das Leben einer Entität oder verkörperten Idee höherer oder geringerer Ordnung ausmachen. die sich durch Materie auszudrücken sucht. Lassen Sie [64] uns diesen Gedanken auf ein menschliches Wesen übertragen. Dort kann der Prozess der Begrenzung im Annehmen einer physischen Form gesehen werden und in den jungen, rebellischen Tagen, wenn er von Wünschen, Streben, Sehnsüchten und Idealen erfüllt ist, die er anscheinend nicht ausdrücken noch befriedigen kann. Es folgt die Periode der Anpassung an die Umstände der Mensch beginnt sich damit einzurichten, was er hat und er versucht, sich so gut wie möglich durch das Mittel jener Myriaden geringerer Leben und Intelligenzen auszudrücken, welche seinen physischen, emotionalen und mentalen Körper ausmachen. Er erfüllt diese dreifältige Form mit Energie, zwingt sie, seine Wünsche und Absichten auszuführen und damit seinen Lebensplan zum Guten oder Schlechten durchzusetzen. Als nächstes folgt die Stufe, in der er die Form benützt, so gut er kann, und er erreicht das, was wir Reife nennen. Schliesslich, in den späteren Lebensstadien haben wir die Kristallisation der Form, und der Mensch merkt, dass sie nicht mehr genügt. Dann folgt die glückliche Befreiung, die wir den Tod nennen, jener grosse Augenblick, in dem der «Geist im Kerker» den ihn einschliessenden Mauern seiner körperlichen Form entschlüpft. Unsere Vorstellungen über den Tod sind irrig gewesen; wir haben ihn als das grosse, letzte Schrecknis angesehen, während er in Wirklichkeit das grosse Entrinnen ist, der Eintritt in ein volleres Mass der Aktivität, und die Freisetzung des Lebens aus dem kristallisierten Ausdrucksträger und einer unzureichenden Form. Ähnliche Gedanken [65] lassen sich auf alle Formen anwenden und nicht nur auf solche, die mit dem Körper eines menschlichen Wesens zusammenhängen; sie können auch auf Regierungsformen, Religionsformen und auf wissenschaftliche und philosophische Gedankenformen angewandt werden. In besonders interessanter Weise lässt sich beobachten, wie sie sich in dem Zyklus auswirken in dem wir leben. Alles ist in Fluss geraten; die alte Ordnung wandelt sich und es hat eine Zeit des Übergangs begonnen auf jedem Gebiet des menschlichen Denkens lösen sich die alten Formen auf, aber nur damit das Leben, das sie einmal ins Dasein rief, daraus entrinnen kann, um sich selbst das aufzubauen, was befriedigender und angemessener sein wird. Nehmen wir zum Beispiel die alten religiösen Formen des christlichen Glaubens. Hier möchte ich Sie aber warnen, mich nicht misszuverstehen. Ich will nicht versuchen, zu beweisen, dass der Geist des Christentums unangemessen und seine wohlbegründeten und erprobten Wahrheiten irrig seien. Ich will nur darauf hinweisen, dass die Form, durch die sich dieser Geist auszudrücken bestrebt ist, irgendwie ihre Aufgabe er 66 füllt hat und sich als Begrenzung erweist. Die gleichen alten Wahrheiten und dieselben Grundideen brauchen, um wirksam zu sein, einen angemesseneren Ausdrucksträger. Christliche Denker müssen in dieser Zeit sehr sorgfältig zwischen den lebendigen Wahrheiten des Christentums und der kristallisierten Form der Theologie unterscheiden. Der lebendige Impuls wurde durch Christus gegeben. Er verkündete diese grossen, ewigen Wahrheiten und sandte sie hinaus, damit sie Form annähmen und einer leidenden Welt Hilfe brächten. Sie wurden durch die Form begrenzt, und dann folgte ein langer Zeitraum, in dem diese Form (die religiösen Dogmen und Doktrinen) wuchs und allmählich Gestalt annahm. Jahrhunderte lang schienen Form und Leben einander angepasst zu sein und die christlichen Ideale konnten sich durch das Mittel dieser Form zum Ausdruck bringen. Nun hat die Periode der Kristallisation eingesetzt und das sich erweiternde christliche Bewusstsein empfindet die Begrenzung durch die Theologen als unangemessen und hemmend. Das dichte Gewebe der Dogmen und Doktrinen, das die Kirchenväter und Theologen der Jahrhunderte knüpften, muss sich unweigerlich auflösen, aber nur, damit das innere Leben entrinnen und sich selber ein besseres und befriedigenderes Ausdrucksmittel aufbauen und mit diesem der Mission gerecht werden kann, zu der es ausgesandt wurde. In den Schulen der verschiedenen Denkrichtungen kann man überall das gleiche beobachten. Jede drückt mithilfe einer speziellen Form oder einer Reihe von Formen irgend eine Idee aus, und es ist sehr notwendig, dabei zu bedenken, dass das dreifache Leben, das sich hinter allen Formen verbirgt, trotzdem nur das eine Leben ist, obwohl die Ausdrucksträger unterschiedlich sind und sich im Lauf der Zeit immer als unzureichend erweisen. Worin liegt [67] dann aber der Zweck hinter diesem endlosen Prozess des Formbildens und Zusammenfügens der geringeren Formen? Was ist der Grund für all das und was wird sich schliesslich als das Ziel herausstellen? Mit Sicherheit ist es die Entwicklung von Qualität, die Ausweitung des Bewusstseins, die Entwicklung einer Erkenntnisfähigkeit, das Hervorbringen der Kräfte der Psyche oder der Seele, die Evolution von Intelligenz. Sicher ist es die allmähliche Demonstration der Grundidee oder der Absicht, die jene grosse Wesenheit, die wir den Logos oder Gott nennen, durch das Sonnensystem zur Auswirkung bringt. Es ist die Demonstration seiner psychischen Qualität, denn Gott ist intelligente Liebe; und die Demonstration seiner festgesetzten Absicht, denn Gott ist intelligenter, liebender Wille. Auch für alle unterschiedlichen Stufen und Typen von Atomen gibt es ein Ziel und einen Zweck. So hat das Atom der Chemie ein Ziel; für das menschliche Atom gibt es einen Punkt der Vollendung, den Menschen; das planetarische Atom wird auch eines Tages seinen eigentlichen Zweck offenbaren und die grosse, dem Sonnensystem zugrundeliegende Idee wird einmal enthüllt werden. Könnten wir uns da einbilden, in ein paar flüchtigen Betrachtungen ein vernünftiges Konzept dafür zu finden, was diese Absicht sein mag? Allenfalls können wir eine gewisse allgemeine Vorstellung bekommen, wenn wir uns dem Gegenstand mit genügender Ehrfurcht und sensitiver Anschauungsweise nähern und uns dabei klar bewusst bleiben, dass nur die Unwissenden dogmatisieren und nur die Unweisen in Einzelheiten gehen, wenn über so ungeheure Themen gesprochen wird. Wir haben [68] gesehen, dass beispielsweise das Atom der Chemie die Qualität Intelligenz demonstriert, denn es zeigt Symptome unterscheidungsfähigen Denkens und rudimentäre selektive Befähigung. Damit demonstriert dieses winzige Leben innerhalb der atomaren Form psychische Qualität. Sodann wird das Atom in unterschiedlichen Zeiten und Stadien in all die verschiedenen Formen eingebaut und jedesmal gewinnt es etwas dazu, gemäss der Kraft und dem Leben derjenigen Entität, welche diese Form beseelt, und bewahrt dabei seine Homogenität. Nehmen wir einmal das Atom, das zum Aufbau einer Form im Mineralreich gehört: es zeigt nicht nur unterscheidungsfähiges Denken, sondern auch Elastizität. Dann erscheinen im Pflanzenreich diese beiden Eigenschaften wieder, doch kommt eine dritte hinzu, die wir als Empfindung rudimentärer Art einstufen könnten. Die ursprüngliche Intelligenz des Atoms hat während des Übergangs von Form zu Form und von Naturreich zu Naturreich etwas dazugewonnen. Seine Reaktionsfähigkeit auf Kontakt und überhaupt seine Wahrnehmung haben sich erhöht. Wenn [69] wir später die Evolution des Bewusstseins studieren, können wir mehr im Detail hierauf eingehen; heute will ich nur zeigen, dass im Pflanzenreich aus Atomen erbaute Formen nicht nur unterscheidungsfähige Intelligenz und Elastizität besitzen, sondern auch Empfindungsfähigkeit, also etwas, das im Pflanzenreich der Emotion oder dem Gefühl entspricht - der Emotion, die ja nichts weiter ist als rudimentäre Liebe. Dann folgt das Tierreich, in dem die animalischen Formen nicht nur alle eben genannten Eigenschaften besitzen, sondern in dem noch der Instinkt hinzukommt oder das, was eines Tages als Mentalität aufblühen wird. Das führt uns schliesslich zum menschlichen Wesen, dem alle diese Qualitäten in weit stärkerem Mass eigen sind, denn das vierte Naturreich ist nichts anderes als der Makrokosmos für die drei niederen Reiche. Der Mensch demonstriert intelligente Aktivität, er ist zu Emotion oder Liebe fähig und hat dem noch einen weiteren Faktor hinzugefügt, den des intelligenten Willens. Er ist die Gottheit seines eigenen kleinen Systems; er ist nicht nur bewusst, sondern ist sich sogar seiner selbst bewusst. Er baut seinen eigenen Manifestationskörper, genau wie es der Logos tut, nur in winzigem Massstab; er beherrscht sein kleines System durch das grosse Gesetz der Anziehung und Abstossung, wie es auch der Logos tut, erfüllt es mit Energie und synthetisiert seine dreifache Natur zu einer kohärenten Einheit. Er ist die Drei in Einem und der Eine in den Dreien, ebenso, wie der Logos. Für jedes Atom gibt es im Sonnensystem eine Zukunft. Vor dem letzten Atom liegt ein gewaltiges Ziel und während die Äonen vorbeiziehen, wird das Leben, das dieses Atom beseelt, durch alle verschiedenen Naturreiche hindurchgegangen sein, bis es sein Ziel im Reich des Menschen findet. Der Gedanke [70] könnte nun noch etwas erweitert werden, indem wir ihn auf jene grosse Wesenheit ausdehnen, die das informierende Leben des Planeten ist und alle unterschiedlichen Reiche der Natur in ihrem Bewusstsein hält. Könnte es nicht sein, dass diese Intelligenz, da sie doch die Totalität aller Gruppen und Naturreiche informiert, das Ziel für den Menschen, für das menschliche Atom wäre? Und dass vielleicht, während die Zeit fortschreitet, das Ausmass der gegenwärtigen Erkenntnis dieser Wesenheit auch zur unseren würde und für diese, wie für alle jene grossen Leben, welche die Planeten des Sonnensystems beseelen, die Erreichung jener ungeheuren Bewusstseinsreichweite bevorsteht, die das gewaltige Wesen charakterisiert, welches das informierende Leben des Sonnenlogos ist. Könnte es nicht zutreffen, dass es zwischen den verschiedenen Bewusstseinsgraden, die sich zum Beispiel vom Atom des Chemikers und Physikers bis hinauf zum Logos des Sonnensystems erstrecken, gar keine Lücken gibt und keine abrupten Übergänge, sondern dass immer nur eine allmähliche Ausdehnung und gradweise Evolution von einer Form intelligenter Manifestation zur nächsten stattfindet, und immer das Leben innerhalb der Form dabei an Qualität zunimmt, und zwar vermittels der Erfahrung. Wenn wir diese Idee in unser Bewusstsein aufgenommen haben und uns klar geworden ist, dass allem eine Absicht und richtungweisende Führung zugrundeliegt, wenn wir erkennen, dass auch nicht das Geringste geschieht, das nicht dem bewussten Willen irgendeiner Entität entspringt, und schliesslich alles Geschehen einem bestimmten Ziel und Zweck dient, dann haben wir den Schlüssel zu uns selbst und zu allem gefunden, was rings um uns in der Welt vor sich geht. Wenn wir zum Beispiel erkennen, dass wir Aufbau und Pflege unserer physischen Körper selbst in der Hand haben, dass wir die Kontrolle über unsere Gefühlsnatur und die Verantwortung für die Entwicklung unserer Mentalität selbst tragen, [71] wenn wir weiter erkennen, dass wir selbst die energiespendenden Faktoren innerhalb unserer Körper sind und dass diese sich auflösen und zerfallen, wenn wir uns daraus zurückziehen, dann haben wir hier vielleicht den Schlüssel zu dem, was das unseren Planeten beseelende Leben tun mag, wenn es durch Formen jeglicher Art (Kontinente, Zivilisationen, Religionen und Organisationen) auf dieser Erde wirkt; was auf dem Mond vorgegangen sein kann, der nun eine in Auflösung begriffene Form ist, oder was im Sonnensystem geschehen wird, wenn sich der Logos aus dem zurückzieht, was für ihn nur eine temporäre Manifestation ist. Lassen Sie uns jetzt diese Gedanken praktisch auswerten. Wir leben zurzeit in einer Periode, in der alle Gedankenformen zu zerbrechen scheinen, wo das religiöse Leben der Völker nicht mehr das ist, was es war und jede Art Dogma und Doktrin der Kritik ausgesetzt ist. Ebenso fallen viele alte Formen des wissenschaftlichen Denkens auseinander und die Grundmauern der alten Philosophien scheinen ins Wanken geraten. Unser Schicksal hat uns in eine der schwierigsten Perioden der Weltgeschichte gestellt, in eine Epoche des Zusammenbruchs von Nationen, der Zertrümmerung alter Beziehungen und Bindungen und der offensichtlich bevorstehenden Auflösung [72] der Zivilisation. Wir müssen uns jetzt durch die Erkenntnis ermutigen, dass das alles nur deshalb geschieht, weil das Leben innerhalb dieser Formen so stark wird, dass es sie als Kerker und Begrenzung empfindet; und wir müssen uns ins Gedächtnis rufen, dass diese Übergangsperiode die Zeit der grössten Verheissung ist, welche die Welt je gesehen hat. Darum gibt es keinen Anlass für Pessimismus und Verzagtheit, sondern nur für weitreichendsten Optimismus. Viele sind heute verstört und beunruhigt, weil die Fundamente zu wanken scheinen und die sorgfältig gehüteten, zärtlich geliebten Gebäude des religiösen Denkens und Glaubens und der philosophischen Erkenntnisse einzustürzen drohen. Aber unsere Ängste kommen nur daher, weil wir zu sehr von der Form eingenommen sind und zu sehr mit unserem «Kerker» beschäftigt waren; und wenn der Zerfall jetzt einsetzt, dann nur, damit das Leben sich selbst neue Formen errichten und sich dadurch entwickeln kann. Das Werk des Zerstörers ist ebenso das Werk Gottes wie das des Erbauers; und der grosse Zerstörergott muss die Formen zuerst zerschmettern und niederreissen, damit das Werk des Erbauers möglich wird und der Geist sich angemessener zum Ausdruck bringen kann. Vielen [73] von Ihnen mögen diese Ideen neuartig, phantastisch und unhaltbar erscheinen. Doch selbst wenn sie nur Hypothesen sind, werden sie sich als interessant genug erweisen und uns einen möglichen Schlüssel zum Mysterium in die Hand geben. Wir sehen, wie Zivilisationen sich auflösen, wie die religiösen Gebäude brüchig werden, wir sehen, wie Philosophien erfolgreich angegriffen und die Fundamente der materialistischen Wissenschaft erschüttert werden. Doch, genau besehen, was sind Zivilisationen? Was sind die Religionen? Was sind die grossen Rassen? Einfach Formen, vermittels derer das grosse, dreifältige zentrale Leben, das unseren Planeten beseelt, sich auszudrücken sucht. Ebenso, wie wir uns durch das Mittel einer physischen, emotionalen und mentalen Natur ausdrücken, drückt er sich durch die Totalität der Naturreiche aus und durch die Völker, Rassen, Religionen, Wissenschaften und Philosophien, die zurzeit bestehen. Während sein Leben durch jede Region seines Seins pulsiert, folgen wir als Zellen und Atome innerhalb dieser grösseren Manifestation jedem Übergang und werden von einer Stufe zur nächsten mitgerissen. Während die Zeit fortschreitet und unser Bewusstsein sich ausdehnt, werden wir immer mehr in ein Wissen um seinen Plan, wie er ihn zur Auswirkung bringt, hineinwachsen und schliesslich werden wir imstande sein, gemäss seiner essentiellen Absicht mit ihm zusammenzuarbeiten. Um [74] den zentralen Gedanken dieses Vortrags zusammenzufassen: Wir wollen versuchen uns darüber klar zu werden, dass es so etwas wie anorganische Materie gar nicht gibt, sondern dass jedes Atom ein Lebewesen ist. Wir wollen erkennen, dass alle Formen lebende Formen sind und dass jede nur der Ausdrucksträger irgendeiner innewohnenden Wesenheit ist. Wir wollen versuchen zu verstehen. dass dies gleicherweise auf die Aggregate aller Formen zutrifft. Damit haben wir den Schlüssel zu uns selbst und vielleicht den Schlüssel zum Mysterium des Sonnensystems. VIERTER VORTRAG DIE EVOLUTION DES MENSCHEN, DES DENKERS Das ist [77] der vierte einer Reihe von Vorträgen während des vergangenen Monats, durch die es vielleicht gelungen ist, uns eine Vorstellung über eines der fundamentalsten Prinzipien zu vermitteln, die der Evolution zugrundeliegen und deren Auswirkung im Sonnensystem erkennbar ist. Lassen Sie uns zunächst kurz rekapitulieren, damit wir uns dem heutigen Gegenstand mit bestimmten, klar formulierten Ideen annähern können. Wir erkannten, dass unsere Interpretation der Naturabläufe ein dreifaches Konzept nötig macht, das sich mit dem Lebensaspekt, mit dem Substanzaspekt und mit deren enger Wechselbeziehung durch die Fähigkeit der Intelligenz beschäftigt, die sich als Bewusstsein der einen oder anderen Art manifestiert. Diese Wechselbeziehung wird am Ende (durch das Mittel Materie) den vollendeten Ausdruck der bewussten Absicht einer innewohnenden Entität hervorbringen. Ich möchte die Tatsache hervorheben, dass ich mir zum Ziel gesetzt habe, Ihnen eine Hypothese und eine Anregung zu unterbreiten, die in sich den Keim einer möglichen Wahrheit enthalten, die einigen von uns als der verständlichste Weg erscheint, das Geheimnis des Universums zu erklären Wir sahen [78] die drei Teile des einen grossen Ganzen, nämlich Geist oder Leben, das sich durch einen zweiten Faktor manifestiert, den wir Substanz oder Materie nennen und das einen dritten Faktor benützt, der von uns Intelligenz genannt wird. In der graduellen Synthese dieser drei die Gottheit ausmachenden Aspekte kann die Evolution des Bewusstseins erkannt werden. Wir kamen dann zu einer mehr technischen Diskussion des Gegenstands Substanz selbst, beschäftigten uns jedoch nicht mit den differenzierten Substanzen oder Elementen, dafür aber mit dem Gedanken einer anfänglichen oder Ur-Substanz und versuchten soweit wie möglich zu dem vorzustossen, was von Sir William Crookes als «Protyle» bezeichnet wird oder zu dem, was hinter dem Berührbaren oder Objektiven liegt. Bei Betrachtung des Atoms ergab sich, dass dessen neueste Definition besagt, es sei in Wirklichkeit eine Kraft oder Energieeinheit, bestehend aus einer positiven elektrischen Ladung, die eine Anzahl negativer Teilchen mit Energie versorgt. Es wurde uns klar, dass das winzige Atom des Chemikers und Physikers in sich selbst ein Sonnensystem ist, mit der gleichen generellen Anordnung wie das grössere System, das eine ähnliche Aktivität aufweist und von analogen Gesetzen geleitet wird. Wir sahen, dass in ihm eine zentrale Sonne ist und dass um diese zentrale Sonne die Elektronen erblickt werden können, wie sie ihre vorgeschriebenen Runden ziehen. Wir haben auch die Tatsache festgestellt, dass die Elemente nur hinsichtlich Zahl und Anordnung ihrer Elektronen um die zentrale positive Ladung [79] voneinander abweichen. Von da gingen wir über zur Betrachtung der Seele oder Psyche des Atoms und hörten, dass Wissenschaftler die Wahrheit anerkennen, dass Atome selbst Qualität besitzen, Denk oder Intelligenzsymptome aufweisen und unterscheiden, aussondern und auswählen können. Wir haben dann etwas ausgesponnen, was wie ein Märchen klingt. Wir schilderten den Menschen als ein Atom und spürten seiner Ähnlichkeit mit einem Atom nach; dabei ergab sich, dass er durch seine Anziehungskraft die Materie seiner verschiedenen Körper, des mentalen, emotionalen und physischen, in genau der gleichen Weise in seiner Einflusssphäre hält, wie die Elektronen um ihren zentralen Mittelpunkt in Umlauf gehalten werden. Diese Idee liess sich noch erweitern, und wir wandten unsere Aufmerksamkeit dem Planeten zu, den wir seiner Natur nach als dem menschlichen Atom ähnlich schilderten, und auch dem letzten Atom der Substanz, das nichts ist als die Lebensäusserung eines sich in sphäroidischer Form manifestierenden Lebewesens, das einen intelligenten Zweck auswirkt. Dann erreichten wir den Höhepunkt unserer Überlegungen mit der Betrachtung des Sonnensystems als eines kosmischen Atoms, beseelt durch das Leben des Logos. Damit haben wir vier Arten von Atomen in unsere Betrachtung einbezogen: Erstens, das Atom des Chemikers und Physikers. Zweitens, das menschliche Atom oder den Menschen. Drittens, [80] das planetarische Atom, beseelt durch einen planetarischen Logos oder den Himmlischen Menschen. Viertens, das solare Atom, dem der Sonnenlogos oder die Gottheit innewohnt. Wenn wir mit unserem Grundkonzept recht haben, wenn unsere Hypothese ein Körnchen Realität enthält und wenn es in unserer Idee vom Atom, aus dem die Elemente gebaut sind, eine Wahrheitsgrundlage gibt, dann muss das Atom als ein Leben anerkannt werden, das auf intelligente Weise durch das Mittel einer Form wirkt. Dann kann vielleicht auch bewiesen werden, dass der Mensch in gleicher Weise ein Leben oder Energiezentrum ist, das sich durch seine Körper manifestiert und es kann möglicherweise demonstriert werden, dass ein Planet ebenfalls das Ausdrucksmittel für ein noch grösseres Energiezentrum ist, und dass weiter, nach dem Gesetz der Analogie, vielleicht in ferner Zeit bewiesen werden kann, dass es hinter der materiellen Natur einen Gott oder ein zentrales Leben und eine Entität gibt, die bewusst durch das Sonnensystem wirksam ist. In unserem letzten Vortrag griffen wir noch eine weitere Manifestationsphase auf. Wir studierten das Atom selbst und überlegten, wie es in Beziehung zu anderen Atomen tritt und durch deren wechselseitige Kohärenz Gruppen oder Anhäufungen von Atomen bildet. Mit anderen Worten, wir gingen dem Atom nach, wie es in die verschiedenen Formen innerhalb der einzelnen Naturreiche eingebaut wird und fanden, dass im Evolutionsprozess die Atome selbst zu anderen und grösseren Zentralpunkten hingezogen und ihrerseits zu Elektronen werden. Jede Form ist somit nur ein Aggregat kleinerer Leben. Sehr [81] kurz berührten wir dann die verschiedenen Naturreiche und verfolgten die Entwicklung der Seele oder Psyche in ihnen allen. Dem Atom hatten wir bereits Intelligenz oder Unterscheidungsvermögen zugesprochen und fanden, dass beim Formenaufbau im Mineral, Pflanzen und Tierreich das aufzuscheinen beginnt, was wir unter Empfindungsvermögen verstehen, und damit erkannten wir die Rudimente von Emotion oder Gefühl in embryonalem Zustand - die Widerspiegelung der Liebe auf der physischen Ebene. Hiermit haben wir den einen Aspekt der dreifachen Natur Gottes, der Intelligenz, die sich durch das Atom demonstriert; und vermittels der Form sehen wir die Liebe oder Qualität der Anziehung sich manifestieren. Dasselbe kann in der Erkenntnis ausgedrückt werden, dass in diesen beiden Aspekten des zentralen göttlichen Lebens die dritte Person der logoischen Trinität mit der zweiten zusammenwirkt; nämlich, dass die intelligente Aktivität der Gottheit, oder der «Heilige-Geist-Aspekt» in Verbindung mit dem zweiten, oder «dem Sohn» wirkt, welcher der Erbauer der Formen ist. Dies ist in sehr interessanter Weise in den Sprüchen Salomonis VIII ausgedrückt, wo die Weisheit laut ausruft (Weisheit repräsentiert im Alten Testament den Christus-Aspekt) und erklärt, er (der Sohn) sei bei Gott gewesen, noch ehe die Schöpfung war, und dann fortfährt, «als Er die Grundfesten der Erde bestimmte, war Ich bei [82] Ihm als Sein Werkmeister oder Erbauer». Für Studierende wäre es nützlich, dieses Kapitel einmal in Verbindung mit den hier formulierten Gedanken zu lesen, wobei zu raten ist, auf möglichst genaue Übersetzung zu achten. Wir kommen nun zu unserem heutigen Thema, zur Evolution des Menschen, des Denkers. Es wird sich erweisen, dass im Menschen ein weiterer Aspekt der Göttlichkeit hinzutritt. Robert Browning greift im «Paracelsus» auf, was wir eben erwogen haben und fasst es in den fesselnden Worten zusammen: »So wohnt er (Gott) in Allem. Vom ersten, leisesten Beginn des Lebens bis hin zum Menschen, als der Vorerfüllung seines Plans, ergänzend diese Lebenssphäre: Denn über alle Welt hin waren verstreut noch alle Elemente drum baten sie, unfertige Fragmente, doch einmal Eins zu sein, verwebt zu werden einem wunderhaften Ganzen. Und Ahnung war in ihnen, dass einmal doch eine Kreatur sein könnte, die endlich jenen Zielpunkt würde schaffen, wo all die heimatlosen Strahlen sich würden treffen können um aufzugeh'n im hohen Rang des Menschen.» Nachdem wir also zwei Aspekte des Göttlichen im Atom und in der Form entdeckt haben, werden wir die Dreiheit im Menschen vervollständigt finden. Es heisst, der Mensch sei nach dem Bilde Gottes gemacht und deshalb können wir auch erwarten, dass er [83] diese dreifache Natur des Logos widerspiegelt. Er muss Intelligenz demonstrieren, Liebe erkennen lassen und Willen bekunden. Sehen wir uns einige der Definitionen des «Menschen» aus dem Lexikon und ähnlichen Quellen an. Im «Standard Dictionary» findet sich eine höchst belanglose, sie lautet: «Der Mensch ist ein Individuum der menschlichen Rasse» und darauf folgt eine lange Liste von Ableitungen des Wortes «Mensch» durch alle bekannten Sprachen hindurch, die mit der Feststellung schliesst, viele dieser Ableitungen seien unglaubwürdig. Meiner Auffassung nach ist am befriedigendsten die aus der Wurzel des Sanskritwortes «man» hergeleitete: «Der Eine, der denkt». Annie Besant gibt in einem ihrer Bücher folgende ausserordentlich klare Definition: «Der Mensch ist das Wesen, in welchem die höchste Geistigkeit und die niederste Materie durch Intelligenz verbunden sind.» Hier wird der Mensch als Treffpunkt aller drei Evolutionslinien, Geist, Materie und verbindender Intellekt, geschildert; er wird als derjenige dargestellt, der das Selbst, das Nicht-Selbst und die Verbindung zwischen Beiden vereint und wird gesehen als der Wissende, das Gewusste und das Wissen selbst. Was ist der Zweck des Intellekts und des Wissens? Bestimmt dient er zur Anpassung der materiellen Form an die Notwendigkeiten und Bedürfnisse des innewohnenden Geistes; mit Sicherheit soll er den Denker im Körper befähigen, diesen intelligent und zu einem bestimmten Zweck zu benutzen; und sicherlich ist er deshalb existent, damit die zentrale, energiespendende Einheit ihren negativen [84] Aspekt konstruktiv steuern kann. Wir alle sind Entitäten, die eine Form beseelen und versuchen, mittels der Intelligenz diese Form in einer bestimmten Absicht zu benützen, die im bewussten Willen des wahren Selbst vorhanden ist. In einem sehr alten okkulten Buch - so alt, dass das Ursprungsdatum gar nicht mehr ermittelt werden kann - ist eine Definition des Menschen zu finden, die sehr einleuchtend ist und ganz auf der Linie des Gedankengangs, den wir zu entwickeln suchen. Der Mensch wird dort definiert als «Das Leben und die Leben». Wir wissen, dass das Atom ein Leben ist, das sich mittels der kleinen Sphäre offenbart, deren Mittelpunkt es ist. Wir haben gesehen, dass alle Formen ein Aggregat von in das Mineralreich, Pflanzenreich und Tierreich eingebauten Leben sind. Wir können nun auf die nächste Stufe dieser grossen Evolutionsleiter weitergehen und werden finden, dass das menschliche Leben die logische Folge ist, die aus allen früheren Entwicklungen erwächst. Zuerst der Urstoff, essentiell intelligente Energie; als nächstes atomare Materie, die in all ihren unterschiedlichen Aktivitäten die Ur-Kombination schafft; dann die Form, das Aggregat dieser Atome, bis hinauf zum Bewohner innerhalb der Form, der nicht nur aktive Intelligenz, nicht nur inhärente Anziehung und Liebe ist, sondern auch absichtsvoller Wille. Dieser «Bewohner im Inneren» ergriff Besitz von seiner Form, als diese ein bestimmtes Stadium des Vorbereitetseins und welche diese Form ausmachenden Leben [85] eine bestimmte Vibrationsfähigkeit erreicht hatten; jetzt benützt er sie und wiederholt innerhalb seiner eigenen Einflusssphäre die Arbeit des Materieatoms; er demonstriert sich dennoch nicht auf eine oder auf zwei, sondern auf drei Arten. Im Menschen haben Sie daher in der Tat und in Wahrheit das, was der Christ als «das Ebenbild Gottes» bezeichnen würde. Es müsste eigentlich allen Denkenden einleuchten, dass die einzige Art, Gott zu erkennen, durch das Studium seiner wesenhaften Natur oder psychischen Qualität möglich ist. Wir wissen, dass Gott Intelligenz ist, wir wissen, dass er Liebe ist oder die grosse anziehende Kraft des Sonnensystems, und wir wissen, dass er der grosse Wille oder die Absicht hinter aller Manifestation ist. In allen Schriften der Welt wird die Gottheit stets unter diesen drei Aspekten geschildert und in der dreifachen Weise, wie sie durch die Natur offenbar wird. Die Evolution der Substanz ist eine Angelegenheit des stufenweisen Wachstums; sie wird im Lauf der Zeit ergänzt durch allmähliches Herausarbeiten der inneren, subjektiven Qualität des Lebens Gottes, wodurch Sein essentielles Wesen erkennbar wird. Zuerst erscheint der eine Aspekt, dann scheint langsam ein weiterer auf bis schliesslich der dritte zu erkennen ist und wir damit die erstaunliche Kombination und Vollendung der Substanz vor uns haben, den Menschen. Dieser verbindet die drei Aspekte und bringt sie zu einer Synthese, indem [86] er sie in sich selber vereint. Er ist die Totalität der göttlichen Attribute, auch wenn sie zunächst noch weitgehend embryonal sind, und muss in seinem Evolutionszyklus genau die gleichen Prozesse wiederholen, die das Atom selbst durchzumachen hatte. Wie dieses seine eigene innere Laufbahn verfolgt und wie es später mit anderen Atomen zusammen in die Formation einer Gruppe hineingezogen, mit ihr verbunden und verschmolzen werden muss, so hat auch das Menschenatom seinen Platz innerhalb einer grösseren Form zu finden. Lassen Sie uns deshalb kurz durchdenken, worin die Methode des evolutiven Prozesses für einen Menschen besteht. Wir haben gesehen, wie in ihm die drei Linien konvergieren, er also ein Punkt der Synthese ist, mit einem vorläufig noch vorherrschenden Aspekt, nämlich dem der Intelligenz, mit einem zweiten Aspekt der Liebe-Weisheit, der gerade dabei ist, seine Gegenwart bemerkbar zu machen und mit dem höchsten, dem geistigen Willen, der bis jetzt noch rein embryonal ist. Wir sind sicher fast alle in dem Glauben an «den Fall des Menschen» erzogen, wie die Beschreibung lautet. Es gibt heute nur noch wenige, die an die Geschichte des «Falles» in der Form glauben, wie sie im 1. Kapitel der Genesis erzählt wird und die meisten von uns billigen ihr eine allegorische Deutung zu. Aber was ist die okkulte Wahrheit, welche dieser merkwürdigen Geschichte zugrundeliegt? Dass einfach die Wahrheit über den Sturz des Geistes in die Materie der kindhaften Denkweise des Menschen vermittels eines Bildes mitgeteilt wurde. Der Vorgang des Konvergierens dieser Linien ist ein zweifacher. Einmal der Abstieg der Entität, des zentralen Lebens in die Materie, die Inkarnation des Geistes, und dann später das sich wieder nach oben, aus der Materie Herausbegeben des Lebens oder Geistfunkens, plus all dem, was durch [87] die Verwendung der Form dazugewonnen wurde. Durch Experimentieren mit Materie, durch das Bewohnen einer Form, durch Beseelen der Substanz, durch das Verlassen des Gartens Eden (des Ortes, wo es keinen Spielraum für notwendige Entwicklung gibt), durch die Wanderung des «verlorenen Sohnes» ins ferne Land, werden die verschiedenen Stadien in der christlichen Bibel geschildert, in denen der Mensch die Entdeckung macht, dass er nicht die Form ist, sondern derjenige, der sie benützt. Er ist Intelligenz und deshalb ist er nach dem Abbild der Dritten Person der Trinität gemacht; er ist Liebe und durch ihn wird sich der Liebe-Aspekt der Gottheit eines Tages vollkommen manifestieren, und dann wird er, als Antwort auf die Frage, «Herr, zeige uns den Vater», mit seinem älteren Bruder, dem Christus, sagen können: «Der Mich gesehen hat, hat den Vater gesehen», denn Gott ist Liebe; und schliesslich wird durch ihn der höchste Aspekt, der Wille Gottes sich manifestieren und er wird vollkommen sein, wie sein Vater im Himmel vollkommen ist. Ebenso, wie in der Evolution der Substanz drei Stadien erkannt werden konnten - das der atomaren Energie, der Gruppenkohärenz und schliesslich der Synthese - wird sich in der Evolution des Menschen das gleiche erkennen lassen. In den frühen Stadien der menschlichen Evolution, die man das Atom-Stadium nennen könnte, kommt der Mensch allmählich zur Erkenntnis, dass er eine seiner selbst bewusste Einheit mit einer ihm allein eigenen Individualität ist. Wer Kinder grossgezogen hat, kennt [88] dieses Stadium genau. Man kann es in dem ständigen «mein, mein, mein» sehen, der Stufe des Aneignens für sich selbst ohne irgend einen Gedanken an ein anderes Selbst. Kinder sind ganz natürlich, mit Vorbedacht und sehr weise selbstsüchtig. Es ist die Periode des allmählichen Erkennens eines gesonderten Daseins und des immer stärkeren Gebrauchs der eigenen, inneren atomaren Kraft durch das menschliche Atom. Der kindliche Mensch lehnt sich gegen die Bevormundung seitens der ihn beschützen Wollenden auf und hält sich selbst für hinreichend tauglich. Das kann im Individuum ebenso beobachtet werden wie in der Rasse. Dann, wenn das Leben weitergeht, nach Durchlaufen des Atom-Stadiums, geht der Mensch zu einem höheren und besseren weiter sobald er seine Gruppenbeziehungen erkennt; wenn er erkennt, dass er Gruppenverantwortlichkeiten, das heisst, gemeinsam mit anderen, gesonderten Atomen, Aufgaben zu erfüllen hat. Das Gruppenbewusstsein beginnt sich bemerkbar zu machen. So findet das menschliche Atom seinen Platz innerhalb der Gruppe, jener grösseren Einheit, zu der es gehört, und der Liebe-Aspekt beginnt sich zu zeigen. Der Mensch ist vom Atom-Stadium in das der Gruppenkohärenz übergegangen. Auf einer späteren Stufe wird ihm dann klar, dass er nicht nur Verpflichtungen gegenüber der Gruppe hat, sondern dass es da noch [89] etwas Grösseres geben muss. Er erkennt, Teil eines grossen universalen Lebens zu sein, das allen Gruppen zugrundeliegt, und nicht nur ein universelles Atom und nicht nur Teil einer Gruppe; sondern dass, nachdem er seine Identität mit der Gruppe verschmolzen hat - obwohl er sie nie verliert die Gruppe ihrerseits mit dem Bewusstsein jener grossen Identität verschmolzen werden muss, welche die Synthese Aller ist. So erreicht er die Endstufe intelligenten Verständnisses für die göttliche Einheit. Diese grosse dreifältige Idee findet sich in der Bibel in einem ausserordentlich bedeutsamen Satz zusammengefasst. Jehova sagt zu Moses, der repräsentativ für den Menschen steht: «Ich bin, das Ich bin.» Zerlegen wir diesen Satz in seine drei Teile, dann steht vor uns das, was ich heute herauszuarbeiten versuchte: Zuerst das AtomBewusstsein - ICH BIN; dann die Gruppe - ICH BIN DAS, nämlich das Bewusstsein, nicht nur ein gesondertes Individuum, nicht nur eine selbstzentrierte Einheit, nicht nur eine ihrer selbst bewusste Entität, sondern etwas noch viel Grösseres zu sein. Jetzt erreicht der Mensch die Erkenntnis, die ihn dazu führt, seine Identität im Dienst der Gruppe zu opfern und sein Bewusstsein in dem der Gruppe aufgehen zu lassen. Von einer solchen bewussten Vereinigung wissen wir praktisch noch nichts. Hierauf folgt die noch höhere Stufe, wenn ICH BIN, DAS ICH BIN für uns kein unmögliches Ideal oder kein visionäres Konzept mehr ist, sondern eine fundamentale Wirklichkeit, wenn der Mensch im Aggregat sich selbst als Ausdruck des universalen Lebens erkennt und wenn selbst das Gruppenbewusstsein im Aggregat aller Gruppen aufgegangen sein wird. Wir nehmen [90] an und hoffen, das Atom-Stadium rasch hinter uns gebracht zu haben, und dass unsere Einfluss und Interessensphäre nicht mehr durch unsere atomare Mauer begrenzt wird, sondern (um einen vertrauten Begriff zu gebrauchen), dass wir «radioaktiv» (strahlungsaktiv) werden. Wenn das der Fall ist, werden wir nicht mehr durch unsere eigene Hülle und den engen Horizont unseres eigenen individuellen Lebens begrenzt und eingeengt sein, sondern wir werden beginnen zu strahlen und mit anderen Atomen in Kontakt zu kommen und erreichen damit das zweite Stadium das der Anziehung. Was also ist das Ziel für jeden von uns? Was ist das Ziel für diese verschiedenen Atome, mit denen wir uns hier beschäftigen? In alten östlichen Schriften wird uns gesagt, das Ziel für das Substanzatom sei Selbst-Bewusstsein. Was ist dann das Ziel für das menschliche Atom, das ja schon selbstbewusst, schon individualisiert ist und vom eigenen Willen geleitet wird? Was hat der Mensch zu erwarten? Einfach die Ausdehnung seines Bewusstseins, bis es das Bewusstsein des grossen Lebens oder jener Wesenheit, in deren Körper er selbst eine Zelle ist, einschliesst. Unser physischer Körper besteht zum Beispiel aus zahllosen geringeren Lebewesen oder Atomen, von denen jedes von seinem Nachbarn getrennt und durch seine eigene innere Aktivität unterschieden ist, und von denen jedes einzelne wiederum eine Sphäre bildet, die andere, geringere Sphären oder Elektronen innerhalb seiner Peripherie hält. Wir haben [91] gesehen, dass der Mensch die positive Ladung ist, welche die Vielheit seiner Atome oder geringeren, beseelten, in kohärenten Formen verbundenen Leben zusammenhält. Im Tode, wenn der Geistaspekt sich zurückzieht, zerfällt die Form, wird aufgelöst, und diese kleinen bewussten Leben, die ihre Funktion erfüllt haben, zerstreuen sich. Das Bewusstsein des Atoms in seinem Körper ist für den Menschen etwas völlig anderes als sein eigenes Bewusstsein, was wir schon mit geringem Denkaufwand erkennen können. Wenn wir unterstellen, dass der Mensch eine Zelle in einer grösseren Sphäre ist, könnte es da nicht möglich sein, dass es ein Bewusstsein gibt, das für den Menschen dasselbe bedeutet, was sein Bewusstsein für die Zelle in seinem Körper ist? Könnte es nicht sein, dass wir die Vervollkommnung des Bewusstseins im selben Sinne zu erwarten hätten, wie das Atom der Substanz eines Tages das Bewusstsein eines Menschen erreichen wird? Könnte es nicht sein, dass es das war, was Browning im Sinn hatte, als er schrieb: «Menschheit, bestehend aus all den einzelnen Menschen; in solcher Synthese endet die Geschichte.» Hier hält er uns das Konzept eines grösseren Menschen vor Augen, der die Synthese oder Gesamtsumme aller geringeren Einheiten ist. Vielleicht könnte Synthese das grosse Leben, die planetarische Wesenheit sein, die der Hintergrund unserer planetarischen Manifestation ist und gleichzeitig die Gesamtsumme des [92] Gruppenbewusstseins. Ich möchte meinen, dass ebenso, wie Selbst-Bewusstheit Zweck und Ziel aller untermenschlichen Lebensformen ist und wie Gruppenbewusstsein, oder das Bewusstsein des Himmlischen Menschen, das Ziel für die Menschen ist, dass auch vor jenem ein Ziel stehen mag, das für ihn das Erreichen des Gottbewusstseins sein kann. So stünde ihm das Bemühen bevor, die Erkenntnis zu entwickeln, die dem Sonnenlogos eigen ist. Es lässt sich auf diese Weise die Einheit des Bewusstseins vom winzigsten Atom bis zur Gottheit selbst nachvollziehen. Und so öffnet sich vor uns ein wundervolles Bild und ein Ausblick voller Möglichkeiten. So kann das Leben Gottes in seiner essentiellen dreifachen Manifestation gesehen werden, wie es sich in einem ewig sich ausdehnenden Bewusstsein auswirkt; wie es sich im Substanzatom demonstriert, durch das Mittel der Form erweitert, bis es einen Kulminationspunkt im Menschen findet und dann auf seiner Bahn weitergeht, bis es sich als das planetarische Bewusstsein, die Gesamtsumme aller Bewusstseinszustände auf unserem Planeten Erde offenbart, bis wir schliesslich bei dem fundamentalen Ur-Leben angelangt sind, welches alle planetarischen Evolutionen in der Synthese seiner umfassenderen Sphäre hält, dem Sonnensystem. In der Zusammenschau können wir demnach vier Zustände intelligenter Aktivität unterscheiden, die wir als Bewusstsein, Selbst-Bewusstsein, Gruppen-Bewusstsein und Gott-Bewusstsein bezeichnen können. Diese Bewusstseinszustände geben sich durch vier Atomtypen kund: Erstens, das chemische Atom und sämtliche atomaren Formen; zweitens, das menschliche Atom; dann das planetarische Atom [93] und schliesslich das allumfassende solare Atom. Als der beseelende Faktor dieser atomaren Formen erweisen sich alle untermenschlichen Arten des Lebens, vom Leben des Substanzatoms bis zum beseelenden Leben der höheren Tiere und bis zu jenem Leben, das wir das menschliche nennen, den Menschen, den Denker; als nächstes zum Himmlischen Menschen und endlich zu dem grossen Leben des Sonnensystems, das die Christen Gott nennen oder den Logos. Browning drückt diesen Gedanken der stufenweisen Erweiterung des Bewusstseins eines Menschen in etwas Grösseres und Gewaltigeres mit folgenden Worten aus: «Wenn alle Kreatur einst makellos wird sein als wie der Mensch es ist: zum Menschen ausgerichtet und durch ihn erwirkt - hat alles erst einmal ein Ende. Doch im vollkomm'nen Menschen wächst erneut ein Streben hin zu Gott. Die Seher wussten's längst: Der Mensch ist auf dem Weg. Schon keimt in seinem Selbst erhabnes Vorgefühl, voll von Symbolen, Bildern noch verhang'nen Glanzes, Visionen, eh noch in jenen ew'gen Kreislauf alles mündet. Schon fangen Menschen an zu überschreiten die Grenzen der Natur. Sie finden neues Hoffen und Verlangen, das mächtig überwächst der eig'nen Wünsche Kümmernis' und Freude. Sie wuchsen allzu hoch für enge Glaubenszwänge von recht und falsch, denn die verblassen vor dem unendlichen Verlangen, einmal ganz das Gute zu umfassen: und wissen schon, dass unterdes in ihnen keimt und wächst der Friede. Schon wandeln solche [94] Menschen auf der Erde, mit heit'rer Stirn, inmitten halbgeformter Kreaturen, die doch gerettet werden sollen, gerettet werden und vereint mit ihnen. FÜNFTER VORTRAG DIE EVOLUTION DES BEWUSSTSEINS In [97] der letzten Woche studierten wir, wenn auch nur flüchtig, die Evolution des Menschen, des Denkers, des Bewohners der Körper, also desjenigen, der sie während des Evolutionszyklus benutzt. Wir sahen, dass er die Summierung aller Evolutionen ist, die ihm vorausgingen. Die beiden früheren Vorträge führten uns an das Studium dieses Evolutionsstadiums heran, indem wir zuerst die Substanz oder atomare Materie vor deren Einbau in eine Form betrachtet haben, also das winzige Atom, bevor es in einen irgendwie gearteten Träger eingekörpert war. Dann studierten wir die Bildung der Formen mittels des grossen Gesetzes der Anziehung, welche die Atome um sich versammelt und sie veranlasst, zusammenzuhalten und im Einklang miteinander zu schwingen, wodurch dann eine Form oder Anhäufung von Atomen zustandekommt. Wir kamen zu der Erkenntnis, dass wir in der atomaren Substanz einen Aspekt der Gottheit oder Göttlichkeit und der zentralen Kraft oder Energie des Sonnensystems vor uns haben, das sich unter dem Aspekt der Intelligenz manifestiert, und wir sahen, dass sich im Formaspekt der Natur eine weitere Qualität der Gottheit offenbart, die der Liebe oder Anziehung, jener Bindekraft, welche die Form zusammenhält. Dann studierten wir den Menschen und stellten fest, wie in ihm alle drei göttlichen Aspekte zusammentreffen und mussten den Menschen als den zentralen Willen erkennen, der sich durch eine aus Atomen zusammengesetzte Form darstellt und die drei göttlichen Qualitäten, Intelligenz, Liebe-Weisheit und Wille oder Kraft demonstriert. Heute verlassen [98] wir den Materieaspekt der Manifestation, mit dem wir es in den anderen Vorträgen zu tun hatten und gehen zur Betrachtung des Bewusstseins in der Form über. Wir haben gesehen, dass das Atom dabei als das zentrale Leben angesehen werden kann, das sich durch eine sphäroide Form manifestiert und eine Art Denkqualität zeigt; aber das menschliche Atom kann ebenfalls als ein zentrales, positives Leben betrachtet werden, das eine Form benutzt und die verschiedenen, von uns aufgezählten Eigenschaften demonstriert; und dann sagten wir, wenn unsere Hypothese über das Atom stimmt und wenn es richtig ist, den Menschen als ein Atom anzusehen, dann könnten wir diese Grundvoraussetzung auch auf den Planeten ausdehnen und behaupten, im Inneren des planetarischen Atoms gibt es ein sich durch eine Form manifestierendes grosses Leben, das besondere Qualitäten aufweist und ein spezifisches Ziel ausarbeitet; dann wandten wir das gleiche Konzept noch auf die grössere Sphäre des Sonnensystems und die ihm innewohnende Gottheit an. Lassen Sie uns jetzt die Frage nach dem Bewusstsein selbst aufgreifen, das Problem etwas genauer studieren und uns mit der Reaktion [99] des Lebens innerhalb der Form beschäftigen. Wenn es mir dadurch gelingt, einige Grundgedanken zu übermitteln, die mit dem vorher Gesagten zu vereinbaren sind, werde ich dem Gebäude, das ich aufzubauen versuche, einen weiteren Stein einfügen können. as englische Wort «consciousness» (Bewusstsein) stammt aus zwei lateinischen Wörtern, nämlich «con», mit und «scire», wissen und wörtlich bedeutet das «das, womit wir wissen». Im Lexikon findet sich folgende Erklärung für Bewusstsein: «Der Zustand des Gewahrseins» oder die Bedingung für Wahrnehmung, die Fähigkeit auf Stimuli zu reagieren, die Gabe, Kontakte zu erkennen und die Kraft, Schwingung zu synchronisieren. Jeder dieser Begriffe könnte für alle Definitionen des Bewusstseins gelten, aber die eine, die ich heute betonen möchte, ist diejenige aus dem «Standard Dictionary», die ich schon früher zitiert habe. Der durchschnittliche Denker, der die meisten Textbücher in die Hand nimmt, die sich mit diesem Gegenstand befassen, wird sie wahrscheinlich sehr verwirrend finden, denn sie unterteilen Bewusstsein und Gewahrseinszustand in zahlreiche Unterabteilungen, bis die Verwirrung vollkommen ist. Wir wollen heute nur drei Bewusstseinsarten behandeln, die wie folgt aufgezählt werden könnten: Absolutes Bewusstsein, universales Bewusstsein und individuelles Bewusstsein; und von diesen dreien lassen sich in Wirklichkeit nur zwei einigermassen klar definieren. Für absolutes Bewusstsein [100] ist einem normalen Denker praktisch keinerlei Erkennen möglich. In einem Buch wurde es einmal beschrieben als «Das Bewusstsein, welches alles enthält, sowohl das Mögliche als auch das Tatsächliche», und es betrifft alles, was möglicherweise als etwas bereits Geschehenes erkannt werden kann, als auch etwas, das gerade geschieht oder geschehen wird. Möglicherweise ist dies das absolute Bewusstsein und vom Standpunkt des Menschen gesehen das Bewusstsein Gottes, der in Sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft enthält. Was ist aber dann universales Bewusstsein? Es könnte als Raum-Zeitdenkens Bewusstsein definiert werden, das also die Idee von Ort und Abfolge in sich enthält oder in Wirklichkeit Gruppenbewusstsein, wobei die Gruppe selbst entweder eine grössere oder kleinere Einheit bildet. Und das individuelle Bewusstsein kann schliesslich definiert werden als gerade so viel vom universalen Bewusstsein enthaltend, als eine abgetrennte Einheit für sich selbst kontaktieren und begreifen kann. Um nun diese vagen Ausdrücke - absolutes, universales, individuelles Bewusstsein verständlich zu machen, sollte ich versuchen, sie etwas zu veranschaulichen. Etwa so: In früheren Vorträgen erkannten wir, dass wir das Atom im menschlichen Körper als Entität, als winziges, intelligentes Leben und eine mikroskopische, aktive Sphäre verstehen müssen. Nehmen wir diese kleine Zelle als Ausgangspunkt, dann können wir mit ihrer Hilfe eine gewisse Vorstellung davon bekommen, was diese drei Bewusstseinsarten sind, wenn wir sie vom Standpunkt des Atoms und des Menschen [101] her betrachten. Individuelles Bewusstsein wäre für das winzige Atom in eines Menschen Körper sein eigenes, vibrierendes Leben, seine eigene innere Aktivität und alles was es spezifisch selbst betrifft. Universales Bewusstsein wäre für die kleine Zelle das Bewusstsein des gesamten physischen Körpers, weil sie es als die Einheit sieht, in die das Atom eingekörpert ist. Absolutes Bewusstsein könnte für das Atom das Bewusstsein des denkenden Menschen sein, der den Körper mit Energie versorgt. Das wäre für das Atom freilich etwas so unendlich weit von seinem eigenen inneren und internsten Leben Entferntes, dass es ihm praktisch unerfassbar und unbekannt bliebe; und doch wird die Form und das Atom in der Form und alles, was diese betrifft, von ihm in die Richtung seines Willens gerissen. Diese Vorstellung braucht nur auf den Menschen als Atom oder Zelle im Körper einer grossen Entität erweitert zu werden, dann kann man auf derselben Gedankenlinie diese Vorstellung eines dreifältigen Bewusstseins ausarbeiten. Es wäre an dieser Stelle ratsam, wieder herunterzusteigen und uns mit praktischen Dingen zu befassen, anstatt mit dem absoluten Bewusstsein. Die westliche Wissenschaft kommt allmählich zur Schlussfolgerung der esoterischen Philosophie des Ostens, dass Bewusstsein nicht nur dem Tier und dem Menschen zugestanden, sondern auch erkannt werden muss, dass es sich durch das Pflanzenreich bis in das Mineralreich erstreckt und dass Selbst-Bewusstsein als die vollzogene Vollendung des evolutiven Wachstums des Bewusstseins in [102] den drei niederen Naturreichen zu sehen ist. Es ist nicht möglich, in der mir zur Verfügung stehenden kurzen Zeit tiefer in das ungeheuer faszinierende Studium der Bewusstseinsentwicklung im Tier und Pflanzenreich sowie auf sein Aufscheinen im Mineralreich einzugehen. Wir würden dann nämlich entdecken, dass sogar Mineralien Symptome von Wahrnehmung, von Reaktion auf Stimuli zeigen; dass sie Zeichen von Ermüdung erkennen lassen, und dass es möglich ist, ein Mineral zu vergiften und regelrecht zu ermorden, wie man auch einen Menschen ermorden kann. Die Tatsache, dass Blumen Bewusstsein haben, wird bereitwilliger aufgenommen, und es gibt äusserst interessante Veröffentlichungen über die Bewusstheit der Pflanzen, die enorme Gedankenweiten eröffnen. Wir haben gesehen, was sich über die atomare Materie als Einziges sicher behaupten lässt, ist, dass sie Intelligenz zeigt, die Kraft zur Auswahl und zur Unterscheidung besitzt. Das ist auch der vorherrschende Faktor, der sich im Bewusstsein des Mineralreichs manifestiert. Im Pflanzenreich erscheint eine weitere Qualität, die der Empfindung oder einer rudimentären Form des Fühlens. Es ist auf andere Weise reaktionsfähig als das Mineralreich. Im Tierreich tritt dann eine dritte Reaktion in Erscheinung; das Tier zeigt nicht nur Anzeichen von Empfindung weit stärkeren Grades als sie im Pflanzenreich aufscheint, sondern hier zeigen sich Anzeichen von Intellekt oder eines embryonalen Denkvermögens. Instinkt ist eine allgemein anerkannte Fähigkeit aller animalischen Einheiten und das Wort stammt bezeichnenderweise aus derselben Wurzel wie das lateinische «instigere» antreiben. Wenn sich in einer Tierform eine Antriebskraft zu regen beginnt, ist [103] es das Zeichen, dass sich eine Embryo-Mentalität manifestieren will. In allen Naturreichen sind die verschiedensten Grade und Arten von Bewusstsein anzutreffen, während sich im Menschen die ersten Symptome von Selbst-Bewusstsein zeigen oder die Fähigkeit, durch die er gewahr wird, dass er nicht nur eine gesonderte Identität ist, sondern auch der dem Körper innewohnende Impuls und der eine, der vermittels dieser Körper Gewahrsein zu entwickeln sucht. Im Osten hat man das längst gelehrt und «esoterische Philosophie lehrt, dass alles lebt und bewusst ist, aber dass nicht alles Leben und Bewusstsein dem des Menschen gleicht», und weiter wird die Tatsache betont, dass «zwischen dem Bewusstsein des Atoms und dem einer Blume, zwischen dem einer Blume und dem eines Menschen, zwischen dem eines Menschen und dem eines Gottes enorme Intervalle bestehen.» Wie Browning gesagt hat: «Im Menschen beginnt ein neues Streben hin zu Gott.» Er ist noch nicht göttlich, sondern seine Göttlichkeit ist erst im Entstehen, er ist dabei, das Ebenbild Gottes auszuarbeiten und wird es eines Tages vollkommen hervorbringen. Er ist der einzige, der das subjektive, göttliche, dreifältige Leben durch das Medium des Objektiven zu demonstrieren sucht. Die evolutive Entwicklungsmethode des Bewusstseins in einem Menschen ist nichts anderes als die Wiederholung der beiden Stufen, die wir bei der Evolution des Atoms feststellten, die der atomaren Energie und der Gruppenkohärenz, auf einer höheren Windung der Spirale. In der gegenwärtigen Welt ist deutlich zu erkennen, dass sich die Menschenfamilie auf ihrer atomaren Manifestationsstufe befindet, die zu einem noch nicht erreichten Ziel führt, dem Gruppenstadium. Wenn [104] es etwas gibt, das sich uns allen aufdrängt, sofern wir nur irgend an der Fähigkeit der Wahrnehmung interessiert und gewohnt sind, unsere Umgebung wirklich wahrzunehmen, dann sind es die verschiedenen Mentalitätsabstufungen und Bewusstseinstypen der Menschen, die einem überall begegnen. Wir begegnen Leuten, die aufmerksam und lebhaft alles bemerken, was geschieht, die äusserst bewusst leben, auf die unterschiedlichsten Gedankenströmungen reagieren und sich aller Arten von Kontakten bewusst sind. Dann treffen wir wieder andere, die zu schlafen scheinen; da gibt es kaum etwas, das ihnen Interesse abnötigt, Kontakte nehmen sie nicht wahr; sie befinden sich noch in einem Zustand der Indifferenz und sind nicht fähig, auf Stimulierung von aussen zu reagieren; sie sind mental nicht lebendig. Das lässt sich auch bei Kindern beobachten; einige reagieren rasch und lebhaft, während wir andere als dumm bezeichnen. Dabei ist aber nicht wirklich das eine wesentlich dümmer als das andere, sondern das hängt einfach vom inneren Evolutionsstadium des Kindes ab, von seinen häufigeren Inkarnationen und der längeren Zeitdauer, während der es mit dem Gewahrwerden beschäftigt war. Lassen Sie uns jetzt die beiden Stufen, das atomare und das Form-Stadium nehmen und sehen, wie sich das menschliche Bewusstsein entwickelt, wobei man immer im Auge behalten muss, dass sich im menschlichen Atom alles das speichert, was in den früheren Stadien der drei niederen Naturreiche gewonnen wurde. Denn [105] der Mensch ist in diesem ungeheuren evolutiven Prozess, der hinter ihm liegt, der Gewinner und trägt bei seinem Start alles Gewonnene latent in sich. Er ist sich seiner selbst bewusst und es liegt ein bestimmtes Ziel vor ihm, das Erreichen von Gruppenbewusstsein. Für das Substanzatom war Selbst-Bewusstsein das Ziel gewesen; vor dem Menschen liegt als Ziel ein umfassenderes Bewusstsein und ein um vieles weiterer Gewahrseinsbereich. Das atomare Stadium, das wir jetzt betrachten wollen, ist für uns so besonders interessant, weil es das Stadium ist, in dem sich der Grossteil der Menschheitsfamilie befindet. In ihm durchlaufen wir die (ausserordentlich notwendige) Periode der SelbstZentriertheit, jenen Zyklus, in dem der Mensch vorwiegend um seine eigenen Angelegenheiten besorgt ist und auf das, was ihn vordringlich interessiert, und so lebt er sein intensives innerliches, vibrierendes Leben. Während sehr langer, hinter uns liegender Zeit waren wir ausserordentlich selbstsüchtig, und vielleicht sind es die meisten von uns (denn ich glaube nicht, dass viele beleidigt wären, wenn man sie als noch nicht vollkommen betrachten und sagen würde, sie hätten das Ziel noch nicht erreicht) gewiss auch heute noch. Wir sind nur verstandesmässig an den Dingen interessiert, die in der Welt vorgehen, wenn überhaupt, und nur weil unser Herz angerührt wird und wir uns nicht gern unbehaglich fühlen, oder wir zeigen nur deshalb Interesse, weil es gerade Mode ist. Und doch ist trotz dieser mentalen Einstellung unsere ganze Aufmerksamkeit im Grunde auf Dinge konzentriert, die unser eigenes individuelles [106] Leben betreffen. Wir sind im «atomaren» Stadium und leben intensiv in aktivem Zusammenhang mit unseren persönlichen Problemen. Beobachten Sie das Gedränge in den Strassen irgend einer Grossstadt und Sie werden überall die Menschen im Atom-Stadium sehen, wie sie ganz auf sich konzentriert, nur mit ihren eigenen Belangen beschäftigt und auf ihr eigenes Vergnügen aus sind, sich hauptsächlich amüsieren wollen und nur gelegentlich einmal mit Dingen beschäftigen, welche die Gruppe betreffen. Es ist dies aber ein notwendiger, schutzbringender Zustand und für jede Einheit der Menschenfamilie von wesentlichem Nutzen. Die Erkenntnis dieser Tatsache wird daher sicher dazu beitragen, dass wir mit unseren Brüdern und Schwestern Geduld haben, die uns oft so ärgerlich machen können. Durch welche zwei Faktoren entwickeln wir uns in das Atomstadium hinein und wieder aus ihm heraus? Im Osten ist jahrhundertelang die Evolutionsmethode als eine zweifache angesehen worden. Der Mensch wurde gelehrt, dass er sich zuerst durch seine fünf Sinne entwickelt und gewahr wird, und später durch eine mit Leidenschaftslosigkeit gepaarte wachsende Unterscheidungsfähigkeit. Hier im Westen haben wir immer vor allem die fünf Sinne betont, aber nicht jene Unterscheidungsfähigkeit gelehrt, die so wesentlich ist. Beobachten Sie die Entwicklung eines Kleinkindes, dann werden Sie zum Beispiel bemerken, dass es seine fünf Sinne gewöhnlich [107] in geordneter Reihenfolge entwickelt. Zuerst entwickelt sich das Gehör, das Kind bewegt oder wendet bei Geräuschen den Kopf. Das nächste ist der Tastsinn, es beginnt mit den Händchen herumzufühlen. Als drittes scheint der Gesichtssinn zu erwachen. Das soll nicht heissen, dass ein Kind nicht sehen könnte oder blind wie ein Kätzchen geboren wird, aber es dauert oft mehrere Wochen, bis das Baby bewusst sieht und erkennend «schaut». Die Sehfähigkeit war schon immer da, nur gab es noch kein Erkennen. So ist es auch mit der gestuften Erweiterung des Bewusstseins und den Erkenntnissen die der Mensch heute noch vor sich hat. In diesen drei wichtigsten oder Hauptsinnen, Gehör, Gefühl, Gesicht, besteht eine sehr interessante Analogie und Beziehung zur dreifältigen Manifestation der Gottheit, dem Selbst, dem Nicht-Selbst und der Beziehung dazwischen. Das Selbst hört und antwortet okkult auf Schwingung, es erkennt und verwirklicht dadurch sich selbst. Es wird des Nicht-Selbst und dessen Berührbarkeit durch «berühren» (begreifen) gewahr; aber erst, wenn Sehen oder bewusstes Erkennen aufleuchtet, kommt die Beziehung zwischen den beiden zustande. Es werden noch zwei weitere Sinne vom Selbst für seine Kontakte benutzt, die des Geschmacks und des Geruchs, aber zur Entfaltung intelligenten Gewahrseins sind sie nicht so wichtig wie die anderen drei. Durch diese fünf Sinne stellen wir jeglichen Kontakt her, der auf der physischen Ebene möglich ist, durch sie lernen und wachsen wir, werden wir gewahr und entwickeln uns; durch sie werden auch alle grossen Instinkte herausgebildet; sie sind die grossen schützenden Sinne, denn sie ermöglichen nicht nur den Kontakt zu unserer Umgebung, sondern schützen uns auch vor ihr. Nachdem [108] wir durch unsere fünf Sinne gelernt haben, zu intelligenten Einheiten zu werden und durch sie unser Bewusstsein erweitert haben, kommt es zu einer bestimmten Krise und es tritt ein neuer Faktor hinzu, die intelligente Unterscheidungskraft. Hier meine ich das Unterscheidungsvermögen, das eine ihrer selbst bewusste Einheit demonstriert. Ich meine die bewusste Wahl, die Sie und ich beweisen und anzuwenden gezwungen werden, wenn die Macht der Evolution uns zu dem Punkt treibt, wo wir lernen, zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst zu unterscheiden, zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen, dem Leben in der Form und der Form, die es benutzt und zwischen dem Wissenden und dem, was gewusst wird. Hier haben wir das ganze Ziel der Evolution, das Erreichen des Bewusstseins des wirklichen Selbst durch das Medium des Nicht-Selbst. Wir durchlaufen eine lange Periode oder einen Zyklus vieler Leben, in denen wir uns mit der Form identifizieren und so sehr eins mit dem Nicht-Selbst sind, dass wir gar keinen Unterschied erkennen, weil wir ganz mit den Dingen der Vergänglichkeit und Unbeständigkeit erfüllt sind. Diese Identifizierung mit dem Nicht-Selbst ist es, die zu all dem Leid, der Unzufriedenheit und Mühsal in der Welt führt, und doch dürfen wir nicht vergessen, dass wir durch diese Reaktion des Selbst auf das Nicht-Selbst unvermeidlich lernen und [109] uns schliesslich aus dem Unbeständigen und Unwirklichen losreissen. Dieser Zyklus der Identifikation mit dem Unwirklichen läuft parallel mit dem Stadium des individuellen Bewusstseins. Genau wie das Substanzatom den Weg in irgendeine Form finden und seinen Anteil an Vitalität dem einer grösseren Einheit hinzufügen muss, so muss auch die Evolution des Bewusstseins des Menschenatoms einen Punkt erreichen, wo es seinen Standpunkt in einem grösseren Ganzen erkennt und seine Verantwortlichkeit in der Gruppenaktivität auf sich nimmt. Das ist nun das Stadium, dem sich heute ein grosser Teil der menschlichen Familie nähert. Die Menschen erkennen wie nie zuvor den Unterschied zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen, zwischen Bleibendem und Vergänglichem; durch schmerzliche und leidvolle Erfahrung erwachen sie zur Erkenntnis, dass das Nicht-Selbst nicht genügt, und so suchen sie nach aussen und im Inneren nach dem, was ihren Bedürfnissen angemessener entsprechen kann. Die Menschen suchen sich selber zu verstehen und in sich selbst das Reich Gottes zu finden; und durch mentale Wissenschaft, Neues Denken und Studium der Psychologie werden sie zu bestimmten Erkenntnissen gelangen, die sich für das Menschengeschlecht von unschätzbarem Wert erweisen werden. Das sind Anzeichen dafür, dass das FormStadium sich rasch nähert und dass die Menschen aus der Atom-Periode zu etwas unendlich viel besserem und grösseren weitergehen. Schon beginnt der Mensch die Schwingung jenes grösseren Lebens zu spüren, in dessen Körper er nur wie ein Atom ist und fängt an im Kleinen eine bewusste Antwort auf diesen grossen Ruf zu geben und Kanäle zu finden, durch die er dieses grössere Leben, das er fühlt, aber bis jetzt noch nicht kennt, verstehen kann. Wenn er beharrlich so weitergeht, wird er die Gruppe finden, zu der er gehört und wird dann seinen Mittelpunkt verlagern. Er wird nicht mehr durch seine eigenen kleinen Atomwände begrenzt, wird sie hinter sich lassen und seinerseits ein bewusster, aktiver, intelligenter Teil des grösseren Ganzen werden. Und wie wird dieser Wandel zustandegebracht? Das Atomstadium wurde mittels der fünf Sinne und durch Anwendung der Unterscheidungsfähigkeit entwickelt. Das Stadium, in dem der Mensch zur Gruppenerkenntnis erwacht und bewusster Teilnehmer an den Aufgaben der Gruppe wird, kommt auf zweierlei Weise zustande: durch Meditation und durch eine Reihe von Einweihungen. Wenn [110] ich das Wort «Meditation» gebrauche, meine ich nicht, was vielleicht allgemein darunter verstanden wird, also eine negative, rezeptive Haltung oder einen Trancezustand. Es bestehen heute viele Missverständnisse darüber, was Meditation wirklich ist und es gibt eine Menge sogenannter Meditation, die mir vor kurzem tatsächlich so beschrieben wurde: «Ich schliesse die Augen und öffne den Mund, und dann warte ich, dass etwas geschieht.» Wahre Meditation erfordert intensivste Anwendung des Denkapparates, strengste Gedankenkontrolle und eine Einstellung, die weder negativ noch positiv, sondern das genaue Gleichgewicht zwischen beiden [111] ist. In den östlichen Schriften wird ein Mensch, der sich zu meditieren bemüht und dabei Ergebnisse erreicht, wie folgt beschrieben, und aus einer sorgfältigen Überlegung dieser Worte kann uns viel Hilfe und Erleuchtung zukommen: «Im Maha Yogi, dem grossen Asketen, in dem die höchste Vollkommenheit strengster Busse und abstrakter Meditation sich konzentrieren, durch welche die grenzenlosesten Kräfte erlangt, Wunder bewirkt, höchstes geistiges Wissen und schliesslich die Vereinigung mit dem grossen Geist des Universums erreicht wird.» Hier wird also diese Vereinigung mit dem Gruppenleben als Ergebnis der Meditation angesehen und es gibt in der Tat keine andere Methode, das Ziel zu erreichen. Wahre Meditation (deren einleitende Stufen Konzentration auf eine bestimmte Gedankenrichtung und ihre Durchführung sind), wird immer für verschiedene Völker und Menschentypen verschieden sein. Der Religiöse, der Mystiker, wird seine Aufmerksamkeit auf das Leben in der Form richten, auf Gott, auf Christus, auf das, was ihm das Höchste bedeutet. Der Geschäftsmann oder jeder Fachmann, der sich den ganzen Tag eindeutig auf das konzentriert, was er zu tun hat und seine Aufmerksamkeit auf die Lösung bestimmter Probleme richtet, lernt bereits zu meditieren. Wenn er später zum mehr geistigen Aspekt der Meditation gelangt, wird er merken, dass er den schwierigsten Teil des Weges schon bewältigt hat. Ein Mensch, der ein schweres Buch liest und sich mit aller Kraft und Konzentrationsfähigkeit seines Gehirns bemüht, das durch das geschriebene Wort Gemeinte zu begreifen, meditiert sicher genau in dem Mass, in dem er zu diesem Zeitpunkt meditieren kann. Ich [112] sage Ihnen das zur Ermutigung, denn wir leben in einer Zeit, in der zahlreiche Bücher über Meditation geschrieben werden und es viele Meditationsschulen gibt. Alle verkörpern irgend einen Aspekt der Wahrheit und können auch viel Gutes bewirken, mögen aber trotzdem nicht das vermitteln, was für irgend einen Einzelnen das beste ist. Wir müssen unsere eigene Konzentrationsweise finden, unsere eigene Annäherungsmethode an das, was in uns ist, feststellen und die ganze Frage der Meditation für uns selber klären. Hier möchte ich ein warnendes Wort aussprechen. Vermeiden Sie solche Schulen und Methoden, die Atemübungen mit Meditation koppeln, die verschiedene Körperhaltungen lehren und ihren Schülern beibringen, ihre Aufmerksamkeit auf physische Organe oder Zentren zu richten. Wer solche Methoden befolgt, begibt sich in Gefahr, denn abgesehen von den damit verbundenen körperlichen Schädigungen und dem Risiko von Irrsinn und Nervenzerrüttung, beschäftigen sie sich mit der Form, die Begrenzung bedeutet und nicht mit dem Geist, der Leben ist. Das Ziel wird auf diese Weise nicht erreicht. Für die meisten von uns muss intellektuelle Konzentration, die zu Gedankenbeherrschung führt und die Fähigkeit, klar zu denken und nur das zu denken, was wir denken wollen, der echten Meditation vorausgehen; das ist etwas, worüber die wenigsten genügend wissen. Diese Meditation, über die ich hier unmöglich ausführlicher werden kann, wird eine definitive Veränderung der Polarisierung bewirken; sie wird dem Menschen Erfahrungsbereiche öffnen, von denen er bisher nicht einmal träumt, wird ihm Kontakte offenbaren, die er bisher noch gar nicht erkennt und wird ihn befähigen, seinen Platz innerhalb der Gruppe zu finden. Er wird nicht mehr von den Wänden seines persönlichen Lebens eingeengt sein, sondern anfangen, dieses Leben in das grössere Ganze zu verschmelzen. Er wird sich nicht mehr mit den Belangen seiner selbstsüchtigen Interessen abgeben, sondern seine Aufmerksamkeit den Problemen der Gruppe zuwenden Er wird seine Zeit nicht mehr der Kultivierung seiner kleinen Identität widmen, sondern versuchen, jene grosse Identität zu verstehen, von [113] der er ein Teil ist. Das ist es in Wirklichkeit, was alle fortgeschrittenen Menschen mehr oder weniger schon tun. So wenig der Durchschnitt das auch bemerken mag, kommen grosse Denker wie Edison und andere über Meditation zu den Lösungen ihrer Probleme. Durch brütende Konzentration, durch ständige Rückerinnerung, durch unentwegtes Verfolgen der spezifischen Gedankenlinie, die ihr Interesse fesselt, erreichen sie die Resultate zapfen ihr inneres Reservoir der Inspiration und Kraft an und bringen von den höheren Stufen der Mentalebene Ideen herab, [114] die der Gruppe zugute kommen. Wenn wir selbst ein bestimmtes Ausmass an Arbeit entlang der Meditationslinie geleistet haben, wenn wir dazu die Interessen der Gruppe im Sinne behalten und nicht die persönlichen, wenn wir physisch entwickelte Körper besitzen, die stark und rein, und Emotionalkörper, die unter Kontrolle sind und nicht von Wünschen beunruhigt, wenn unsere Mentalkörper unser Instrument geworden sind und nicht mehr unser Meister, dann werden wir die wahre Bedeutung der Meditation kennen. Hat ein Mensch durch Meditation seinen Kontakt mit der Gruppe gefunden, welche die seine ist und dadurch ständig immer gruppenbewusster wird, dann ist er auch bereit für das, was «eine Reihe von Initiationen» genannt wird. Diese Initiationen - oder Einweihungen - sind nichts weiter als Erweiterungen des Bewusstseins. Sie kommen unter Beihilfe jener zustande, die bereits das Ziel erreicht, sich also mit der Gruppe identifiziert haben und zu einem bewussten Teil des Körpers des Himmlischen Menschen geworden sind. Mit ihrem Beistand und durch ihre Hilfe wird dann ein Mensch allmählich zu der Erkenntnisstufe gelangen, welche die ihre ist. Überall besteht jetzt ein ungewöhnliches Interesse an diesem Thema der Einweihungen, wobei aber der Zeremonienaspekt übermässig betont worden ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass jede grosse Bewusstseinsentwicklung eine Einweihung ist. Jeder Schritt vorwärts auf dem Weg des Gewahrwerdens ist eine Einweihung. Als [115] ein Substanzatom in die Form eingebaut wurde, war das für das Atom eine Einweihung. Es wurde sich einer neuen Art von Kraft gewahr und sein Kontaktbereich wurde erweitert. Als das Bewusstsein des Pflanzen und des Tierreiches einander durchdrangen und das Leben vom niedereren Naturreich in das höhere überging, war das eine Einweihung. Als das Bewusstsein des Tieres sich in das des Menschen ausdehnte, fand wiederum eine grosse Einweihung statt. Der Übergang in alle vier Naturreiche fand jedesmal durch eine Einweihung statt und durch eine Erweiterung des Bewusstseins. Der menschlichen Familie steht nun der Übergang in das fünfte Naturreich oder das Reich des Geistes bevor, und dieser Übergang vollzieht sich ebenfalls durch eine bestimmte Einweihung wie das erkannt werden kann, wenn man sein Neues Testament intelligent zu lesen versteht; und in allen Fällen wurden diese Einweihungen durch die Hilfe jener herbeigeführt, die bereits «wissen». So kommt es, dass wir im Evolutionsschema keine grossen Lücken zwischen dem einen Naturreich und einem anderen und zwischen dem einen Gewahrseinszustand und dem nächsten haben, sondern eine allmähliche Entwicklung eines Bewusstseins, an dem wir, jeder einzelne von uns, teilgehabt haben und teilhaben werden. Wenn wir uns diese Universalität der Einweihung vergegenwärtigen, wird unsere diesbezügliche Vorstellung richtigere Proportionen gewinnen. Jedesmal, wenn wir uns unserer Umgebung mehr gewahr werden und unser mentales Fassungsvermögen zunimmt, bedeutet das in einem winzigen Massstab eine Einweihung. Und jedesmal, wenn unser Horizont sich erweitert, wir umfassender denken und sehen gelernt haben, ist das eine Einweihung, und hierin liegt für uns der Wert des Daseins überhaupt und die Grösse der uns gebotenen Gelegenheit. Eines möchte [116] ich noch ausdrücklich betonen: Jede Einweihung muss von uns selbstinitiiert werden. Das Endstadium, wenn entscheidende Hilfe uns aus anderen Quellen zufliesst, wird nicht deshalb erreicht, weil es «grosse Wesen» gibt, die begierig darauf warten, uns zu helfen, uns aufzusuchen und emporzuheben. Diese Hilfe kommt uns zu, weil wir die notwendige Arbeit geleistet haben und nichts kann das Ereignis aufhalten. Es ist unser Recht. Die das Ziel schon erreicht haben, wollen und können uns helfend beistehen und tun es auch; aber ihre Hände sind gebunden, solange wir nicht unseren Teil zu dem Unternehmen beigetragen haben. Nichts aber, was wir je tun, um unsere Brauchbarkeit in der Welt zu steigern, kein Schritt zur Herausbildung besserer Körper, keine Anstrengung zur Erreichung von Selbstkontrolle und zur besseren Ausrüstung unseres Mentalkörpers ist je verloren. Das alles fügen wir der Gesamtheit hinzu, die wir anhäufen und die uns eines Tages zu einer grossen Offenbarung führen wird, und jede tägliche und stündliche Bemühung lässt die Energieflut anschwellen die uns zum Tor der Einweihung tragen wird. Das Wort «Initiation» bedeutet hineingehen. Das heisst einfach, dass ein Initiant einer ist, der die ersten Schritte in das Reich des Geistes getan und die ersten aus einer Reihe geistiger Offenbarungen erlebt hat, von denen jede der Schlüssel zu einer noch grösseren Erkenntnis ist. SECHSTER VORTRAG DAS ZIEL DER EVOLUTION Ich fühle [119] mich sehr wenig wohl dabei, wenn ich eine Überschrift wie diese, «Das Ziel der Evolution» so einfach ausspreche; denn es ist mir klar, dass ich weiter nichts tun kann, als bestimmte Mutmassungen und Ergebnisse meiner Vorstellung vor Ihnen auszubreiten. Natürlich ist es dem endlich begrenzten Denken nicht möglich, den Plan der Gottheit genau zu beurteilen. Wir können einzig die Geschichte der Vergangenheit studieren, gegenwärtige Zustände untersuchen, die rassischen und naturgegebenen Tendenzen einigermassen bestimmen und auf diese Weise so folgerichtig wie möglich den verschiedenen, bisher zurückgelegten Schritten und Stufen nachgehen. Es ist uns lediglich gestattet, von der soliden Basis vorhandener Tatsachen und Wissensergebnisse auszugehen, sie dann alle zusammenzufügen und uns schliesslich aus dem Aggregat eine Hypothese von dem, was das mögliche Ziel sein könnte, zu bilden. Darüber hinaus können wir nicht gehen. Bei unseren Gesprächen über Evolution, wie ich im ersten Vortrag erwähnte, handelt es sich bis zum gewissen Grad um mutmassliche Voraussetzungen und daraus ableitbare Möglichkeiten. Bestimmte Dinge wissen wir und bestimmte Wahrheiten wurden [120] festgestellt; aber sogar die Tatsachen der Wissenschaft, zum Beispiel, über die noch vor vierzig Jahren so viel geredet wurde und die mit allem Nachdruck verfochten wurden, werden nicht mehr als Tatsachen anerkannt und heute weder angewandt noch so drastisch und leidenschaftlich verkündet, wie damals. Die Wissenschaft selbst erkennt Jahr für Jahr mehr, dass ihr Wissen äusserst relativ ist. Je mehr ein Mensch begreift und weiss, desto weiter wird der Horizont, der sich ihm eröffnet. Wissenschaftler wagen sich bereits in die subtileren Ebenen der Materie vor und damit in die Bereiche des Unbewiesenen, deren Existenz, was wir nicht vergessen sollten, sich die Wissenschaft noch vor kurzem geweigert hat, zuzugeben. Wir überschreiten die uns als «feste Materie» bekannte Sphäre und betreten die Bereiche, die gemeint sind, wenn wir von «Energiezentren», «negativer und positiver Kraft» und «elektrischen Phänomenen» sprechen; damit verlagert sich aber der Akzent mehr und mehr auf Qualität als auf das, was mit Substanz bezeichnet wurde. Je weiter wir in die Zukunft schauen, je ausgedehnter unsere Spekulationen werden und je mehr wir versuchen telepathische, psychische oder andere Erscheinungen zu erklären desto tiefer werden wir in das Gebiet vordringen, das für uns jetzt das Subjektive und Unterbewusste ist und desto mehr werden wir gezwungen sein, uns in Begriffen von Qualität oder Energie auszudrücken. Falls es uns überhaupt gelingt, das Ungewöhnliche oder das bisher noch Unerklärliche zu erklären und die Realität des Okkulten nachzuweisen, dann werden wir einen Zustand schaffen, der fast paradox zu nennen wäre. Denn dann werden wir Schritt für Schritt das Subjektive zum Objektiven machen. Das Thema, mit [121] dem ich mich jetzt beschäftigen werde, geht uns sehr nahe an: nämlich das Erreichen jenes Gruppenbewusstseins durch den Menschen, das sein Ziel ist, und die Erweiterung seines kleinen Bewusstseins, bis es dem Grossen Bewusstsein entspricht von dem es umschlossen ist. Sie werden sich erinnern, dass ich meinen Versuch, den Unterschied zwischen Selbst-Bewusstsein, Gruppen-Bewusstsein und GottBewusstsein zu erklären, durch den Hinweis beleuchtet habe, dass im kleinen Atom der Substanz im physischen Körper, in diesem winzigen zentralen Leben, das zur Konstitution der menschlichen Form gehört, wir eine Entsprechung zum SelbstBewusstsein des Menschen vor uns haben; dass das Leben unseres physischen Körpers, wenn man ihn in jeder einzelnen seiner Abteilungen als Ganzes betrachtet, für die kleine in sich abgeschlossene Zelle dasselbe ist, wie für uns das Gruppen-Bewusstsein; dass ferner das Bewusstsein des wirklichen Menschen, nämlich die beseelende Wesenheit im Körper, für dieses Atom das ist, was «Gott-Bewusstsein» für uns wäre, und ebenso unerklärlich und fern. Und wenn wir dieses Konzept des Atoms in unserem Körper und seine Beziehung zum Menschen (den wir das menschliche Atom genannt haben), ausdehnen können, indem wir ihn als eine Einheit in einem noch grösseren Körper betrachten, dann können wir für die Grundverschiedenheit zwischen diesen drei Bewusstseinsstrahlen einiges Verständnis gewinnen. Es gibt [122] eine hochinteressante Analogie zwischen der Evolution des Atoms und der des Menschen (und ich nehme daher an, dass sie auch für die planetarische Gottheit und den Sonnenlogos gilt) in den beiden Entwicklungsmethoden, die sie verfolgen. Wir haben gesehen, dass das Atom sein eigenes atomares Leben besitzt, und dass jedes Substanzatom im Sonnensystem gleichermassen in sich selbst ein kleines System ist, denn es besitzt ein positives Zentrum oder eine zentrale Sonne, mit den Elektronen oder dem negativen Aspekt, die in ihren Bahnen um sie rotieren. Solcherart ist das innere Leben des Atoms mit seinem selbstzentrierten Aspekt. Wir bemerkten auch, dass das Atom heute auf einer anderen, neueren Linie studiert wird, nämlich jener der Radioaktivität, und es sich in vielen Fällen zeigt, dass aktive Strahlung stattfindet. Es ist nicht möglich vorauszusagen, wohin diese Entwicklung genau führen wird, denn die Erforschung radioaktiver Substanzen steckt noch in den Kinderschuhen und man weiss faktisch noch wenig. Viele der früheren Lehren der Physik sind durch die Entdeckung des Radiums revolutioniert worden und je mehr die Wissenschaftler entdecken, desto deutlicher zeigt sich (wie sie selbst erkennen), dass wir an der Schwelle gewaltiger Entdeckungen und im Vorfeld tiefgreifender Erkenntnisse stehen. Im Menschen können, je mehr er sich fortentwickelt, diese zwei Stadien ebenfalls erkannt werden. Zunächst das frühe oder atomische Stadium, wo das Interesse des Menschen in ihm selbst, innerhalb seiner eigenen Sphäre zentriert und diese Selbst-Zentriertheit das Daseinsgesetz ist, ein [123] notwendiges, schutzbietendes Evolutionsstadium. Er ist eindeutig egozentrisch und hauptsächlich mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Hierauf folgt später eine Stufe, in der das Bewusstsein des Menschen sich zu erweitern beginnt, seine Interessen sich zum Teil schon ausserhalb seiner eigenen, begrenzten Sphäre verlagern und die Periode einsetzt, in der er ein Gefühl für die Gruppe bekommt, zu der er gehört. Diese Stufe könnte als die Entsprechung zum Stadium der Radioaktivität angesehen werden. Er ist jetzt nicht nur ein selbstzentriertes Leben, sondern fängt schon an, einen deutlichen Einfluss auf seine Umgebung auszuüben. Er wendet seine Aufmerksamkeit vom eigenen, persönlichen, selbstsüchtigen Leben ab und sucht nach seinem grösseren Zentrum. Er ist nun nicht mehr nur ein Atom, sondern wird seinerseits zu einem Elektron und kommt damit unter den Einfluss des grossen zentralen Lebens, das ihn innerhalb seiner Einflusssphäre hält. Wenn es sich so verhält, können wir innerhalb des Lebens der planetarischen Gottheit analoge Stadien erwarten und das wäre vielleicht die Erklärung für so manche Veränderungen und Geschehnisse auf dem Planeten. Häufig halten wir Ereignisse auf der Welt für die Auswirkungen menschlicher Aktivität. So wird der Weltkrieg zum Beispiel zumeist als eine Folge menschlicher Fehler und Schwächen angesehen. Vielleicht trifft das zu, denn zweifellos haben wirtschaftliche Zustände und menschliche Ambitionen weitgehend an seinem Zustandekommen mitgewirkt; aber er könnte vielleicht ebensogut teilweise auf die Auswirkungen des grossen zentralen Lebens zurückzuführen sein, dessen Bewusstsein dem unseren noch nicht zugänglich ist und das seine eigenen Pläne, Absichten und Ideale hat und, möglicherweise, seine Experimente [124] mit dem Leben macht. In einem viel gewaltigeren Massstab und auf seiner eigenen hohen Ebene lernt auch dieser planetarische Geist zu leben, lernt neue Kontakte und ist ebenso, wie wir dabei, sein Bewusstsein zu erweitern. Er durchläuft also ebenso, wie Sie und ich, einen Lernprozess. Ebenso kann es sich mit dem Sonnensystem verhalten und mit Geschehnissen so ungeheuren Ausmasses, dass sie unserem Gesichtskreis gänzlich entschwinden. Vielleicht gibt es innerhalb des Sonnensystems Vorgänge, die auf die Durchführung der Pläne der Gottheit oder des Logos zurückzuführen sind, jenes zentralen Lebens, das die Energiequelle innerhalb des Sonnensystems ist. Ich weiss es nicht, aber sich darüber Gedanken zu machen, ist interessant genug und es kann nicht schaden, wenn das Ergebnis einer solchen Spekulation sich für uns in umfassenderer Vision, weitreichenderer Toleranz und in mehr und weiserem Optimismus auswirkt. Nachdem wir gesehen haben, dass die beiden Stadien der atomaren und der Radioaktivität für die Evolution aller Atome im Sonnensystem charakteristisch sind, wollen wir nun untersuchen, wie die verschiedenen Entwicklungen aussehen, die zu erwarten sind, während sich das Bewusstsein im menschlichen Atom fortentwickelt. Auf diesen menschlichen Typ des Bewusstseins möchte ich unsere Aufmerksamkeit konzentrieren, weil es die zentrale [125] Evolution im Sonnensystem ist. Wenn die drei Aspekte des göttlichen Lebens zusammengebracht werden - das innewohnende Leben oder der Geist, die materielle Form oder der Substanzträger sowie der Faktor der intelligenten Aktivität - werden sich einige spezifische Resultate ereignen: Es wird allmählich ein Bewusstsein besonderer Art hervorkommen; es wird sich psychische Qualität entwickeln; die Wirkung des subjektiven Lebens auf die materielle Form wird deutlich; die Form wird für gewisse, spezifische Zwecke verwendet werden und die innewohnende Wesenheit wird bestimmte Qualitäten erreichen. Die wahre Natur des zentralen Lebens, sei es Gott oder der Mensch, wird während eines Lebenszyklus manifestiert werden, ob es sich um ein solares oder menschliches Leben handelt. Das gilt für Sie ebenso, wie für mich; und es gilt wahrscheinlich für den planetarischen Logos und, wenn es auf ihn zutrifft, dann auch auf einen Sonnenlogos. Lassen Sie uns, soweit möglich, versuchen, einigen der verschiedenen Entwicklungen im Zusammenhang mit unseren vier Atomtypen zu folgen - dem Substanzatom, dem menschlichen, dem planetarischen und dem kosmischen Atom. Eine der ersten und wichtigsten Entwicklungen wird die bewusste Reaktion auf jegliche Schwingung und jeden Kontakt sein, das heisst, die Reaktionsfähigkeit auf das Nicht-Selbst auf jeder Ebene. Ich will das deutlich machen. Ich könnte hier in dieser Stadt in einen Versammlungsraum gehen und eine Zuhörerschaft um mich versammeln, die aus ungelernten Arbeitern und Analphabeten bestünde, könnte zu ihnen sprechen und vor ihnen wiederholen, was ich zum Beispiel heute Abend gesagt habe, und würde keinerlei Widerhall finden. Aber [126] ich könnte auch hingehen und ihnen einen Vortrag halten, wie ich ihn etwa vor zehn Jahren gehalten hätte, auf streng religiöser oder biblischer Basis, und bekäme sehr rasch eine Reaktion. Hier geht es nicht um die Frage, richtig oder falsch, sondern einfach um die Unterschiedlichkeit der verschieden abgestuften Fähigkeiten und Menschentypen, in ihren jeweils verschiedenen Evolutionsstadien, auf Kontakt und Schwingung zu reagieren. Das heisst ganz einfach, dass bestimmte Menschen auf einer Stufe stehen, wo sie durch einen emotionalen Appell erreicht und auf der Linie ihres eigenen, persönlichen Seelenheils angesprochen werden können, da sie sich noch im früheren, dem «atomaren» Stadium befinden. Es gibt ein weiteres Stadium, das dieses einschliesst, uns aber befähigt, auch auf einen intellektuellen Appell anzusprechen, der ein gewisses Interesse und eine gewisse Befriedigung an solchen Diskussionen weckt, wie wir sie verfolgt haben und das bedeutet, dass Themen untersucht werden, die bereits die Gruppe betreffen, um nur ein Beispiel zu nennen. Aber beide Stufen sind gleichermassen gerechtfertigt. Dieser Gedanke lässt sich auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten: Es ist durchaus möglich, dass grosse Menschen unseren Weg kreuzen, dass wir wunderbaren Männern und Frauen begegnen, von ihnen aber gar nicht beeindruckt sind; wir gehen an ihnen vorüber, ohne sie zu erkennen und lassen uns entgehen, was sie uns hätten geben können. Das geschah in Palästina in Verbindung mit dem Christus vor 2000 Jahren. Warum? Weil wir selbst noch nicht gross genug sind, um auf ihre Grösse reagieren zu können. Irgendetwas fehlt noch in uns, so dass wir unfähig sind, ihre besondere [127] Schwingungsqualität zu registrieren oder zu fühlen. Ich hörte einmal sagen, und ich glaube, das ist sehr wahr: Wenn der Christus wieder sichtbar auf die Erde käme und mitten unter uns Menschen, wie er es damals tat, Tag für Tag leben würde, dass wir gar nichts Besonderes bemerken könnten, das Ihn von anderen, guten, selbstlosen Leuten unterschiede, die wir kennen. Wir haben ja auch in uns selbst noch nicht die Gabe kultiviert, auf das Göttliche in unserem Bruder zu reagieren. Im allgemeinen sehen wir nur, was schlecht und gewöhnlich ist und werden uns bei unserem Bruder prinzipiell nur seiner Fehler bewusst. Es fehlt uns noch immer die Sensitivität für hohe menschliche Qualität. Eine weitere Entwicklung wird die Fähigkeit sein, bewusst auf allen Daseinsebenen zu wirken. Zurzeit funktionieren wir bewusst auf der physischen Ebene und es gibt einige Wenige, die fähig sind, ebenso bewusst auf der nächstsubtileren Ebene zu wirken nämlich auf der Ebene, welche die astrale genannt wird (eine Bezeichnung, die ich ablehne, weil sie unserem Denken keinerlei Sinn übermittelt), oder die Ebene der Emotionalnatur, auf jener der Mensch aktiv wird, sobald er den physischen Körper verlässt, während der Stunden des Schlafes oder unmittelbar nach dem Tode. Sehr wenige Menschen können in voll erwachtem Bewusstsein auf der Mentalebene funktionieren und noch weniger auf der geistigen Ebene. Das Ziel der Evolution ist aber, dass wir in voller Kontinuität der Wahrnehmung auf der physischen, emotionalen und mentalen Ebene bewusst tätig sein können. Das ist [128] die grosse Errungenschaft, die wir eines Tages erreicht haben werden. Wir werden uns dann in jeder Stunde des Tages bewusst sein, was wir tun und nicht bloss während ungefähr vierzehn von vierundzwanzig Stunden. Gegenwärtig bleiben wir uns nicht bewusst, wo sich unsere eigentliche denkende Entität während der Stunden des Schlafes befindet. Wir wissen nichts über ihre Aktivitäten oder über den Zustand ihrer Umwelt. Eines Tages werden wir jede Minute jeder Stunde des Tages uns nutzbar machen und sie verwenden. Ein anderer Zweck der Evolution ist ein dreifacher, nämlich dass es uns gelingt, Absicht oder Willen, Liebe und Energie zu koordinieren. Das ist bisher noch nicht geschehen. Es wird zwar jetzt ständig viel intelligente Energie entfaltet, aber man begegnet tatsächlich höchst selten einem Menschen, dessen ganzes Leben von einer zentralen Absicht beseelt ist, die unverrückbar verfolgt, von Liebe belebt und angetrieben wird und sich durch intelligente Aktivität auswirkt. Es wird aber die Zeit kommen, dass wir unser Bewusstsein so weit ausgedehnt haben und so aktiv in unserem Innern sind, dass wir «radioaktiv» werden. Wir werden dann eine definitive Absicht verfolgen, die das Ergebnis von Liebe ist und unser Ziel durch das Mittel der Intelligenz erreichen. Etwas anderes tut ja auch Gott nicht, nicht wahr? In unserem gegenwärtigen Entwicklungszustand sind wir gewiss intelligent, aber bis jetzt gibt es [129] noch sehr wenig Anzeichen von Liebe. Natürlich bringen wir den Menschen, mit denen wir in Berührung kommen, einige Zuneigung entgegen und unserer Familie und den unmittelbaren Freunden auch mehr Liebe, aber von Gruppenliebe wissen wir so gut wie nichts. Sobald die grossen Idealisten des Menschengeschlechts für uns stellvertretend von Gruppen-Liebe sprechen, ist es trotzdem wahr, dass wir die Stufe erreicht haben, wo wir schon auf sie reagieren können und fühlen, dass das etwas ist, was wir gerne verwirklicht sähen. Es ist gut, sich zu vergegenwärtigen, dass wir, je mehr wir auf der Linie dieser altruistischen Einstellung denken, nach und nach etwas unschätzbar Wertvolles in uns aufbauen und mit langsamen, mühevollen Schritten die Rudimente eines echten Gruppenbewusstseins entwickeln, das für die meisten von uns noch in weiter Zukunft liegt. Wir könnten uns noch mit einigen anderen Entwicklungen während des Evolutionsprozesses beschäftigen, doch lägen sie uns heute noch so fern, dass sie praktisch unbegreifbar wären, bevor wir nicht jenen besonderen Typ von Gehirn entwickelt haben, das schon einigermassen abstrakt denken kann. So gibt es das Stadium, in dem wir Zeit und Raum transzendieren können, wenn das Bewusstsein der Gruppe in allen Teilen des Planeten beispielsweise unser Bewusstsein geworden ist und es ebenso leicht für uns sein wird, wie das hier der Fall ist, mit dem Bewusstsein eines Freundes in Indien, Afrika oder sonstwo in Verbindung zu kommen; Entfernung und Trennung sind dann keine Verständigungshindernisse mehr. Symptome dafür können in der Fähigkeit mancher Menschen gesehen werden, sich telepathisch oder durch Psychometrie mitzuteilen. Es ist zwar sehr schön, einige Zeit darauf zu verwenden, sich dieses entfernte Ziel vorzustellen und sich die Vervollkommnung [130] des Logos in Milliarden Jahren auszumalen, aber für uns lebenswichtig ist eigentlich nur, eine Idee über die unmittelbar vor uns liegende Stufe zu bekommen und zu verstehen, was wir im Verlauf der nächsten paar tausend Jahre in Zusammenhang mit dem Evolutionsprozess zu erwarten haben. Lassen Sie uns diese Idee einmal kurz durchdenken. Es gibt, wie wir wissen, drei hauptsächliche Denkrichtungen in der Welt: die wissenschaftliche, die religiöse und die philosophische. Und was vermitteln uns diese drei? In der wissenschaftlichen Richtung finden wir all das verkörpert, was die Materie, den Substanzaspekt der Manifestation betrifft; sie befasst sich mit Objektivität und dem, was materiell und berührbar ist und was gesehen werden kann, was also buchstäblich beweisbar ist. In der religiösen Denkrichtung haben wir das, was mit dem Leben in der Form zusammenhängt, was die Rückkehr des Geistes zu seinem Ursprung betrifft und dazu alles, was durch den Gebrauch der Form gewonnen wurde; es bezieht sich auf die subjektive Seite der Natur. Und im philosophischen Denken finden wir, was ich die durch das innewohnende Leben angewandte Intelligenz nennen möchte, um dadurch die Form seinen Bedürfnissen entsprechend anzupassen. Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang gewisse Entwicklungen durchdenken, die in unmittelbarer Zukunft zu erwarten sind, wobei aber nicht zu vergessen ist, dass alles von mir Gesagte nur als Anregung zu werten ist und dass ich keinesfalls in dogmatischem Sinne spreche. Den meisten Denkern [131] ist klar, dass die Wissenschaft jetzt mit dem Studium der Radioaktivität vor der Entdeckung des Wesens der Kraft im Atom selbst steht. Höchstwahrscheinlich wird in gar nicht langer Zeit die Energie der Atomkraft für jeden denkbaren Zweck nutzbar gemacht werden, für Heizung, Beleuchtung und dafür, was ich die «Motivation», den Antrieb für schlechthin alles nennen möchte, was in dieser Welt durchgeführt wird. Diese Kraft, wie viele von uns sich noch erinnern, wurde vor fünfzig Jahren in den USA von einem Mann namens Keely beinahe schon entdeckt; doch es wurde ihm wegen der damit verbundenen Gefahr für die Welt untersagt, damit an die Öffentlichkeit zu treten. Die Menschen sind bis jetzt noch viel zu selbstsüchtig, als dass man ihnen die freie Anwendung von Atomenergie anvertrauen könnte. Diese Entdeckung wird wahrscheinlich mit der Entwicklung von Gruppenbewusstsein parallellaufen. Erst wenn der Mensch radioaktiv wird und in Gruppenbegriffen wirken und denken kann, wird es für ihn gefahrlos oder weise sein, die im Atom latent vorhandene Kraft zu benützen. Alles in der Natur ist aufs beste koordiniert, und nichts kann vor dem richtigen Zeitpunkt entdeckt oder nutzbar gemacht werden. Erst wenn der Mensch allmählich Selbstlosigkeit entwickelt, kann diese schreckliche Macht seinen Händen überantwortet werden. Trotzdem ist zu erwarten, dass die Wissenschaft enorme Fortschritte zum richtigen Verständnis der Atomenergie machen wird. Wiederum parallellaufend mit der menschlichen Evolution steht die Beherrschung der Luft bevor. Es gibt eine grosse Schwingungssphäre oder Vibrationsebene im Sonnensystem, die in okkulten Büchern die Intuitionsebene genannt wird; in der östlichen Literatur heisst sie Buddhi-Ebene und ihr Symbol ist die Luft. Ebenso, wie der Mensch heute [132] anfängt, sich durch die Entwicklung der Intuition einen Weg in diese Ebene zu bahnen, beginnt die Wissenschaft, die Beherrschung der Luft zu entdecken; und je mehr sich im Menschen die Intuition entwickelt und wächst, wird sich auch die Beherrschung des Luftraumes entwickeln und wachsen. Noch etwas steht uns bevor ( und wird schon mehr oder weniger anerkannt), nämlich die Entwicklung der Fähigkeit, in subtilerer, feinstofflicher Materie zu sehen. Überall kommen Kinder zur Welt, die mehr sehen können als Sie und ich. Ich beziehe mich hier auf etwas, das rein auf Materiellem beruht und das physische Auge betrifft. Ich beziehe mich auf das ätherische Sehvermögen, das in feinstofflicher Materie auf der physischen Ebene oder dem, was als «die Äther» bezeichnet wird, sehen kann. Viel aufschlussreiche Arbeit ist auf diesem Sektor von kalifornischen Studenten und Wissenschaftlern geleistet worden. Dr. Frederick F. Strong hat auf dieser Linie viel Wertvolles getan und lehrt, dass das körperliche Auge fähig ist, ätherisch zu sehen und dass ätherisches Sehen die normale Funktion des Auges sei. Was wird die Entwicklung dieser Anlage bedeuten? Sie bedeutet, dass die Wissenschaft ihren Standpunkt gegenüber den subtileren Bereichen definitiv wird ändern müssen. Wenn innerhalb der nächsten hundert Jahre gewisse Aspekte und Lebensformen, die bisher als reine Imagination gewertet wurden, in den Sehbereich des normalen Menschen gelangen werden, dann haben wir ein für allemal diesen krassen Materialismus durchbrochen, der uns so lange gekennzeichnet hat. Und wenn das, was jetzt noch unsichtbar ist, auf irgend einer bestimmten Linie anerkannt sein wird, wer könnte sagen, wie weit es uns im Lauf der Zeit noch möglich sein wird, zu gehen? Ich wiederhole noch einmal: der ganze Trend der Evolution geht in Richtung Synthese. Sobald wir in die Materie hinabsteigen und sich der Zug zur Materialisation bemerkbar macht, finden wir Verschiedenartigkeit vor, also das Heterogene; und während wir uns zum Geist zurückbegeben, werden wir zu Einheit tendieren: damit ist auch in der religiösen Welt der Trend nach Einheit zu erwarten. Sogar heute schon macht sich der Geist der Toleranz wesentlich stärker bemerkbar als noch vor fünfzig Jahren. Die Zeit nähert sich rasch, dass die den verschiedenen Religionen zugrundeliegende grosse, fundamentale Einheit und die Tatsache, dass jede Glaubensrichtung ein notwendiger Teil eines grossen Ganzen ist, überall in der Welt anerkannt werden wird, und durch diese Erkenntnis wird sich die Vereinfachung der Religion [133] ergeben. Dann werden die grossen, zentralen Fakten betont und angewandt, während die unwichtigen und kleinlichen Unterschiede in den Organisations- und Auslegungsfragen beiseitegelassen werden. Im Zusammenhang mit der menschlichen Familie können wir uns auf ein sehr interessantes Geschehen gefasst machen, sobald Gruppenbewusstsein auf breiter Ebene zum bewussten Ziel des [134] Menschen geworden ist. Was wird dann geschehen? Damit betritt der Mensch, was in der religiösen Welt «der Pfad» genannt wird. Er wird sich dann entschlossen und endgültig selbst in die Hand nehmen, wird sich bemühen, ein Leben im Geiste zu leben und es ablehnen, weiterhin ein selbstzentriertes «Atomleben» zu führen; er wird nach seinem Platz im grösseren Ganzen suchen und ihn durch definitive, selbstinitiierte Bemühung in der Einswerdung mit der Gruppe, zu der er gehört, finden. Das alles ist eigentlich mit den Lehren vom Pfad der protestantischen, katholischen oder buddhistischen Kirchen gemeint. Sie alle lehren das Beschreiten dieses Pfades, geben ihm verschiedene Namen, wie der Weg, der noble achtfache Pfad, der Pfad der Erleuchtung oder der Pfad der Heiligkeit. Immer ist es der Eine Weg, der mehr und mehr leuchtend bis hin zum vollkommenen Tag führt. Ausserdem können wir in nicht allzu ferner Zeit die Entwicklung des abstrakten Denkvermögens und das Erwachen der Intuition erwarten. Während die grossen Rassen einander nach und nach auf unserem Planeten abgelöst haben, hat stets eine geordnete, gesetzmässig gelenkte Entfaltung der Kräfte der Seele und eine ausdrücklich geplante Abfolge der Ereignisse stattgefunden. In der dritten Wurzelrasse, der «lemurischen», hatte der physische Aspekt des Menschen bereits eine hohe Vervollkommnung erreicht. Später wurde dann in jener der unserer vorausgehenden Rasse, der «atlantischen», die von der Flut zerstört wurde, die emotionale Natur des Menschen entwickelt. In der «arischen» oder fünften Rasse, zu der [135] wir gehören, ist die Entwicklung des konkreten oder niederen Denkens das Ziel und dieses Denken entwickeln wir Jahrzehnt für Jahrzehnt stärker. Einige beginnen schon das Vermögen zu entwickeln, in abstrakten Begriffen zu denken. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, werden wir mehr von jener eigentümlichen, interessanten Begabung erleben, die einige schon erkennen lassen, die wir die Fähigkeit zu Inspiration nennen. Ich spreche hier nicht von medialen Fähigkeiten oder Praktiken. Es gibt kaum etwas Gefährlicheres als das, was mit dem Begriff «Medium» gewöhnlich gemeint ist. Das Durchschnittsmedium ist ein Mensch mit negativer oder rezeptiver Veranlagung und meist so lose und unkoordiniert in seiner dreifachen Natur, dass eine von aussen wirkende Kraft oder Wesenheit sein Gehirn, seine Hand oder seinen ganzen Körper benützen kann. Das ist ein ganz alltägliches Phänomen. Automatisches Schreiben, Gläschenrücken und spiritistische Séancen niederer Ordnung schiessen wie Pilze aus dem Boden und treiben Tausende zum Wahnsinn oder zumindest in einen zerrütteten Nervenzustand. Aber es gibt etwas, wovon diese medialen Fähigkeiten nur das Zerrbild sind, und das ist Inspiration. Inspiriert werden zu können heisst, dass ein Mensch eine Stufe seiner Evolution erreicht hat, auf der er bewusst und positiv unter der Kontrolle seines eigenen höheren Selbst, des lebendigen Gottes in ihm steht. Dieser innere Herrscher, das wahre Selbst, kann durch definitiven Kontakt sein physisches Gehirn lenken und dem Menschen ermöglichen, Entscheidungen zu fällen und die Wirklichkeit zu verstehen, und zwar ganz unabhängig vom rationalen Denken. Dieser innere Gott kann den Menschen befähigen, ohne Anwendung des niederen Denkens zu sprechen, zu schreiben und die Wahrheit weiterzuvermitteln. Die Wahrheit liegt in uns selbst. Wenn wir mit unserem eigenen inneren Gott in Verbindung kommen können, wird alle Wahrheit uns enthüllt werden. Wir werden Wissende sein. Aber das ist etwas Positives und nichts Negatives, und es bedeutet, dass man sich selbst in direkte, bewusste Angleichung an sein Ego oder höheres Selbst bringt, und nicht die eigene Persönlichkeit irgendeiner herumlungernden Wesenheit oder einem Spuk öffnet. So etwas kann man heute gelegentlich beobachten; aber es kommt nicht häufig vor, dass der Durchschnittsmensch mit seinem höheren Selbst in Berührung kommt. Nur in unseren Momenten höchsten Strebens, nur in den grossen Lebenskrisen und auch das nur als Resultat langer Disziplin und ausdauernder Meditation, [136] geschieht es dann. Aber eines Tages werden wir alle unser Leben regieren, nicht vom persönlichen, selbstischen Standpunkt aus, sondern von dem des lebendigen Gottes in uns, der eine unmittelbare Offenbarung des Geistes auf der höchsten Ebene ist. Was ich heute Abend noch als Letztes deutlich machen möchte, ist, dass für jeden von uns das Ziel die Entwicklung der Kräfte der Seele oder der Psyche ist. Das heisst, dass Sie und ich auf dem Wege sind, «psychisch» zu werden. Aber ich gebrauche das Wort «psychisch» nicht in dem Sinne, wie es gewöhnlich verstanden wird und auch nicht in seiner alltäglichen Bedeutung. Die Psyche ist, im buchstäblichen Sinne, die Seele in uns, das höhere Selbst, und sie tritt aus dem dreifachen niederen Selbst hervor, wie der Schmetterling aus seiner Puppe. Es ist diese wunderbare Wirklichkeit, die wir [137] als Ergebnis unseres Lebens oder unserer Leben hier unten hervorbringen werden. Die echten psychischen Kräfte sind solche, die uns mit der Gruppe in Kontakt bringen. Die Kräfte des physischen Körpers, wie wir sie jeden Tag gebrauchen, bringen uns mit einzelnen in Verbindung; wenn wir aber die Kräfte der Seele entwickeln und ihre Möglichkeiten entfaltet haben, werden wir wahre «Psychisten» sein. Welches sind nun diese Kräfte? Einige von den vielen kann ich heute nur noch aufzählen. Eine dieser Kräfte ist bewusste Kontrolle der Materie. Die meisten von uns beherrschen ihren physischen Körper bewusst, damit er unsere Befehle auf der physischen Ebene ausführt. Manche beherrschen bewusst ihre Emotionen, aber nur wenige können ihr Denken beherrschen. Die meisten werden von ihren Wünschen und Gedanken beherrscht. Aber es kommt die Zeit, wenn wir bewusst unsere dreifache niedere Natur steuern werden. Dann wird für uns keine Zeit mehr existieren. Wir besitzen dann die Kontinuität des Bewusstseins auf den drei Daseinsebenen, der physischen, emotionalen und mentalen, und diese wird uns befähigen, so zu leben, wie der Logos lebt, in jener sehr metaphysischen Abstraktion, dem Ewigen Jetzt. Eine weitere Kraft der Seele ist Psychometrie. Was ist das? Sie könnte etwa als die Fähigkeit beschrieben werden, irgend etwas Berührbares, das vielleicht einem anderen gehört, zu nehmen und sich mithilfe dieses Gegenstandes mit diesem anderen Individuum oder mit einer Gruppe von Individuen «in Rapport» zu setzen. Psychometrie [138] ist das Gesetz der Ideenassoziation, angewandt auf die Schwingungsqualität von Kraft, zu dem Zweck, Information zu erhalten. Ferner wird die menschliche Rasse hellhörend und hellsichtig werden, was eine Fähigkeit bedeutet, auf den subtileren Ebenen ebenso deutlich und scharf zu hören und zu sehen, wie im physischen Materiebereich. Das wird die Fähigkeit einschliessen, alles wahrzunehmen, was die Gruppe betrifft, das heisst, in der vierten und fünften Dimension zu hören und zu sehen. Ich bin nicht genügend mathematisch geschult, um diese Dimensionen erklären zu können und gerate leicht in Verwirrung, wenn ich darüber nachdenke. Aber durch die Erläuterung, die mir einmal ein junger schwedischer Denker gab, wird das Ganze vielleicht etwas klarer. Er hat es mir folgendermassen erklärt: «Die vierte Dimension ist die Gabe, durch einen Gegenstand hindurch und um ihn herum zu sehen. Die fünfte Dimension ist zum Beispiel die Fähigkeit, sich mithilfe eines bestimmten Auges mit allen anderen Augen im Sonnensystem in Rapport zu setzen. In [139] der sechsten Dimension könnte Sehen etwa definiert werden als die Kraft, einen Kieselstein vom Strand aufzuheben und sich mit seiner Hilfe mit dem ganzen Planeten in Einklang zu bringen. So waren Sie also in der fünften Dimension, wo Sie das Auge benützten, noch auf eine bestimmte Manifestationslinie begrenzt, während Sie im Fall der sechsten, wo Sie den Kieselstein benützten mit dem ganzen Planeten in Berührung gebracht wurden.» Natürlich liegt so etwas für uns noch in weiter Ferne, aber es ist ein interessantes Gesprächsthema und enthält für jeden von uns eine Verheissung. Es steht mir keine Zeit mehr zur Verfügung, mich mit den anderen Kräften zu beschäftigen oder aufzuzählen, welche das sein könnten. Heilen durch Berührung befindet sich darunter. Die Manipulation der magnetischen fluiden Kräfte, bewusste Schöpfung mittels Farbe und Ton sind andere. Was für uns aber derzeit einzig wichtig ist: dass wir uns selber bewusst in die Hand nehmen, immer mehr danach trachten, uns der Lenkung des inneren Herrschers zu unterstellen und uns bemühen, «radioaktiv» zu werden und Gruppen-Bewusstsein zu entwickeln. SIEBENTER VORTRAG KOSMISCHE EVOLUTION Ohne Zweifel [143] kann man der Meinung sein, es sei lächerlich, wenn jemand es unternimmt, einen Vortrag über kosmische Evolution zu halten, weil das natürlich ein Gegenstand ist, über den weder ich noch ein anderer Sterblicher irgendetwas weiss, und dass deshalb absolut nichts darüber ausgesagt werden kann. Trotzdem lassen sich nach dem Gesetz der Analogie gewisse Rückschlüsse ziehen, die uns in sehr interessante Denkbereiche führen können. Mehrere Wochen lang haben wir nun die Entwicklung des Atoms von Stufe zu Stufe verfolgt, bis wir schliesslich das ganze Sonnensystem in den Begriff «Atom» mit einbezogen haben. Zuerst studierten wir unter allgemeinen Gesichtspunkten das Atom der Substanz, dann das menschliche Atom und wandten unser Wissen über diese beiden Atome auf die noch grössere Sphäre, oder das grössere Atom, einen Planeten an, den wir ein planetarisches Atom nannten. Die gleiche Idee führten wir weiter zum Atom des Sonnensystems, dem wir eine Stellung in einem noch grösseren Ganzen zugeschrieben haben. In Zusammenhang mit diesem Gegenstand studierten [144] wir drei Evolutions oder Entwicklungsmethoden. Wir betrachteten die Aspekte, die mittels dieser Atome herausentwickelt wurden, deren Qualitäten oder psychische Natur und sahen, dass man im Atom der Substanz als einzige psychische Qualität die der Intelligenz postulieren kann. Wir gingen dann zu atomaren, untermenschlichen Formen weiter und stellten fest, dass die Formen in den beiden Naturreichen, dem der Pflanzen und der Tiere, eine weitere Eigenschaft der Gottheit demonstrieren, nämlich die des Fühlens, der Empfindungsfähigkeit oder embryonaler Liebe und Emotion; wir erkannten, dass sich im Tierreich eine dritte Qualität, die des rudimentären Denkens zu zeigen begann, und als wir zum menschlichen Atom kamen, sich drei Aspekte demonstrierten, Intelligenz, Liebe und ein zentraler Wille. Dieses Konzept dehnten wir auf den Planeten und das Sonnensystem aus und fanden, dass es da eine grosse Intelligenz, ein Denkvermögen geben muss, das sich vermittels der Form des Sonnensystems auswirkt; dass der Zweck, dessentwegen diese Intelligenz eine Form benützt, die Demonstration einer weiteren Qualität, nämlich der Liebe oder Weisheit sei, wobei das Ganze von einem grossen zentralen Willen gesteuert wird. Wir schlossen daraus, dass dieser zentrale Wille die Manifestation einer Entität sein könne, die das ganze System beseelt, vom allerniedrigsten Substanzatom bis zu dem grossen Leben, welches das planetarische System mit Energie versorgt. Nachdem wir diese grundlegenden Aussagen gemacht hatten, gingen wir zur Betrachtung der Evolution des bewussten Lebens in der atomaren Form über und fanden, dass durch jedes Atom ein [145] höherer Bewusstseinstyp folgerichtig entwickelt wird; dass sich das «Mensch-Atom» von allen anderen niederen Formen dadurch unterscheidet, dass es seiner selbst bewusst ist; dass der Mensch ein intelligenter Wille ist, der jede seiner Handlungen bewusst ausführt, sich seiner Umgebung gewahr wird und auf ein klares Ziel ausgerichtet in seiner Aktivität eine bestimmte Linie verfolgt. Dieses Selbst-Bewusstsein des Menschen führt zu etwas noch Umfassenderen, nämlich zum Bewusstsein des grossen planetarischen Geistes, was am besten mit dem Begriff «Gruppen-Bewusstsein» verständlich gemacht wird. Während die Evolution fortschreitet, wird der Mensch von der Stufe des Selbst-Bewusstseins, in der Sie und ich heute leben, zur Erkenntnis kommen, was mit Gruppenbewusstsein gemeint ist; das ist heute noch etwas praktisch Unbekanntes, und höchstens ein schönes Ideal oder ein Traum, der sich einmal in ferner Zeit realisieren könnte. Gruppenbewusstsein wird folgerichtig zu dem weiterführen, was wir mangels eines angemesseneren Begriffs GottBewusstsein nennen könnten, obwohl ich persönlich nach Möglichkeit das Wort «Gott» wegen der vielen Streitereien gern vermeide, die es immer wieder unter den verschiedenen Denkern der Menschheitsfamilie auf der ganzen Welt ausgelöst hat. Diese Differenzen beruhen grösstenteils auf den unterschiedlichen Ausdrucksweisen und Terminologien, die auf fundamentale Ideen angewandt werden, und auf den verschiedenerlei Organisationssystemen. Wenn der Wissenschaftler beispielsweise von Kraft oder Energie spricht, der Christ von Gott und der Hindu in analogen Begriffen vom «Ich bin das ich bin», oder dem Selbst, dann sprechen sie alle von dem einen grossen Leben, haben aber bei dem Versuch, zu beweisen, dass der andere Unrecht hat, und für die Demonstration der Richtigkeit der eigenen Interpretation viel Zeit verloren. Als nächstes [146] sahen wir, dass die Evolution der Atome, grob gesprochen in zwei Teile oder Stadien zerfällt, von denen wir eines das atomare und das andere in Ermangelung eines besseren Begriffs, das radioaktive Stadium nannten. Im atomaren Stadium verfolgt das Atom sein eigenes selbstzentriertes Leben, ist nur auf die eigene Fortentwicklung bedacht und auf die Wirkung der von ihm zustandegebrachten Kontakte. Bei fortschreitender Evolution zeigt sich, dass das Atom auf ein umfassenderes Leben ausserhalb des eigenen zu reagieren beginnt und in dieser Periode haben wir die Parallele zum formbildenden Stadium, in dem diese Substanzatome von einer stärkeren Energieladung oder positiven elektrischen Kraft (wenn man es so nennen will) angezogen werden, die sie zu sich heranzieht und aus ihnen eine Form bildet; diese Substanzatome werden dann ihrerseits zu Elektronen. Wir erkannten dann, wie sich in Ihrem wie in meinem Fall und jeder selbstbewussten Einheit die gleiche Prozedur vollzieht, und dass ein zentrales Leben vorhanden ist, das in seiner Einflusssphäre diejenigen Atome zusammenhält, welche die verschiedenen Körper, den mentalen, emotionalen und physischen, konstituieren; dass wir uns manifestieren, uns bewegen, unseren Lebensweg und unsere Absichten verfolgen, indem wir die unseren Bedürfnissen entsprechenden Substanzatome an uns anziehen, die es uns ermöglichen, die notwendigen Kontakte herzustellen. Für uns, das zentrale Leben, sind diese Atome, was die Elektronen für die zentrale positive Ladung im Atom der Substanz sind. Wenn das wahr ist, überlegten wir weiter, nämlich, dass es ein selbstzentriertes Stadium oder eine rein atomare Periode für das Atom und für das menschliche Atom gibt, dann könnten wir logischerweise auch für das Planet-Atom, dem sein zentrales geistiges Leben innewohnt, eine ähnliche Sachlage behaupten. Das führte uns in das Gebiet der Spekulation. Dann dachten wir darüber nach, ob all das, was sich auf unserem Planeten abspielt, nicht auf den selbstzentrierten Zustand jener Wesenheit zurückzuführen sei, die ihre Absichten mittels dieses Planeten zur Auswirkung bringt. Endlich führten wir den gleichen Gedankengang in Verbindung mit dem Sonnensystem weiter. Schliesslich [147] gingen wir zur Betrachtung des zweiten, des radioaktiven Stadiums über, das die Wissenschaft bezüglich des Atoms des Chemikers und Physikers schon seit zwanzig Jahren studiert. Wir sahen, dass es einen zur Evolution des menschlichen Atoms analogen Zustand gibt, dem aber eine dem atomaren Stadium entsprechende Periode vorhergeht, in der ein Mensch rein selbstsüchtig, ganz in sich selbst zentriert ist und in der er das Wohl der Gruppe, von der er doch ein Teil ist, überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt. Dieses vorhergehende Stadium ist in der Welt heute sehr deutlich sichtbar. Ein grosser Prozentsatz der menschlichen Familie befindet sich im «atomaren» Stadium, aber wir müssen immer bedenken, dass es ein schutzbietendes, notwendiges Stadium ist. Jede menschliche Einheit muss diesen Prozess durchmachen, um dadurch ihren Platz in der Gruppe zu finden und fähig zu werden, etwas zu entwickeln, was für diese Gruppe von Wert ist, wenn das zweite Stadium betreten wird. Heute gibt [148] es schon menschliche Einheiten, die in dieses zweite Stadium übergehen. Sie werden radioaktiv und magnetisch, beeinflussen andere Formen und werden allmählich gruppenbewusst; sie verlassen das «Ich bin» Stadium und kommen zur «Ich bin Das» Erkenntnis; das Leben und die Absicht der grossen Wesenheit, von deren Körper sie ein Teil sind, wird ihnen erkennbar; sie werden der Absicht gewahr, die dem Leben des planetarischen Geistes zugrundeliegt, welche der subjektive Impuls hinter der objektiven Erscheinung auf unserer Erde ist. Sie fangen an, mit seinen Plänen zusammenzuarbeiten und wirken zur Förderung ihrer Gruppe. Der Unterschied zwischen ihnen und anderen Atomen der menschlichen Familie liegt darin, dass sie nun gruppenbewusst sind, einen weiteren Horizont, Gruppenerkenntnis und ein umfassenderes Ziel haben. Gleichzeitig geht ihnen aber weder ihr Selbst-Bewusstsein verloren, noch die eigene, individuelle Identität; ihr eigenes, sphärisches Leben bleibt bestehen, aber sie setzen die ganze sie durchströmende Kraft und Energie nicht mehr für eigene Vorhaben ein, sondern für intelligente Kooperation mit dem grossen Leben, dessen Teil sie sind. Es gibt nur sehr selten und nur wenige solche Menschen. Wenn es [149] aber einmal mehr sein werden, können wir uns auf einen Wandel der Weltzustände und auf jene künftige Zeit gefasst machen, von welcher der Apostel Paulus spricht, wenn er sagt: «Es sollte keine Spaltung im Leibe (der Gemeinde) sein, sondern dass die Glieder für einander gleich sorgen. Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit und wird ein Glied geehrt, so freuen sich alle mit ihm ... es ist derselbe Gott, der alles in Allem bewirkt. Wir sind verschieden begabt, aber gleichen Geistes; es gibt verschiedene Ämter (Dienste), aber den gleichen Herrn.» Wenn wir alle gruppenbewusst sein werden, wenn wir alle den Zweck erkannt haben, dem alle Manifestation auf unserem Planeten dient, wenn wir bewusst handeln und alle Energie für die Erfüllung der Gruppenplanungen einsetzen, dann werden wir endlich haben, was der Christ «Das Millennium» nennt. Wenn wir nun in der Evolution des Substanzatoms und in der des menschlichen Atoms diese beiden Stadien vorfinden, und wenn sie die Basis aller zukünftigen Entwicklung sind, dann gibt es auch im planetarischen Atom dieselben beiden Stadien, nämlich dasjenige, in dem das planetarische Leben seine eigenen Pläne auswirkt und ein späteres, in dem dieses in die umfassenderen Pläne jenes noch grösseren Lebens einschwingt, welches das Sonnensystem [150] beseelt. Nachdem ich mich noch nicht für ein Interview mit dem planetarischen Geist befähigt fühle, ist es mir auch nicht möglich zu sagen, ob er bereits mit den Absichten des Sonnenlogos kooperiert; aber durch ein Studium der Rassenevolution und der Entwicklung der grossen internationalen Planungen innerhalb des Planeten könnten wir eine Idee von den generellen Zielen gewinnen. Nun dürfen wir aber, auch wenn wir Menschen uns für die höchste und wichtigste Manifestation auf dem Planeten halten, doch nicht vergessen, dass es noch andere Evolutionen geben kann, durch die das zentrale Leben wirkt und wovon wir vorläufig sehr wenig wissen. Wir müssen nämlich ausser dem Menschen noch die Engel-Evolution berücksichtigen, oder die «Deva»-Evolution, wie sie der Hindu nennt. Das eröffnet uns ein immenses Feld für Studien und Spekulation. Wieder dürfen wir annehmen, innerhalb des Sonnensystems analoge Stadien vorzufinden. So könnten wir vermutlich entdecken, dass das grosse Leben, welches das ganze Sonnensystem beseelt, jene grosse Wesenheit, die es zur Ausführung eines definitiven Zweckes benützt, dieses System mithilfe jener grossen Kraftzentren mit Energie versorgt, die wir «planetarische Atome» nennen; dass ferner diese Kraftzentren ihrerseits mittels geringerer Zentren oder Gruppen wirken, indem sie ihre Energie durch Gruppen menschlicher Atome den verschiedenen Naturreichen zuleiten, und so weiter bis zu dem winzigen Substanzatom, das in sich wieder [151] das gesamte Sonnensystem reflektiert. Diese Frage des atomaren Lebens zu Ende zu denken ist ungeheuer interessant und führt in vielen Richtungen zu weiteren Vermutungen. Einer der interessantesten und wichtigsten Punkte, die sich uns eröffnen, ist die intime Korrelation und enge Wechselwirkung zwischen Atomen jeglicher Art und die alles durchdringende Einheit, die letzten Endes erkannt werden muss. Wenn wir nun gesehen haben, dass in der Evolution aller wie immer gearteten Atome ein Stadium eintritt, in dem sie nach ihrem Platz innerhalb der Gruppe tasten und suchen, und sie anstatt positiv zu sein, in bezug auf ein grösseres Leben negativ werden, wenn es ferner tatsächlich in allen Bewusstseinsmanifestationen eine selbstbewusste und eine gruppenbewusste Stufe gibt, wäre es dann nicht logisch und möglich, dass am Ende vielleicht unser Sonnensystem auch nur ein Atom innerhalb eines grösseren Ganzen ist? Könnte nicht für unser solares System und unseren Sonnenlogos ein wiederum grösseres zentrales Leben existieren, von dem der beseelende Geist des Sonnensystems allmählich angezogen wird und nach dessen Bewusstheit unsere Gottheit strebt? Gibt es irgendwo Hinweise auf eine solche anziehende Kraft oder so ein Ziel? Gibt es grössere Sphären solaren Lebens ausserhalb unseres Systems, die darauf eine bestimmte Wirkung ausüben? Dies mag zwar nur eine Spekulation sein, aber sie enthält doch gewisse interessante Fragen. Wenn wir astronomische Bücher studieren und nach Bestätigungen der Astronomen suchen, ob sich das so verhält oder nicht, werden wir allerdings auf einen Berg sich widersprechender Meinungen stossen; manche sagen, es gebe in den Plejaden einen zentralen Punkt, um den unser Sonnensystem kreist, andere behaupten, der Punkt magnetischer Anziehung für unser Sonnensystem liege in der Konstellation Hercules. Andererseits wird [152] dem glatt widersprochen. Einige Astronomen sprechen von «Sterntriften» und dass die Trift oder der Trend gewisser Sterne in einer spezifischen Richtung verlaufe; wieder andere argumentieren, die Entfernungen seien so ungeheuer gross, dass unmöglich bestimmbar sei, ob bestimmte Systeme eine festgesetzte Bahn verfolgen oder nicht. Befragen wir dennoch einmal einige der alten Bücher, nämlich diejenigen, die wir die mythologischen nennen (und ein Mythos könnte als etwas definiert werden, das eine grosse Wahrheit so lange verborgen hält, bis wir sie erkennen) und studieren wir diese alten Bücher des Ostens, dann stellt sich heraus, dass in allen übereinstimmend zwei oder drei Konstellationen genannt werden, denen eine seltsam intime Beziehung zu unserem Sonnensystem zugeschrieben wird. Diesen Aussagen gegenüber behalten moderne Astronomen noch immer eine agnostische Haltung bei und vom Standpunkt materialistischer Wissenschaft mit Recht. Was ich hier hervorheben möchte, ist dies: wenn ein Gegenstand, bei welchem Wissenschaftler und Astronomen geteilter Meinung sind, trotzdem ein Thema bleibt, um das weiter gestritten wird, und wenn über dieses Thema die Bücher des Ostens einen klaren Ton anschlagen, muss eine Tatsachenbasis vorhanden sein und es steckt in der Behauptung wahrscheinlich [153] ein Aspekt der Wahrheit. Ich persönlich vermute hier, dass dieser Aspekt der Wahrheit nicht auf der Linie physikalischer Interpretation, sondern auf der Linie des Bewusstseins gefunden werden kann; denn es handelt sich hier um die psychische Evolution, die in allen Atomen vor sich geht (wobei «psychisch» im Sinne des subjektiven Bewusstseins gemeint ist), worauf sich diese Bücher beziehen, und die Betonung liegt darauf, dass wir eine okkulte Beziehung zu anderen Sonnensystemen haben. Hier kann die Wahrheit vielleicht gefunden werden. Einheitlich kann das subjektive Leben sein und einheitlich auch die zwischen ihnen fluktuierende Energie, aber in der physischen Form ist Verschiedenheit. Wahrscheinlich gibt es in der Evolution der Intelligenz, in der Manifestation der Liebe oder des Gruppenbewusstseins und in der Entwicklung des Willens oder der Absicht diese Einheit, dieses Einssein des subjektiven Lebens; und wir kommen zu der Erkenntnis, dass es in der Form und nur in der Form Getrenntheit und Differenzierung gibt. Die alten Bücher des Ostens weisen bei Behandlung dieses Gegenstandes darauf hin, dass die sieben Sterne des Grossen Bären, die sieben Sterne der Plejaden und die Sonne Sirius eine ausserordentlich enge Verbindung zu unserem Sonnensystem haben, und dass eine intime psychisch-magnetische Beziehung zwischen unserem Sonnenlogos und ihnen besteht. Wir sahen, dass [154] für das Atom der Substanz Selbst-Bewusstsein das Ziel ist; und dass für die Wesenheit, deren Evolution durch einen Planeten stattfindet, GottBewusstsein das Ziel sein könnte. Obwohl uns natürlich für Überlegungen, die den Sonnenlogos betreffen, die Worte fehlen, muss es trotzdem auch für ihn ein Ziel geben. Sie können es das absolute Bewusstsein nennen, wenn Sie wollen. Lassen Sie uns das wieder deutlich machen. Unser Körper ist, wie uns gesagt wurde, aus einer Unzahl kleiner Leben oder Zellen oder Atome zusammengesetzt, von denen jedes sein eigenes individuelles Bewusstsein besitzt. Das entspricht seinem Selbst-Bewusstsein. Als Ganzes gesehen könnte man dann das Bewusstsein des physischen Körpers, vom Standpunkt des Atoms aus, als sein Gruppen-Bewusstsein betrachten. Ferner haben wir das Bewusstsein des Menschen, des Denkers. Er ist derjenige, der den Körper beseelt und ihn nach seinem Willen handhabt, - das bedeutet analog für das Atom in seinem Körper dasselbe, was wir Gott-Bewusstsein nennen könnten. Unsere selbstbewusste Erkenntnis ist ebensoweit von der des Atoms entfernt, wie das Bewusstsein des Sonnenlogos von dem unseren. Könnte nun nicht für das Atom in unserem Körper das Bewusstsein des Sonnenlogos ein absolutes Bewusstsein genannt werden? Dieser Gedanke kann auf das Menschenatom wie auf das planetarische Atom ausgedehnt werden und man könnte ferner aussagen, dass der Sonnenlogos einem Bewusstsein entgegenstrebt, das jenseits seines eigenen liegt, analog zu dem, was sich zwischen dem Atom in Ihrem Körper und dem Sonnenlogos ausdehnt Hier öffnet sich vor Ihnen ein unglaublicher Ausblick. Und doch ist das als solches ermutigend; denn wenn wir die Zelle in einem physischen Körper studieren und uns ihren langen Weg vergegenwärtigen, den sie von ihrem eigenen Bewusstsein bis zu dem hat verfolgen müssen, was ein Mensch jetzt als sein eigenes Bewusstsein kennt, dann ist das eine Verheissung und unsere Hoffnung auf zukünftige Vollendung, und gleichzeitig ein Ansporn, in unserem Streben auszuharren. Die [155] alten Bücher des Ostens haben während ganzer Zeitalter die Wahrheit über vieles geheimgehalten, was jetzt erst anfängt, in das Bewusstseinsfeld der westlichen Menschen zu dringen. Sie lehrten bereits vor Tausenden von Jahren die radioaktive Beschaffenheit der Materie, also könnten doch auch ihre Lehren über die Sternkonstellationen letzten Endes einen gleichen Anteil an Wahrheit enthalten. Vielleicht liegt in den Sternen, die wir im fernen Himmelsraum sehen und dem Leben, das in ihnen seine Evolution erlebt, das Ziel unseres Sonnenlogos; und aus ihnen könnten auch die ihm zuströmenden und ihn anziehenden Einflüsse kommen, die ihn nach entsprechendem Zeitablauf radioaktiv machen werden. In den östlichen Büchern heisst es, in der Sonne Sirius liege die Quelle der Weisheit, und der Einfluss der Energie der Liebe ströme von dort aus. Dann heisst es auch, es gebe eine Konstellation, die noch viel enger mit unserem solaren Logos verbunden sei und zwar deshalb, weil er bis jetzt noch nicht weit genug auf seinem Evolutionsweg fortgeschritten ist, um in vollem Ausmass auf Sirius reagieren zu können; dass er jedoch auf den Einfluss der «sieben Schwestern» [156] der Plejaden ansprechen kann. Diese Sterngruppe ist besonders interessant. Wenn Sie im Wörterbuch das Wort «Elektrizität» nachschlagen, werden Sie finden, dass es möglicherweise auf den Stern Electra zurückgeht, eine der «sieben Schwestern» die von einigen als die «kleine verlorene Plejade» angesehen wird. Weiter behaupten die östlichen Lehrer, dass im Mysterium der Elektrizität alles Wissen verborgen sei, und wenn wir dieses ergründet hätten, wüssten wir alles, was gewusst werden kann. Es ist uns nicht möglich zu sagen, welcher Art die Beziehung der Plejaden zu unserem Sonnensystem sein mag; aber sogar die christliche Bibel erwähnt sie und Hiob spricht von «dem süssen Einfluss der Plejaden», während östliche Schriften bestätigen, die Verbindung sei in Ton und Schwingung zu suchen. Vielleicht sind die Plejaden die Quelle des atomaren Lebens unseres Logos, der Aspekt aktiver Intelligenz, der eine, der zuerst entwickelt wurde und den wir elektrische Materie nennen könnten. Dann ist da noch der Grosse Bär. Auch über die Beziehung des Grossen Bären zu den Plejaden gibt es in den östlichen Schriften viele interessante Aussagen. Von den «sieben Schwestern» heisst es, sie seien die sieben Frauen der sieben Sterne des Grossen Bären. Was könnte nun die Wahrheit sein, die sich hinter dieser Legende verbirgt? Wenn die Plejaden die Quelle der elektrischen Manifestation, der aktive Intelligenzaspekt des Sonnensystems sind und ihre Energie das ist, was alle Materie beseelt, dann könnten sie vielleicht den negativen Aspekt repräsentieren, dessen polarer Gegensatz, oder der positive Aspekt, das Sternbild ihrer sieben Gatten [157] wäre, die sieben Sterne im Grossen Bären. Vielleicht ist die Vereinigung dieser beiden das, was unser Sonnensystem hervorbringt. Vielleicht auch, dass diese beiden Energietypen, eine von den Plejaden, die andere vom Grossen Bären, zusammenkommen und in ihrer Konjunktion das gewaltige Leuchten hervorbrächten, das wir unser Sonnensystem nennen. Die Beziehung zwischen diesen beiden Konstellationen, vielmehr ihre subjektive Beziehung, muss sicher auf möglichen Tatsachen beruhen, sonst würde in den verschiedenen Mythologien nicht immer wieder darauf hingewiesen. Es muss etwas geben, das sie, aus all den Myriaden von Konstellationen, mit unserem Sonnensystem verbindet. Wenn wir jedoch versuchen, eine rein physikalische Anwendbarkeit zu finden, gehen wir in die Irre. Verfolgen wir jedoch die Linie des subjektiven Lebens und bringen es mit Energie, Qualität oder Kraft in Verbindung, dann kann es geschehen, dass wir unerwartet über die Wahrheit stolpern und etwas von der Wirklichkeit entdecken, die der Hintergrund einer zunächst sinnlos erscheinenden Fabel ist. Alles, was unseren Horizont erweitert, was uns zu einer umfassenderen Vision und klarerer Erkenntnis von dem befähigt, was sich in Wirklichkeit im Evolutionsprozess vollzieht, ist für uns von Wert; aber nicht, weil die Anhäufung festgestellter Fakten wertvoll wäre, sondern wegen der Dinge, die wir in uns selbst zustandebringen können. Unsere Fähigkeit, in weiteren und umfassenderen Begriffen zu denken, steigert sich, so dass wir lernen, über unseren selbstzentrierten Gesichtswinkel hinauszuschauen und in unser Bewusstsein andere und andersartige Aspekte als die eigenen einzubeziehen. Dabei entwickeln wir Gruppenbewusstsein und werden schliesslich erleben, dass die scheinbar so gewaltigen Ideen, für die wir äonenlang kämpften und starben und die wir als die ganze Wahrheit priesen, im Grunde nur Fragmente eines Planes waren und unendlich winzige Anteile [158] einer gigantischen Gesamtsumme. Vielleicht wird uns daher, wenn wir einmal auf diese Erde zurückkehren sollten und auf das zurückblicken, was uns jetzt so interessant und wichtig erscheint, aufgehen, wie fehlerhaft und irrig die Tatsachen von uns erfasst worden sind. Auf Fakten kommt es letzten Endes nicht an; die Fakten des vergangenen Jahrhunderts sind heute schon keine mehr, und im nächsten Jahrhundert werden die Wissenschaftler womöglich über unsere dogmatischen Behauptungen lachen und sich wundern, wie es möglich war, Materie so zu betrachten, wie wir es taten. In Wirklichkeit geht es einzig um die Entwicklung des Lebens und die Beziehung des Lebens zu allem was uns umgibt; und vor allem anderen um die Wirkung, die wir auf die Menschen ausüben, mit denen wir in Verbindung kommen und um die Arbeit, die wir leisten, die ja, sei es im Guten oder Schlechten, die Gruppe beeinflusst, in der wir uns befinden. Um diese Vortragsreihe zu beenden, weiss ich nichts besseres als wieder den Apostel Paulus zu zitieren: «Ich bin der Ansicht, die Leiden dieser Zeit sind nicht zu vergleichen mit der künftigen Herrlichkeit, die [159] an uns offenbart werden soll ... denn wir werden gerettet durch die Hoffnung ... Ich bin überzeugt: weder Tod noch Leben, weder Engel noch Herrschaften, noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Niederes noch sonst etwas Erschaffenes, vermag uns von der Liebe Gottes zu scheiden.»