Neurologie – Innere Medizin interdisziplinär von Peter Berlit, Peter T Sawicki 1. Auflage Thieme 2007 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 13 145251 1 Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG 21 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome T. R. Pieber, M. Auer-Grumbach Definition und Klassifikation Tabelle 2.2 Klassifikation des Diabetes nach WHO (1985) und ADA (1997) (modifiziert nach [1] und [3]) Unter Diabetes mellitus werden alle Stoffwechselstörungen zusammengefasst, bei denn es zu einer chronischen Erhöhung der Blutglukosewerte kommt. Ursächlich liegt der Hyperglykämie immer eine mangelnde Insulinwirkung zu Grunde, sei es durch ein Insulindefizit durch nicht ausreichende Insulinsekretion und/oder durch eine Verminderung der Wirksamkeit des verfügbaren Insulins. Seit 1985 gelten einheitliche Diagnosekriterien (3), die zuletzt von der Amerikanischen Diabetesgesellschaft (1) und der Weltgesundheitsorganisation adaptiert wurden (Tab. 2.1). Die Amerikanische Diabetesgesellschaft (ADA) hat vorgeschlagen, nur den Nüchternblutzucker zur Diagnose heranzuziehen, allerdings zeigte sich, dass der orale Glukosetoleranztest (OGTT) mit dem Blutglukosewert 2 Stunden nach der Gabe von 75 g Glukose besser geeignet ist, um Risikopatienten zu entdecken (2). Die derzeit gültige und gebräuchliche Klassifikation des Diabetes mellitus ist Tab. 2.2 zu entnehmen. Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, die in allen Erdteilen eine steigende Inzidenz und Prävalenz zeigt. In Deutschland sind derzeit ca. 5 % der Bevölkerung von Diabetes betroffen, eine weitere Steigerung wird durch die zunehmende Lebenserwartung und durch den derzeitigen Lebensstil erwartet. Durch die Akutkomplikationen (Hypoglykämie, hyperglykämische Entgleisung) sowie die mikrovaskulären Komplikationen (Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie) und die makrovaskulären Komplikationen (koro- Diabetes mellitus Typ 1 Diabetes mellitus Typ 2 Gestationsdiabetes (GDM) andere Diabetestypen bei besonderen Syndromen Q exokrine Pankreaserkrankungen (Pankreatitis, Hämochromatose, und andere) Q endokrine Erkrankungen (Akromegalie, Hyperthyreose, Cushing, Glucagonom) Q genetische Defekte der Betazelle (MODY 1 ± 3) Q genetische Defekte der Insulinwirkung (lipoatrophischer Diabetes u. a.) Q genetische Syndrome (DIDMOAD-Syndrom, Dystrophia myotonica I und II u. a.) Q iatrogen und toxisch (Tacrolimus, Ciclosporin A u. a.) Q andere Sonderformen nare Herzkrankheit, plötzlicher Herztod, ischämischer Insult, periphere arterielle Verschlusskrankheit) entsteht eine erhebliche Belastung für die Betroffenen, aber auch für das Gesundheitssystem. Der strukturierten und qualitätsgesicherten Versorgung der Patienten mit Diabetes mellitus wird in Zukunft daher eine groûe Bedeutung zukommen. venöse Plasmaglukose (mg/dl bzw. mmol/l) nüchtern 2 h nach 75 g Glukose per os normale Glukosetoleranz (WHO) < 126 (< 7,0) < 140 (< 7,8) normal (ADA) < 110 (< 6,1) ± gestörte Glukosetoleranz (WHO) < 126 (< 7,0) 126 ± 199 (7,0 ± 1,1) gestörte Nüchternglukose (ADA) 110 ± 125 (6,1 ± 6,9) ± Diabetes (WHO) ³ 126 (³ 7,0) ³ 200 (³ 11,1) (ADA) ³ 126 (³ 7,0) ± Tabelle 2.1 Definition des Diabetes mellitus und der gestörten Glukosetoleranz bzw. der gestörten Nüchternglukose nach der WHO (1985, modifiziert 1999) und der ADA (1997) ADA = Amerikanische Diabetes Gesellschaft WHO = Weltgesundheitsorganisation Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG 22 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome Literatur 1. American Diabetes Association. 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B. 35 Neuerkrankungen pro Jahr pro 100 000 Einwohner in Finnland und 4 Neuerkrankungen pro Jahr pro 100 000 Einwohner in Israel (15, 21). Für die Entstehung des Typ-1-Diabetes spielen neben genetischen Faktoren auch Umwelteinflüsse (z. B. Viren) eine groûe Rolle. Typ-1-Diabetes tritt selten vor dem 6. Lebensmonat auf, zeigt eine Häufung zwischen 9 und 13 Jahren und wird danach wieder seltener. Der Anteil der Typ-1-Diabetiker an der Gesamtdiabeteszahl wird zwischen 5 und 15 % geschätzt, wobei die Anzahl der Neuerkrankungen um 3 ± 5 % pro Jahr ansteigt (21). Klinisches Bild Typ-1-Diabetiker sind meist jünger und normalgewichtig. Die Diagnose zwischen dem 25. und 65. Lebensjahr kann manchmal erst aus dem klinischen Verlauf gestellt werden. Typ-1-Diabetiker mit einer Manifestation im mittleren Lebensalter zeigen meist weniger Anzeichen eines Autoimmunprozesses; die rasche Entwicklung einer Insulinabhängigkeit ist jedoch ein wichtiger Hinweis für einen Typ-1-Diabetes bei diesen Patienten. Polyurie (93 %), Polydipsie (93 ± 97 %), Müdigkeit (68 ± 89 %) und Gewichtsverlust (52 ± 72 %) sind die Leitsymptome einer Neumanifestation bei Kindern und Jugendlichen. Weitere Symptome sind abdominelle Beschwerden (22 ± 45 %) und Enuresis (38 %) (17). Zwischen 10 und 40 % der Fälle treten mit dem Vollbild einer Ketoazidose auf (30). Bei Manifestation im späteren Alter sind die Symptome meist milder und weniger stark ausgeprägt. Üblicherweise wird Typ-1-Diabetes aufgrund der Symptome durch eine Blutzuckermessung festgestellt. Bei der Neumanifestation ist eine Blutgasanalyse zum Ausschluss einer Ketoazidose unbedingt erforderlich. Therapie Die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 1 zielt auf den möglichst physiologischen Ersatz des fehlenden Hormons Insulin. Dabei kommt dem Umgang mit der chronischen Erkrankung, der Selbstkontrolle, dem richtigen Abschätzen der Kohlenhydrate und der Anpassung der Insulindosierung an den aktuellen Bedarf eine entscheidende Bedeutung zu. Im Gegensatz zum Typ-2-Diabetes spielt die oft empfohlene Diät im engeren Sinne keine Rolle bei der Behandlung des Typ-1-Diabetes, denn alle pathophysiologischen Prozesse werden durch den Insulinmangel bestimmt. Alle Aspekte der Behandlung des Typ-1-Diabetes werden in strukturierten Schulungskursen (Tab. 2.3) vermittelt. Ziel ist eine optimale Stoffwechselkontrolle, um das Risiko für schwere Hypoglykämien und die Häufigkeit von Spätkomplikationen zu reduzieren. Die durchschnittliche Absenkung des HbA1c um 1 % entspricht einer relativen Risikoreduktion mikrovaskulärer Spätkomplikationen von 25 % (37). Merke Der strukturierten Patientenschulung kommt bei Typ-1Diabetes eine entscheidende Bedeutung für den Behandlungserfolg zu. Die Patientenschulung ermöglicht durch aktives Selbstmanagement (Empowerment) die bestmögliche Lebensqualität zu erzielen. Durch strukturierte Schulung sollen folgende Ziele erreicht werden: Q ausreichendes Wissen zur Durchführung der täglichen Therapie (z. B. mittelfristige Anpassung der Insulindosis bei sich änderndem Insulinbedarf), Q ausreichende Fertigkeiten zur Durchführung der erforderlichen Therapiemaûnahmen (z. B. Selbstkontrolle des Blutzuckers, Insulininjektion), Q ausreichende Krankheitsakzeptanz und Motivation, um die erforderlichen Maûnahmen täglich anzuwenden und die Fähigkeiten zur Krankheitsbehandlung einzusetzen. Nur die Integration aller 3 Komponenten ermöglicht es, die Eigenmotivation auf der Grundlage der individuellen Ressourcen zu entwickeln (5). Der Beachtung der kognitiven und emotionalen Bereiche kommt in diesem Zusammenhang eine tragende Bedeutung zu (1). Interdisziplinäre Schulungsteams mit hoher kommunikativer Kompetenz sind bei der Umsetzung dieser Ziele besonders erfolgreich (9). Stoffwechselselbstkontrolle In allen Schulungsmodellen kommt der Selbstkontrolle eine wichtige Bedeutung zu. Selbstmessung von Blutzucker gibt den Patienten die Information über die aktuelle Lage des Stoffwechsels und erlaubt notwendige Korrekturen (z. B. zur Vermeidung von Hypoglykämien) (38). Selbstkontrolle verbessert die Wahrnehmung der Hyperglykämie und gibt den Betroffenen ein Feedback Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG Diabetes mellitus Typ 1 Tabelle 2.3 Inhalte der strukturierten Patientenschulung bei Typ-1-Diabetes mit intensivierter Insulintherapie 23 meist tägliche Anpassung der Insulindosis durch den Patienten einen hohen Stellenwert. Entstehung des Diabetes und des erhöhten Blutzuckers Selbstkontrolle des Stoffwechsels Insulintherapie individuelle Therapieziele Die intensivierte Insulintherapie stellt heute die Therapie der Wahl bei Patienten mit Typ-1-Diabetes mellitus dar. Dabei sind folgende Elemente für die erfolgreiche Umsetzung entscheidend (5, 28): Q getrennte Substitution des basalen Insulins (meist zweimal Verzögerungsinsulin) und prandialen Insulins (Normalinsulin dreimal vor den Hauptmahlzeiten), Q systematische Stoffwechselselbstkontrolle mittels Blutzuckermessungen, Q eigenständige Insulindosisanpassung durch den Patienten, Q Liberalisierung der Diät- und Ernährungsvorschriften, Q Strukturierte Therapie- und Schulungsprogramme. gesunde Ernährung, Schätzen der Kohlenhydrate Insuline und Insulinwirkung Insulinbehandlung, Insulininjektion Hypoglykämie Insulindosisanpassung Diabetes und Sport Rauchen, Spätkomplikationen an Auge und Niere Vermeidung von Spätkomplikationen an Nerven/Füûen Familie, Reisen, Krankheit und soziale Fragen über die Wirkung der Therapiemaûnahmen. Bei der Insulintherapie bei Typ-1-Diabetes erlaubt die Messung des Blutzuckers eine Anpassung der Insulindosis an die aktuelle Stoffwechsellage und eine mittelfristige Anpassung an den sich ändernden Insulinbedarf. Im Rahmen der intensivierten Insulintherapie sollte der Patient 4 Blutzuckermessungen täglich durchführen (28). Die Messungen erfolgen vor den Hauptmahlzeiten (Frühstück, Mittagessen, Abendessen) und vor dem Schlafengehen. Bei gröûeren Intervallen zwischen den Mahlzeiten und bei Unsicherheiten sollte eine weitere Blutzuckermessung durchgeführt werden. Die Messergebnisse werden gemeinsam mit dem Zeitpunkt und der Menge der Kohlenhydratzufuhr sowie mit dem Zeitpunkt und der Dosis der Insulininjektionen in einem Diabetestagebuch aufgezeichnet. Diese Aufzeichnungen haben für die In zahlreichen kontrollierten Untersuchungen oder Kohortenstudien konnte die sichere und effektvolle Implementierung von solchen Therapie- und Schulungsprogrammen mit intensivierter Insulintherapie gezeigt werden (4, 5, 14, 20, 26, 28). Tabelle 2.4 zeigt eine Aufstellung der derzeit verfügbaren Insulinpräparationen. Aus den unterschiedlichen Wirkprofilen lässt sich die Auswahl für eine intensivierte Insulintherapie ableiten. Als Basalinsulin wird meist NPH-Insulin zweimal täglich, am Morgen und vor dem Schlafengehen, injiziert. Bei Patienten mit einer Restfunktion der Betazellen kann auch eine abendliche Gabe von NPH-Insulin ausreichen. Der Anteil des Basalinsulins beträgt üblicherweise 45 ± 55 % der Tagesinsulindosis (28). Idealerweise kann die Morgendosis des Basalinsulins den Blutzucker bis zum Nachmittag oder frühen Abend normal halten, wenn nichts gegessen und auch kein Normalinsulin injiziert wird. Das vor dem Schlafengehen injizierte Basalinsulin sollte den Nüchtern-Blutzuckerspiegel im gewünschten Bereich halten, ohne dass es nachts zu Art des Insulins Wirkbeginn Wirkgipfel Wirkdauer kurzwirksame Analoga: Lispro, Aspart 10 ± 15 min 1±2 h 4±5 h Normal 15 ± 30 min 2±4 h 5±8 h NPH 1±3 h 4±6 h 8 ± 16 h Lente 2±3 h 7 ± 10 h 12 ± 18 h Ultralente 3±4 h 8 ± 12 h 12 ± 24 h langwirksame Analoga: Glargin 1±4 h (8 ± 12 h) 24 h Mischinsulin (25/75, 30/70) 15 ± 30 min 4±6 h 8 ± 16 h Mischinsulin mit kurzwirksamen Analoga (25/75, 30/70) 10 ± 15 min 4±6 h 8 ± 16 h Tabelle 2.4 Pharmakokinetische Eigenschaften der verfügbaren Humaninsuline Wirkdauer hängt auch von der injizierten Dosis ab, NPH: Neutral Protamin Hagedorn, alle Mischinsuline sind auf NPH-Basis Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG 24 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome Hypoglykämien kommt. Der Dosisfindung der Basalinsulindosis am Abend muss besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, da schwere Unterzuckerungen in 50 % der Fälle nachts auftreten. Insuline vom Lente- und Ultralente-Typ werden zunehmend weniger wichtig in der Behandlung des Typ1-Diabetes, da vor allem starke Schwankungen in der Insulinresorption eine Dosisfindung erschweren. Ein neuer Ansatz stellen langwirksame Insulinanaloga dar. Durch eine Veränderung der molekularen Struktur durch Austausch von einzelnen Aminosäuren verschiebt sich der isoelektrische Punkt zum physiologischem pH. Dies bewirkt, dass Insulin Glargin in saurem pH löslich ist, nicht jedoch bei neutralem pH. Nach der Injektion in das subkutane Fettgewebe kommt es durch die Pufferkapazität der interstitiellen Flüssigkeit zu einer Verschiebung des pH zum physiologischen Bereich. Durch den pH-Shift kommt es zur Mikropräzipitation des injizierten Insulins. Die Mikrokristalle bewirken eine stark verzögerte Resorption aus dem subkutanen Fettgewebe (24). In klinischen Studien ist meist HbA1c unverändert (32, 33, 35), in einigen Untersuchungen können nächtliche Hypoglykämie reduziert werden (29, 33). In In-vitro-Untersuchungen hat Insulin Glargin eine erhöhte Affinität für den IGF1-Rezeptor (IGF: insulin-like growth factor) gegenüber anderen Insulinen gezeigt (23). Eine erhöhte Bindung an den IGF-1-Rezeptor wird mit möglichen mitogenen Eigenschaften von Insulinanaloga in Zusammenhang gebracht. Aufgrund der erhöhten Bindungsaffinität an den IGF-1-Rezeptor und weil vor allem Langzeitstudien bezüglich der Sicherheit derzeit fehlen, kann der Einsatz der langwirksamen Insulinanaloga nicht prinzipiell empfohlen werden. Für den Mahlzeitenbedarf wird schnellwirksames Insulin (Normalinsulin oder kurzwirksame Insulinanaloga) verwendet. Die Insulindosis wird vom Patienten auf Basis der geplanten Zufuhr an Kohlenhydraten errechnet. Meist kommen zwischen 1 und 2 I.E. Normalinsulin pro 10 g Kohlehydrate zur Anwendung. Allerdings kann individuell ein stark unterschiedlicher Insulinbedarf bestehen, der sich auch im Laufe der Zeit ändern kann (28). Durch die Anpassung der prandialen Insulintherapie an die Lebensgewohnheiten brauchen Patienten mit intensivierter Insulintherapie keine fixen Essenszeiten. Daher können auch Mahlzeiten ausgelassen werden (27), ohne dass es zu einer Verschlechterung der Stoffwechselkontrolle kommt. Intensivierte Insulintherapie erlaubt auch den Gebrauch von Haushaltszucker in den üblichen Mengen. Das Normalinsulin wird üblicherweise unmittelbar vor der Mahlzeit verabreicht. Die weit verbreitete Empfehlung, Normalinsulin bis zu 30 Minuten vor der Mahlzeit zu verabreichen, erhöht die Gefahr von Hypoglykämien, vor allem, wenn es zu Verschiebung des Essenszeitpunkt oder der Kohlenhydratmenge kommt. Nur bei deutlich erhöhten Blutzuckerwerten kann ein Zuwarten zur besseren Kontrolle des Blutzuckerverlaufes führen. Kurzwirksame Insulinanaloga (Insulin Lispro, Insulin Aspart) (Tab. 2.4) wurden eingeführt, um durch eine schnellere Absorption insgesamt eine bessere Stoffwechselkontrolle zu erreichen (10). In den kontrollierten Untersuchungen mit entsprechender Dauer konnte zwar eine Reduktion der postprandialen Blutzuckerwerte, aber keine oder nur eine vernachlässigbare Verbesserung des HbA1c mit kurzwirksamen Insulinanaloga bei intensivierter Insulintherapie erreicht werden (2, 3, 16, 18, 31). Einige, meist kleine und relativ kurze Untersuchungen haben eine Reduktion von Hypoglylämien festgestellt. In einer Metaanalyse mit den groûen klinischen Studien mit Insulin Lispro wurde eine Reduktion der Frequenz der schweren Hypoglykämien von 0,18 auf 0,14 Ereignisse pro Patient und Jahr berichtet (11). Allerdings können durch die Verwendung von kurzwirksamen Insulinanaloga nach dem Essen ohne Verschlechterung des Stoffwechsels (12, 36) die Flexibilität und die Lebensqualität der Betroffenen erhöht werden. Vor allem für die Behandlung von Kindern kann das eine Erleichterung sein. Insulinpumpentherapie Beim Einsatz der tragbaren Insulinpumpe (Continuous Subcutaneous Insulin Infusion, CSII) wird in einem OpenLoop-System kontinuierlich schnellwirksames Insulin (Normalinsulin oder kurzwirksame Insulinanaloga) in das subkutane Fettgewebe infundiert. Vorteilhaft ist, dass man die basale Insulinversorgung durch eine adaptierbare Basalrate optimieren kann. Jeweils vor den Mahlzeiten ruft der Patient variable Dosen (Bolus), entsprechend der geplanten Kohlenhydratzufuhr, ab. Darüber hinaus kann mit der Pumpe die Basalrate bei Sport und körperlicher Aktivität reduziert werden. Grundsätzlich kommt jeder Patient mit Typ-1-Diabetes für eine Insulinpumpentherapie infrage, vor allem, weil meist eine Verbesserung der Stoffwechselkontrolle oder der Lebensqualität möglich erscheint (6, 13). Besonders bei Patienten mit einer Störung der Hypoglykämiewahrnehmung kann durch die gleichmäûigere Insulinzufuhr eine Reduktion von Hypoglykämien erzielt werden (25). Durch den Einsatz von kurzwirksamen Insulinanaloga bei der Pumpentherapie ist bei optimierter Basalrate zusätzlich eine Verbesserung des HbA1c von ungefähr 0,3 % möglich (7, 8, 19, 25, 34, 39). Merke Die intensivierte Insulintherapie mit getrenntem Einsatz des basalen und des prandialen Insulins ist die Therapie der Wahl bei Typ-1-Diabetes. Diese Therapieform erlaubt einen flexiblen Lebensstil und bedarf keiner ¹Diabetesdiätª. Regelmäûige Stoffwechselkontrollen, Anpassung der Insulindosis durch den Patienten sowie strukturierte Therapie- und Schulungsprogramme sind Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung. Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG Diabetes mellitus Typ 1 Literatur 1. Anderson RM, Nowacek G, Richards F. Influencing the personal meaning of diabetes: research and practice. Diabetes Educator. 1988;14:297 ± 302. 2. Anderson JH, Brunelle RL, Koivisto VA, et al. and the Multicenter Insulin Lispro Study Group. Reduction of postprandial hyperglycemia and frequency of hypoglycemia in IDDM patients on insulin-analog treatment. Diabetes. 1997;46:265 ± 70. 3. Anderson JH, Brunelle Rl, Koivisto VA, et al. and the Multicenter Insulin Lispro Study Group. Improved mealtime treatment of diabetes mellitus using insulin analogue. Clin Ther. 1997;19: 62 ± 72. 4. Assal JP, Mühlhauser I, Pernet A, et al. Patient education as the basis for diabetes care in clinical practice and research. Diabetologia. 1985;29:602 ± 13. 5. Berger M, Mühlhauser I. Implementation of intensified insulin therapy ± a European perspective. 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Diabetes mellitus Typ 2 ¾tiologie, Pathogenese Diabetes mellitus Typ 2 ist eine komplexe metabolische Stoffwechselstörung, die zur Zeit mehr als 150 Millionen Menschen betrifft. Diabetes mellitus Typ 2 ist mit einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen und damit mit vorzeitigen Erkrankungen und Tod assoziiert. In der Entwicklung des Typ-2-Diabetes spielen genetische Faktoren ebenso eine Rolle wie Umwelteinflüsse (Tab.2.5) (6). ¾tiologie und Pathogenese des Diabetes mellitus Typ 2 sind nach wie vor nicht vollständig aufgeklärt. Die groûe Zahl der Patienten zeigt zwei metabolische Effekte: Q eine herabgesetzte Insulinsensitivität in den insulinempfindlichen Geweben (Muskelgewebe, Fettgewebe und Leber) (8), Q einen relativen Mangel an endogener Insulinsekretion (48). Untersuchungen mit monozygoten und dizygoten Zwillingen zeigen klare Beweise für die Vererbbarkeit des Typ-2-Diabetes (22). Auch kommt diese Erkrankung gehäuft in bestimmten ethnischen Gruppen und bei Nachkommen von Patienten mit Diabetes mellitus vor (53). Allerdings ist, abgesehen von seltenen Formen des Typ2-Diabetes (z. B. Maturity Onset Diabetes of the Young [MODY] und Diabetestaubheitsyndrome), die weniger Tabelle 2.5 Risikofaktoren für die Entwicklung des Typ-2Diabetes höheres Lebensalter erhöhter Body Mass Index (BMI) und zentrale Fettverteilung Gewichtszunahme im Erwachsenenalter ethnische Gruppen als 1 % aller Diabetesfälle ausmachen, der spezifische genetische Defekt noch nicht identifiziert (22). Lebensstil, mangelnde körperliche Bewegung und Zunahme des Körpergewichts spielen eine entscheidende Rolle in der Manifestation des Typ-2-Diabetes (38). Die höhere Lebenserwartung stellt einen weiteren Grund für die Zunahme der Diabetesprävalenz in der westlichen Welt dar (15). Etwa 23 der Diabetiker sind über 65 Jahre alt, bei über 80-Jährigen wird bei fast jedem Dritten die Diagnose Diabetes mellitus gestellt. Klinisches Bild Das klinische Bild des Diabetes mellitus Typ 2 ist heterogen und reicht von dem (weniger häufigeren) normalgewichtigen Patienten mit relativem Insulinmangel bis zum (häufigeren) übergewichtigen Patienten, der primär insulinresistent ist. Klassische Symptome der Hyperglykämie fehlen sehr oft bei Typ-2-Diabetes. In einer groûen Untersuchung war nur ¹erhöhter Durstª das einzig klassische Symptom, das häufiger bei Patienten mit Diabetes, verglichen mit der Normalbevölkerung, vorkommt (40). Andere oft zitierte Symptome wie Müdigkeit, Juckreiz, erhöhte Harnausscheidung, Gewichtsverlust oder Sehstörungen waren bei dieser Untersuchung bei Diabetikern nicht häufiger als bei Nichtdiabetikern. Allerdings zeigen die Patienten mit Diabetes sehr oft relevante kardiovaskuläre Symptome, die auf bereits bestehende makrovaskuläre Komplikationen hinweisen. Die Seltenheit der diabetischspezifischen Symptome führt oft zu einer Zufallsdiagnose ¹Diabetes mellitusª. Besonders den älteren Patienten fehlt sehr oft die klinische Symptomatik (15). Üblicherweise wird Diabetes mithilfe einer Blutzuckermessung festgestellt. Therapie Die Behandlung des Typ-2-Diabetes umfasst Gewichtsreduktion und Kalorienrestriktion, Patientenschulung und Selbstkontrolle, orale Antidiabetika und Insulin, abhängig von Alter, Diabetesdauer und Stadium der Erkrankung. Reduktion des Körpergewichts und strukturierte Patientenschulung stellen die Basis der Interventionen dar. Nach einem vorübergehenden Ansprechen auf diese Interventionen wird jedoch oft die Verordnung von oralen Antidiabetika oder Insulin notwendig, um eine ausreichende Stoffwechselkontrolle zu erzielen (Tab. 2.6). Familienanamnese mit Typ-2-Diabetes niedriges Geburtsgewicht Tabelle 2.6 Prinzipien in der Behandlung des Typ-2-Diabetes bewegungsarmer Lebensstil Patientenschulung und Selbstkontrolle höherer systolischer Blutdruck Reduktion des Körpergewichts und Kalorienrestriktion gestörte Glucosetoleranz orale Antidiabetika Gestationsdiabetes in der Anamnese Insulin Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG Diabetes mellitus Typ 2 Tabelle 2.7 Inhalte der strukturierten Patientenschulung bei Typ-2-Diabetes Diabetes und erhöhter Blutzucker Selbstkontrolle des Stoffwechsels Gewichtsreduktion, gesundes Essen, körperliche Bewegung Unterzuckerung Tabletten und Insulin Rauchen, Spätkomplikationen Vermeidung von Fuûproblemen Familie, Reisen, Krankheit und soziale Fragen Dabei ist zu beachten, dass nur für einen Teil der derzeit verfügbaren Interventionen ausreichendes Wissen aus klinischen Studien mit relevanten Endpunkten existiert. Patientenschulung und Selbstkontrolle Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und deren Familienangehörige führen zu 95 % die Diabetesbehandlung selbst durch (9, 11). Es liegt daher auf der Hand, dass der strukturierten Patientenschulung eine zentrale Rolle bei der Behandlung dieser chronischen Erkrankung zukommt. Strukturierte Patientenschulung umfasst Themen wie Selbstkontrolle, richtige Ernährung, ¾nderung des Lebensstils, und Vermeidung von Spätkomplikationen (Tab. 2.7). Strukturierte Schulungsprogramme sind an die unterschiedlichen Therapieformen angepasst. So existieren eigene Programme für Patienten mit Diätbehandlung und/ oder oralen Antidiabetika, und für Patienten mit Insulintherapie (13, 25, 36). Erfolgreiche Schulung umfasst wesentlich mehr als nur Wissensvermittlung und soll patientenzentriert nach den Grundsätzen des Empowerment ausgerichtet werden. Eine tragende Rolle in erfolgreichen Schulungsteams spielt der Diabetesberater. In zahlreichen Untersuchungen wurde die Effektivität von strukturierter Schulung belegt und stellt damit die Basis jeder Patientenbehandlung dar (13, 14, 25, 33, 36). Wie beim Typ-1-Diabetes spielt die Selbstkontrolle eine wichtige Rolle in der Diabetesbehandlung. Selbstmessung von Harnzucker oder Blutzucker gibt den Patienten die Information über die aktuelle Lage des Stoffwechsels und erlaubt notwendige Korrekturen (47). Selbstkontrolle verbessert die Wahrnehmung der Hyperglykämie und gibt den Betroffenen ein Feedback über den Effekt von Kalorienrestriktion und Lebensstiländerung. Bei der Behandlung mit Insulin erlaubt die Messung des Blutzuckers eine Anpassung der Insulindosis an die aktuelle Stoffwechsellage (5, 25). Art und Häufigkeit der Selbstkontrolle hängen von der Art der Diabetesbehandlung sowie den Rahmenbedingungen des Gesundheitssystem ab. Die Behandlung mit oralen Antidiabetika 27 oder Insulin erfordert aufgrund der potenziellen Gefahr von Hypoglykämien meist die Selbstmessung des Blutzuckers, bei anderen Therapieformen kann die einfachere und billigere Harnzuckermessung eingesetzt werden (25, 36). Die Schulung zur Vermeidung des diabetischen Fuûsyndroms hat einen besonderen Stellenwert in der strukturierten Patientenbehandlung (2, 3, 26, 30). Tägliche Kontrolle der Füûe, richtige Fuû- und Nagelpflege, die richtige Auswahl von Schuhen, Vermeidung von Verletzungen und Verbrennungen sowie viele andere Aspekte der Prophylaxe werden mit den Betroffenen diskutiert und praktisch geübt. Dabei müssen die eingeschränkte Sehfähigkeit, die mangelnde Beweglichkeit und die Auswirkung der sensomotorischen Neuropathie auf die Selbstwahrnehmung und den psychologischen Status berücksichtigt werden (2, 3, 26, 30, 36). Gewichtsreduktion und Kalorienrestriktion Der Zusammenhang zwischen Übergewicht und Typ2-Diabetes wurde in mehreren Untersuchungen gezeigt. 75 ± 80 % aller Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 sind übergewichtig, Übergewicht erhöht das Risiko, an Diabetes zu erkranken und erschwert dessen Behandlung. Es ist daher nahe liegend, dass zahlreiche Interventionen zur Reduktion des Körpergewichts eingesetzt werden (16, 23) (Tab. 2.8). Eine Kalorienrestriktion, die auf einer entsprechenden Diätberatung beruht, führt innerhalb von 7 ± 10 Tagen zu einer raschen Verbesserung der Stoffwechselkontrolle. In der United Kingdom Prospective Study (UKPDS) wurden die Patienten monatlich für insgesamt für 3 Monate intensiv beraten (44). Das Ausmaû des Übergewichtes wurde von 130 auf 123 % reduziert, und dieser Gewichtsverlust ging mit einer deutlichen Verbesserung des Nüchternblutzuckers und des HbA1c einher. Patienten, die auf Diätberatung nicht ansprachen, hatten einen höheren Nüchternblutzucker und häufiger ein normales Körpergewicht (44). In Untersuchungen, in denen Verhaltensänderung und ¾nderung des Lebensstils erzielt wurde, zeigten langfristige Gewichtsreduktion sowohl bei nichtdiabetischen Personen als auch bei Patienten mit Typ-2-Diabetes (31, 50, 51) und verbesserten die Stoffwechselkontrolle. Die Verhaltensänderung nutzt Instrumente wie Selbstaufzeichnungen (Kalorienzufuhr, Bewegung), Stimuluskontrolle, soziale Unterstützung, körperliche Bewegung und langfristige Betreuung in entsprechenden medizinischen Einrichtungen. Viele dieser Elemente werden auch in der strukturierten Patientenschulung genutzt (siehe Kap. ¹Patientenschulungª). Körperliche Bewegung nimmt eine Schlüsselrolle in Programmen zur Körpergewichtsreduktion ein. Körperliche Bewegung allein führt zu einer mäûigen Reduktion des Gewichts, in Kombination mit Veränderung des Lebensstils ist jedoch langfristig eine substanzielle Verbesserung des Körpergewichts möglich. Der Effekt von körperlicher Bewegung konnte vor allem bei gestörter Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG 28 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome Tabelle 2.8 Interventionen zur Reduktion des Körpergewichts Intervention Effekt auf Körpergewicht Effekt auf Blutzucker Kommentar Diätberatung ++ + besonders erfolgreich bei Neumanifestation (UKPDS) umfassende Verhaltens- und Lebensstilintervention +++ ++ umfasst Selbstkontrolle des Stoffwechsels, Stimuluskontrolle, Unterstützung durch Umgebung, körperliche Bewegung und engmaschige Betreuung körperliche Bewegung + + wirksam bei mildem Diabetes und zum Erhalten der Gewichtsreduktion chirurgische Methoden ++++ +++ nur bei hochgradigem Übergewicht Orlistat + + gastrointestinale Nebenwirkungen, Vitaminverarmung Sibutramin + - keine Verbesserung des Stoffwechsels, Erhöhung von Blutdruck und Herzfrequenz Glucosetoleranz (DPP) und bei mildem Diabetes mellitus gezeigt werden (52). Chirurgische Eingriffe (vertikales Magen-Banding) oder ein Magenbypass (Roux-en-Y) führen zu einer deutlichen Verbesserung des Körpergewichts (37, 41). Chirurgische Interventionen sind vor allem bei morbidem Übergewicht (BMI>40) oder bei Patienten mit BMI zwischen 35 und 40 sowie relevanten Begleiterkrankungen indiziert. In einer Nachuntersuchung nach 6 Jahren konnte gezeigt werden, das chirurgische Interventionen bei hochgradigem Übergewicht die Mortalität senken kann (27). Die beiden neuen Medikamente zur Gewichtsreduktion Orlistat und Sibutramin wurden in Studien mit 12 Monaten Dauer bei Patienten mit Typ-2-Diabetes untersucht. Orlistat ist ein Lipaseinhibitor, der die intestinale Resorption von Nahrungsfett reduziert. Gemeinsam mit einer Veränderung des Lebensstil führt Orlistat zu einer deutlicheren Gewichtsreduktion verglichen zu Plazebo (±6,2 kg versus ±4,3 kg). Gleichzeitig kommt es zu einer Verbesserung der Stoffwechselkontrolle (17). In Studien bei Nichtdiabetikern kommt es nach Absetzen von Orlistat zu einem Wiederanstieg des Körpergewichts. Darüber hinaus müssen die gastrointestinalen Nebenwirkungen und eine möglich Verarmung von fettlöslichen Vitaminen (Vitamin A und E) in Betracht gezogen werden. Fehlende Studien mit klinischen Endpunkten (Mortalität und Morbidität) erlauben zur Zeit keine Empfehlung von Orlistat in der Behandlung des übergewichtigen Typ-2-Diabetes. Sibutramin ist ein Serotonin- und Adrenalin-Wiederaufnahmehemmer, der ein früheres Sättigungsgefühl auslöst. In Verbindung mit einer Kalorienrestriktion führt Sibutramin zu einem gröûeren Gewichtsverlust als mit Plazebo, allerdings kommt es dabei zu keiner Verbesserung des Stoffwechsels (39). Als Nebenwirkungen konnten eine Erhöhung der Herzfrequenz und ein Anstieg des Blutdrucks festgestellt werden. Wie bei Orlistat gibt es keine Untersuchung mit relevanten Endpunkten, daher kann Sibutramin zur Zeit nicht in der Behandlung des Typ-2-Diabetes empfohlen werden. Orale Antidiabetika Wenn Lebensstiländerung und Gewichtsreduktion nicht ausreichen, um das Therapieziel bei Patienten mit Typ2-Diabetes zu erreichen, werden orale Antidiabetika oder Insulin zur Behandlung eingesetzt. Zur Zeit stehen 5 verschiedene Gruppen von oralen Antidiabetika zur Verfügung, die sich in Wirkmechanismus, Nebenwirkungsprofil und der Blutzucker senkenden Wirkung unterscheiden (Tab. 2.9). Obwohl es zahlreiche klinische Studien für den Effekt auf die Stoffwechselkontrolle von oralen Antidiabetika gibt, fehlen meist Untersuchungen, die klinisch relevante Endpunkte wie Mortalität oder das Auftreten von Spätkomplikationen umfassen. In der UKPD-Studie wurde zumindest ein Teil der fehlenden Evidenz untersucht (45, 46). Sulfonylharnstoffe. Sulfonylharnstoffe sind seit 1950 für Behandlung des Typ-2-Diabetes in klinischer Verwendung (Tab. 2.10). Der Haupteffekt der Blutzucker senkenden Wirkung wird über die Stimulierung der endogenen Insulinsekretion erreicht. Nach Interaktion mit dem spezifischen Sulfonylharnstoff-Rezeptor an der Betazelle wird unabhängig vom aktuellen Blutzucker Insulin aus- Tabelle 2.9 2-Diabetes Orale Antidiabetika in der Behandlung des Typ- Intervention Substanzgruppe Endpunktstudien verfügbar Erhöhung der Insulinsekretion Sulfonylharnstoffe ja Metiglinidanaloga nein Beeinflussung der Insulinwirkung Metformin (Biguanide) ja Thiazolidinedione nein Verzögerung der Kohlenhydratresorption Alphaglucosidasehemmer nein Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG Diabetes mellitus Typ 2 generischer Name zugelassene Wirkdauer Tagesdosis** (mg) Kosten*** Kommentare Tolbutamid 500 ± 3 000 6Ð12 h mittel renale Elimination Chlorpropamid 100 ± 500 > 48 h mittel Gliclazid 20 ± 160 6Ð12 h mittel renale Elimination Gliquidon 15 ± 120 6Ð12 h mittel intestinale Elimination Glipizid 2,5 ± 40 12 ± 18 h mittel renale, intestinale Elimination Glibenclamid 1,25 ± 20 12 ± 24 h mittel renale Elimination Glimepirid 1±8 24 h mittel renale, intestinale Elimination Repaglinid 1 ± 16 2±6 h hoch intestinale Elimination Nateglinid 120 ± 480 2±4 h hoch renale Elimination 29 Tabelle 2.10 Eigenschaften der verfügbaren Insulinsekretagoga* Sulfonylharnstoffe Metiglinidanaloga * Nicht alle Substanzen sind in allen Ländern verfügbar. ** Zugelassene Tagesdosis kann in verschiedenen Ländern unterschiedlich sein. *** Kosten können unterschiedlich sein. geschüttet (10). Unterzuckerungen, vor allem bei älteren Menschen, sind daher die häufigste Nebenwirkung (21). In den meisten klinischen Studien wurde der Effekt von Sulfonylharnstoff gegen Plazebo verglichen. Die Verbesserung des HbA1c liegt bei diesen Untersuchungen meist bei 1 ± 2 %. Prädiktoren für ein schlechtes Ansprechen auf Sulfonylharnstoff sind normales Körpergewicht, niedrige Plasmainsulinspiegel und das Auftreten von Anti-GAD-Autoantikörpern (anti-glutamic acid decarboxylase) (43). Diese Prädiktoren können eine späte Manifestation eines Typ-1-Diabetes oder eine spezielle Form des Typ-2-Diabetes mit vorwiegender Störung der Insulinsekretion und/oder Autoimmunität gegen die Betazelle anzeigen. Die ¾tiologie des so genannten ¹Sulfonylharnstoff-Sekundärversagensª ist nicht bekannt. Dabei handelt es sich um den progressiven Verlust der Betazellfunktion, womöglich als Teil des natürlichen Verlaufs des Typ2-Diabetes. Durch ein fehlendes Ansprechen der Betazelle auf Sulfonylharnstoffe kommt es zu einer zunehmender Hyperglykämie, die eine Umstellung auf Insulin erfordert. Klinisch relevante Wechselwirkungen von Sulfonylharnstoff mit anderen Medikamenten sind in Tab. 2.11 dargestellt. Herzmuskelzellen exprimieren denselben Sulfonylharnstoffrezeptor wie die Betazelle (4). Die Bindung von Sulfonylharnstoff an der Herzmuskelzelle kann daher potenzielle kardiotoxische Wirkung haben. In einer Untersuchung in 1970 (University Group Diabetes Program) zeigte Tolbutamid eine Erhöhung der kardiovaskulären Mortalität (24). Trotz dieser unklaren Ergeb- nisse wurde bis heute keine Untersuchung bei Patienten mit Diabetes und koronarer Herzkrankheit durchgeführt. Bei koronarer Herzkrankheit ist daher die Verwendung von Sulfonylharnstoff nach derzeitigem Wissensstand nicht empfohlen. Metiglinidanaloga. Repaglinid und Nataglinid erhöhen die Insulinsekretion der Betazelle ohne an den Sulfonylharnstoff-Rezeptor zu binden. Die bisher durchgeführten Studien zeigen, dass die Blutzucker senkende Wirkung der Metiglinidanaloga vergleichbar oder schwächer als die von Sulfonylharnstoff ist (12, 32, 42). Aufgrund der kurzen Wirkdauer müssen Metiglinidanaloga mit jeder Mahlzeit eingenommen werden. Derzeit existieren keine Untersuchungen mit relevanten Endpunkten. Metformin. Metformin verbessert die Insulinwirkung am Muskel und reduziert die hepatische Glucoseproduktion. Es wird daher als Medikament zur Verbesserung der Insulinsensitivität klassifiziert (7). Im Gegensatz zu Sulfonylharnstoffen führt Metformin nicht zur Erhöhung der Insulinsekretion und ist daher nicht mit Hypoglykämien oder Zunahme des Körpergewichts assoziiert. Das Ausmaû der Blutzuckersenkung von Metformin ist ähnlich wie bei den Sulfonylharnstoffen. In der UKPD-Studie erhielt eine Gruppe mit Übergewicht Metformin als primäre Therapie. Die Gruppe mit Metformin zeigte eine geringere Gewichtszunahme und eine Reduktion von diabetesbezogenen Endpunkten (NNT 7), diabetesbezogenem Tod (NNT 19), Gesamtmortalität (NNT 14) und Herzinfarkt (NNT 14) im Vergleich zu den anderen Be- Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG 30 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome Tabelle 2.11 Ausgewählte, klinisch wichtige Wechselwirkungen mit Sulfonylharnstoffen Wechselwirkungen mit mögliches Ergebnis Management Alkohol Risiko für Hypoglykämie, disulfiramähnliche Intoleranz Patientenschulung, Vermeidung gröûerer Mengen Alkohol Anabolika (Steroide) Risiko für Hypoglykämie wenn möglich vermeiden Antazida H2-Rezeptor-Antagonisten Omeprazol erhöhte Absorption mit möglichem Risiko für Hypoglykämie wenn möglich vermeiden, Patientenschulung, auf Hypoglykämien achten Barbiturate Phenytoin Rifampicin Enzyminduktion in der Leber, herabgesetzte Wirkung wenn möglich vermeiden Chloramphenicol Sulfonamide erhöhtes Risiko für Hypoglykämie wenn möglich vermeiden, andere Antibiotika Clofibrat Risiko für Hypoglykämie SH-Dosis reduzieren Dicoumarol Risiko für Hypoglykämie wenn möglich vermeiden Flucenazol Ketacenazol erhöhtes Risiko für Hypoglykämie SH-Dosis reduzieren, auf Hypoglykämien achten Fluxetine nichtselektive MAO-Hemmer verlängerte oder schwere Hypoglykämien SH-Dosis reduzieren, auf Hypoglykämien achten Oxyphenbutazon Phenylbutazon verlängerte oder schwere Hypoglykämie Kombination mit SH vermeiden, andere NSAR SH: Sulfonylharnstoff, MAO: Monoaminoxidase, NSAR: nichtsteroidale Antiphlogistika handlungsformen (46). Diese Reduktion von klinisch relevanten Endpunkten war unabhängig vom Ausmaû der Verbesserung des Stoffwechsels. Diese Ergebnisse unterstützen den Einsatz von Metformin bei übergewichtigen Typ-2-Diabetikern. Milde Nebenwirkungen von Metformin sind abdominelle Beschwerden, Übelkeit und Durchfall. Absorption von Vitamin B12 und Folsäure kann bei langer Behandlung mit Metformin gestört sein. Die gefährlichste Nebenwirkung von Metformin ist die Laktatazidose, vor allem bei älteren Patienten. Die in Tab. 2.12 angeführten Kontraindikationen müssen daher beachtet werden. Diese Kontraindikationen limitieren den Einsatz von Metformin bei Typ-2-Diabetes. Thiazolidinedione. Thiazolidinedione gehören zu einer neuen Substanzgruppe, die direkt an einen Zellkernrezeptor binden (PPARg) und so die Insulinresistenz verbessern (1, 20). Klinisch zeigt sich dieser Effekt in einer Reduktion der Hyperglykämie und einer Abnahme der Hyperinsulinämie. In randomisierten, kontrollierten Untersuchungen war die Blutzucker senkende Wirkung meist schwächer als unter einer Behandlung mit Sulfonylharnstoffen oder Metformin (28, 35). Troglitazon, die erste Substanz dieser Klasse, musste wegen hepatotoxischer Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen werden (49). Diese hepatotoxischen Nebenwirkungen wurden für die beiden Thiazolidinedione Rosiglitazon und Pioglitazon nicht beobachtet. Bei der Kombination mit Insulin können Thiazolidinedione zur Natriumretention mit Ödemneigung und Verschlechterung einer bestehenden Herzinsuffizienz führen. Darüber hinaus fehlen derzeit Untersuchungen, die eine Prognoseverbesserung durch den Einsatz von Thiazolidinedionen zeigen. Alphaglucosidaseinhibitoren. Acarbose und Miglitol führen durch eine kompetitive Hemmung der intestinalen Glucosidase zu einer verzögerten Kohlenhydratabsorp- Tabelle 2.12 Kontraindikationen für Metformin eingeschränkte Nierenfunktion (Creatinin > 1,2 mg/dl) eingeschränkte Leberfunktion Herzinsuffizienz klinisch relevante Arteriosklerose (koronare Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlusskrankheit) chronische Lungenerkrankungen Akuterkrankungen (z. B. Herzinfarkt, Trauma, chirurgische Eingriffe, Sepsis, andere Zustände, bei denen eine herabgesetzte Gewebedurchblutung oder Hypoxie entstehen kann) Reduktionsdiät (< 1000 kcal/d) chronischer Alkoholabusus radiologische Kontrastmittel Laktatazidose in der Anamnese Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG Diabetes mellitus Typ 2 tion und damit zu einer Verringerung der postprandialen Hyperglykämie. Die verzögerte Kohlenhydratabsorption führt zu den sehr häufigen Nebenwirkungen Völlegefühl, Blähung und Durchfall. In groûen Untersuchungen betrug die Drop-out-Rate bis zu 60 % (18), darüber hinaus ist Acarbose bei eingeschränkter Leberfunktion nicht einsetzbar. Acarbose in der Monotherapie reduziert die postprandialen Blutzuckerwerte und kann verglichen mit Plazebo das HbA1c meist nur um 0,2 ± 0,4 % reduzieren (18). Langzeitstudien sind vor allem durch die hohe Nebenwirkungsrate nur eingeschränkt beurteilbar, darüber hinaus fehlen Untersuchungen mit relevanten klinischen Endpunkten. Kombinationstherapie. Zahlreiche Kombinationen von oralen Antidiabetika wurden vorgeschlagen und in kurzen Studien untersucht. In den meisten Fällen hat die Kombinationstherapie einen additiven Effekt auf die Blutzuckersenkung. Allerdings führte in einer Subgruppe der UKPD-Studie die Kombination von Sulfonylharnstoff und Metformin zu einer Verdoppelung der Mortalität (45, 46). Auch aus der USA wurden ähnliche Beobachtungen berichtet (19). Bevor eine Kombinationstherapie empfohlen werden kann, müssen zunächst klinisch relevante Endpunktstudien durchgeführt werden, Insulin Insulin stellt eine wichtige Säule in der Behandlung des Typ-2-Diabetes dar. Die Hauptwirkung von Insulin besteht im anabolen Effekt für den Glukose-, Fett- und Eiweiûstoffwechsel. Darüber hinaus hat Insulin zahlreiche Effekte auf die Wachstumsregulation und andere Stoffwechselvorgänge. Humaninsulin und Insulinanaloga werden zur Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes eingesetzt. Die unterschiedlichen Wirkprofile (Tab. 2.4) erlauben es, die natürliche Insulinsekretion zu imitieren. Bolusinsulin wird eingesetzt, um den prandialen Insulinbedarf abzudecken und um rasch erhöhte Blutzuckerwerte zu korrigieren. Der basale Insulinbedarf wird durch NPH-Insulin, Zinkinsulin oder durch langwirksame Insulinanaloga abgedeckt. Indikationen, Nebenwirkungen. Insulin ist bei allen Patienten mit Typ-2-Diabetes indiziert, die keine ausreichende Stoffwechselkontrolle unter Lebensstiländerung, Körpergewichtsreduktion oder oralen Antidiabetika zeigen. In der UKPD-Studie konnte durch eine intensivierte Therapie mit Insulin (oder mit Sulfonylharnstoff) eine relative Risikoreduktion aller diabetesbedingten Komplikationen von 12 % erreicht werden. Dieser Effekt wird vor allem durch eine Reduktion der mikrovaskulären Komplikationen von 25 % erzielt (45). In einer japanischen Untersuchung konnte das HbA1c durch eine intensivierte Insulintherapie deutlich gesenkt (7,1 versus 9,4 %) und damit ebenfalls die mikrovaskulären Komplikationen reduziert werden (34). 31 In der DIGAMI-Studie (Diabetes Insulin-Glucose in Acute Myocardial Infarction Trial) konnte die Mortalität bei Typ-2- Diabetikern mit Herzinfarkt durch eine Insulintherapie deutlich reduziert werden (29). Eine InsulinGlucose-Infusion für zumindest 24 Stunden mit einer Insulintherapie nach der Entlassung konnte die Akutmortalität um 58 % und die 1-Jahres-Mortalität um 52 % senken. Auch nach mehr als 3 Jahren war die Mortalität in der mit Insulin behandelten Gruppe um fast 13 niedriger (29). Der Einsatz von Insulin scheint bei und nach Herzinfarkt eine extrem wichtige Rolle einzunehmen. Die unerwünschten Nebenwirkungen der Insulintherapie umfassen Gewichtszunahme, mögliche allergische Reaktionen und Auftreten von Hypoglykämien. Allerdings ist die Häufigkeit von Hypoglykämien bei Typ2-Diabetes wesentlich seltener als bei Typ-1-Diabetes. Weiterhin wurde der Verdacht geäuûert, dass eine Hyperinsulinämie das Auftreten von makrovaskulären Komplikationen fördert oder beschleunigt. Alle derzeitigen Untersuchungen zeigen, dass es kein erhöhtes Risiko für makrovaskuläre Komplikationen unter einer Insulintherapie gibt. Im Gegenteil zeigten die Ergebnisse der DIGAMI-Studie einen deutlichen Vorteil für Typ-2-Diabetiker mit Myokardinfarkt. Praxis der Insulinbehandlung. Derzeit existieren zahlreiche unterschiedliche Empfehlungen zur Insulinbehandlung bei Typ-2-Diabetes. Obwohl die Insulintherapie eine wichtige Säule der Diabetesbehandlung darstellt, sind bisher keine Untersuchungen mit relevanten Endpunkten durchgeführt worden, die eine bestimmte Form der Insulinbehandlung favorisieren würde. Auch für die oft eingesetzte Kombination von Insulin und oralen Antidiabetika findet sich keine relevante Literatur. Kurzzeitstudien haben gezeigt, dass die Kombination von Insulin mit Metformin das Risiko der Gewichtszunahme reduziert. Prinzipiell ist für jüngere Patienten eher eine flexible Therapie angezeigt, bei schwierigen Versorgungssituationen muss auf eine einfache Therapie zurückgegriffen werden. Tab. 2.13 stellt die häufigsten Therapieformen mit Vor- und Nachteilen gegenüber. Der Einsatz von Insulinanaloga bei Typ-2-Diabetes hat keine nennenswerte Verbesserung der Stoffwechseleinstellung gebracht. Weitere Therapien Durch das hohe Risiko vaskulärer Komplikationen kommt der Behandlung anderer modifizierbarer Risikofaktoren ein hoher Stellenwert zu. Vor allem die Behandlung der Hypertonie ist entscheidend. Tab. 2.14 zeigt die wichtigsten gesicherten Interventionen bei Typ-2-Diabetes. Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG 32 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome Tabelle 2.13 Mögliche Behandlungsstrategien mit Insulin bei Diabetes mellitus Typ 2 Therapie vorgeschlagene Injektionszeit Startdosis (I.E.) Anmerkungen Basalinsulin (NPH oder langwirksame Analoga) einmal täglich (Morgens) Bedtime 12 ± 24 Risiko für nächtliche Hypoglykämien bei höherer Dosis, einfach, Kombination mit oralen Antidiabetika (Metformin) Mischinsulin (30/70 oder 25/75) zweimal täglich Frühstück Abendessen 12 ± 20 8 ± 16 weit verbreitete Standardtherapie, Risiko für Hypoglykämien, einfach zu implementieren Mischinsulin (50/50) vor den Mahlzeiten Frühstück Mittagessen Abendessen 8 ± 16 8 ± 12 8 ± 12 erhöhte Flexibilität, früher Beginn einer Insulinbehandlung, eventuell Mischinsulin 30/70 zum Abendessen für nächtliche Abdeckung notwendig prandiales Insulin (Normalinsulin oder kurzwirksame Analoga) vor den Mahlzeiten Frühstück Mittagessen Abendessen 8 ± 16 8 ± 12 8 ± 12 erhöhte Flexibilität, geringes Risiko für Hypoglykämien und Gewichtszunahme, früher Beginn einer Insulinbehandlung, eventuell Basalinsulin für die Nacht notwendig intensivierte Insulintherapie (Normalinsulin oder kurzwirksame Analoga vor den Mahlzeiten, Basalinsulin abends oder zweimal täglich) Frühstück Mittagessen Abendessen (Morgens) Bedtime individuell individuell individuell 8 ± 16 hohe Flexibilität, Anpassung der Insulindosis nach Kohlenhydratzufuhr, geringes Risiko für Hypoglykämien und Gewichtszunahme, vor allem für jüngere Patienten mit flexiblem Lebensstil, Standardtherapie bei Diabetes mellitus Typ 1 Derzeit existieren keine Endpunktstudien, die die Überlegenheit einer der hier angeführten Therapiestrategien belegt. Startdosen sind Vorschläge und hängen von Körpergewicht, Diät, Insulinsensitivität und anderen Faktoren ab. Insulin sollte vor den Mahlzeiten injiziert werden (Ausnahme Bedtime). Es besteht keine Notwendigkeit für einen Spritz-Ess-Abstand. Alle Therapievorschläge müssen an die Wünsche der Patienten und an die metabolische Kontrolle angepasst werden. Tabelle 2.14 Therapiestrategien zur Risikoreduktion bei Diabetes mellitus Typ 2 Therapie vorgeschlagene First-lineMedikamente NNT (Mortalität, normiert auf 5 Jahre) Anmerkungen antihypertensive Behandlung (Zielwert unter 140/90 mmHg) Diuretika, Betablocker, ACE-Hemmer 15 ± 21 in der Primär- und Sekundärprävention gesichert, oft Kombinationen notwendig, bei Calciumantagonisten (Nifedipintyp) evtl. Erhöhung der Mortalität Senkung des Cholesterins Statine 7 ± 52 in der Sekundärprävention und in der Primärprävention bei Hochrisikopatienten gesichert Raucherentwöhnung multifaktorielle Intervention, Nikotinersatz ? keine randomisierte, kontrollierte Untersuchungen, aber hohe epidemiologische Evidenz Hemmung der Plättchenaggregation Acetylsalicylsäure 16 ± 39 Primär- und Sekundärprävention des Herzinfarkts, Sekundärprävention des Hirninfarkts, Nutzen für Diabetiker weniger gut abgesichert Literatur 1. Barroso I, Gurnell M, Crowley V, et al. Dominant negative mutations in human PPAR gamma assiciated with severe insulin resistance, diabetes mellitus and hypertension. Nature. 1999;402:880 ± 3. 2. Barth R, Campbell LV, Allen S, et al. Intensive education improves knowledge, compliance, and foot problems in type 2 diabetes. Diabet Med. 1991;8:111 ± 7. 3. Bloomgarden ZT, Karmally W, Metzger MJ, et al. 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Meist sind Typ1-Diabetiker betroffen, aber auch Typ-2-Patienten können eine diabetische Ketoazidose entwickeln (8, 18). Durch Insulinmangel ausgelöst, führen die erhöhte endogene Glukoseproduktion und die herabgesetzte Glukoseaufnahme in der Peripherie zu einer Hyperglykämie. Durch osmotische Diurese kommt es zu massiven Wasser- und Elektrolytverlusten. Die unkontrollierte Lipolyse führt zur Freisetzung freier Fettsäuren, die als Substrat der Betaoxidation zu Ketonkörpern führen. Die Akkumulation der Ketonkörper bedingt eine metabolische Azidose mit Anionenlücke (11). Typische Ursachen, die zur diabetischen Ketoazidose führen, sind in Tab. 2.15 dargestellt. Tab. 2.16 führt die wichtigen Symptome und klinischen Zeichen an. In schweren Fällen mit ausgeprägter Hyperosmolarität kommt es zu Bewusstseinseinschränkung, Stupor und Koma (6). Die Diagnose der diabetischen Ketoazidose wird klinisch und laborchemisch gestellt. Eine Hyperglykämie (> 250 mg/dl, > 14 mmol/l) ist in den meisten Fällen vor- Tabelle 2.15 Ursachen einer diabetischen Ketoazidose oder hyperosmolaren Entgleisung (Häufigkeit in Klammern) handen. Es bestehen eine Azidose (ph < 7,3) mit Anionenlücke (> 16 mmol/l), ein niedriges Bikarbonat (< 15 meq/l) und erhöhte Ketonkörper in Harn und Blut. Differenzialdiagnostisch sind die Alkoholazidose, prolongiertes Hungern, Formen der Laktatazidose, die Azidose bei chronischer Niereninsuffizienz, eine hyperchlorämische Azidose und Vergiftungen mit Salicylaten, Methanol, Ethylenglykol etc. abzugrenzen (6, 16). Ziel der Behandlung der diabetischen Ketoazidose ist die Normalisierung der metabolischen und zirkulatorischen Parameter sowie der Ausgleich des Wasser- und Elektrolythaushaltes. Dabei hat sich die langsame Normalisierung wegen des Risikos eines Hirnödems durchgesetzt (12, 17). Intensivmedizinische Eingriffe (zentralvenöser Katheter, Magensonde, Harnkatheter) sollten nur bei komatösen Patienten durchgeführt werden. Tab. 2.17 stellt die wichtigsten therapeutischen Maûnahmen dar. Weitere allgemeine Maûnahmen wie Thromboseprophylaxe, bei starkem Erbrechen Metoclopramid und Stressulkusprophylaxe können notwendig werden. Strukturierte Schulungen sind die wichtigste Maûnahme zur Vermeidung der diabetischen Ketoazidose (8). Tabelle 2.16 azidose Symptome und klinische Zeichen einer Keto- Neumanifestation eines Diabetes mellitus (5Ð39 %) stark erhöhter Durst, Polyurie, Polydipsie, Gewichtsverlust akute Erkrankungen, z. B. akuter Myokardinfarkt, gastrointestinale Blutungen, Traumen, Pankreatitis (10Ð20 %) Übelkeit, Erbrechen Infektionen (20 ± 33 %) Absetzen der Insulintherapie (bis 33 %) Alkohol- und Drogenkonsum (bis 5 %) Versagen einer Insulinpumpe (bis 10 %) Müdigkeit, Antriebslosigkeit abdominelle Beschwerden Dehydratation Hypotonie, Tachykardie Kussmaulatmung, Azetongeruch der Atemluft mentale Beeinträchtigungen, Koma Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG Krankheitsbilder und Symptome durch diabetische Stoffwechselstörungen Tabelle 2.17 35 Therapie der diabetischen Ketoazidose (nach [17]) Maûnahme Dosierung/Frequenz Anmerkungen Monitoring (Blutzucker, Kalium, Blutgase) 2-stündlich in der Anfangsphase eventuell häufiger, später weniger häufig Insulin intravenös 0,5 ± 4 I.E/h Gabe eines Bolus fraglich, maximale Blutzuckersenkung 40 ± 80 mg/dl, bei Hypoglykämie oder zu rascher Absenkung Glukose 5 % (50 ± 100 ml/h) Flüssigkeit intravenös 1000 ml/h in den ersten 4 h, 500 ml/h ¹Slow-Motion-Reaquilibrierungª verhindert das gefürchin den nächsten 4 h, dann nach Exsik- tete Hirnödem, physiologische Elektrolytzusammensetzung der Infusionslösung kosegrad Kalium < 4,5 mmol/l 20 mmol KCl pro Liter Infusionslösung Insulin erhöht den Kaliumtransport in die Zelle, 2-stündliche Kontrollen des Kaliums Natriumbicarbonat nur bei ph < 6,9! 20 ± 80 mmol Natriumbicarbonat Gabe nur bei schwerster metabolischer Azidose, Gefahr der paradoxen zentralen Azidose Hyperosmolare, nichtketotische Entgleisung Das hyperosmolare Koma ist eine typische Komplikation der älteren Patienten mit Typ-2-Diabetes und hat eine schlechte Prognose. Flüssigkeitsverluste, z. B. im Rahmen von Erkrankungen, durch herabgesetztes Empfinden für Durst oder fehlenden Zugang zu Wasser (z. B. Bettlägerigkeit) führen zu einem hyperosmolaren Zustand. Durch die Hyperglykämie kommt es zu einer osmotischen Diurese, die wiederum den Flüssigkeitsverlust verstärkt und eine Zunahme der Hyperosmolarität bewirkt (16). Der Flüssigkeitsverlust kann bis zu 25 % des Gesamtkörperwassers betragen. Der klinische Verlauf wird durch eine eingeschränkte Nierenfunktion oder durch die Zufuhr von zuckerhaltigen Getränken beschleunigt. Die geringe, aber noch vorhandene endogene Insulinsekretion verhindert die Entwicklung einer Ketose oder Ketoazidose. Die häufigsten Ursachen für ein hyperosmolare Entgleisung sind in Tab. 2.15 angeführt. Die hyperosmolare, nichtketotische Entgleisung entwickelt sich meist über mehrere Tage oder Wochen. Die Symptome und klinischen Zeichen sind in Tab. 2.18 angegeben, Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaû der Hyperglykämie/Hyperosmolarität und dem Schweregrad der neurologischen Beeinträchtigung. Die hyperosmolare, nichtketotische Entgleisung ist durch eine Hyperglykämie (> 600 mg/dl, > 33 mmol/l) und durch eine Erhöhung der Serumosmolalität (> 320 mOsm/l) bei gleichzeitigem Fehlen einer schwereren Ketoazidose charakterisiert. Differenzialdiagnostisch müssen andere neurologische Erkrankungen, Vergiftungen und Nebenwirkungen von Medikamenten in Betracht gezogen werden (16). Eine intensivmedizinische Überwachung ist bei hyperosmolarem Koma aufgrund der möglichen Komplikationen wie Nierenversagen, hypovolämischer Schock oder respiratorische Insuffizienz indiziert. Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Suche von Auslösern der Entglei- sung wie Infektionen, andere akute Erkrankungen (Myokardinfarkt, Insult) etc. gelegt werden. Der Ausgleich des Wasser- und Elektrolythaushalts muss vor allem bei älteren Patienten oder bei bestehenden Herzerkrankungen langsam vorgenommen werden, um Dysäquilibrierungssyndrome zu vermeiden. Tab. 2.19 gibt einen Überblick über die wichtigsten Maûnahmen. Trotz der intensivmedizinischen Möglichkeiten ist die Mortalität bei hyperosmolarem, nichtketotischem Koma hoch. Hypoglykämie Eine Hypoglykämie ist die häufigste Akutkomplikation bei Diabetes und dessen Behandlung mit Insulin sowie Blutzucker senkenden Tabletten. Von den Patienten werden Hypoglykämien meist unangenehm erlebt: Sie verursachen körperliche Beschwerden, zwingen zur Unterbrechung der üblichen Tätigkeit und können zum Verlust der körperlichen sowie geistigen Integrität führen. Verletzungen und Stürze während Hypoglykämien sind häufig, bis zu 4 % der Patienten mit Typ-1-Diabetes Tabelle 2.18 Symptome und klinische Zeichen der hyperosmolaren, nichtketotischen Entgleisung Schwäche, Müdigkeit, Antriebslosigkeit stark erhöhter Durst, Polyurie, Polydipsie, Gewichtsverlust Übelkeit, Erbrechen abdominelle Beschwerden Dehydratation Hypotonie, Tachykardie, hypovolämischer Schock Verwirrtheit, Verlangsamung, neurologische Defizite Krampfanfälle, Stupor, Koma Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG 36 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome Maûnahme Dosierung/Frequenz Anmerkungen intensivmedizinisches Monitoring kontinuierlich Sauerstoffsättigung, Labor alle 2 ± 4 h, Ausschluss von anderen Erkrankungen Flüssigkeit intravenös 500 ml/h in den ersten 2h 250 ± 500 ml/h danach ¹Slow-Motion-Reäqulibrierungª verhindert das gefürchtete Hirnödem, physiologische Osmolalität gegenüber der existierenden bereits ¹hypotonª; semitone Lösungen nach 12 ± 24 h zur Vermeidung von iatrogener Hyponatriämie Insulin intravenös 0,5 ± 10 I.E/h Gabe eines Bolus fraglich, maximale Blutzuckersenkung 40 ± 80 mg/dl, bei Hypoglykämie oder zu rascher Absenkung Glucose 5 % (50 ± 100 ml/h) Kalium < 5,0 mmol/l 20 ± 40 mmol KCl pro Liter Infusionslösung meist hohes Defizit an Kalium, 2-stündliche Kontrollen des Kaliums versterben an einer Hypoglykämie. Angst vor Hypoglykämien stellt ein wesentliches Hindernis zum Erreichen einer guten Stoffwechseleinstellung dar. Dem Vermeiden von Hypoglykämien kommt daher bei der Diabetesbehandlung eine besondere Bedeutung zu. Der Schweregrad von Hypoglykämien reicht von wenigen Symptomen bis zur Bewusstlosigkeit und Krämpfen. Üblicherweise spricht man bei einem Blutzucker unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l) von Hypoglykämie, allerdings ist in der Literatur keine eindeutige Grenze festgelegt. Folgende Formen der Hypoglykämie werden unterschieden: Q leichte, gut behandelbare Hypoglykämie, bei welcher der Patient sich selbst helfen kann; Q schwere Episoden, bei denen der Patient Fremdhilfe braucht (orale Kohlenhydratzufuhr, Glucose oder Glucagon parenteral); Q schwere Episoden mit Koma und/oder Krampfanfällen. Hypoglykämien sind bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 häufig. In den meisten gröûeren Untersuchungen erleiden je nach Versorgungssystem zwischen 15 und 65 % der Patienten pro Jahr eine schwere Hypoglykämie, bei der Fremdhilfe benötigt wird (9, 13, 14). Risikofaktoren für das Auftreten sind schwere Hypoglykämien in der Anamnese, C-Peptid-Negativität, diabetische Spätkomplikationen sowie eine gestörte Hypoglykämiewahrnehmung (2, 9). Durch strukturierte Schulung und intensivierte Insulintherapie sowie eine bedarfsgerechte Zufuhr von Insulin lässt sich das Hypoglykämierisiko für Typ-1-Diabetiker deutlich senken. Typische Ursachen für das Auftreten von Hypoglykämien sind in Tab. 2.20 angeführt. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes kommen Hypoglykämien seltener vor (15). Die Behandlung mit Sulfonylharnstoffen kann jedoch vor allem bei älteren Patienten schwere, protrahierte Hypoglykämien auslösen. Wechselwirkungen zusätzlich eingenommener Medikamente oder eine Insulinbehandlung erhöhen ebenfalls das Risiko für Hypoglykämien bei Typ-2-Diabetes. Protrahiert Tabelle 2.19 Therapie der hyperosmolaren, nichtketotischen Entgleisung verlaufende Hypoglykämien finden sich auch bei gröûerem Alkoholkonsum durch Hemmung der Glukoneogenese in der Leber. Symptome Die klassischen Hypoglykämiesymptome sind in Tab. 2.21 angeführt (5). In unterschiedlichen Situationen kann sich die subjektive Wahrnehmung verändern. Angehörige erkennen eine Hypoglykämie häufig am Auftreten von Blässe, Unruhe, Wesensveränderung, unmotiviertem Tabelle 2.20 Ursachen für Hypoglykämien zu hohe Insulindosis oder fehlende Reduktion bei niedrigem Blutzucker: Überkorrektur mit Insulin bei erhöhtem Blutzucker Spritz-Ess-Abstand zu lang Insulininjektionsstelle wird nicht gewechselt intramuskuläre Injektion Therapie mit oralen Antidiabetika: langwirksame Sulfonylharnstoffe fehlende Dosisreduktion bei Reduktionsdiät oder Gewichtsreduktion versehentliche Mehreinnahme von Sulfonylharnstoffen Wechselwirkung mit anderen Medikamenten (Tab. 2.11) Kohlenhydrataufnahme: Mahlzeiten ausgelassen Kohlenhydratmenge falsch abgeschätzt fehlende Anpassung an körperliche Belastung Alkohol Gewichtsabnahme ohne Dosisreduktion Fehler bei der Stoffwechselselbstkontrolle Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG Krankheitsbilder und Symptome durch diabetische Stoffwechselstörungen autonom, adrenerg neuroglykopenisch Zittern (32 ± 78 %) Konzentrationsstörung (31 ± 74 %) Herzklopfen (8 ± 62 %) Verwirrtheit (13 ± 53 %) Schwitzen (47 ± 84 %) Schwäche (28 ± 71 %) Angstgefühl, Unruhe (10 ± 44 %) Benommenheit (16 ± 33 %) Hunger (39 ± 49 %) Sehstörungen bis Amaurose (24 ± 60 %) Übelkeit (5 ± 20 %) Sprachstörungen bis Aphasie (7 ± 41 %) Gereiztheit, Konfliktintoleranz (16 ± 43 %) Kopfschmerzen (24 ± 36 %) 37 Tabelle 2.21 Symptome und Zeichen einer Hypoglykämie (Häufigkeit in Klammern) Müdigkeit (23 ± 65 %) Taubheitsgefühl an Mund oder Händen (21 ± 55 %) Krampfanfälle, Koma Lachen oder Weinen, Streitsucht oder an ungewöhnlicher Lethargie. Blutzucker-Selbstkontrollen in unklaren Situationen stellt daher eine wichtige Maûnahme zur Erkennung und Vermeidung von Hypoglykämien dar. Die klinische Symptomatik von Hypoglykämien ist variabel, und die auftretenden Symptome sind unspezifisch (5). Neuroglykopenische Symptome lassen oft an andere neurologische Erkrankungen denken. Der Abklärung mittels Blutzuckermessung in diesen Situationen kommt ± wie bei allen Patienten mit Bewusstlosigkeit ± eine entscheidende Bedeutung zu. So ist z. B. die Differenzialdiagnose zwischen ¹Epilepsieª und ¹Krampfanfall in Hypoglykämieª nur durch eine Blutzuckermessung im Anfall möglich. Darüber hinaus können schwere, protrahierte Hypoglykämien vor allem bei älteren Patienten auch zur Ausbildung fokaler neurologischer Symptome führen. Pathophysiologie Die normale Funktion des Gehirns ist direkt von einer ausreichenden Versorgung mit Glucose abhängig. Beim Abfall der Glucose auf ungefähr 60 mg/dl beginnt die hormonelle Gegenregulation mit der Ausschüttung von Glucagon, Adrenalin, Wachstumshormon und Kortison. Bei einem Abfall auf 50 mg/dl treten autonome Symptome, beim Abfall unter 40 mg/dl neuroglykopenische Symptome, bei 30 mg/dl relevante Bewusstseinsstörungen und bei Werten von unter 20 mg/dl Krämpfe sowie Koma auf (1). Die hier angeführten Schwellenwerte können sich bei hoher Stoffwechsellage nach oben verschieben, dass heiût, Hypoglykämiesymptome treten schon bei höheren Werten auf. Eine sehr niedrige Stoffwechseleinstellung führt zum Auftreten von Symptomen erst bei relativ niedrigeren Werten (1). Bei gehäuftem Auftreten von Hypoglykämien kann sich eine Wahrnehmungsstörung entwickeln. In diesem Fall treten typische subjektive Symptome erst bei we- sentlich niedrigeren Werten oder überhaupt nicht mehr auf (2, 3). Durch eine deutliche schwächere Antwort der Hormone der Gegenregulation kommt es auch zu einer verzögerten Abwehr der Hypoglykämie. Dieses Syndrom ist unabhängig von anderen neuropathischen Komplikationen und erhöht das Risiko für das Auftreten weiterer Hypoglykämien deutlich. Zumindest in der frühen Phase ist eine gestörte Wahrnehmung von Hypoglykämien durch das strikte Vermeiden von Unterzuckerungen über einen längeren Zeitraum reversibel (3, 4). Therapie Leichte Formen der Hypoglykämie werden durch orale Zufuhr von rasch resorbierbaren Kohlenhydrate vom Patienten selbst behandelt. Besonders geeignet sind Flüssigkeiten (Fruchtsäfte, Limonaden), da es dabei zu einem rascheren Anstieg des Blutzuckers kommt. Traubenzucker in fester Form soll von den Patienten immer mitgeführt werden. Zur Behandlung reichen meist 15 ± 20 g Kohlenhydrate aus, bei stärkeren Hypoglykämien können auch gröûere Mengen notwendig werden. Die schwere Hypoglykämie muss wegen der potenziellen Gefahren durch rasche Zufuhr von Glukose intravenös oder durch eine subkutane oder intravenöse Injektion von Glucagon behoben werden. 30 ± 50 ml einer 20 %igen Glukoselösung reichen meist zur Behebung der Hypoglykämie aus. Falls der Patient nach Anheben des Blutzuckers nach ca. 5 ± 10 Minuten nicht das Bewusstsein erlangt, kann eine zerebrale Schädigung durch eine prolongierte Hypoglykämie, einen zerebralen Insult oder eine Intoxikation vorliegen. Glucagon wird in der Dosierung mit 1 mg in Fertigspritzen angeboten. Nach der Injektion, die mit Angehörigen geübt werden muss, kommt es nach 10 ± 20 Minuten zu einem vorübergehenden Anstieg des Blutzuckers durch Glykogenolyse in der Leber. Nach der Besserung des Bewusstseins muss der Betroffene oral Kohlenhy- Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG 38 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome drate zu sich nehmen, um ein Wiederauftreten der Hypoglykämie zu verhindern (7). Prävention An erster Stelle steht eine sorgfältige Anamnese bezüglich Anzahl, Zeitverteilung und Häufung von Hypoglykämien. Dabei muss auch eine bereits bestehende Störung der Hypoglykämiewahrnehmung beachtet werden. Die Durchsicht von Selbstkontrolljournalen gibt weiteren Aufschluss über Trends bei den Blutzuckerprofilen. Mehr als die Hälfte der schweren Hypoglykämien tritt während der Nacht auf. Die Blutzucker-Selbstkontrolle vor dem Schlafengehen mit der Zufuhr von Kohlenhydraten, wenn der aktuelle Wert unter einen vereinbarten Schwellenwert liegt, stellt eine wichtige Maûnahme zur Vermeidung von nächtlichen Hypoglykämien dar. Eine Dosisreduktion des Basalinsulins vor dem Schlafengehen wird immer notwendig, wenn in der Nacht zuvor bereits niedrige Werte festgestellt wurden. Besonders bei intensiver oder länger dauernden körperlichen Belastungen ist eine Reduktion der Insulindosis unbedingt erforderlich (10). Bei stärkerer Alkoholzufuhr kommt es zu einer prolongierten Hemmung der Glukoneogenese in der Leber und damit gehäuft zum Auftreten von Hypoglykämien. Alkohol vermindert auch durch seine enthemmende und in höherer Dosierung sedierende Wirkung die Wahrnehmungsfähigkeit von Hypoglykämiesymptomen. Die Problematik des Alkoholkonsums muss mit den Patienten besprochen werden, wobei der richtige Umgang mit Alkohol im Vordergrund steht. So sollten bei Zufuhr von Alkohol zusätzlich Kohlenhydrate zu sich genommen oder die Insulindosis reduziert werden (10). Alle Aspekte zur Vermeidung von Hypoglykämien können am besten in strukturierten Schulungskursen angesprochen werden. Dabei kommt der beratenden Funktion des Schulungsteams eine besonders wichtige Funktion zu. In zahlreichen kontrollierten Untersuchungen und auf der Basis von Kohorten gilt es als bewiesen, dass eine strukturierte Patientenschulung die Häufigkeit von schweren Hypoglykämien bei Patienten mit intensivierter Insulintherapie senken kann. Literatur 1. Bolli GB. From physiology of glucose counterregulation to prevention of hypoglycaemia in Type 1 diabetes mellitus. Diab Nutr Metab. 1990;4:333 ± 49. 2. Cryer PE. Iatrogenic hypoglycemia as a cause of hypoglycemiaassociated autonomic failure in IDDM. Diabetes. 1992;41: 255 ± 60. 3. Dagogo-Jack S, Fanelli CG, Cryer PE. Durable reversal of hypoglycemia unawareness in type 1 diabetes. Diabetes Care. 1999;22:866 ± 7. 4. Fanelli C, Pampanelli S, Epifano L, et al. Long-term recovery from unawareness, deficit counterregulation and lack of cognitive dysfunction during hypoglycaemia, following institution of rational, intensive insulin therapy in IDDM. 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Die epidemiologischen Angaben schwanken je nach Studie zwischen 5 und 60 %, teilweise sogar 100 %, wenn auch messtechnische Kriterien in die Beurteilung miteinbezogen werden (5, 8, 31). Risikofaktoren, welche die Entstehung der diabetischen Neuropathie begünstigen, sind bisher nur teilweise verstanden. Eine entscheidende Rolle spielen laufende Stoffwechselsituation, Krankheitsdauer, Alter und möglicherweise auch Geschlecht und Körpergröûe (8, 29, 31). Auch genetische Faktoren werden als zusätzliche Risikofaktoren diskutiert. Die Pathogenese der diabetischen Neuropathie ist bis heute noch nicht gänzlich geklärt. Mehrere Faktoren beeinflussen entscheidend die Entstehung peripherer Nervenschäden (Tab. 2.22). Alle stehen in engem Zusammenhang mit der gestörten Stoffwechselsituation. Tabelle 2.22 Pathogenetische Faktoren für die Entstehung der diabetischen Neuropathien vaskuläre Störungen Q Arteriosklerose Q Mikroangiopathie der Vasa nervorum Q Fibrinablagerungen im Gefäûlumen Q kapilläre Durchblutungsstörung Q endoneurale Hypoxie metabolische Faktoren Q Hyperglykämie Q Akkumulation von Sorbit und Fruktose in den Schwann-Zellen Q endoneuraler Myoinositmangel Q abnorme nichtenzymatische Glykosylierung von Strukturproteinen Q Störung des axoplasmatischen Transports mechanische Faktoren Q endoneurales Ödem Q erhöhte Druckempfindlichkeit Am bedeutendsten ist die Hyperglykämie. Hinzu kommen die durch Makro- und Mikroangiopathie verursachten vaskulären Schäden an peripheren Nerven (7, 35, 38). Strukturelle Veränderungen in den Mikrogefäûen korrelieren meist mit dem Schweregrad der Polyneuropathie. Dabei handelt es sich um Verdickungen der Basalmembranen, thrombotische Ablagerungen bzw. totale Verschlüsse, endotheliale Zellreduplikationen und Hypertrophien der glatten Muskulatur, die eine endoneurale Hypoxie hervorrufen. Bei akut auftretenden Mononeuropathien (z. B. Hirnnervenläsionen) spielen vaskuläre Faktoren ebenso eine Rolle. So finden sich teilweise Gefäûverschlüsse, aber auch Zeichen einer zusätzlichen Vaskulitis. Die Hyperglykämie verursacht zudem eine erhöhte Druckempfindlichkeit der peripheren Nerven. Die metabolische Hypothese beruht auf der Annahme, dass periphere Nerven (besonders die Schwann-Zellen) exzessiv Polyole, insbesondere Sorbitol, aufgrund eines beschleunigten Durchflusses durch den Aldose-Reduktase-Weg akkumulieren (11, 12, 32). Myoinositol, ein wichtiger Bestandteil der membranständigen NatriumKalium-ATPase, ist vermindert, was ebenfalls eine Funktionsstörung bedingt. Weiterhin führen erhöhte Glukosekonzentrationen zu einer Proteinglykosylierung, die eine Störung von Enzymen und Strukturproteinen hervorrufen. Zusätzlich kommt es zum vermehrten Auftreten von Peroxiden und freien Radikalen durch die beim Diabetes in ihrer Aktivität reduzierten antioxidativen Schutzsysteme. Der hieraus resultierende vermehrte oxidative Stress wird als Ursache der axonalen Degeneration angesehen. Letztlich werden auch Axontransportstörungen und ein Defizit an neurotrophen Faktoren (NGF) sowie Autoantikörperbildung gegen Glutamatdicarboxylase und gegen sympathische Ganglien als ursächliche Faktoren diskutiert (immunologische Faktoren). Klassifikation Diabetische Neuropathien können nach verschiedenen Kriterien eingeteilt werden (8). Eine für die Praxis gut gebräuchliche Klassifikation ist in Tab. 2.23 dargestellt. Sie richtet sich nach klinischen Manifestationsformen wie Ausfallsmuster und Verteilungsmuster der Nervenschädigung. Die fokalen Neuropathien (= Mononeuropathien) haben ihren Schädigungsort lediglich an einzelnen oder wenigen Nerven. Die Polyneuropathien betreffen immer mehrere Nerven gleichzeitig und zeigen oft ein symmetrisches Verteilungsmuster. Fokale Neuropathien und Polyneuropathien können auch kombiniert auftreten. verminderte Konzentration oder reduzierte Aktivität von Nervenwachstumsfaktoren immunologische Faktoren Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG 40 Tabelle 2.23 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome Klassifikation diabetischer Neuropathien fokale und multifokale Neuropathien (Mononeuropathien) Q Entrapmentneuropathien: Karpaltunnelsyndrom (CTS), Sulcusulnaris-Syndrom (SUS), Peroneusparese durch Druckschädigung unterhalb des Fibulaköpfchens, Meralgia paraesthetica Q lumbosakrale Plexopathien: diabetische Amyotrophie (BrunsGarland-Syndrom) Q kraniale Neuropathien: Okulomotorius-, Abduzens- und Fazialisparese Q interkostale Neuropathie Polyneuropathie (Schädigung mehrerer peripherer Nerven, meist distal-symmetrisch) Q überwiegend sensible Ausfälle (¹small fiberª, ¹large fiberª, gemischt) Q sensomotorische Ausfälle Q autonome Ausfälle Q schmerzhafte sensible Formen Q überwiegend motorische Ausfälle (selten) gemischte Formen Mono- und Oligoneuropathien Fokale Neuropathien kommen bei Diabetes mellitus meist an natürlichen Engstellen der peripheren Nerven vor (37). Tab. 2.24 fasst die wichtigsten Engpasssyndrome (= Entrapmentsyndrome) der peripheren Nerven zusammen und zeigt die Häufigkeit ihres Auftretens im Zusammenhang mit Diabetes mellitus. Karpaltunnelsyndrom (Brachialgia paraesthetica nocturna) Beim Karpaltunnelsyndrom (CTS) besteht eine Druckschädigung des N. medianus in seinem distalen Verlauf durch den Karpaltunnel (37). Zu Beginn klagen die Patienten meist über Parästhesien, Schmerzen und Taubheitsgefühl in dem vom N. medianus versorgten Daumen, Zeige- und Mittelfinger oder auch der ganzen Hand, wobei diese Veränderungen beim Groûteil der PaTabelle 2.24 Entrapmentsyndrome und ihre Prävalenz beim Diabetes mellitus Neuropathie/Lokalisation Prävalenz ( %) symptomatisches Karpaltunnelsyndrom 5,8 (37) asymptomatisches Karpaltunnelsyndrom 22 ± 29 (37) Sulcus-ulnaris-Syndrom 2,1 (37) Peroneusdruckschädigung 1,4 ± 13 (37) Meralgia paraesthetica 0 ± 1 (37) tienten eine nächtliche Betonung zeigen. Auch nach stärkerer Anstrengung verschlimmert sich die Symptomatik. Charakteristisch ist eine morgendliche Steifigkeit der Finger und das Gefühl der Schwellung, die sich nach kräftigem Schütteln der Hand meist bessert. Die Schmerzen strahlen häufig nach proximal bis in den Oberarm oder sogar in die Schultern aus. Erfolgt keine rechtzeitige Therapie, kommt es im weiteren Verlauf zu einer Atrophie im Thenar als Ausdruck einer motorischen Mitbeteiligung und zu einem bleibenden Sensibilitätsverlust der medianusversorgten Finger. Beides führt zu einer deutlichen Einschränkung der Feinmotorik. Das Tinel-Zeichen (Auftreten von Parästhesien im medianusversorgten Gebiet der Hand nach Beklopfen des N. medianus über dem Handgelenk) ist meist positiv. Vor Einleitung therapeutischer Maûnahmen muss immer eine Neurographie des N. medianus durchgeführt werden. In leichten Fällen findet sich eine Verlangsamung der sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) im Abschnitt Zeige- oder Mittelfinger±Handgelenk. Bei bereits fortgeschritteneren Fällen ist auch die motorische Leitungszeit (distale Latenz) bei Stimulation des N. medianus im Handgelenk und Ableitung vom M. abductor pollicis brevis verzögert (> 4,3 ms bei einer Reizdistanz von 7 cm), während die NLG im Unterarm normal ist. Seltener stehen primär axonale Nervenschädigungen im Vordergrund, die sich elektroneurographisch durch verminderte Amplituden sowie elektromyographisch durch Denervationszeichen in der Thenarmuskulatur zeigen. Bei zugrunde liegender generalisierter Neuropathie kann auch die motorische NLG des N. medianus verlangsamt sein. Eine Therapie ist bei klassischer klinischer Symptomatik und pathologischem Neurographiebefund immer indiziert. Sie besteht in leichten Fällen in einer Schonung sowie Ruhigstellung des Handgelenks mittels volarer Unterarmschiene, die nachts getragen werden soll. Auch können initial antiphlogistische Mittel versucht werden. Corticoide verbieten sich beim Diabeteskranken in der Regel. Tritt durch diese Maûnahmen keine Besserung ein, so ist die chirurgische Dekompression des N. medianus das Mittel der Wahl bei fortgeschrittenem CTS, um dauerhafte Schäden zu verhindern (15). Obgleich keine randomisierten, kontrollierten Studien vorliegen, gibt es Hinweise, dass die Nervenregeneration nach Dekompression bei Patienten mit Diabetes mellitus langsamer erfolgt als bei Nichtdiabetikern (3). Sulcus-ulnaris-Syndrom (SUS) In 4 Studien, bei denen insgesamt 756 Diabetespatienten inkludiert wurden, wird die Prävalenz des SUS mit 2,1 % angegeben (37). Beim SUS findet sich eine Druckschädigung des N. ulnaris im Verlauf des Sulcus nervi ulnaris. Auch hier kann es zu motorischen und sensiblen Störungen kommen, wobei wieder die sensible Ausfallssymptomatik meist initial das klinische Erscheinungsbild prägt. Es finden sich Parästhesien und ein Taubheitsgefühl des Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG Organspezifische Manifestationen: diabetische Neuropathie kleinen Fingers und meist auch der Ulnarseite des vierten Fingers, die zunächst intermittierend, bald aber dauerhaft bestehen. In weiterer Folge kommt es zu einer Schwäche der ulnarisversorgten Handmuskulatur, die sich beispielsweise beim Dosenöffnen oder Schlüsselsperren äuûert, und dann zu einer Atrophie der ulnarisversorgten Handmuskulatur führt. Bei beginnendem SUS stehen therapeutisch konservative Maûnahmen wie Schonung und Vermeiden von äuûeren Druckeinwirkungen auf den Ellbogen im Vordergrund. Bei länger anhaltendem SUS und pathologischem NLG-Befund (verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit des N. ulnaris und/ oder Leitungsblock im Sulcus nervi ulnaris) ist eine rechtzeitige Dekompression des N. ulnaris erforderlich, um die Entwicklung der gefürchteten Krallenhand zu vermeiden. Die Neurographie hat auch ihre Berechtigung zur differenzialdiagnostisch wichtigen Abgrenzung von einer Kompression des N. ulnaris in seinem distalen Verlauf im Bereich der Loge de Guyon und von proximalen Schädigungen (Thoracic-Outlet-Syndrom, C8/Th1 Läsion). Peroneusdruckschädigung Die Schädigung liegt meist hinter dem Fibulaköpfchen. An dieser Stelle ist der Nerv besonders exponiert und kann durch langes Übereinanderschlagen der Beine, lagerungsbedingt bei Narkosen oder bewusstlosen Patienten oder auch durch Kompression durch einen Gips oder einen anderen Verband irritiert werden. Eine Lähmung des N. peroneus communis tritt wesentlich seltener auf als Schädigungen des N. medianus und N. ulnaris. Der Ausfall führt jedoch zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gangbildes, da hier primär motorische Ausfälle im Vordergrund stehen und das Anheben des Fuûes und der Zehen nicht möglich sind. Klinisch zeigt sich das typische Bild eines ¹Steppergangesª. Sensible Ausfälle finden sich im Versorgungsgebiet des N. peroneus superficialis (Unterschenkel und Fuûrücken), stellen jedoch meist keine wesentliche Beeinträchtigung dar. Auch hier trägt die Neurographie entscheidend zur Diagnostik bei und stützt sich auf den Nachweis einer verlangsamten Nervenleitgeschwindigkeit des N. peroneus communis in seinem Verlauf unterhalb des Fibulaköpfchens sowie den Nachweis eines Leitungsblockes. Differenzialdiagnostisch sind v. a. L5-Läsionen durch bildgebende Diagnostik abzugrenzen. Die Therapie ist immer konservativ. Die Prognose ist meist gut, aber abhängig vom Schweregrad der zugrundeliegenden Polyneuropathie und der Dauer der Druckeinwirkung. Meralgia paraesthetica Sie ist selten, und ihr Zusammenhang mit dem Diabetes mellitus ist nicht gesichert. Ursache ist eine Druckschädigung des N. cutaneus femoris lateralis im Bereich des Leistenbandes, wo sich ein anatomischer Engpass findet. Klinisch bestehen schmerzhafte sensible Symptome 41 (Kribbeln, nadelstichartige Parästhesien, Hyperpathie) im Bereich des Versorgungsgebietes dieses Nervs am anterolateralen Oberschenkel. Die Spontanheilungsrate wird mit 25 % angegeben. Die Therapie ist meist konservativ. Lumbosakrale Plexopathie (Bruns- Garland-Syndrom, Femoralisneuropathie des Diabetes mellitus, proximale diabetische Neuropathie, diabetische Amyotrophie) Sie kommt bei ca. 1 % aller Diabetiker vor und ist eine belastende, schon in frühen Stadien des Diabetes mellitus auftretende Erkrankung (25). Eine Häufung dieser Mononeuropathie wurde unmittelbar nach initialer Gabe von Insulin berichtet. Meist zeigt sich uni-, seltener bilateral im Bereich der vom N. femoralis versorgten Muskulatur (M. quadriceps femoris) eine schmerzhafte Muskelschwäche und -atrophie mit Verlust des Patellarsehnenreflexes bei gut erhaltener Sensibilität. Seltener sind auch der M. obturatorius oder distale Muskeln beteiligt oder es stehen sogar sensible Ausfälle im Vordergrund. Gleichzeitig wurden gelegentlich auch Gewichtsverlust und Kachexie beobachtet. L3/L4-Läsionen müssen differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden. Pathogenetisch werden hier als Auslöser vor allem vaskuläre, aber auch immunologisch-entzündliche Mechanismen diskutiert (30). Die positive Beeinflussung durch eine immunmodulierende Therapie (intravenöse Immunglobuline) ist bisher noch nicht durch randomisierte Studien belegt (19). Eine Spontanremission innerhalb einiger Monate ist häufig (2). Deutlich seltener sind Armplexopathien. Hirnnerven-Mononeuropathien Am häufigsten finden sich Okulomotoriusparesen, wobei meist die inneren (parasympathisch) okulomotoriusinnervierten Muskeln (M. ciliaris und M. sphincter pupillae) verschont bleiben und dadurch klinisch das Bild einer äuûeren Okulomotoriusparese besteht. Als Ursache wurde in einer Studie eine zentrofaszikuläre Ischämie des dritten Hirnnervs mit lokaler Demyelinisierung im Bereich des Sinus cavernosus beschrieben (1). Meist kommt es nach etwa 3 ± 4 Monaten zur spontanen Rückbildung. Seltener finden sich Lähmungen der Nn. facialis, trigeminus oder abducens. Interkostale Neuropathien (diabetische Radikulopathie) Sie überschreiten oft das Versorgungsgebiet eines Interkostalnerven und führen zu gürtelförmigen Schmerzen mit sensiblen Ausfällen im entsprechenden Dermatom (thorakal, abdominell), die differenzialdiagnostisch ge- Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG 42 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome genüber kardialen, thorakalen und abdominellen Erkrankungen abgegrenzt werden müssen. Eine Spontanremission ist möglich. Durch Mitbeteilung von motorischen Fasern können segmentale Bauchmuskelparesen auftreten, die zu einer prominenten Vorwölbung der Bauchdecke führen können. Die Polyneuropathie stellt die häufigste Form der diabetischen Neuropathie dar. Sie kann bereits nach kurzer Krankheitsdauer auftreten, zeigt jedoch eine sichere Abhängigkeit von Krankheitsdauer und Einstellung des Diabetes mellitus. Das klinische Bild ist äuûerst heterogen. Alle drei Faserklassen können gleichermaûen oder unterschiedlich stark betroffen sein (4, 8, 28). Am häufigsten finden sich distal betonte diabetische Polyneuropathien in symmetrischer Ausdehnung (distal-symmetrischer Typ), wobei die unteren Extremitäten viel häufiger und schwerer betroffen sind als die oberen. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind in Tab. 2.25 dargestellt. Die Ausprägung der neuropathischen Erscheinungen kann sehr unterschiedlich sein. Leichte Formen bleiben oft über Jahre vom Patienten unbemerkt, während schwerwiegende Polyneuropathien aus mehreren Gründen sehr beeinträchtigend sein können. Oft stehen primär sensible Veränderungen in socken-, strumpf- oder handschuhförmiger Anordnung im Vordergrund. Die Patienten klagen zunächst über Kribbeln, Ameisenlaufen, Brennen, Pelzigkeitsgefühl, Taubheitsgefühl und andere Dysästhesien, beginnend im Bereich der Zehen und Vorfüûe, die sich allmählich bis in die Unterschenkel bzw. Kniehöhe ausdehnen. Häufig sind Schmerz- und Temperaturempfinden in besonders starkem Ausmaû beeinträchtigt und Wegbereiter des gefürchteten diabetischen Fuûsyndroms. Schmerzhafte Missempfindungen im Be- reich der unteren Extremitäten zeigen oft nächtliche Betonung. Je nach Symptomatik haben manche Autoren eine Subklassifikation in verschiedene Faserklassen vorgenommen. Steht eine Ataxie im Vordergrund, so handelt es sich um eine ¹large-fiberª-Neuropathie. Ist das Temperatur- und Schmerzempfinden vorrangig gestört, so weist dies wiederum auf eine ¹small-fiber-ª Neuropathie (Schädigung der dünnkalibrigen schmerzleitenden Fasern) hin. Eine akute Verschlechterung sensibler Symptome ist möglich und findet sich z. B. im Rahmen von Infektionen bei schlechter Blutzuckereinstellung (28). Motorische Ausfälle kommen meist gleichzeitig mit sensiblen Ausfällen vor und gehen diesen nur selten voraus. Sie verursachen eine Muskelatrophie, die ebenso distal beginnt und ausschlaggebend für die Entwicklung einer Fuûdeformität (Hohlfuûbildung, Entwicklung von Hammerzehen) ist. Diese fördert die Fehlbelastung mit Entwicklung von Druckpunkten an der Fuûsohle bzw. den Zehen und ist ein wichtiger Wegbereiter des diabetischen Fuûsyndroms. Im weiteren Verlauf können auch Atrophien sowie eine Schwäche im Bereich der Unterschenkelmuskulatur auftreten, die gelegentlich das typische Bild der Storchenbeine hervorrufen. In einer systematischen Untersuchung von 125 Patienten mit diabetischer Polyneuropathie fanden sich bei 37 % motorische Ausfälle (28). Autonome Störungen sind ebenso ein typisches und wichtiges Merkmal der diabetischen Polyneuropathie und mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden. Sie können verschiedene Organe betreffen (Tab. 2.26) (9, 21). Autonome Störungen begünstigen auch Veränderungen der Haut. Diese erscheint je nach vorherrschender Störung dünn, brüchig und blass und neigt zu verstärkter Austrocknung. In der Folge können sich Fuûulzera an den Druckstellen entwickeln. Andererseits kann die Haut feucht und rosig sein infolge einer Gefäûweitstellung bei beeinträchtigter Funktion der glatten Muskulatur (glossy Tabelle 2.25 Wichtige Differenzialdiagnosen überwiegend sensibler Polyneuropathien bei Diabetes mellitus Typ 1 und 2 Tabelle 2.26 Organmanifestationen und klinische Ausfallserscheinungen bei autonomer diabetischer Neuropathie Polyneuropathien Polyneuropathie bei Sarkoidose Polyneuropathie bei Lepra hereditäre Polyneuropathien mit ausgeprägten sensiblen Ausfällen und ulzeromutilierenden Komplikationen Q HSN Typ I (Chromosom 9q, Mutationen im SPTLC1-Gen) Q CMT 2B (Genort Chromosom 3q, Mutationen im RAB7-Gen) Q andere hereditäre sensible Neuropathien toxische Polyneuropathien Polyneuropathien bei Folsäuremangel kardiovaskuläre Störungen (Herzrhythmusstörungen, orthostatische Hypotonie, Belastungsintoleranz) gastrointestinale Störungen (Diarrhö, Obstipation, Stuhlinkontinenz, diabetische Gastroparese) (vgl. S. 110) urogenitale Störungen (diabetische Zystopathie, Impotenz) neuroendokrine Störungen (hypoglykämieassoziierte autonome Dysfunktion, fehlende hormonelle Gegenregulation, Hypogykämie-Wahrnehmungsstörung) Störungen der Sudo-/Vasomotorik (neuropathische Ulzera und Osteoarthropathie), Charcot-Fuû pupillomotorische Störungen (Miosis, Störung der Pupillenreflexe und der Dunkeladaptation) respiratorische Störungen (zentrale Fehlregulation der Atmung, Schlafapnoe) Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG Organspezifische Manifestationen: diabetische Neuropathie skin). Diese Hautveränderungen begünstigen wiederum Einrisse, welche gefährliche Eintrittspforten für verschiedene Erreger darstellen und häufig zu Erysipelen und Pilzinfektionen führen. Haar- und Nagelwachstumsstörungen sind typisch. Diagnose Entscheidend ist die Früherkennung einer bestehenden Polyneuropathie zu einem Zeitpunkt, zu dem der Patient selbst oft noch keinerlei Beschwerden verspürt, da nur mit dem Wissen um die Erkrankung auch eine gezielte Prophylaxe gegenüber den unangenehmen Folgeerscheinungen möglich ist. Die wichtigsten diagnostischen Schritte sind in Tab. 2.27 zusammengefasst. Der Patient soll zunächst subjektive Beschwerden schildern. Zudem ist es entscheidend, den Patienten nach Symptomen wie Parästhesien, Dysästhesien, vermindertes Oberflächen- und Temperaturempfinden sowie Schmerzen und Wundheilungsstörungen direkt zu befragen. Die neurologische Untersuchung beginnt mit der Inspektion der Haut und der Beurteilung von Hautfarbe, Turgor sowie der Suche nach Einrissen bzw. anderen Verletzungszeichen oder trophischen Störungen. Weiterhin zu beachten sind Zeichen einer Muskelatrophie, die zunächst meist in den distalen Muskeln zu finden ist (Fuûdeformität und später Atrophie der Unterschenkel-, seltener der Handmuskulatur). Die Muskeleigenreflexe sind häufig abgeschwächt oder gar erloschen, wobei zunächst immer ein Ausfall des Achillessehnenreflexes eintritt. Die Sensibilität wird von proximal nach distal geprüft. Es ist entscheidend, alle sensiblen Qualitäten zu testen. Veränderungen treten 43 meist in symmetrischer socken-, strumpf- bzw. handschuhförmiger Ausdehnung auf. Die Oberflächensensibilität kann einfach durch Streichen mit der Hand oder besser einem Wattebausch oder Monofilament über die Haut des Patienten geprüft werden (17, 36). Ein vermindertes Empfinden an den distalsten Extremitätenabschnitten (Fuûsohle, Zehen) deutet bereits auf eine beginnende Neuropathie hin. Die Testung des Temperaturempfindens erfolgt mit entsprechenden Stimuli zur Kalt-warm-Unterscheidung, z. B. mit einem Thermotip, der auf einer Seite aus Kunststoff, auf der anderen Seite aus Metall besteht und daher eine unterschiedliche Temperatur aufweist. Das Schmerzempfinden wird durch Setzen eines Schmerzreizes durch eine feine sterile Nadel oder besser durch Kneifen geprüft. Das Erkennen von auf der Haut geschriebenen Zahlen ist eine gemeinsame Leistung der Oberflächen- und Tiefensensibilität; es ist bei diabetischen Neuropathien häufig gestört. Besonders empfindlich zur Früherkennung diabetischer Neuropathien ist die Prüfung des Vibrationsempfindens (Pallästhesie), die deshalb eine einfache und wichtige Screeningmethode darstellt. Die Testung erfolgt mit einer Stimmgabel nach Rydel-Seiffer, welche auf dem Innenknöchel oder medial auf das Groûzehen-Grundgelenk aufgesetzt wird. Das Lageempfinden kann durch Bewegen der Groûzehe des Patienten nach oben oder unten geprüft werden, wobei der Patient die korrekte Position der Zehe, die immer seitlich anzufassen ist, angeben muss. Eine optimale Compliance des Patienten ist allerdings bei der Testung aller sensibler Qualitäten Grundvoraussetzung, da sonst falsch pathologische Ergebnisse erzielt werden können. Als nächster Schritt erfolgt die Überprüfung der Muskelkraft einzelner Muskelgruppen. Letztlich wird dann nach Koordinationsstörungen bzw. einer Gangstörung (sensible Ataxie, Steppergang) gefahndet. Tabelle 2.27 Diagnostische Schritte bei diabetischen Polyneuropathien Anamnese klinisch-neurologische Untersuchung Q Inspektion (Haut, Trophik, Muskulatur, Fuûform) Q Überprüfung der Muskeleigenreflexe Q Testung der sensiblen Qualitäten ± Oberflächensensibilität (Watte, Monofilament) ± Vibrationsempfinden (Pallästhesie, mit Rydel-Seiffer-Stimmgabel) ± Unterscheidung von Spitz und Stumpf ± Schmerzempfinden (feine Nadel, Kneifen) ± Temperaturempfinden (Thermotip oder anderer Kalt-warmReiz) ± Lageempfinden Q Überprüfung der Muskelkraft in einzelnen Muskelgruppen Elektroneurographie und Elektromyographie autonome Tests Nervenbiopsie (meist nicht indiziert) Hautbiopsie Neurophysiologische Untersuchungsmethoden Es ist sinnvoll, nach der Erstuntersuchung eine Elektroneurographie zur Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) durchzuführen, da sie bei einer Verschlechterung als objektives Kriterium für Verlaufskontrollen herangezogen werden kann. Kurze Messabstände sind abzulehnen, da sie eine unnötige Belastung für den Patienten darstellen und innerhalb weniger Monate keine signifikante Veränderung zu erwarten ist. Auch bei Vorliegen einer fokalen Neuropathie, insbesondere bei Engpasssyndromen, sollte elektroneurographisch nach einer generalisierten Neuropathie gefahndet werden, um die an der Engpassstelle auftretenden Verzögerungen der NLG in Korrelation zum Ausmaû der zugrunde liegenden Polyneuropathie zu setzen. Diese Maûnahme ist äuûerst hilfreich für die Entscheidung über eine mögliche operative Intervention. Die Bestimmung der NLG wird zur objektiven Beurteilung bei klinischen Studien herangezogen, wobei hier die Anwendung standardisierter Untersuchungsmethoden unabdingbar ist. Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG 44 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome Die Bestimmung der NLG und der distalen Latenz erfolgt durch Stimulation an mindestens zwei Stellen im Verlauf eines peripheren Nervs. Das Reizantwortpotenzial wird durch Anwendung von Oberflächenelektroden von einem distalen Muskel abgeleitet. Eine Verlangsamung der NLG weist auf eine primär demyelinisierende Schädigung hin, während verminderte Amplituden des Reizantwortpotenzials für einen axonalen Schaden sprechen. Auch kombinierte Formen (axonal-demyelinisierende Neuropathien) kommen vor. Ein plötzlicher Amplitudenabfall weist auf einen Leitungsblock hin und findet sich z. B. bei Engpasssyndromen. Eine Elektromyographie (EMG) ist nicht zwingend erforderlich, erlaubt jedoch Rückschlüsse auf den Schweregrad der Polyneuropathie und auf das Ausmaû sowie die Akuität eines axonalen Schadens durch Nachweis von pathologischer Spontanaktivität. Zur Testung autonomer Funktionen werden verschiedene Verfahren angewandt: Messung der sympathischen Hautantwort zur Überprüfung des Sympathikus, Herzfrequenzvariabilität mittels ¹Bedside-Testsª zur Überprüfung des Parasympathikus (Messung der respiratorischen Arrythmie, Messung bei tiefer Atmung (Exspirations-/Inspirationstest), Orthostasetest und Valsalva-Manöver). Pathologische Ergebnisse wurden bei 61 % von 543 getesteten Patienten gefunden. Spezifische Tests finden bei Schweiûsekretionsstörungen Anwendung. ändern und experimentell eine Verbesserung der NLG beim Diabetes induzieren. Sorbinil zeigte viele unerwünschte, nichtakzeptable Nebenwirkungen. Ein gewisser Effekt soll durch Tolrestat gegeben sein, jedoch sind diese Daten bisher nicht gesichert (10). Auch stehen eindeutige Hinweise für eine Verbesserung durch Gabe von Aldosereductase-Hemmer bisher aus. Kürzlich wurde eine randomisierte Doppelblindstudie mit humanen Nervenwachstumsfaktor (NGF) durchgeführt. Patienten erhielten für 48 Wochen entweder NGF oder ein Plazebo. Es kam zu keinen unangenehmen Nebenwirkungen mit Ausnahme von leichten Schmerzen an der Injektionsstelle. Im Vergleich zur Plazebogruppe zeigten sich jedoch keine signifikanten Verbesserungen. Mögliche Ursachen hierfür könnte eine zu niedrige Dosis des NGF, die Wahl der Studienpopulation und die multifaktorielle ¾tiologie der diabetischen Polyneuropathie sein (26). Wegen einer fehlenden kausalen Therapie kommen bei diabetischen Polyneuropathien lediglich symptomatische Maûnahmen zum Einsatz. Oberstes Ziel ist die Minderung von Schmerzen sowie die Vermeidung und Vorbeugung des diabetischen Fuûsyndroms. Eine Verbesserung der metabolischen Situation, d. h. eine Senkung der Hyperglykämie, ist anzustreben. So zeigte die DCCT-Studie eine deutliche Verminderung der Manifestation diabetischer Polyneuropathien unter intensivierter Insulintherapie (5). Biopsie Schmerztherapie Die Biopsie des N. suralis ist eine invasive Methode, die zu einem bleibenden Sensibilitätsverlust an der Biopsiestelle führt und zudem das Risiko einer zusätzlichen Infektion mit sich bringt. Eine routinemäûige Anwendung in der Diagnostik diabetischer Polyneuropathien ist nicht indiziert, da die neuropathologischen Ergebnisse hier meist keine zusätzlichen Informationen liefern (34). Sie bleibt einzelnen Fällen vorbehalten, wenn beispielsweise eine zusätzliche entzündliche Polyneuropathie oder Amyloidose ausgeschlossen werden sollen. Hautbiopsien sind wesentlich weniger invasiv als Nervenbiopsien, hinterlassen keine bleibenden Schäden und erlauben eine Aussage über den Zustand epidermaler Nervenfasern (16). In einer Studie von Kennedy wurden Hautbiopsien bei 18 Patienten mit diabetischer Polyneuropathie und 18 Kontrollpersonen durchgeführt. Dabei zeigte sich eine erhebliche Verminderung epidermaler Fasern bei Diabetikern (16). Einige Substanzen sind bekannt, die je nach Schmerzcharakter angewandt werden sollten. Tab. 2.28 gibt einen Überblick über mögliche Medikamente und deren empfohlene Dosierung. Die Wirkung der trizyklischen Antidepressiva (22) ist unabhängig von der antidepressiven Wirkung. Am besten untersucht ist Amitriptylin. Voraussetzung für die Anwendung ist allerdings, dass keine kardialen Kontraindikationen bestehen. Selektive Serotininwiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wie Citalopram oder Paroxetin kommen alternativ infrage. Antikonvulsiva wie Carbamazepin oder Phenytoin sollten besonders bei lanzinierenden und elektrisierenden Schmerzen angewandt werden, wobei bei der Anwendung wie bei Epilepsien dosiert werden kann (24, 27). Gabapentin eignet sich als neuere Substanz, wobei hier ein Vorteil durch die selteneren Nebenwirkungen und die geringeren Arzneinteraktionen gegeben ist (23). Mexiletin zeigte eine gute Wirkung bei Schlafstörungen und nächtlichen Schmerzen, ist aber bei Vorliegen einer kardialer Grundkrankheit kontraindiziert (33). Als Ultima Ratio können auch Opioide zur neuropathischen Schmerztherapie in üblicher Dosierung gegeben werden. Eine lokale Therapie mit Capsaicincreme 0,075 %, 4-mal täglich aufgetragen, soll einen positiven Effekt bei neuropathischen Schmerzen haben, obgleich eine andere Studie keinen Effekt zeigte (6, 20). Zu beachten ist hier, dass eine intakte Haut Voraussetzung ist, um Infektionen zu vermeiden. Therapie Bisher sind keine pharmakologischen Substanzen bekannt, die einen direkten Einfluss auf die zugrunde liegende Pathologie ausüben. Verschiedene Substanzen wurden getestet wie Aldosereductase-Hemmer, Alrestat, Sorbinil, Tolrestat und andere (10, 14, 18), die die Akkumulation von Sorbitol in den peripheren Nerven ver- Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG Organspezifische Manifestationen: diabetische Neuropathie Tabelle 2.28 Medikamentöse Therapie der schmerzhaften diabetischen Neuropathie Substanzname Dosierung trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin, Doxepin, Desipramin, Imipramin 10 ± 25 mg/d abends, Steigerung um 25 mg in Wochenabständen auf eine Erhaltungsdosis von 75 ± 100 mg/d spezifische Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Citalopram, Paroxetin 20 ± 40 mg/d Antikonvulsiva Q Gabapentin 900 ± 3600 mg/d Q Phenytoin 300 mg/d Q Carbamazepin 200 ± 600 mg/d sonstige Q Capsaicinsalbe 0,075 % 4-mal täglich auftragen Tramadol 50 ± 400 mg/d andere Opioidanalgetika (Morphine) übliches Dosierungsschema Mexiletin bis 675 mg/d Entgegen früherer Annahmen kann Alphaliponsäure (Thioctsäure) heute nicht mehr empfohlen werden, da in letzten Studien (Aladin-III-Studie) keine Verbesserung der diabetischen Neuropathie nachgewiesen werden konnte. Therapie autonomer Störungen Besteht eine orthostatische Hypotension, so ist dem Patienten das Schlafen mit hochgestelltem Bettende (Kopfhochlagerung) zu empfehlen. Die Diät sollte salzreich gestaltet sein. Weitere Versuche bestehen in der Anwendung von Kompressionsstrümpfen oder Kurzzugbinden bei fehlender arterieller Verschlusskrankheit. Erythropoetin dürfte zu einer Besserung der orthostatischen Hypotension führen, eine spezifische Testung bei Patienten mit Diabetes mellitus liegt jedoch nicht vor (13). Midodrinin, ein Alphaagonist, verbessert den Blutdruck und die orthostatischen Symptome bei Patienten mit neurogener orthostatischer Hypotension. Auch hier fand allerdings keine separate Testung bei Diabetikern statt. Krankengymnastik Krankengymnastik findet vor allem bei motorischen Ausfällen ihre Anwendung. Insbesondere bei lumbosakraler Plexopathie sollte sie rechtzeitig eingeleitet werden. 45 Literatur 1. Asbury AK, Aldredge H, Hershberg R, et al. 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Abnormalities of endoneurial microvessels and sural nerve pathology in diabetic neuropathy. Neurology. 1987;37:20 ± 8. Diabetischer Fuû Klinisches Bild Diese schwerwiegende Komplikation des Diabetes mellitus verursacht eine hohe Morbidität und Mortalität. Die Diagnose Diabetes mellitus erhöht das Risiko für eine Amputation je nach Altersgruppe um den Faktor 10 ± 40. 70 % aller Amputationen, vor allem im höheren Lebensalter, in Deutschland werden bei Diabetikern durchgeführt (4, 17). Trotz Versuchen, im Rahmen der St.-Vinzent-Deklaration die Amputationsrate zu senken, ist es in Deutschland eher zu einer Zunahme der Amputationen gekommen (15). Da eine groûe Zahl der Amputationen eigentlich vermeidbar wäre, kommt der Diagnose und Therapie ein besonderer, fachübergreifender Stellenwert zu. Für die Entstehung des diabetischen Fuûes spielen drei pathophysiologische Ursachen eine Rolle: Q periphere sensible und autonome Polyneuropathie (PNP), Q periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), Q Infektionen. Zur Entstehung beitragen können vorausgegangene Ulzerationen und Amputationen, Auftreten von Kallusblidung, Seh- und Bewegungsstörungen, höheres Lebensalter sowie mangelnde Fuûpflege (10). Merke Die immer wieder zitierte ¹diabetische Mikroangiopathieª mit den postulierten Verschlüssen von Kapillaren und Arteriolen kommt als Ursache des diabetischen Fuûsyndroms nicht infrage (13). Beim diabetischen Fuûsyndrom werden vier Formen unterschieden (5): Q neuropathisch-infizierter Fuû (62 %), Q diabetische Osteoarthropathie (Charcot-Fuû) (2 ± 8 %), Q makroangiopathisch-ischämischer Fuû (13 %), Q neuropathisch-makroangiopathische Mischform (25 %). Neuropathisch-infizierter Fuû Der neuropathisch-infizierte Fuû (Abb. 2.1) präsentiert sich als warm und gut durchblutet. Es finden sich vorwiegend plantare Läsionen (neuropathisches Ulkus [Abb. 2.2] , Mal perforans) im Bereich von Punkten mit hohem Druck, bevorzugt in Höhe der Köpfchen der Ossa metatarsalia. Sämtliche Läsionen sind von einem oft mächtigen Hornhautwall umgeben. Die Schmerzlosigkeit der Läsionen aufgrund der peripheren sensorischen Neuropathie stellt ein diagnostische Kriterium dar. Durch den Ausfall der sympathischen Nervenfasern kommt es Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG Diabetischer Fuû 47 Abb. 2.1 Neuropathisches Ulkus: Neben der Knochendeformitäten (Hammerzehe) wurde an diesem Fuû bereits eine Resektion der 5. Zehe durchgeführt. Das plantare Ulkus liegt an einer Stelle mit erhöhter Druckbelastung und ist von einem hyperkeratotischem Wall umgeben. Vereinzelt sieht man Einblutungen, die durch die hohe Druckbelastung im Bereich der Hyperkeratose entstanden sind. Weitere Zeichen der peripheren Neuropathie sind die trockene Haut und die rosige Farbe aufgrund der erhöhten Durchblutung des Fuûes. Abb. 2.2 Neuropathisch-infizierter Fuû: Die schwere Gewebeinfektion wird durch eine massive Rötung und Ödembildung angezeigt. Es bestehen mehrere, in die tiefen Kompartimente reichende Ulzerationen, die auf eine Osteomyelitis schlieûen lassen. Die 5. Zehe wurde bereits amputiert, Zehe 2 und 3 sind nach einer schweren destruierenden Infektion miteinander verwachsen. Als Zeichen der Neuropathie findet sich eine deutliche Krallenzehenbildung. Weiterhin befindet sich an der Groûzehe plantar eine Nekrose, die durch eine septische Thrombose entstanden ist. zu trockener, rissiger Haut, und durch die Weitstellung der kutanen ateriovenösen Anastomosen besteht eine erhöhte Durchblutung mit guten Fuûpulsen (7). Typische Auslöser für neuropathische Ulzerationen sind in Tab. 2.29 angeführt. Durch Infektionen dieser neuropathischen Ulzerationen mit gängigen Haut- und Wundkeimen kann es über eine zunächst oberflächliche Entzündung zu einer Ausbreitung in tiefere Kompartimente des Fuûes kommen (neuropathische Gangrän, heiûer Brand). Durch die Schmerzlosigkeit werden solche Infektionen von den Betroffenen oft bagatellisiert. Dadurch wird der Fuû meist belastet, sodass damit die Ausbreitung der Infektion beschleunigt wird. Durch die Infektion kommt es zur Ödembildung, wodurch es trotz guter Durchblutung durch Erfassen der akralen Gefäûe zu Nekrosen von Zehen und Vorfuû kommen kann (14). Tab. 2.30 zeigt eine Wundklassifikation, die auch Aufschluss über die Prognose geben kann (12). Tabelle 2.29 Prädisponierende Faktoren und Auslöser für eine neuropathische Ulzeration prädisponierende Faktoren Q sensorische Neuropathie mit Hypästhesie und Hypalgesie Q Fuûdeformitäten durch lokale Osteoporose und Atrophie der Fuûmuskeln Q veränderte Abrollbewegung und Fuûmechanik durch eingeschränkte Beweglichkeit (Cheiroarthopathie) Q Hyperkeratosen mit Kapillarrupturen durch Druckbelastung Auslöser für Ulzerationen Q mechanische Verletzungen (unsachgemäûe Fuûpflege, Barfuûgehen, Ganganomalien etc.) Q zu enges oder ungeeignetes Schuhwerk Q Fremdkörper im Schuh Q thermische Verletzungen (z. B. zu heiûes Fuûbad, Heizdecken) Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG 48 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome Tabelle 2.30 University of Texas Wound Classification WUNDGRAD 0 S T A D I U M I II III A Vorstadium oder abgeheiltes Ulkus, komplett epithelialisiert oberflächliche Wunde, ohne Beteiligung von Sehne, Gelenkkapsel oder Knochen Wunde mit Beteiligung von Sehne oder Kapsel Wunde, mit Beteiligung von Knochen oder Gelenk B Infektion Infektion Infektion Infektion C Ischämie Ischämie Ischämie Ischämie D Infektion und Ischämie Infektion und Ischämie Infektion und Ischämie Infektion und Ischämie Diabetische Osteoarthropathie (Charcot-Fuû) Makroangiopathischischämischer Fuû Durch eine ausgeprägte sensorische Neuropathie, durch eine progrediente Demineralisierung des Fuûskelettes, und die neuropathisch bedingte Skelettdeformitäten kann es zu Überlastungsfrakturen (¹Ermüdungsbrücheª) kommen. Es können alle Teile des Fuûskelettes betroffen sein, besonders häufig findet sich eine Osteoarthropathie im Bereich der Phalangen, der Metatarsal- und der Tarsalknochen (12). Trotz der starken Deformitäten wird der Fuû aufgrund der Schmerzlosigkeit oft normal belastet, wodurch es zu schweren Entzündungen mit Rötung und Überwärmung (12) und weiteren traumatischen Frakturen kommt (Abb. 2.3). Im Spätstadium kann das Fuûskelett (Längs- und Quergewölbe) völlig zusammenbrechen, vor allem wenn durch Zerreiûung von Bändern und Kapseln einzelne Fuûknochen so belastet werden, dass es zu einer völligen Auflösung der Fuûarchitektur kommt (16). Durch die Druckbelastung treten beim Charcot-Fuû auch gehäuft Ulzerationen auf (Tab. 2.31. Im Gegensatz zum überwärmten neuropathischen Fuû ist der ischämische bzw. neuroischämische Fuû kalt, livide mit fehlenden Fuûpulsen und akralen Läsionen (Abb.2.4). Als Grundkrankheit besteht eine periphere arterielle Verschlusskrankheit mit einem wesentlich deutlicheren Befall der Unterschenkel- und Fuûarterien als Tabelle 2.31 Wagner-Klassifizierung Grad 0: Risikofuû ohne Läsion Grad 1: oberflächliches Ulkus mit potenzieller Infektionsgefahr Grad 2: tiefes, gelenknah infiziertes Ulkus Grad 3: penetrierende Infektion mit Knochenbeteiligung Grad 4: begrenzte Vorfuû- oder Fersennekrose Grad 5: Nekrose des Fuûes Abb. 2.3 Diabetische Osteoarthropathie (Charcot-Fuû): Der Zusammenbruch des Fuûlängsgewölbes mit einem Verlust der normalen Fuûarchitektur ist gut zu erkennen. Die bestehende Hyperkeratose und die Ulzeration befinden sich durch die Verschiebung des Knochengefüges an einer atypischen Lokalisation. Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG Diabetischer Fuû 49 Diagnostische Verfahren Abb. 2.4 Makroangiopathisch-ischämischer Fuû: Beide Füûe zeigen eine blasses Kolorit, eine vermehrte Pigmentierung und typische akrale Nekrosen. Die Venenzeichnung ist schwach, und im Bereich der 2. und 3. Zehe links besteht eine kritische Ischämie. bei Nichtdiabetikern (3). Abgesehen vom stärkerem Befall unterscheidet sich das klinische Bild nicht von dem Gesunder. Es treten meist belastungsabhängige Schmerzen auf, ein Ruheschmerz deutet auf eine Zunahme der Durchblutungsstörung hin (12). Kleine Traumen und Infektionen beim ischämischen Fuû führen zu schwer heilbaren Wunden und Nekrosen. Starke Infektionszeichen fehlen meist (trockene Gangrän, Mumifizierung) und treten an der Übergangszone zwischen nekrotischem und vitalem Gewebe auf. Bei akuten Gefäûverschlüssen (Thrombosen im Bereich von arteriosklerotischen Läsionen) kann eine kritische Ischämie mit vitaler Bedrohung der Extremität auftreten. Neuropathisch-makroangiopathische Mischform Bei dieser Form treten die Probleme des neuropathischen und des makroangiopathischen Fuûes auf. Bei der gleichzeitig bestehenden sensorischen Neuropathie können die Schmerzen reduziert sein oder fehlen und erschweren so die Diagnose. Die Prognose bezüglich Erhaltung der Extremitäten ist bei dieser Mischform besonders schlecht. Die klinische Untersuchung des Fuûes gibt meist einen guten Aufschluss über die pathophysiologischen Ursachen des diabetischen Fuûsyndroms. Neben der sorgfältigen Anamnese sollte eine klinische Untersuchung (z. B. Inspektion, Pulsstatus, Hauttemperatur) und eine einfache neurologische Untersuchung mit Reflexstatus, Temperatur-, Berührungs-, und Vibrationsempfinden durchgeführt werden. Der Stellenwert der weiterführenden neurologischen Diagnostik ist auf S. 43 und 44 dargestellt. Die obligate Röntgenuntersuchung des Fuûes (in 2 Ebenen) erlaubt den Nachweis einer Osteomyelitis und anderer neuropathisch bedingter Veränderungen des Fuûskelettes (12). Bei unklarem Röntgenbefund erlaubt die Magnetresonanztomographie die Abklärung einer Knochenbeteiligung bei Infektion. Bei klinischen Infektionszeichen (Pus, Wundsekret, Osteomyelitis) sollte der auslösende Keim bestimmt werden, um eine entsprechende Antibiotikatherapie durchführen zu können. Zur Diagnose eines Charcot-Fuûes ist neben der CT- und MRI-Untersuchung auch ein Leukozytenszintigramm nützlich, um eine akute Osteoarthropathie von einer Osteomyelitis zu unterscheiden. Bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit sollte zunächst der Gefäûstatus klinisch erhoben werden. Neben der Tastung der arteriellen Pulse (Aa. femorales, Aa. popliteae, Aa. tibiales posteriores, Aa. dorsalis pedis) nach zumindest 20-minütigem Aufenthalt bei Raumtemperatur kommt vor allem der nichtinvasiven UltraschallDoppler-Untersuchung eine besondere Bedeutung zu. Weiterführend erlauben die Duplexsonograhie und die farbkodierte Duplexsonographie eine gute Aussage über Ausmaû und Lokalisation der Stenosen. Entscheidend für die Beurteilung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und für die Therapieplanung ist jedoch die intraarterielle digitale Subtraktionsangiographie, bei der eine Darstellung aller Gefäûe von der Hüfte bis zum Vorfuû möglich ist. Gute Hydrierung in der Vorbereitung und die Verwendung neuerer Kontrastmittel können die Gefahr eines kontrastmittelindizierten Nierenversagens bei vorbestehender diabetischer Nephropathie deutlich reduzieren (14). Therapie und Prophylaxe Wichtigstes Prinzip bei der Behandlung des neuropathischen Ulkus ist die Druckentlastung. Dies kann durch einen so genannten Vorfuû-Entlastungsschuh, Bettruhe, Gehstützen oder Rollstuhl erreicht werden. Auch nur geringe Belastungen durch Auftreten können den Heilungsprozess stören und so zur Chronifizierung der Wunde führen (6). Eine weitere Möglichkeit ist der Gehgips; hierbei sind jedoch engmaschige Kontrollen nötig, um Druckstellen zu vermeiden (11). Durch die regelmäûige Entfernung der Schwielen und des nekrotischen Gewebes wird die Wunde sauber gehalten. Lokale Wunddesinfektion kann mit Octenidindihydrochlorid/ 2-Phenoxy- Berlit, Sawicki, Neurologie ± Innere Medizin interdisziplinär (ISBN 9783131452511), 2007 Georg Thieme Verlag KG 50 2 Diabetes mellitus und neurologische Symptome ethanol durchgeführt werden. Die lokale Applikation von verschiedenen Wachstumsfaktoren für eine raschere Wundheilung ist derzeit in Erprobung, die bisher bekannten Ergebnisse sind aber enttäuschend. Bei Infektionen muss mit einer parenteralen Antibiotikatherapie begonnen werden. Bei Infektion tiefer Kompartimente oder Abszessbildung ist eine chirurgische Drainage angezeigt, wobei der Erhaltung der Extremität höchste Priorität zukommt (14). Die Behandlung der Osteoarthropathie (Charcot-Fuû) besteht in einer monatelangen Entlastung der betroffenen Extremität. Dabei kommt es zu einer Konsolidierung der Frakturen und zu einer Reossifizierung, allerdings immer in Form einer Defektheilung. Zur Erhaltung der Mobilität ist ein Zweischalengips am sinnvollsten. Chirurgische Interventionen beim Charcot-Fuû beziehen sich vor allem auf die Resektion von Exostosen und Knochenfragmenten, um eine Versorgung mit einem orthopädischen Maûschuh erreichen zu können. Die Behandlung des Charcot-Fuûes mit Bisphosphonaten befindet sich derzeit in klinischer Testung. Bei ischämischem Ulkus oder einer Wunde steht die Revaskularisierung an erster Stelle. Je nach Lokalisation und Ausmaû wird ein gefäûchirurgischer Eingriff oder eine perkutane, transluminale Angioplastie (PTA) mit oder ohne Stent angestrebt. Entscheidend ist, dass eine genaue Evaluation des Gefäûstatus durchgeführt wird, bevor eine leichtfertige Entscheidung für eine Minoroder gar Major-Amputation getroffen wird. Im Rahmen der konservativen Therapie ist der Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern (100 mg Acetylsalicylsäure) gut etabliert. Prostanoide zeigten in kleineren Fallstudien einen möglichen Nutzen, vor allem, wenn keine chirurgische Intervention möglich ist. Hingegen ist eine Reihe von ¹durchblutungsförderndenª Medikamenten (Gingkobiloba-Extrakt, Pentoxifyllin, Naftidrofuryl, Buflomedil und andere Präparate) von fraglichem Stellenwert, da kontrollierte Untersuchungen mit einem Wirksamkeitsnachweis fehlen. Der Prophylaxe kommt beim diabetischem Fuûsyndrom ein besonderer Stellenwert zu. 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