Klinik und Poliklinik für Mund- Kiefer- Gesichtschirurgie des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (Direktor: Univ.-Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. (UMF Temeschburg) H.-H. Horch) Zahnärztlich-chirurgische Sanierung vor Herzklappenersatz Julia Auer-Bahrs Vollständiger Abdruck der von der Fakultät für Medizin der Technischen Universität München zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Zahnheilkunde genehmigten Dissertation. Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr. D. Neumeier Prüfer der Dissertation: 1. Univ.-Prof. Dr. H. Deppe 2. Univ.-Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. (UMF Temeschburg) H.-H. Horch Die Dissertation wurde am 17.11.2004 bei der Technischen Universität München eingereicht und durch die Fakultät für Medizin am 15.06.2005 angenommen. Meinen Eltern und meinem Mann Roland Inhaltsverzeichnis 3 Inhaltsverzeichnis 1 2 Einleitung 1.1 Häufigkeit und Arten von Herzklappenersatz 7 1.2 Indikationen für Herzklappenersatz 9 1.3 Prothesenendokarditis 9 1.4 Aufgabenstellung 13 Infektiöse Endokarditis 13 2.1.1 Pathogenese der Nativ- und Bioklappenendokarditis 13 2.1.2 Pathogenese der Prothesenendokarditis 15 2.2 Zahnärztliche Aspekte 16 2.2.1 Mikrobiologische Aspekte 16 2.2.2 Endokarditisprophylaxe 19 2.2.3 Thromboembolische Komplikationen und deren Prophylaxe 22 Methodik 3.1 23 Datenerhebung 23 3.1.1 Befundbogen 23 3.1.2 Patientenfragebogen 27 3.1.3 Auswertungsbogen 27 3.1.4 Telefonische Patientenbefragung 29 3.2 4 11 Literaturübersicht 2.1 3 7 Statistische Auswertung 29 Ergebnisse 4.1 Ergebnisse 30 der Patientennachuntersuchung über die durchgeführte Therapie vor Klappenersatz und oraler Befund zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung 30 4.1.1 Alter, Geschlecht und Wohnorte der Patienten 31 4.1.2 Angaben zum Herzklappenersatz 32 4.1.3 Zahnstatus der Patienten 33 Inhaltsverzeichnis 4.1.4 Behandlungsbedarf aus Sicht der Klinik 33 4.1.5 Nicht behandelte Foci 35 4.1.6 Extraktionen 37 4.1.7 Devitale Zähne 41 4.1.8 Wurzelspitzenresektion 46 4.1.9 Impaktierte und teilretinierte Zähne vor und nach Klappenersatz 48 4.1.10 Wurzelreste 50 4.1.11 Parodontitis marginalis profunda 53 4.1.12 Karies 56 4.1.13 Implantate 59 4.1.14 Röntgenologisch sichtbare potentielle Foci vor und nach Klappenersatz 60 4.1.15 Mundhygiene und Gingivitis 64 4.1.16 Behandlungsbedarf zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung 65 4.2 Ergebnisse der Patientenbefragung 4.2.1 66 Kenntnisstand der Patienten über Endokarditisrisiken beim Zahnarzt und über Endokarditisprophylaxe 66 4.2.2 Nach Herzklappenersatz durchgeführte Behandlungen 67 4.2.3 Postoperative Zahnsteinentfernung 68 4.3 5 4 Ergebnisse der telefonischen Patientenbefragung 70 Diskussion 5.1 Ergebnisse 72 der Patientennachuntersuchung über die durchgeführte Therapie vor Klappenersatz 72 5.1.1 Behandlungsbedarf aus Sicht der Klinik 72 5.1.2 Nicht behandelte Foci 75 5.1.3 Extraktionen 76 5.1.4 Devitale Zähne 77 5.1.5 Wurzelspitzenresektion 81 5.1.6 Impaktierte und teilretinierte Zähne vor und nach Klappenersatz 82 5.1.7 Wurzelreste 85 5.1.8 Parodontitis marginalis profunda 86 5.1.9 Karies 87 Inhaltsverzeichnis 5.1.10 Implantate 5.1.11 Röntgenologisch 5 89 sichtbare potentielle Foci vor und nach Klappenersatz 90 5.1.12 Mundhygiene und Gingivitis 91 5.1.13 Behandlungsbedarf zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung 92 5.2 Ergebnisse der Patientenbefragung und oraler Befund zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung 5.2.1 94 Kenntnisstand der Patienten über Endokarditisrisiken beim Zahnarzt und über Endokarditisprophylaxe 94 5.2.2 Nach Klappenersatz durchgeführte Behandlungen 96 5.2.3 Postoperative Zahnsteinentfernung 98 5.3 Ergebnisse der telefonischen Patientenbefragung 99 6 Zusammenfassung 100 7 Literaturverzeichnis 103 8 Anhang 111 9 Danksagung 122 Lebenslauf 123 10 Abkürzungsverzeichnis 6 Abkürzungsverzeichnis AHA = American Heart Association AKE = Aortenklappenersatz API = Approximalraum-Plaque-Index B = Brückenglied c = kariöser Zahn DGP = Deutsche Gesellschaft für Parodontologie DGZMK = Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde f = fehlender Zahn K = Krone OPT = Orthopanthomogramm Par. marg. prof. = Parodontitis marginalis profunda PE = Prothesenendokarditis SBI = Sulkus-Blutungs-Index ST = Sondierungstiefe WSR = Wurzelspitzenresektion Einleitung 7 1 Einleitung 1.1 Häufigkeit und Arten von Herzklappenersatz Seit 1960 zum ersten Mal menschliche Herzklappen durch mechanische Prothesen ersetzt wurden, sind bis heute weltweit mehr als eine Million solcher Eingriffe vorgenommen worden [75 S. 94]. Nach Schätzungen der Marktbeobachtung von St. Jude Medical und Medtronic wurden 2002 alleine in Deutschland bei cirka 20.000 Menschen erkrankte Herzklappen durch Klappenprothesen ersetzt. Da sich eine Herzklappe pro Jahr ungefähr 40 Millionen Mal öffnet und schließt, müssen Herzklappenprothesen dieser enormen Dauerbelastung standhalten [8 S. 196, 75 S. 94]. Die Materialien, die dabei eingesetzt werden, sind: • Metall und Kunststoff [8 S. 204, 34 S. 660] • Pyrolytischer Kohlenstoff [75 S. 96] • Angepasste Herzklappen von Schweinen oder aus dem Rinderherzbeutel nachgeformte Herzklappen, beide nach chemischer Behandlung (Xenograft) [3 S. 52, 8 S. 203, 34 S. 660, 75 S. 97, 86 S. 19] • Präparierte Herzklappen von menschlichen Spendern (Homograft) [3 S. 52, 8 Abbildung 1a: Kippscheibenprothese Abbildung 1b: Doppelflügelprothese Abbildung 1c: Bioprothese mit Gerüst Obwohl die Fortschritte in der Konstruktion, Herstellung und differenzierten Anwendung von Herzklappenersatz sehr groß sind und auch die Weiterbehandlung Fotos: Sana herzchirurg. Klinik Stuttgart S. 201, 34 S. 660, 75 S. 99] Einleitung 8 nach der Operation optimiert wurde, sind Patienten sowohl mit Bioklappen (s. Abb. 1c), als auch mit künstlichen Herzklappen (s. Abb.1a und 1b) mit klappeninduzierten Risiken belastet [20 S. 36, 34 S. 660]. Die Lebensdauer biologischer Prothesen beträgt nur etwa 10 bis 15 Jahre [8 S. 204, 34 S. 660, 52 S. 22, 86 S. 19], weil durch die toxische Fixierung und das Fehlen autologer Endothelzellen auf den Klappensegeln die Verkalkung und Degeneration des biologischen Klappengewebes immer weiter fortschreitet und dadurch dessen Funktion immer stärker beeinträchtigt wird [37 S. 281, 75 S. 98]. Ihr Vorteil liegt darin, dass sie geräuschlos arbeiten und sich an ihnen keine Thromben bilden. Deshalb müssen die Patienten bei normalem Sinusrhythmus nur in den ersten drei postoperativen Monaten und nicht lebenslänglich mit Antikoagulantien behandelt werden [3 S. 55, 8 S. 204, 34 S. 660, 75 S. 98, 86 S. 19]. Künstliche Herzklappen hingegen haben eine praktisch unbegrenzte Haltbarkeit, verursachen aber oftmals ein klickendes Geräusch [3 S. 57, 8 S. 204]. Ihr Hauptnachteil besteht darin, dass sie die Gefahr einer Thrombose oder Embolie mit sich bringen [3 S. 57, 8 S. 204, 52 S. 21]. Deswegen ist für Patienten mit künstlichen Klappenprothesen eine dauerhafte Behandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten lebensnotwendig [3 S. 105, 7 S. 119, 8 S. 204, 34 S. 660, 52 S. 21, 75 S. 97, 86 S. 18]. In den vergangenen Jahren lag der Schwerpunkt der Bemühungen darin, prothesenbedingte und protheseninduzierte Komplikationen zu reduzieren und die Hämodynamik der Implantate zu verbessern. Deshalb wird das Operationsergebnis heute vor allem durch Schäden an Herzmuskel, Lunge, Leber und Niere beeinflusst, die bereits vor der Operation durch die Klappenerkrankung selbst verursacht werden. Um das Ausmaß dieser Schäden zu minimieren, fordern Herzchirurgen und Kardiologen nicht so spät wie möglich, sondern so früh wie nötig zu operieren [8 S. 201, 75 S. 83]. Der Erfolg einer zum rechten Zeitpunkt durchgeführten Herzklappenoperation zeigt sich nicht zuletzt darin, dass danach die Lebenserwartung des Patienten weit über der einer alleinigen medikamentösen Behandlung der Erkrankung liegt und nahezu die von Herzgesunden erreicht [75 S. 107]. Einleitung 9 1.2 Indikationen für Herzklappenersatz Als Folge degenerative verschiedenster Veränderungen kardiovaskulärer der Herzklappen Grunderkrankungen entstehen, durch können die ein Klappenersatz notwendig wird. Diese Veränderungen führen zur Stenose und/oder Insuffizienz der betroffenen Klappe und beeinträchtigen den Patienten gesundheitlich [86 S. 12]. Heute ist die sklerotische Deformation der Herzklappen die häufigste Ursache für einen Klappenersatz, gefolgt von der infektiösen Genese [14 S. 661, 45 S. 291]. Auch immunologische, ischämische und traumatische Ursachen sowie angeborene Herzklappenfehler können einen Klappenersatz notwendig machen [21 S. 2]. Am häufigsten sind die Klappen des linken Herzens, die Aorten- und die Mitralklappe betroffen [14 S. 661, 86 S. 12]. Ab einem bestimmten Schweregrad der Erkrankung ist eine rekonstruktive Operation nicht mehr möglich und es muss ein Klappenersatz durchgeführt werden [8 S. 203, 27 S. 111]. 1.3 Prothesenendokarditis Nach Klappenersatz besteht die Gefahr, dass dentogene Streuherde eine bakteriologische Fernwirkung auf die neue biologische oder mechanische Klappe als locus minoris resistentiae ausüben und damit eine Prothesenendokarditis (s. Abb. 2) induzieren [3 S. 60, 45 S. 291]. Die Prothesenendokarditis stellt stets ein schweres Krankheitsbild dar und führt in etwa 23 bis 60% der Fälle frühpostoperativ zum Tod [21 S. 4, 31 S. 481]. Das Risiko einer Prothesenendokarditis muss daher minimiert werden und somit steht die dentogene Fokussuche im Evaluationsprogramm von Patienten mit bevorstehendem Herzklappenersatz. Abbildung 2: zerstörte Herzklappenprothese nach Prothesenendokarditis 10 Foto: Dr. Richard Eyermann, Allgemeinmediziner und Kinderkardiologe aus München Einleitung Ein Fokus (Herd, Streuherd) wird als krankhafter Prozess, welcher über die direkte Umgebung hinaus pathologische Fernwirkungen entfalten kann, definiert [34 S. 516, 45 S. 289]. Als pathologischer Mechanismus wird einerseits die Einschwemmung von Bakterien oder deren Toxinen in den Blutkreislauf, andererseits eine allergische Reaktion oder eine vegetative Störung diskutiert [46 S. 38, 65 S. 310]. In der Zahn- Mund- und Kieferheilkunde unterscheidet man zwischen potentiellem Fokus wie periapikalem Granulom, radikulärer Zyste und vergessenem Wurzelrest sowie fakultativem Fokus wie devitalem Zahn und marginaler Parodontopathie [45 S. 289]. Einleitung 11 1.4 Aufgabenstellung Derzeit gibt es in Deutschland keine allgemein anerkannten Empfehlungen für die zahnärztliche Sanierung vor Herzklappenersatz. Patienten mit mechanischem oder biologischem Klappenersatz besitzen ein extrem hohes Risiko, an einer Prothesenendokarditis zu erkranken. Die Therapie der Prothesenendokarditis erfordert in den meisten Fällen vor allem frühpostoperativ die Reoperation des Patienten [31 S. 483]. Eine infektiöse Endokarditis kann bei Klappenprothesenträgern im MundKieferbereich sowohl durch nicht behandelte Foci, die ständig Bakteriämien verursachen, als auch durch konservierende, prothetische oder chirurgische Eingriffe, bei denen es zur Eröffnung von Blutgefäßen kommt, ausgelöst werden. So konnte bei 76,4% der Patienten mit Prothesenendokarditis in der jüngsten Anamnese eine Infektion oder ein diagnostischer bzw. therapeutischer Eingriff mit wahrscheinlicher Bakteriämie erfragt werden [41 S. 652]. Um für Patienten mit Herzklappenersatz bei schleimhautverletzenden Eingriffen das Endokarditisrisiko zu minimieren, ist stets eine Antibiotikaprophylaxe erforderlich. Für Patienten mit mechanischen Klappenprothesen ist eine lebenslange Therapie mit Antikoagulantien unverzichtbar, um thromboembolische Komplikationen zu vermeiden. Das damit verbundene stark erhöhte Blutungsrisiko muss bei allen zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen beachtet werden. Dabei sind strenge Maßstäbe hinsichtlich der Anhebung des therapeutischen Gerinnungswertes anzulegen, um nicht unnötig das Thromboserisiko des Patienten zu erhöhen. Gegebenenfalls ist eine Umstellung auf Heparin erforderlich. Um zu vermeiden, dass nach Klappenersatz unbehandelte bakteriämieverursachende Herde eine Endokarditis auslösen, für zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen der therapeutische Quickwert angehoben werden muss und die Nebenwirkungen der Antibiotikaprophylaxe den Organismus des Patienten belasten, sollte vor der geplanten Herzoperation eine gründliche Sanierung im Mund-Kieferbereich durchgeführt werden. Einleitung 12 Ziel dieser Arbeit ist es, die zahnärztlich-chirurgischen Sanierungsmaßnahmen für Patienten mit geplantem Herzklappenersatz zu untersuchen, die in der Klinik und Poliklinik für Mund- Kiefer- Gesichtschirurgie des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München zwischen 1995 und 2001 durchgeführt wurden und aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse Empfehlungen für die zahnärztlichchirurgische Sanierung vor Herzklappenersatz abzuleiten. Literaturübersicht 13 2 Literaturübersicht 2.1 Infektiöse Endokarditis 2.1.1 Pathogenese der Nativ- und Bioklappenendokarditis Die infektiöse Endokarditis ist eine mikrobiell verursachte Entzündung des Endokards und der endokardialen Strukturen der Herzklappen [12 S. 205]. Ein gesundes, nicht vorgeschädigtes Endokard zeigt sich normalerweise gegen eine Besiedelung mit Mikroorganismen weitgehend resistent [41 S. 650]. Somit ist die Störung der funktionellen Integrität des Endokards eine Grundvoraussetzung für die Entstehung einer infektiösen Endokarditis [9 S. 147, 39 S. 7, 56 S. 494, 70 S. 13]. Diese Endokardschädigung kann verursacht werden durch traumatische Faktoren (z.B. turbulente Blutströmung als Folge einer Klappeninsuffizienz oder – stenose), toxische Faktoren (z.B. Streptolysin 0) oder immunologische Faktoren (z.B. rheumatisches Fieber) [39 S. 7, 41 S. 651]. An solchen Endothelläsionen entstehen Mikrothromben aus Thrombozyten und Fibrin. Diese zunächst abakteriellen Thromben können während einer Bakteriämie von Endokarditiserregern besiedelt werden. Die Thromben werden von Erregern infiziert, die aus dem intrakardialen Blut stammen [39 S. 8, 41 S. 651, 56 S. 495, 70 S. 13]. Deshalb muss während einer exogenen oder endogenen Bakteriämie eine ausreichend große Zahl adhäsions- und vermehrungsfähiger Erreger in den Blutkreislauf gelangen, um eine Infektion der Thromben hervorzurufen [38 S.2390]. Exogene Bakteriämien von kurzer Dauer können durch diagnostische oder therapeutische Eingriffe ausgelöst werden. Hingegen verursachen beispielsweise arterielle und venöse Zugänge, Verweilkatheder, Respiratorbehandlungen und Infektionen (Bronchitiden, Meningitiden, Hautinfektionen etc.) persistierende endogene Bakteriämien [39 S. 9]. Durch die Infektion selbst und die der Abwehr dienende entzündliche Reaktion des Körpers kommt es relativ rasch zu einer Zerstörung der Herzklappe [36 S. 20]. Literaturübersicht 14 Voraussetzung für die Entstehung einer infektiösen Endokarditis ist das Versagen der Makrophagenaktivierung oder der humoralen Infektabwehr als Folge der infektiven Potenz des Erregers, unzureichender Komplementaktivierung (Serumbakterizidie) oder Eliminationskapazität des retikulo-histiozitären Systems für das infektiöse Agens (Clearance). Erkrankungen mit Komplementverbrauch, reduzierter zellulärer Immunreaktivität und immunsuppressive Serumfaktoren (Im- mundeffektsyndrom, Alkoholismus, Drogenabusus usw.) sind wesentliche Faktoren, die die Serumbakterizidie und Clearence reduzieren [41 S. 651]. Sowohl in Blutkulturen von Endokarditispatienten, als auch in Bakteriämie-Studien nach zahnärztlichen Eingriffen dominieren die Streptokokken [14 S. 661, 35 S. 56, 41 S. 653, 56 S. 495, 62 S. 246, 68 S. 826, 70 S. 11, 71 S. 997, 73 S. 113], wenngleich die durch Staphylokokken hervorgerufenen Endokarditiden an Häufigkeit zugenommen haben [12 S. 207, 14 S. 661, 54 S. 1994, 63 S. 145]. Die Dominanz der Streptokokken beruht unter anderem darauf, dass als Ausgangsort für eine hämatogene Streptokokken-Besiedelung der Herzklappe der Mund- NasenRachenraum, der Darmtrakt und seltener auch der Urogenitalbereich dienen, wo es durch häufige und vielfältige Anlässe zu passageren Bakteriämien kommt [45 S. 291, 70 S.11, 73 S. 113]. Desweiteren besitzen Streptokokken Eigenschaften, um als Kommensalen und als Teil der residenten Flora auf dem Schleimhautepithel zu persistieren. Außerdem verfügen Streptokokken über Adhäsionsmechanismen, die sie auch bei hoher Strömungsgeschwindigkeit des Blutes fest an Endokardläsionen verankern. Dies ist zum einen die Glykokalix-bedingte Adhäsion über hydrophobe Wechselwirkungen zwischen körpereigenen kollagenösen Substanzen und den fibrillären Polysacchariden der bakteriellen Glykokalix [11 S. 579, 70 S. 13, 73 S. 113], sowie zum anderen die Lektin-vermittelte Bindung der bakteriellen Pili an Rezeptoren der körpereigenen Zellmembranoberfläche und die elektrostatisch bedingten Anziehungskräfte zwischen den in der Zellwand grampositiver Bakterien typischen Lipoteichonsäuren und körpereigenem Fibronektin [16 S. 457, 41 S. 651, 73 S. 114]. Die ausgeprägte Bildung von Glykokalix dient den Streptokokken nicht nur zur Adhäsion auf Epithelien und verrukösen Endokardläsionen, sondern bietet auch einen gewissen Schutz gegen die natürliche Blutbakterizidie [11 S. 582, 41 S. 651, 56 S. 495, 73 S. 114]. Literaturübersicht 15 Die Sterilisation von Klappenvegetationen ist aufgrund des morphologischen Aufbaus der Vegetationen schwierig: Die Erreger erreichen in der Klappenvegetation sehr hohe Konzentrationen von 109 bis 1010 Erreger pro Gramm Gewebe, befinden sich innerhalb der Vegetation im Zustand eines reduzierten Metabolismus und werden durch eine Matrix aus Fibrin und Thrombozyten vor körpereigenen Immunzellen sowie vor Antibiotika geschützt. Außerdem können die Antibiotika das Zentrum der nicht vaskularisierten Vegetationen nur per diffusionem erreichen [13 S. 252+253]. 2.1.2 Pathogenese der Prothesenendokarditis Im Gegensatz zur Nativklappenendokarditis sind die häufigsten Erreger der Endokarditis bei künstlichen Klappen koagulasenegative Staphylokokken, Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis [21 S. 1, 63 S. 151+152]. Der Entstehung der Prothesenendokarditis bei Patienten mit künstlichen Herzklappen liegt ein anderer Pathomechanismus zu Grunde: Auf der Oberfläche der Klappenprothese bilden die Bakterien einen Biofilm, indem sie sich eng aneinander heften. Entscheidend ist dabei die Fähigkeit vor allem der koagulasenegativen Staphylokokken irreversibel an Polymeroberflächen zu adhärieren und zu mehrschichtigen Zelllagen heranzuwachsen. Es entsteht eine gallertartige Matrix, da die Staphylokokken eine extrazelluläre Schleimsubstanz produzieren, in der die Zellschichten völlig eingebettet werden [63 S. 151]. Dieser Schutzfilm bewirkt, dass die Bakterien ca. tausendfach widerstandsfähiger gegen Wirtsabwehrmechanismen und antibakterielle Chemotherapeutika sind als freie Bakterien, die im Blut zirkulieren [29 S. 49, 63 S. 151]. Daher führt der Schutzfilm in der Regel zu einer Resistenz der Bakterien auf der Polymeroberfläche der Klappenprothese besonders gegen die übliche Antibiotikatherapie [29 S. 49]. So wird verständlich, warum für diese Patientengruppe die Vermeidung einer Prothesenendokarditis (lebens-)wichtig ist. Literaturübersicht 16 2.2 Zahnärztliche Aspekte 2.2.1 Mikrobiologische Aspekte Intraorale Eingriffe, die zu einer Verletzung der Mundschleimhaut führen, bergen neben dem bei allen Operationen prinzipiell vorhandenen exogenen Infektionsrisiko auch ein endogenes Infektionsrisiko [24 S. 96]. Solche endogene Infektionen können unter anderem durch zahnärztliche Maßnahmen hervorgerufen werden, bei denen Mikroorganismen der ortsständigen Mundhöhlenflora in die Blutbahn des Patienten gelangen [26 S. 289, 70 S. 12]. Durch strikte Einhaltung aller hygienischer Maßnahmen kann das exogene Infektionsrisiko auf ein Minimum reduziert werden. Es ist allerdings nicht möglich, das endogene Infektionsrisiko bei diagnostischen und therapeutischen Eingriffen innerhalb der Mundhöhle auszuschalten [24 S. 96]. Die gesunde Mundhöhle wird von einer gemischten Standortflora besiedelt, die sich sowohl aus obligaten Anaerobiern, als auch aus Aerobiern zusammensetzt. Bis heute konnten mehrere hundert verschiedene Arten von Mikroorganismen isoliert werden. Über 80% der kultivierbaren oralen Flora besteht aus Streptococcus, Peptostreptococcus, Veillonella, Lactobacillus, Corynebacterium und ActinomycesSpezies [24 S. 97, 41 S. 653, 70 S. 11]. Innerhalb der Mundhöhle gibt es bevorzugte Lebensräume der Bakterienarten. So wird die Oberfläche der Zahnhartsubstanz vorzugsweise von Streptococcus mutans, Streptococcus sanguis, Streptococcus mitis und Actinomyces viscosus besiedelt [4 S. 18]. Auf den Schleimhäuten von Zunge und Planum buccale kolonisieren überwiegend Streptococcus salivarius und Veillonella species. Im Zahnfleischsulkus hingegen werden gehäuft Streptococcus milleri, Fusobakterium, pigmentierte Bacteroides species und anaerobe Spirochaeten gefunden [4 S. 18]. Grundsätzlich können bei zahnärztlichen Eingriffen, die mit einer Eröffnung der Blutgefäße einhergehen, alle Bakterienarten, die zur Mundflora gehören, in die Blutbahn gelangen [36 S. 19, 70 S. 12]. In Blutkulturen werden entsprechend der Besiedelung der Mundhöhle und vor allem des gingivalen Sulkus überwiegend Literaturübersicht 17 Streptokokken der Viridans-Gruppe gefunden. Daneben treten in wechselnder Häufigkeit und Kombination andere Aerobier wie Corynebakterien, koagulasenegative Staphylokokken und Neisserien sowie vor allem gramnegative Anaerobier wie Fusobakterien, Veillonellen und Bactroides-Arten in den Blutkulturen auf [41 S. 653, 70 S. 11]. Dass im Prinzip jeder Eingriff in der Mundhöhle, bei dem Blutgefäße eröffnet werden, zu einer Bakteriämie führen kann, wurde in zahlreichen Untersuchungen bestätigt. Allerdings schwanken die in der Literatur angegebenen Häufigkeiten teils sehr stark. Dies lässt sich auf die jeweils unterschiedlich lange Zeitspanne zwischen Eingriff und Blutentnahme sowie auf die unterschiedlichen bakteriologischen Nachweismethoden zurückführen. So wurden nach Zahnextraktionen in 43% bis 98% der Fälle Bakteriämien diagnostiziert [23 S. 38, 38 S. 2392, 41 S. 650, 66 S. 2, 70 S. 52, 84 S. 403]. Auch Injektionen, prothetische und konservierende Eingriffe, bei denen es zur Verletzung der Gingiva kommt, Zahnsteinentfernungen, endodontische Behandlungen und Parodontalbehandlungen können Bakteriämien verursachen. Dafür werden Häufigkeiten von 10 bis 90% angegeben [41 S. 650, 43 S. 20, 69 S. 906]. Eine besondere Rolle spielt der gingivale Sulkus als Keimreservoir [66 S. 2, 69 S. 907, 85 S. 51]. Er stellt mit einer signifikant höheren Keimdichte als der übrige Mundbereich das entscheidende Keimreservoir für Bakteriämien dar [41 S. 652]. Deshalb treten nachweisbare Bakteriämien nach Zahnsteinentfernung in 30 bis 40%, nach Parodontalchirurgie in 60 bis 70%, nach Zahnextraktion in 80 bis 90% oder nach intraligamentärer Injektion in über 60 bis 70% der Fälle auf [14 S. 661, 41 S. 650, 67 S. 2124, 68 S. 822, 70 S. 31]. Bei anderen Eingriffen allerdings, bei denen das marginale Parodont nicht verletzt wird, wie z.B. bei der Terminal- oder Leitungsanästhesie oder bei Aufklappung der beweglichen Gingiva, liegt der Anteil der Bakteriämien nur bei ca. 10% [69 S. 907, 70 S. 31]. Das Risiko einer Bakteriämie hängt nicht nur vom Eingriffsort, sondern auch von der Dauer und der Art des Eingriffs ab. So kann durch eine kürzere Eingriffsdauer und durch eine geringere Traumatisierung der beteiligten Gewebe die Keimeinschwemmung gesenkt werden [41 S. 652, 70 S. 12]. Die Inzidenz bakterieller Endokarditiden ist zwar mit 10 bis 60 pro eine Million Einwohner pro Jahr insgesamt Literaturübersicht 18 gering [9 S. 147, 23 S. 39, 53 S. 1318, 81 S. 262], doch wurde in den letzten Jahren ein Anstieg verzeichnet [2 S. 510, 6 S. 15, 87 S. 346], der auf die steigende Lebenserwartung und die Zunahme prädisponierender Herzerkrankungen zurückzuführen ist [70 S. 14]. Bis heute ist noch unklar, wie häufig bakterielle Endokarditiden infolge zahnärztlicher Eingriffe auftreten. Da zahnärztlich-chirurgische Eingriffe zu den häufigsten operativen Eingriffen überhaupt gehören und diese Eingriffe zu einem hohen Prozentsatz Bakteriämien verursachen, muss angenommen werden, dass dieser Anteil relativ hoch ist. So wird ihr Anteil auf 11 bis 50% aller Endokarditis-Fälle geschätzt. Bei den durch Streptokokken induzierten Endokarditiden werden zahnärztliche Eingriffe für bis zu 92% der Erkrankungen als mitverursachend angesehen [70 S. 13]. Ebenso können keine exakten Aussagen über die Inzidenz der Endokarditis als Folge fehlender Antibiotikaprophylaxe nach zahnärztlichchirurgischen Eingriffen gemacht werden [87 S. 346]. Obwohl es heute hochwirksame Antibiotika gegen Viridans-Streptokokken gibt, ist die manifeste Endokarditis immer noch mit einer hohen Letalität verbunden [9 S. 147, 23 S. 43, 81 S. 262, 87 S. 345]. Die Letalität der bakteriellen Endokarditis wird in Studien aus den letzten 15 Jahren mit 18 bis 35% angegeben [6 S. 15, 12 S. 205, 18 S. 394, 78 S. 281, 89 S. 53]. Dabei ist die Mortalität vom Typ des Erregers abhängig und liegt für Viridans-Streptokokken sowie für Streptococcus bovis bei 4 bis 16%, für Enterokokken bei 15 bis 25%, für Staphylococcus aureus bei 25 bis 47% und für Pseudomonas aeruginosa, Enterobakterien oder Pilzen bei über 50% [12 S. 208, 53 S. 1327]. Literaturübersicht 2.2.2 19 Endokarditisprophylaxe Zahnärztliche Eingriffe, die zu Bakteriämien führen können, dürfen bei Patienten mit Endokarditis-Prädisposition nur unter antibiotischer Abdeckung durchgeführt werden. Ein erhöhtes Risiko ist laut American Heart Association [17 S. 1796, 57 S. 3] zu erwarten bei: • Zahnextraktion • operativer Zahnentfernung • Wurzelspitzenresektion • parodontalen Behandlungsmaßnahmen o parodontale Untersuchung mit Taschensondierung o Zahnsteinentfernung und Zahn- oder Implantatreinigung mit lokaler Blutungsmöglichkeit o Wurzelglättung und Scaling o Parodontalchirurgie o subgingivale Applikation von Antibiotikaträgern • dentaler Implantation und Replantation • Endodontie • initialer Applikation von kieferorthopädischen Bändern • intraligamentärer Injektion von Lokalanästhetika Als Endokarditisprophylaxe ist die einmalige Antibiotikumgabe, eine sog. one-shotTherapie per os ausreichend, da Bakteriämien, die durch zahnärztliche Eingriffe ausgelöst wurden, in aller Regel nicht länger als 15 Minuten über die Beendigung der bakteriämieverursachenden Intervention hinaus andauern [9 S. 147, 41 S. 653, 43 S. 20, 55 S. 665, 69 S. 907, 70 S. 12]. Die Auswahl des Antibiotikums orientiert sich an den wahrscheinlich eine Bakteriämie verursachenden Erregern. Das von der DGZMK seit 1999 empfohlene Prophylaxeschema wurde tierexperi- Literaturübersicht 20 mentell hinreichend erprobt [40 S. 124, 41 S. 654, 55 S. 665]. Dieses Schema wurde aufgrund der 1997 von der American Heart Association veröffentlichten Empfehlungen zur Endokarditisprophylaxe bei Risikopatienten vor Eingriffen im Zahn- Mund- und Kieferbereich entwickelt [17 S. 1798]. Als Medikament der Wahl haben sich Penicilline und insbesonders Amoxicillin erwiesen. Bei Vorliegen einer Penicillinallergie bietet Clindamycin in der zahnärztlichen Praxis eine gleichwertige Alternative [1 S. 568, 41 S. 655, 55 S. 665]. Standardprophylaxe Amoxicillin 2 g p.o. 3 2 g p.o. (< 70 kg) 2 bis 3 g p.o. (> 70 kg) 2 60 Min. vor dem Eingriff orale Anwendung nicht möglich Ampicillin 2,0 g im oder iv 30 Min. vor dem Eingriff 3 bei Penicillinallergie Clindamycin 600 mg p.o. 2,3 Azithromycin 500 mg p.o. 3 Clarithromycin 500 mg p.o. 3 60 Min. vor dem Eingriff Penicillinallergie und orale Anwendung nicht möglich Clindamycin 600 mg iv oder Cefazolin 1,0 g im oder iv 3 30 Min. vor dem Eingriff Standardprophylaxe bei Kindern 50 mg /kg1 Amoxicillin p.o. 2 60 Min. vor dem Eingriff bei Kindern mit Penicillinallergie 15 mg/kg1 Clindamycin p.o. 2 60 Min. vor dem Eingriff Tabelle 1: Von der DGZMK und der AHA empfohlenes Prophylaxeschema bei zahnärztlichen Eingriffen [17 S. 1798, 42 S. 3] 1 Höchste Einzeldosis wie bei Erwachsenen [42 S. 3] 2 Von der DGZMK empfohlenes oral anwendbares Prophylaxeschema bei zahnärztlichen Eingriffen [42 S. 3] 3 Von der AHA empfohlenes Prophylaxeschema bei zahnärztlichen Eingriffen [17 S. 1798] Literaturübersicht 21 Im Gegensatz zu früheren Empfehlungen, denen entsprechend eine Stunde vor dem Eingriff 3,0 g Amoxicillin und sechs Stunden später noch einmal 1,5 g appliziert werden sollten, wird heute die Gabe einer Einmaldosis von 2,0 g/ 3,0 g Amoxicillin empfohlen [9 S. 148, 41 S. 655]. Da die Serumkonzentration von Amoxicillin ausreichend lange über der minimalen Hemmkonzentration der relevanten Keime liegt, ist die Applikation einer weiteren Antibiotikadosis nicht notwendig [9 S. 148]. Außerdem ist die Antibiotikaprophylaxe möglichst kurz zu halten, um die Gefahr der Resistenzentwicklungen zu minimieren [7 S. 139]. Wenn mehrere zahnärztliche Eingriffe, bei denen ein Bakteriämierisiko besteht, durchgeführt werden müssen, ist vor jedem Behandlungstermin eine eigene Prophylaxe entsprechend den Empfehlungen notwendig. Um Resistenzen zu vermeiden, sollten während einer Behandlungssitzung mehrere Eingriffe durchgeführt werden und falls erforderlich, zwischen zwei aufeinanderfolgenden Behandlungsterminen eine Pause von ca. 14 Tagen eingehalten werden [9 S. 148, 42 S. 2]. Lokale zahnärztliche Maßnahmen zur Keimreduktion mindern das Risiko einer Bakteriämie, ersetzen aber die prophylaktische Gabe von Antibiotika nicht [41 S. 654]. Es kann durch den Einsatz von Antiseptika wie Chlorhexidin und PolyvidonJod eine lokale Keimreduktion innerhalb der Mundhöhle erreicht werden [9 S. 147, 41 S. 654]. Vor Injektionen empfiehlt sich die lokale Applikation eines Oberflächenantiseptikums. Auch durch Wegblasen des bakterienhaltigen Speichels mit dem Luftbläser kann man eine effektive kurzfristige lokale Keimreduktion erzielen [24 S. 100]. Zweifellos kommt auch der Mundhygiene des Patienten als orale Infektionsprophylaxe zur Vermeidung passagerer Bakteriämien große Bedeutung zu. Durch eine sehr gute Mundhygiene sowie die Erhaltung eines gesunden und entzündungsfreien Parodonts kann das Bakteriämierisiko bei zahnärztlichen Eingriffen um bis zu 50% reduziert werden [68 S. 822]. Da sich das Endokarditisrisiko auch durch eine Antibiotikaprophylaxe und zusätzliche lokale Maßnahmen zur Keimreduktion nicht vollständig ausschließen lässt, sollten Zahnärzte bei entsprechend gefährdeten Patienten nach einem invasiven Eingriff trotzdem auf Frühsymptome einer Endokarditis (hohes Fieber, Schüttelfrost, Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, progrediente Herzinsuffizienz, Gelenkschmerzen etc.) achten [9 S. 148, 13 S. 251, 34 S. 424, 36 S. 20]. Literaturübersicht 2.2.3 22 Thromboembolische Komplikationen und deren Prophylaxe Patienten mit mechanischen Kunstklappen müssen lebenslang mit oralen Antikoagulantien behandelt werden, um thromboembolische Komplikationen zu vermeiden. Dies gilt nicht für Patienten mit Bioprothesen, die nur in den ersten drei postoperativen Monaten antikoaguliert werden [34 S. 660]. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass es nach mechanischem Herzklappenersatz ohne Dauerantikoagulation wesentlich häufiger zu Thromboembolien kommt, als bei Patienten mit entsprechender Medikation [37 S. 302, 47 S. 393]. So sind fünf Jahre nach mechanischem Herzklappenersatz 99,5% der Patienten, die mit Antikoagulantien behandelt werden, frei von Thrombosen [37 S. 303]. Allerdings treten trotz Antikoagulantienbehandlung bei 0,5% der Patienten Thrombosen auf, wobei Patienten mit stabiler suffizienter Antikoagulation wesentlich seltener betroffen sind, als Patienten mit großer Fluktuation der Gerinnungswerte oder einer Unterbrechung der oralen Dauerantikoagulation [37 S. 337]. Dem großen Nutzen der Dauerantikoagulation hinsichtlich der Thromboseprophylaxe steht eine erhöhte Blutungsneigung gegenüber, die bei zahnärztlichchirurgischen Eingriffen zu Komplikationen führen kann [7 S. 152]. Dieses Risiko muss bei allen blutigen Eingriffen berücksichtigt werden. Um postoperativ nicht stillbare Blutungen zu vermeiden, sollte bei größeren chirurgischen Eingriffen der therapeutische Gerinnungswert angehoben werden. Dies kann durch eine Unterbrechung der Antikoagulantiengabe erreicht werden, wodurch allerdings das Thromboserisiko erhöht wird, oder durch eine Umstellung auf Heparin [47 S. 393]. Die Umstellung der Gerinnung darf nur in Rücksprache mit dem behandelnden Kardiologen bzw. durch diesen erfolgen. Methodik 23 3 Methodik 3.1 Datenerhebung Im Herbst 2002 wurden 305 Patienten, die zwischen 1995 und 2001 einen mechanischen oder biologischen Herzklappenersatz erhalten haben, zu einer klinischen Nachuntersuchung gebeten (s. Anhang). Diese Patienten waren vor ihrer Operation am Herzen im Deutschen Herzzentrum München in die Klinik und Poliklinik für Mund- Kiefer- Gesichtschirurgie des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München überwiesen worden, um abzuklären, ob ein Fokus im Fachgebiet vorhanden ist und um diesen gegebenenfalls vor der Herzoperation sanieren zu lassen. Für die Studie wurde ein Befundbogen, ein Patientenfragebogen und ein Auswertungsbogen entworfen (s. Anhang). 3.1.1 Befundbogen Für den Allgemeinstatus wurden folgende Befunde erhoben: - Alter des Patienten - Geschlecht des Patienten - Wohnort des Patienten - Art und Tragedauer des Herzklappenersatzes Der orale Status des einzelnen Patienten zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung wurde ebenfalls im Befundbogen dokumentiert: - klinische Inspektion Es wurde eine eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten sowie eine Aufnahme des Zahnbestandes und der prothetischen Versorgung durchgeführt. Methodik 24 - Thermischer Sensibilitätstest Durch die Applikation eines Kältereizes (Kältespray) auf der Oberfläche des Zahnes wird die Reizung der freien Nervenendigungen der Pulpa hervorgerufen. Eine geringe bis moderate Reizantwort mit sofortiger Remission wird im Befundbogen als Ja (+) eingetragen. Eine deutlich über das Einwirken des Stimulus hinausreichende Schmerzdauer sowie eine sehr starke Reizantwort wird mit Ja (++) bewertet. Keine Reaktion auf den Kältereiz wurde mit Nein (-) dokumentiert. diagnostische Bedeutung [90 S. 296]: - geringe bis moderate Reizantwort und sofortige Remission: normal - Schmerzdauer wesentlich länger als der Stimulus / sehr starke Reizantwort: Hinweis auf Pulpitis - keine Reizantwort: • normal bei vollständiger Sklerosierung der Pulpa • normal bei bereits endodontisch behandelten Zähnen • Hinweis auf Devitalität bei endodontisch unversorgten Zähnen - Perkussionstest Die Durchführung des Perkussionstests erfolgt durch sachtes Beklopfen der Inzisalkante bzw. der Okklusalfläche jedes Zahnes mit dem Ende eines Instrumentengriffes. Weist der Zahn eine periapikale Entzündung auf, wird auf Grund des Beklopfens ein Schmerz durch Reizung des apikalen Gewebes ausgelöst. Im Vergleich dazu wird das Beklopfen eines periapikal entzündungsfreien Zahnes vom Patienten nicht als schmerzhaft empfunden [90 S. 296]. Ein klopfempfindlicher Zahn wird mit Ja (+) und ein nicht klopfempfindlicher Zahn mit Nein (-) bewertet und das Ergebnis für jeden Zahn in den Befundbogen des Patienten eingetragen. Methodik 25 - Bestimmung der Zahnmobilität Die Lockerungsgrade der Zähne werden mit Hilfe eines starren Instrumentes auf der einen Seite des Zahnes und der Fingerkuppe auf der anderen Seite des Zahnes bestimmt. Die Zahnbeweglichkeit wird nach folgenden Graden eingeteilt [90 S. 270]: Lockerungsgrad 0 - physiologische Beweglichkeit Lockerungsgrad I - gerade fühlbar Lockerungsgrad II - sichtbar, d. h. es ist eine Mobilität von 1-2 mm in horizontaler Richtung feststellbar Lockerungsgrad III - Auslenkung des Zahnes von mehr als 2 mm in horizontaler Richtung und/oder beweglich auf Lippen- und Zungendruck und/oder Mobilität in axialer Richtung Für jeden Zahn wurde der jeweilige Lockerungsgrad im Befundbogen dokumentiert. - Approximalraum-Plaque-Index (API) (nach Lange 1986) Der API dient der klinischen Erfassung der Mundhygiene des Patienten. Um den API erheben zu können, wird die Plaque mit Hilfe eines Plaque-Revelators (Malachitgrün 2%) farbig sichtbar gemacht, wobei die Kieferquadranten 1 und 3 von oral und die Kieferquadranten 2 und 4 von vestibulär angefärbt werden. Die nach kräftigem Ausspülen gefärbten und ungefärbten Interdentalräume werden danach beurteilt, ob Plaque vorhanden ist oder nicht. Vorhandene angefärbte Plaque wurde mit Ja (+), fehlende Plaque mit Nein (-) bezeichnet und entsprechend im Befundbogen vermerkt. Methodik 26 Anschließend wurde der prozentuale Plaquebefall nach folgender Formel ermittelt: API = Summe der positiven Plaquemesspunkte x 100 Gesamtzahl der vorhandenen Approximalraummeßpunkte Somit konnte auf Grund von Erfahrungswerten die Qualität der Mundhygiene des Patienten anhand des API wie folgt beurteilt werden [90 S. 83]: API (Bewertung der Zahnbeläge) Qualität der Mundhygiene 100 – 70% schlechte Mundhygiene 70 – 35% mäßige Mundhygiene 35 – 25% gute Mundhygiene 25 – 0% sehr gute Mundhygiene Tabelle 2: Bewertung der Qualität der Mundhygiene - Mundschleimhautbefund Da die Patienten im Einladungsschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen wurden, dass zur Nachuntersuchung keine Endokarditisprophylaxe notwendig sei, wurde, um jedes Risiko auszuschließen, auf eine parodontale Sondierung zur Bestimmung des Sulkus-Blutungs-Index (SBI) verzichtet. Deshalb wurde die Entscheidung, ob eine Gingivitis vorlag oder nicht, aufgrund klinischer Entzündungszeichen wie Farbveränderung und Schwellung der Gingiva getroffen. Eine rosafarbene Gingiva wurde als nicht entzündet, eine hell- bzw. dunkelrot aussehende Gingiva als leicht bzw. stark entzündet klassifiziert. Zusätzlich wurden die Patienten über Zahnfleischbeschwerden oder wiederholtes Zahnfleischbluten bei der Mundhygiene befragt. Das Vorliegen einer Gingivitis wurde im Befundbogen mit Ja (+) eingetragen. Eine entzündungsfreie Gingiva wurde mit Nein (-) bewertet. Methodik 27 - Taschensondierungstiefe Um, wie bereits erläutert, jedes Risiko auszuschließen, wurde auf die Messung der Taschentiefen mittels Parodontalsonde ebenfalls verzichtet. Deshalb wurde die Diagnose Parodontitis marginalis profunda anhand des im OPT sichtbaren Knochenniveaus getroffen (nach DGP 1987): Bei einem Knochenverlust von mehr als 30% der Wurzellänge und/oder Furkationsbefall liegt eine Parodontitis marginalis profunda vor [90 S. 261]. Dies wurde mit Ja (+) im Befundbogen vermerkt. Ein Knochenverlust bis zu 30% der Wurzellänge wurde mit Nein (-) bewertet. - Behandlungsbedarf Der prothetische, konservierende und chirurgische Behandlungsbedarf des einzelnen Patienten zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung wurde im Befundbogen vermerkt. 3.1.2 Patientenfragebogen In den Patientenfragebögen wurden die nach Klappenersatz durchgeführten zahnmedizinischen Behandlungen sowie der Kenntnisstand der Patienten über Endokarditisrisiko und –prophylaxe erfasst. 3.1.3 Auswertungsbogen In den Auswertungsbögen wurden Informationen zur zahnärztlichen Therapie vor Klappenersatz aus den Krankenakten der Klinik und Poliklinik für Mund- KieferGesichtschirurgie des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München zusammengefasst und die Auswertung der prä- und postoperativ angefertigten OPTs eingetragen. Dabei wurde zusammengetragen, welcher orale und/oder röntgenologische Befund von der Klinik als ein vor Klappenersatz sanierungsbedürftiger Fokus ange- Methodik 28 sehen wurde sowie welche Therapie empfohlen und welche Behandlungsmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden. In die Auswertungsbögen wurde außerdem eingetragen, ob präoperativ nicht sanierte Foci postoperativ behandelt wurden oder zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung noch immer bestanden und ob dadurch gegebenenfalls Komplikationen aufgetreten waren. Desweiteren wurden neue Foci sowie deren Entwicklung dokumentiert, um Rückschlüsse daraus ziehen zu können, wie bereits durch präoperative Sanierung die Entstehung postoperativer Foci weitestgehend vermieden werden könnte. Zur Röntgendiagnostik wurde vor Klappenersatz ein Orthopanthomogramm (OPT) gewählt. Bei der Nachuntersuchung wurde, sofern eine röntgenologische Abklärung erforderlich war, ebenfalls ein OPT angefertigt. Bei der Orthopantomographie handelt es sich um ein spezielles Röntgenschichtaufnahmeverfahren, das bei relativ geringer Strahlenbelastung Panoramaaufnahmen des gesamten Kieferbereichs einschließlich aufsteigender Kieferäste und –gelenke auf einer einzigen Aufnahme liefert [34 S. 1192]. Es ist als Übersichtsaufnahme zur primären Diagnostik des Patienten besonders geeignet [90 S. 155] und dient der Suche pathologischer Prozesse wie periapikalen Granulomen, impaktierten Zähnen, Fremdkörpern, Wurzelresten und Zysten im Knochen des Ober- und Unterkiefers, die fakultative und potentielle Foci darstellen sowie nach akuten kariösen Läsionen. Außerdem liefert es eine Übersicht über das Knochenniveau des Ober- und Unterkiefers. Während der Anfertigung des Orthopanthomogramms bewegt sich die gleichsinnig um den Gesichtsschädel ablaufende Rotation von Röntgenröhre und Kassettenträger um die innerhalb des Zahnbogens während der Exposition gleitend verschobenen Rotationszentren. Eine primäre (fokusnahe) und eine sekundäre (fokusferne) vertikale Schlitzblende bündeln die Strahlen, die durch die sekundäre Schlitzblende des Kassettenträgers auf die Projektionsfläche des im Gegen- Methodik 29 sinn ablaufenden Films treffen und so das Strahlenrelief der gefragten Region aufzeichnen [60 S. 179]. 3.1.4 Telefonische Patientenbefragung Im Februar 2005 wurden 183 der 305 angeschriebenen Patienten, die aus verschiedenen Gründen nicht an der klinischen Nachuntersuchung teilgenommen haben, telefonisch kontaktiert. Die erreichbaren Patienten bzw. deren Angehörige oder deren Hausärzte wurden gefragt, ob nach Herzklappenersatz ein hohes Fieber im Zusammenhang mit einer frühen oder späten Prothesenendokarditis aufgetreten sei. Ebenso wurden die erreichbaren Angehörigen oder Hausärzte der 42 Patienten, die zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung bereits verstorben waren, befragt, ob der Verstorbene postoperativ eine Prothesenendokarditis entwickelt habe oder eine Prothesenendokarditis sogar die Todesursache gewesen sei. 3.2 Statistische Auswertung Für die Auswertung wurden zunächst alle Daten, die im Verlauf der Nachuntersuchung auf den Befund-, Patientenfrage- und Auswertungsbögen erfasst worden waren, in das Tabellenkalkulationsprogramm Excel 97 SR-1 übertragen. Die daraus resultierenden Ergebnisse wurden mit Word 97 SR-1 aufgearbeitet und graphisch dargestellt. Bei der Berechnung von Prozentangaben wurde wegen der verhältnismäßig kleinen Gruppengrößen in der Regel auf ganze Zahlen gerundet, da die Angabe von Dezimalstellen in solchen Fällen keine sinnvolle mathematische Aussagekraft hat. Gegebenenfalls wurde die entsprechende Standardabweichung als Maß für die Streuung der Einzelwerte angegeben. Innerhalb der Standardabweichungen finden sich im Bereich Mittelwert +/- s 68% aller Einzelwerte. Ergebnisse 30 4 Ergebnisse 4.1 Ergebnisse über die der Patientennachuntersuchung durchgeführte Therapie vor Klappenersatz und oraler Befund zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung Von den 305 angeschriebenen Patienten mit mechanischem oder biologischem Herzklappenersatz sind 80 (26%) zur klinischen Nachuntersuchung erschienen. 91 Patienten (30%) wollten nicht an der klinischen Nachuntersuchung teilnehmen und haben ihren Termin abgesagt. 35 Patienten (11%) waren aus gesundheitlichen Gründen verhindert, ihren Termin wahrzunehmen. Keine Reaktion auf das Schreiben zeigten 57 Patienten (19%). Von den 305 angeschriebenen Patienten waren 42 (14%) postoperativ bereits verstorben (s. Abb. 3). R e ak tio n en a u f d a s An sc h reib en 14% 26% z ur Nac hunters uc hung ers c hienen A bs age 19% aus ges undheitlic hen G ründen abges agt k eine Reak tion 11% 30% vers torben n = 305 Abbildung 3: Reaktionen der Patienten auf das Anschreiben Ergebnisse 4.1.1 31 Alter, Geschlecht und Wohnorte der Patienten Das Alter der nachuntersuchten Patienten betrug im Mittel 66,5 Jahre mit einer Standardabweichung von +/- 11,9 Jahren. Der älteste Patient war 89 Jahre und der jüngste Patient 24 Jahre alt. Die Altersverteilung zeigt Abbildung 4. A n za h l A lte rs ve rte ilu n g d e r n a c h u n te rs u c h te n P a tie n te n 35 30 25 20 15 10 5 0 30 23 11 1 2 10 3 2 0 -2 9 3 0 -3 9 4 0 -4 9 5 0 -5 9 6 0 -6 9 7 0 -7 9 8 0 -8 9 n = 80 A lte r Abbildung 4: Altersverteilung der nachuntersuchten Patienten In der nachuntersuchten Gruppe befanden sich 24 Frauen (30%) und 56 Männer (70%) (s. Abb. 5). Die Wohnorte der Patienten lagen alle in Bayern. Ergebnisse 32 G e sc h le ch terv erteilu n g Frauen 30% Männer 70% n = 80 Abbildung 5: Geschlechterverteilung 4.1.2 Angaben zum Herzklappenersatz Im Mittel trugen die Patienten seit 3,0 Jahren einen mechanischen oder biologischen Klappenersatz (Standardabweichung von +/- 1,8 Jahren). Tabelle 3 bietet eine Übersicht über die Tragedauer der Klappen. Tragedauer bis 1 Jahr n = 19 23,75% bis 2 Jahre n = 25 31,25% bis 3 Jahre n = 10 12,50% bis 4 Jahre n=6 7,50% bis 5 Jahre n=9 11,25% bis 6 Jahre n=9 11,25% bis 7 Jahre n=2 2,50% Tabelle 3: Tragedauer der Herzklappenprothesen Die am häufigsten ersetzte Herzklappe ist mit 69% (bei 55 Patienten) die Aortenklappe, die zweithäufigste mit 21% (bei 17 Patienten) die Mitralklappe. Mit einem kombinierten Ersatz von Aorten- und Mitralklappe wurden 5% (4 Patienten) be- Ergebnisse 33 handelt. Bei 4% der Patienten (3) wurde ein Trikuspidalklappenersatz implantiert. Ein Pulmonalklappenersatz wurde bei 1% (1) der nachuntersuchten Patienten durchgeführt. 4.1.3 Zahnstatus der Patienten Die Patienten besaßen im Mittel 19,1 Zähne (Standardabweichung von +/- 8,3 Zähne). Die Bezahnung reichte von zwei Restzähnen bis zum lückenlosen Gebiss mit 32 Zähnen. 4.1.4 Behandlungsbedarf aus Sicht der Klinik Aus Sicht der Klinik bestand bei 61 Patienten (76%) vor der Herzoperation ein Behandlungsbedarf. Bei 19 Patienten (24%) war keine Therapie nötig (s. Abb. 6). B e h an d lu n g sb e d arf au s S ich t d er K lin ik keine Therapie nötig 24% Behandlungsbedarf 76% n = 80 Abbildung 6: Behandlungsbedarf aus Sicht der Klinik Ergebnisse 34 Nach den Sanierungskriterien der Klinik für Patienten mit bevorstehendem Herzklappenersatz • wird die Extraktion empfohlen bei o aufgrund kariöser Zerstörung nicht erhaltungswürdigen Zähnen, o Parodontitis marginalis profunda mit apikalem Herd oder Lockerungsgrad II – III, o beherdeten und nicht beherdeten Wurzelresten mit und ohne Verbindung zur Mundhöhle, o impaktierten Zähnen sowohl mit als auch ohne Herd, o teilretinierten Zähnen und o devitalen Zähnen mit apikal pathologischem Befund, wenn eine Wurzelkanalbehandlung und Wurzelspitzenresektion nicht aussichtsreich erscheinen oder vom Patienten abgelehnt werden. • wird eine Wurzelspitzenresektion mit retrograder Wurzelfüllung als Alternative zur Extraktion bei insuffizient, suffizient oder noch nicht endodontisch versorgten apikal beherdeten Zähnen durchgeführt. • werden suffizient und insuffizient wurzelkanalgefüllte Zähne ohne apikalen Herd belassen. • werden Implantate ohne Anzeichen einer Periimplantitis oder vertikalen Knocheneinbrüchen belassen. Von den 61 Patienten, bei denen während der Untersuchung vor Klappenersatz ein Fokus im Fachgebiet diagnostiziert wurde, haben sich 48 Patienten (79%) präoperativ chirurgisch sanieren lassen. Davon wurden 46 Patienten in der Klinik und Poliklinik für Mund- Kiefer- Gesichtschirurgie des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München und zwei Patienten von ihrem Hauszahnarzt behandelt. Ergebnisse 35 Nur teilweise durchgeführt wurde die vorgeschlagene Therapie bei fünf Patienten (8%). Davon wurden drei in der Klinik und zwei vom Hauszahnarzt saniert. Sieben der sanierungsbedürftigen Patienten (11%) verweigerten vor dem geplanten Herzklappenersatz jegliche zahnmedizinische Behandlung. Ein Patient (2%) ließ erst nach der Herzoperation die geplante Therapie von seinem Hauszahnarzt durchführen. Alle Patienten, die in der Klinik saniert wurden, bekamen für die präoperative Therapie eine antibiotische Abdeckung . Bei drei der vier Patienten, die sich vor Klappenersatz von ihrem Hauszahnarzt behandeln ließen, wurde nach deren Angabe der Eingriff ohne und bei einem Patienten unter Antibiotikagabe durchgeführt. Der eine postoperativ vom Hauszahnarzt sanierte Patient erhielt vor der Behandlung eine Antibiotikaprophylaxe. 4.1.5 Nicht behandelte Foci Unter den 48 Patienten, die chirurgisch vollständig saniert wurden, befanden sich 30 Patienten (63%) mit kariösen Läsionen, die nach Klappenersatz vom Hauszahnarzt konservierend behandelt werden sollten. Unter den 13 Patienten, von denen 7 Patienten die vorgeschlagene chirurgische Therapie verweigert hatten, 5 Patienten sich nur zum Teil behandeln ließen und ein Patient erst postoperativ vom Hauszahnarzt saniert wurde, waren 4 Patienten (31%), bei denen zusätzlich Karies diagnostiziert wurde. Daher waren insgesamt 43 Patienten von den 80 nachuntersuchten Patienten (54%) nicht vollständig konservierend und/oder chirurgisch saniert, als der mechanische oder biologische Klappenersatz im Deutschen Herzzentrum München durchgeführt wurde. Diese 43 Patienten hatten zusammen 101 Zähne mit behandlungsbedürftigen Befunden. Wie aus Tabelle 4 hervorgeht, wiesen 76 der zum Zeitpunkt der Herzoperation behandlungsbedürftigen 101 Zähne unversorgte kariöse Defekte auf. Die restlichen 25 der 101 Zähne bedurften einer chirurgischen Sanierung. Ergebnisse 36 nicht therapierter Fokus Anzahl der Zähne Anzahl der Patienten (Mehrfachnennungen möglich) Karies 76 34 Parodontitis marginalis profunda mit 7 3 impaktierte beherdete Weisheitszähne 5 4 endodontisch behandelte Zähne mit 4 4 3 3 4 3 1 1 1 1 Lockerungsgrad II-III apikaler Aufhellung Parodontitis marginalis profunda mit apikalem Herd impaktierte Wurzelreste mit und ohne Herd teilretinierter Weisheitszahn mit Pericoronitis Wurzelfraktur im coronalen Wurzeldrittel Tabelle 4: Behandlungsbedürftige Befunde zum Zeitpunkt des Herzklappenersatzes Ergebnisse 4.1.6 37 Extraktionen 4.1.6.1 Extraktionen vor Klappenersatz Von den 80 Patienten, die nachuntersucht wurden, hatten 47 Patienten (59%) zusammen 156 Zähne, die aus Sicht der Klinik einen Fokus darstellten und deshalb vor Klappenersatz extrahiert werden sollten (s. Beispiele Abb. 7a-7c). 39 Patienten (83%) ließen die angeratene Therapie komplett durchführen. Drei Patienten (6%) willigten nur in einen Teil der vorgeschlagenen Behandlungsmaßnahmen ein und fünf Patienten (11%) verweigerten die chirurgische Sanierung vor der Herzoperation vollständig. Tabelle 5 zeigt eine Übersicht der Extraktionsindikationen. Extraktionsindikation nicht erhaltungsfähig aufgrund Anzahl der zur Anzahl der tat- Anzahl der nicht Extraktion emp- sächlich extra- extrahierten fohlenen Zähne hierten Zähne Zähne 27 27 0 29 26 3 22 15 7 15 15 0 12 8 4 1 1 0 12 6 6 tiefer kariöser Zerstörung Parodontitis marginalis profunda mit apikalem Herd Parodontitis marginalis profunda mit Lockerungsgrad II –III Wurzelreste mit und ohne Herd mit Verbindung zur Mundhöhle impaktierte Wurzelreste mit und ohne Herd Wurzelrest als Fremdkörper in der Kieferhöhle impaktierte Zähne mit und ohne Herd Ergebnisse 38 teilretinierte Zähne mit Perico- 3 2 1 29 25 4 4 4 0 1 0 1 Summe: 155 Summe: 129 Summe: 26 ronitis beherdete endodontisch behandelte Zähne, wenn Wurzelspitzenresektion nicht möglich, bzw. verweigert apikal beherdete nicht endodontisch behandelte Zähne, wenn Wurzelspitzenresektion nicht möglich, bzw. verweigert Wurzelfraktur im coronalen Wurzeldrittel Tabelle 5: Extraktionsindikationen vor Klappenersatz Abbildung 7a: Beherdeter Zahn 44, der vor Klappenersatz extrahiert wurde Abbildung 7b: Kariös tiefzerstörter beherdeter Zahn 16, der vor Klappenersatz extrahiert wurde Abbildung 7c: Wurzelfraktur des Zahnes 27, der vor Klappenersatz extrahiert werde sollte Ergebnisse 39 4.1.6.2 Extraktionen nach Klappenersatz Nach der Herzoperation mussten bei zehn der 80 nachuntersuchten Patienten (13%) zusammen 24 Zähne vom jeweiligen Hauszahnarzt extrahiert werden. Die von den Patienten angegebenen Gründe für die Extraktionen nach Klappenersatz sind in Tabelle 6 aufgegliedert. Einer der 24 Zähne war bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung vor Klappenersatz zur Extraktion vorgesehen. Extraktionsgrund Anzahl der Beurteilung vor Klap- extrahierten penersatz Zähne Parodontitis marginalis profunda mit Lo- 13 ckerungsgrad II-III Parodontitis marginalis profunda mit api- den 8 kalem Herd nicht erhaltungsfähig aufgrund kariöser konnten belassen wer- konnten belassen werden 2 Zerstörung sollten nach Klappenersatz konservierend versorgt werden apikal beherdeter Zahn mit suffizienter 1 Extraktion empfohlen Wurzelfüllung Tabelle 6: Extraktionsindikationen nach Klappenersatz 4.1.6.3 Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung indizierte Extraktionen Im Verlauf der Nachuntersuchung stellte sich heraus, dass bei 30 Patienten (38%) insgesamt 52 Extraktionen notwendig waren. Davon sollten schon 19 Zähne während der Untersuchung vor Klappenersatz entfernt werden, die Patienten hatten allerdings die Therapie verweigert. Tabelle 7 bietet eine Übersicht der Extraktionsgründe. Ergebnisse 40 Extraktionsgrund Anzahl der zu Beurteilung vor Klappener- extrahieren- satz den Zähne Parodontitis marginalis profunda 12 konnten belassen werden 11 konnten belassen werden Parodontitis marginalis profunda 10 Extraktion empfohlen apikaler Herd bei nicht endodon- 2 apikal noch kein pathologi- mit Lockerungsgrad II-III Parodontitis marginalis profunda mit apikalem Herd tisch behandelten Zähnen scher Befund impaktierte und beherdete Zähne 5 Entfernung empfohlen nicht erhaltungsfähig aufgrund ka- 2 bereits kariös, sollten post- riöser Zerstörung operativ konservierend versorgt werden beherdete impaktierte Wurzelreste 3 Entfernung empfohlen (2 x) wurde belassen (1 x) nicht beherdete impaktierte Wur- 3 zelreste wurde belassen (1x) bei präoperativer Sanierung entstanden (2x) teilretinierte Zähne mit Pericoroni- 1 Extraktion empfohlen 2 WSR empfohlen und durch- tis bei Wurzelspitzenresektion nicht erwarteter Erfolg eingetreten, geführt apikaler Herd und Pus Wurzelfraktur 1 Extraktion empfohlen Tabelle 7: Extraktionsindikationen zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung Ergebnisse 4.1.7 41 Devitale Zähne 4.1.7.1 Endodontisch behandelte Zähne mit suffizienter Wurzelfüllung vor und nach Klappenersatz Von den 80 nachuntersuchten Patienten hatten 54 Patienten (68%) vor der Klappenoperation zusammen 121 endodontisch behandelte Zähne. Insgesamt wiesen 41 der 121 Zähne (34%) röntgenologisch eine suffiziente Wurzelfüllung auf (s. Abb. 8.). E n d o d o n tisc h b eh a n d elte Zä h n e v o r K lap p e n ers atz insuffiziente W urzelfüllung 66% suffiziente W urzelfüllung 34% n = 121 Abbildung 8: Röntgenologisch beurteilte Qualität der Wurzelfüllungen vor Klappenersatz 34 dieser 41 Zähne (83%) waren außerdem sowohl röntgenologisch im OPT oder Zahnfilm apikal ohne pathologischen Befund, als auch nicht perkussionsempfindlich. Daher bedurften sie vor der Herzoperation keiner Therapie und konnten belassen werden. Keiner dieser 34 Zähne war bei der Nachuntersuchung klopfempfindlich oder wies im OPT einen pathologischen Befund auf (s. Beispiel Abb. 9). Ergebnisse Abbildung 9a: Vor Klappenersatz: Zahn 47 mit suffizienter endodontischer Behandlung, kein apikaler Herd 42 Abbildung 9b: Auch nach Klappenersatz apikal kein pathologischer Befund bei Zahn 47 Obwohl apikal kein pathologischer Prozess zu erkennen war, mussten zwei der 41 Zähne (5%) extrahiert werden. Der Grund dafür war jeweils eine Parodontitis marginalis profunda mit Lockerungsgrad III (vgl. 4.1.11) und nicht eine missglückte endodontische Behandlung. Bei fünf der 41 Zähne (12%) war trotz suffizienter Wurzelfüllung im Röntgenbild eine apikale Aufhellung zu finden. An drei Zähnen wurde deshalb eine Wurzelspitzenresektion mit retrograder Wurzelfüllung durchgeführt. Die Resektionslakunen aller drei Zähne waren bei der Nachuntersuchung restlos verknöchert und die apikalen Prozesse vollständig ausgeheilt. Einer der fünf Zähne musste extrahiert werden, weil der Patient die Wurzelspitzenresektion verweigerte und eine Extraktion vorzog. Ein Zahn wurde erst nach Klappenersatz vom Hauszahnarzt des Patienten extrahiert. Ergebnisse 43 4.1.7.2 Endodontisch behandelte Zähne mit insuffizienter Wurzelfüllung vor und nach Klappenersatz 80 der insgesamt 121 endodontisch behandelten Zähne (66%) hatten eine insuffiziente Wurzelfüllung, d.h. es lag eine Unterfüllung, Überfüllung oder Instrumentenfraktur vor. Bei 37 der 80 Zähne (46%) lag trotz insuffizienter endodontischer Versorgung apikal kein pathologischer Befund vor. Davon wurden 31 Zähne (84%), die zudem nicht perkussionsempfindlich waren, belassen. 24 der 31 Zähne (77%) waren auch bei der Nachuntersuchung beschwerdefrei und zeigten im OPT apikal keine Aufhellung. Allerdings war bei sieben der belassenen 31 Zähne mit insuffizienter Wurzelfüllung (23%) röntgenologisch apikal eine pathologische Veränderung zu finden, die zum Zeitpunkt der Untersuchung vor Klappenersatz noch nicht vorlag (s. Abb. 10 und Beispiel Abb. 11). Zäh n e m it in su ffizie n te r W u rze lfü llu n g n a ch K lap p e n ers atz nic ht apikal beherdet 77% apikal beherdet 23% n = 31 Abbildung 10: Präoperativ belassene Zähne mit insuffizienter Wurzelfüllung nach Klappenersatz Ergebnisse Abbildung 11a: Insuffiziente Wurzelfüllung, präoperativ kein Herd an Zahn 46 44 Abbildung 11b: Belassene insuffiziente Wurzelfüllung, postoperativ beherdete mesiale Wurzel des Zahnes 46 Vier der 37 Zähne (11%) wurden extrahiert, obwohl im OPT keine apikale Aufhellung zu erkennen war. Zwei der 37 Zähne (5%) wurden reseziert und retrograd wurzelgefüllt. Einer der beiden Zähne wies bei der Nachuntersuchung eine vollständig verknöcherte Resektionshöhle auf. Der andere Zahn war zwei Jahre nach der Klappenoperation so stark kariös, dass er vom Hauszahnarzt extrahiert werden musste. 43 dieser 80 Zähne mit insuffizienter endodontischer Versorgung (54%) wiesen im OPT vor der Herzoperation apikal einen pathologischen Befund auf. Davon wurden 23 Zähne (53%) extrahiert. Ein Patient verweigerte sowohl die Extraktion als auch die Wurzelspitzenresektion eines beherdeten insuffizient wurzelgefüllten Zahnes (2%). An 17 Zähnen (40%) wurde eine Wurzelspitzenresektion mit retrograder Wurzelfüllung durchgeführt (s. Abb. 12.). Bei 12 dieser 17 Zähne (71%) waren die Resektionslakunen komplett verknöchert und die apikalen Herde ausgeheilt. Doch fünf Zähne (29%) zeigten bei der Nachuntersuchung im OPT erneut eine apikale Aufhellung. Zwei der 43 Zähne mit insuffizienter endodontischer Versorgung und apikalem Herd (5%) wurden nicht behandelt, weil dieser Fokus vor dem Klappenersatz nicht bemerkt wurde. Ergebnisse 45 P räo p e rativ e T h era p ie ap ika l b e h erd e te r Zäh n e m it in su ffizie n te r en d o d o n tis ch e r V ers o rg u n g 7% E x trak tion W S R m it retrograder W urz erfüllung 40% 53% präoperativ nic ht behandelt n = 43 Abbildung 12: Präoperative Therapie apikal beherdeter Zähne mit insuffizienter endodontischer Versorgung 4.1.7.3 Endodontisch nicht versorgte Zähne vor Klappenersatz Während der Untersuchung vor der Herzoperation wurden bei insgesamt vier Patienten (5%) fünf Zähne gefunden, die im OPT apikal einen pathologischen Prozess aufzeigten und noch nicht endodontisch versorgt waren. Vier dieser Zähne wurden extrahiert. Ein Zahn wurde wurzelbehandelt und gleichzeitig reseziert. Bei diesem Zahn war bei der Nachuntersuchung im Röntgenbild die Resektionslakune verknöchert und der apikale Herd ausgeheilt. Ergebnisse 46 4.1.7.4 Endodontische Behandlung nach Klappenersatz Nach Klappenersatz wurden bei insgesamt acht Patienten (10%) an 11 Zähnen endodontische Behandlungen durchgeführt, die präoperativ nicht vorauszusehen waren. Im Verlauf der Nachuntersuchung stellte sich heraus, dass bei zehn Patienten (13%) zusammen 12 Zähne wurzelbehandelt werden müssten. Auch dies war vor Klappenersatz nicht abzusehen. 4.1.8 Wurzelspitzenresektion 14 der 80 nachuntersuchten Patienten (18%) wurde vor der Herzoperation von Seiten der Klinik an insgesamt 24 Zähnen eine Wurzelspitzenresektion angeraten. 13 dieser Patienten (93%) ließen die vorgeschlagene Therapie durchführen, ein Patient (7%) verweigerte die Behandlung. Insgesamt wurden 23 Zähne reseziert und retrograd wurzelgefüllt. Eine Übersicht über die Resektionsindikationen bietet Tabelle 8. Indikation für die Wurzelspitzenresektion Anzahl der behandelten Zähne suffiziente Wurzelfüllung, apikale Aufhellung 3 insuffiziente Wurzelfüllung, apikal ohne 2 pathologischen Befund insuffiziente Wurzelfüllung, apikaler Herd 17 noch nicht endodontisch behandelt, apikaler Herd 1 Tabelle 8: Resektionsindikationen vor Klappenersatz 18 der 23 resezierten Zähne (78%) waren bei der Nachuntersuchung beschwerdefrei und röntgenologisch apikal ohne pathologischen Befund (s. Beispiel Abb. 13). Ergebnisse Abbildung 13a: Endodontisch behandelter Zahn 23 mit apikalem Herd 47 Abbildung 13b: Vollständig verknöcherte Resektionslakune des Zahnes 23 nach WSR Bei fünf Zähnen (22%) hatte die Wurzelspitzenresektion nicht zum erwarteten Erfolg geführt. Es kam zu keiner Verknöcherung der Resektionslakunen und Ausheilung der Herde (s. Abb. 15). Bei zwei Zähnen (9%) konnte während der Nachuntersuchung eine leichte periapikale Schwellung sowie Pusentleerung aus der Zahnfleischtasche festgestellt werden (s. Beispiel Abb. 14). Abbildung 14a: Endodontisch behandelter Zahn 48 mit apikalem Herd Abbildung 14b: Nicht erfolgreich verlaufene WSR an Zahn 48; deutlicher apikaler Herd Ergebnisse 48 R e se zie rte Zä h n e n a ch K lap p e n ers atz apikal beherdet 22% apikal nic ht beherdet 78% n = 23 Abbildung 15: Erfolgsquote der vor Klappenersatz resezierten Zähne zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung An zwei Patienten wurde nach Klappenersatz an je einem Zahn im Zusammenhang mit einer Wurzelbehandlung eine Wurzelspitzenresektion durchgeführt. Die Notwendigkeit dieser beiden Eingriffe war vor dem Klappenersatz nicht abzusehen. 4.1.9 Impaktierte und teilretinierte Zähne vor und nach Klappenersatz 4.1.9.1 Impaktierte Zähne Unter den nachuntersuchten 80 Patienten befanden sich acht Patienten (10%) mit zusammen 12 impaktierten Zähnen. Bei den impaktierten Zähnen handelte es sich ausschließlich um Dritte Molaren. Neun der impaktierten Zähne (75%) wiesen röntgenologisch eine apikale oder coronare Aufhellung auf. Die empfohlene Therapie war in allen neun Fällen die Osteotomie des beherdeten impaktierten Zahnes. Nur vier dieser neun impaktierten Zähne (44%) wurden wie angeraten präoperativ entfernt. Bei fünf Zähnen (56%) wurde die Osteotomie vom Patienten verweigert. Während der Nachuntersuchung stellte sich heraus, dass die Herde von Ergebnisse 49 zwei dieser nicht entfernten Zähne an Größe zugenommen hatten. Die Herdgröße der anderen drei Zähne hatte sich nicht verändert. Drei der 12 impaktierten Zähne (25%) waren nicht beherdet (s. Beispiel Abb. 16). In allen drei Fällen wurde zu einer Osteotomie geraten und diese bei zwei Zähnen durchgeführt. Der dritte nicht beherdete hochverlagerte Zahn, der belassen wurde, war auch bei der Nachuntersuchung röntgenologisch ohne pathologischen Befund. Abbildung 16a: Vor Klappenersatz nicht beherdeter impaktierter Zahn 18 Abbildung 16b: Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung nicht beherdeter impaktierter Zahn 18 4.1.9.2 Teilretinierte Zähne Im Patientengut der 80 nachuntersuchten Personen waren zwei Patienten (3%) mit drei teilretinierten Zähnen zu finden. Dabei handelte es sich um Weisheitszähne mit Pericoronitis im Unterkiefer. Zwei Zähne wurden wie angeraten extrahiert. Im OPT nach Klappenersatz waren die Extraktionsdefekte vollständig verknöchert. Da einer der beiden Patienten vor der Herzoperation keine Extraktion wünschte, wurde als Kompromisslösung eine Excision mit Streifeneinlage durchgeführt. Dieser Fokus bestand bei der Nachuntersuchung immer noch. Aus der Zahnfleischtasche entleerte sich Pus und die Gingiva war livide verfärbt. Ergebnisse 50 4.1.10 Wurzelreste Von den 80 Patienten, die an der Nachuntersuchung teilnahmen, hatten insgesamt 15 Patienten (19%) vor Klappenersatz zusammen 28 Wurzelreste. 15 Wurzelreste (53%) hatten eine Verbindung zur Mundhöhle, 12 Wurzelreste (43%) waren impaktiert und ein Wurzelrest (4%) lag in der Kieferhöhle (s. Abb. 17.). Wurzelreste vor Klappenersatz 4% Verbindung zur Mundhöhle impaktiert 43% 53% in Kieferhöhle n = 28 Abbildung 17: Lage der Wurzelreste vor Klappenersatz 4.1.10.1 Therapie der Wurzelreste mit Verbindung zur Mundhöhle 13 der 15 Wurzelreste mit Verbindung zur Mundhöhle (87%) zeigten vor Klappenersatz im OPT apikal einen pathologischen Befund. Alle 13 Wurzelreste wurden vor der Herzoperation extrahiert (s. Beispiel Abb. 18). Bei zwei Wurzelresten (13%) war keine apikale Aufhellung zu erkennen. Auch diese beiden Wurzelreste wurden extrahiert. Bei der Nachuntersuchung waren alle Extraktionsdeffekte und Entzündungsherde sowohl intraoral als auch röntgenologisch vollständig ausgeheilt. Ergebnisse 51 Abbildung 18: Beherdete Wurzelreste der Zähne 43 und 44 mit Verbindung zur Mundhöhle, die vor Klappenersatz extrahiert wurden 4.1.10.2 Therapie der impaktierten Wurzelreste Bei sieben der 12 impaktierten Wurzelreste (58%) war im Röntgenbild vor Klappenersatz ein pathologischer Prozess zu erkennen. Fünf der beherdeten Wurzelreste (71%) wurden operativ entfernt (s. Beispiel Abb. 19). In der Nachuntersuchung war das jeweilige Operationsgebiet restlos verheilt. Zwei beherdete Wurzelreste wurden belassen, in einem Fall hatte der Patient die empfohlene Osteotomie verweigert. Der Grund, warum die Entfernung des zweiten Wurzelrestes nicht durchgeführt wurde, war aus der Krankenakte des Patienten nicht zu entnehmen. Die röntgenologische Nachuntersuchung ergab, dass die Herdgröße der beiden nicht entfernten Wurzelreste gleich geblieben war. Abbildung 19: Impaktierter beherdeter Wurzelrest Regio 17, der vor Klappenersatz chirurgisch entfernt wurde Ergebnisse 52 Fünf der 12 impaktierten Wurzelreste (42%) hatten vor der Herzoperation keine apikale Aufhellung. Davon wurden drei Wurzelreste operativ entfernt. Die Osteotomiehöhlen waren bei der Nachuntersuchung vollständig verknöchert. Ein Patient weigerte sich, den reaktionslosen impaktierten Wurzelrest entfernen zu lassen. Im Röntgenbild, das während der Nachuntersuchung angefertigt wurde, war an diesem Wurzelrest ein kleiner apikaler Herd zu erkennen. Ein weiterer Wurzelrest konnte im postoperativ angefertigten OPT nachgewiesen werden, er war nicht beherdet. Aus der Krankenakte des Patienten war nicht zu ersehen, weshalb der Wurzelrest vor Klappenersatz belassen wurde. 4.1.10.3 Therapie des Wurzelrestes in der Kieferhöhle Im nachuntersuchten Patientengut befand sich eine Patientin mit einem Wurzelrest in der linken Kieferhöhle. Dieser Wurzelrest wurde mittels Sinuskopie vor der Herzoperation geborgen (s. Abb. 20). Abbildung 20: Wurzelrest in linker Kieferhöhle Regio 26, der vor Klappenersatz entfernt wurde 4.1.10.4 Neue Wurzelreste Während der Nachuntersuchung wurden bei zwei Patienten im OPT zwei neue Wurzelreste entdeckt. Sie entstanden bei der Sanierung in der Klinik vor Klappenersatz. Es handelte sich dabei um vollständig impaktierte Wurzelreste, die reaktionslos eingeheilt waren. Ergebnisse 53 4.1.11 Parodontitis marginalis profunda Vor der Herzoperation besaßen 49 der 80 Patienten (61%) zusammen 176 Zähne mit Parodontitis marginalis profunda. Bei diesen Zähnen handelte es sich um 122 Frontzähne und Prämolaren, sowie um 54 Molaren. 4.1.11.1 Frontzähne und Prämolaren mit Parodontitis marginalis profunda 32 Patienten (40%) hatten insgesamt 122 Frontzähne und Prämolaren mit Parodontitis marginalis profunda. Davon waren 23 Zähne (19%) zusätzlich apikal beherdet oder hatten Lockerungsgrad II-III. Bei allen 23 Zähnen wurde eine Extraktion empfohlen. Da die Therapie an 7 Zähnen (30%) verweigert wurde, konnten lediglich 16 Zähne (70%) extrahiert werden (s. Beispiel Abb. 21). Von den 106 belassenen Zähnen (87%) mit Parodontitis marginalis profunda mussten 15 (14%) postoperativ vom Hauszahnarzt extrahiert werden. 19 der belassenen 106 Zähne (18%) und die sieben Zähne, bei denen die Therapie verweigert worden war (7%), besaßen im OPT der Nachuntersuchung apikal einen pathologischen Befund und/oder Lockerungsgrad II-III, sodass eine Extraktion angezeigt war. 65 Zähne (61%) waren auch in der Nachuntersuchung frei von Beschwerden. Abbildung 21: Zähne 23 und 27 mit Parodontitis marginalis profunda, die vor Klappenersatz extrahiert wurden Ergebnisse 54 M it P a ro d o n titis m arg in alis p ro fu n d a b elas se n e F ro n tzäh n e u n d P rä m o lare n p o sto p era tiv s ollten s c hon vor K lappeners atz ex trahiert werden 7% pos toperativ vom Haus z ahnarz t ex trahiert 61% 14% m üs s en jetz t ex trahiert werden k önnen weiterhin belas s en werden 18% n = 106 Abbildung 22: Mit Parodontitis marginalis profunda belassene Frontzähne und Prämolaren postoperativ 4.1.11.2 Molaren mit Furkationsbefall Bei der Untersuchung vor Klappenersatz besaßen 31 Patienten (39%) zusammen 54 Molaren mit Furkationsbefall (s. Abb. 23). H ä u fig ke it vo n F u rk atio n s b efall ohne Furkationsbefall 61% mit Furkationsbefall 39% n = 80 Abbildung 23: Häufigkeit von Furkationsbefall Ergebnisse 55 28 dieser Molaren (52%), die zusätzlich Lockerungsgrad II-III aufwiesen, apikal beherdet oder kariös zerstört waren, sollten aus Sicht der Klinik extrahiert werden. An 25 Molaren (89%) wurde die Therapie durchgeführt (s. Beispiel Abb. 21). 26 Molaren (48%), die beschwerdefrei, fest und hygienefähig waren, konnten aus Sicht der Klinik belassen werden. Da bei drei Molaren die Extraktion verweigert wurde, lagen zum Zeitpunkt der Herzoperation 29 Molaren mit Furkationsbefall vor. Sechs dieser nicht behandelten Molaren (21%) wurden postoperativ vom Hauszahnarzt extrahiert. Im Verlauf der Nachuntersuchung stellte sich heraus, dass (neben den drei Molaren (10%), bei denen die Therapie verweigert worden war) vier der verbliebenen 20 Molaren (14%) nun wegen starken vertikalen Knocheneinbrüchen und Lockerungsgrad III extrahiert werden müssten. Die Knochensituation der anderen 16 belassenen Molaren (55%) hatte sich nicht oder nur unwesentlich verändert. Sie zeigten Lockerungsgrad 0 bis I und waren beschwerdefrei (s. Abb. 24). M it P a ro d o n titis m arg in alis p ro fu n d a u n d F u rk atio n s b efall b e la ss en e M o lare n p o sto p era tiv 10% s ollten s c hon vor K lappeners atz ex trahiert werden pos toperativ vom Haus z ahnarz t ex trahiert 55% 21% 14% m üs s en jetz t ex trahiert werden k önnen weiterhin belas s en werden n = 29 Abbildung 24: Mit Parodontitis marginalis profunda und Furkationsbefall belassene Molaren nach Klappenersatz Ergebnisse 56 4.1.12 Karies Vor der Herzoperation hatten 44 der 80 Patienten (55%), die zur Nachuntersuchung kamen, zusammen 107 kariöse Zähne (s. Abb. 25). K a rie sh ä u fig ke it vo r K lap p e n ers atz Karies 55% keine Karies 45% n = 80 Abbildung 25: Karieshäufigkeit vor Klappenersatz 27 der 107 kariösen Zähne (25%) mussten vor Klappenersatz extrahiert werden, da sie auf Grund kariöser Zerstörung nicht erhaltungsfähig waren. Vier Zähne (4%) wurden noch vor der Operation vom Hauszahnarzt mit einer Füllung versorgt. Weitere 32 Zähne (30%) wurden erst postoperativ konservierend behandelt. Davon mussten 11 Zähne zunächst endodontisch versorgt werden, wobei an zwei Zähnen gleichzeitig auch eine Wurzelspitzenresektion durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 76 der 107 kariösen Zähne (71%) präoperativ nicht behandelt. Abbildung 26 zeigt einen Überblick über die prä- und postoperative Therapie der kariösen Zähne. Ergebnisse 57 T h era p ie ka riö s er Zäh n e präoperative E x trak tion 25% präoperative Füllungs therapie 40% pos toperative Füllungs therapie 4% pos toperativ endodontis c he B ehandlung pos toperativ endodontis c he B ehandlung + W S R pos toperative E x trak tion 19% 2% n = 107 2% prä- und pos toperativ unbehandelt 8% Abbildung 26: Therapie kariöser Zähne Zwei der vor Klappenersatz unversorgten Zähne (2%) mussten wegen kariöser Zerstörung postoperativ vom Hauszahnarzt extrahiert werden. Während der Nachuntersuchung stellte sich heraus, dass 37 der 80 Patienten (46%) insgesamt 66 kariöse Zähne hatten. Davon waren 42 Zähne (64%) bereits präoperativ kariös. 24 Zähne (36%) hatten eine neue Karies, die im OPT vor Klappenersatz noch nicht zu erkennen war (s. Abb. 27). Ergebnisse 58 K ariö se Zäh n e n ach K la p p e n ersatz prä- und neue Karies postoperativ unbehandelte 36% Karies 64% n = 66 Abbildung 27: Kariöse Zähne nach Klappenersatz 33 dieser 42 bisher nicht behandelten Zähne (78%) benötigten zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung eine Füllungstherapie. Sieben Zähne (17%) bedurften einer endodontischen Versorgung, da im OPT eine apikale Aufhellung zu erkennen war, pulpitische Beschwerden auftraten oder bereits das Röntgenbild erkennen ließ, dass die kariöse Zerstörung bis zur Pulpa vorgedrungen war. Zwei weitere Zähne (5%) waren bereits so stark zerstört, dass eine Extraktion indiziert war (s. Abb.28 und Beispiel Abb. 29). B eh an dlun gs be darf k ariöse r Zäh ne b ei d er N ac hu nters uc hu ng 17% 5% Füllungs therapie endodontis c he B ehandlung E x trak tion, da nic ht erhaltungs fähig n = 42 78% Abbildung 28: Behandlungsbedsarf kariöser Zähne bei der Nachuntersuchung Ergebnisse Abbildung 29a: Vor Klappenersatz nicht behandelter kariöser Zahn 35 59 Abbildung 29b: Wegen nicht behandelter Karies bei Nachuntersuchung beherdeter extraktionsreifer Wurzelrest 35 4.1.13 Implantate Im Patientengut befanden sich zwei Patienten (3%), die bei der Untersuchung vor Klappenersatz zusammen sechs Implantate besaßen. Da keines der Implantate Anzeichen einer Periimplantitis aufwies, der Knochenabbau zwischen 0,5 mm und 2,5 mm betrug und die Patienten eine sehr gute Mundhygiene hatten, konnten alle sechs Implantate belassen werden. Auch bei der Nachuntersuchung waren die Implantate frei von Entzündung. Die Knochensituation hatte sich ebenfalls nicht verändert (s. Beispiel Abb. 30). Ergebnisse 60 Abbildung 30a: Implantate ohne Periimplantitis Regio 33 und 34 (präoperativ) Abbildung 30b: Implantate ohne Periimplantitis Regio 33 und 34 (postoperativ) 4.1.14 Röntgenologisch sichtbare potentielle Foci vor und nach Klappenersatz Vor Klappenersatz konnten im OPT bei 61 Patienten (76%) insgesamt 111 apikal oder coronal beherdete Zähne diagnostiziert werden (s. Beispiel Abb. 31). Abbildung 31: Apikal beherdeter Zahn 47 mit Parodontitis marginalis profunda, der vor Klappenersatz extrahiert wurde Ergebnisse 61 Eine Übersicht über die Art der Zähne bietet Tabelle 9: Art des beherdeten Zahnes Wurzelreste mit Verbindung zur Anzahl der Zäh- Beurteilung vor Klappenerne satz 13 Extraktion empfohlen 7 operative Entfernung emp- Mundhöhle impaktierte Wurzelreste fohlen suffiziente Wurzelfüllung 5 Extraktion oder WSR empfohlen insuffiziente Wurzelfüllung 43 Extraktion oder WSR empfohlen noch nicht endodontisch behandelt 5 Extraktion oder WSR empfohlen vollständig impaktierte Zähne 9 operative Entfernung empfohlen Parodontitis marginalis profunda 29 Extraktion empfohlen Summe: 111 Tabelle 9: Art der beherdeten Zähne vor Klappenersatz 95 dieser 111 Zähne mit röntgenologisch pathologischem Befund (86%) wurden vor und ein Zahn (1%) wurde nach der Herzoperation erfolgreich therapiert. Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung wiesen 19 der 80 Patienten (24%) zusammen 38 röntgenologisch beherdete Zähne auf. Bei 14 dieser 19 Patienten haben sich 23 der 38 pathologischen Befunde (61%) erst nach Klappenersatz entwickelt (s. Tabelle 10 und Beispiel Abb. 11). Die anderen 15 Zähne mit apikalem oder coronalem Herd (39%), die bei insgesamt 12 Patienten nachgewiesen werden konnten, waren präoperativ nicht oder nicht erfolgreich behandelt worden (s. Tabelle 11 und Beispiel Abb. 32). Ergebnisse 62 Art des beherdeten Zahnes Anzahl der Beurteilung vor Klappenersatz Zähne insuffiziente Wurzelfüllung 7 wurden belassen, da röntgenologisch apikal ohne pathologischen Befund impaktierter Wurzelrest 1 Extraktion empfohlen Parodontitis marginalis profunda 11 wurden belassen, da röntgenologisch apikal ohne pathologischen Befund noch nicht endodontisch behandelt 2 röntgenologisch apikal ohne pathologischen Befund unbehandelte Karies 2 röntgenologisch apikal ohne pathologischen Befund, konservierende Versorgung empfohlen Summe: 23 Tabelle 10: Pathologische Befunde, die erst nach Klappenersatz entstanden sind Art des beherdeten Zahnes Anzahl der Beurteilung vor Klappenersatz Zähne insuffiziente Wurzelfüllung 3 Extraktion oder WSR empfohlen impaktierte Wurzelreste 2 operative Entfernung empfohlen vollständig impaktierte Zähne 5 operative Entfernung empfohlen Parodontitis marginalis profunda 3 Extraktion empfohlen nicht erfolgreiche WSR 2 apikaler Herd, WSR geraten Summe: 15 Tabelle 11: Beherdete Zähne, die zum Zeitpunkt des Klappenersatzes vorlagen Ergebnisse Abbildung 32a: Apikal beherdeter Zahn 45 mit Parodontitis marginalis profunda, der präoperativ extrahiert werden sollte 63 Abbildung 32b: Postoperativ vergrößerter apikaler Herd des Zahnes 45 mit Parodontitis marginalis profunda Bei den o. g. 12 Patienten (15%) kam es wegen der 15 Zähne mit röntgenologisch pathologischem Befund perioperativ zu keinen Komplikationen und nicht zur Entstehung einer frühen Prothesenendokarditis. Auch bei den o. g. 19 Patienten (24%) haben die 38 nicht sanierten apikalen oder coronalen Herde bis zur Nachuntersuchung zu keinen Komplikationen geführt und keine späte Prothesenendokarditis ausgelöst. Ergebnisse 64 4.1.15 Mundhygiene und Gingivitis Einen Überblick über die Qualität der Mundhygiene der 80 nachuntersuchten Patienten, die anhand des API ermittelt wurde, zeigt Abbildung 33. M u n d h yg ien e d er n a ch u n ters u ch ten P atie n te n 14% 61% s ehr gut gut m äß ig 6% s c hlec ht 19% n = 80 Abbildung 33: Mundhygiene der nachuntersuchten Patienten Im nachuntersuchten Patientengut war bei 19 Personen (24%) eine Gingivitis zu diagnostizieren (s. Abb. 34). 17 dieser Patienten (89%) hatten eine mäßige oder schlechte Mundhygiene. Bei zwei Patienten (11%) mit guter und sehr guter Mundhygiene war die Gingivitis auf eine insuffiziente prothetische Versorgung zurückzuführen. G in g iv itis h äu fig k eit n a ch K lap p e n ers atz keine Gingivitis 76% Gingivitis 24 % n = 80 Abbildung 34: Gingivitishäufigkeit nach Klappenersatz Ergebnisse 65 4.1.16 Behandlungsbedarf zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung Im Verlauf der Nachuntersuchung stellte sich heraus, dass 36 Patienten (45%) eine konservierende Behandlung benötigten. 14 Patienten (18%) hatten eine insuffiziente prothetische Versorgung und bei 34 Patienten (43%) waren chirurgische Eingriffe indiziert (s. Abb. 35). Anzahl der Patienten Behandlungsbedarf zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung 40 35 30 25 20 15 10 5 0 36 34 14 konservierend prothetisch chirurgisch Behandlungsart Abbildung 35: Behandlungsbedarf zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung Ergebnisse 66 4.2 Ergebnisse der Patientenbefragung 4.2.1 Kenntnisstand der Patienten über Endokarditisrisiken beim Zahnarzt und über Endokarditisprophylaxe Nach eigenen Aussagen sind 71 Patienten (89%) darüber informiert, dass an künstlichen Herzklappen bevorzugt Thromben entstehen können und somit das Risiko der Bakterienbesiedelung bei künstlichen Herzklappenersatz stark erhöht ist. Diese Tatsachen sind 7 Patienten (9%) nicht bekannt. 2 Patienten (2%) konnten keine Antwort auf die gestellte Frage geben. Von der Notwendigkeit der Endokarditisprophylaxe vor zahnärztlichen Eingriffen, bei denen es zur Eröffnung von Blutgefäßen kommt, haben 68 Patienten (85%) Kenntnis. 10 Patienten (13%) wissen darüber nicht Bescheid. Wegen Verständigungsproblemen konnten 2 ausländische Patienten (2%) zu den Fragen keine Angaben machen (s. Abb. 36). K e n n tn is d e r P a tien ten ü b e r d ie N o tw e n d ig k eit d e r E n d o k ard itisp ro p h y la xe 2% ja 13% nein k eine A ngabe 85% n = 80 Abbildung 36: Kenntnis der Patienten über die Notwendigkeit der Endokarditisprophylaxe Ergebnisse 4.2.2 67 Nach Herzklappenersatz durchgeführte Behandlungen 74 Patienten (93%) waren, seitdem sie Träger eines Herzklappenersatzes sind, in zahnärztlicher Behandlung. Nur sechs Patienten (7%) hatte sich seit der Herzoperation nicht untersuchen lassen (s. Abb. 37). Zah n a rztb e su c h se it H erzk la p p en e rsa tz nein: 6 Patienten ja: 74 Patienten n = 80 Abbildung 37: Zahnarztbesuch nach Herzklappenersatz Die zahnärztlichen Behandlungen wurden zum einen unterteilt in konservierende, prothetische und chirurgische Eingriffe, sowie zum anderen in fakultativ „blutige“ (Extraktionen, Wurzelspitzenresektion, endodontische Behandlung, Parodontalbehandlung, Präparationen für Kronen und Brücken) und normalerweise „nicht blutige“ Eingriffe (Routineuntersuchung, Füllungstherapie, Röntgenuntersuchung, Prothesenanfertigung). Die Zahnsteinentfernung wird gesondert betrachtet (s. 4.2.3). Postoperativ war bei 30 der nachuntersuchten Patienten (38%) eine konservierende Behandlung nötig. 22 Patienten (28%) ließen sich prothetisch neu versorgen. 14 Patienten (18%) mussten nach der Herzoperation chirurgisch saniert werden. Insgesamt wurden 103 „blutige“ und 111 „nicht blutige“ Behandlungen durchgeführt. Bei prophylaxepflichtigen Eingriffen, bei denen es zur Eröffnung von Blutgefäßen kam, wurde in 72 Fällen (70%) für eine Antibiotikaprophylaxe des Patienten gesorgt. 29 Patienten (28%) wurden ohne Endokarditisprophylaxe behandelt. Zwei Ergebnisse 68 Patienten (2%) konnten sich nicht mehr daran erinnern, ob ihnen ein Antibiotikum verabreicht wurde oder nicht. Von den 111 „nicht blutigen“ Eingriffen wurden 108 (97%) ohne und drei (3%) unter antibiotischer Abdeckung durchgeführt. 4.2.3 Postoperative Zahnsteinentfernung Bei 51 der nachuntersuchten Patienten (64%) wurde nach Klappenersatz Zahnstein entfernt. 27 dieser 51 Patienten (53%) erhielten dazu von ihrem Hauszahnarzt eine Antibiotikaprophylaxe. Bei 21 Patienten (41%) fand die Zahnsteinentfernung ohne antibiotische Abdeckung statt. Drei Patienten (6%) konnten keine Angabe darüber machen, ob sie vor der Behandlung Antibiotika bekommen hatten oder nicht (s. Abb. 38). An tib io tik ap ro p h y la xe b ei p o sto p era tive r Zah n s te in e n tfern u n g 6% Zahns teinentfernung unter A ntibiotik a 41% 53% Zahns teinentfernung ohne A ntibiotik a Zahns teinentfernung, A ntibiotik agabe fraglic h n = 51 Abbildung 38: Antibiotikaprophylaxe bei postoperativer Zahnsteinentfernung Ergebnisse 69 25 der 80 nachuntersuchten Patienten (31%) gaben an, dass bei ihnen seit der Herzoperation kein Zahnstein entfernt worden war. Bei drei Patienten (4%) war keine Zahnsteinentfernung nötig und ein Patient (1%) konnten keine Angaben machen (s. Abb. 39). P o sto p era tive Za h n stein en tfe rn u n g 4% 1% pos toperative Zahns teinentfernung k eine Zahns teinentfernung 31% 64% Zahns teinentfernung nic ht nötig Zahns teinentfernung fraglic h n = 80 Abbildung 39: Postoperative Zahnsteinentfernung Ergebnisse 70 4.3 Ergebnisse der telefonischen Patientenbefragung 183 der insgesamt 305 angeschriebenen Patienten mit mechanischem oder biologischem Herzklappenersatz (60%) haben an der klinischen Nachuntersuchung nicht teilgenommen. Um möglichst umfassende Informationen zu erhalten, wurden der Vollständigkeit halber im Februar 2005 165 dieser 183 Patienten (90%) telefonisch befragt, ob bei ihnen postoperativ eine frühe oder späte Prothesenendokarditis aufgetreten sei. 18 Patienten (10%) waren telefonisch nicht mehr erreichbar. 103 der telefonisch befragten Patienten (34%) haben persönlich erklärt und in 14 Fällen (5%) haben die Angehörigen die Auskunft gegeben, dass es nach Klappenersatz zu keinem Zeitpunkt zu einem Fieber im Zusammenhang mit der Herzklappenprothese gekommen sei. Neun Patienten (3%) waren in der Zwischenzeit verstorben. In diesen neun Fällen gaben die Angehörigen an, dass kein Fieber auf Grund einer Prothesenendokarditis aufgetreten sei. 39 Patienten (13%) verweigerten die telefonische Aussage und waren auch nicht bereit, eventuell schriftlich zu antworten. 42 der 305 angeschriebenen Patienten (14%) waren zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung bereits verstorben. 30 Angehörige dieser 42 Patienten (71%) wurden telefonisch befragt, ob der Verstorbene postoperativ eine Prothesenendokarditis entwickelt habe oder sogar daran gestorben sei. In 12 Fällen (29%) waren keine Angehörigen mehr erreichbar. 19 Angehörige (6%) gaben an, dass bei keinem der Verstorbenen nach Klappenersatz eine Prothesenendokarditis aufgetreten und eine Prothesenendokarditis auch nicht die Todesursache gewesen sei. 11 Angehörige (4%) waren nicht bereit, zu diesen Fragen telefonisch oder schriftlich Auskunft zu erteilen. Ergebnisse 71 Soweit möglich, wurden die behandelnden Hausärzte der Patienten, die selbst bzw. deren Angehörige eine Auskunft verweigert hatten, kontaktiert. In keinem Fall wurde von einer Prothesenendokarditis berichtet. G e sa m tü b ers ic h t d e r P a tien ten b e fra g u n g 13% 3% 5% 33% 6% 6% 4% 4% 26% n = 305 z ur Nac hunters uc hung ers c hienen, k eine P E pos toperativ telefonis c h befragt, k eine P E pos toperativ telefonis c h befragt, k eine P E pos toperativ lt. A ngehörigen telefonis c h befragt, z wis c henz eitlic h vers torben, lt. A ngehörigen k eine P E pos toperativ telefonis c h befragt, A us k unft verweigert telefonis c h nic ht erreic hbar vor Nac hunters uc hung vers torben, A ngehörige telefonis c h befragt, k eine P E pos toperativ vor Nac hunters uc hung vers torben, A ngehörige telefonis c h befragt, A us k unft verweigert vor Nac hunters uc hung vers torben, k eine A ngehörigen erreic hbar Abbildung 40: Gesamtübersicht der Patientenbefragung Diskussion 72 5 Diskussion 5.1 Ergebnisse über der die Patientennachuntersuchung durchgeführte Therapie vor Klappenersatz 5.1.1 Behandlungsbedarf aus Sicht der Klinik Es wurde an Hand von 80 Patienten mit bereits durchgeführten Herzklappenoperationen die Inzidenz dentogener Infektionsquellen und folglich die durchgeführten zahnärztlich-chirurgischen Maßnahmen evaluiert. Insgesamt konnten bei 61 der 80 Patienten (76%) präoperativ dentogene Infektionsquellen gefunden werden. Die Mundhöhle weist von Natur aus eine vielfältige bakterielle Besiedelung auf, wobei die schützende physiologische Streptokokkenflora überwiegt. Bei den meisten Erwachsenen sind zusätzlich auch potentiell pathogene Keime zu finden, die überwiegend im Parodont der Zähne lokalisiert sind. Dabei handelt es sich neben besonderen Streptokokkenarten vor allem um gramnegative anaerobe Bakterien, wobei Qualität und Quantität individuelle Unterschiede aufweisen. Im Einzelfall lässt sich die konkrete pathogene Potenz nicht einschätzen [57 S. 1]. Hinzu kommt, dass keine desinfizierende, antibiotische oder chirurgisch sanierende Behandlungsmaßnahme zu einer völlig keimfreien Mundhöhle führt. So können sich über die Zähne als Eintrittspforte aus der Standortflora des Mundes bakterielle Infektionen entwickeln, die lokal beispielsweise als Parodontitis, Abszess oder Osteomyelitis klinisch manifest werden [57 S. 1]. Bei der sterilen Punktion dentogener Infektionen werden am häufigsten Streptokokken gefunden [30 S. 156, 45 S. 291]. Bekannterweise bildet auch die durch Streptokokken hervorgerufene Endokarditis den Hauptanteil der infektiösen Genese [12 S. 207, 14 S. 661, 35 S. 56, 41 S. 653, 56 S. 495, 62 S. 246, 68 S. 826, 70 S. 11, 71 S. 997, 73 S. 113, 92 S. 979]. Diskussion 73 Die hämatogene Streuung des potentiell pathogenen Erregergemisches kann im Sinne der „focal dental infection“ zur Entstehung einer sekundären bakteriellen Infektion, wie beispielsweise einer entzündlichen Herzklappenerkrankung beitragen [30 S. 156, 45 S. 291, 57 S. 1, 64 S. 280]. Dies rechtfertigt die Schlussfolgerung, dass dentogene Foci an der Pathogenese einer Endokarditis beteiligt sein können. Um mögliche Streuherde bereits vor dem geplanten Herzklappenersatz beseitigen zu können und somit postoperative Komplikationen zu vermeiden, hat sich deshalb in chirurgischen Abteilungen, die Herzklappenoperationen durchführen, eine routinemäßige dentogene Focussuche und Focussanierung als ein Teil des Evaluationsprogrammes durchgesetzt [45 S. 289, 49 S. 310, 50 S. 151, 84 S. 402]. Das Fehlen einheitlicher Sanierungskriterien stellt allerdings einen Nachteil für die Bestimmung des Sanierungsbedarfes und des Sanierungsumfanges dar. In der Literatur wird die Problematik der dentogenen Fokussuche und Fokussanierung vor speziellen Organtransplantationen sehr konträr behandelt. Alle Sanierungskonzepte verfolgen das Ziel, eine Fernwirkung der vorhandenen Infektionsfoci auf den Organismus zu verhindern [50 S. 153]. Während eine Übereinstimmung darüber besteht, dass alle nicht erhaltungsfähigen Zähne extrahiert werden müssen und eine parodontologische Behandlung erfolgen sollte, herrschen unterschiedliche Auffassungen darüber vor, ob eine Extraktionstherapie bei retinierten, teilretinierten oder bei lege artis wurzelkanalbehandelten Zähnen angestrebt werden sollte [50 S. 153]. So gibt es Autoren vor allem älterer Sanierungskonzepte, die eine radikale Sanierung befürworten und sich für die Extraktion aller devitaler Zähne aussprechen [44 S. 62, 82 S. 541]. Äußerst extrem ist hier wohl die Empfehlung von Bottomley et al. [10 S. 1334], sogar bei mangelnder Mundhygiene des Patienten alle noch vorhandenen Zähne zu extrahieren. Andere Autoren hingegen gehen sogar so weit, dass sie die Notwendigkeit einer zahnärztlich-chirurgischen Sanierung vor Klappenersatz anzweifeln. So schlussfolgerten Hakeberg und Mitarbeiter, die in ihrer Studie eine Gruppe von 149 zahnärztlich sanierten Patienten mit einer anderen Gruppe von 104 Patienten ohne zahnärztliche Sanierung vor Herzklappenersatz verglichen, dass die präoperative Diskussion 74 zahnärztlich-chirurgische Sanierung keine statistisch signifikante Verringerung der Komplikationsrate nach Klappenersatz bewirke [33 S. 5]. Die Gefahr der Endokarditis darf aber nicht unterschätzt werden, da die Letalität der infektiösen Herzklappenendokarditis unverändert hoch ist [19 S. 27, 43 S. 20, 87 S. 345]. Laut Empfehlungen der DGZMK zur Zahnsanierung vor und nach Organtransplantation sollte sich die chirurgische Sanierung auf die Entfernung kariös oder parodontal zerstörter und teilretinierter verlagerter Zähne mit Anschluss zur Mundhöhle (Schlupfwinkelinfektion) beschränken. Außerdem könnten Wurzelspitzenresektionen an prothetisch wichtigen Zähnen und Zahngruppen mit guter Erfolgserwartung durchgeführt werden. Radikale Sanierungsmaßnahmen sind allerdings nach dem heutigen Stand des Wissens nicht mehr zu begründen [57 S. 2]. Auch wenn die Stellungnahme keine speziellen Empfehlungen für den Herzklappenersatz enthält, dürften die Richtlinien der DGMZK sowie die Empfehlungen anderer Autoren zur zahnärztlich-chirurgischer Sanierung vor Organtransplantationen dafür ebenfalls Gültigkeit besitzen. Wesentlich differenzierter scheinen hier die von Schmidt-Westhausen und Strietzel, Sonner und Mitarbeitern sowie Melkos und Mitarbeitern veröffentlichten Sanierungskriterien vor Organtransplantation, bei denen Mundhygiene und Motivierbarkeit des Patienten eine große Rolle spielen und die Entscheidung für die Art der Behandlung individuell getroffen wird [50 S. 152, 77 S. 2627, 80 S. 795]: Mangelt es dem Patienten an Compliance und ist er zu einer Verbesserung der Mundhygiene nicht bereit oder auch nicht in der Lage, sollte bei bestehender ausgeprägter parodontalen Erkrankung, multiplen kariösen Läsionen oder marktoten Zähnen eher eine radikal-oralchirurgische Sanierung mit anschließender prothetischer Behandlung angestrebt werden. Bei einer guten Mitarbeit des Patienten hinsichtlich einer Verbesserung der Mundhygiene und ggf. der Ernährungsgewohnheiten wird aber die Erhaltung der Zähne im Sinne einer eingeschränkt radikalen Sanierung favorisiert. Dies bedeutet, dass aufgrund kariöser Zerstörung oder starker parodontaler Schädigung nicht erhaltungswürdige Zähne, sowie devitale Zähne, bei denen eine endodontische Behandlung nicht ordnungsgemäß möglich ist oder nicht erfolgversprechend erscheint, extrahiert werden. Ebenso müssen teilre- Diskussion 75 tinierte Zähne entfernt werden. Hingegen können vollständig retinierte Zähne ohne klinische oder röntgenologische Entzündungszeichen belassen werden. Auch werden an Stelle der Extraktion bei devitalen aber erhaltungswürdigen Zähnen endodontische Maßnahmen vorgenommen, insuffiziente Wurzelfüllungen revidiert sowie apikale Herde durch eine Wurzelspitzenresektion therapiert, sofern der Zeitrahmen bis zur Herzoperation und der Allgemeinzustand des Patienten dies ermöglichen [50 S. 152, 77 S. 2627, 80 S. 795]. 5.1.2 Nicht behandelte Foci Da odontogene Infektionen bei herzchirurgischen Eingriffen, vor allem nach Ersatz von Herzklappen, ein Endokarditisrisiko in sich bergen [19 S. 27], erscheint die Zahl von 101 potentiellen und fakultativen Foci bei 54% der nachuntersuchten Patienten (43), die zum Zeitpunkt der Herzoperation nicht vollständig konservierend und/oder chirurgisch saniert waren, auffallend hoch. Patienten mit Prothesenendokarditis weisen eine bei weitem höhere Komplikationsrate und Mortalität auf als vergleichbare Patienten mit einer Endokarditis der nativen Klappen [31 S. 485]. Tritt eine Prothesenendokarditis frühpostoperativ innerhalb der ersten zwei Monate nach Herzklappenersatz auf, wird dies als gesicherte Indikation für die Reoperation der Klappenprothese angesehen [31 S. 483, 32 S. 1390]. Es ist nämlich zur Vermeidung ernsthafter dentogener Komplikationen wichtig, durch die zahnärztliche Sanierung für möglichst lange Zeit eine Therapiefreiheit sicherzustellen [19 S. 27]. Von Schmidt-Westhausen und Strietzel wird für immunsupprimierte Patienten nach Lebertransplantation ein behandlungsfreier Zeitraum von mindestens drei Monaten gefordert [77 S. 2628]. Bei zahnärztlich-chirurgischen Maßnahmen nach der Herzoperation muss beachtet werden, dass Patienten mit mechanischem Klappenersatz lebenslang und Patienten mit Bioklappen in den ersten drei postoperativen Monaten mit Antikoagulantien behandelt werden [34 S. 660]. So kann je nach voraussichtlicher Schwere und Dauer des zahnärztlich-chirurgischen Eingriffs eine Veränderung der therapeutischen Gerinnungswerte notwendig werden, um das Auftreten nicht stillbarer Diskussion 76 Blutungen zu vermeiden. Bei der Unterbrechung der Antikoagulationstherapie muss allerdings sorgfältig erwogen werden, ob die zu erwartende Blutung die Gefahr der Entstehung einer möglichen Thromboembolie rechtfertigt. Hierbei sollte die Unterbrechung der oralen Antikoagulation oder eine Umstellung auf Heparin in der Regel nur vom betreuenden Kardiologen, Hausarzt oder der Rehabilitationsklinik vorgenommen werden, weil davon ausgegangen werden kann, dass diese darin die nötige Erfahrung haben. Diese Problematik sollte durch die zahnärztlich-chirurgische Sanierung bereits vor Klappenersatz vermieden werden. 5.1.3 Extraktionen Die Extraktion von Zähnen, die einen potentiellen Fokus darstellen, sollte vor Klappenersatz durchgeführt werden, um eine durch nicht sanierte orale Streuherde ausgelöste Prothesenendokarditis während der Einheilungsphase zu vermeiden. Dabei darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass schon eine einzige Zahnextraktion gravierende Auswirkungen auf die Ästhetik und damit auf die Psyche und das psychosoziale Verhalten des Patienten haben kann. In Anbetracht des oft mehrere Wochen dauernden Rehabilitationsaufenthaltes im Anschluss an die Herzoperation darf die nach Zahnextraktionen vor allem im sichtbaren Bereich auftretende psychosoziale Komponente nicht außer Acht gelassen werden [45 S. 292]. Deshalb wäre es sinnvoll, schon mehrere Wochen vor der geplanten Klappenoperation mit der zahnärztlich-chirurgischen Therapie zu beginnen, um aus Zeitmangel nicht nur potentielle dentogene Herde zu beseitigen, sondern auch eine komplette konservierende Sanierung sowie eine prothetische Interimsversorgung des Patienten zu ermöglichen. Der rechtzeitige Beginn der oralen Rehabilitation würde auch dabei helfen, dass der Patient die gewohnte orale Situation beibehält und in den täglichen Lebensgewohnheiten nach dem kardiochirurgischen Eingriff nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Somit könnten die durch notwendige zahnärztlich- Diskussion 77 chirurgischen Maßnahmen hervorgerufenen psychischen und sozialen Probleme auf ein Minimum reduziert werden [45 S. 292]. Daher nehmen Kardiologen und Herzchirurgen einen nennenswerten Stellenwert in der Organisation der oralen Rehabilitation von Patienten mit geplantem Herzklappenersatz ein. 5.1.4 Devitale Zähne 5.1.4.1 Endodontisch behandelte Zähne mit suffizienter Wurzelfüllung vor und nach Klappenersatz Nach den Sanierungskriterien der Klinik wurden 34 endodontisch behandelte Zähne bei Patienten mit bevorstehendem Klappenersatz belassen, die röntgenologisch sowohl eine suffiziente Wurzelfüllung aufwiesen, als auch frei von pathologischen Veränderungen waren und nicht perkussionsempfindlich reagierten. Auch nach Ansicht von Krennmair und Mitarbeitern stellen devitale Zähne, welche durch eine ordnungsgemäße Wurzelbehandlung saniert wurden, kein Risiko dar [45 S. 291]. Diese Meinung wird ebenso von Sonner und Mitarbeitern vertreten, da das Belassen von suffizient wurzelkanalbehandelten Zähnen nach der Lebertransplantation bei den untersuchten 320 Patienten in keinem Fall zu Komplikationen führte [80 S. 795]. Schmelzeisen und Mitarbeiter kamen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass endodontisch behandelte Zähne ohne Hinweis auf eine apikale Parodontitis nicht als unmittelbare Infektionsquelle anzusehen sind [76 S. 433]. Diese Auffassung wird auch von Melkos und Mitarbeitern vertreten, die gleichfalls raten, suffizient wurzelkanalgefüllte Zähne zu belassen [50 S. 152]. Auch in der Studie von Weingart und Mitarbeitern ergaben sich in der Gruppe der 18 Patienten, die eine erhöhte Rate wurzelkanalgefüllter Zähne aufwiesen, nach der Herztransplantation keinerlei Komplikationen [91 S. 774]. Da ebenso bei keinem der 34 lege artis wurzelkanalgefüllten Zähnen bei der Nachuntersuchung anhand des Röntgenbildes ein pathologischer Prozess diag- Diskussion 78 nostiziert werden konnte und kein Zahn perkussionsempfindlich war, kann im Sinne einer Erhaltungssanierung das Belassen suffizient wurzelbehandelter Zähne, die frei von röntgenologischen und klinischen Entzündungszeichen sind, vertreten werden. Trotzdem sind devitale Zähne generell als fakultativer Focus anzusehen [45 S. 289]. Denn auch die modernen Verfahren der konservierenden Zahnerhaltung sind trotz Anwendung von Lupenbrille oder Operationsmikroskop aufgrund der individuellen Anatomie des Wurzelkanals nicht in der Lage, eine hundertprozentige Erhaltungsmöglichkeit zu gewährleisten [19 S. 29]. Da im zweidimensionalen Röntgenbild die dritte Raumebene äußerst schwer erfasst werden kann, besteht durchaus die Möglichkeit, dass eine röntgenologisch suffizient erscheinende Wurzelfüllung „in Wirklichkeit“ insuffizient ist, zum Beispiel durch unzureichende Abdichtung eines ovalen oder hantelförmigen Kanallumens. Deshalb empfiehlt sich nach Klappenersatz eine regelmäßige klinische und röntgenologische Kontrolle dieser Zähne durch den Hauszahnarzt, um einen sich eventuell entwickelnden pathologischen Prozess möglichst frühzeitig erkennen und beseitigen zu können. 5.1.4.2 Endodontisch behandelte Zähne mit insuffizienter Wurzelfüllung vor und nach Klappenersatz In der Untersuchung vor Klappenersatz wurde an der Klinik bei 37 der 80 Zähne mit röntgenologisch insuffizienter endodontischer Versorgung (46%) kein apikaler Herd diagnostiziert. Davon wurden 31 Zähne (84%) belassen, vier Zähne (11%) extrahiert sowie zwei Zähne (5%) reseziert und retrograd wurzelgefüllt. Sieben der 31 belassenen Zähne mit insuffizienter Wurzelfüllung (23%) wiesen zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung apikal einen pathologischen Prozess auf, der vor Klappenersatz noch nicht vorlag. Bei guter Mitarbeit und sorgfältiger Mundhygiene des Patienten raten SchmidtWesthausen und Strietzel zur Erneuerung insuffizienter Wurzelfüllungen, sofern es die verbleibende Zeit bis zur geplanten Operation und der Allgemeinzustand des Patienten erlauben [77 S. 2627]. Auch Sonner und Mitarbeiter empfehlen, falls die Diskussion 79 Umstände dies zulassen, die Revision insuffizienter Wurzelfüllungen der Extraktion vorzuziehen [80 S. 794]. Beim Belassen einer zu kurzen Wurzelfüllung kann nämlich anhand des Röntgenbildes in der Regel nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob der Rest des Wurzelkanals vollständig obliteriert ist, oder ob noch Anteile infizierten Pulpagewebes vorhanden sind, die eine apikale Ostitis auslösen können, wie es bei sieben Zähnen im nachuntersuchten Patientengut (23%) der Fall war. 43 der 80 insuffizient endodontisch versorgen Zähne (54%) wiesen im OPT vor Klappenersatz apikal einen pathologischen Befund auf. Bei 24 Zähnen (56%) wurde von Seiten der Klinik die Extraktion des betreffenden Zahnes und bei 17 Zähnen (40%) eine Wurzelspitzenresektion mit retrograder Wurzelfüllung empfohlen. Bei fünf der 17 resezierten Zähne (29%) wurde im Röntgenbild der Nachuntersuchung eine apikale Aufhellung diagnostiziert. Falls der Patient nicht bereit oder nicht fähig ist, eine sorgfältige Mundhygiene zu betreiben, raten Schmidt-Westhausen und Strietzel eher zu einer Extraktion marktoter Zähne. Allerdings sollte, eine gute Compliance und Mundhygiene des Patienten vorausgesetzt, bei entsprechendem Allgemeinzustand des Patienten eine Revision der insuffizienten Wurzelfüllung und eine Wurzelspitzenresektion gegenüber der Extraktion vorgezogen werden [50 S. 152, 77 S. 2627]. Da eine Wurzelspitzenresektion (siehe 5.1.5) allerdings keine Garantie für die vollständige Beseitigung des apikalen Herdes ist, muss in Anbetracht des Endokarditisrisikos sorgfältig zwischen dem Erhalt des Zahnes mit unsicherer Entfernung des pathologischen Prozesses und der Extraktion des Zahnes, verbunden mit der sicheren Entfernung des Entzündungsherdes abgewogen werden. So ist die Erhaltung des Zahnes für den Patienten sicherlich angenehmer, allerdings auch wesentlich risikoreicher. Dies bedeutet, dass für jeden einzelnen Fall eine individuelle Indikation gestellt werden muss. Diskussion 80 5.1.4.3 Endodontisch nicht versorgte Zähne vor Klappenersatz An der Klinik wurden vor Klappenersatz vier von fünf endodontisch nicht versorgten und röntgenologisch apikal beherdeten Zähne extrahiert. Ein erhaltungswürdiger und prothetisch wichtiger Zahn mit apikal pathologischem Befund wurde vor der Herzoperation wurzelkanalbehandelt und gleichzeitig wurzelspitzenreseziert. Schmidt-Westhausen und Strietzel empfehlen ebenso wie Melkos und Mitarbeiter im Sinne einer radikal-oralchirurgischen Sanierung die Entfernung avitaler Zähne, falls der Patient zur Verbesserung der Mundhygiene nicht bereit oder nicht in der Lage ist. Auch sollten Zähne extrahiert werden, bei denen eine Wurzelkanalbehandlung nicht aussichtsreich erscheint. Hingegen sprechen sie sich bei guter Compliance und sorgfältiger Mundhygiene des Patienten für eine endodontische Behandlung avitaler aber erhaltungswürdiger Zähne im Sinne einer Erhaltungssanierung aus [50 S. 152, 77 S. 2627]. Auch Sonner und Mitarbeiter, die ein eingeschränkt radikales Sanierungskonzept vertreten, sind der Ansicht, dass devitale Zähne mit schlechter endodontischer Prognose extrahiert werden sollten. Bei avitalen aber erhaltungswürdigen Zähnen hingegen sprechen sie sich für die Einleitung endodontischer Maßnahmen aus [80 S. 794]. Bei endodontisch nicht versorgten devitalen Zähnen vor Klappenersatz muss man unterscheiden, ob ein Zahn röntgenologisch einen pathologischen Prozess am Apex aufweist oder apikal nicht beherdet ist. Besitzt der Zahn bereits einen apikalen Herd, ist er als potentieller Fokus anzusehen [45 S. 289]. Da aus Zeitgründen meist präoperativ nicht abgewartet werden kann, ob rein konservierende endodontische Maßnahmen zu einer Ausheilung des Herdes führen, erhöht eine gleichzeitige Wurzelspitzenresektion durch Beseitigung der apikalen Ramifikationen und des periapikalen entzündlichen Gewebes die Erfolgsaussichten. Auch hier ist die regelmäßige postoperative Röntgenkontrolle durch den weiterbehandelnden Zahnarzt wichtig, um die Gefahr einer Prothesenendokarditis zu verringern. Diskussion 5.1.5 81 Wurzelspitzenresektion An der Klinik wurden bei 13 Patienten insgesamt 23 prothetisch wichtige Zähne reseziert und retrograd wurzelgefüllt. Die Indikation für den Eingriff war in den meisten Fällen eine insuffiziente Wurzelfüllung mit apikaler Beherdung des Zahnes. Die Resektionslakunen von 18 der 23 Zähne (78%) waren in der Nachuntersuchung röntgenologisch vollständig verknöchert. Bei fünf Zähnen (22%) trat nicht der erwartete Erfolg ein. Während der Nachuntersuchung wurde röntgenologisch jeweils eine deutliche apikale Aufhellung festgestellt. Allerdings konnte nur bei zwei Zähnen (9%) mit Sicherheit eine apikale Ostitis und damit ein potentieller Fokus für den Herzklappenpatienten diagnostiziert werden, weil im Röntgenbild die Aufhellung wesentlich größer war, als die Resektionslakunen nach dem Eingriff und intraoral eine periapikale Schwellung sowie Pusentleerung aus der Tasche zu beobachten waren. Bei den restlichen drei Zähnen (13%), die beschwerdefrei waren, konnte röntgenologisch nicht zweifelsfrei festgestellt werden, ob ein erneuter apikaler Herd oder eine bindegewebige Ausheilung vorlag. Die DGZMK vertritt die Auffassung, dass Wurzelspitzenresektionen an prothetisch wichtigen Zähnen und Zahngruppen mit guter Erfolgserwartung durchgeführt werden können [57 S. 2]. Schmelzeisen und Mitarbeiter sind der Meinung, dass Zähne nach erfolgreicher Wurzelspitzenresektion keine unmittelbare Infektionsquelle darstellen [76 S. 431]. Eine gute Compliance des Patienten vorausgesetzt und sofern der Allgemeinzustand des Patienten sowie der Zeitrahmen es zulassen, sollte laut SchmidtWesthausen und Strietzel sowie Melkos und Mitarbeiter bei apikalen Herden die Wurzelspitzenresektion gegenüber der Extraktion bevorzugt werden [50 S. 152, 77 S. 2627]. Auch Sonner und Mitarbeiter empfehlen, bei gutem Allgemeinzustand des Patienten und genügend Zeit bis zur Herzoperation, die Wurzelspitzenresektion bei apikalen pathologischen Prozessen einer Entfernung des Zahnes vorzuziehen. In ihrer Studie führten nämlich die wurzelspitzenresezierten Zähne bei keinem der untersuchten Patienten nach Lebertransplantation zu allgemeinen Komplikationen [80 S. 795]. Diskussion 82 Deppe hingegen ist der Ansicht, dass die zur Verfügung stehende Diagnostik kritisch hinterfragt werden muss, da gegenwärtig kein bildgebendes Verfahren geeignet ist, die diagnostische Aussagekraft histologischer Befunde auch nur annähernd zu erreichen. Daher ist die Abschätzung schwierig, ob eine röntgenologisch diagnostizierte Aufhellung nach Wurzelspitzenresektion eine apikale Ostitis oder aber eine bindegewebige Ausheilung darstellt. Außerdem sind die Langzeitergebnisse nach konventioneller Wurzelspitzenresektion schlechter als die der zahnärztlichen Implantologie [19 S. 29]. Deshalb sollten Wurzelspitzenresektionen bei Patienten mit bevorstehendem Klappenersatz nur in Ausnahmefällen und nur an prothetisch wichtigen Zähnen und Zahngruppen mit guter Erfolgserwartung durchgeführt werden [57 S. 2]. Da aus Zeitmangel vor der Herzoperation meist nicht abgewartet werden kann, ob der Eingriff erfolgreich war und es zu einer vollständigen Verknöcherung der Resektionslakune kommt, ist eine Röntgenkontrolle durch den weiterbehandeln Zahnarzt erforderlich. 5.1.6 Impaktierte und teilretinierte Zähne vor und nach Klappenersatz 5.1.6.1 Impaktierte Zähne An der Klinik wurde Patienten mit bevorstehendem Klappenersatz die operative Entfernung sowohl impaktierter Zähne mit pathologischem Befund als auch nicht beherdeter impaktierter Zähne empfohlen. In allen 12 Fällen handelte es sich um impaktierte Dritte Molaren, von denen neun röntgenologisch einen pathologischen Befund aufwiesen (75%). In der Literatur finden sich keine Autoren, welche die Entfernung beherdeter impaktierter Zähne anzweifeln, die einen potentiellen Fokus bilden. Laut Schmidt-Westhausen und Strietzel sowie Melkos und Mitarbeiter können allerdings vollständig retinierte Zähne ohne klinische oder röntgenologische Entzündungszeichen belassen werden [50 S. 152, 77 S. 2628]. Diskussion 83 Sonner und Mitarbeiter schlussfolgerten ebenfalls, dass vollretinierte Zähne ohne klinische oder röntgenologische Symptomatik nicht entfernt werden müssen, da das Belassen dieser Zähne bei keinem der 320 untersuchten Patienten nach Lebertransplantation zu allgemeinen Komplikationen geführt habe [80 S. 796]. Weingart und Mitarbeiter treffen zur Notwendigkeit der präoperativen Entfernung impaktierter Zähne keine klare Aussage. Da in der Gruppe von Patienten, bei denen vollretinierte Zähne vor der Herzoperation belassen wurden, postoperativ keine Komplikationen auftraten, forderten sie lediglich nochmals über den Umfang der präoperativen zahnärztlichen Sanierung nachzudenken [91 S. 775]. Deppe hingegen empfiehlt auf Grund seiner eigenen Erfahrungen die Entfernung retinierter Zähne vor Herzklappenersatz und Herztransplantation. Er gibt zu bedenken, dass röntgenologisch impaktiert erscheinende Zähne durchaus klinisch bereits Anschluss an die Mundhöhle besitzen können, da mit konventionellen praxisüblichen Röntgentechniken Befunde in der dritten Raumdimension oft genug nicht ausreichend zu erfassen sind [19 S. 29]. Schmelzeisen und Mitarbeiter wiederum vertreten die Ansicht, dass vollständig retinierte Zähne ohne klinische oder röntgenologische Entzündungszeichen keine unmittelbare Infektionsquelle darstellen [76 S. 431]. Die operative Entfernung impaktierter Zähne stellt sicherlich vor allem für Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand oft eine hohe Belastung dar. Hinzu kommt bei der Osteotomie der unteren Weisheitszähne die Gefahr der Nervschädigung. Trotzdem muss, um vollretinierte Zähne präoperativ belassen zu können, sowohl klinisch als auch röntgenologisch exakt geprüft werden, ob wirklich keine Verbindung zur Mundhöhle, keine Abdeckung des betreffenden Kieferabschnittes durch einen Zahnersatz und keinerlei Anzeichen für eine Entzündung vorhanden sind. Sicherlich wäre es auch ratsam, aktuelle Röntgenaufnahmen mit älteren Bildern zu vergleichen, um zu prüfen, ob die Situation des Zahnes wirklich über Jahre hinweg stabil geblieben ist. Sollten im Einzelfall Zweifel bestehen, ob ein retinierter Zahn eine dentogene Infektionsquelle darstellt oder nicht, ist auf jeden Fall aus Sicherheitsgründen der Osteotomie des Zahnes der Vorzug zu geben. Diskussion 84 5.1.6.2 Teilretinierte Zähne An der Klinik wurde in der Untersuchung vor Klappenersatz den betroffenen Patienten die Extraktion aller teilretinierten Zähne angeraten, um die Gefahr einer Endokarditis post operationem, ausgelöst durch eine hämatogen streuende Pericoronitis, ausschließen zu können. Auch die DGZMK empfiehlt zur Beseitigung von Schlupfwinkelinfektionen die Entfernung teilretiniert verlagerter Zähne mit Anschluss zur Mundhöhle [57 S. 2]. Schmidt-Westhausen und Strietzel, Sonner und Mitarbeiter sowie Melkos und Mitarbeiter vertreten ebenfalls die Ansicht, dass teilretinierte Zähne präoperativ entfernt werden müssen [50 S. 152, 77 S. 2628, 80 S. 796]. Weingart und Mitarbeiter hingegen fordern, den Sanierungsumfang vor Herzoperationen nochmals zu überdenken, da in der Gruppe der 18 Patienten mit erhöhter Rate an teilretinierten Zähnen nach Herztransplantation keine Komplikationen auftraten, und sich auch die Überlebensraten der Gruppe mit teilretinierten Zähnen und der Gruppe ohne teilretinierte Zähne nicht signifikant unterschieden [91 S. 774]. Allerdings sprechen sie sich weder explizit für noch explizit gegen die Entfernung teilretinierter Zähne vor Herztransplantation oder Herzklappenersatz aus. In einer Untersuchung zum Keimspektrum der Pericoronitis fanden PeltrocheLlacsahuanga und Mitarbeiter eine große Anzahl von Spirochäten und fusiformen Bakterien. Neben obligaten Anaerobiern traten außerdem sehr oft ViridansStreptokokken auf (S. milleri) [61 S. 611]. Da, wie schon mehrfach erwähnt, etwa 50% der infektiösen Endokarditiden durch Streptokokken bedingt werden [79 S. 27], scheint es deshalb äußerst wichtig zu sein, teilretinierte Zähne mit Verbindung zur Mundhöhle als potentiellen Fokus vor Herzklappenersatz zu entfernen. Außerdem haben teilretinierte Zähne, die in der Regel keine Okklusion zum Antagonisten aufweisen, auch keinerlei Bedeutung für den Erhalt von Kaufunktion, Stützzone, Sprache und Ästhetik des Patienten. Sie besitzen meist keine prothetische Wertigkeit, da sie extrem selten als Pfeiler zur Verankerung von Zahnersatz herangezogen werden können und stellen oft ein Hindernis für eine sorgfältige Mundhygiene dar. So steht der „Nutzen“ eines teilre- Diskussion 85 tinierten Zahnes in keinerlei Verhältnis zu dem mit ihm verbundenen Risiko für den Herzklappenprothesenträger. 5.1.7 Wurzelreste Nach den Sanierungsrichtlinien der Klinik wurde allen 15 Patienten mit bevorstehendem Klappenersatz, die zusammen 28 Wurzelreste aufwiesen, die Entfernung der Wurzelreste empfohlen und zwar unabhängig davon, ob diese eine Verbindung zur Mundhöhle hatten, vollständig impaktiert waren oder in der Kieferhöhle lagen. In der Literatur herrscht Übereinstimmung darüber, dass Wurzelreste, die zu den nicht erhaltungswürdigen Zähnen zu zählen sind, präoperativ entfernt werden müssen [50 S. 152, 77 S. 2627, 80 S. 794, 91 S. 774]. Vergessene Wurzelreste gelten als potentieller Fokus [45 S. 289, 65 S. 310] und stellen somit ein Endokarditisrisiko für den Herzklappenprothesenträger dar. Wird ein beherdeter Wurzelrest nicht entfernt, besteht die Gefahr der hämatogenen Streuung des Erregergemisches. Die in die Blutbahn gelangten Bakterien siedeln sich bevorzugt in den Schlupfwinkeln der Klappennähte an und können schlimmstenfalls so in diesem Bereich Entzündungen verursachen. Wurzelreste, die eine Verbindung zur Mundhöhle haben, stellen eine direkte Eintrittspforte für Mundhöhlenbakterien in den Knochen dar. Auch zunächst reaktionslos eingeheilte völlig impaktierte Wurzelreste können einen Herd entwickeln, da nicht auszuschließen ist, dass im Wurzelrest Teile infizierten sich zersetzenden Pulpagewebes enthalten sind. So war bei einem Patienten, der die operative Entfernung eines zunächst reaktionslos eingeheilten Wurzelrestes vor Klappenersatz verweigerte, während der Nachuntersuchung röntgenologisch zirkulär des Wurzelrestes ein pathologischer Prozess und somit ein potentieller Fokus zu diagnostizieren. Deshalb ist es wichtig, im Rahmen der zahnärztlich-chirurgischen Sanierung vor Klappenersatz alle vorhandenen Wurzelreste zu entfernen. Diskussion 5.1.8 86 Parodontitis marginalis profunda Von Seiten der Klinik wurde während der Untersuchung vor Klappenersatz die Extraktion von Zähnen mit Parodontitis marginalis profunda empfohlen, wenn diese zusätzlich Lockerungsgrad II bzw. III hatten, stark kariös oder bereits apikal beherdet waren. Zähne mit starkem Knochenabbau, die fest, beschwerde- und entzündungsfrei waren, wurden belassen. So vertreten auch Schmidt-Westhausen und Strietzel gleichfalls wie Sonner und Mitarbeiter sowie Melkos und Mitarbeiter die Meinung, dass parodontal stark geschädigte Zähne präpoperativ entfernt werden müssen [50 S. 152, 77 S. 2627, 80 S. 794]. Laut DGZMK sollen ebenfalls parodontal zerstörte Zähne extrahiert werden [57 S. 2]. Weingart und Mitarbeiter bemerkten eine allgemeine Übereinstimmung in der Literatur darüber, dass eine parodontologische Sanierung vor der Operation erfolgen sollte [91 S. 774]. Im Rahmen einer von Sigusch und Kleinfelder durchgeführten Pilotstudie wurde an 23 Patienten mit Parodontitis im Alter von 34 bis 63 Jahren der exakte Parodontalbefund erhoben (ST an 6 Messpunkten/Zahn) und die Herzklappenfunktion mittels 2 D-Doppler und Farbdoppler-Echokardiographie bestimmt. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigten einen Zusammenhang zwischen tiefen parodontalen Taschen bzw. der aggressiven Parodontitis und echokardiographisch gesichertem Herzklappenfehler. Als relevante orale Pathogene wurden die Bakterienspezies Streptococcus sanguis, Enterokokken aber auch Actinobacillus actinomycetemcomitans und Eikenella corrodens beschrieben [79 S. 29]. Auch wenn noch unklar ist, ob der Anteil der degenerativen Herzklappenfehler schon primär durch parodontalpathogene Bakterien verursacht wird [79 S. 29], kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Bakterien durch hämatogene Streuung zur Herzklappenprothese gelangen. Dort können sie sich je nach Bakterienart und Pathomechanismus in den Schlupfwinkeln der Klappennähte, bei mechanischen Klappen ebenfalls auf der Oberfläche des Klappenmaterials und bei Diskussion 87 biologischem Klappenersatz auch auf thrombotischen Vegetationen der Klappenränder festsetzen und eine Prothesenendokarditis induzieren. Von anderen Autoren wie Overholser und Moreillon wurde eine bakteriell experimentelle Endokarditis im Parodontitis-Tiermodell erzeugt [51 S. 992, 58 S. 107]. Aufgrund dieser Ergebnisse sollten parodontal zerstörte Zähne als Fokus gewertet und vor Klappenersatz extrahiert werden. Deshalb scheint es sinnvoll, Patienten mit schlechter Mundhygiene und unzureichender Compliance, bei denen ausgeprägte parodontale Erkrankungen bestehen, wie von Schmidt-Westhausen und Strietzel empfohlen, eher zu einer radikaloralchirurgischen Sanierung mit anschließender prothetischer Versorgung zu raten [77 S. 2627], da von einem Fortschreiten der Parodontitis ausgegangen werden kann. Vor allem um Molaren mit freiliegender Furkation gründlich zu reinigen, muss der Patient eine äußerst aufwendige Mundhygiene betreiben. Beim Belassen von Molaren mit Furkationsbefall, die keine Lockerung aufweisen sowie beschwerde- und entzündungsfrei sind, muss der Patient genaue Instruktionen zur Pflege dieser Zähne erhalten und es sollte überprüft werden, ob er in der Lage ist, diese auch umzusetzen. Zähne, die einen starken Knochenabbau aufweisen, ansonsten aber erhaltungswürdig erscheinen, sollten vom weiterbehandelnden Hauszahnarzt in regelmäßigen Abständen klinisch und röntgenologisch untersucht werden, damit nicht die Entstehung einer apikalen Ostitis, hervorgerufen durch Parodontalkeime, oder ein Attachementverlust bis hin zu Lockerungsgrad III unbemerkt bleibt, wie dies im nachuntersuchten Patientengut bei 44 von 125 vor Klappenersatz belassenen Zähnen mit Parodontitis marginalis profunda (35%) der Fall war. 5.1.9 Karies 27 der 107 Zähne (25%), die bei der Untersuchung vor Klappenersatz auf Grund tiefer kariöser Zerstörung nicht erhaltungsfähig waren, wurden wie auch von der DGZMK, Schmidt-Westhausen und Strietzel sowie Sonner und Mitarbeiter emp- Diskussion 88 fohlen [57 S. 7, 77 S. 2627, 80 S. 794] noch vor der Herzoperation extrahiert. Die übrigen erhaltungswürdigen 80 Zähne mit Karies (75%) sollten, sofern es der Zeitrahmen bis zur Operation, der Allgemeinzustand des Patienten und die räumliche Entfernung dies zuließen, noch vor Klappenersatz, ansonsten nach Einheilung der Klappen vom Hauszahnarzt konservierend versorgt werden. Lediglich vier Zähne (4%) wurden präoperativ mit einer Füllung versehen. Weitere 32 Zähne (30%) wurden post operationem vom Hauszahnarzt konservierend versorgt und zwei Zähne (2%) wurden extrahiert. Dies bedeutet, dass 42 der bereits vor Klappenersatz kariösen 107 Zähne (39%) bis zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung noch nicht behandelt worden waren, obwohl 93% der Patienten postoperativ ihren Hauszahnarzt aufgesucht hatten. Eine unbehandelte kariöse Läsion, die sich ungehindert ausbreitet, kann über eine Pulpitis zur Entzündung des periapikalen Gewebes und somit zur Entstehung eines Streuherdes führen. Dieser Fokus stellt dann für den Patienten eine Endokarditisgefahr dar. So kann, wie im nachuntersuchten Patientengut mehrfach beobachtet, eine über einen längeren Zeitraum unbehandelte Karies eine wesentlich aufwändigere zahnärztliche Therapie wie beispielsweise endodontische Behandlung, Wurzelspitzenresektion oder ggf. Extraktion nach sich ziehen, als eine sofort mit einer Füllung versorgte kariöse Läsion. Dies bedeutet für den Patienten eventuell die zusätzliche Einnahme von Antibiotika und ggf. eine Umstellung der Marcumartherapie. Deshalb muss präoperativ die Aufmerksamkeit auch auf aktive kariöse Läsionen gerichtet sein, die zu akuten Infektionen führen können [50 S. 151]. Aus diesem Grund betonen Schmidt-Westhausen und Strietzel, dass die konservierende Behandlung ebenfalls zum Behandlungskonzept gehört und der noch vorhandene und erhaltungswürdige Zahnbestand entsprechend saniert werden sollte [77 S. 2628]. Die konservierende Versorgung kariöser Läsionen darf keinesfalls im gesamten Behandlungskonzept von Patienten mit Herzklappenprothesen vernachlässigt werden, weil sich aus einer unbehandelten „unbedeutenden“ Karies ein potentieller Fokus und im schlimmsten Falle eine letale Bedrohung für den Klappenpatienten entwickeln kann. Diskussion 89 Um dies zu vermeiden, wäre eine bessere Zusammenarbeit zwischen Klinik und weiterbehandelnden Hauszahnarzt wünschenswert. Beispielsweise könnte dem Patienten eine schriftliche Mitteilung über die noch notwendige durchzuführende konservierende Therapie oder, da einige kariöse Läsionen nur röntgenologisch zu erkennen sind, eine Kopie des OPTs für den weiterbehandelnden Zahnarzt mitgegeben werden. 5.1.10 Implantate Unter den 80 Patienten, die zur Nachuntersuchung kamen, waren zwei Patienten (3%) mit insgesamt sechs Implantaten. An der Klinik wurden alle Implantate vor Klappenersatz belassen, da die beiden Patienten eine sehr gute Mundhygiene betrieben und bei keinem der Implantate im Röntgenbild Anzeichen einer Periimplantitis oder vertikale Knocheneinbrüche zu erkennen waren. Auch während der Nachuntersuchung wurde bei keinem Implantat ein pathologischer Prozess diagnostiziert. Die Knochensituation blieb ebenfalls unverändert. Zur prätherapeutischen Beurteilung des Infektionsrisikos durch zahnärztliche Implantate wird von Folwaczny und Hickel empfohlen, ein Implantat vor Organtransplantation zu entfernen, wenn eine Sondierungstiefe von 7mm oder mehr vorliegt [28 S. 358]. Bei vor Klappenersatz belassenen Implantaten ist es ratsam, dass der betreuende Zahnarzt die sorgfältige Implantatpflege überwacht und im Bedarfsfall durch professionelle Reinigung der Implantate unterstützt. Außerdem ist es nützlich, regelmäßig mit selbstfärbenden Indikatorstreifen die Sulkusfluidfließrate zu messen, die eine Prognose für den periimplantären Knochenverlust darstellt. Eine erhöhte Sulkusflüssigkeitsmenge kann sowohl Ausdruck einer aktuell bestehenden als auch ein Anzeichen einer künftig zu erwartenden pathologischen Veränderung sein [5 S. 218]. Diese Messung kann neben der radiologischen Implantatkontrolle dazu dienen, das mögliche Auftreten einer Periimplantitis und damit eines Herdes frühzeitig zu erkennen. Diskussion 90 5.1.11 Röntgenologisch sichtbare potentielle Foci vor und nach Klappenersatz Neben thromboembolischen Ereignissen, Blutungskomplikationen und akuten Prothesendysfunktionen stellt die Prothesenendokarditis die wohl gefährlichste Komplikation nach Herzklappenersatz dar [25 S. 4]. Definitionsgemäß unterscheidet man zwischen einer frühen Form, die sich innerhalb der ersten 60 Tage nach Klappenersatz entwickelt, und einer späten Form, die nach mehr als 60 Tagen postoperativ auftritt [25 S. 5]. Obwohl keiner der 12 Patienten, die zum Zeitpunkt des Herzklappenersatzes zusammen 15 Foci besaßen, eine frühe Prothesenendokarditis entwickelt hat und auch bei keinem der 19 Patienten, die während der Nachuntersuchung insgesamt 38 Foci aufwiesen, eine späte Prothesenendokarditis aufgetreten ist, kann aufgrund der geringen Fallzahlen bei einer Inzidenz der Prothesenendokarditis von 0,1% bis 2,3% pro Patientenjahr [25 S. 6] und einer Mortalität von 23% bis 60% [25 S. 10, 31 S. 481, 78 S. 286] nicht von einer zahnärztlich-chirurgischen Sanierung vor Klappenersatz abgeraten werden. Außerdem ist es nicht auszuschließen, dass bei keinem der 42 Patienten, die postoperativ bereits verstorben waren (14% aller angeschriebenen Patienten), als Todesursache eine Prothesenendokarditis, ausgelöst durch einen dentalen Fokus, in Frage kommt. Die Mehrzahl der Patienten mit Prothesenendokarditis kann mit einer antibiotischen Therapie allein nicht ausreichend behandelt werden, wodurch in den meisten Fällen eine erneute chirurgische Intervention bei deutlich erhöhtem operativen Risiko notwendig ist [25 S. 9, 92 S. 981]. Deshalb ist für die Verhinderung der Prothesenendokarditis die Einhaltung sowie die Entwicklung präventiver Standards von grundlegender Bedeutung [25 S. 5]. Diskussion 91 5.1.12 Mundhygiene und Gingivitis Eine sorgfältige Mundhygiene und stabile parodontale Verhältnisse sind vor allem für Patienten mit Herzklappenprothesen von großer Bedeutung [14 S. 666, 62 S. 247, 88 S. 139]. Trotzdem wiesen 25% der nachuntersuchten Patienten eine mäßige oder schlechte Mundhygiene auf. Bakterienfrequenz und Anzahl der in Blutkulturen nachgewiesenen Bakteriengattungen sind nämlich ebenso wie die Erregerdichte im Sulkusbereich erheblich von der oralen Hygiene abhängig [41 S. 652, 59 S. 108]. Zudem wird die Hälfte aller infektiösen Endokarditiden durch Streptokokken hervorgerufen, wobei der häufigste mit einer bakteriellen Endokarditis assoziierte Keim Streptococcus sanguis ist. Dieses Bakterium kolonisiert vorzugsweise auf der Oberfläche der Zahnhartsubstanz und ist ein häufiger Vertreter der dentalen Plaque [79 S. 27]. Vor allem bei Patienten, die unter Gingivitis und Parodontitis leiden, können auch beim Kauen oder beim Zähneputzen Zahnfleischverletzungen auftreten, die als Eintrittspforte für eine Bakteriämie in Betracht kommen [41 S. 651]. Für Bakteriämien beim Zähneputzen werden Inzidenzen bis hin zu 40% angegeben [26 S. 289, 29 S. 50, 79 S. 27]. Allerdings ist die Qualität dieser Bakteriämien (Anzahl eingeschwemmter Mikroorganismen etc.) anders als die im Gefolge eines zahnärztlichen Eingriffs einzustufen [24 S. 100, 41 S. 651]. Eine mangelhafte Mundhygiene steigert das Risiko einer Bakteriämie [9 S. 147, 68 S. 825, 85 S. 51], da bakteriell besiedelte Zahnbeläge wie Plaque und Zahnstein sowohl das Keimreservoir vergrößern, als auch entzündliche Zahnfleischveränderungen hervorrufen und damit die Blutungsneigung der Gingiva erhöhen [24 S. 100]. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass 17 der 19 Patienten, bei denen Anzeichen einer Gingivitis zu finden waren (89%), eine mäßige oder schlechte Mundhygiene aufwiesen. Neben einer sorgfältigen Mundhygiene [85 S. 51] ist auch eine suffiziente prothetische Versorgung zur Vermeidung einer Gingivitis notwendig. So zeigten zwei Patienten (11%) trotz guter und sehr guter Mundhygiene Gingivairritationen auf Grund stark abstehender unterhakbarer Kronenränder. Diskussion 92 5.1.13 Behandlungsbedarf zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung Der Sanierungsgrad der Patienten erwies sich zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung als verbesserungsbedürftig, da bei 34 Patienten (43%) eine chirurgische und bei 36 Patienten (45%) eine konservierende Therapie indiziert war. Außerdem wiesen 14 Patienten (18%) keine bzw. eine insuffiziente prothetische Versorgung auf. Die rechtzeitige chirurgische Sanierung neuer entzündlicher Befunde ist bei Herzklappenprothesenträgern besonders wichtig, um potentielle Streuherde zu beseitigen und damit das Endokarditisrisiko zu senken. Ebenso hat die konservierende Versorgung nach Klappenersatz einen hohen Stellenwert, um die Zähne und damit auch Funktion, Sprache und Ästhetik zu erhalten und um spätere chirurgische Interventionen sowie eine prothetische Rehabilitation zu vermeiden. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Prophylaxe gelten. Denn eine effektive zahnärztliche Individualprophylaxe stellt eine kausale Therapie zur Reduktion des intraoralen Keimreservoirs dar [74 S. 793]. Regelmäßige Mundhygieneinstruktionen, Zahnsteinentfernung, professionelle Zahnreinigung und Fluoridierungsmaßnahmen tragen zur Verhinderung von Gingivitis und zur Reduktion der Kariesanfälligkeit bei. Eine prothetische Versorgung lege artis ist nach der Herzoperation ebenfalls wichtig. Es wurden nämlich auch bei Patienten mit Schleimhautulzera, verursacht durch schlechtsitzende Prothesen, Bakteriämien nachgewiesen [9 S. 147]. Durch einen suffizienten Zahnersatz können außerdem Funktion, Sprache und Ästhetik erhalten, bzw. wieder hergestellt und dadurch psychosoziale Probleme vermieden werden. Desweiteren wird ein Absinken der Okklusionsebene verhindert sowie Restgebiss und Kiefergelenk vor Fehl- und Überbelastung geschützt. Diskussion 93 Deshalb empfiehlt die DGZMK in ihrer Stellungnahme zur Zahnsanierung vor und nach Organtransplantation für die erstmalige Vorstellung beim Zahnarzt nach Organtransplantation folgende Maßnahmen [57 S. 2]: • Klinische und röntgenologische (Panoramaschichtaufnahmen) Untersuchung und Dokumentation • Hygieneinstruktion und –motivation, professionelle Zahnreinigung • konservierende Sanierung (Endodontie in begründeten Ausnahmefällen möglich) • chirurgische Sanierung (beschränkt auf aktuelle entzündliche Befunde mit klinischer Symptomatik oder nachgewiesener entzündlicher Osteolyse) • prothetische Immediatversorgung und Planung der definitiven prothetischen Versorgung (dentale Implantation bei strenger Indikationsstellung möglich) • Recallorganisation und Berichterstattung über zahnärztliche Betreuung Bei einem umfangreichen Therapiebedarf des Patienten ist es ratsam, einen Sanierungsplan aufzustellen und falls möglich, mehrere prophylaxepflichtige Eingriffe pro Behandlungssitzung zu kombinieren, um den Organismus des Patienten nicht öfter als nötig mit Antibiotika und deren möglichen Nebenwirkungen zu belasten und um nicht unnötig die Entwicklung resistenter Bakterienstämme zu fördern [74 S. 793]. Falls mehrere Sitzungen erforderlich sind, sollte zwischen diesen ein antibiotikafreies Intervall von 14 Tagen eingehalten werden [9 S. 148, 42 S. 2]. Diskussion 94 5.2 Ergebnisse der Patientenbefragung und oraler Befund zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung 5.2.1 Kenntnisstand der Patienten über Endokarditisrisiken beim Zahnarzt und über Endokarditisprophylaxe 89% der Patienten haben vom erhöhten Endokarditisrisiko nach Herzklappenersatz Kenntnis. 85% der Patienten sind über die Notwendigkeit der Antibiotikaprophylaxe vor Eingriffen, bei denen es zur Keimeinschwemmung in die Blutbahn kommen kann, informiert. Um 100% der Herzklappenprothesenträger bei „blutigen“ zahnärztlichen Eingriffen schützen zu können, wäre eine noch bessere Patientenaufklärung seitens der Kardiologen und Herzchirurgen, aber auch ein höherer Kenntnisstand der Zahnärzte über Endokarditisrisiko und Endokarditisprophylaxe wünschenswert [87 S. 345]. Laut Petereit und Kirch „scheint einem Großteil der praktizierenden Ärzte und Zahnärzte die Notwendigkeit einer Antibiotikaprophylaxe zur Verhütung einer bakteriellen Endokarditis bei Patienten mit [...] Herzklappenprothesen [...] wenig bewusst zu sein“ [62 S. 246]. Es gehört zu den Aufgaben des Zahnarztes, jeden Patienten mit Herzklappenersatz darüber aufzuklären, dass besonders bei „blutigen“ Eingriffen im Zahn- Mundund Kieferbereich ein hohes Risiko der Bakterieneinschwemmung in den Blutkreislauf und einer sich eventuell daraus entwickelnden Prothesenendokarditis gegeben ist. Außerdem sollte der Zahnarzt vor allem Patienten, die prinzipiell eine ablehnende Haltung gegenüber der Einnahme von Medikamenten besitzen oder ihre gesundheitliche Situation sorglos bagatellisieren, Sinn, Dosierung und Durchführung der Antibiotikaprophylaxe erläutern. Sicherlich wäre es für den Klappenpatienten hilfreich, von der Implantations- oder der Rehabilitationsklinik grundsätzlich ein Merkblatt zu bekommen, in welchem das Thema Endokarditisrisiken und –prophylaxe in einer für ihn nachvollziehbaren und verständlichen Weise dargestellt wird, so dass der Patient auch nach Ab- Diskussion 95 schluss der Rehabilitation zu Hause bei Unklarheiten oder Fragen sich nochmals informieren kann. Wie die Zahlen 89% und 85% in 4.2.1 belegen, sind nicht alle Patienten in ausreichendem Maße informiert. Deshalb sollte jeder Klappenprothesenträger von der Implantations- oder Rehabilitationsklinik einen Herzpass [1 S. 567] mit unter anderem folgenden Informationen erhalten: • Art des durchgeführten Klappenersatzes und Herzklappentyp • Verweis auf notwendige Endokarditisprophylaxe bei blutigen Eingriffen • Antibiotikaprophylaxeschema • Eintragung einer möglichen Antibiotikaallergie • Eintragung, ob bzw. mit welchen antikoagulierenden Medikamenten der Patient therapiert wird • Anschrift der Implantationsklinik oder des betreuenden Kardiologen für Fragen der behandelnden Ärzte und Zahnärzte Dem Patienten sollte eindringlich nahegelegt werden, diesen Herzpass bei jedem Arzt- oder Zahnarztbesuch vor Behandlungsbeginn vorzulegen. Die orale Endokarditisprophylaxe hat sich gegenüber der parenteralen Anwendung durchgesetzt, da sie im zahnärztlichen Praxisablauf leichter durchzuführen ist und bei den Patienten auf größere Akzeptanz stößt [41 S. 654]. Bei Patienten mit gastrointestinalen Beschwerden oder Krankheiten ist allerdings die parenterale Prophylaxe intravenös oder intramuskulär vorzuziehen, um einen sicheren Antibiotikaschutz zu gewährleisten. Hierbei ist zu beachten, dass bei Patienten unter laufender Antikoagulantientherapie eine intramuskuläre Injektion kontraindiziert ist [9 S. 149, 62 S. 247]. Diskussion 5.2.2 96 Nach Klappenersatz durchgeführte Behandlungen Nach Klappenersatz waren 93% der Patienten in zahnärztlicher Behandlung, 7% haben postoperativ keinen Zahnarzt aufgesucht. Besonders für Patienten mit Klappenersatz ist die regelmäßige Aufklärung, Demonstration und Kontrolle einer effektiven Mundhygiene durch eine zahnmedizinische Fachkraft oder den Zahnarzt selbst sowie die ordnungsgemäße Sanierung der Zähne und die Gesunderhaltung des Parodontiums außerordentlich wichtig [9 S. 147, 41 S. 654]. Wie eine Studie von Horstkotte belegt, wird das Bakteriämierisiko erheblich vermindert, wenn die orale Schleimhaut keinerlei Entzündungszeichen aufweist [41 S. 652]. Da zahnärztliche Eingriffe, bei denen es zur Eröffnung der Blutbahn kommt, für Patienten mit Herzklappenersatz ein Endokarditisrisiko darstellen, erscheint der Anteil von 28% an „blutigen“ Eingriffen, die ohne die erforderliche Antibiotikaprophylaxe durchgeführt wurden, außerordentlich hoch. Dieser Prozentsatz entspricht allerdings in etwa den Werten anderer Untersuchungen [74 S. 793]. In einer Arbeit von Scheifele und Mitarbeitern beispielsweise hatte ein Drittel der behandelnden Zahnärzte vor Extraktionen die Anwendung einer Endokarditisprophylaxe unterlassen [74 S. 793]. Nach Zahnextraktionen, intraligamentären Injektionen oder parodontal- chirurgischen Eingriffen können bei bis zu 90% der Patienten positive Blutkulturen nachgewiesen werden [41 S. 650, 79 S. 27]. Roberts et al. berichten, dass allein das Anlegen eines Matritzenbandes bei approximalen Füllungen in rund 32% aller Fälle eine Bakteriämie auslöste [72 S. 24]. Es gibt weitere klinische Studien über Endokarditis, in denen eine Bakteriämie nach zahnmedizinischen Eingriffen als Hauptursache für die Endokarditis nachgewiesen werden konnte, wobei die Streptokokken der Gruppe B, typische Bakterien der Mundflora, am häufigsten vorkamen [15 S. 620, 22 S. 103, 48 S. 166]. Nicht jede Bakteriämie muss zwangsläufig zu einer Endokarditis führen. Trotzdem darf das Endokarditisrisiko keinesfalls unterschätzt werden, denn die Letalität der Prothesenendokarditis ist auch bei entsprechender Behandlung mit 23 bis 60 % Diskussion 97 unverändert hoch [21 S. 4, 31 S. 481]. In einer von Horstkotte durchgeführten retrospektiven Studie über 304 Patienten mit bestehendem Klappenersatz, bei denen ein mundschleimhautverletzender Eingriff ohne Antibiotikaschutz vorgenommen wurde, trat in sechs Fällen eine Endokarditis der Klappenprothese auf [40 S. 114]. Horstkotte errechnete in einer weiteren Untersuchung eine Inzidenz von 2,02% für gesicherte Prothesenendokarditiden nach blutigen zahnärztlichen Eingriffen ohne Antibiotikaprophylaxe, die innerhalb von 14 Tagen nach dem Eingriff auftraten [41 S. 655]. Um die klinische Relevanz des Themas zu demonstrieren, beschrieben Scheifele und Mitarbeiter 1996 drei Fälle infektiöser Endokarditiden, die jeweils im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Therapie auftraten, die ohne Antibiotikaprophylaxe durchgeführt worden war [74 S. 791]. So führte bei einem 18-jährigen Patienten mit biologischem Klappenersatz die Osteotomie eines unteren Weisheitszahnes ohne Antibiotikaschutz zu einer Endokarditis, bei der als Erreger Streptokokken und Staphylokokken nachgewiesen werden konnten. Die infektiöse Endokarditis hatte die Resektion des Homografts und die Implantation einer mechanischen Klappenprothese zur Folge. Weitaus dramatischer verlief eine Zahnextraktion ohne Antibiotikaprophylaxe bei einem 12-jährigen Kind mit FallotTetralogie, das nach zwei Wochen an einer fulminanten akuten StreptokokkenEndokarditis erkrankte und in deren Folge acht Wochen nach dem zahnärztlichen Eingriff verstarb [74 S. 791]. Auch Vogel und Mitarbeiter berichteten 2000 von drei Patienten mit angeborenem Herzfehler, die in einem Zeitraum von 11 bis 16 Tagen nach einem Zahnarztbesuch an einer Endokarditis erkrankten. In allen drei Fällen war eine Zahnsteinentfernung ohne Antibiotikaprophylaxe durchgeführt worden, obwohl die Patienten ihren Endokarditisausweis vorgelegt hatten. Als zugrundeliegender Erreger konnte jeweils Steptococcus viridans identifiziert werden [87 S. 344]. Diskussion 5.2.3 98 Postoperative Zahnsteinentfernung Bei 51 Patienten (64%) war nach Klappenersatz beim Hauszahnarzt Zahnstein entfernt worden. Nur 27 Patienten (53%) erhielten dafür nach eigenen Angaben eine Endokarditisprophylaxe. 21 Patienten (41%) blieben bei der Zahnsteinentfernung ohne Antibiotikaschutz. Drei Patienten (6%) konnten sich nicht mehr genau erinnern, ob sie Antibiotika erhalten hatten oder nicht. Beim Vorliegen von Zahnstein ist die Gefahr sehr groß, dass die Gingiva entzündet ist und bereits bei leichten Berührungen zu bluten beginnt, so dass eine völlig „unblutige“ Zahnsteinentfernung äußerst selten möglich sein dürfte. Außerdem ist die Keimdichte im Sulkus besonders hoch [66 S. 2, 69 S. 907, 85 S. 51]. Da nachweisbare Bakteriämien nach Zahnsteinenfernung in 30 bis 70% der Fälle auftreten [38 S. 2392, 41 S. 650] und eine sich eventuell daraus entwickelnde Prothesenendokarditis fast immer die Reoperation des Patienten notwendig macht, ist der Anteil von 41% der Patienten ohne Endokarditisprophylaxe vor Zahnsteinentfernung erschreckend hoch. Bei 28 der 80 nachuntersuchten Patienten (35%) hatte postoperativ keine Zahnsteinentfernung mehr stattgefunden. Lediglich bei drei dieser 28 Patienten konnte bei der Nachuntersuchung kein Zahnstein gefunden werden. Die übrigen 25 Patienten (31% aller nachuntersuchter Patienten) wiesen zum Teil sehr starke Zahnsteinauflagerungen vor allem an den Prädilektionsstellen auf. Supragingivaler Zahnstein stellt auf Grund seiner plaqueretentiven porösen Oberfläche und der Verblockung interdentaler Schmutznischen eindeutig ein Mundhygienehindernis dar. Sein direkter Kontakt zum Gingivasaum fördert die Entstehung von Entzündungen des Zahnhalteapparates und von Gingivarezessionen. Hinzu kommt, dass supragingivaler Zahnstein unmineralisierte Bereiche in Form von Lakunen und Kanälen aufweist, in denen in einer Studie von Tan und Mitarbeitern Reservoirs von aeroben und anaeroben Bakterien gefunden wurden [83 S. 23]. Daher ist bei Endokarditisrisikopatienten eine gründliche Entfernung auch kleinster Zahnsteinreste unter Antibiotikaschutz dringend notwendig, um den Patienten eine optimale Mundhygiene zu ermöglichen und der Entstehung von Entzündungen vorzubeugen. Diskussion 99 5.3 Ergebnisse der telefonischen Patientenbefragung Die Prothesenendokarditis zählt zu den gefährlichsten Komplikationen nach Klappenersatz [25 S. 4]. Auch wenn keiner der telefonisch befragten Patienten, die zu einer Auskunft bereit waren, an einer frühen oder späten Prothesenendokarditis erkrankt war und auch bei keinem der bereits verstorbenen Patienten laut Aussage der Angehörigen eine Prothesenendokarditis zu Lebzeiten aufgetreten oder die Todesursache war, darf dennoch in Anbetracht der Mortalität der Prothesenendokarditis von 23% bis 60% [25 S. 10, 31 S. 481, 71 S. 286] nicht auf eine zahnärztlich-chirurgische Sanierung vor Klappenersatz verzichtet werden. Für eine präoperative zahnärztlich-chirurgische Sanierung spricht auch die Tatsache, dass bei den meisten Patienten mit Prothesenendokarditis die alleinige Antibiotikatherapie nicht zum gewünschten Erfolg führt. Fast immer ist ein chirurgischer Austausch der infizierten Herzklappenprothese bei deutlich erhöhtem Operationsrisiko angezeigt [25 S. 9, 92 S. 981]. Da 39 der telefonisch befragten Patienten (13%) jegliche telefonische oder schriftliche Angabe verweigerten und 18 Patienten (6%) überhaupt nicht mehr erreichbar waren, kann nicht ausgeschlossen werden, dass in dieser Gruppe doch Patienten postoperativ eine Prothesenendokarditis entwickelt haben. Außerdem ist die Auskunft von Angehörigen kritisch zu beurteilen und nur sehr begrenzt wissenschaftlich verwertbar. Solange keine Metastudien mit großen aussagekräftigen Fallzahlen vorliegen, die das Gegenteil beweisen, sollte der Zahn-, Mund- und Kieferbereich unter Erhaltung der Strukturen des stomatognathen Systems vor Herzklappenersatz in einen fokus- und entzündungsfreien Zustand gebracht werden, um das Leben des Patienten und den Erfolg der Operation nicht unnötig zu gefährden. Radikale Sanierungsmaßnahmen gelten allerdings nach dem heutigen Stand des Wissens als obsolet [57 S. 2]. Zusammenfassung 100 6 Zusammenfassung Die Fortschritte in der Chirurgie am offenen Herzen haben es ermöglicht, dass Patienten mit schweren Herzklappenerkrankungen durch den Einsatz von biologischen oder mechanischen Herzklappenprothesen eine verlängerte Lebenserwartung in einem guten körperlichen Allgemeinzustand erreichen. Dennoch sind Patienten mit Klappenersatz durch infektiöse Endokarditiden gefährdet. Obwohl die Inzidenz der Prothesenendokarditis relativ gering ist, besitzt sie trotz antibiotischer und herzchirurgischer Therapiemöglichkeiten eine ernste Prognose, da die antibakterielle Chemotherapie auch bei optimalen diagnostischen Vorraussetzungen und optimaler Durchführung erfolglos sein kann. Zudem hat die Prothesenendokarditis für den Klappenpatienten fast immer die Reoperation zur Folge. Ihre Letalität ist höher als die der Nativklappenendokarditis und liegt bei 23 bis 60%. Die Prothesenendokarditis kann sich als Folge einer Bakteriämie entwickeln. Bakteriämien können sowohl spontan als auch durch diagnostische und therapeutische Eingriffe an der bakterienbesiedelten Mundschleimhaut, bei denen es zur Eröffnung der Blutbahn kommt, oder durch eine fokale Infektion ausgelöst werden. Deshalb stellen Infektionen für den Patienten mit Herzklappenersatz ein nicht zu vernachlässigendes Risiko dar, das durch die ohnehin notwendige zahnärztliche Sanierung beseitigt werden kann. Es herrscht allgemeine Übereinstimmung darüber, dass odontogene pathologische Prozesse vor einem geplanten Herzklappenersatz beseitigt werden müssen, um postoperativ eine Prothesenendokarditis, ausgelöst durch einen hämatogen streuenden, nicht sanierten dentalen Fokus, zu vermeiden. Daher ist die Überführung der Zahn-, Mund- und Kieferregion in einen fokus- und entzündungsfreien Zustand unter Erhaltung der Strukturen des stomatognathen Systems das Ziel der zahnärztlich-chirurgischen Sanierung vor Klappenersatz. Zusammenfassung 101 Als Ergebnis der durchgeführten Untersuchung können folgende Empfehlungen gegeben werden: • Patienten mit mangelnder Compliance zur Verbesserung der Mundhygiene sollte bei ausgeprägten parodontalen Erkrankungen, multiplen kariösen Läsionen und marktoten Zähnen eher zu einer radikal-oralchirurgischen Sanierung mit anschließender prothetischer Versorgung geraten werden. • Hingegen sollte bei Patienten mit guter Mitarbeit und sorgfältiger Mundhygiene die Erhaltung der Zähne durch eine eingeschränkt radikale Sanierung im Sinne einer Infektionsprophylaxe favorisiert werden. Hierzu zählt die Entfernung o kariös zerstörter nicht erhaltungswürdiger Zähne, o aller teilretinierter und impaktierter Wurzelreste, o parodontal stark geschädigter Zähne, o teilretiniert verlagerter Zähne mit Anschluss zur Mundhöhle, o impaktierter beherdeter Zähne, o devitaler Zähne, bei denen eine endodontische Behandlung nicht aussichtsreich erscheint sowie o devitaler Zähne, die apikal einen pathologischen Prozess aufweisen, wenn eine Wurzelkanalbehandlung bzw. deren Revision in Kombination mit einer Wurzelspitzenresektion nicht ratsam oder möglich ist bzw. vom Patienten abgelehnt wird. • Bei gutem Allgemeinzustand des Patienten und entsprechendem Zeitrahmen bis zur Herzklappenoperation sollte die Revision insuffizienter Wurzelfüllungen sowie die Wurzelspitzenresektion apikal beherdeter Zähne gegenüber der Extraktion bevorzugt werden. • Implantate ohne Anzeichen einer Periimplantitis sowie vertikalen oder horizontalen Knocheneinbrüchen können belassen werden. Zusammenfassung 102 • Obwohl sie im Sinne der Erhaltungssanierung belassen werden können, müssen o devitale Zähne, die röntgenologisch eine suffiziente Wurzelkanalfüllung aufweisen und apikal nicht beherdet sind, o devitale Zähne mit insuffizienter Wurzelfüllung ohne apikalen Herd, o erhaltungswürdige Zähne mit Knochenabbau, die fest, entzündungsund beschwerdefrei sind, o wurzelspitzenresezierte Zähne ohne apikal pathologischen Befund sowie o vollständig impaktierte Zähne, die frei von klinischen und röntgenologischen Entzündungszeichen sind dennoch als fakultativer Fokus angesehen werden und bedürfen deswegen einer regelmäßigen klinischen und röntgenologischen Kontrolle durch den weiterbehandelnden Zahnarzt, um die mögliche Entwicklung einer fokalen Infektion rechtzeitig zu bemerken und diese zu beseitigen. Nach Klappenersatz ist es wichtig, alle kariösen Läsionen, die aus Zeitmangel vor der Herzoperation meist unbehandelt bleiben, konservierend zu versorgen, da sonst ein neuer Fokus entstehen kann. Ebenso muss postoperativ auf regelmäßige ordnungsgemäße Zahnsteinentfernung und regelmäßige Kontrolle der Mundhygiene des Patienten geachtet werden, um eine entzündungsfreie Gingiva zu erhalten. Hierbei soll nochmals die Notwendigkeit einer Endokarditisprophylaxe bei allen Eingriffen, die eine Bakteriämie verursachen können, betont werden. Literaturverzeichnis 103 7 Literaturverzeichnis 1. Adam, D., Gahl, K., v. Gravenitz, H., Horstkotte, D., Kraus, F., Lode, H., Niebel, J., Peters, G., Ruckdeschel, G., Schumacher, G., Struck, E., Werdan, K. Revidierte Empfehlungen zur Prophylaxe bakterieller Endokarditiden. Z Kardiol 87 (1998) 566-568 2. Barco, C. T. Prevention of infective endocarditis: a review of the medical and dental literature. J Periodontol 62 (1991) 510-523 3. 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Oraler Befund Par. marg. prof. - - - - Gingivitis - - - - - - - - - API + + - - - - - + - - + Lockerungsgrad 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Perkussion - - - - - - - - - - - Sensibilität - + + + + + + - + + + Zahnersatz K K Befund f f f f f f c K K B K c c c f f Datum: Befund Zahnersatz f c f f B K B K K B K K K f K B B K Sensibilität + + - - + + + + Perkussion - - - - - - - - Lockerungsgrad 0 0 II II II II 0 0 API + - + + + - - + + + - - Gingivitis Par. marg. prof. + - - + + + Anhang 113 - Summe der vorhandenen Zähne: _20_ - API API Qualität der Mundhygiene 100 – 70% schlechte Mundhygiene 70 – 35% mäßige Mundhygiene 35 – 25% gute Mundhygiene 25 – 0% sehr gute Mundhygiene Anhang 114 - Liegt ein Behandlungsbedarf vor? - prothetisch: - konservierend: - chirurgisch: Ja Nein Ja Nein Ja Nein Anhang 115 Patientenfragebogen Name: ____________________ Vorname: ____________________ Geburtsdatum: ____________________ 1. Sind Sie darüber informiert, dass an Herzklappenprothesen die Entstehung von Blutgerinnseln und eine darauffolgende Besiedelung mit Bakterien (Prothesenendokarditis) begünstigt ist? Ja Nein 2. Sind Sie über die sogenannte Endokarditisprophylaxe (Klappeninfektionsverhütung) mit Antibiotika informiert? Ja Nein 3. Waren Sie beim Zahnarzt, seitdem Sie Träger eines Herzklappenersatzes sind? Ja Nein Anhang 116 3.1 Wenn Ja, welche Behandlung/en wurde/n durchgeführt? - Zahnsteinentfernung - Versorgung eines Zahnes / mehrerer Zähne mit einer Füllung (“Plom- bieren”) - Wurzelkanalbehandlung (Nerventfernung, Wurzelfüllung) - Parodontalbehandlung (Zahnfleischtaschenbehandlung) - Entfernung eines / mehrerer Zähne (mit der Zange) - operative Zahnentfernung - Wurzelspitzenresektion (Abtrennen der Wurzelspitze eines Zahnes) - Versorgung eines Zahnes / mehrerer Zähne mit einer Krone, Über- brückung einer Lücke mit einer Brücke - Anfertigung eines herausnehmbaren Zahnersatzes (Teilprothese, Vollprothese) - sonstige Behandlungen: _______________________________ - Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. - Es wurde keine Behandlung durchgeführt. 3.2 Mussten Sie aufgrund dieser Zahnbehandlung/en ein Antibiotikum einnehmen? Ja Nein Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Anhang 117 Auswertungsbogen 1. Besteht Behandlungsbedarf vor Klappenersatz aus Sicht der Klinik? Ja Nein 2. Orale und/oder röntgenologische Befunde, die vor Klappenersatz als sanierungsbedürftiger Fokus angesehen wurden: Befund beim Pati- Anzahl der be- von der Klinik emp- enten vor- troffenen Zähne fohlene Therapie handen? nicht erhaltungsfähig auf Grund kariöser Zerstörung Parodontitis marginalis profunda mit apikalem Herd Parodontitis marginalis profunda mit Lockerungsgrad II/III insuffiziente endodontische Versorgung mit apikalem Herd des Patienten Anhang 118 suffiziente endodontische Versorgung mit apikalem Herd ohne endodontische Versorgung mit apikalem Herd Wurzelrest mit und ohne Herd mit Verbindung zur Mundhöhle Wurzelrest mit und ohne Herd ohne Verbindung zur Mundhöhle impaktierter Zahn mit Herd impaktierter Zahn ohne Herd teiretinierter Zahn Wurzelfraktur Sonstiges: Anhang 119 3. Orale und/oder röntgenologische Befunde, die vor Klappenersatz nicht als sanierungsbedürftiger Fokus angesehen wurden: Befund beim Patienten vor- Anzahl der betroffenen handen? Zähne des Patienten suffizient wurzelbehandelter Zahn ohne apikalen Herd insuffizient wurzelbehandelter Zahn ohne apikalen Herd Implantat ohne Periimplantitis Parodontitis marginalis profunda ohne apikalen Herd oder Lockerungsgrad II/III Sonstiges: 4. Hat der Patient die angeratenen Sanierungsmaßnahmen vollständig durchführen lassen? Ja, in der Klinik vor Klappenersatz Ja, vom Hauszahnarzt vor Klappenersatz Ja, vom Hauszahnarzt nach Klappenersatz Teilweise, in der Klinik vor Klappenersatz Teilweise, vom Hauszahnarzt vor Klappenersatz Teilweise, vom Hauszahnarzt nach Klappenersatz Nein, die Behandlung wurde komplett verweigert Anhang 120 5. Lagen nicht sanierte Foci zum Zeitpunkt des Herzklappenersatzes vor? Nein Ja 5.1 welche: _______________________________________ Die Foci wurden nach Klappenersatz saniert. Die Foci bestanden zum Zeitpunkt der Nachuntersu- chung immer noch. 5.2 Haben sich dadurch nach Klappenersatz Komplikationen ergeben? Nein Ja welche: _______________________________________ 5.3 Ist der Patient nach Klappenersatz an einer Prothesenendokarditis erkrankt? Nein Ja Anhang 121 6. Foci, die zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung vorlagen: Befund beim Patien- Anzahl der bestand schon vor ten vorhan- betroffenen Klappenersatz = 1 den Zähne nach Klappenersatz entwickelt = 2 Parodontitis marginalis profunda mit apikalem Herd Parodontitis marginalis profunda mit Lockerungsgrad II/III beherdeter impaktierter Zahn beherdeter impaktierter Wurzelrest impaktierter Wurzelrest ohne Herd insuffiziente endodontische Versorgung mit apikalem Herd suffiziente endodontische Versorgung mit apikalem Herd endodontisch unversorgter apikaler Herd apikaler Herd nach nicht erfolgreicher WSR teilretinierter Zahn mit Pericoronitis Wurzelfraktur unbehandelte Karies Sonstiges: Anhang 122 9 Danksagung An erster Stelle möchte ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Herbert Deppe für die Überlassung des Dissertationsthemas sowie für die Betreuung und sorgfältige Korrektur dieser Arbeit danken. Meinen Eltern danke ich für ihre wertvollen Anregungen, ihre fachliche Beratung und ihr stetes Interesse am Fortgang meiner Dissertation. Meinem Mann Roland möchte ich meinen Dank für seine Hilfe bei sämtlichen Computerproblemen, seine Geduld und seine liebevollen Aufmunterungen aussprechen. Bei meinem Bruder Robert möchte ich mich für seine Tipps und seine Unterstützung in technischen Angelegenheiten bedanken. Zuletzt sei den Patienten gedankt, die in dieser Studie erfasst wurden sowie allen anderen Personen, die bei der Entstehung meiner Dissertation mitgewirkt haben. Anhang 123 10 Lebenslauf Personalien: Name: Julia Katharina Auer-Bahrs, geb. Auer Geburtsdatum/-ort: 24.09.1976 in Kaufbeuren Eltern: Dr. Monika Auer, geb. Gebhardt-Ruoff, Zahnärztin Rudolf Auer, Studiendirektor Bildungsgang: 09.1983 – 07.1987 Schrader-Grundschule Kaufbeuren 09.1987 – 06.1996 Staatliches Gymnasium Kaufbeuren 28.06.1996 Abitur am Staatlichen Gymnasium Kaufbeuren Studium: 11.1996 - 07.2002 Studium der Zahnmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München 20.10.1997 Naturwissenschaftliche Vorprüfung 21.10.1999 Zahnärztliche Vorprüfung 17.07.2002 Staatsexamen der Zahnmedizin 23.07.2002 Approbation als Zahnärztin Beruf: ab 01.08.2002 Vorbeitungsassistentin in der Zahnarztpraxis Dr. Monika Auer in Kaufbeuren