Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Autoren: Professor Dr. Franz-Josef Schmitz Chefarzt Institut für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie, Hygiene, Unweltmedizin und Transfusionsmedizin Mühlenkreisklinken Minden Dr. Kora Huber Mikrobiologin Consultant Infektiologie www.pfizermed.de Pfizer Pharma PFE GmbH · Linkstraße 10 · 10785 Berlin Seite 2 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Hintergrund Infektionen durch multiresistente Erreger (MRE), vor allem solche, die in der Klinik erworben werden (= nosokomiale Infektionen), sind in den vergangenen Jahren immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und stellen weltweit die Antibiotikatherapie vor immer größere Herausforderungen. Sie sind eine zunehmende Bedrohung, insbesondere für Intensivpatienten. Viele dieser Infektionen sind Folge schwerer Grunderkrankungen oder größerer chirurgischer Eingriffe und können nur teilweise durch verbesserte krankenhaushygienische Maßnahmen vermieden werden (Gastmeier et al. 2016, Fussen und Lemmen 2016). Nur ein vergleichsweise geringer Teil aller nosokomialen Infektionen wird in Deutschland durch multiresistente Erreger verursacht, allerdings ist die Tendenz steigend und hat in anderen Regionen bereits bedrohliche Ausmaße angenommen (z. B. Italien, Griechenland, Asien). Aufenthalte in Ländern mit hoher MRE-Inzidenz erhöhen das Risiko für eine MREKolonisation oder Infektion. Intensivpatienten erfüllen gleichzeitig mehrere Risikofaktoren (Abb. 1) (Fussen und Lemmen 2016). Risikofaktoren für multiresistente Erreger • Vorausgegangene antimikrobielle Therapie (innerhalb der letzten 3 Monate) • Krankenhausaufenthalt > 4 Tage • Grunderkrankungen, Multimorbidität • Aufenthalt auf der Intensivstation • Invasive „Devices“ wie z. B. Katheter, Sonden, u.a. • Bekannte Besiedlung durch multiresistente Erreger •Mangelernährung •Immundefizienz •Patienten aus Pflegeeinrichtungen, Dialyse-Patienten, Tracheostoma-Patienten und Patienten mit offenen oder chronischen Wunden • Mechanische Beatmung • Aufenthalt in Ländern mit hohem MRE-Anteil Abbildung 1: Risikofaktoren für multiresistente Erreger (MRE) (Fussen und Lemmen 2016, Rossolini 2015, Livermore 2015). Seite 3 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Kolonisation und Infektion mit MRE Patienten, bei denen man einen multiresistenten Erreger nachweisen kann, müssen nicht zwingend eine Infektion haben, sondern können lediglich besiedelt sein (Darm, Vaginalbereich, Nase, Nebenhöhle, Mundhöhle, Haut) (Gastmeier et al. 2016). Kolonisation Infektion Erkrankung Entstehen oder Vorhandensein einer Mikroorganismenpopulation in oder auf dem Körpergewebe (z. B. im menschlichen Darm, in der Nase, auf der Haut) ohne resultierende Funktionsstörung oder Erkrankung Erfolgreiche Invasion des Körpers durch schädliche Mikroorganismen und Wachstum dieser Mikroorganismen auf oder in Körpergeweben, wodurch sie dem Wirt schaden Störung, die Mikroorganismen durch die Schädigung ihres Wirts verursacht haben und die erkennbare klinische Symptome einer Funktionsstörung auslöst Ob aus einer Infektion eine Infektionskrankheit wird, ist abhängig von: • Anzahl der Erreger • Pathogenität und Virulenz der Erreger •Infektionsort •Allgemeinzustand des Menschen (Konstitution und Disposition) Seite 4 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Unterschiede bezüglich der Herkunft multiresistenter Erreger (MRE) Basierend auf der Herkunft der Erreger bzw. dem Auftreten der Infektion ist zu unterscheiden zwischen Infektionen und dem Nachweis von MRE: • im ambulanten Bereich, • bei Aufnahme in das Krankenhaus, • nach einigen Tagen der Behandlung im Krankenhaus. Es ergeben sich 6 unterschiedliche Gruppen von Patienten mit Infektionen sowie Patienten, die lediglich mit MRE besiedelt sind (Tab. 1). So kann z. B. ein den Patienten bereits vor Kranken­­hausaufnahme besiedelnder MRE zum Erreger einer sich erst im Krankenhaus manifestierenden nosokomialen Infektion werden (Gastmeier et al. 2016). Tabelle 1: Infektionen und multiresistente Erreger (MRE): Erläuterung der Begriffe (Gastmeier 2016). Art der Infektion Erläuterung A Nosokomiale Infektion oder Krankenhaus­ infektion • Im Krankenhaus erworbene Infektion •International werden zur Charakterisierung einer Infektion als nosokomial die Definitionen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) verwendet (Horan et al. 2008). •Das European Center for Disease Control and Prevention (ECDC) verwendet teilweise modifizierte Definitionen (ECDC 2016), die aber kaum zu Unterschieden in der Beurteilung führen (Hansen 2012). B In das Krankenhaus importierte Infektion Ambulant erworbene Infektion, die bereits bei Krankenhausaufnahme vorliegt und häufig die Ursache für die stationäre Aufnahme ist. C Infektion im ambulanten Bereich Infektion, die im häuslichen Umfeld oder auf Reisen erworben wurde und nicht zur Krankenhausaufnahme führt (weil kein Arzt aufgesucht wurde oder eine ambulante Behandlung erfolgte) D Nosokomiale Infektion mit MRE Der MRE ist wahrscheinlich der Erreger der nosokomialen Infektion, wobei der MRE sowohl ambulant als auch nosokomial sein kann. E In das Krankenhaus importierte Infektion mit MRE Der MRE ist wahrscheinlich der Erreger der importierten Infektion. F Infektion im ambulanten Bereich mit MRE Der MRE ist wahrscheinlich der Erreger der Infektion im ambulanten Bereich. Seite 5 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Definition des Begriffes Multiresistenz Nach Gastmeier 2016 ist der Begriff der Multiresistenz nicht genau definiert. Es werden hierunter zusammengefasst: •MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus = grampositive Erreger), •VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken = grampositive Erreger) •MRGN (multiresistente gramnegative Erreger wie Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii). Die Daten der ARS-Datenbank (Antibiotika-Resistenz-Surveillance) des Robert Koch-Instituts (RKI) für den stationären Bereich erfassen Multiresistenz bei den gramnegativen Erregern (MRGN) nur, wenn gegenüber mindestens 3 Antibiotikaklassen eine Resistenz vorliegt (Gastmeier et al. 2016). Abkürzungen und Definitionen im Zusammenhang mit Multiresistenz MRE =Multiresistente Erreger: Beinhaltet multiresistente grampositive Erreger wie MRSA und VRE sowie multiresistente gramnegative Erreger (MRGN) MRGN =Multiresistente gramnegative Erreger wie Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii MDR =Multi-Drug-Resistant Während bei den grampositiven Erregern die Besiedlung mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) in den letzten Jahren auf deutschen Intensivstationen auf einem konstanten Niveau bleibt oder eher rückläufig ist und sich die Zahl der verfügbaren geeigneten Antibiotika erhöht hat, steigen Kolonisationen und Infektionen mit Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) an. Die Zahl der Patienten mit multiresistenten gramnegativen Bakterien (MRGN) hat sich in den vergangenen Jahren stark erhöht (Fussen und Lemmen 2016). Nach aktuellen Auswertungen der Krankenhaus-InfektionsSurveillance-Studie (KISS-Surveillance of Multi-Drug-Resistant Organisms [MDRO]) liegt der Anteil nosokomialer Infektionen durch multiresistente gramnegative Erreger (MRGN) in Deutschland mittlerweile dreifach höher als der Anteil nosokomialer MRSA-Infektionen. Ein kontinuierlicher MRGN-Anstieg wird seit Jahren weltweit beobachtet. Infektionen durch multiresistente gramnegative Erreger (MRGN) stellen aktuell die größte Herausforderung bei der Antibiotikatherapie dar (Maechler/Gastmeier 2015; Maragakis 2010). •Eine auf verschiedenen Datenquellen beruhende Häufigkeitsschätzung geht von 400 000–600 000 nosokomialen Infektionen pro Jahr in Deutschland aus (Behnke et al. 2013, ECDC 2016, Gastmeier et al. 2016). •Auf der Basis dieser Gesamtzahl, ihrer Erregerverteilung und dem Anteil von multiresistenten Erregern (MRE) pro Erregerart gibt es in Deutschland pro Jahr ca. 30 000–35 000 nosokomiale Infektionen, die durch MRE verursacht werden (Gastmeier et al. 2016). •Geschätzte 4000–6000 Patienten versterben pro Jahr in Deutschland an Infektionen durch MRE. In den meisten europäischen Ländern und in den USA ist das Problem der Antibiotikaresistenz allerdings ausgeprägter als in Deutschland (ECDC 2016, Magill et al. 2014). •Neben der Resistenzrate hat sich die Vielfalt der Resistenzen basierend auf unterschiedlichen bakteriellen Resistenzmechanismen dramatisch erhöht (Bush und Jacoby 2010, Bush 2013, 2015, 2016). •Kenntnisse über die zugrundeliegenden bakteriellen Resistenzmechanismen können zur richtigen Therapieentscheidung beitragen (Frieden 2016). Seite 6 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Antibiotikaresistenzen als biologisches Phänomen Seit Jahrmillionen verändern Bakterien ihre genetische Struktur, wenn sie in ihrem Wachstum und ihrer Ausbreitung bedroht werden. Da Antibiotikaresistenzen bei Bakterien gefunden wurden, die seit 4 Millionen Jahren isoliert lebten, nehmen Forscher an, dass es sich um ein zentrales, uraltes Merkmal dieser Lebewesen handelt (Bhullar 2012, Spiegel online 2012). Eine Bedrohung der Überlebensbedingungen von außen bereitet für all jene Bakterien einen Vorteil, die sich – im Vergleich zu allen anderen – am besten zur Wehr setzen können. Antibiotika gehören zu den effektivsten Feinden der Bakterien. •Bakterien, die in der Lage sind, sich durch die Verfügbarkeit besonderer Resistenzmechanismen der Antibiotikawirkung zu entziehen, haben einen Selektionsvorteil. Die Selektion resistenter Stämme ist eine effiziente bakterielle Überlebensstrategie (Abb. 2). •Bakterielle Infektionserreger können primär resistent sein oder sich durch Ausbildung vielfältiger, ganz spezieller Resistenzmechanismen dem Wirkmechanismus der Antibiotika entziehen. Dies führt dazu, dass auf die Verfügbarkeit neuer Antibiotika – in bestimmten Abständen – die Selektion resistenter Stämme erfolgt, wobei sich die verschiedenen Antibiotikaklassen bzw. antibiotischen Substanzen in ihrem Resistenzselektionspotenzial deutlich unterscheiden können. Es gibt verschiedene Arten der Resistenz. Hierzu gehören die primäre oder natürliche Resistenz, die erworbene Resistenz und die allgemeine Resistenzentwicklung (Abb. 3). Selektion – häufigster Mechanismus der "Resistenz-Entwicklung" unter Antibiotikatherapie Initialzustand Selektion Abbildung 2: Selektion resistenter Bakterienstämme unter Antibiotikatherapie. "Resistenz" nach Therapieende Seite 7 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Arten der Resistenz Abbildung 3: Verschiedene Formen der bakteriellen Resistenz. Die Zeit zwischen 1930 und 1970 gilt als das goldene Zeitalter der Antibiotikaforschung. Unterschiedliche Antibiotikaklassen wurden entwickelt, und einige Experten gingen sogar davon aus, dass das Ende der Infektionskrankheiten kurz bevorstünde, jedoch konnten und können sich bakterielle Infektionserreger durch vielfältige, ganz spezielle Resistenzmechanismen der Antibiotikawirkung immer wieder entziehen. Antibiotikaklassen unterscheiden sich in ihrem Wirkmechanismus hinsichtlich ihrer bakteriellen Angriffspunkte (Abb. 4): •Inhibierung der bakteriellen Zellwandsynthese • Inhibierung der bakteriellen Proteinsynthese •Inhibierung der DNA-Replikation, Beeinträchtigung der DNA-Funktion •Eingriff/Inhibierung der Synthese wichtiger bakterieller Metaboliten Seite 8 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Bakterielle Angriffsorte von Antibiotika Abbildung 4: Die 4 häufigsten bakteriellen Angriffsorte unterschiedlicher Antibiotikaklassen. Obwohl heute eine Vielzahl unterschiedlicher Antibiotika zur Verfügung steht (Abb. 5a und b), gibt es mittlerweile nur noch wenige Substanzen, die bei hochresistenten Erregern, die oftmals über eine Vielzahl unterschiedlicher Resistenzmechanismen verfügen, wirksam sind (Gastmeier 2016, Fussen und Lemmen 2016, Nordmann 2015). Ein sorgsamer Umgang mit Antibiotika ist essentiell. Die Umsetzung von „Antibiotic-Stewardship“ (ABS)-Programmen, in denen ein ganzes Maßnahmen-Bündel zusammengefasst ist, wird als wichtiger Schritt im Kampf gegen Resistenzen bewertet (de With 2016, de With S3-Leitlinie 2013, Frieden 2016). Seite 9 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Penicilline • Schmalspektrumpenicilline (Penicillin V, Penicillin G) •Isoxazolylpenicilline (Flucloxacillin, Oxacillin, Methicillin* [*nur noch für Testung]) •Penicilline mit erweitertem Spektrum: Aminopenicilline (Amoxicillin, Ampicillin), Acylaminopenicilline (Piperacillin) •Penicilline + Beta-Laktamase-Inhibitor (BLI) (Amoxicillin-Clavulansäure, Piperacillin-Tazobactam) Cephalosporine • C ephalosporine der Gruppe 1–5 (Cephalotin, Cefuroxim, Cefotaxim, Ceftazidim, Cefepim, Ceftobiprol*, Ceftarolin*) •Cephalosporine + Beta-Laktamase-Inhibitor* (BLI) (CeftolozanTazobactam*, Ceftazidim-Avibactam*) Carbapeneme • Carbapeneme der Gruppe 1 (Imipenem, Meropenem) und 2 (Ertapenem) Monobactame • Aztreonam Fluorchinolone • Gruppe 1–4 (Norfloxacin, Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin) Aminoglykoside • Tobramycin, Gentamicin, Netilmicin, Amikacin Glycylcycline* • Tigecyclin*, bisher einzige zugelassene Substanz Makrolide • Erythromycin, Roxithromycin, Clarithromycin, Azithromycin Makrocycline* • Fidaxomicin*, bisher einzige zugelassene Substanz Polymyxine •Colistin Imidazole •Metronidazol Glykopeptide • Vancomycin, Teicoplanin Oxazolidinone* • Linezolid*, Tedizolid* Cyclische Lipopeptide* • Daptomycin*, bisher einzige zugelassene Substanz Epoxide • Fosfomycin, bisher einzige zugelassene Substanz Lincosamide •Clindamycin Ansamycin/Rifamycine •Rifampicin Tetrazykline •Doxycylin Chloramphenicol Abbildung 5: Beta-Laktam-Antibiotika und wichtige Leitsubstanzen. *Zulassung im 21. Jh. (Bodmann, Grabein u. PEG-Expertenkommission 2010). Seite 10 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Wichtige Maßnahmen im Rahmen des Antibiotic-Stewardship-Programms beinhalten neben der Verbesserung krankenhaushygienischer Maßnahmen, Schulungen und Fortbildungen und einem zeitnahen umfassenden Datenaustausch auch die Verwendung und Nutzung der unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Therapieoptionen. Einer zeitnahen Diagnostik, die auch Kenntnisse über die zugrundeliegenden Resistenzmechanismen liefert, kommt eine besondere Bedeutung zu (de With 2016, de With S3-Leitlinie 2013, Frieden 2016). Die Ursachen für die Etablierung und den Nachweis immer neuer Resistenzmechanismen sind vielschichtig: •Inadäquater Antibiotikaeinsatz •Antibiotika bei viral bedingten Infektionen im ambulanten Bereich •ineffiziente „falsche“ Antibiotika (Erreger nicht im Wirkspektrum oder resistent) • zu niedrige Dosierung • Zu häufiger Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung • Einseitige, zu häufige Gabe derselben Substanz(-klasse) •Ein immer älter werdendes Patientengut mit erheblichen Grundkrankheiten •Vermehrte und verlängerte Klinikaufenthalte, oft mit Antibiotikabehandlung Übersicht bakterielle Resistenzmechanismen Antibiotika inhibieren wichtige Funktionen in der Bakterienzelle, die für deren Überleben essentiell sind. Je mehr Angriffspunkte ein Antibiotikum besitzt, umso schwieriger wird es für Bakterien, Resistenzen zu bilden. Andererseits gibt es Bakterien, die über eine Vielzahl unterschiedlicher Resistenzmechanismen verfügen. •Effluxpumpen (Das Antibiotikum wird aktiv aus der Bakterienzelle herausgepumpt.) Man unterscheidet vier Hauptformen der Resistenz (Abb. 6): •Bildung Antibiotika-inaktivierender Enzyme (Beta-Laktamasen) •Permeationsresistenz (Das Antibiotikum gelangt nicht in die Bakterienzelle, da spezifische Porenproteine der äußeren Bakterienmembran nicht durchlässig sind. Diesen •Änderung oder Überproduktion der Zielstrukturen (Das Antibiotikum kann nicht an den bakteriellen Zielstrukturen anbinden und somit keine bakteriellen Stoffwechselprozesse stören bzw. inhibieren). Beispiele sind Veränderungen an der bakteriellen ribosomalen Bindungsstelle, Veränderung der Penicillin-Binde-Proteine, der bakteriellen Gyrase/Topoisomerase u. a. Resistenzmechanismen Resistenzmechanismus gibt es nur bei gramnegativen Bakterien, da nur gramnegative Bakterien eine äußere Membran haben.) 1. Inaktivierende Bakterien-Enzyme z.B. β-Laktamasen 4. Effluxpumpen z.B. Methicillin-Resistenz bei Staphylokokken (MRSA) Abbildung 6: Bakterielle Resistenzmechanismen und ihre bevorzugten Substrate. Seite 11 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Resistenzen gegenüber Beta-LaktamAntibiotika Seit mehreren Jahrzehnten werden zur Behandlung bakterieller Infektionen in der Klinik überwiegend Beta-LaktamAntibiotika (Penicilline, Cephlosporine, Carbapeneme) verwendet. Die zunehmende Resistenz erschwert jedoch den klinischen Einsatz. Bakterien verfügen über verschiedene Möglichkeiten, sich der Wirkung von Beta-Laktam-Antibiotika zu entziehen (Abb. 7): •Penicillin-Binde-Proteine (PBP) sind in der bakteriellen Zytoplasmamembran lokalisierte Enzyme, die verantwortlich sind für den Aufbau des bakteriellen Peptidoglycans (Murein), dem Stützskelett der Bakterienzelle, das in der bakteriellen Zellwand lokalisiert ist. PBPs sind die Zielstrukturen, an denen Beta-Laktam-Antibiotika angreifen, um die lebensnotwendige Peptidoglycan-Synthese zu inhibieren. Veränderte Penicillin-Binde-Proteine (PBP) sorgen vor allem auch bei grampositiven Bakterien für Resistenzen (z. B. bei Staphylococcus aureus mit Methicillin-Resistenz, MRSA). •Veränderte Membranproteine in der äußeren Membran als Resistenzursache bei gramnegativen Bakterien, da nur diese eine äußere Membran besitzen •Beta-Laktamase-Produktion bei grampositiven Bakterien (Staphylokokken) vor allem aber bei gramnegativen Erregern (häufigster Resistenzmechanismus) Resistenzmechanismen gegen Beta-Laktam-Antibiotika veränderte Membranporen Effluxpumpen veränderte Penicillin-Blindeproteine Abbildung 7: Resistenzmechanismen gegen Beta-Laktam-Antibiotika Beta-Laktamasen Seite 12 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Beta-Laktamasen als häufigste Resistenzursache •Beta-Laktamasen sind Bakterienenzyme, die in der Lage sind, den Beta-Laktam-Ring der Beta-Laktam-Antibiotika zu hydrolysieren und das Antibiotikum dadurch irreversibel zu zerstören (Abb. 8). β-lactam ring β-lactamase Penicillin Abbildung 8: Resistenzmechanismen gegen Beta-Laktam-Antibiotika •Bevorzugte Substrate sind alle Beta-Laktam-Antibiotika: Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme, Monobactame. Die Hydrolyse des Beta-Laktam-Rings durch bakterielle Beta-Laktamasen ist die häufigste Ursache für eine Resistenz gegenüber einem Beta-Laktam-Antibiotikum. Es entsteht ein saures Derivat des Antibiotikums, das keinerlei antibakterielle Eigenschaften mehr besitzt. •Beta-Laktamasen sind die bekanntesten und am besten untersuchten Mechanismen der Antibiotikaresistenz. •Grampositive Erreger und gramnegative Erreger können Beta-Laktamasen bilden, allerdings ist diese Fähigkeit ganz klar die Domäne der granegativen Bakterien (Entero-bacteriaceae = Enterobaktrien sowie Nonfermenter wie Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii). •Grampositive Bakterien scheiden ihre Beta-Laktamasen meist extrazellulär aus. •Bei gramnegativen Bakterien befinden sich die BetaLaktamasen im periplasmatischen Raum der Bakterienzelle. Penicilloic acid •Die Information zur Produktion der Beta-Laktamasen ist genetisch und erfolgt entweder chromosomal- oder Plasmid-vermittelt. •Antibiotika anderer Klassen (z. B. Aminoglykoside, Fluorchinolone, Glykopeptide) bleiben von Beta-Laktamasen unberührt. Gegen sie existieren jedoch Resistenzmechanismen anderer Art, die oftmals auf dem gleichen Plasmid liegen, das auch die Beta-Laktamase-Bildung überträgt. Hierdurch kann Multiresistenz entstehen. •Mittlerweile sind mehr als 1300 Beta-Laktamasen bekannt, die v. a. von gramnegativen Erregern, insbesondere aus der Familie der Enterobacteriaceae und der Gruppe der Nonfermenter, gebildet werden (Bush 2013). •Die Enzyme werden nach strukturellen und biochemischen Eigenschaften in unterschiedliche Klassen eingeordnet (Bush und Jacoby 2010, Bush 2013, 2015, 2016, Witte 2003, Nordmann 2015, Livermore 2015). •Eine klinisch relevante Einteilung ist die Klassifizierung nach Ambler (Tab. 2). •Tabelle 3 gibt neben strukturellen und biochemischen Eigenschaften zusätzliche Informationen über geeignete/ungeeignete Antibiotika. Seite 13 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Tabelle 2: Beta-Laktamase-Klassifikation nach Ambler (Bush 2015; Nordmann 2015). Ambler-Klasse Aktives Zentrum Enzym-Typ Erreger A Serin Breitspektrum Beta-Laktamasen (TEM, SHV) Beta-Laktamasen mit erweitertem Spektrum (ESBL; z. B. TEM, SHV, CTX-M) Carbapenemasen (z. B. KPC, GES, SME) Enterobacteriaceae und Nonfermenter (Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii) B Zink Metallo-Carbapenemasen (z. B. VIM, IMP, NDM) Enterobacteriaceae und Nonfermenter C Serin AmpC Cephalosporinasen (AmpC) u. a. Enterobacter Spezies Citrobacter Spezies D Serin OXA-Carbapenemasen (OXA) u. a. Enterobacteriaceae und Nonfermenter Tabelle 3: Klassifizierung unterschiedlicher Beta-Laktamasen und deren „Produzenten“ sowie wirksame und unwirksame Antibiotika (Bush und Jacoby 2010, Bush 2013, 2015, 2016, Witte 2003, Nordmann 2015, Livermore 2015). Enzyme/Klassen Produzierende Erreger Nicht wirksame Antibiotika Wirksame Antibiotika Penicillinasen SchmalspektrumBeta-Laktamase Plasmid-kodiert Staphylokokken die meisten gramnegativen Erreger, insbesondere Enterobacteriaceae Ampicillin und alle anderen Penicilline* ohne Beta-Laktamase-Inhibitor (BLI) 2./3. Gen. (Gr. 1 u. 2) Cephalosporine (und alle Cephalosporine Gr. 3–5) Penicilline + BLI Monobactam Carbapeneme u. a. *Ausnahme: Flucloxazolyl-Penicilline Plasmid-kodierte Breitspektrum-Beta-Laktamasen (TEM, SHV-1, OXA; bei gramnegativen Bakterien weit verbreitet) Gramnegative Erreger, insbesondere Enterobacteriaceae Penicilline ohne BLI ESBL TEM-3 und weitere SHV-2 und weitere CTX-M und weitere, OXA Klebsiella pneumoniae E. coli Enterobacter spp. und andere Enterobacteriaceae und andere gramnegative Erreger Ampicillin u. a. Penicilline Penicilline + BLI* alle Cephalosporine ohne geeigneten BLI Monobactam (Aztreonam) AmpC Enterobacter spp. Citrobacter Serratia und andere gramnegative Erreger (siehe oben) Cefepim Carbapeneme (Tigecyclin) Carbapenemase KPC (Klebsiella-pneumoniae- Carbapenemase) Enterobacteriaceae: Klebsiella pneumoniae Escherichia coli Pseudomonas aeruginosa Acinetobacter baumannii Alle außer den wirksamen Antibiotika (siehe nächste Spalte) Ceftazidim/Avibactam Colistin Tigecyclin Fosfomycin* Acinetobacter baumannii Pseudomonas aeruginosa Stenotrophomonas maltophilia Enterobacteriaceae Alle außer den wirksamen Antibiotika (siehe nächste Spalte) Colistin Aztreonam Tigecyclin Alle außer den wirksamen Antibiotika (siehe nächste Spalte) Colistin Tigecyclin Ceftazidim/Avibactam* Beta-Laktam + Tazobactam** Carbapenemase Metallo VIM, NDM, IMP Carbapenemase OXA Enterobacteriaceae Acinetobacter baumannii Carbapenemase-Typ OXA-23, Pseudomonas aeruginosa -40, -48, -58 Gruppe 1+2 Cephalosporine *nicht bei ESBL-K. pneumoniae Penicilline + BLI Cephalosporine Gr. 3–5 Carbapeneme Monobactam u. a. Ceftazidim-Avibactam, Ceftolozan-Tazobactam Carbapeneme Tigecyclin Fosfomycin Pip/Tazo bei ESBL-E. coli m. niedr. MHK und HWI *Kombinationspartner *OXA-48 **OXA-23, -48 MHK: Minimale Hemmkonzentration HWI: Harnwegsinfektion Seite 14 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Beta-Laktamasen mit besonderem Bedrohungspotenzial Extended-Spectrum Beta-Laktamasen (ESBL) •Erreger, die in der Lage sind, Extended-Spectrum-BetaLaktamasen (ESBL) zu produzieren – am häufigsten bei E. coli und Klebsiella pneumoniae – sind eine der Hauptursachen für eine Resistenz gegenüber den in der Klinik über viele Jahre eingesetzten Standardantibiotika (Navarro-San Francisco 2016). • Mittlerweile konnte eine Vielzahl an unterschiedlichen ESBL isoliert und identifiziert werden. In einer molekularbiologischen Charakterisierung und Auswertung der anteilsmäßigen Verteilung der unterschiedlichen ESBL im Rahmen einer europaweit durchgeführten Surveillance-Studie wurde CTX-M-15 als häufigste ESBL in allen europäischen Regionen nachgewiesen (Lob et al. 2016). •ESBL-Gene sind zwischen gramnegativen Bakterien übertragbar. •Nach Angaben der PEG-Resistenzstudie aus dem Jahr 2013 ist in Deutschland die ESBL-Prävalenz 17,4 % bei Klebsiella pneumoniae, 14,9 % bei E. coli und 8,3 % bei Klebsiella oxytoca. In Übereinstimmung mit den europäischen Ergebnissen (Lob et al. 2016) stellen ESBL vom CTX-M-15-Typ den Hauptanteil bei den in deutschen Kliniken isolierten Erregern (Abb. 9) (Kresken et al. 2016). a) Prozentuale Verteilung von ESBL-Varianten bei den E. coli-Isolaten mit einem bestätigten ESBL-Phänotypen (n = 89) •In anderen europäischen Ländern liegt der ESBL-Anteil deutlich höher (ca. 30 % in Frankreich, über 40 % in Italien) (Lob et al. 2016). •Nach wie vor besteht gute Empfindlichkeit bei ESBL-bildenden Enterobacteriaceae gegenüber Carbapenem-Antibiotika. • Bei Cephalosporinen ohne geeigneten Beta-Laktamase-Inhibitor sowie bei Fluorchinolonen und Cotrimoxazol liegen die Resistenzraten bei ESBL-bildenden Enterobacteriaceae bei über 60 %. Sie sind somit nicht für eine Therapie von ESBL-Infektionen geeignet (Navarro-San Francisco 2016). •Nicht-Carbapenem-Antibiotika mit guter in-vitro- und guter klinischer Wirksamkeit bei ESBL-Infektionen sind Ceftazidim/Avibactam (Cephalosporin + neuer Beta-Laktamase-Inhibitor [BLI]), Ceftolozan-Tazobactam (neues Cephalosporin + BLI-Kombination), Tigecyclin (Glycylcyclin-Antibiotikum), Fosfomycin (in Kombination) (Navarro-San Francisco 2016, Bodmann und Grabein 2010). •ESBL-bildende Enterobacteriaceae werden von CDC (Centers of Disease Control and Prevention) als eine ernsthafte Bedrohung („Serious Threat”) bewertet. b) Prozentuale Verteilung von ESBL-Varianten bei den K. pneumoniae-Isolaten mit einem bestätigten ESBL-Phänotypen (n = 53) Abbildung 9: Verteilung der ESBL-Varianten bei Escherichia-coli- (a) und Klebsiella-pneumoniae-Isolaten (b) mit nachgewiesenem ESBL-Phänotyp in Deutschland (Kresken et al. 2016). Seite 15 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Carbapenemasen Der weltweite Anstieg ESBL-bildender Enterobacteriaceae hat in den letzten Jahren zu einem verstärkten Einsatz von Carbapenem-Antibiotika geführt, die in der Vergangenheit als Reserveantibiotika eher restriktiv eingesetzt worden waren. Darüber hinaus hat der Preisverfall nach Verlust des Patentschutzes für Meropenem zu einem deutlich erhöhten Verbrauch geführt. Als Folge ist ein weltweiter Anstieg Carbapenem-resistenter gramnegativer Erreger/Organismen (CRO) zu beobachten (Sahm et al. 2015, Biedenbach et al. 2015, Garcie et al. 2015). •Der Begriff „CRO“ ( = Carbapenem-Resistent-Organisms) beinhaltet sowohl Carbapenem-resistente Enterobacteriaceae als auch Carbapenem-resistente Nonfermenter (Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa). •Die ebenfalls oft verwendete Bezeichnung „CRE“ umfasst nur Carbapenem-resistente Enterobacteriaceae. Am Beispiel der Enterobacteriaceae lässt sich die Entwicklung der Mechanismen der Beta-Laktamase-Resistenzen und die damit einhergehende Entwicklung von Stämmen, die gegen 3, 4 bzw. 5 oder mehr Antibiotikaklassen resistent sein können, im Verlauf der Jahrzehnte eindrucksvoll darstellen (Abb. 10) (Nordmann 2015). •Infektionen mit Carbapenemase-bildenden Enterobacteriaceae (CRE) stellen eine besondere Bedrohung dar, da nur noch sehr wenige Antibiotika über eine gute in-vitroWirksamkeit verfügen (Nordmann 2016, Tumbarello et al. 2015). • Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) bewerten Carbapenem-resistente Enterobacteriaceae (CRE) als bakterielle „Nightmare“-Erreger, mit höchster Bedrohungsstufe („urgent threat“), deren Häufigkeit in Kliniken und Pflegeeinrichtungen weltweit ansteigt. CRE-Infektionen sind assoziiert mit verlängerten Klinikaufenthalten, einer Expansion der Kosten sowie erhöhter Morbidität und Letalität (http//www.cdc.gov/drugresistancethreatreport 2013). • Die Ausbreitung Carbapenemase-produzierender Erreger ist wahrscheinlich das heute größte Resistenzproblem, da die therapeutischen Optionen begrenzt sind. Vermehrt kommen ältere Substanzen mit höherer Toxizität zum Einsatz, sofern diese noch wirksam sind (Nordmann 2016, Tumbarello et al. 2015). • Carbapenemasen können Carbapenem-Antibiotika auf direktem Wege inaktivieren. Zur Klassifizierung der inzwischen zahlreichen Carbapenemasen wird die Einteilung nach Ambler herangezogen (Abb. 11) (Nordmann 2015). 2015 1960 – 1970 Penicillinasen* 1980 – 2000 2010 . . . ESBLs** Carbapenemasen*** 60 – 90 % 5 – 80 % 0,001 – ? % * z. B. bei Staphylokokken und Enterobacteriaceae ** z. B. bei Enterobacteriaceae *** z. B. bei Enterobacteriaceae, Acinetobacter baumannii Abbildung 10: Drei irreversible Resistenzwellen bei Enterobacteriaceae im Verlauf der Jahrzehnte (Nordmann 2015). Seite 16 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Enzyme Ambler-Klasse Klebsiella pneumoniae Carbapenemase (KPC), IMI GES A KPC: Hotspots in Europa, US, Südamerika, China Metallo-Enzyme: VIM, IMP, NDM-1 B VIM: hauptsächlich in Europa (vermehrt bei Enterobacter gefunden VIM, IMP: bei Pseudomonas aeruginosa NDM: Osteuropa, Indien Oxacillinasen = OXA-48, OXA-163, OXA-181 D OXA-48: Europa, Südamerika Abbildung 11: Einteilung der verschiedenen Carbapenemasen nach Ambler-Klasse A, B und D sowie deren Hauptvorkommen nach unterschiedlichen geografischen Regionen (Nordmann 2015). Carbapenemasen bei Enterobacteriaceae im zeitlichen Verlauf 2009–2014 350 300 Anzahl 250 200 150 100 50 0 2009 OXA-48 2010 KPC-2 KPC-3 2011 VIM-1 Jahr NDM-1 2012 2013 2014 Epidemiol Bull 2, 2016, RKI Abbildung 12: Verteilung der häufigsten in Deutschland bei Enterobacteriaceae isolierten Carbapenemasen in den Jahren 2009–2014 (Robert Koch-Institut, Epid Bull 2/2016). Die Abbildung 12 zeigt die häufigsten in Deutschland isolierten Carbapenemasen bei Enterobacteriaceae und den Anstieg dieser Antibiotika-zerstörenden Enzyme über einen Zeitraum von 5 Jahren. Seite 17 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Colistin-Resistenz Da eine Resistenz gegenüber Beta-Laktam-Antibiotika einschließlich der Carbapeneme häufig einhergeht mit Parallelresistenzen gegenüber anderen Antibiotikaklassen, kommen Altpräparate mit guter in-vitro-Wirksamkeit gegenüber diesen hochresistenten Erregern wieder vermehrt zum Einsatz. Hierzu gehört Colistin, ein Peptidantibiotikum aus der Klasse der Polymyxine, das in den 50er-Jahren zugelassen wurde und seine Haupteinsatzgebiete im Bereich der Veterinärmedizin hatte, wo es nach wie vor weltweit zum Einsatz kommt. Aufgrund des vermehrten Auftretens Carbapenem-resistenter Enterobacteriaceae (E. coli, Klebsiella pneumoniae u. a.) und Acinetobacter baumannii kommt die Substanz heute als eine der wenigen verbleibenden Therapieoptionen auch in der Humanmedizin vermehrt zum Einsatz, insbesondere in Ländern mit hohem CRE-Anteil. Als Folge der vermehrten Anwendung treten resistente Stämme auf, deren Ursache nicht mehr länger nur chromosomal bedingt ist, sondern auch über Plasmide übertragen werden kann (Frieden 2016). Die Übertragung der Colistin-Resistenz erfolgt über ein neuartiges Resistenzgen mcr (Mendelson 2016). Resistenzmechanismus: Änderung der Zielstrukturen Bakterien können die Wirksamkeit von antibakteriellen Wirkstoffen herabsetzen, indem sie die Zielstrukturen, an denen die Antibiotika üblicherweise angreifen, so verändern, dass das Antibiotikum seinen Wirkmechanismus nicht mehr ausführen kann. Auch eine Überproduktion derjenigen Proteine/ Enzyme, deren Bildung oder Bindung üblicherweise durch das Antibiotikum verhindert wird, garantiert aufgrund des Überschusses die weitere Funktionsfähigkeit der Bakterienzelle. Veränderungen können z. B. an den Ribosomen erfolgen (30S- oder 50S-Untereinheit), an der Gyrase/Topoisomerase oder an den Penicillin-Binde-Proteinen (PBP) (Abb. 13). Durch Veränderung der bakteriellen Antibiotika-Zielstrukturen vermindern Bakterien z. B. die Wirksamkeit von Vancomycin, Makroliden, Fluorchinolonen, Rifampicin oder BetaLaktam-Antibiotika. Veränderung der in der bakteriellen Zytoplasmamembran lokalisierten Penicillin-Binde-Proteine Veränderung der bakteriellen ribosomalen Zielstruktur Abbildung 13: Bakterielle Resistenzmechanismen – Veränderung der bakteriellen Zielstruktur. Änderung der bakteriellen Zielstruktur am Beispiel Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA): • MRSA besitzen das Resistenzgen mecA, das für ein modifiziertes Penicillin-Binde-Protein (PBP2a, syn. PBP2') kodiert. • Dieses Protein – die bakterielle Transpeptidase – ist für die korrekte Verknüpfung der Peptidoglycan-Bausteine in der Zellwand verantwortlich. • Beta-Laktam-Antibiotika können an das modifizierte Penicillin-Binde-Protein nicht mehr binden, dieses kann ungehindert weiter bei der Zellwandsynthese mitwirken. Seite 18 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Verlauf der Resistenzentwicklung •Nach Verfügbarkeit und breiterem Penicillineinsatz wurde als erste Beta-Laktamase die bakterielle „Penicillinase“ gebildet (Abb. 14). •Es folgte die Entwicklung der Beta-Laktamase-stabilen Isoxazolylpenicilline (Methicillin, Oxacillin) (s. auch Tab. 1) sowie anderer Penicillinase-stabiler Antibiotika (Cephalosporine Gr. 1+2; Peniclline+BLI). •Als bakterielle Reaktion kam es zur Veränderung der Penicillin-Binde-Proteine (PBP2a/PBP‘) mit nachfolgender Methicillin-Resistenz: MRSA (Abb. 14). •Der vermehrte Einsatz von Vancomycin führte zu Vancomycin-Resistenzen. Entwicklung der Antibiotika-Resistenz bei Staphylokokken Staphylococus aureus ab 1940: Penicillin Penicillinresistenter S. aureus Resistenz durch Beta-Laktamase: Penicillinase ab 1960: Methicillin MRSA Resistenz durch modifiziertes zusätzliches PBP 2a/PBP2‘ ab 1980: Vancomycin Vancomycin resistenteEnterokokken Vancomycin intermediärresistenterS. aureus 2002 Abbildung 14: Entwicklung der Antibiotikaresistenz bei Staphylokokken. ZielstrukturVeränderung Vancomycin resistenteS. aureus Seite 19 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Penetrationsresistenz Gramnegative Bakterien sind in der Lage, die Permeabilität der äußeren Zellmembran zu verändern, wodurch die Antibiotikaaufnahme eingeschränkt werden kann oder das Antibiotikum gar nicht mehr von außen in die Bakterienzelle gelangt. •Eine Verminderung der Permeabilität der äußeren Membran durch Veränderung der Transportproteine oder Tunnelproteine (Porine) ist ein Resistenzmechanismus, der insbesondere bei Nonfermentern wie Pseudomonas aeruginosa häufig vorkommt (Abb. 15). •Hierdurch werden Resistenzen gegenüber Beta-LaktamAntibiotika, Aminoglykosiden, Fluorchinolonen, Sulfonamiden und Trimethoprim verursacht. •Oftmals ist die Penetrationsresistenz mit einer Aktivierung oder Derepression von Effluxsystemen, die das An- tibiotikum aktiv aus der Zelle herauspumpen, kombiniert. Dies führt zur Resistenz gegenüber den meisten BetaLaktam-Antibiotika einschließlich Meropenem sowie einem Anstieg der Resistenz gegenüber Fluorchinolonen und anderen Antibiotika (Pitout 2015, Limbago 2015, Paňo-Pardo 2015). • Carbapeneme sind üblicherweise stabil gegenüber AmpC-Beta-Laktamasen und Extended-Spectrum-BetaLaktamasen (ESBLs). Treten diese jedoch in Kombination mit dem Verlust eines Transportproteins (Porin) in der äußeren Membran auf, kann es zur Ausbildung einer Carbapenem-Resistenz kommen (Abb. 16) (Rossolini 2015). Veränderung der Porine = Tunnelproteine in der äußeren Membran gramnegativer Bakterien Aktiver Efflux des Antibiotikums aus der Bakterienzelle durch bakterielle Effluxpumpen Abbildung 15: Bakterielle Resistenzmechanismen Penetrationsresistenz und Effluxpumpen. Porin-Verlust 1 + ESBL/ AMPC-Produktion 1 CarbapenemasenProduktion (KPC, VIM, NDM, OXA-48) Nicht übertragbar 1 Übertragbar 1 Sporadische Fälle oder Kleine Ausbrüche (fitness cost)1 Epidemische diffusion 2 ("High risk clones)2 Oft gefunden bei Enterobacter spp. 1. Nordmann P et al. Trends Mol Med 2012; 18:263-272 2. Canton R et al. Clin Microbiol Infect 2012; 18:413-431 Abbildung 16: Multiple Carbapenem-Resistenz-Mechanismen in Enterobacteriaceae (Porin-Verlust plus ESBL/AmpC-Produktion) sowie direkte CarbapenemResistenz durch Bildung von Carbapenemasen (Rossolini 2015). Seite 20 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Effluxpumpen Effluxpumpen sind spezielle bakterielle Transportproteine, die das Antibiotikum aktiv aus der Bakterienzelle herauspumpen. „Effluxpumpe“ ist ein – im Zusammenhang mit bakteriellen Resistenzmechanismen – häufig verwendeter Name für Membran-ATPasen und Membrantransporter (Carrier), die Moleküle aus der Zelle hinausbefördern. Früher war dieser Resistenzme- chanismus vor allem gegenüber Tetrazyklin-Antibiotika bekannt, mittlerweile ist er jedoch auch Ursache für Resistenzen gegenüber Beta-Laktam-Antibiotika einschließlich der Carbapeneme. Effluxpumpen findet man bei vielen gramnegativen Erregern, insbesondere auch bei Pseudomonas aeruginosa (Abb. 15) (Pitout 2015, Limbago 2015, Paňo-Pardo 2015). Mehrfachresistenzen am Beispiel Pseudomonas aeruginosa Die Problematik hochresistenter gramnegativer Bakterienstämme beruht vor allem darauf, dass diese oftmals über eine Vielzahl an unterschiedlichen Resistenzgenen verfügen und so in der Lage sind, mehrere unterschiedliche Resistenzmechanismen der Antibiotikawirkung entgegenzusetzen. Pseudomonas aeruginosa – wie Acinetobacter spp. ein Vertreter der gramnegativen Nonfermenter – kann verschiedene Formen der Resistenz ausbilden und in hochresistenten Stämmen gleichzeitig mehrere unterschiedliche Resistenzformen exprimieren (Abb. 17). Hierzu gehören: •eine Verminderung der Permeabilität der äußeren Membran (Porine), oft kombiniert mit einer Aktivierung oder Derepression von Effluxsystemen • eine Vielzahl an Beta-Laktamasen (Cephalosporinsen [AmpC]), Klasse-A- ESBLs, OXA-ESBLS (OXA 10, 14), Carbapenemasen (KPC) und Metallo-Beta-Laktamasen (VIM, IMP, GIM, NDM u. a.) •Effluxpumpen zum aktiven Transport des Antibiotikums aus der Zelle •Veränderung von Penicillin-Binde-Proteinen (PBP) (Livermore 2015) Grundsätzlich stellen Bakterienstämme, die in der Lage sind, mehrere Resistenzmechanismen gleichzeitig auszubilden, eine der größten Herausforderungen in der Antibiotikatherapie dar. Erworbene Resistenzen bei Pseudomonas aeruginosa Diverse Beta-Laktamasen Gramnega(veZellwand Effluxpumpen Permeabilitätsänderung der äußeren Membran Resistenz gegen diverse Antibiotika Schnelle Resistenzentwicklung oftmals während der Therapie Abbildung 17: Multiple Resistenzmechanismen am Beispiel Pseudomonas aeruginosa (Livermore 2015). Seite 21 | Bakterielle Resistenzmechanismen – Grundlagen Literatur Behnke M, Hansen S, Leistner R et al. Die zweite nationale Prävalenzstudie zu nosokomialen Infektionen und Antibiotika-Anwendung in Deutschland. Dtsch Arztebl 2013;110(38):627–633 European Centre for Disease Control and Prevention. Point prevalence survey of healthcare-associated infections and antimicrobial use in European acute care hospitals 2011– 2012. (Letzter Zugriff: 05.02.2016). Bhullar K, Waglechner N, Pawlowski A et al. Antibiotic resistance is prevalent in an isolated cave microbiome. PLoS One Band 2012;7(4):e34953 Frieden T. Antibiotic resistance and where we are today. IDWeek Oct 26–30, 2016, New Orleans, LA, USA, Special opening plenary session: ID: looking back, moving forward. Biedenbach D, Hackel M, Leister-Tebbe H et al. 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