Rückenschmerzen brauchen Geduld, kein Skalpell

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THERAPIE
Rückenschmerzen brauchen
Geduld, kein Skalpell
Mit Muskeltraining und Lockerung bringt man die Schmerzen am besten weg
Viele Rückenoperationen
wären gar nicht nötig.
Denn meist sind es die
Muskeln und nicht
die Bandscheiben, die
für Schmerzen sorgen.
ährend des Winters hat
die Bieler Ergotherapeutin Monika Conus in ihrer Praxis mehr Patienten als sonst:
«Der Schmerz kommt oft bei Wetterwechsel und wenn es feucht und
kalt wird.» Durch die Kälte ziehe
sich das Gewebe zusammen, auch
im Rücken. Verspannungen und
Schmerzen sind die Folgen.
Doch Monika Conus sieht auch
aus einem anderen Grund mehr Patienten: Ärzte schicken vermehrt
Patienten mit Rückenschmerzen in
die Physiotherapie. Conus: «Noch
vor zehn Jahren operierten Ärzte
solche Patienten relativ schnell.»
Operierte haben oft
weiterhin Schmerzen
Denn Rückenoperationen zeigen
oft beschränkten Erfolg und sind
mit Risiken behaftet, wie Chirurg
omas Forster vom Kantonsspital
St. Gallen einräumt: «Häufig sind
die Patienten auch nach einer Operation nicht vollständig beschwerdefrei.» Mehr als jeder dritte Operierte ist mit dem Ergebnis nicht
zufrieden, die Schmerzen kommen
wieder. Das ist auch die Erfahrung
der Augsburger Schmerzklinik. Der
Grund: Bei jedem dritten Rückenschmerz-Patienten stellen Ärzte die
Diagnose zu schnell. Klinikarzt
Vassilios Rachaniotis: «Hat der PaGesundheitstipp Februar 2011
ISTOCK/RF
W
Physiotherapie: Lindert bei vielen Patienten die Rückenschmerzen
tient Schmerzen, entscheiden sich
Ärzte eher zur Operation.»
Oft sind gar nicht eine veränderte
Wirbelsäule oder Bandscheibe Auslöser der Schmerzen. Jan-Peter Jansen vom Schmerzzentrum Berlin:
«Über 90 Prozent der Beschwerden
kommen von den Muskeln.» Im Alltag belastet man die Wirbelsäule
häufig falsch oder einseitig, die
Muskeln verkrampfen sich. Auch
bewegen sich viele Menschen kaum,
die Muskeln sind zu schwach.
Selbst ein Bandscheibenvorfall ist
oft kein Grund mehr zum Operieren. 5 bis 10 Prozent der Patienten
mit Rückenschmerz sind davon betroffen. Dabei reisst der Faserring
auf, der jede Bandscheibe umgibt,
und der gallertartige Kern tritt aus.
Es handelt sich jedoch um eine
Verschleisserscheinung, die bei fast
jedem Menschen über 30 Jahre zu
beobachten ist. Nur wenn der Kern
auf Nerven drückt, kommt es zu
den typischen Symptomen wie
«Über 90 Prozent der
Beschwerden kommen
von den Muskeln»
Jan-Peter Jansen,
Schmerzzentrum Berlin
Kribbeln in den Beinen bis hin zu
Lähmungserscheinungen.
Doch eine Operation ist selbst
dann nicht zwingend. Der Aachener Orthopäde Nils Graf StenbockFermor: «Der Körper heilt sich
selbst.» So bestünde ein Bandscheibenvorfall zu 95 Prozent aus Wasser. Und das transportiert der Körper mit der Zeit weg. Durch den
Vorfall ausgelöste Empfindungsstörungen wie ein Kribbeln im Fuss
sind gut behandelbar, wie der deutsche Rückenexperte Martin Marianovicz bestätigt: «Sie bilden sich
meist vollständig zurück.»
Kommt hinzu: Ärzte lassen sich
oft von Röntgenbildern leiten.
Doch eine auffällige Bandscheibe
auf dem Bild aus dem Röntgenapparat oder Computertomographen
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THERAPIE
lässt keine zuverlässige Aussage zu,
ob eine Operation nötig ist. Denn
Veränderungen der Bandscheiben
sind normal. Chirurg omas Forster: «Es gibt viele Patienten, die
auch mit erheblichen Veränderungen keine oder geringe Rückenschmerzen haben.»
Röntgenbilder nützen
häufig nichts
Entsprechend bringt auch das
hochauflösende Knochenfoto bei
mehr als 90 Prozent der Leidenden
kein Ergebnis für die wirkliche
Ursache der Schmerzen. Rückenexperte Marianovicz: «Der Arzt
muss im Gespräch herausfinden,
wo und bei welchen Bewegungen
der Schmerz auftritt.» Der Körper
brauche Zeit, um sich selbst zu helfen.» Gesundheitstipp-Arzt omas Walser bestätigt: «Nach spätestens drei Wochen sind 90 Prozent
der Betroffenen wieder stabil.»
Das erapieschema ist relativ einfach: Schmerzmittel unterdrücken
in den ersten Tagen die Schmerzen
und lösen die verkrampften Muskeln. Dann muss man für Bewegung sorgen. Michael Oliveri von
der Rehaklinik in Bellikon AG:
«Wenn man den Rücken bewegt,
werden die Muskeln besser durchblutet und etwas gedehnt.»
Damit die Schmerzen nicht wiederkommen, können Patienten
vorbeugen. Vor allem ein Aufbau
der Rückenmuskulatur ist wichtig,
denn sie schützt und stützt die
Bandscheiben. Arzt omas Walser: «Patienten müssen entspannte
und lockere Bewegungsabläufe im
Alltag erlernen.» Auch bei der Arbeit sollte man immer Pausen einlegen, damit man sich entspannen
könne (siehe Kasten). Spezielle Programme wie nach Rolfing, Feldenkrais, Alexandertechnik oder PolaAndreas Grote
rity helfen dabei.
TIPPS
Das hilft gegen Rückenschmerzen
So beugen Sie vor:
} Vermeiden Sie Übergewicht,
einseitige Ernährung, Nikotin
und Alkohol.
} Im Büro: Ändern Sie Ihre Sitzposition immer wieder. Lümmeln Sie auch mal auf dem
Stuhl herum.
} Stehen Sie immer wieder auf
und machen Sie Bewegungsübungen.
} Achten Sie auf eine ergonomische Büroeinrichtung.
} Vermeiden Sie einseitige
Bewegungsabläufe.
} Gehen Sie beim Heben in die
Knie und lassen Sie die Oberschenkel arbeiten.
} Schauen Sie für viel Bewegung in Ihrer Freizeit. Gehen
}
Sie joggen, walken oder
schwimmen.
Vermeiden Sie Dauerstress.
Wenn Schmerzen auftreten:
} Nehmen Sie rechtzeitig
Schmerzmittel ein.
} Bewegen Sie Ihren Rücken
sobald als möglich wieder.
} Machen Sie kleinere Spaziergänge.
} Halten Sie den Rücken warm.
} Gehen Sie zur Massage,
machen Sie Lockerungsübungen.
} Vermeiden Sie extreme
Bewegungen, heben Sie
keine schweren Lasten.
} Gehen Sie zum Arzt und lassen Sie die Ursachen abklären.
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