Csikszentmihalyi, Mihaly: Kreativität

Werbung
Buchbesprechung:
Csikszentmihalyi,
Mihaly:
Kreativität.
Wie
Sie
das
Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden. Klett-Cotta Verlag;
Stuttgart 1996
Mihaly Csikszentmihalyi lehrt Psychologie an der University of Chicago und war
Gastprofessor in Italien, Finnland, Brasilien und Kanada. Er überschreitet gerne die
Grenzen zu anderen Fachgebieten. Er ist als Sohn einer ungarischen Familie in
Italien aufgewachsen.
Er wurde bekannt durch das von ihm beschriebene Flow-Phänomen. „Flow
bezeichnet einen Zustand des Glücksgefühls, in den Menschen geraten, wenn sie
gänzlich in einer Beschäftigung „aufgehen“. Entgegen ersten Erwartungen erreichen
wir diesen Zustand nahezu euphorischer Stimmung meist nicht beim Nichtstun oder
im Urlaub, sondern wenn wir uns intensiv der Arbeit oder schwierigen Aufgaben
widmen.“1
Das Buch gliedert sich in drei Teile: 1. Der kreative Prozess, 2. Die
Lebensgeschichten und 3. Domänen der Kreativität. Das Buch basiert auf Interviews
mit WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen, die laut Autor den kreativen Prozess
aus erster Hand kennen. Csikzentmihalyi stützt seine einzelnen Thesen auf die
Lebensgeschichten der einzelnen InterviewpartnerInnen ab. Es erleichtert das
Lesen, dass Passagen aus den Interviews zitiert werden. Leider bezieht er sich in
manchen Teilen auf aktuelle Studien, die er jedoch nicht näher erläutert, womit ein
Vertiefen in einzelne Teilaspekte nicht möglich ist.
Ad 1. Der kreative Prozess
Seine Definition von Kreativität entsteht aus der Interaktion dreier Elemente, die ein
System bilden. Die Elemente sind Kultur, Einzelperson und Feld der Experten. Der
Prozess ist, dass eine Einzelperson in eine Kultur mit den entsprechenden
symbolischen Regeln etwas Neues einbringt und dieses dann durch Experten als
„kreativ“ bzw. „neu“ bestätigt wird.
Für ihn kann Kreativität nur dann in einer Domäne stattfinden, wenn es einen
Überschuss an Aufmerksamkeit gibt. Als Domäne definiert der Autor ein Fachgebiet
z.B. Musik oder Physik. Einfach heruntergebrochen heißt es, dass ich nur dann auf
einem Gebiet kreativ sein kann, wenn ich zuvor über ausreichendes Wissen zu
1
Csikszentmihalyi, Mihaly: Flow im Beruf. Das Geheimnis des Glücks am Arbeitsplatz. Klett-Cotta
Verlag; Stuttgart 2003
1
diesem Gebiet verfüge. Ich muss zuerst die Regeln und Symbole einer Domäne
verinnerlichen, damit es mir möglich ist, die Grenzen des bereits Gedachten zu
sprengen. Auch in diesem Buch bringt Csikszentmihalyi Kreativität mit dem FlowPhänomen in Verbindung. Freude und Authentizität zeichnet diese Verbindung. Im
Laufe des ersten Teil des Buches wird die Frage: „Was ist Kreativität?“ durch die
Frage: „Wo findet Kreativität statt?“ ersetzt.
Ad 2. Die Lebensgeschichten
Der zweite Teil beschäftigt sich mit den einzelnen Lebensabschnitten der
interviewten Personen. Hier soll die These bestätigt werden, dass kreatives Schaffen
durch die Veränderung äußerer Bedingungen angeregt werden kann. Nicht nur die
familiäre
Herkunft,
sondern
auch
das
soziale
Umfeld
können
kreative
Voraussetzungen schaffen. Der kreative Mensch braucht einen Kontext in dem er
agiert (Städte, Landschaften, Arbeitszimmer). Schulen und Universitäten hätten
weniger Einfluss auf den kreativen Prozess als ein intaktes familiäres Umfeld oder
eine funktionierende Partnerschaft. Kinder sind in den Augen des Autors nicht
kreativ. Sie leben ihre kindliche Neugierde aus und die wahre „Kunst“ der Kreativen
läge darin, dass sie sich diese Neugierde behalten und sie auch unbeirrt in ihren
Alltag leben.
Ad 3. Die Domänen der Kreativität
Im diesem Teil kommen die Kunstschaffenden zu Wort. Sie sprechen über
Arbeitstechniken und die Probleme des kreativen Arbeitens. Csikszentmihalyi leitet
Übungen und Vorgehensweisen ab, die Menschen helfen sollten in ihren jeweiligen
Domänen kreativer zu werden. Auch hier kommt der Begriff des „flow“ wieder zum
Tragen. Er spricht von der Wiederentdeckung der kindlichen Neugierde und dem
Staunen. Übungen die den Selbstausdruck stärken, die Sicht der Dinge verändern,
die Angst vor dem Scheitern nehmen oder die Produktivität steigern sollen, finden
sich ebenfalls im letzten Teil. Er stellt auch eine Prognose über die kreative Zukunft,
ohne die das Überleben der Menschen nicht gesichert ist bzw. laut Autor nie
gesichert war.
Das Buch ist ein Ausschnitt aus einer fünfjährigen Arbeit. Ich finde es gut gegliedert.
Der Autor gibt über das Thema „Kreativität“ einen guten Überblick. Seine Thesen
beziehen sich im Grunde immer wieder auf das Phänomen des „flow“, wofür der
Autor bekannt wurde. Die Biographischen Inputs der einzelnen WissenschafterInnen
und KünstlerInnen haben der Arbeit einen für mich sehr bedeutenden Gehalt
2
gegeben. Der Vergleich der naturwissenschaftlichen mit der künstlerischen Arbeit,
der phasenweise bis zu einer vollkommen Gleichsetzung der Arbeitsprozesse ging,
ist ein sehr gewagter und spannender Aspekt in diesem Buch.
Karin Tatter
3
Herunterladen