WePBE - Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern

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WePBE
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Weiterentwicklung
Psychiatrieversorgung
Kanton Bern
postfach 88
ch-4105 biel-benken
Schlussbericht
zur Evaluation der institutionellen ambulanten und teilstationären
Psychiatrieversorgung des Kantons Bern unter besonderer Berücksichtigung der Pilotprojekte – Angebote, Lücken und Mängel
Felix Amsler, Dorothea Jäckel und Rebecca Wyler
03.03.10
-2-
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
5
2
Evaluation Mobile Krisenintervention (MOKI) und Notfalltriage (NF)
8
2.1
Ausgangslage
8
2.2
Definitionen, Operationalisierung
9
2.3
Ziele der Evaluation
10
2.4
Kennwerte der MOKI/NF Erhebung 2009 Langenthal
10
2.4.1
Vorgehen
10
2.4.2
Anpassungen Statistik MOKI/NF-Triage 2009
11
2.4.3
Verrechenbare Leistungen in der MOKI und der NF-Triage 2009
12
2.4.4
Soziodemographische und funktionale Angaben in der MOKI und NF-Triage
13
2.4.5
ICD-10 Diagnosen
15
2.4.6
Kriseninterventionen und Hausbesuche während der MOKI
16
2.4.7
Leistungen und Dauer innerhalb der MOKI-Episoden
19
2.4.8
Leistungen in Anwesenheit und Abwesenheit der PatientInnen in MOKI und NF-Triage 19
2.4.9
Interviews mit Patienten und Angehörigen, welche durch eine MOKI betreut wurden
21
2.4.9.1
Erfahrungen mit der Klinikeinweisung
21
2.4.9.2
Die Mobile Krisenintervention arbeitet krisenvorbeugend
22
2.4.9.3
Das Gelingen einer MOKI
23
2.4.9.4
Die Erfahrungen der Angehörigen
24
2.4.10
Diskussion
25
2.5
Kennwerte der MOKI/NF Erhebung 2009 Biel
27
2.5.1
Einführung
27
2.5.2
Krisenepisoden
27
2.5.3
Soziodemographische und krisenbezogene Angaben in der MOKI und NF-Triage
29
2.5.4
ICD-10 Diagnosen
31
2.5.5
Leistungen innerhalb der Krisenepisoden
32
2.5.6
Diskussion
34
3
Evaluation WePBE Pilotprojekt: Akuttageskliniken Langenthal und Biel
35
3.1
Ausgangslage
35
3.2
Evaluationsinstrumente
37
3.3
Ergebnisse
39
3.3.1
Vorbehandelnde und nachbehandelnde Instanzen
39
3.3.2
Merkmale der in der Akuttageskliniken behandelten PatientInnen und
Behandlungsmerkmale
40
3.3.2.1
Akuttagesklinik Langenthal
40
3.3.2.2
Akuttagesklinik Biel
44
3.3.3
Ergebnisse der Prozessmessungen
47
-3-
3.3.3.1
ATK Langenthal: Psychopathologie und funktionale Gesundheit
47
3.3.3.2
ATK Langenthal: Beurteilung durch die Pflegenden: Funktionale Gesundheit
49
3.3.3.3
ATK Biel: Psychopathologie und funktionale Gesundheit
50
3.3.3.4
ATK Langenthal Patientenbeurteilung: Beschwerden
52
3.3.3.5
ATK Biel Patientenbeurteilung: Beschwerden
53
3.3.3.6
ATK Langenthal Patientenbeurteilung: Lebensqualität
54
3.3.3.7
ATK Biel Patientenbeurteilung: Lebensqualität
54
3.4
Diskussion
55
4
Angebotsstruktur und Versorgungslandschaft
58
4.1
Ausgangslage
58
4.2
Datenlage komplementärer Versorgungsangebote
58
4.2.1
Richtwerte Wohnheime, betreutes Wohnen
59
4.3
Auswertung
59
4.4
Ergebnisse
60
4.4.1
Sozialmedizinische Institutionen: Wohnheime
60
4.4.2
Sozialmedizinische Institutionen: Tagesstätten
61
4.4.3
Sozialmedizinische Institutionen: Werkstätten
61
4.4.4
Sozialmedizinische Institutionen: Berufliche Massnahmen
63
4.4.5
Gesamte Angebote in sozialmedizinische Institutionen
63
4.5
Diskussion und Ausblick
66
4.5.1
European Service Mapping Schedule (ESMS-V3)
67
5
Schriftliche Befragungen
73
5.1
Psychiaterbefragung
73
5.1.1
Einführung
73
5.1.2
Ergebnisse
74
5.1.2.1
Teil1: Angaben über die an der Befragung teilgenommenen PsychiaterInnen
74
5.1.2.2
Teil2: Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit mit der institutionellen
Psychiatrie
78
Teil 3: Beurteilung bestehender Versorgungslandschaften und bestmöglicher
Versorgung durch verschiedene Akteure
84
5.1.2.3.1
Sozialpsychiatrische und rehabilitative Versorgung
84
5.1.2.3.2
Beurteilung bestmöglicher Versorgung verschiedener Patientengruppen
86
5.1.2.4
Teil 4: Patienten in den psychiatrischen Praxen)
91
5.1.2.4.1
Daten der Stichtagbefragung
91
5.1.2.4.2
Vergleich der Psychiaterdaten mit der Krankenhausstatistik MedStat 2008
103
5.1.3
Diskussion
111
5.2
Hausarztbefragung
118
5.2.1
Einführung
118
5.2.2
Ergebnisse
118
5.2.2.1
Rücklauf
118
5.2.2.2
Beschreibung der teilnehmenden Hausarztpraxen
118
5.1.2.3
-4-
5.2.2.3
Qualität der Zusammenarbeit mit andern Versorgern
119
5.2.2.4
Stichtagbefragung
123
5.2.2.4.1
Ausschliessliche psychiatrische Behandlung in hausärztlicher Praxis
125
5.2.3
Diskussion
127
6
Daten zur Versorgung aus verschiedenen Datenquellen
132
6.1
Santé Suisse Daten- und Tarifpool
132
6.1.1
Versorgung durch die freipraktizierenden Psychiaterinnen und Psychiater
132
6.1.2
Psychiatrische Leistungen Allgemeine und Innere Medizin
132
6.2
Vergleich verschiedener Quellen zur ambulanten Versorgung
135
6.2.1
Bevölkerungsdaten
135
6.2.2
Santé Suisse Datenpool Psychiatrie Erwachsene
135
6.2.3
Santé Suisse Tarifpool Allgemeine und Innere Medizin
135
6.2.4
Institutionelle ambulante Psychiatrie
138
6.2.5
Ambulant behandelte Patienten insgesamt
138
6.2.6
Medizinatlas Schweiz
138
6.2.7
Psychiaterbefragung
139
6.2.8
Hausarztbefragung
139
6.2.9
Kombination der Daten
140
7
Fazit
142
7.1
Grundlagen
142
7.1.1
Ausgangslage Versorgungslandschaft und mangelhafte Datengrundlage
142
7.2
Zusammenfassung pro Untersuchungseinheit
143
7.2.1
MOKI/ Notfalltriage
143
7.2.2
ATK
144
7.2.3
Aufbau und Implementierung neuer Versorgungsangebote
145
7.2.4
Angebotsstruktur und Versorgungslandschaft
146
7.2.5
Freipraktizierende Psychiater
147
7.2.6
Grundversorger
147
7.2.7
Zusammenfassung Behandlungszahlen
148
-5-
1
Einleitung
Im Rahmen der Weiterentwicklung der Psychiatrieversorgung im Kanton Bern, WePBE wurde unter anderem die teilstationäre und ambulante Versorgungssituation psychisch Kranker
untersucht. Im Gegensatz zur stationären Versorgung ist der Informationsstand im teilstationären und ambulanten Bereich geringer und wird z.B. über die MedStat noch nicht vollständig abgebildet 1. An einzelnen Stützpunkten wurden zusätzliche ambulante und teilstationäre
Daten bereits erhoben, die im Rahmen der jetzigen Evaluation genutzt wurden.
In den beiden Pilotregionen Oberaargau und Biel wurde die gemeindeintegrierte Akutbehandlung ausgebaut. Dafür wurden Versorgungsangebote geschaffen, die NotfallAbklärungen bzw. -Triagen und Mobile Kriseninterventionen (MOKI) anbieten und die psychiatrische Behandlung weitgehend im gewohnten Lebensumfeld der PatientInnen durchführen. In beiden Regionen wurden zudem psychiatrische Akuttageskliniken eröffnet. Am Psychiatriestützpunkt Biel wurde die Mobile Krisenintervention im Rahmen eines Umzuges und
damit verbundenen Konzeptänderungen ab Anfang 2008 neu aufgebaut, parallel und unabhängig von der schon lange bestehenden gemeindenahen Versorgung. Am Psychiatriestützpunkt Langenthal ist die Mobile Krisenintervention seit 2004 integrierter Teil des Versorgungsangebots. Die systematische Auswertung der seit Mitte 2007 vorliegenden Daten lieferten Informationen darüber, welche Leistungen in welchem Umfang bei welchen PatientInnen im Rahmen der Mobilen Krisenintervention und Notfall-Triage erbracht wurden und halfen dabei, die Datenerfassung und –auswertung der teilstationären und ambulanten Angebote in den beiden Pilotregionen neu zu konzipieren und auszubauen. Daneben wurden
Workshops mit den beiden Behandlungsteams durchgeführt. Aufgrund dieser Erfahrungen
wurde in beiden Diensten mit Unterstützung der Informatik ein System aufgebaut, welches
die Datenerfassung vereinfachen und in die normalen Betriebsabläufe eingliedern sollte. Da
die beiden Dienste unterschiedliche Klinikinformationssysteme besitzen, musste diese Arbeit
doppelt gemacht werden. Es zeigte sich, dass diese Prozesse überaus schwerfällig abliefen,
mehr noch in Biel, wo die Informatik mit einem externen Anbieter zusammenarbeitet. Dies
führte dazu, dass dieser Bericht zum Teil nur kurze Beobachtungszeiträume abdeckt.
Um die neu zu eröffnenden Akut-Tageskliniken sinnvoll zu dokumentieren, wurden die bestehenden Institutionen zu den von ihnen verwendeten Instrumenten befragt. Daraus wurde
ein Erhebungsinstrument entwickelt, welches Informationen aus dem Blickwinkel der Ärzte,
der Pflegenden und der Patienten selbst ermöglicht. Um die Institutionen zu ermutigen, mit
diesen Instrumenten zeitnah Daten zu erheben, wurden diese Instrumente so ausgestattet,
dass individuelle Resultate für jeden Patient unmittelbar nach dem Eingeben der Daten ver1
Dass dies nicht nur im Kanton Bern der Fall ist geht auch aus dem Leitfaden zu Psychiatrie der GDK (2008)
hervor.
-6-
fügbar waren. Aufgrund verschiedenster Probleme (später als geplante Eröffnung, zuwenig
Ressourcen, um von Beginn weg mit dem System zu arbeiten, unvollständige Datenerhebung) sind auch zu den ATK zum jetzigen Zeitpunkt erst wenige Daten vorhanden.
Mit dem European Service Mapping Schedule (ESMS) wurde als erstes die bestehenden
Versorgungsangebote der Region Langenthal charakterisiert. Im Verlaufe der Arbeiten wurde
begonnen, die Daten zu ergänzen mit den durch SOMED erfassten Informationen. Mit der
sehr konstruktiven Unterstützung durch Herrn Hug von der GEF gelang es in einem aufwändigen Prozess, eine gute Grundlage für zukünftige Arbeiten zu legen.
Die schriftliche Befragung der Berner Psychiaterinnen und Psychiater bildet ein Herzstück
dieser Evaluation. Mit einem Rücklauf von über 50% kann sie als in hohem Mass repräsentativ angeschaut werden. Sie gibt einen guten Überblick über die Zusammenarbeit mit andern
Versorgern, vor allem der institutionellen Psychiatrie, und über die Einschätzungen, welche
ambulant versorgten Patienten durch Institutionen und welche durch niedergelassene Psychiater oder Hausärzte betreut werden sollen. Einen sehr guten Einblick in die Klientel der
Niedergelassenen bildet die Stichtagserhebung, welche 500 Patienten umfasst. Die Charakterisierung dieser Patienten geht viel weiter als bei MedStat, erlaubt aber auch den Vergleich
mit den MedStat-Daten.
Die parallel durchgeführte schriftliche Befragung der Hausärzte im Kanton Bern wird durch
den schlechten Rücklauf von 12% beeinträchtigt. Sie bestätigt jedoch den Eindruck, dass die
Hausärzte sehr viele psychiatrisch auffällige Patienten in der Praxis haben, die nicht anderweitig behandelt werden.
Die Erhebung der Tarmed-Daten von Santé Suisse zu den Leistungen der niedergelassenen
Psychiaterinnen und Psychiater und der psychiatrischen Leistungen der Grundversorger
rundet die Untersuchung ab, ermöglicht eine Mengenschätzung und validiert die mit der Psychiaterbefragung erhobenen Daten eindrücklich. Der Quervergleich mit den Daten der institutionellen Anbieter zeigt auf, dass die Niedergelassenen 2/3 und Institutionen 1/3 der ambulanten Patienten behandeln.
Umgekehrt bilden die Santé Suisse Daten die psychiatrischen Leistungen der Hausärzte nur
mangelhaft ab – obwohl mehr als ein Drittel der Patienten als psychiatrisch auffällig angeschaut werden, betragen die psychiatrisch verrechneten Tarmed-Leistungen nur etwa 1%
der Gesamtleistungen.
Bei der Auseinandersetzung mit all diesen Informationen zeigte sich immer wieder, wie mangelhaft viele Datengrundlagen sind. Das Evaluationsteam war in sehr viel höherem Mass als
erwartet damit beschäftigt, Grundlagen dafür zu schaffen, dass überhaupt Daten erhoben
werden konnten. Uneinheitliche Datenerhebungssysteme, sogar innerhalb des Kantons, erschwerten diese Aufbauarbeit zusätzlich. Es ist deshalb zu hoffen, dass diese Arbeiten ins-
-7-
besondere für die Pilotprojekte fortgeführt und wenn möglich auch auf vergleichbare Institutionen des Kantons ausgedehnt werden oder sogar in kantonsübergreifende Qualitätsentwicklungs-Projekte einfliessen.
-8-
2
Evaluation Mobile Krisenintervention (MOKI) und Notfalltriage (NF)
2.1
Ausgangslage
Im Rahmen der Weiterentwicklung der Psychiatrieversorgung im Kanton Bern, WePBE soll
u.a. die teilstationäre und ambulante Versorgungssituation psychisch Kranker untersucht
werden. Im Gegensatz zur teilstationären und stationären Versorgung ist der Informationsstand im ambulanten Bereich geringer und wird z.B. über die MedStat noch nicht vollständig
abgebildet. Perspektivisch soll diese Evaluation dazu beitragen, ein Reportingsystem aufzubauen, das später in geplante Klinikinformationssysteme implementiert werden kann.
In den beiden Pilotregionen Oberaargau und Biel wird die gemeindeintegrierte Akutbehandlung ausgebaut. Dafür wurden Versorgungsangebote geschaffen, die Notfall-Triagen und
Mobile Kriseninterventionen (MOKI) anbieten und die psychiatrische Behandlung weitgehend
im gewohnten Lebensumfeld der PatientInnen durchführen. In beiden Regionen werden zudem psychiatrische Akuttageskliniken eröffnet. Am psychiatrischen Dienst Langenthal ist die
Mobile Krisenintervention seit 2004 integrierter Teil des Versorgungsangebots. Die systematische Auswertung der vorliegenden Daten soll zum einen Informationen darüber liefern, welche Leistungen in welchem Umfang bei welchen PatientInnen im Rahmen der Mobilen Krisenintervention und Notfall-Triage erbracht wurden. Eine Auswertung der Leistungen für das
Jahr 2008 wurde vorgängig durchgeführt.
Seit Anfang 2009 wurden in Zusammenarbeit mit den beiden Pilotregionen Möglichkeiten
entwickelt die Leistungen in der Mobilen Krisenintervention – in Biel zusätzlich die aufsuchenden Hilfen durch die Gemeindepsychiatrie – sowie die Leistungen der Notfall-Triage in
die EDV-Systeme der beiden psychiatrischen Dienste zu implementieren. Die technischen
Möglichkeiten sind an den beiden psychiatrischen Diensten nunmehr realisiert, Dateneingabe und -weiterverarbeitung sind jedoch noch nicht Teil der täglichen Routine.
Inhaltlich besteht weiterhin das Problem, dass nicht alle psychiatrischen Institutionen im Kanton Bern ihre ambulanten Behandlungen in der MedStat erfassen. Dies bedeutet einen
enormen Informationsverlust, der die Vergleichsmöglichkeiten unterschiedlicher Regionen
sehr einschränkt. Dieses Problem ist offenbar seit Jahren bekannt und findet z.B. auch im
„Dolder Bericht“ kritische Erwähnung.
Auf dem Hintergrund, dass die Implementierung neuer ambulanter Versorgungsangebote
das Ziel verfolgt, reduzierend auf stationäre Behandlungen zu wirken, bestehen hier nach
wie vor grosse Informationsmängel.
-9-
2.2
Definitionen, Operationalisierung
Als allgemeine Beschreibung und Orientierungspunkt von Krise und Notfall wurden folgende
Definitionen entwickelt. Dabei schliessen sich diese beiden Begriffe nicht aus, sondern es
gilt, dass jeder Notfall auch eine Krise ist.
Notfall: Akute Situation, die sofort, d.h. in diesem Moment, eine Massnahme erforderlich macht; oft besteht in diesen Situationen eine akute Lebensbedrohung (Selbstoder Fremdgefährdung); wenn die Massnahme durchgeführt wurde, ist die Notfallsituation beendet. Ein Notfall beinhaltet im Normalfall eine einzige Intervention.
Krise: Relativ akut veränderte Situation, die schnelle Hilfe erfordert; oft ist nicht genau vorhersehbar, wie es weitergeht; es sind häufigere Termine, mehrere Interventionen über einen Zeitraum von Tagen oder gar einigen Wochen, eventuell häufige
Settingveränderung bzw. -anpassungen nötig; auch in einer Krisensituation, die kein
Notfall ist, kann eine Gefährdung (Suizidalität) vorhanden sein, aber weniger akut und
besser kontrollierbar. Bei einer Krise handelt es sich um einen länger andauernden
instabilen Zustand, deren Behandlung sich über einen Zeitraum von einigen Tagen
bis zu mehreren Wochen ziehen kann. Die Krise ist beendet, wenn ein stabiles neues
Setting etabliert worden ist.
Ein Resultat des Workshops bestand in der Erkenntnis, dass sich Kriseninterventionsepisoden im Rahmen der MOKI in den beiden Psychiatriezentren Langenthal und Biel unterschiedlich realisieren. In Langenthal werden Kriseninterventionen von einem MOKI-Team
durchgeführt, das im Anschluss an eine Krise auch die stabilisierende Nachbetreuung übernehmen kann und so zum Teil auch längerfristige Begleitungen anbietet. Eine Krise ist demnach auch dadurch definiert, dass sie durch die MOKI behandelt wird. Das Psychiatriezentrum Biel hält kein eigenes Team vor, sondern die Mobile Krisenintervention obliegt einer
Pflegefachfrau, die häufig gemeinsam mit dem Arzt/der Ärztin die Krisenintervention durchführt. Da im Rahmen der Gemeindenahen Versorgung ebenfalls Kriseninterventionen angeboten werden, wird hier Krise eher als eine spezifische Behandlungssituation verstanden, in
der die Krisenintervention nicht dadurch definiert ist von welchem Team/Ressort sie durchgeführt wird. Abb. 1 verdeutlicht die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Mobilen Krisenintervention und Notfalltriage an den beiden Psychiatriezentren.
-10-
Abb. 1: Organisation von MOKI und NF an den beiden Psychiatriezentren
2.3
Ziele der Evaluation
Im Rahmen der Evaluation sollen alle Episoden erfasst werden können, bei denen eine Notfallsituation oder eine Krise besteht, welche ein schnelles Eingreifen notwendig macht. Erhoben werden Behandlungsmerkmale wie Dauer und Art der Einzelinterventionen in den Krisenepisoden, klinische Parameter wie das psychosoziale Funktionsniveau (GAF) und Suizidalität bei Krisenbeginn und deren Abschluss, erbrachte Leistungen im Rahmen der Kriseninterventionen bzw. der Notfalltriage sowie Patientenmerkmale der medizinischen Statistik
(MedStat). Damit war die technische Notwendigkeit gegeben, unterschiedliche Datenquellen
(Tarmed, MedStat) patientenbezogen zu verknüpfen sowie neue Variablen in die unterschiedlichen Leistungserfassungssysteme der Psychiatriezentren zu implementieren. Die
Realisierung der technischen Lösungen war zeitaufwändig und für die Psychiatriezentren mit
zusätzlichen Kosten verbunden, da die Informatiklösungen durch die externen Firmen der
Kliniksysteme entwickelt werden mussten.
2.4
Kennwerte der MOKI/NF Erhebung 2009 Langenthal
2.4.1 Vorgehen
Im psychiatrischen Dienst Langenthal wurden im Zeitraum von 01.01.09 bis 30.06.09 folgende Daten erhoben:
•
sämtliche Leistungen, die im Rahmen der Mobilen Krisenintervention (MOKI) erbracht
wurden
•
ein Teil der Leistungen, die im Rahmen der Notfall-Triage (NF) bezeichnet, erbracht
wurden
•
die Angaben der Medizinischen Statistik, der in der MOKI und NF behandelten PatientInnen
-11-
Der vorliegende Excel-Datensatz besteht aus 1820 Records. Ein Record umfasst für einen/eine PatientIn eine oder mehrere Leistungen, die an einem Tag in der MOKI oder der
NF-Triage von einer Fachkraft ausgeführt wurden. Leistungen, die von zwei Fachkräften gemeinsam ausgeführt wurden, lassen sich nur bruchstückhaft rekonstruieren, da die Daten
keine Angaben über den Zeitpunkt der Leistungen enthalten. Damit liegen die im Folgenden
dargelegten Werte leicht über den tatsächlichen Leitungen, welche die PatientInnen erhalten
haben. Jeder Record des Datensatzes beinhaltet also ein oder mehrere Kontakte zum/zur
PatientIn und/oder zu in die Behandlung involvierten anderen Personen oder Stellen sowie
ggf. Wegzeiten. Da es sich in Langenthal bei der MOKI – in Abgrenzung zur NF-Triage – um
mittel- oder längerfristige Interventions- bzw. Behandlungsphasen handelt, werden diese als
Episoden bezeichnet. Der NF-Triage Dienst weist einmalig den akut psychisch Kranken
einer adäquaten Behandlungsform zu. Dies wird als Fall gefasst, wobei eine Person – nimmt
sie die NF mehrfach in Anspruch – mehrere Fälle generiert (Tab. 1).
Tab. 1 Definition Fälle, Episoden, Kontakte in der MOKI und NF
Fall
Patient pro Notfall-Triage (NF)
Episode
Behandlung eines Patienten in der Mobilen Krisenintervention (MOKI) ohne Unterbruch, der länger als 2 Monaten dauert. Danach beginnt eine neue Episode.
Record
Leistungen, die ein Patient während eines Tages von einer Fachkraft erhalten hat
Kontakt
entspricht einem Record, entspricht in der NF einem Fall
Die vorliegenden Kennwerte sollen einen Überblick geben über die im ersten Semester 2009
erbrachten Leistungen in der MOKI und – mit o.g. Einschränkungen – in den dokumentierten
NF am Psychiatrie Stützpunkt Langenthal. Ausgehend von der am Psychiatriestützpunkt
Langenthal verwendeten Systematik werden durch unterschiedliche Gruppierungen der Daten weiterführende Analysen angestellt. Die statistischen Auswertungen wurden mit dem
Statistikprogramm JMP® 7.0.2 (SAS Institute, Cary, NC) vorgenommen.
2.4.2 Anpassungen Statistik MOKI/NF-Triage 2009
Eine Episode in der MOKI ist zeitlich unbegrenzt, wird aber abgeschlossen nach einem Unterbruch von mindestens drei Monaten (90 Tage), da dann auch ein neuer Behandlungsfall in
der MedStat eröffnet werden sollte. Die Zuteilung „neuer Pat.“ ist nicht befriedigend, fehlende
Trennschärfe zur internen Zuweisung, aber auch die Frage, wann ein Pat. als neu zu bezeichnen ist, ist noch nicht abschliessend geklärt.
-12-
Zusätzliche Klassifikation zur Kategorie „Hausbesuche“: Wenn Leistungen in Anwesenheit
der Pat. (ohne Telefonate mit Pat.) erbracht wurden und gleichzeitig Wegezeiten angegeben
sind. Diagnosen: Beschränkung auf erste Diagnose und Abschneiden auf die ICD-10 Hauptgruppe, Zellbesetzung der F9 Gruppe gering (<3%), wird zusammengefasst unter der Variabe „Sonstige“. Die Angaben zum psychosozialen Funktionsniveau (GAF) zu Beginn und am
Ende der Krisenepisode können ohne Definition, wann eine Krise als beendet bezeichnet
werden kann, noch nicht aussagekräftig erhoben werden. Denkbar wäre hier den GAF am
Ende der Krisenenpisode dann zu erheben, wenn die stabilisierende Begleitung nach der
Krise beginnt oder die Begleitung in die Langzeitbegleitung übergeht bzw. durch die Nachbehandler fortgesetzt wird. Für die vorliegende Auswertung sind ausschliesslich die GAF
Angaben bei einer Notfalltriage und zu Beginn der MOKI berücksichtigt worden.
2.4.3 Verrechenbare Leistungen in der MOKI und der NF-Triage 2009
Gesamthaft wurden im ersten Semester 2009 in einem Excel File 1820 Kontakte (Records)
erfasst, die sich aus 1749 MOKI Kontakten und 71 NF-Triage Kontakten (Fällen) zusammensetzen. Demnach wurden verrechenbare Leistungen in der MOKI und der NF-Triage von
1661.6 Stunden erbracht. Hochgerechnet auf das gesamt Jahr entspricht das Leistungsvolumen dem von 2008. 2
Gesamthaft wurden 182 PatientInnen im MOKI und/oder der NF-Triage behandelt, 128 im
MOKI und 68 in der NF-Triage, 14 davon in beiden Stellen (Abb. 2).
2
Aus der Erhebung 2008 ist bekannt, dass 9.5% der gesamthaft erbrachten Leistungen in der MOKI und 2.5% in
der NF-Triage nicht verrechenbar sind
-13-
Abb. 2: Anzahl PatientInnen mit NF-Triage und/oder MOKI
MOKI und NF an einem Tag wurde in zehn Fällen bei neun PatientInnen durchgeführt (dies
entspräche den MOKIs, wie sie im psychiatrischen Dienst Biel verstanden werden). Von den
128 in der MOKI behandelten PatientInnen, hatten 124 PatientInnen eine und vier PatientInnen zwei MOKI Episoden. Gesamthaft sind also 132 Episoden zu verzeichnen (Tab. 2). Insgesamt wurden von den 128 erfassten PatientInnen 25 (19.5%) neu im ersten Semester
2009 in die MOKI aufgenommen.
Tab. 2: Übersicht Anzahl PatientInnen, Fälle, Episoden im MOKI und NF
nur NF
MOKI & NF
nur MOKI
Summe
PatientInnen
54 (29.7%)
14 (7.7%)
114 (62.6%)
182
Fälle (NF)
56 (78.9%)
15 (21.1%)
-
71
Episoden (MOKI)
-
14 (10.6%)
118 (89.4%)
132
2.4.4 Soziodemographische und funktionale Angaben in der MOKI und NF-Triage
PatientInnen, die nur in der MOKI behandelt wurden (N=114) sind statistisch signifikant älter
als diejenigen, die ausschliesslich in der NF-Triage vorstellig wurden (N=54) (MW 49 Jahre,
SD 15.6 vs. MW 39.9 Jahre, SD 13.8, p < .001). 3 Ausserdem ist die NF-Triage PatientIn-
3
auch wenn, die 14 PatientInnen die sowohl im MOKI als auch in der NF behandelt wurden einbezogen werden –
unabhängig, ob sie in die MOKI oder NF Gruppe eingerechnet werden, wird der Unterschied statistisch signifikant
p < .01
-14-
negruppe statistisch signifikant häufiger Teil- oder Vollzeit erwerbstätig (p < .0001). Der
grösste Anteil der PatientInnen mit 78% lebt selbständig allein oder mit anderen zu Hause,
lediglich ein kleiner Teil (3.5%) von ihnen wird durch die Spitex betreut.
Die Zuweisung zur MOKI und/oder NF-Triage erfolgte bei knapp einem Drittel der PatientInnen durch klinische Institutionen (ambulante, teil- oder vollstationäre somatische oder psychiatrische Behandlung). Ebenfalls fast ein Drittel der PatientInnen wird durch niedergelassende Psychiaterinnen, HausärztInnen oder nicht ärztliche PsychotherapeutInnen zugewiesen, gefolgt von den Anmeldungen durch die PatientInnen selbst oder deren Angehörige/Bezugspersonen (Tab. 3).
Tab. 3: Beschreibung der Stichprobe bei Eintritt
nur NF (N=54)
MOKI & NF (N=14)
nur MOKI (N=114)
Alter
MW 39.9, SD 13.8
49.1, SD 21.2
MW 49.5, SD 15.6
Geschlecht,
Nationalität
26 (48.2%) weiblich, 45
(83%) CH
8 (57.1%) weiblich, 11
(79%) CH
67 (58.8%) weiblich, 99
(87%)CH
Zivilstand
ledig: 24 (44.4%)
verheiratet, zusammenlebend: 20 (37%)
verheiratet, getrennt
lebend: 2 (3.7%)
verwitwet: 2 (3.7%)
geschieden: 5 (9.3%)
ledig: 8 (57.1%)
verheiratet, zusammenlebend: 6 (42.9%)
ledig: 47 (41.2%)
verheiratet, zusammenlebend: 25 (21.9%)
verheiratet, getrennt
lebend: 9 (7.9%)
verwitwet: 11 (9.7%)
geschieden: 21 (18.4%)
Aufenthalt vor
Eintritt
Zuhause (mit Spitex): 43
(30.3%)
Heim: 6 (11.1%)
(psychiatrische) Klinik: 2
(3.7%)
Sonstige: 3 (5.6%)
Zuhause (mit Spitex): 9
(64.3%)
Heim: 2 (14.3%)
(psychiatrische) Klinik: 2
(14.3%)
Sonstige: 1 (7.1%)
Zuhause (mit Spitex): 90
(63.4%)
Heim: 7 (6.1%)
(psychiatrische) Klinik:
11 (9.7%)
Sonstige: 6 (5.3%)
voll- oder teilzeitig erwerbstätig
23 (42.6%)
1 (7.1%)
14 (12.3%)
Zuweisung durch
selbständig, Angehörige:
16 (29.3%)
HA, PsychiaterIn, PsychotherapeutIn: 19
(35.2%)
klinische Institution: 14
(25.9%)
Sonstige: 5 (9.3%)
selbständig, Angehörige:
5 (35.7%)
HA, PsychiaterIn, PsychotherapeutIn: 2
(14.3%)
klinische Institution: 5
(35.7%)
Sonstige: 2 (14.3%)
selbständig, Angehörige:
30 (26.3%)
HA, PsychiaterIn, PsychotherapeutIn: 35
(30.7%)
klinische Institution: 37
(32.5%)
Sonstige: 12 (10.5%)
Das psychosoziale Funktionsniveau, erhoben über die Global Assessment of Functioning
Scale (GAF, Achse V des DSM-IV) unterscheidet sich nicht statistisch signifikant zwischen
der Gruppe der MOKI PatientInnen und der aus der NF-Triage. Mit einem GAF von durch-
-15-
schnittlich 52.1, SD 13 (Anfangsmessung bei MOKI PatientInnen, N=69) und 53, SD 11.8
(NF-Triage, N=48) handelt es sich eine belastete Population mit deutlichen Einschränkungen
der sozialen Funktionen. Am stärksten belastet ist die Gruppe der PatientInnen (N=13), die
sowohl im MOKI als auch in der NF-Triage behandelt wurde (MW 47.3, SD 12.4). Aufgrund
der Datenlage (missings) und der Uneinheitlichkeit im Zeitpunkt der Erhebung lassen sich
keine Aussagen über Veränderungen des psychosozialen Funktionsniveaus MOKI-Episode
Beginn und Ende ableiten.
Von 102 der 182 PatientInnen liegen MedStat zum Austritt vor. 4 Knapp zwei Drittel der NFTriage und MOKI PatientInnen werden nach Austritt stationär oder teilstationär weiter behandelt und entspricht damit im Vergleich zum Eintritt einem umgehrten Verhältnis der Behandlungsart. Bei über einem Drittel der PatientInnen kann die Krise ohne stationäre oder
teilstationäre Behandlung im häuslichen Umfeld bewältigt werden (Tab. 4).
Tab. 4: Beschreibung der Stichprobe bei Austritt
nur NF (N=40)
MOKI & NF (N=10)
nur MOKI (N=52)
Aufenthalt nach Austritt
Zuhause: 18 (45%)
Heim: 2 (5%)
(psychiatrische) Klinik:
20 (50%)
Zuhause: 2 (20%)
(psychiatrische) Klinik:
8 (80%)
Zuhause: 17 (32.7%)
Heim: 3 (5.8%)
(psychiatrische) Klinik:
30 (57.7%)
Sonstige: 2 (3.9%)
Behandlung nach Austritt
(teil)stationäre Behandlung: 23 (57.5%)
HA, PsychiaterIn,
Sozialdienst: 7
(17.5%)
Ambulatorium: 4
(10%)
Sonstige: 6 (15%)
(teil)stationäre Behandlung: 9 (90%)
HA, PsychiaterIn,
Sozialdienst: 1 (10%)
(teil)stationäre Behandlung: 32 (61.5%)
HA, PsychiaterIn,
Sozialdienst: 8
(15.4%)
Ambulatorium: 2
(3.9%)
Sonstige: 10 (19.2%)
2.4.5 ICD-10 Diagnosen
Die Gruppe der affektiven Störungen ist über die gesamte Anzahl der Fälle (N=182) in der
MOKI in der NF-Triage am häufigsten vertreten (30.8%) gefolgt von den schizophrenen
(29.1%) und den neurotischen Störungen (19.2%). Sowohl die F3-Fallgruppe als auch die
F4-Fallgruppe wurde statistisch signifikant häufiger in der NF-Triage behandelt (p < .05 und
p < .01) als die Fallgruppe der schizophrenen Störungen (Abb. 3). Die MitarbeiterInnen der
MOKI/NF-Triage weisen darauf hin, dass der Anteil F6 Diagnosen insbesondere bei den
4
52 MOKI und/oder NF-Triage PatientInnen befanden sich am 30.06.2009 noch in Behandlung d.h. 65% der
Austrittsmissings. Von den 38 MOKI PatientInnen , die sich zu diesem Zeitpunkt noch in Behandlung befanden
gehört rund ein Drittel zu der Gruppe der Langzeitbegleitungen (mit und ohne Krisenbegleitung).
-16-
durch die Notfall-Triage behandelten PatientInnen tatsächlich höher ausfallen dürfte als abgebildet. Das Zeitfenster für die psychiatrische Diagnostik ist gering und der für die Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen gebotene Beobachtungszeitraum nicht gegeben.
Abb. 3: Häufigkeiten der Diagnosegruppen in der MOKI und NF-Triage (N=182)
2.4.6 Kriseninterventionen und Hausbesuche während der MOKI
Die in der MOKI erbrachten Leistungen lassen sich trennscharf in zwei Gruppen einteilen:
1. Leistungen im Rahmen von Kriseninterventionen sowie Begleitungen nach Krisen
2. Leistungen im Rahmen von Langzeitbegleitungen
Die beiden Gruppen unterscheiden sich statistisch signifikant hinsichtlich ihrer Dauer sowie
ihrer Kontaktfrequenz. PatientInnen, die längerfristig durch das MOKI Team begleitet werden, erhalten zwar gesamthaft mehr Leistungen in Stunden als PatientInnen mit Krisenintervention und stabilisierender Begleitung nach Krise, diese fällt jedoch niederfrequenter aus
und enthält ausserdem weniger Hausbesuche (Tab. 5).
-17-
Tab. 5: Leistungen in der MOKI
Krisenintervention & stabilisierende Begleitung
nach Krise (N=66)
Langzeitbegleitung
(N=66)
Sig.
Episodendauer in
Tagen
MW 33.5, SD 39.2
MW 98.8, SD 62.4
< .0001
Anzahl der Kontakte pro Woche
MW 0.6, SD 0.4
MW 0.3, SD 0.3
< .001
Leistungen in
Stunden
MW 7.3, SD 9
16.5, SD 21.3
< .01
MW 27.7, SD 30.3
< .01
Anteil Hausbesuche von Kontakten MW 44.6, SD 34.2
in %
Vergleicht man den Anteil der Hausbesuche in den verschiedenen Interventionsformen wird
ersichtlich, dass Kriseninterventionen, die in Langzeitbegleitungen durchgeführt wurden
ebenfalls mit Hausbesuchen einher gehen (Abb.4). PatientInnen, die Hausbesuche erhalten
haben sind statistisch signifikant 5 älter (MW 51.4 Jahre, SD 16.7) als diejenigen ohne Hausbesuche (44.8 Jahre, SD 13.4).
Abb.4: Hausbesuche bei unterschiedlichen Interventionen
5
p < .05
-18-
Im ersten Semester 2009 wurden 577 Kriseninterventionen und 572 stabilisierende Begleitungen nach Krisen, 602 Hausbesuche, 225 Kriseninterventionen mit Hausbesuch und 258
stabilisierende Begleitungen nach Krise mit Hausbesuch durchgeführt. Weitere 1147 Kontakte fanden entweder im Ambulatorium statt oder Daten (z.B. Wegezeiten, die auf Hausbesuche deuten) fehlen. Bei 34 Episoden (26%) sind im Erhebungszeitraum keine Hausbesuche durchgeführt worden.
Eine Gruppierung über die Interventionen der MOKI-Episoden bietet Abb. 5. Bei 84 der 132
MOKI-Episoden ist eine Anfangsmessung des psychosozialen Funktionsniveaus (GAF) vorgenommen worden.
Abb. 5: Interventionstypen in der MOKI
Die PatientInnen, die durch die MOKI eine Langzeitbegleitung erhielten und im Erhebungszeitraum keine Krise durchlebten, verfügen über ein statistisch signifikantes höheres psychosoziales Funktionsniveau (Tab. 6).
Tab. 6: Psychosoziales Funktionsniveau zu MOKI Beginn
Krisenintervention &
stabilisierende Begleitung nach Krise
(N=44)
Krisenintervention &
stabilisierende Begleitung nach Krise in
Langzeitbegleitung
(N=28)
GAF zu Behand- MW 47.8, SD 13.4 (A) MW 51.1, SD 11 (A)
lungsbeginn
Langzeitbegleitung (N=10)
Sig.
MW 61, SD 12 (B)
< .05
-19-
2.4.7 Leistungen und Dauer innerhalb der MOKI-Episoden
Eine MOKI-Episode umfasste durchschnittlich einen Zeitraum von 66.2 Tagen (SD 61.4 Median 46.5 Tage, Range 1-167) und enthielt im Mittel 13.3 Kontakte 6 (SD 17.3, Median 7,
Range 1-103). Die erbrachten Leistungen betrugen pro MOKI-Episode im Durchschnitt 11.9
Stunden (SD 16.9, Median 5.8, Range 1-120.1). Werden die Anzahl der Kontakte innerhalb
einer individuellen Episode berücksichtigt, wurden im Mittel Leistungen im Umfang von 55
Minuten erbracht (SD 29, Median 53, Range 10-210).
Abb. 6 zeigt die Verteilung der Leistungen auf die verschiedenen Kategorien.
Abb. 6: Verteilung sämtlicher erbrachter Leistungen in der MOKI
Werden die Dauer der MOKI-Kontakte nicht in Relation zu den einzelnen Episoden gesetzt
sondern pro Kontakt berechnet zeigt sich, dass die durchschnittliche Dauer aller erbrachten
Leistungen pro Kontakt in der NF statistisch signifikant höher als in der MOKI (MW 74 Minuten, SD 36 vs. MW 54 Minuten, SD 44, p < .001) ist.
2.4.8 Leistungen in Anwesenheit und Abwesenheit der PatientInnen in MOKI und NFTriage
Die durchschnittliche Dauer der erbrachten Leistungen in Anwesenheit des/der PatientIn
unterscheidet sich ebenso wie die der durchschnittliche Dauer der Gesamtleistungen
zwischen MOKI und NF-Triage. Leistungen in Anwesenheit beinhalten direkte persönliche
6
ein Kontakt entspricht einem Record, es können auch mehrere Leistungen innerhalb eines Records – sofern sie
von der gleichen Fachkraft erbracht wurden – dokumentiert sein.
-20-
und telefonische Kontakte, Begleitungen sowie Pflegeleistungen. Es finden sich statistisch
signifikante Mittelwertunterschiede zwischen der Leistungsdauer in Stunden in Anwesenheit
des/der PatientIn. In der NF-Triage ist sie höher als in der MOKI (MW 66 Minuten, SD 30.8.
vs. MW 38 Minuten, SD 33.7, p < .0001).
69.6% (1096 Stunden) der Gesamtleistungen (1574 Stunden) in der MOKI wurden in Anwesenheit der PatientInnen erbracht und umfassen damit mehr als doppelt so viele Stunden als
in Abwesenheit erbrachten Leistungen (Abb. 7).
Abb. 7: Summe der Leistungen in Anwesenheit und Abwesenheit der PatientInnen in der MOKI und
NF-Triage
-21-
2.4.9 Interviews mit Patienten und Angehörigen, welche durch eine MOKI betreut
wurden
Im Frühjahr 2009 war es uns möglich, fünf Interviews mit Betroffenen und Angehörigen in der
Region Oberaargau zu führen und zu erfahren, wie sie die Mobile Krisenintervention erlebt
haben. Die Betroffenen zeigten unterschiedliche Störungsbilder: Frau Z. leidet an ADHS mit
Kontrollverlust und ausfälligen Wutausbrüchen, Frau M. ist psychisch behindert mit psychotischen Schüben. Auch die manisch-depressive Frau Sch. leidet unter psychotischen Episoden. Herr J. lebt mit der Diagnose schizo-affektive Störung und Herr H. mit einer Depression
mit suizidalen Phasen.
2.4.9.1 Erfahrungen mit der Klinikeinweisung
Der erste Fokus liegt auf den Schilderungen, wie die psychiatrische Behandlung vor dem
Einsatz einer MOKI aussah, und dabei werden bei allen Betroffenen Schwierigkeiten mit der
stationären Behandlung laut. Nach Herr J. hatte ihn vor der MOKI niemand vor einer Klinikeinweisung beschützt. Herr J. erklärt die Bedeutung der Zwangsmassnahmen sehr deutlich:
„Das Damoklesschwert der Zwangsmassnahmen hängt über einen. Jedes Mal beginnt das
gleiche Rad zu drehen, der innerlich ablaufende Prozess beim Eintritt in die Klinik ist aufwühlend und unangenehm. Erst wenn man aufgrund eines FFEs von der Polizei oder Pflegefachleuten gepackt wird, wird man aggressiv, weil sie einem den Raum nehmen. Niemand sagt
da, man solle den Patienten doch erst ankommen lassen. Dann die Gurte, die Spritzen, dies
würde jeden aggressiv machen.“ Frau Sch.s Erklärung geht in die ähnliche Richtung: „Es
macht einen riesigen Unterschied, ob man per FFE stationär eingeliefert wird, oder ob man
freiwillig in die Klinik kommt, wieviel man dann vom Angebot profitieren kann.“ Dank der
MOKI hätte sie eine Krise auch schon zuhause aushalten können, seit zwei Jahren sei sie
nicht mehr stationär behandelt worden. Für Frau Sch. steht fest: Wenn es keine MOKI gegeben hätte, hätte sie sich wohl in diesem akuten Zustand das Leben genommen.
Herr H. meint zum Aufenthalt, die anderen Patienten auf der geschlossenen Abteilung zu
erleben, führte bei ihm damals zur Überzeugung, Psychosen seien insofern ansteckend,
dass andere psychisch erkrankten Personen einen runterziehen. So sei er durch die Klinik
aufgrund seiner Anfälligkeit nur noch kränker geworden. „Das viele Alleinsein, der seltene
Besuch von Familie oder Freunden, die Wochenenden waren schwierig“ (Frau Z., Betroffene) oder „drei Monate in der Klinik, auf sich alleine gestellt, am Wochenende keine Therapie,
kein Programm…ich hatte in meinem Leben noch nie an solch grosser Langweile und Leere
gelitten.“ (Herr Z., Angehöriger, selber Klinikerfahrung).
-22-
Die Zeit nach der Klinik sei auch nicht einfach gewesen, man musste sich alleine zurechtfinden. „Der Klinikaufenthalt nützt, solange ich in der Klinik bin, wenn ich aber austrete, bin ich
wie ein rohes Ei, muss von vorne anfangen.“ (Frau Z., Betroffene). Noch pointierter ausgedrückt: „Dann bist du ein paar Wochen dort, klebst Papiertaschen zusammen, dann kommt
die Meldung „Sie können jetzt wieder heimgehen.“ Du stehst vor dem Gebäude und denkst:
„Ja, und was jetzt?“ (Frau Sch., Betroffene).
2.4.9.2 Die Mobile Krisenintervention arbeitet krisenvorbeugend
Herr H. ist überzeugt, wenn sich heute eine grobe Krise mit Suizidalität anbahnen würde,
würde er wohl doch den stationären Aufenthalt einer MOKI vorziehen. Aber wie er schon mit
seinem Psychiater besprochen hatte, fände im stationären Rahmen eine Talfahrt erst richtig
statt, Depression und Angst würden verstärkt. In einer MOKI könne man viel flexibler und
früher reagieren.
Herr J. kann eine klare Bilanz ziehen: „Wenn es das MOKI nicht gegeben hätte, wären meine
Krisen nicht abgefedert worden und ich hätte wieder stationäre Aufenthalte durchleben müssen. Seit meiner Betreuung durch das MOKI (2006) musste ich kein stationäres Angebot
mehr nutzen.“ Herr J. hat 18 stationäre Aufenthalte, häufig mit FFE, hinter sich. Im Gesetz
über die fürsorgerische Freiheitsentziehung und andere Massnahmen der persönlichen Fürsorge (FFEG) (Erlass der BSG), Abschnitt III, Artikel 8, Absatz 3, steht geschrieben, dass
„eine fürsorgerische Freiheitsentziehung nur angeordnet werden darf, wenn weniger einschneidende Massnahmen wirkungslos geblieben sind oder wenn solche sich als unzureichend erweisen würden.“ Herr J. bemerkt, dass diese weniger weitgehenden Massnahmen
meistens gar nicht bestehen würden, und deswegen würden viele per FFE in die Klinik eingewiesen. Herr J. erklärt, wenn er heute im öffentlichen Raum auffällig würde, könne er an
seine MOKI-Mitarbeiterin oder seinen Psychiater verweisen, so könne der direkte Weg in die
Klinik unterbrochen werden. Zudem käme es dank frühzeitiger Rücksprache mit der MOKIMitarbeiterin gar nicht so weit, dass sein Verhalten so auffällig würde. So ist er überzeugt:
„Ein Klinikaufenthalt kann mit einer MOKI wirklich vermieden werden!“
Der erste Besuch der MOKI-Mitarbeiterin beschreibt Frau Z. mit einem „Wow“, sie fühlte sich
geborgen und verstanden. Die fachliche Ausbildung der MOKI-Mitarbeiterin war Herrn H.
sehr wichtig, seit sie ihn betreut, hatte er keine stationären Aufenthalte mehr. „Es war eine
Fachperson bei mir, welche abschätzen konnte, wie es mir ging, wo ich stand und welche
eingegriffen hätte, wenn ich instabiler geworden wäre.“ In den Gesprächen ging es darum,
die Kontrolle zu wahren. Denn wenn es schlimmer geworden wäre, hätte die MOKIMitarbeiterin gehandelt, da ist sich Herr H. sicher. Zuhause war es ihm wohl, die sozialen
Kontakte waren da, und er konnte viele anstehende grössere Hausarbeiten verrichten. Die
-23-
Besuche fanden etwa einmal in der Woche statt, wenn es dringend war, konnten sie sich
auch häufen. Die telefonische Erreichbarkeit zu jeder Zeit sei sehr wertvoll.
Auch Frau Sch. weiss, dass sie bei ihrer MOKI-Fachperson immer anrufen kann, und das
gibt ihr viel Zuversicht, den Alltag zu meistern, sie fühlt sich aufgehoben. Diese Kontaktmöglichkeit ist wie ihr Notfallhebel. In der MOKI lerne man sehr kompetente Fachpersonen mit
viel Lebenserfahrung kennen, die einen begleiten. Und man sei immer Mensch, würde als
solcher wahrgenommen.
Dass Herr J. in seinem sozialen Netz bleiben kann, schätze er sehr. Er habe durch die MOKI-Fachperson und seinem Psychiater gelernt, sich selber besser zu verstehen. Die MOKIMitarbeiterin sei wie eine Freundin für ihn, er könne seine Ängste und Probleme mit ihr besprechen. Die Gespräche mit ihr seinen freundschaftlicher, mit dem Psychiater distanzierter,
aber es brauche beides. Sein Psychiater meine, bei aufkommenden Suizidgedanken solle er
unbedingt dem Tagesarzt anrufen. Herr J. meldet sich da lieber bei der MOKI-Fachperson,
da sie seine Geschichte kenne und das Gespräch ihn beruhige. Es sei einfacher, sich mit ihr
zu unterhalten, und ihre ständige Erreichbarkeit sei wertvoll. Sie sei gut im motivieren, zeige
auf, welche positiven Aspekte sie von ihm spüre, sie lobe ihn, zeige ihm ihre Bedenken auf,
was ehrlich sei und er sehr schätze.
2.4.9.3 Das Gelingen einer MOKI
Nach Frau Z. gelingt eine Mobile Krisenintervention, wenn genug Pflegefachleute eingeschaltet werden, die Organisation gut funktioniert und wenn nicht allzu viele Wechsel in der
Betreuung stattfinden. Eine gewissenhafte und wohlwollende Unterstützung, diskretes Arbeiten und die Wahrung des Berufsgeheimnisses seien wichtig zur Reduktion der Krise. Ihr
Ehemann steuert bei, das MOKI-Team müsse das Vertrauen aller Beteiligten gewinnen, die
Situation genau einschätzen, Ressourcen suchen, Möglichkeiten zur Krisenreduktion aufzeigen und praktische Hilfe anbieten. Diese Arbeit fördere die Beruhigung der Situation.
Für Frau Z. sei die MOKI insofern geeigneter als ein stationärer Aufenthalt, weil sie die Krise
dort anpacke, wo sie entstanden sei, zuhause: „Ich muss lernen können, zuhause mit meiner
Krise fertig zu werden. Die MOKI hilft mir dabei, eine stationäre Platzierung hätte nicht das
Gleiche bewirkt. Die Klinik hilft einem nur, wenn man drin ist, wenn man wieder zuhause ist,
ist man auf sich alleine gestellt. Eine Krise kann überstanden werden, danach geht es wieder
weiter. Ich kann selber lernen, eine Krise zu überstehen.“
-24-
2.4.9.4 Die Erfahrungen der Angehörigen
Der Ehemann von Frau Z. erklärt, dass seine Frau durch den MOKI-Einsatz ruhiger wurde,
und er nun wusste, an wen er sich in einer schwierigen Situation wenden konnte. Das MOKITeam hatte auch Einzelgespräche mit ihm, was ihm gut tat. Kritisches Verhalten seiner Frau
habe er schon früher bemerkt und darauf reagiert, durch die Zusammenarbeit mit dem MOKI-Team konnte er dieses Beobachten intensivieren. Er weiss jetzt, was er in den heiklen
Situationen tun soll. Klar ist für ihn aber auch: „Dieser MOKI-Einsatz war auch nur möglich,
weil ich meine Frau tragen konnte, weil ich da war und da blieb. Ein anderer Ehemann wäre
eher davongelaufen.“ Als Angehöriger müsse man offen sein für eine solche Art von Hilfe,
denn man mache sich verletzbar. Konstruktive Kritik gelte es zu akzeptieren, und man könne
dem Gespräch nur bedingt ausweichen. Ohne Hilfe des Psychiaters und des MOKI-Teams
hätte Herr Z. zu einer stationären Behandlung seiner Frau tendiert.
Herr M, Ehemann von der betroffenen Frau M. sei schon an seine Grenzen gestossen, eine
Zeitlang hörte er von vielen Seiten „Nein, bring sie ja nicht mit.“ Heute ginge es ihr besser,
man könne mit ihr wieder etwas unternehmen. Er hätte sie schon etwas länger in der Klinik
lassen wollen, „aber eigentlich bringt es nicht viel, wenn man länger stationär behandelt wird,
da man total abgekapselt ist von allem, zu weit weg vom eigentlichen Leben.“ Stationäre
Aufenthalte und dazwischen keine weitere Behandlung bringe nicht viel. Deshalb findet Herr
M. die MOKI ein gutes Angebot, kostengünstiger als andere, und weiss trotzdem, dass nur
Angehörige mit guten Nerven und viel Zeit mitarbeiten können. Er würde heute nicht mehr
lange zuwarten bei einer sich anbahnenden Krise, da würde vorher ein Kontakt zum MOKITeam hergestellt.
Die Mutter von Herrn J, nun im Altersheim, war immer wieder schockiert darüber, dass ihr
Sohn selber nicht einmal wusste, warum er in der Klinik gelandet sei. Jeden Sonntag ging sie
zu ihm, die Besuche empfand sie als verwirrend, manchmal war ihr, als wolle ihr Sohn ihr
irgendetwas vormachen. Man sei nicht zu ihm durchgekommen, erst nach der Klinik sei das
wieder möglich gewesen: „Als Laie steht man wie der Esel vor dem Berg. Über die Jahre
hinweg hat man sich Wissen über die Krankheit angeeignet, aber für die Angehörigen ist
diese Arbeit schon schwierig.“
Nach den Klinikaufenthalten kam der Sohn zu ihr, es sei ihm nicht gut gegangen, sei abwesend, unansprechbar gewesen und sei umher geirrt. Er selber freute sich, wieder zuhause zu
sein, konnte aber nicht darüber reden, was ihn beschäftigte. Heute findet sie, ihrem Sohn
gehe es viel besser, seit seine Medikation abgestimmt, und er im MOKI aufgehoben sei. Sie
müsse sich nicht mehr darum kümmern, jetzt könne sie in Ruhe eine alte Frau im Altersheim
sein. Frau J. meint, die Freundschaft zwischen der MOKI-Fachperson und ihrem Sohn ma-
-25-
che es aus, dass es so gut funktioniere. Sie hätten einander gern, akzeptieren einander und
hätten sich in dieser Zeit auch gut kennen gelernt. Er wisse, dass er jederzeit Fragen stellen
könne, zu einem Gespräch gehen könne. Die MOKI-Mitarbeiterin sei ausgebildet dafür, sie
habe die Kraft, welche sie als Mutter nicht mehr hätte.
Für den Bruder von Herrn H. waren die Besuche in der Klinik nur frustrierend. Schon beim
Gebäude dachte man, man könne darin gar nicht gesund werden. Schreie aus den Gängen
und die geschlossene Abteilung waren befremdend. Als Angehöriger könne man in diesen
Krisensituationen nicht viel machen, das frustrierte ihn immer wieder. Da nütze alles GutZureden nichts, man begreife die Welt des Betroffenen nicht, könne das Erzählte nicht nachvollziehen. Helfen würden nur noch Medikamente und die Unterstützung von Fachpersonen.
Der Einstieg der MOKI war eine neue Situation. Er denke oft: „Wenn es dieses Angebot damals schon gegeben hätte, wäre wohl ein stationärer Aufenthalt gar nie nötig gewesen.“
Damit eine MOKI gelingen könne, sei gegenseitiges Vertrauen wichtig, dass konnte zwischen seinem Bruder und der MOKI-Mitarbeiterin entstehen. Zu einem Psychiater habe man
nicht das gleiche Verhältnis. Schon zu Beginn der Erkrankung könne man mit einer MOKI
eingreifen.
Einige würden sich ihre psychische Auffälligkeit nicht eingestehen wollen, die Hilfe nicht annehmen. Wenn der Betroffene starke Selbstmordgedanken habe, wenn hohe Aggressivität
auftauche, könne eine MOKI nicht mehr ausreichen. Das Zuhause müsse intakt sein, die
Angehörigen belastbar. Aber als Bruder behaupte er eben, durch die MOKI sei die Hemmschwelle viel geringer, Hilfe anzunehmen, und so brauche es gar nicht erst zu einer Krise zu
kommen. „Eine stationäre Einweisung ist immer ein einschneidendes Erlebnis, und wenn das
vermieden werden kann, dann ist das nur gut. Dank einer MOKI fällt man als Patient ev.
auch nicht so in die Tiefe, kann weitergetragen werden. In der Klinik wird man unter anderen
akuten Fällen weniger gesund.“ Die MOKI könnte sehr viel Geld einsparen, daneben würde
es nur halb so viele stationäre Kliniken brauchen, wenn das Angebot flächendeckend eingesetzt würde.
2.4.10 Diskussion
Der Leistungsumfang in der MOKI und NF-Triage fällt niedriger aus als im 2008, da lediglich
das erste Semester 2009 in die Analyse einbezogen wurde. Wie sich anhand der Auswertung 2008 zeigte können MOKI Episoden über länger als sechs Monate dauern.
Knapp zwei Drittel der im MOKI und der NF-Triage behandelten PatientInnen werden anschliessend teilstationär oder stationär weiter behandelt. Ein Drittel bewältigt die Krise im
häuslichen Umfeld und wird anschliessend institutionell ambulant, durch HausärztInnen,
Niedergelassene oder Sozialdienste weiter betreut. Bei diesem Anteil könnte es sich um die-
-26-
jenigen PatientInnen handeln, bei denen ein Klinikaufenthalt durch die MOKI Intervention
vermieden werden konnte. Die PatientInnen in den Interviews schätzen das Versorgungsangebot der MOKI sehr, betonen die krisenabfedernde Funktion und haben die Erfahrung gemacht, dass so in einem stabilen häuslichen Umfeld stationäre Behandlungen vermieden
werden können. PatientInnen, die sich zuvor in stationärer Behandlung befanden, kann die
MOKI helfen, wieder in ihren Alltag hinein zu finden. Und schliesslich kann ein Eintritt in eine
stationäre Behandlung durch die Begleitung der MOKI gemässigter und weniger verstörend
für die Betroffenen und ihre Angehörigen gestaltet werden.
MOKI kann also in der Krise selbst, im Anschluss an eine akute Krise oder in der Langzeitbegleitung zum Einsatz kommen. Betrachtet man die MOKI als Interventionsform, die dann
indiziert ist, wenn sich PatientInnen in einer krisenhaften Verfassung befinden, vorübergehend einen erhöhten komplexen Hilfe- und damit einhergehend Koordinationsbedarf haben
und einer engmaschigen Betreuung bedürfen, so ist MOKI unabhängig von der ausführenden Funktionseinheit einer Institution zu verstehen. In diesem Fall handelte es sich um gemeindenahe, komplexe Interventionen, die ambulant behandelten PatientInnen in Krisenzeiten grundsätzlich zur Verfügung stehen sollte.
Im Vergleich der MOKI-Fälle bei Krisenintervention und stabilisierender Begleitung nach Krise finden sich charakteristische Unterschiede zu den Fällen der Langzeitbegleitung. Letztgenannte Fälle werden, sofern sie nicht der akuten oder stabilisierenden Krisenintervention
bedürfen, weniger oft Zuhause aufgesucht, ihre Betreuungsfrequenz ist niedriger und ihr
psychosoziales Funktionsniveau höher. Im Sinne einer Behandlungskontinuität ist eine längerfristige Begleitung, auch nach Abklingen der eigentlichen Krise hinaus, sinnvoll und erstrebenswert. Gleichzeitig führt diese Praxis jedoch dazu, dass die MOKI Funktionseinheit an
ihre Kapazitätsgrenzen stösst und der Zugang für neue PatientInnen erschwert ist.
Perspektivisch könnte eine Identifizierung der drei Patientengruppen 1. Krisenintervention
und stabilisierende Begleitung nach Krise, 2. Langzeitbegleitung mit Kriseninterventionen
und 3. Langzeitbegleitung zur Entwicklung von dem am individuellen Hilfebedarf der PatientInnen angepassten Organisationsformen beitragen z.B. durch die Implementierung von kleinen multidisziplinären Teams, die das Case-Managment und die kontinuierliche Behandlung
von PatientInnen mit langfristigem und komplexen Hilfebedarf übernehmen.
-27-
2.5
Kennwerte der MOKI/NF Erhebung 2009 Biel
2.5.1 Einführung
Im psychiatrischen Dienst Biel wurden im Zeitraum von 01.01.09 bis 31.12.09
− Krisenepisoden, die Patientenmerkmale zu Beginn und am Ende der Krise abbilden sowie
ein Teil der Angaben der Medizinischen Statistik der behandelten PatientInnen erfasst
− Leistungen erfasst, die im Rahmen der Krisenepisode erbracht wurden,
− Leistungen erfasst, die nicht im Rahmen einer Krisenepisode erbracht wurden aber Kriseninterventionen beinhalten
Die vorliegenden Kennwerte sollen einen Überblick geben über die im 2009 erbrachten Leistungen in der MOKI und Krisenintervention am Psychiatrischen Dienst Biel. Ausgehend von
der am Psychiatriestützpunkt Biel verwendeten Systematik werden durch unterschiedliche
Gruppierungen der Daten weiterführende Analysen angestellt.
Die statistischen Auswertungen wurden mit dem Statistikprogramm JMP® 7.0.2 (SAS Institute, Cary, NC) vorgenommen.
2.5.2 Krisenepisoden
Am Psychiatrischen Dienst Biel werden Krisenepisoden – anders als in Langenthal – nicht
aus den durch die MOKI und NF-Triage Teams erbrachten Leistungen rekonstruiert, sondern
Krisenepisoden werden durch die psychiatrischen Fachkräfte als diejenigen Situationen, die
den Definitionen einer Krise oder eines Notfall entsprechen, identifiziert und im Kliniksystem
erfasst. Innerhalb einer Krisenepisode werden die in Tab. 7 definierten Variablen erfasst.
Die erbrachten Leistungen werden separat von den Krisenepisoden erfasst. Eine klinikinterne Codierung ermöglicht eine differenziertere Abbildung der Leistungen als dies durch die
Tarmed-Codierung möglich wäre. Hausbesuche und Wege als Leistungen der aufsuchenden
Hilfen können mit Hilfe der klinikinternen Codierung abgebildet werden.
-28-
Tab. 7: Variablen der MOKI/NF-Erhebung
Bei Beginn der Krisenepisode
Datum Beginn Krisenepisode
a)
Eintrittsart in Krise
b)
c)
Suizidalität Beginn
Krisenepisode
a)
b)
c)
Neuer Patient: noch keine Behandlung im psychiatrischen Dienst
(Ambi, MOKI/NF-Abklärung oder gemeindenaher Psychiatrie)
Wiedereintritt Patient: neuer Fall nach 3 oder mehr Monaten Unterbruch bzw. Settingwechsel (gemäss MedStat)
Übertritt aus anderem Ressort: Patient aus psychiatrischem Dienst
Wechsel des Ressort z.B. von Ambi zu MOKI/NF-Abklärung
keine Suizidalität
Suizidalität vorhanden, absprachefähig
c) Suizidalität vorhanden, nicht absprachefähig
GAF Beginn Krisenepisode
Bei Ende der Krisenepisode
Datum Ende Krisenepisode
Art der Beendigung
der Krisenepisode
Höchste Suizidalität
im Verlauf der Krisenepisode
a)
b)
c)
Stabilisierung
Keine Stabilisierung (Verlegung in teilstationäres/ stationäres Angebot)
Behandlungsabbruch
a)
b)
c)
keine Suizidalität
Suizidalität vorhanden, absprachefähig
c) Suizidalität vorhanden, nicht absprachefähig
GAF Ende Krisenepisode
Am Psychiatrischen Dienst Biel werden Krisenleistungen von vier Ressorts/Services erbracht, die sich bei Bedarf ergänzen und kombiniert werden können:
1. Ambulante Sprechstunde: psychiatrisch/psychotherapeutische Behandlung ohne
komplexen Hilfebedarf, praktisch keine F2 Diagnosen
2. Notfalltriage (NF): Ärztliche Abklärung, Krisenintervention und Triage
3. Ambulante Equipe/Krisenintervention (MOKI): aufsuchende Hilfen durch Pflege
und/oder SozialarbeiterIn
4. Gemeindenahe Psychiatrie: Schwerpunktmässig für PatientInnen mit F2 Diagnosen
mit komplexem Hilfebedarf (multiprofessionelles Team)
Geplant ist, zukünftig Krisenleistungen durch konsequente Verwendung der entsprechenden
Ressort/Service-Codes d.h. als NF-Triage und/oder MOKI im System zu erfassen. Auf diese
Weise kann der Ressort/Service-Code Aufschluss darüber geben, ob es sich bei der er-
-29-
brachten Leistung um eine mobile Krisenleistung im Sinne der MOKI oder um aufsuchende
Hilfen im Rahmen einer rehabilitativen Langzeitbehandlung handelt. Gerät beispielsweise
ein/e PatientIn aus der Ambulanten Sprechstunde oder der Gemeindenahen Psychiatrie in
eine akute Krise soll die durchgeführte Notfalltriage oder aufsuchende Hilfe durch NF
und/oder MOKI codiert werden unabhängig davon, welches Service Team die Leistung erbracht hat.
Gesamthaft wurden 113 Krisenepisoden bei 111 PatientInnen dokumentiert. Für neun der
113 Krisenepisoden liegen keine Leistungsangaben vor. Die verbleibenden 104 Krisenepisoden wurden durch die Notfalltriage und/oder Mobile Krisenintervention, die Ambulante
Sprechstunde und die Gemeindenahe Psychiatrie behandelt (Tab. 8).
Tab. 8: Übersicht Anzahl behandelter Krisenepisoden 2009
NF und/oder
MOKI
Krisenepisoden 94 (83%)
Ambulante
Sprechstunde
Gemeindenahe
Psychiatrie
keine Angaben
7 (6%)
3 (3%)
9 (8%)
2.5.3 Soziodemographische und krisenbezogene Angaben in der MOKI und NFTriage
Der grösste Anteil der PatientInnen (101) mit 91% lebt selbständig allein oder mit anderen zu
Hause, lediglich ein/e PatientIn wurde durch die Spitex betreut.
Die Zuweisung erfolgte bei etwa der Hälfte der Fälle (56 von 110 Fällen) selbständig oder
durch Angehörige, bei 18% durch klinische Institutionen (ambulante, teil- oder vollstationäre
somatische oder psychiatrische Behandlung). Nur ein Zehntel der Behandlungsfälle wird
durch niedergelassende Psychiaterinnen oder HausärztInnen zugewiesen (Tab. 9)
-30-
Tab. 9: Beschreibung der Krisenepisoden bei Eintritt
Alter (N=113)
MW 42.1, SD 15.4
Geschlecht, Nationalität
(N=112)
60 (53.1%) weiblich, 83 (74.1%) CH
Aufenthalt vor Eintritt
(N=110)
Zuhause (mit Spitex): 101 (91.8%)
Heim: 5 (4.5%)
(psychiatrische) Klinik: 3 (2.7%)
Sonstige: 1 (1 %)
Zuweisung durch
(N=110)
selbständig, Angehörige: 56 (51.1%)
HausärztIn, PsychiaterIn: 12 (10.9%)
klinische Institution: 20 (18%)
Sonstige: 22 (20%)
Eintrittsart (N=113)
Neue/r PatientIn: 73 (64.6%)
Wiedereintritt PatientIn: 3 (2.7%)
Übertritt aus anderem Ressort des Psychiatrischen Dienstes: 37 (32.7%)
Das psychosoziale Funktionsniveau, erhoben über die Global Assessment of Functioning
Scale (GAF, Achse V des DSM-IV) liegt bei Eintritt mit durchschnittlich 38.8 Punkten (SD
13.5) in einem Bereich mit bereits starken Beeinträchtigungen. Am Ende der Krisenepisode
werden statistisch signifikante Besserungen (p < .0001) erzielt mit einem MW von 45.3 (SD
18.3) Punkten. Das Ausmass der Beeinträchtigung zeigt sich neben dem GAF auch in der
Suizidalität wie Tab. 10 zu entnehmen ist.
Tab. 10: Suizidalität während der Krisenepisode
Suizidalität Beginn Krisenepisode (N=110)
keine Suizidalität:76 (69.1%)
Suizidalität vorhanden, absprachefähig: 26 (23.6%)
Suizidalität vorhanden, nicht absprachefähig: 8 (7.3%)
Suizidalität Ende Krisenepisode (N=87)
keine Suizidalität: 66 (75.9%)
Suizidalität vorhanden, absprachefähig: 13 (14.9%)
Suizidalität vorhanden, nicht absprachefähig: 8 (9.2%)
Höchste Suizidalität während
der Krisenepisode (N=88)
keine Suizidalität: 63 (71.6%)
Suizidalität vorhanden, absprachefähig: 17 (19.3%)
Suizidalität vorhanden, nicht absprachefähig: 8 (9.1%)
Bei 57 Krisenepisoden ist die psychiatrische Behandlung zum 31.12.2009 offenbar noch
nicht abgeschlossen. Von 56 der 113 Krisenepisoden liegen MedStat zum Austritt vor. Über
-31-
zwei Drittel dieser Krisenepisoden PatientInnen werden nach Austritt stationär oder teilstationär weiter behandelt. Zwölf (22%) PatientInnen konnten die Krise ohne stationäre oder teilstationäre Behandlung in ihrem häuslichen Umfeld bewältigen (Tab. 11).
Tab. 11: Beschreibung der Krisenepisoden bei Austritt
Aufenthalt nach Austritt
(N=56)
Zuhause: 12 (22%)
Psychiatrische Klinik: 40 (71%)
unbekannt: 4 (7%)
Behandlung nach Austritt
(N=56)
(teil)stationäre Behandlung: 41 (73.2%)
PsychiaterIn, Sozialdienst: 7 (12.5%)
Sonstige: 8 (14.3%)
Art der Krisenbeendigung
(N=91)
Stabilisierung: 29 (31.9%)
keine Stabilisierung (Verlegung in teilstationäres/stationäres Angebot: 49 (53.8%)
Behandlungsabbruch: 13 (14.3%)
2.5.4 ICD-10 Diagnosen
Die Gruppen der schizophrenen und neurotischen Störungen sind über die gesamte Anzahl
der Krisenepisodenfälle (N=113) am stärksten vertreten gefolgt von der Gruppe der affektiven Störungen (Abb. 8).
Abb. 8: Häufigkeiten der Diagnosegruppen den Krisenepisoden (N=113)
-32-
2.5.5 Leistungen innerhalb der Krisenepisoden
Bei 92 der 113 Krisenepisoden liegen Datumsangaben zum Anfang und Ende vor. Bei neun
Behandlungsfällen liegen keine Informationen über die während der Krisenepisode erbrachten Leistungen vor.
Eine Krisenepisode dieser 83 verbleibenden Behandlungsfälle dauerte im Mittel 11.2 Tage
(SD 19.6, Median 1 Tag, Range 1-101) und enthielt durchschnittlich an 3.3 Tagen Kontakt zu
den/der PatientIn (SD 8.1, Median 1 Tag, Range 1-72). Die Behandlung während der Krisenepisoden ist hochfrequent mit einem Verhältnis von 0.7 Kontakttagen pro Krisenepisodentag. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass 52% der Krisenepisoden nur einen Tag umfassten. Die erbrachten Leistungen pro Krisenepisode betrugen im Mittel 4.4 Stunden (SD 9.1,
Median 2.9 Stunden, Range 0.5-83).
Werden die Anzahl der Kontakte innerhalb einer individuellen Episode berücksichtigt, wurden
im Mittel Leistungen im Umfang von 79.8 Minuten pro Kontakt erbracht (SD 68.5, Median 60
Minuten, Range 0-680). Bei den 21 Behandlungsfällen ohne Enddatum (und damit ohne Information über die Dauer der Krisenepisode) liegen Leistungsangaben vor. Pro Kontakt wurden hier im Mittel Leistungen von 58.4 Minuten (SD 51.3, Median 60 Minuten, Range 0-380)
erbracht. Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen könnten darin begründet sein,
dass bei den Behandlungsfällen ohne Enddatum der Krisenepisode Leistungen mit geringerem zeitlichem Umfang bereits ausserhalb der akuten Krisensituation erbracht wurden. Gesamthaft stellen sich die Leistungen dar, wie in Abb. 9: Verteilung erbrachter Krisenleistungen (N=104) abgebildet.
Abb. 9: Verteilung erbrachter Krisenleistungen (N=104)
-33-
Bei diesen 104 Behandlungsfällen sind bei 17 (16%) ein oder mehrere Hausbesuche durchgeführt worden. Gesamthaft wurden 39 Hausbesuche im 2009 durchgeführt.
Die Erfassung der Krisenepisoden am Psychiatrischen Dienst Biel wurde 2009 im Rahmen
der Evaluation der Pilotprojekte begonnen und ist noch nicht vollständig etabliert. Auf diesem
Hintergrund dürfte der Umfang der tatsächlichen (aufsuchenden) Krisenleistungen über denen liegen, die erfasst wurden. Aus diesem Grund sollen in einem nächsten Schritt, zusätzlich die Leistungen des Dienstes gezeigt werden, die ausserhalb von Krisenepisoden erbracht wurden.
Dafür liegt uns ein weiterer Datensatz vor, in dem Leistungen von 945 PatientInnen mit 1071
Behandlungsfällen vom 01.01. bis 31.12.2009 dokumentiert sind, die durch die vier Services
am Psychiatrischen Dienst Biel behandelt wurden. In diesem Datensatz sind auch PatientInnen erfasst, die Leistungen im Rahmen einer Krisenepisode bezogen haben, allerdings sind
hier nur die Leistungen erfasst, die sie ausserhalb der Krisenepisode erhielten d.h. Doppelzählungen können ausgeschlossen werden. Die Resultate sind in Tab. 12 zusammengestellt.
Im Rahmen der Gemeindenahen Psychiatrie wurden 1050 Hausbesuche abgehalten.
Tab. 12: Leistungen ausserhalb und/oder ohne Krisenepisoden
Ärztliche Leistungen in Stunden
Nicht-ärztliche
Leistungen in
Stunden
Leistungen gesamt
in Stunden
Ambulante Sprechstunde
ohne Hausbesuch
2540.3
2515.4
5055.7
Ambulante Sprechstunde
mit Hausbesuch
4.8
47.0
51.8
NF und/oder MOKI ohne
Hausbesuch
483.4
346.4
829.8
NF und/oder MOKI mit
Hausbesuch
14.7
46.2
60.8
Gemeindenahe Psychiatrie
ohne Hausbesuch
965.4
3108.6
4074.0
Gemeindenahe Psychiatrie
mit Hausbesuch
25.8
1165.5
1191.4
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass 2009 insgesamt 1134 Hausbesuche durchgeführt
wurden, die grosse Mehrheit mit 1050 (92.6%) in der Gemeindenahen Psychiatrie, 39 (3.4%)
im Rahmen der ambulanten Sprechstunde und 45 (4.0%) in der NF-Triage und/oder MOKI.
Ob es sich bei den Hausbesuchen durch die ambulante Sprechstunde und die Gemeindenahe Psychiatrie um krisenbezogene Interventionen oder um aufsuchende Hilfen im Rahmen
von rehabilitativen Langzeitbegleitgleitungen handelt, lässt sich anhand der Datenlage nicht
feststellen.
-34-
2.5.6 Diskussion
Die vorliegende Auswertung der Mobilen Kriseninterventionen am Psychiatrischen Dienst
Biel weist einige Einschränkungen auf. Dies ist mit bedingt durch die Tatsache, dass das
aufsuchende Krisenangebot während einer umfassenden Neustrukturierungsphase am Psychiatrischen Dienst implementiert wurde, die konzeptionelle Arbeit noch nicht abgeschlossen
war und die technischen Voraussetzungen einer Datenerfassung für Krisenepisoden parallel
zu der Einführung der neuen Versorgungsangebote entwickelt werden mussten. Gesamthaft
lässt sich feststellen, dass die Erfassung von Krisenepisoden mit ihren dazu gehörigen Charakteristika grundsätzlich einen gangbaren und sinnvollen Weg für derartige Evaluationen
darstellt. Darüber hinaus können Evaluationen dazu beitragen, dass individuelle patientenbezogene Therapie- und Hilfeplanungen am Psychiatrischen Dienst integriert werden und mit
gezieltem Ressourceneinsatz erfolgen können. Die Erfassung der Krisenepisoden ist noch
nicht in die Routine übernommen worden, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass
innerhalb eines Jahres tatsächlich mehr Krisenepisoden vorhanden waren als dokumentiert
wurden und die Datenbasis der vorliegenden Auswertung darstellen. Krisenleistungen zusätzlich über den NF und/oder MOKI Ressort/Service-Code zu kennzeichnen, auch wenn es
sich um PatientInnen handelt, die durch die ambulante Sprechstunde oder die Gemeindenahe Psychiatrie versorgt werden, kann helfen, Leistungen deutlicher zu charakterisieren und
sollte in Zukunft noch konsequenter durch alle Mitarbeitenden am Stützpunkt umgesetzt
werden. Die Verknüpfung der Krisenepisodenmerkmale mit den MedStat Angaben ist technisch grundsätzlich möglich. Da der Datenexport jedoch nicht durch die Informatik des psychiatrischen Dienstes selbständig vorgenommen werden kann sondern durch die Softwarefirma durchgeführt werden muss, sollte bei zukünftigen Evaluationen die Vollständigkeit der
exportierten MedStat Variablen gewährleistet werden, um die Patientengruppe mit Krisenepisoden umfassender beschreibbar zu machen. Dies würde zu der Identifikation von Patientengruppen, die immer wieder in akute Krisensituationen geraten, ebenfalls einen wichtigen
Beitrag leisten. Gesamthaft betrachtet kann festgestellt werden, dass die Mobile Krisenintervention – über die aufsuchenden Hilfen der Gemeindenahen Psychiatrie hinaus – in die Versorgung am Psychiatrischen Dienst implementiert wurde und genutzt wird. Im Vergleich zu
der Pilotregion Langenthal fällt auf, dass in Biel gesamthaft etwa halb so viele Hausbesuche
im 2009 durchgeführt wurden wie in Langenthal (1134 vs. 2160). Dies ist zu einem Teil sicherlich einer noch unvollständigen Dokumentation geschuldet. Möglicherweise handelt sich
darüber hinaus aber auch um ein noch nicht vollständig genutztes Versorgungspotenzial,
das bei krisenerfahrenen PatientInnen dazu beitragen könnte stationäre Behandlungen zu
verkürzen oder sogar zu verhindern.
-35-
3
Evaluation WePBE Pilotprojekt: Akuttageskliniken Langenthal und Biel
3.1
Ausgangslage
Im Vorfeld der Evaluation der beiden neu eröffneten Akuttageskliniken ist zwischen November 2008 und Januar 2009 eine Befragung bei den zehn psychiatrischen Tageskliniken im
Kanton Bern durchgeführt worden. Das Ziel dieser Erhebung bestand darin, einen Überblick
über eingesetzte Instrumentarien im Rahmen der Behandlung, Dokumentation und Qualitätssicherung zu erhalten. Sieben der zehn Tageskliniken verwenden entsprechende Instrumente. Von den sechs psychiatrischen Rehabilitationstageskliniken werden nur in drei über
die MedStat hinausgehende Erhebungen durchgeführt. Als Gründe werden Kapazitätsengpässe oder Zeitmangel angegeben. Auch diejenigen Tageskliniken, welche diverse Instrumente verwenden, bringen zum Ausdruck, dass sie aus Kapazitätsgründen einzelne Verfahren streichen, oder auf katamnestische Untersuchungen nach Behandlungsabschluss bzw.
Austritt verzichtet mussten.
Vorzugsweise werden Statusmessungen beim Eintritt und zum Teil mit denselben Instrumenten auch beim Austritt durchgeführt, teilweise kommen auch eigentliche Prozessmessungen
zum Einsatz. Mit den Messungen werden therapeutische Ziele und Inhalte verfolgt, und/oder
sie werden zu Forschungszwecken durchgeführt. Bei einer Tagesklinik spielt die Qualitätssicherung eine explizite Rolle. Neben klinisch-diagnostischen Verfahren werden Fragebögen
(Beschwerden, Lebensqualität, Motivation, Kontrollüberzeugungen, Persönlichkeit) eingesetzt. Die Instrumente werden insbesondere dann als hilfreich beurteilt, wenn sie in den tagesklinischen Alltag integriert sind und sich aus den Resultaten therapeutisches Handeln
ableiten lässt z.B. die Entwicklung von Therapiezielen. Die elektronische Erfassung der Daten erfolgt bei ca. jeder zweiten Tagesklinik Die verwendeten Instrumente sind in Tab. 13
zusammengestellt.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine grosse Heterogenität in der Art des Instrumenteneinsatzes aufgrund verschiedener Zielsetzungen und unterschiedlicher personeller
Kapazitäten besteht.
Die Ergebnisse dieser Befragung stellte schliesslich die Basis der Entwicklung eines Evaluationsinstrumentariums für die beiden jetzt zu erhebenden Akuttageskliniken dar.
-36-
Tab. 13: Bisher verwendete Instrumente in den Tageskliniken des Kantons Bern
TK-Nr.
Verwendete Instrumente zu bestimmten Zeitpunkten
Akut-Tagesklinik
1
Eintritt: AMDP, PANSS, BRM(E)S, BeBi, BeLP, FKK, GAF, eigene Fragen zu Selbst- oder
Fremdgefährlichkeit, Bestehende Unterstützung und Kooperationsbereitschaft
Austritt: AMDP, GAF
Rehabilitations-Tageskliniken
2
Es werden keine zusätzlichen Instrumente eingesetzt.
3
Es werden keine zusätzlichen Instrumente eingesetzt, da keine Kapazitäten vorhanden
sind.
4
Eintritt: CGI, BSI, BFW/E, Definition von Zielvereinbarungen (ZV)
Austritt: CGI, BSI, BFW/E, Einschätzung Zielerreichung der ZV
Während Behandlung alle 6 Wochen: BSI, BFW/E, Einschätzung Zielerreichung der ZV
6 Monate nach Austritt: BSI, BFW/E, Einschätzung Zielerreichung der ZV
5
Eintritt/Austritt: SCL-90-R, BDI
Während Behandlung: SKID-II, FAMOS und INK
6
CGI
7
Es liegen keine Angaben vor, welche zusätzlichen Instrumente verwendet werden.
Psychotherapie-Tageskliniken
8
Eintritt/Austritt: BDI, SCL-90-R, IIP-D, INK, EMOREG-B1, PSSI
Spez. Prozessdiagnositik: SEB wöchentlich
Bei spez. Diagnose: weitere diagnosespezifischeTests
9
Eintritt/Austritt:SCL-90-R, GBB-24, IIP-D, ESK, BDI, BSS, GAF
10
Eintritt: BDI, CGI, BTI
Austritt: CGI
AMDP
BDI:
BeBi
BeLP
BFW/E:
BRM(E)S
BSI:
BSS:
BTI:
CGI:
EMOREG-B1:
ESK:
FKK
GAF:
AMDP-System, Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde, 8., überarbeitete Auflage,
Hrsg. von Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie (AMDP)
Beck-Depressions-Inventar, dt. Bearb. nach Hautzinger, Keller, Kühner
Berliner Bedürfnisinventar:
„Fragebogen für Klienten“ erfasst das Behandlungsbedürfnis, d.h. den Behandlungsbedarf aus
subjektiver Sicht der Patienten, „Fragebogen für Betreuer/ Behandler" erfasst den Behandlungsbedarf aus Sicht professioneller Helfer, nach Hoffmann, Priebe, Isermann, und Kaiser
Das Berliner Lebensqualitätsprofil ist ein strukturiertes Interview zur Bewertung der Lebensqualität, nach Priebe et al.
Berner Fragebogen zum Wohlbefinden für Erwachsene nach Grob et al.
Bech-Rafaelsen-Melancholie-Skala, Erfassung des depressiven Syndroms, Anwendung im
ambulanten wie stationären Bereich. Die BRM(E)S wurde ausgehend von psychometrischen
Analysen zur Hamilton-Depressions-Skala (HAMD) entwickelt, dt. Bearb. nach Stieglitz, Smolka, Bech und Helmchen
Brief Symptome Inventory Das Brief Symptom Inventory (BSI), eine Kurzform der SCL-90-R,
nach Derogatis
Beeinträchtigungs-Schwere-Score, nach Schepank
Berner Therapiezielinventar, nach Grosse Holtforth
Clinical Global Impression, nach Guy
Emotionsregulations-Beobachtungsbogen, nach Znoj
Existenzskala, nach Längle, Orgler und Kundi
Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen, nach Krampen
Global Assessment of Functioning, Achse V des DSM-IV
-37-
GBB-24:
IIP-D:
PANSS
PSSI
Giessener Beschwerdebogen, nach Brähler und Scheer
Inventar zur Erfassung interpersonaler Probleme (Langform), nach Horowitz, Strauß und Kordy
Positive und negative Syndrom-Skalierung, nach Kay, Opler, und Fiszbein
Persönlichkeits-Stil- und Störungs-Inventar: Selbstbeurteilungsinstrument von Persönlichkeitsstilen als nicht-pathologische Entsprechungen der in DSM-IV und ICD-10 beschriebenen Persönlichkeitsstörungen, nach Kuhl und Kazén
SCL-90-R:
Die Symptom-Checkliste, nach Derogatis
SEB
Stations-Erfahrungsbogen, nach Sammet und Schauenburg
SKID-II:
Strukturiertes Klinisches Interview für DSM IV Das SKID-II ist ein Verfahren zur Diagnostik der
zehn auf Achse-II sowie der zwei im Anhang des DSM-IV aufgeführten Persönlichkeitsstörungen, dt. Bearb. nach Wittchen, Zaudig und Fydrich
FAMOS:
Fragebogen zur Analyse Motivationaler Schemata, nach Grosse Holtforth
INK:
Inkongruenzfragebogen, nach Grosse Holtforth, und Grawe
Einschätzung Zielerreichung der Zielvereinbarungen: 5-stufige Skala:
0=Ziel nicht erreicht, 1=Ziel ansatzweise erreicht, 2=Ziel teilweise erreicht, 3=Ziel weitgehend
erreicht, 4=Ziel vollständig erreicht (ähnlich GAS, nur nicht bezogen auf therapeutische Ziele
sondern auf pflegerische)
Nach Eröffnung der Akuttagesklinik in Langenthal im Dezember 2008 und der in Biel im Februar 2009 konnte mit der Evaluation im Februar bzw. im April 2009 begonnen werden. Beide
Akuttageskliniken waren zu diesem Zeitpunkt konzeptionell noch nicht konsolidiert. Im Behandlungsangebot, wie den Öffnungszeiten und Personalsituation existieren Unterschiede
zwischen den beiden Akuttageskliniken, diese sind jedoch nicht Gegenstand dieser Evaluation.
3.2
Evaluationsinstrumente
Die Auswahl der Evaluationsinstrumente umfasst Selbst- und Fremdratings, es werden Instrumente eingesetzt, die sowohl der Status- als auch der Prozessdiagnostik dienen. Des
Weiteren wurde der Auswahl die Kriterien der Güte der Verfahren, deren Verbreitung und der
Ökonomie in der Anwendung zu Grunde gelegt.
Um eine Vergleichbarkeit der in den Akuttageskliniken behandelten Patientengruppen, mit
denen, die im stationären Setting behandelt werden zu erreichen, wurden die im Rahmen
des Pilotprojekts „Ergebnisrelevante Qualitätsmessungen in der Psychiatrie“ 7 verwendeten
Instrumente berücksichtigt.
Die Evaluation nutzt drei Perspektiven, nämlich die
1. der ÄrztInnen/PsychologInnen (klinisch)
2. der Pflege/Sozialarbeit/therapeutischen MitarbeiterInnen (Aktivitäten/Partizipation)
3. der PatientInnen (Therapieerfolg, Lebensqualität, Behandlungszufriedenheit)
7
Nationale Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken ANQ.
http://www.anq.ch/psychiatrie/
-38-
Um sowohl den Status als auch Veränderungen abbilden zu können werden Eintritts- und
Austrittsmessungen bei allen im Evaluationszeitraum in den psychiatrischen Akuttagesklinken behandelten PatientInnen durchgeführt (Tab. 14).
Ausserdem wird die An- bzw. Abwesenheit jedes/r PatientIn durch ihre/seine Bezugsperson
täglich dokumentiert.
Tab. 14: Evaluationsinstrumente
Eintritt
1. Woche
Austritt
letzte Woche
X
X
X
X
OQ-45.2
X
X
WHOQOL-BREF
X
X
McLean PoC® plus ANQ
X
X
Verwendete Instrumente
ÄrztInnen/PsychologInnen
PANSS, GAF, Suizidalität
Pflege/Sozialarbeit/therapeutische MitarbeiterInnen
Mini-ICF-P
PatientInnen
PANSS: Positive and Negative Syndrome Scale for Schizophrenia
GAF: Global Assessment of Functioning, DSM- IV, Achse V
Mini-ICF-P: Mini ICF Rating für psychische Störungen
OQ-45.2: Outcome Questionnaire
WHOQOL-BREF: Kurzform des WHO-Instruments zur Erfassung von Lebensqualität (WHOQOL-100)
McLean PoC® plus ANQ: McLean Perception of Care plus Erweiterung von durch ANQ
Den beiden Akuttageskliniken wurden sämtliche Erhebungsinstrumente mit Anleitungen zur
Verfügung gestellt. Im Februar 2009 fand gemeinsam mit den Verantwortlichen der beiden
psychiatrischen Dienste und der Akuttageskliniken und dem Evaluationsteam eine Informationssitzung statt. Im August 2009 folgte ein gemeinsamer Workshop, in dem die bisherigen
Erfahrungen mit den neu eröffneten Akuttageskliniken, den dort behandelten PatientInnen
und den Evaluationsinstrumenten thematisiert und diskutiert wurden.
Die Datenerfassung der o.g. Instrumente erfolgte zunächst in Papierform und wurde anschliessend in eine speziell eingerichtete Exceltabelle übertragen. Darin können individuelle
Behandlungsprofile für die PatientInnen erstellt werden. Auf diese Weise ist es für die Akuttageskliniken möglich, die individuellen Behandlungsergebnisse in übersichtlicher Form abzubilden. Die Auswertung erfolgte mit der Statistiksoftware JMP® 7.0.2 (SAS Institute, Cary,
NC).
-39-
3.3
Ergebnisse
Im Erhebungszeitraum vom 16.02. bis 31.12.2009 sind 37 PatientInnen in die Akuttagesklinik
Langenthal aufgenommen worden, 30 sind bis Ende 2009 ausgetreten. Von diesen liegen
weitgehend vollständige Angaben vor. Fehlende Angaben finden sich vor allem bei den
durch die PatientInnen auszufüllenden Erhebungsinstrumenten.
In Biel wurden vom 06.04 bis 31.12.2009 33 PatientInnen aufgenommen (ein/e PatientIn 2x),
30 sind bis zum 31.12.2009 ausgetreten.
Daten aus den Erhebungsinstrumenten liegen für den Zeitraum vom 06.04 bis 16.10.2009
vor und beziehen sich auf 26 Behandlungsfälle. Knapp die Hälfte der PatientInnen hat in den
Selbsteinschätzungsinstrumenten Angaben gemacht. Bei einem Fremdratingsinstrument
(Mini-ICF-P) kam es bei der Eintrittsmessung zu Antwortverzerrungen, da die Angaben in zu
starkem Masse auf die Angaben der PatientInnen abgestützt wurden.
Die Akuttageskliniken haben ihren Betrieb aufgenommen und in unterschiedlichem Umfang
ihr Versorgungsangebot ausgebaut. Die Auslastung der Akuttageskliniken betrug im Erhebungszeitraum in Langenthal 82% und in Biel 48% 8. Die durchschnittliche Behandlungsdauer in verrechneten Tagen ist in der ATK Langenthal knapp doppelt so hoch wie in der ATK
Biel (Tab. 15).
Tab. 15: Belegung und Aufenthaltsdauer in den Akuttageskliniken
Zeitraum
Plätze
Pflegetage
PatientInnen
Aufenthaltsdauer
Langenthal
16.02. - 31.12.09 8
1467 (1800
bei100%)
30
MW 48.9 Tage,
10.43 Wochen
Biel
06.04. - 31.12.09 8
726 (1514 bei
100%)
30
MW 24.2 Tage,
5.9 Wochen
3.3.1 Vorbehandelnde und nachbehandelnde Instanzen
Sowohl in Biel als auch in Langenthal wird das neue akuttagesklinische Behandlungsangebot schwerpunktmässig von PatientInnen genutzt, die vorgängig in der eigenen Institution
behandelt wurden. Ebenso verhält es sich mit der nachbehandelnden Instanz, die bei über
der Hälfte der aus der ATKs entlassenen PatientInnen innerhalb der eigenen Institution liegt.
Insbesondere PatientInnen, die am jeweiligen psychiatrischen Dienst über die Notfall-Triage
zugewiesen werden oder sich bereits in ambulanter Behandlung befinden, werden in die
ATKs aufgenommen und werden nach Austritt institutionell ambulant weiter behandelt.
8
Es liegen keine Angaben vor von PatientInnen, die bereits nach wenigen Tagen wieder aus der ATK ausgetreten
sind. Demnach liegen die tatsächlichen Pflegetage etwas über den hier angegebenen.
-40-
3.3.2 Merkmale der in der Akuttageskliniken behandelten PatientInnen und Behandlungsmerkmale
3.3.2.1 Akuttagesklinik Langenthal
68% der PatientInnen sind weiblich und 40% der PatientInnen 30 Jahre alt oder jünger (s.
demographische Angaben ATK Thurgau, die über eine ähnliche Altersstruktur in ihrer ATK
berichten) 81% lebten vor Eintritt in die ATK selbständig alleine oder mit anderen. 14 (38%)
PatientInnen sind arbeitslos, 6 (16%) beziehen eine IV-Rente. Mit anderen Worten 54% der
ATK PatientInnen sind zum Zeitpunkt ihrer tagesklinischen Behandlung nicht in das Arbeitsleben integriert und verfügen über keine Tagesstruktur z.B. über eine Beschäftigung in einer
beschützen Werkstätte (Tab. 16).
Tab. 16: Patientenmerkmale ATK Langenthal
Alter
MW 39., Median 38, SD 15.2, Range 16-64
Geschlecht, Nationalität (N=37)
25 (66%) weiblich, 31 (84%) CH
Erkrankungsdauer (in Jahren)
MW 5.2, Median 3, SD 5.7, Range 0-21
Anzahl Hospitalisationen (tst. & stat.) (N=32)
MW 3, Median 2.5, SD 2.9, Range 0-14
Dauer Hospitalisationen (in Wochen) (N=31)
MW 7.4, Median 6, SD 6.3, Range 0-25
Zivilstand (N=37)
ledig: 17 (46%)
verheiratet, zusammen lebend: 13 (35%)
verheiratet, getrennt lebend: 3 (8%)
geschieden: 4 (11%)
Erwerbstätigkeit (N=37)
voll- oder teilzeit erwerbstätig, Hausarbeit im eigenen
Haushalt: 13 (35%)
arbeitslos: 14 (38%)
anderes: 10 (27%)
Zustand bei Aufnahme (N=37)
erstmaliges Auftreten eines Zustandes: 5 (14%)
Fortdauer eines lange bestehenden Zustandes: 10
(27%)
Verschlechterung eines lange bestehenden Zustandes:
14 (38%)
Wiederauftreten eines lange bestehenden Zustandes: 6
(16%)
Deutliches Abweichen eines früher bestehenden Zustandes 2 (5%)
Suizidalität bei Eintritt (N=37)
keine Suizidalität: 35 (95%)
PatientIn suizidal, aber absprachefähig: 2 (5%)
Suizidalität bei Austritt (N=28)
keine Suizidalität: 27 (96%)
PatientIn suizidal, aber absprachefähig: 1 (4%)
-41-
Neben der fehlenden Tagesstruktur sind mit der Ausgliederung aus dem Arbeitsleben geringere finanzielle Ressourcen verbunden. Von den 19 PatientInnen, die keiner Erwerbstätigkeit
nachgehen, müssen elf (58%) mit weniger als 2000 CHF im Monat auskommen. Leider liegen nur für sechs PatientInnen der 19 PatientInnen ohne Erwerbstätigkeit Angaben zu einer
möglichen Schuldensituation vor, vier von diesen sechs sind verschuldet.
Die im Erhebungszeitraum in der ATK behandelten PatientInnen weisen heterogene psychiatrische Störungsbilder auf. Drei Viertel der Eintrittsdiagnosen entfallen auf schizophrene,
affektive und neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen, wobei der Anteil der
affektiven Störungen mit 40% den grössten Anteil darstellt (Abb. 10).
Abb. 10: ICD-10 Diagnosen bei Eintritt in die ATK Langenthal
20 der 30 PatientInnen, die bis zum 31.12.2009 aus der ATK ausgetreten sind, lebten vor
dem Eintritt in die ATK selbständig Zuhause und kehrten nach ihrem Austritt dorthin zurück.
Fünf PatientInnen, die vor Eintritt in die ATK stationär behandelt wurden sind nach Austritt
ebenfalls wieder nach Hause zurück gekehrt. Zwei PatientInnen wurden nach Austritt aus
der ATK stationär weiterbehandelt, zwei PatientInnen wechselten in die reguläre Tagesklinik.
Die Indikation für die ATK erhoben über ihre Behandlungsalternativen deckt sich weitgehend
mit den Angaben der Literatur (Briscoe et al., 2004). Auf Seiten der stationären/ teilstationären Behandlungsalternativen zur ATK entfällt der grösste Anteil auf die stationäre Behandlung (49%) gefolgt von der ambulanten Behandlung im Ambulatorium oder durch niedergelassene PsychiaterIn, HausärztIn (27%) und der in der regulären psychiatrischen Tagesklinik
(16%;Tab. 17).
-42-
Tab. 17: Behandlungsmerkmale ATK Langenthal
Eintritte
37 PatientInnen , noch in Behandlung: 7 PatientInnen
(Stichtag 31.12.09)
Behandlungsdauer (in Wochen) (N=30)
MW 10.42, Median 12.9, SD 4.43, Range 1.3-15.6
Behandlungstage (N=30)
MW 48.9, Median 56, SD 21.6 Range 7-70
Aufenthalt vor Eintritt in ATK (N=37)
Zuhause, alleine (mit Spitex): 9 (25%)
Zuhause, mit anderen: 22 (59%)
Psychiatrische Klinik: 6 (16%)
Behandlungsalternativen zu ATK (N=37)
Stationäre Behandlung: 18 (49%)
Reguläre Tagesklinik: 6 (16%)
Gemeindepsychiatrisches aufsuchendes Angebot: 1 (3%)
Ambulante Betreuung (durch Ambulatorium, Psychiater,
Psychotherapeut, Hausarzt): 10 (27%)
Andere 2 (5%)
Aufenthalt nach Austritt (N=30)
Zuhause, alleine: 6 (20%)
Zuhause, mit anderen: 19 (64%)
Psychiatrische Klinik: 3 (10%)
Rehabilitationsklinik: 1 (3%)
Strafvollzugsanstalt: 1 (3%)
Behandlung nach Austritt (N=29)
Praktizierender Arzt/in: 1 (3.5%)
Praktizierender Psychiater/in: 9 (31%)
Nicht ärztlicher Psychotherapeut/in: 1 (3.5%)
Psychiatrie, eigene Institution, ambulant: 14 (48%)
Psychiatrie, andere Institution, stationär: 2 (7%)
Psychiatrie, eigene Institution, teilstationär: 2 (7%)
Wegzeit Wohnung - ATK einfach (in Minuten) MW 22.2, Median 20, SD 13.9, Range 5-60
(N=29)
28 (76%) der 37 PatientInnen sind vor ihrem Eintritt in die ATK ein- oder mehrmalig
(teil)stationär behandelt worden (zum Vergleich: ATK Thurgau 66%). 28 der 37 PatientInnen
sind durch die institutionelle Psychiatrie an die ATK überwiesen worden (59% aus der eigenen Institution, 16% aus anderen Institutionen). Dieser Umstand sowie die Behandlungsalternativen verweist die ATK auf die Funktion einer der institutionellen Behandlung vor- als
auch nachgelagerten Tagesklinik und entspricht einem integrierten Versorgungsangebot.
Aufgrund der schmalen Datenbasis und der gegenwärtig noch fehlenden Möglichkeit die
ATK-Daten mit (teil)stationären Angaben zu vergleichen, sind die Ergebnisse mit entsprechender Vorsicht zu interpretieren. Zu bedenken ist auch, dass sich die in der ATK behandelte Klientel nach der Konsolidierungsphase der Tagesklinik noch verändern kann z.B. durch
Selektion oder Verschiebungen im Indikationsbereich (Briscoe & Priebe, 2007).
-43-
Die durchschnittliche Anzahl der Behandlungstage (verrechnete Tage) von 49 Tagen im Mittel unterscheidet sich kaum von der in der regulären Tagesklinik des ZPP 9 mit 48 Tagen
(Median 33, SD 46.1). Zum Vergleich: Die Akut-Tagesklinik in Thurgau gibt 33.3 Behandlungstage im Mittel an. Im Vergleich zur durchschnittlichen Behandlungsdauer (verrechnete
Tage) im stationären Setting liegt die der ATK über der der Kriseninterventions-Station Niederbipp (MW 29 Tage, Median 21, SD 25.7) und ist vergleichbar mit der im PZM (MW 45
Tage, Median 31.5, SD 46.4). 10
Die durchschnittliche Behandlungsdauer von 73 Tagen (incl. Wochenenden und nicht verrechenbaren Tagen aufgrund Abwesenheit) liegt im Mittel eine Woche unter der in der Literatur
angegebenen (Kallert et al., 2004; Kallert et al., 2007).
Gemäss den Angaben der PatientInnen ist ihnen die Umstellung vom tagesklinischen Wochenprogramm und umgekehrt nicht schwergefallen. 20 von 25 PatientInnen (80%) geben
an, dass ihnen die Umstellung vom Wochenende auf den Montag leicht oder eher leicht gefallen sei. In der ATK Thurgau sind mit diesem Wechsel andere Erfahrungen gemacht worden. Die PatientInnen waren im Erhebungszeitraum vom 16.02. bis 16.10.2009 durchschnittlich 90% der arbeitsklinischen Behandlungszeit präsent. Nehmen sie bei Abwesenheit nicht
selbständig Kontakt zur ATK auf, telefoniert die ATK oder sucht sie Zuhause auf. Dies war
bei 7 (23%) PatientInnen der Fall. Die PatientInnen beurteilen die erhaltene Unterstützung,
regelmässig in die ATK zu kommen unisono mit „genau richtig“.
9
Vergleichsangaben von Institutionen im Kanton Bern sind entnommen aus Medstat 2008
Quelle Medstat 2008, nur PatientInnen aus der Region Oberaargau (MS-Region 15)
10
-44-
3.3.2.2 Akuttagesklinik Biel
20 (77%) der PatientInnen sind weiblich, 28% der PatientInnen 30 Jahre alt oder jünger, 24
(94%) leben vor dem Eintritt in die ATK selbständig alleine oder mit anderen. 6 (23%) der
PatientInnen sind arbeitslos, 3 (12%) beziehen eine IV-Rente. In geringerem Umfang als die
PatientInnen der ATK in Langenthal sind 35% der PatientInnen der ATK Biel nicht in das
Erwerbsleben integriert und verfügen über keine Tagesstruktur. Im Vergleich zu der Klientel,
die in psychiatrischen Kliniken behandelt wird und die mindestens zu zwei Dritteln aus dem
Erwerbsleben exkludiert ist, verfügen die ATK PatientInnen in Biel über ein recht hohes Integrationsniveau. Weitere Angaben zur wirtschaftlichen Situation liegen nicht vor (Tab. 18).
Tab. 18: Patientenmerkmale ATK Biel
Alter
MW 39, Median 39, SD 12.1, Range 20-65
Geschlecht, Nationalität (N=26)
20 (78%) weiblich, 19 (73%) CH
Erkrankungsdauer (in Jahren)
MW 3.8, Median 2, SD 5.3, Range 0-20
Anzahl Hospitalisationen (tst. & stat.) (N=21)
MW 1.1, Median 1, SD 1.3, Range 0-4
Dauer Hospitalisationen (in Wochen) (N=13)
MW 10, Median 5, SD 13.6, Range 0-52
Zivilstand (N=26)
ledig: 13 (50%)
verheiratet, zusammen lebend: 8 (31%)
verheiratet, getrennt lebend: 3 (11%)
verwitwet: 1 (4%)
geschieden: 1 (4%)
Erwerbstätigkeit (N=26)
voll- oder teilzeit erwerbstätig, Hausarbeit im eigenen
Haushalt: 15 (58%)
arbeitslos: 6 (23%)
anderes: 5 (19%)
Zustand bei Aufnahme (N=25)
erstmaliges Auftreten eines Zustandes: 4 (16%)
Fortdauer eines lange bestehenden Zustandes: 11
(44%)
Verschlechterung eines lange bestehenden Zustandes:
7 (28%)
Wiederauftreten eines lange bestehenden Zustandes: 3
(12%)
Suizidalität bei Eintritt (N=26)
keine Suizidalität: 16 (61%)
PatientIn suizidal, aber absprachefähig: 9 (35%)
PatientIn suizidal, nicht absprachefähig: 1 (4%)
Suizidalität bei Austritt (N=20)
keine Suizidalität: 16 (80%)
PatientIn suizidal, aber absprachefähig: 3 (15%)
PatientIn suizidal, nicht absprachefähig: 1 (5%)
-45-
Die im Erhebungszeitraum in der ATK behandelten PatientInnen weisen ein heterogenes
Spektrum psychischer Störungen auf. Über 80% der Eintrittsdiagnosen entfallen auf schizophrene, affektive und neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen, wobei letztgenannte ICD-10 Hautgruppe mit 42% den grössten Anteil darstellt (Abb. 11).
Abb. 11: ICD-10 Diagnosen bei Eintritt in die ATK Biel
17 der 21 PatientInnen, die vor dem Eintritt in die ATK selbständig Zuhause lebten, kehrten
nach ihrem Austritt aus der ATK dorthin zurück. Zwei PatientInnen wurden nach ihrem Austritt stationär psychiatrisch weiterbehandelt. Die Indikation zur akuttagesklinischen Behandlung, operationalisiert über die Behandlungsalternativen ist in seiner Verteilung der in Langenthal ähnlich (Tab. 19).
Zwölf (57%) der 21 PatientInnen waren vor ihrem ATK Aufenthalt ein oder mehrmals in
(teil)stationärer psychiatrischer Behandlung. 16 der 26 PatientInnen sind durch die institutionelle Psychiatrie zugewiesen worden (15,6% durch die eigene Institution, ambulant), vier
(15%) PatientInnen wurden durch ein somatisches Spital zugewiesen. Wie in Langenthal
wird offenbar auch in Biel die ATK vor allem von PatientInnen genutzt, die in der eigenen
Institution bereits ambulant behandelt werden und die in krisenhaften Phasen eine Behandlungsintensivierung in der ATK erfahren oder durch die Notfall-Triage an die ATK vermittelt
werden.
Die durchschnittliche Behandlungsdauer (verrechnete Tage) ist mit 20 Tagen in der ATK Biel
wesentlich kürzer als in der Rehabilitationstagesklinik in Biel, in der die PatientInnen 2008
(Quelle MedStat 2008) im Mittel 148 Tage (Median 124, SD 119, Range 1-579) behandelt
-46-
werden. Auch im Vergleich zur ATK Langenthal sowie zur ATK Thurgau ist die Behandlungsdauer in Biel deutlich kürzer.
Tab. 19: Behandlungsmerkmale ATK Biel
Eintritte
26 PatientInnen , noch in Behandlung: 5 PatientInnen
(Stichtag 16.10.09)
Behandlungsdauer (in Wochen) (N=21)
MW 4.9, Median 4.4, SD 3.1, Range 0.3-10.6
Behandlungstage (N=21)
MW 20.2, Median 19, SD 12.9 Range 2-47
Aufenthalt vor Eintritt in ATK (N=26)
Zuhause, alleine: 13 (50%)
Zuhause, mit anderen: 11 (42%)
Zuhause, alleine mit Spitex: 1 (4%)
Psychiatrische Klinik: 1 (4%)
Behandlungsalternativen zu ATK (N=25)
Stationäre Behandlung: 13 (52%)
Reguläre Tagesklinik: 1 (4%)
Mobile Krisenintervention: 1 (4%)
Gemeindepsychiatrisches aufsuchendes Angebot: 4
(16%)
Ambulante Betreuung (durch Ambulatorium, Psychiater,
Psychotherapeut, Hausarzt): 6 (24%)
Aufenthalt nach Austritt (N=21)
Zuhause, alleine: 10 (48%)
Zuhause, mit anderen: 8 (38%)
Psychiatrische Klinik: 2 (9%)
anderes Krankenhaus: 1 (5%)
Behandlung nach Austritt (N=20)
Praktizierender Psychiater/in: 7 (35%)
Psychiatrie, eigene Institution, ambulant: 10 (50%)
Allgemeinspital, Somatik: 1 (5%)
Psychiatrie, eigene Institution, stationär: 1 (5%)
Psychiatrie, andere Institution, stationär: 1 (5%)
Wegzeit Wohnung - ATK einfach (in Minuten) MW 21.8, Median 20, SD 8.5, Range 10-45
(N=20)
Ähnlich wie in Langenthal geben die elf PatientInnen der ATK Biel ebenfalls an, dass ihnen
die Umstellung auf das Wochenende und der Wiedereinstieg in die ATK leicht oder eher
leicht gefallen sei. Von 20 der 31 PatientInnen liegen Angaben vor, sie waren im Erhebungszeitraum durchschnittlich während 85% der Öffnungszeiten präsent. Nehmen sie bei Abwesenheit nicht selbständig Kontakt zur ATK auf, telefoniert die ATK oder sucht sie Zuhause
auf. Dies war bei 5 (25%) PatientInnen der Fall. Das Ausmass der Unterstützung durch das
Personal regelmässig in ATK zu kommen wird mehrheitlich als „genau richtig“ bewertet, für
drei PatientInnen war die Unterstützung zu wenig für eine/n zu intensiv.
-47-
3.3.3 Ergebnisse der Prozessmessungen
3.3.3.1 ATK Langenthal: Psychopathologie und funktionale Gesundheit
Mit einem GAF von durchschnittlich 45.1 bei Eintritt zeigen sich ernste Symptome oder Beeinträchtigungen in der sozialen, beruflichen und schulischen Leistungsfähigkeit. Im MiniICF-P, der eine differenzierte Beurteilung der funktionalen Gesundheit erlaubt, finden sich
mittelgradige Beeinträchtigungen in der Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit und der Selbstbehauptungsfähigkeit (Tab. 20).
Tab. 20: Änderungen des psychosozialen Funktionsniveaus und der funktionalen Gesundheit ATK
Langenthal
GAF Eintritt
GAF Austritt
Sig.
MW 45.3, Median 45, SD 8.3,
Range 32-65
MW 54, Median 52, SD 13.6, Range 32-80
< .001
Mini ICF-P Eintritt
Mini ICF-P Austritt
Sig.
MW 23.3, Median 22, SD 7.8,
Range 6-39
MW 19.5, Median 21.5, SD 9.1,
Range 2-36
< .05
(N=28)
Bedenkt man die leicht ausgeprägten depressiven Symptome im PANSS, bei denen es sich
allerdings um die im Mittel am stärksten ausgeprägten Symptome handelt, wirken die Befunde im Mini-ICF-P nachvollziehbar und lassen an die depressive kognitive Triade denken.
Veränderungen i.S. von Verbesserungen finden sich aus den drei Perspektiven (ärztlicher
Dienst, Pflege, PatientInnen), wie die Ein- und Austrittsmessungen zeigen (Abb. 12)
-48-
* gemäss Lindenmayer Faktoren (1995)
Abb. 12: Psychopathologie (PANSS) Eintritt vs. Austritt ATK Langenthal
Die Verbesserungen im GAF erreichen mit einer mittleren Differenz von 8.7 Punkten (relative
Effektstärke rES=8.7%) werden sowohl statistisch (p < .001) als auch klinisch hochsignifikant. Ähnliches gilt für die erreichten Verbesserungen in der funktionalen Gesundheit im Mini-ICF-P mit einer rES=7.25%, p <.05. Hinsichtlich der Psychopathologie werden auf dem
Faktor Depressivität klinisch bedeutsame Verbesserungen erzielt (rES=7.8%) und die Veränderungen sind statistisch höchstsignifikant (p < .001).
Zum Austritt beurteilen 18 der 25 PatientInnen (72%) PatientInnen im PoC die Veränderung
ihrer psychischen Erkrankung als verbessert oder sehr verbessert, sechs (24%) stellten keine Veränderung fest und ein/e PatientIn erlebte eine Verschlechterung.
Positive Veränderungen finden sich also nicht nur auf der Ebene der Psychopathologie sondern auch im psychosozialen Funktionsniveau und der Funktionalen Gesundheit. Diese Befunde decken sich mit denen in der Literatur (Kallert et al., 2007). Gesamthaft muss jedoch
festgehalten werden, dass die PatientInnen trotz der Fortschritte, die sie in der ATK machen
konnten, auch bei Austritt noch merkliche Beeinträchtigungen aufweisen. Sie sind in der
Ausübung von Aktivitäten und Rollenfunktionen in verschiedenen Lebensbereichen nach wie
vor eingeschränkt (s.a. Resultate Mini-ICF-P)
Die Gesamtbeurteilung über die in der ATK erhaltene Behandlung und Betreuung durch die
PatientInnen fällt positiv aus. Auf der PoC Skala von 1 (denkbar schlechteste) bis 10 (denk-
-49-
bar beste) bewerten die PatientInnen Behandlung und Betreuung in der ATK im Mittel mit
8.5, SD 1.5, Range 5-10.
Bis auf eine/n PatientIn sind alle vom 16.02. bis 31.12.2009 in die ATK ein- und ausgetretenen PatientInnen psychopharmakologisch behandelt worden.
3.3.3.2 ATK Langenthal: Beurteilung durch die Pflegenden: Funktionale Gesundheit
Das Mini-ICF-P basiert auf der International Classification of Functioning, Disability and
Health (ICF) und erfasst das Ausmass einzelner Fähigkeitsstörungen von PatientInnen, die
deren Ausübung von Aktivitäten und von Rollenfunktionen in verschiedenen Lebensbereichen beeinträchtigen. Das Mini-ICF-P ist damit in gewisser Weise ein ähnliches aber differenzierteres Instrument als die GAF-Skala. Das Mini-ICF-P Rating besteht aus 13 Items, die
die Fähigkeiten einer Person hinsichtlich ihrer funktionalen Gesundheit/Beeinträchtigung
abbilden. Bei der Urteilsbildung können alle verfügbaren Informationen berücksichtigt werden, d.h. anamnestische und ggf. fremdanamnestische Angaben ebenso wie Beobachtungen in der Untersuchungssituation. Die Beurteilungen sollten nicht subjektive qualitative
Selbsteinschätzungen der PatientInnen wiedergeben, sondern Urteile des Raters sein, die er
aus möglichst detaillierten Verhaltensschilderungen ableitet. Es wird beurteilt, ob der/die PatientIn die Aktivitäten ausführen könnte (Leistungsfähigkeit/capacity) und nicht ob sie im Alltag gegenwärtig tatsächlich ausgeführt werden (Leistung/performance).
Beobachtungsdaten können aus dem Behandlungsalltag in der ATK gewonnen werden.
Wie auch im psychosozialen Funktionsniveau konnte die PatientInnen der ATK Langenthal
deutliche Verbesserungen in der funktionalen Gesundheit während der Behandlung erreichen. Die mittlere Differenz von -3.8 Punkten (rES=7.3%) erreicht sowohl statistisch (p < .05)
als auch klinisch Signifikanz (Abb. 13).
-50-
Abb. 13: Funktionale Gesundheit (Mini-ICF-P) Eintritt vs. Austritt ATK Langenthal
3.3.3.3 ATK Biel: Psychopathologie und funktionale Gesundheit
Mit einem GAF von durchschnittlich 46.4 bei Eintritt zeigen sich ernste Symptome oder Beeinträchtigungen in der sozialen, beruflichen und schulischen Leistungsfähigkeit.
Die Verbesserungen im GAF erreichen mit einer mittleren Differenz von 5.3 Punkten und
aufgrund des kleinen N sowie der grossen Streuung keine statistische Signifikanz. Da bei
Eintritt in die ATK die Beurteilung der funktionalen Gesundheit auf Basis der Patientenangaben zu positiv geratet wurde, bleiben diese Angaben für Auswertung unberücksichtigt (Tab.
21).
Tab. 21: Änderungen des psychosozialen Funktionsniveaus ATK Biel
GAF Eintritt
GAF Austritt
Sig.
MW 46.4, Median 46, SD 12.0,
Range 25-70
MW 51.6, Median 53, SD 14.2,
Range 29-70
n.s.
(N=14)
-51-
Die Austrittsergebnisse zeigen, dass die PatientInnen der ATK Biel in einem etwas stärkeren
Masse in ihrer funktionalen Gesundheit eingeschränkt sind als diejenigen der ATK Langenthal bei Austritt insbesondere hinsichtlich der Gruppenfähigkeit und Selbstpflege (Abb. 14).
Abb. 14: Funktionale Gesundheit (Mini-ICF-P) bei Austritt ATK Biel
Zum Austritt beurteilen neun von elf (82%) PatientInnen im PoC die Veränderung ihrer psychischen Erkrankung als verbessert oder sehr verbessert.
Die Gesamtbeurteilung über die in der ATK erhaltene Behandlung und Betreuung durch die
PatientInnen fällt positiv aus. Auf der PoC Skala von 1 (denkbar schlechteste) bis 10 (denkbar beste) bewerten die elf PatientInnen Behandlung und Betreuung in der ATK im Mittel mit
8.5, SD 1.8, Range 4-10. Einschränkend muss hier allerdings festgehalten werden, dass von
fast der Hälfte der behandelten PatientInnen keine Angaben vorliegen.
Die Verbesserungen der PatientInnen sind im Mittel auf drei der fünf PANSS Lindenmayer
Faktoren bedeutsam. Klinisch und statistisch signifikante Veränderungen konnten auf den
Faktoren der Negativ- und Positivsymptome sowie der Erregung erreicht werden (rES < 5%,
p < .05; Abb. 15).
-52-
* gemäss Lindenmayer Faktoren (1995)
Abb. 15: Psychopathologie (PANSS) Eintritt vs. Austritt ATK Biel
Von 19 der 21 PatientInnen, die im Erhebungszeitraum in die ATK ein- und ausgetretenen
sind liegen Angaben zur psychopharmakologischen Behandlung vor. 16 (84%) von ihnen
sind psychopharmakologisch behandelt worden.
3.3.3.4 ATK Langenthal Patientenbeurteilung: Beschwerden
Der OQ-45.2 ist ein Selbstbeurteilungsinstrument und enthält 45 Fragen, die sich darauf beziehen, wie sich der/die PatientIn in der vergangenen Woche gefühlt hat. Es sind sowohl
positive und negative Fragen (Itempolung) enthalten. Die 5-stufige Likert-Skala reicht von
„nie“ bis „immer“. Es werden Summen auf den drei Subskalen (Symptombelastung, zwischenmenschliche Beziehungen, soziale Integration) und ein Gesamtsummenscore gebildet.
Das Instrument eignet sich, um Therapieverläufe und -erfolge abzubilden und wird im Rahmen des ANQ-Pilotprojekts Psychiatrie eingesetzt.
Auf allen den Skalen Zwischenmenschliche Beziehungen und Soziale Integration finden sich
statistisch signifikante Verbesserungen 11 mit relativen Effektstärken (rES) von mehr als 5%,
auf der Symptomskala beträgt die relative Effektstärke 10.8% (Abb. 16).
11
Symptome p < .0001, Zwischenmenschliche Beziehungen p < .001, Soziale Integration p < .01
-53-
Abb. 16: Subjektive Beschwerden (OQ-45.2) Eintritt vs. Austritt ATK Langenthal
3.3.3.5 ATK Biel Patientenbeurteilung: Beschwerden
Auf allen drei Skalen des OQ-42.2 bilden sich Verringerungen der Beschwerden ab, die sogar auf der Symptom-Skala statistisch und klinisch werden (p <.05) und eine relative Effektstärke von 9.25% aufweisen, aber aufgrund der sehr kleinen Stichprobengrösse kritisch zu
betrachten sind (Abb. 17).
Abb. 17: Subjektive Beschwerden (OQ-45.2) Eintritt vs. Austritt ATK Biel
-54-
3.3.3.6 ATK Langenthal Patientenbeurteilung: Lebensqualität
Die WHOQOL-BREF bildet als Kurzform mit 24 Items die subjektive Lebensqualität in vier
Bereichen (Domänen) ab. Diese umfassen das physische und psychische Wohlbefinden, die
sozialen Beziehungen sowie Umwelt. Den positiven und negativen Aussagen werden auf
einer 5-stufigen Likert-Skala Werte von 1 bis 5 zugeordnet.
Die Lebensqualität der Globaldomäne wird bei Eintritt tiefer als mittelmässig eingeschätzt
und hat sich beim Austritt leicht in Richtung guter Beurteilung der Lebensqualität (relative
Effektstärke rES=12.8%, p < .001) und höherer Zufriedenheit mit der Gesundheit verschoben
(rES=7.2%, p < .01; Abb. 18).
Abb. 18: Lebensqualität (WHOOQL-BREF) Eintritt vs. Austritt ATK Langenthal
3.3.3.7 ATK Biel Patientenbeurteilung: Lebensqualität
Ebenso wie bei den Ergebnissen der ATK Langenthal verbessert sich die selbstbeurteilte
Lebensqualität der PatientInnen auf der Globaldomäne (rES=6%) auch in Biel. Die Resultate
der insgesamt geringen Veränderungen in der Lebensqualität sowohl in Biel aus auch in
Langenthal korrespondieren mit den Befunden in der Literatur (Priebe et al., 2006; Abb. 19).
-55-
Abb. 19: Lebensqualität (WHOOQL-BREF) Eintritt vs. Austritt ATK Biel
3.4
Diskussion
Die Evaluationsresultate bringen auf der einen Seite relevante Erkenntnisse der in den beiden Akuttageskliniken versorgten PatientInnen hervor weisen auf der anderen Seite eine
Reihe von Einschränkungen auf. Der Erhebungszeiträume von zehneinhalb Monaten in Langenthal und sechseinhalb Monaten in Biel konnten nur geringe Stichprobengrössen hervorbringen. Die Akuttageskliniken befanden sich im Evaluationszeitraum in ihrer Neueröffnungsund Einarbeitungsphase, das klinische Angebot war noch nicht konsolidiert. Hinzu kommt,
dass die Erhebungsinstrumente in den beiden Akuttageskliniken unterschiedlich umfassend
zum Einsatz kamen und sich die Datenqualität der ATK Biel noch steigern liesse. Der regelmässige Einsatz des Instrumentariums sowie die Datenerfassung wird dann von den betreffenden Psychiatriestützpunkten als therapeutisch sinnvoll und praktikabel beurteilt, wenn die
Resultate dem klinischen Erkenntnisgewinn dienen, sie in die Behandlungsplanung einfliessen und ausreichend personelle Ressourcen vorhanden sind. Die Rückmeldungen aus dem
Workshop im August 2009 replizieren damit die Ergebnisse der vorgängigen Tagesklinikbefragung.
Eine Evaluation, die Rahmenbedingungen und Konzepte der Institution nicht berücksichtigt
und sich fast ausschliesslich auf Patientenmerkmale und deren Veränderung bezieht, bleibt
zwangsläufig unvollständig und lässt Fragen nach unterschiedlichen Effekten der Behandlung offen. Ob und wenn ja in welchem Umfang die neuen akuttagesklinischen Angebote auf
die Inanspruchnahme der vollstationären Behandlungsangebote Auswirkungen haben, kann
auf der jetzigen Datengrundlage noch nicht beantwortet werden. Erkenntnis bringend wäre,
einen umfassenderen Vergleich zwischen den in der ATK und den im stationären Setting
behandelten PatientInnen anzustellen, als er mittels der MedStat Merkmale möglich ist. Erste
-56-
Kontakte zum Nationalen Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ)
wurden im Sommer 2009 geknüpft, die sich möglicherweise im 2010 ausbauen liessen.
Auch auf dem Hintergrund, qualitätssichernde Verfahren i.S. eines Reportings in der teilstationären Behandlung einzusetzen, ist es dringend zu empfehlen die Evaluation fortzusetzen.
Darüber hinaus haben Merkmale, die nicht routinemässig in der MedStat erfasst werden, wie
Psychopathologie und funktionale Gesundheit prädiktiven Wert hinsichtlich des Inanspruchnahmeverhaltens von psychiatrischen Versorgungsangeboten und geben relevante Hinweise
auf den individuellen Hilfebedarf des/der einzelnen PatientIn.
Die vorliegende Evaluation zeigt, dass die Behandlung in den Akuttageskliniken positive Effekte auf Störungsmerkmale, psychosoziales Funktionsniveau und funktionale Gesundheit
der PatientInnen hat. Die Zufriedenheit Seitens der PatientInnen mit der teilstationären Behandlung ist ausgeprägt. Für PatientInnen z.B. mit Familienverpflichtungen (Langenthal)
oder sozialen Rückzugstendenzen (Biel) können möglicherweise besonders von dem akuttagesklinischen Setting profitieren, anderenfalls wäre diese Patientengruppe eventuell psychiatrisch unterversorgt geblieben.
Bei der Betrachtung der bisherigen Evaluation auf einer inhaltlichen Ebene, lassen sich positive Auswirkungen auf die konzeptionelle Ausrichtung und Ausgestaltung sowie Teamprozesse finden, wie sich auf dem Workshop im August 2009 zeigte.
Eine neu eröffnete Akuttagesklinik muss sich in die bestehenden regionalen Behandlungsangebote einfügen. So werden in der ATK-Biel mehr PatientInnen mit neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen behandelt, die psychosozial etwas weniger beeinträchtigt sind als die Langenthaler PatientInnen. Dass unterschiedlich starke Behandlungseffekte in den beiden Akuttageskliniken erzielt werden, hängt möglicherweise mit der Intensität
der akutttagesklinischen Behandlung zusammen (Dosiseffekte). Eventuell können aber auch
klinisch bedeutsame Verbesserungseffekte durch eine optimale Nachbehandlung erzielt
werden. Damit sind Aspekte der geeigneten Allokation tangiert. Konzeptionelle Fragestellungen, wie Funktion der Tagesklinik i.S. einer vorgeschalteten oder nachgeschalteten Akuttagesklinik, ihre Integration in die bestehenden Versorgungsangebote, die Indikation zur akuttagesklinischen Behandlung, notwendige Dauer der Behandlung, um die akute Krankheitsphase zu überwinden und klinisch signifikante und nachhaltige Verbesserungen zu erzielen
sind im Rahmen von Katamnesen und von Vergleichen zu klinischen Populationen zu untersuchen.
-57-
Literatur
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Lebensqualität. Göttingen: Hogrefe.
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Effectiveness and costs of acute day hospital treatment compared with conventional
in-patient care: Randomised controlled trial. British Journal of Psychiatry, 188(3), 243249.
-58-
4
Angebotsstruktur und Versorgungslandschaft
4.1
Ausgangslage
Im Rahmen der Evaluation der psychiatrischen Versorgung ist neben den Pilotprojekten und
der Versorgung durch die ambulanten Grundversorger in den psychiatrischen, allgemeinmedizinischen und internistischen Praxen die Versorgung durch die sozialmedizinischen Institutionen erhoben worden. Eine integrierte psychiatrische Versorgung bedarf einer breiten Perspektive über bestehende Versorgungsangebote – auch über Leistungsträger bedingte Begrenzungen hinaus.
Um die psychiatrische Versorgungslandschaft im Kanton Bern in umfassender Weise darzustellen, wurde zunächst der Einsatz des European Service Mapping Schedule (ESMS-V3)
(Johnson & Kuhlmann, 2000) diskutiert und exemplarisch umgesetzt, da bisher kein Einrichtungskatalog 12 o.ä existiert, der Strukturmerkmale der sozialmedizinischen Institutionen im
Kanton Bern ESMS-V3 kompatibel abbildet. Die Darstellung dieses Instrumentes sowie der
Versuch, die Versorgungsstruktur der Pilotregion Oberaargau (MS-Region 15) mittels ESMS
abzubilden, finden sich am Ende dieses Kapitels. Diese Ausarbeitungen geben einen Einblick in die Möglichkeiten einer strukturierten Erfassung und Abbildung von Versorgungsangeboten.
In einem nächsten Schritt wurde geprüft, ob die Angaben der BfS-Statistik der sozialmedizinischen Institutionen (SOMED) in das ESMS-V3 überführt werden können. Rasch wurde
jedoch deutlich, dass die dort erfassten Institutionsmerkmale einen anderen Schwerpunkt
setzen als das ESMS-V3 und keine Kompatibilität besteht. Damit nicht gänzlich auf eine Abbildung der Wohn- und Tagesstruktursituation psychisch kranker Menschen im Kanton Bern
verzichtet werden muss, wird im Folgenden der Versuch unternommen auf Basis der SOMED zumindest einen Ist-Stand der Wohn- und Tagesstruktursituation psychisch Kranker
abzubilden. Die so gewonnenen Angaben vermögen – trotz diverser Einschränkungen der
Datenqualität – die Versorgung psychisch Kranker ausserhalb der subsidiären und institutionellen Versorgung im Kanton abzubilden.
4.2
Datenlage komplementärer Versorgungsangebote
Gesamthaft betrachtet muss die Datenlage zur Versorgung psychisch Kranker ausserhalb
des stationären Versorgung sowohl in der Schweiz als auch im europäischen Ausland als
12
weder http://www.wabe.ch/ (Wohn-, Arbeits-, Beschäftigungs-, Entlastungs- und Schulungsmöglichkeiten für
Menschen mit einer Behinderung und/oder einer sozialen Indikation) noch die Verzeichnisse von Pro mente sana
http://www.promentesana.ch/ verfügen über die für das ESMS-V3 benötigte Eindeutigkeit und Strukturierung in
den Merkmalen der sozialmedizinischen Institutionen
-59-
undurchsichtig und wenig Orientierung bietend betrachtet werden. Nach dem Einsetzen der
Enthospitaliserungsbewegung ist eine Fülle von komplementären Versorgungsangeboten
entstanden, die in ihren Bezeichnungen sowie Ausrichtungen und Konzeptionen zum Teil
erheblich differieren, sowie regional in unterschiedlichem Umfang und Dichte implementiert
sind. Diese Angebote umfassen i.d.R. Hilfen in den Lebensbereichen Wohnen, Arbeit & Ausbildung, Tagesstruktur, Beschäftigung und Freizeitgestaltung mit dem Ziel, psychisch beeinträchtigten Menschen eine in die Gesellschaft integrierte weitgehend selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.
Im vorliegenden Bericht werden die sozialmedizinischen Versorgungsangebote im Kanton
Bern in Bezug auf die SOMED Systematik dargestellt. Darin werden die in Institutionen vorhandenen Plätze nach Wohnheimen mit und ohne Beschäftigung, Tagesstätten, Werkstätten, Institutionen für berufliche Massnahmen und einer Restkategorie (andere) differenziert.
4.2.1 Richtwerte Wohnheime, betreutes Wohnen
Auf Basis der Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO muss von einem Bedarf von
3-5 Wohnplätzen pro 10’000 Einwohner für die Pflege chronisch Kranker ausgegangen werden (Becker et al., 2008, S. 51).
In ihrer Arbeit haben Brieger et al. (2003) im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt mittels
ESMS-V3 die psychiatrische Versorgung abgebildet. Demnach werden 2.4 Plätze pro 10’000
Einwohner im betreuten Wohnen (befristeter Aufenthalt, keine 24-Std. Betreuung) und 24
Plätze pro 10’000 Einwohner im Wohnheim mit unbefristetem Aufenthalt und 24-Std. Betreuung vorgehalten. Insgesamt gibt es in Deutschland im betreuten Wohnen (befristeter Aufenthalt, keine 24-Std. Betreuung) erhebliche regionale Unterschiede. Die Angebote reichen von
1.6 bis 10.3 Plätzen pro 10’000 Einwohner. In einer europäischen Studie (Becker et al.,
2002) findet sich das grösste Platzangebot in zeitlich unbegrenzten Wohnangeboten mit täglicher oder 24-Std. Betreuung in Raten von 0.35 Plätzen (Santander) bis 15 Plätzen (Kopenhagen) pro 10’000 Einwohner. Auf Basis dieser Angaben sind Vorsorgungsangebote im Bereich Wohnen nach wie vor stark in institutionellen Wohnheimen angesiedelt. Demgegenüber
ist das betreute Einzelwohnen als Versorgungsangebot gering entwickelt. Wenn im Rahmen
des Abbaus von Plätzen im Langzeitbereich der psychiatrischen Spitäler ein 24-Stunden
Betreuungsangebot gegen ein anderes ausgetauscht wird, entsteht Transinstitutionalisierung; Enthospitalisierung ist nicht gleichbedeutend mit Entinstitutionalisierung.
4.3
Auswertung
In die Auswertung eingeschlossen wurden sämtliche Plätze für Erwachsene über 20 Jahre
der sozialmedizinischen Institutionen im Kanton Bern (BSV und nicht BSV subventioniert)
-60-
sowie alle KlientInnen über 20 Jahre, die im 2008 Versorgungsangebote der Institutionen in
Anspruch genommen haben. Die SOMED-Daten über die MS-Regionen im Kanton Bern
wurden von der Abteilung für wissenschaftliche Auswertung der Gesundheits- und Fürsorgedirektion aggregiert zur Verfügung gestellt. Diese Datenaufbereitung berücksichtigt nicht die
Anzahl der sozialmedizinischen Institutionen sondern bildet die Summen der zur Verfügung
stehenden Plätze in den einzelnen MS-Regionen ab. Anhand Platzangaben in den verschiedenen Institutionstypen und dem prozentualen Anteil der KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen, Suchtbehinderung oder Eingliederungsproblemen kann auf die Inanspruchnahme bzw. Nutzung der sozialmedizinischen Angebote geschlossen werden. Darüber hinaus kann über die Inanspruchnahme von Plätzen durch KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen auf die Rate genutzter Plätze pro 10'000 Einwohner geschlossen werden. Das
Kernstück der Auswertung stellt die Übersicht in Tab. 22 dar. Im Folgenden soll schwerpunktmässig auf diejenigen Plätze fokussiert werden, die von KlientInnen mit psychischer
Beeinträchtigung genutzt werden. Die absoluten und prozentualen Angaben der Plätze, die
durch KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen, Suchtbehinderung oder Eingliederungsproblemen genutzt werden, zeigen möglicherweise Schwerpunkte einiger Institutionen
bezüglich der Hauptbehinderungen ihrer betreuten KlientInnen an. Da keine Angaben auf
Institutionsebene vorliegen, wird im Folgenden auf ihre vertiefte Darstellung verzichtet und
für detaillierte Informationen auf Tab. 22 verwiesen. KlientInnen mit Suchtbehinderung oder
Eingliederungsproblemen sind separat aufgeführt und sind ebenfalls nicht Gegenstand der
folgenden Ausführungen.
4.4
Ergebnisse
Die zur Verfügung stehenden Plätze in den sozialmedizinischen differieren über die MSRegionen erheblich, ebenso wie die Nutzung der vorhandenen Plätze durch KlientInnen mit
psychischen Beeinträchtigungen. Bedingt durch die aggregierte Aufbereitung der Daten können keine Angaben statistischer Signifikanz dieser Unterschiede ermittelt werden. Nicht abgebildet wird auf der KlientInnenebene die unterschiedliche Inanspruchnahme sozialmedizinischer Angebote innerhalb oder ausserhalb ihrer Wohnregion, massgeblich ist die Region
der Institution.
4.4.1 Sozialmedizinische Institutionen: Wohnheime
Von den 3968 im Kanton Bern zur Verfügung stehenden Wohnheimplätzen (mit und ohne
Beschäftigung) wurden 714 Plätze (18.0%) durch KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen genutzt. Dies entspräche einer Rate von 9.2 Plätzen pro 10'000 Einwohner. Im Vergleich zwischen den MS-Regionen Stadt Bern und Nicht-Stadt Bern ist die Rate der Plätze
pro 10'000 Einwohner in der Region Stadt Bern um vier Plätze tiefer (6.3 vs. 10.5 Plätze pro
-61-
10'000 Einwohner). Psychisch beeinträchtigte KlientInnen in Wohnheimen wohnten also eher
nicht in der Stadt Bern. Über alle MS-Regionen betrachtet streut die Rate der Plätze, die von
psychisch beeinträchtigten KlientInnen in Anspruch genommen wurden zwischen 0 (MSRegion 22) und 35.3 (MS-Region 21). Diese Resultate korrespondieren mit denen des
Richtwerteberichts Kanton Bern, in dem 9.6 Wohnheimplätze für psychisch Kranke pro
10’000 Einwohner angegeben werden (Hoffmann, 2006, S. 51).
Einschränkend muss bei der Zuordnung der KlientInnen zu Plätzen in Wohnheime auf Plausibilitätsprobleme innerhalb der SOMED Systematik hingewiesen werden. Diese Unschärfen
sind durch fehlende Eingabevorgaben bedingt. Abb. 20 zeigt die Zuordnung zu Wohnheimplätzen aufgrund der Eingaben im SOMED und die Anzahl der Klienten, die aufgrund dieser
Angaben keinem Angebot eindeutig zugeordnet werden konnte. Durch die Zusammenfassung der Wohnheime mit und ohne Beschäftigung wurde versucht dieser Schwäche entgegen zu wirken.
4.4.2 Sozialmedizinische Institutionen: Tagesstätten
Von den 302 im Kanton Bern zur Verfügung stehenden Tagesstätten Plätzen wurden 141.1
Plätze (46.7%) durch KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen genutzt. Dies entspräche einer Rate von 1.8 Plätzen pro 10'000 Einwohner. Im Vergleich zwischen den MSRegionen Stadt Bern und Nicht-Stadt Bern ist die Rate der Plätze pro 10'000 Einwohner in
der Region Stadt Bern um 2.3 Plätze höher (3.1 vs. 0.7 Plätze pro 10'000 Einwohner). Psychisch beeinträchtigte KlientInnen besuchten Tagesstätten eher in der Stadt Bern. Über alle
MS-Regionen betrachtet streut die Rate der Plätze, die von psychisch beeinträchtigten KlientInnen in Anspruch genommen wurden, zwischen 0 (MS-Regionen 12, 16, 19, 22, 23) und
3.1 (MS-Region 11).
4.4.3 Sozialmedizinische Institutionen: Werkstätten
Von den 1850 im Kanton Bern zur Verfügung stehenden Werkstattplätzen wurden 555.5
Plätze (30.0%) durch KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen genutzt. Dies entspräche einer Rate von 7.2 Plätzen pro 10'000 Einwohner. Im Vergleich zwischen den MSRegionen Stadt Bern und Nicht-Stadt Bern ist die Rate der Plätze pro 10'000 Einwohner in
der Region Stadt Bern um vier Plätze höher (9.3 vs. 5.3 Plätze pro 10'000 Einwohner). Psychisch beeinträchtigte KlientInnen in Werkstätten arbeiteten eher in der Stadt Bern. Über alle
MS-Regionen betrachtet streut die Rate der Plätze, die von psychisch beeinträchtigten KlientInnen in Anspruch genommen wurden zwischen 0 (MS-Regionenen 12, 21) und 16.1 (MSRegion 23).
-62-
Abb. 20: Plausibilität der Zuordnung der KlientInnen zu den Variablen Wohnheim mit Beschäftigung
und Wohnheim ohne Beschäftigung
-63-
4.4.4 Sozialmedizinische Institutionen: Berufliche Massnahmen
Von den 713 im Kanton Bern zur Verfügung stehenden Plätzen für berufliche Massnahmen
wurden 293.5 Plätze (41.2%) durch KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen genutzt.
Dies entspräche einer Rate von 3.8 Plätzen pro 10'000 Einwohner. Im Vergleich zwischen
den MS-Regionen Stadt Bern und Nicht-Stadt Bern ist die Rate der Plätze pro 10'000 Einwohner in der Region Stadt Bern um elf Plätze höher (12.7 vs. 1.2 Plätze pro 10'000 Einwohner). Psychisch beeinträchtigte KlientInnen absolvierten berufliche Massnahmen eher in
der Stadt Bern. Über alle MS-Regionen betrachtet streut die Rate der Plätze, die von psychisch beeinträchtigten KlientInnen in Anspruch genommen wurden zwischen 0 (MSRegionen 12, 14, 20) und 12.7 (MS-Region 11).
4.4.5 Gesamte Angebote in sozialmedizinische Institutionen
Von den 6956 im Kanton Bern zur Verfügung stehenden Plätzen in sozialmedizinischen Institutionen wurden 1742.5 Plätze (25.1%) durch KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen genutzt. Dies entspräche einer Rate von 22.5 Plätzen pro 10'000 Einwohner. Im Vergleich zwischen den MS-Regionen Stadt Bern und Nicht-Stadt Bern ist die Rate der Plätze
pro 10'000 Einwohner in der Region Stadt Bern um 13.9 Plätze höher (32.2 vs. 18.4 Plätze
pro 10'000 Einwohner). Psychisch beeinträchtigte KlientInnen nutzten Angebote sozialmedizinischer Institutionen eher in der Stadt Bern. Über alle MS-Regionen betrachtet streut die
Rate der Plätze, die von psychisch beeinträchtigten KlientInnen in Anspruch genommen
wurden zwischen 0 (MS-Regionen 12, 14, 20) und 12.7 (MS-Region 11).
-64-
Tab. 22: Übersicht der Plätze in sozialmedizinischen Institutionen und Nutzung durch KlientInnen
-65-
-66-
4.5
Diskussion und Ausblick
Zunächst einmal unabhängig von den Hauptbehinderungen der in den sozialmedizinischen
Institutionen behandelten KlientInnen besteht im Kanton Bern gesamthaft betrachtet ein umfangreiches Versorgungsangebot für behinderte Menschen. Mit dem hier gewählten Vorgehen ist über die Anzahl der KlientInnen mit psychischer Beeinträchtigung auf die von ihnen
genutzten Plätze der einzelnen Versorgungsangebote geschlossen worden. Die von den
KlientInnen genutzten Plätze in den sozialmedizinischen Institutionen und die daraus abgeleiteten Platzraten bezogen auf 10'000 Einwohner geben keinen Aufschluss darüber, ob die
KlientInnen mit psychischer Beeinträchtigung in einer auf ihre Problemlagen ausgerichteten
Institution betreut werden. Sie stellen kein Mass für sozialmedizinische Versorgungsangebote psychisch kranker Menschen dar, sondern ein Mass für die Inanspruchnahme bzw. Nutzung der sozialmedizinischen Institutionen in den Bereichen Wohnen, Arbeit, Ausbildung,
Tagesstruktur und Beschäftigung.
Selbst die Zuordnung bei der Erfassung durch die sozialmedizinischen Institutionen zu einer
der Hauptbehinderungen ist mit einer gewissen Unschärfe versehen. Adäquate oder Fehlallokationen sind in dieser Weise nicht abbildbar.
Die Nutzungsraten der sozialmedizinischen Institutionen pro 10'000 Einwohner sind schwerlich mit den WHO Richtwerten oder Raten aus dem europäischen Ausland zu vergleichen.
Aus den Publikationen geht nicht hervor, ob die Kennziffern sich auf die gesamte oder nur
erwachsene Population beziehen oder ob noch bestehende Kliniklangzeitplätze einberechnet
wurden.
Der Umfang, in dem KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen Plätze in sozialmedizinischen Institutionen genutzt haben, weist regional deutliche Unterschiede auf. Im Vergleich
zwischen der MS-Regionen 11 (Stadt Bern) und den übrigen MS-Regionen fällt eine Asymmetrie in den Bereichen Wohnen und Arbeiten auf. Obwohl die Raten aller genutzten Plätze
pro 10'000 Einwohner durch KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen in der MSRegion Stadt Bern insgesamt wesentlich höher liegen als in den übrigen MS-Regionen (32.2
Plätze vs. 18.3 Plätze pro 10'000 Einwohner), zeigt sich im Bereich Wohnheime ein umgekehrtes Verhältnis mit tieferen Raten in der MS-Region Stadt Bern im Vergleich zu den übrigen MS-Regionen. In den MS-Regionen Nicht-Bern fällt hingegen die geringe Platznutzung
auf von KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen in Tagesstätten, Werkstätten und
berufliche Massnahmen ausgerichtete Institutionen. Auch wenn Wohnheime in den MSRegionen Nicht-Bern integrierte Beschäftigungsmöglichkeiten für ihre KlientInnen enthalten,
sind viele dieser Arrangements wohl wenig geeignet, die soziale und berufliche Integration
für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu befördern, sondern wirken eher in eine
sozial exkludierende Richtung. Die Tatsache, dass rund zwei Drittel aller in psychiatrischen
-67-
Kliniken behandelten PatientInnen ohnehin bereits aus dem Erwerbsleben ausgegliedert
sind, verleiht der Forderung nach Zugänglichkeit zu und Erreichbarkeit von rehabilitativen
Angeboten eine gewisse Eindringlichkeit.
Bezüglich der Datengrundlage ist festzustellen, dass Güte und Umfang der Informationen
über sozialmedizinische Institutionen und ihre betreuten KlientInnen im Vergleich zur denen
der psychiatrischen Kliniken gering sind. Differenzierte Angaben z.B. zu den Versorgungsangeboten im Bereich Wohnen liegen nicht vor. Versorgungsrelevante Aspekte wie Betreuungsdauer und Intensität, Flexibilität und Abstufungen des Betreuungsangebots oder auch
Fragen bezüglich der Allokation bleiben vorerst unterbelichtet. Ein sinnvoller Schritt, um dieses Kenntnisdefizit mittelfristig zu beheben, bestünde in einer Vollerhebung der sozialmedizinischen Institutionen mittels ESMS-V3. Die Resultate könnten zu einer umfänglicheren
Planungsgrundlage psychiatrischer Versorgung auch jenseits der institutionellen Psychiatrie
beitragen.
4.5.1 European Service Mapping Schedule (ESMS-V3)
Das European Service Mapping Schedule (ESMS-V3) (Johnson & Kuhlmann, 2000) ist ein
standardisiertes und international anwendbares Instrument, das die Beschreibung und Klassifikation psychiatrischer Versorgungsangebote bezogen auf ihre Versorgungsregion ermöglicht. Das ESMS-V3 ist unterteilt in die folgenden vier Teilbereiche, dessen Kernstück den so
genannten Versorgungsbaum und die Zuordnungsregeln enthält.
1. Einführende Fragen: Beschreibung der Region und der Bevölkerung, für die die
ESMS-V3 Übersicht erstellt werden soll
2. Versorgungsbäume: die funktionsbezogene Zuordnung zu den einzelnen Kategorien
anhand der standardisierten Beschreibung der Versorgungsangebote
3. Nutzungshäufigkeiten: Standardisierte Erfassung der Inanspruchnahme der einzelnen
Versorgungsangebote durch die Bevölkerung der Region
4. Inventar der Einrichtungen: Detaillierte Beschreibung der einzelnen Versorgungsangebote in halbstandardisierter oder freier Form
In Abhängigkeit von Fragestellung und Datenlage können auch lediglich Teilbereiche des
ESMS-V3 eingesetzt werden. Ein- oder Ausschluss von Bevölkerungsgruppen, z.B. geistig
Behinderte, müssen einleitend beschrieben werden, um die Vergleichbarkeit der Daten zu
gewährleisten. Die Zuordnungsregeln des ESMS-V3 sind strukturiert, so dass die einzelnen
Versorgungsangebote der dazustellenden Region eindeutig darstellbar sind.
-68-
Die Versorgungsangebote werden im ESMS-V3 Manual in vier Versorgungsgruppen eingeteilt:
1. Versorgungsangebote mit Übernachtung
2. Versorgungsangebote der Tagesbetreuung und strukturierten Aktivitäten
3. Ambulante und kommunale Versorgungsangebote
4. Versorgungsangebote der Selbst- und Laienhilfe
Für diesen Evaluationsversuch wurde das ESMS-V3 um die Gruppe der niedergelassenen
Psychiater erweitert:
5. Ärzte mit Praxistätigkeit FMH Psychiatrie und Psychotherapie
Mit Ausnahme der Selbst- und Laienhilfe sind die Versorgungsgruppen ausdifferenziert in
akute und nicht-akute sowie mobile und ortsfeste Versorgungsangebote mit offenem oder
zeitlich begrenztem Aufenthalt.
Es ist festzuhalten, dass mit dem ESMS-V3 Angebote und Plätze, aber nicht direkt Patienten
dargestellt werden können, die Auslastung der Versorgungsangebote wird nicht abgebildet.
Ebenfalls nicht erfasst werden kann, ob und in welchem Umfang psychisch Kranke in nicht
auf diese Personengruppe ausgerichteten Institutionen betreut werden.
In der Pilotregion Oberaargau sollte das ESMS-V3 probeweise zum Einsatz kommen, um die
mobilen Versorgungsangebote der MOKI und Notfalltriage sowie die ab 2009 eingeführten
Akuttageskliniken in ihrem Versorgungskontext abzubilden. Obwohl das ESMS-V3 eine klare
Zuordnungsstruktur bereitstellt, gestaltete sich die Recherche vor allem der Wohnheime für
psychisch Kranke (R8-R13) kompliziert. Durch den Bundesbeschluss über die NFA beziehen
sich die aktuellsten Daten der Bedarfsplanung des Kantons Bern für Werkstätten und Wohnheime/Tagesstätten auf die Planungsperiode 2004-2006 (Stand 07.05.03). Über Wohnheime, die keine BSV bewilligten Plätze für psychisch Behinderte besitzen, sind die Angaben je
nach Quelle widersprüchlich. Die Recherche im WABE ergibt, dass praktisch alle Wohnheime auch psychisch Behinderte aufnehmen. Darüber hinaus sind die Bezeichnungen der Angebote (z.B. Wohnheim, betreutes oder begleitetes Wohnen in eigener Wohnung/in zur Verfügung gestellter Wohnung) uneinheitlich und erschweren die eindeutige Zuordnung gemäss
ESMS-V3. Positiv anzumerken ist, dass offenbar diverse Wohnheime ihr Betreuungsangebot
ausdifferenzieren und sowohl eng- als auch weitermaschige Wohnbetreuung anbieten.
Auf Grund der genannten Einschränkungen ist der ESMS-V3 Versorgungsbaum der Region
Oberaargau in einem teilweise unvollständigen Zustand (Tab. 23).
-69-
Tab. 23: Versorgungsbaum Psychiatrische Dienste Oberaargau (MS Region 15)
1. Versorgungsangebote mit Übernachtung
speziell gesicherte Unterbringung
R1
1.1.0.0.0
Krankenhaus
R2
1.2.1.0.0
andere
R3
1.2.2.0.0
Betreuung rund um die Uhr
R4
1.3.1.1.1
Betreuung nur am Tage, aber
jeden Tag
R5
1.3.1.1.2
Betreuung rund um die Uhr
R6
1.3.1.2.1
Betreuung nur am Tage, aber
jeden Tag
R7
1.3.1.2.2
akut (Aufnahme innerhalb 24 Stunden; Wohnung wird beibehalten)



KIS Spital Niederbipp (15 Plätze)
PZM (ausserhalb der ESMS Region)
Klinik St. Urban (4 Plätze) (ausserhalb der ESMS Region, ausserkantonal, keine Aufnahmepflicht)


Klinik SGM (25 Plätze)
Klinik Wysshölzli (mind. 12 bis max.
48 Wochen, 35 Plätze für Frauen)
stoffgebundene Abhängigkeiten i.d.R.
legale Subtanzen und Essstörungen)
Herzogenbuchsee

Stiftung Lebensgemeinschaften behinderter Menschen: Calendula
Übergangswohnheim/ Aussenwohngruppe Herzogenbuchsee, 6/4 von 10
von 34 Plätzen
Stiftung Werkstätte für Behinderte:
Wohnheim Mättenbach Madiswil, 1
von 25 Plätzen
nicht akut
Krankenhaus
zeitlich begrenzter Aufenthalt
(fest definiert)
Verweildauer offen:
andere Einrichtung
Verweildauer
unklar
R8-R13

zeitlich begrenzter Aufenthalt:
Betreuung rund um die Uhr incl.
nächtlichem Pikettdienst
R8
1.3.2.1.1

Trägerverein Solidarität Wohn4tel
Langenthal (max. 2 Jahre, nachts Pikettdienst) 14 Plätze
Betreuung nur am Tage, aber
jeden Tag
R9
1.3.2.1.2

Bärg u Tal internes und externes
Wohnen Huttwil (Dauer?) 9 Plätze –
keine BSV Bewilligung?
Betreuung nur am Tage, nicht
jeden Tag
R10
1.3.2.1.3

Stiftung Lebensgemeinschaften behinderter Menschen: Calendula
Wohncoaching, Herzogenbuchsee,
(Dauer?) 3 von 6 Plätzen
-70-
Verweildauer offen:
Betreuung rund um die Uhr incl.
nächtlichem Pikettdienst
R11
1.3.2.2.1


Betreuung nur am Tage, aber
jeden Tag
R12
1.3.2.2.2
Betreuung nur am Tage, nicht
jeden Tag
R13
1.3.2.2.3
RAZ Herzogenbuchsee (von der 24
Stunden Betreuung mit nächtlichem
Pikettdienst bis zum externen beleiteten Wohnen im Studio) 7 von 68 Plätzen
Wohngemeinschaft Gässli, Kleindietwil (12 Betreuung, 12 Stunden Pikettdienst) 10 Plätze – keine BSV Bewilligung?
2. Versorgungsangebote der Tagesbetreuung und strukturierte Aktivität
akut
D1
2.1.1.0.0


Tagesklinik Langenthal (15 Plätze),
Akut-Tagesklinik Langenthal (8 Plätze)
D2
2.1.2.1.1

RAZ Herzogenbuchsee, (17 von 170
Plätzen)
Stiftung Werkstätte für Behinderte
Madiswil (25 von 90 Plätzen)
nicht akut
hohe Intensität (mind. vier Halbtage pro Woche):
geschützte Arbeit, bezahlt (>
50% des örtl. Mindestlohnes)

arbeitsähnliche Beschäftigung
D3
2.1.2.1.2
andere strukturierte Tätigkeit
D4
2.1.2.1.3
sozialer Kontakt
D5
2.1.2.1.4
geschützte Arbeit, bezahlt (>
50% des örtl. Mindestlohnes)
D6
2.1.2.2.1
arbeitsähnliche Beschäftigung
D7
2.1.2.2.2
niedrige Intensität (weniger als vier
Halbtage pro Woche):


andere strukturierte Tätigkeit
D8
2.1.2.2.3
sozialer Kontakt
D9
2.1.2.2.4
Tagesstätte Calendula, Herzogenbuchsee
Bärg u Tal Kreativwerkstatt (Anzahl
Plätze?) Huttwil
-71-
3. Ambulante und kommunale Versorgungsangebote
Notfallversorgung
mobil:
rund um die Uhr (24 h/d an allen
Tagen d. Woche)
O1
2.2.1.1.1
begrenzte Öffnungszeiten
O2
2.2.1.1.2
rund um die Uhr (24 h/d an allen
Tagen d. Woche)
O3
2.2.1.2.1
begrenzte Öffnungszeiten
O4
hohe Intensität (Kontakt mind.
3x wöchentlich mgl.)

MOKI Langenthal
2.2.1.2.2




Notfalltriage
MOKI Langenthal
Ambulatorium Langenthal,
Ambulatorium Niederpipp
O5
2.2.2.1.1

Spitex
mittlere Intensität (Kontakt mind.
2x wöchentlich mgl.)
O6
2.2.2.1.2

Spitex
niedrige Intensität
O7
2.2.2.1.3

Spitex
hohe Intensität (Kontakt mind.
3x wöchentlich mgl.)
O8
2.2.2.2.1
mittlere Intensität (Kontakt mind.
2x wöchentlich mgl.)
O9
2.2.2.2.2
niedrige Intensität
O10
2.2.2.2.3
4. Versorgungsangebote der
Selbsthilfe und Laienhilfe
S
3.0.0.0.0

Club 88 für Menschen mit psychischen Krankheiten, Langenthal
5. Ärzte mit Praxistätigkeit
FMH Psychiatrie und Psychotherapie
P
4.0.0.0.0

12 niedergelassene PsychiaterInnen
FMH
ortsfest:
Dauerbetreuung
mobil:
ortsfest:
In der Gegenüberstellung dieser Rekonstruktion der Versorgungslandschaft der MS-Region
15 mit den SOMED Angaben 2008 zeigen sich bereits einige Abweichungen. So werden auf
Basis der SOMED Daten etwa 20 Plätze mehr von psychisch kranken Menschen in Wohnheimen genutzt.
-72-
Literatur
Becker, T., Hoffmann, H., Puschner, B. & Weinmann, S. (2008). Versorgungsmodelle in Psychiatrie und Psychotherapie. Stuttgart: Kohlhammer.
Becker, T., Hülsmann, S., Knudsen, H. C., Martiny, K., Amaddeo, F., Herran, A., Knapp, M.,
Schene, A. H., Tansella, M., Thornicroft, G., Vázquez-Barquero, J. L. & Epsilon Study
Group. (2002). Provision of services for people with schizophrenia in five European
regions. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, 37(10), 465-474.
Brieger, P., Wetzig, F. & Bocker, F. M. (2003). Institutions and services of psychiatric care in
Saxony-Anhalt: Assessment with the European Services Mapping Schedule. European Psychiatry, 18(3), 145-147.
Hoffmann, H. (2006). Richtwerte für die Psychiatrieversorgung des Kantons Bern. Expertise
im Auftrag der Dienststelle Psychiatrie der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des
Kantons Bern. (unveröffentlicht).
Johnson, S. & Kuhlmann, R. (2000). The European Service Mapping Schedule (ESMS): development of an instrument for the description and classification of mental health services. Acta Psychiatrica Scandinavica, 102(Suppl. 405), 14-23.
-73-
5
Schriftliche Befragungen
5.1
Psychiaterbefragung
5.1.1 Einführung
Mit Unterstützung der schweizerischen Gesellschaft und der bernischen Gesellschaft für
Psychiatrie und Psychotherapie, der GEF und Mitglieder der Strategiegruppe konnte das
WePBE-Evaluationsteam einen Fragebogen entwerfen, der zum Ziel hatte, der Beitrag psychiatrischer Praxen an die Psychiatrieversorgung des Kantons Bern zu erfassen.
Der entstandene Fragebogen besteht aus vier Teilen: Teil 1 erhebt Daten über den Berufsalltag, die psychiatrisch-psychotherapeutische Arbeitsweise und Schwerpunkte, Kapazitäten
und Praxisorganisation der niedergelassenen PsychiaterInnen. In Teil 2 folgt eine Einschätzung der Versorgung und Qualität der Zusammenarbeit mit andern Akteuren des Systems.
Teil 3 enthält Fragen über die Einschätzung zur bestmöglichen Versorgung einzelner Patientengruppen und Teil 4 erhebt Stichtagsdaten der Klientel mit Angaben zu soziodemographischen, krankheits- und behandlungsbezogenen Themen.
Zwischen April und Juni 2009 wurden insgesamt 292 niedergelassene Psychiaterinnen und
Psychiater im Kanton Bern über E-Mail oder Postadresse angefragt, an der Erhebung teilzunehmen. 218 gaben ihre E-Mail-Adresse an und konnten eingeladen werden. Insgesamt 142
Personen aktivierten ihren Fragebogen anhand eines Passwortes, 122 beantworteten ihn.
Bezüglich der Anzahl Eingeladene entspricht dies einer Rücklaufquote von 56% (Abb. 21).
Abb. 21: Vorgehen und Rücklauf
-74-
5.1.2 Ergebnisse
5.1.2.1 Teil1: Angaben über die an der Befragung teilgenommenen PsychiaterInnen
Tab. 24: Angaben über Person und Praxis der Befragten
Alter
Total:
MW 54.1, Median 54, SD 7.1, R 36-71
MS 11 (N=67):
MW 55.1, Median 55, SD 7.2, R 40-70
Ø-MS 11 (N=54): MW 53.4, Median 53, SD 7.1, R 36-71
Geschlecht
In eigener Praxis seit (in Jahren)
Total:
64 (47.1 %) weiblich
MS 11:
33 (48.5%) weiblich
Ø-MS 11:
25 (46.3%) weiblich
Total:
MW 12.7, Median 11, SD 7.8, R 1-34
MS 11 (N=62):
MW 14.2, Median 12, SD 7.9, R 2-34
Ø-MS 11 (N=51): MW 11.8, Median 10, SD 7, R 1-28
MS-Region
Verrechenbare eigene Arbeitszeit
pro Woche (in Stunden)
11 Bern: 81 (57 %),
Rücklauf 60%
12 Erlach-Seeland: 3 (2.1%),
Rücklauf 60%
13 Biel: 13 (9.2%),
Rücklauf 72,2%
15 Oberaargau: 9 (6.3%),
Rücklauf 69,2%
16 Burgdorf: 9 (6.3%),
Rücklauf 75%
18 Aaretal: 1 (0.7%),
Rücklauf 50%
20 Thun: 19 (13.4%),
Rücklauf 82.6%
23 Oberland Ost: 6 (4.2%),
Rücklauf 85.7%
42 Murten: 1 (0.7%),
Rücklauf 100%
Total:
MW 30.8, Median 30, SD 16.3, R 1-100
MS 11 (N=66):
MW 30.4, Median 30, SD 12.3, R 5-70
Ø-MS 11 (N=53): MW 32.9, Median 30, SD 19.5, R 1-100
Anzahl Patienten pro Jahr
Total:
MW 108.5, Median 90, SD 67.2, R 4-350
MS 11 (N=66):
MW 98.8, Median 89.5, SD 56.6, R 22-350
Ø-MS 11 (N=53): MW 122.1, Median 108, SD 77.2, R 4-350
Anzahl Konsultationen pro Jahr
Total:
MW 1188.0, Median 1120, SD 618.4, R 23-3375
MS 11 (N=66):
MW 1192.9, Median 1135, SD 563.1, R 180-2970
Ø-MS 11 (N=53): MW 1196.1, Median 1120, SD 685.1,R 23-3375
Anteil psychotherapeutischer Tätigkeit (in %)
Total:
MW 60.8, Median 60, SD 19.2, Range 5-95
MS 11 (N=66):
MW 61.7, Median 70, SD 20.1, R 20-95
Ø-MS 11 (N=52): MW 59.7, Median 60, SD 18.3, R 5-99
Anteil psychiatrischer Tätigkeit (in %)
Total:
MW 39.3, Median 40, SD 19.2, Range 1-95
MS 11 (N=66):
MW 38.3, Median 30, SD 20.1, R 5-80
Ø-MS 11 (N=52): MW 40.3, Median 40, SD 18.3, R 1-95
-75-
Tab. 24 führt die persönlichen Daten der Befragten auf, ihr Alter, Geschlecht, in welcher MSRegion sie tätig sind, wie ihr Arbeits- und Behandlungsvolumen aussieht und wie hoch ihr
Anteil an psychotherapeutischer und psychiatrischer Arbeit ist.
Aufgeteilt nach MS-Region 11 (Bern) oder Nicht-11, unterscheiden sich die einzelnen Mittelwerte nur unwesentlich bezüglich Alter, Geschlecht, Arbeitszeit pro Woche und Anteil psychotherapeutischer und psychiatrischer Tätigkeit.
Über 50 Prozent der Befragten kann eine Therapie auch in Englisch anbieten, gefolgt von
Französisch, Italienisch und anderen Sprachen, es gibt allerdings sehe wenige Personen mit
Kenntnissen in balkanesischen Sprachen. Die häufigste nicht therapeutische Tätigkeit ist
Supervision, gefolgt von anderen Arbeiten und der Erstellung von Gutachten. Die befragten
Psychiaterinnen und Psychiater geben als diagnostische Schwerpunkte am häufigsten affektive und neurotische Störungen an, als therapeutische Schwerpunkte am häufigsten Erwachsene und Einzeltherapie an (Tab. 25).
Tab. 25: Schwerpunkte in der Praxis der Befragten
Sprache (N=116)
Englisch: 60 (51.7%)
Italienisch: 26 (22.4%)
Französisch: 56 (48.3%)
Andere: 23 (19.8%)
Nicht therapeutische Tätigkeiten
(N=119)
Supervision: 50 (42%)
Andere: 53 (44.5%)
Schwerpunkte (N=122)
F1: 17 (13.9%)
Erwachsene: 115 (94.3%)
F2: 42 (34.4%)
Ältere: 22 (18%)
F3: 100 (82%)
KJP: 14 (11.5%)
F4: 92 (75.4%)
Einzel-Therapie: 114 (93.4%)
F45: 60 (49.2%)
Paar-/Familien-Therapie: 41 (33.6%)
F6: 72 (59%)
Gruppen-Therapie: 9 (7.4%)
Gutachten: 14 (11.8%)
Andere: 94 (77%)
-76-
Tab. 26 stellt die Angaben zu Praxiskapazitäten, Wartefristen und Praxisorganisation zusammen.
-77-
Tab. 26: Angebot und Organisation der Praxis
Beurteilung der Kapazitäten
Freie Kapazitäten: 12
Auslastung richtig:
Zuviele Patienten:
Total: (N=112)
(9.9%)
75 (62%)
34 (28.1%)
MS 11 (N=67)
6 (9%)
45 (67.2%)
16 (23.9%)
Ø-MS 11 (N=54)
6 (11.1%)
30 (55.6%)
18 (33.3%)
Krisenintervention
Angebot möglich:
Erster Termin (in Tagen):
Total: (N=112)
63 (56.3%)
MW 4.0, Median 2.5, SD 4.3, R 1-30
MS 11 (N=62)
37 (59.7%)
(N=36): MW 4.0, Median 3, SD 3, R 1-14
Ø-MS 11 (N=50)
26 (52%)
(N=26): MW 4.0, Median 2, SD 5.8, R 1-30
Angebot IPPB
Angebot möglich:
Erstgespräch (in Wochen):
Total: (N=114)
89 (78.1%)
MW 2.9, Median 2, SD 2.1, Range 1-8
MS 11 (N=68)
50 (78.1%)
(N=50): MW 2.6, Median 2, SD 2, R 1-8
Ø-MS 11 (N=50)
39 (78%)
(N=42): MW 3.2, Median 2, SD 2.3, R 1-8
Behandlungsbeginn (in Wochen):
MW 4.1, Median 3, SD 3.0, Range 1-12
MW 3.6, Median 3, SD 2.8, R 1-12
MW 4.7, Median 4, SD 3.2, R 1-12
Angebot Psychotherapie
Angebot möglich:
Erstgespräch (in Wochen):
Total: (N=114)
85 (74.6%)
MW 3.2, Median 2, SD 2.5, Range 0-12 (N=46):
MS 11 (N=64)
50 (78.1%)
MW 2.8, Median 2, SD 2.2, R 0-8
Ø-MS 11 (N=50)
35 (70%)
(N=35): MW 3.7, Median 3, SD 2.8, R 1-12
Behandlungsbeginn (in Wochen):
MW 5.1, Median 4, SD 3.8, Range 0-24
MW 4.4, Median 4, SD 3.1, R 0-12
MW 5.86, Median 5, SD 4.6, R 1-24
Organisation der Praxis (N=119)
Gemeinschaftspraxis mit Psychiatern: 40 (33.6%)
Gemeinschaftspraxis mit som. Ärzten: 15 (12.6%)
Einzelpraxis: 61 (51.3%)
Delegation zu Psychologe: 38 (31.9%)
Erreichbarkeit (N=119)
Sekretariat (zu Bürozeiten): 18 (15.1%)
Selbst zu Bürozeiten: 61 (51.3%)
Selbst einmal pro Stunde: 47 (39.5%)
Selbst einmal pro Tag: 21 (17.6%)
Anrufbeantworter: 99 (83.2%)
Ferienablösung (N=119)
Inst. Psychiatrie: 64 (53.8%)
Psychiater/Hausärzte: 72 (60.5%)
Keine: 19 (16%)
-78-
5.1.2.2 Teil2: Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit mit der institutionellen
Psychiatrie
Von den 122 Psychiaterinnen und Psychiater beantworteten 109 die Fragen über die Qualität
der Zusammenarbeit mit der institutionellen Psychiatrie bezogen auf die stationären, teilstationären und ambulanten Angebote.
Am besten wird die Behandlung (70% gut bis sehr gut) eingeschätzt. Informationsfluss und
Zugänglichkeit bei Notfällen finden etwa 60% positive Einschätzungen. Am schlechtesten
beurteilt werden die Kollaboration (z.B. bzgl. Behandlungszielen) und der Zugang zu freien
Plätzen mit je etwa 50% positiven Einschätzungen (Abb. 22). Diese Resultate bekräftigen
Aussagen aus den Hearings, wo erklärt wird, dass wenn ein persönlicher Zugang zur Klinik
besteht, man Arbeitskollegen kennt, die Zusammenarbeit viel besser läuft (siehe Anhang 2
g.). Auch der Wunsch, akute Fälle schneller zuweisen zu können, ist verbreitet (Anhang 2,
i.).
sehr gut
gut
mässig
mangelhaft
Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit
mit der stationären Psychiatrie
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
m
Infor
ation
ti
bora
Kolla
on
n
Beha
g
dlun
Freie
e
Plätz
älle
Not f
Abb. 22: Zusammenarbeit mit der stationären Psychiatrie
Auf die Frage nach dem am häufigsten genutzten Angebot gaben 89 Psychiaterinnen und
Psychiater eine Antwort: Zu 50.6 % werden die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern
als das am häufigsten genutzte stationäre Angebot angegeben, gefolgt vom Psychiatriezentrum Münsingen (20.2 %), der Klinik Wyss (11.2%), der Privatklinik Meiringen (4.5%), der
Kriseninterventionsstation Niederbipp (3.4%), dem psychiatrischen Dienst RSE (4.5%), dem
psychiatrischen Dienst RST (1.1%) und der Restkategorie (4.5%). Die häufige Nennung der
UPD lässt sich durch den Umstand erklären, dass die grösste Gruppe der Befragten aus
dem Raum Bern stammen.
-79-
Die Einschätzung der Zusammenarbeit mit den wichtigsten drei Leistungserbringern UPD,
PZM und Klinik Wyss wurden in den Berechnungen mit den restlichen Nennungen als „andere“ verglichen (Abb. 23). Der Informationsaustausch und die Behandlungsqualität werden bei
den UPD mit 40% der Antworten „mässig bis mangelhaft“ am schlechtesten bewertet, die
restlichen Gruppierungen zeigen Angaben zwischen 10% und 20%. Auch in der Kollaboration erhält die UPD die schlechtesten Noten mit über 50% mässig bis mangelhaft, knapp gefolgt vom PZM. Umgekehrt verhält es sich bei der Zugänglichkeit zu freien Plätzen und in
Notfällen, wo die UPD mit 70-80% die besten Bewertungen erhalten (Abb. 23).
sehr gut
gut
mässig
mangelhaft 100%
Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit
mit der stat. Psychiatrie nach Leistungserbringer
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
Information
Kollaboration
Behandlung
Freie Plätze
andere
PZM
Klinik Wyss
UPD Bern
andere
PZM
Klinik Wyss
UPD Bern
andere
PZM
Klinik Wyss
UPD Bern
andere
PZM
Klinik Wyss
UPD Bern
andere
PZM
Klinik Wyss
0%
UPD Bern
10%
Notfälle
Abb. 23: Zusammenarbeit mit der stationären Psychiatrie nach Leistungserbringer
Ähnlich wie der stationären Psychiatrie wird auch bei den teilstationären Angeboten insgeamt am meisten die Zugänglichkeit zu freien Plätzen und in Notfällen bemängelt, Information, Kollaboration und Behandlungsqualität werden im Schnitt zu 80% gut bis sehr gut bewertet (Abb. 24).
-80-
sehr gut
gut
mässig
mangelhaft
Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit
mit der teilstationären Psychiatrie
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
on
tion
lätze
lung
mati
bora
hand
eie P
a
r
e
ll
Infor
F
o
B
K
älle
Not f
Abb. 24: Zusammenarbeit mit der teilstationären Psychiatrie
Die teilstationären Dienste der UPD werden am häufigsten als die wichtigsten Zusammenarbeitspartner genannt, natürlich auch, weil die grösste Gruppe der Befragten aus dem Raum
Bern stammt (Tab. 27).
Tab. 27: Am häufigsten genannte teilstationäre Angebote
Am häufigsten genannte teilstationäre
TK UPD: 20 (20.6%)
TATzE UPD: 5 (5.2%)
Angebote (N= 97)
PTK UPD: 12 (12.4%)
TK Burgdorf: 5 (5.2%)
KIZ UPD: 10 (10.3%)
TK Interlaken: 4 (4.1%)
TK Biel: 9 (9.3%)
TK Klinik Wyss: 4 (4.1%)
ATK UPD: 7 (7.2%)
PSOMA Lindenhof: 4 (4.1%)
TK Langenthal: 7 (7.2%)
ATK Langenthal: 1 (1.%)
TK Thun: 7 (7.2%)
andere: 2 (2.1%)
Die Aussagekraft der Aussagen zur Zusammenarbeit nach Region muss etwas relativiert
werden, weil einzelne Dienste nur sehr selten genannt werden (PD Burgdorf und Interlaken).
Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Regionen nur klein; ausser bei dem PD Interlaken wird die Zugänglichkeit zu freie Plätze und bei Notfällen mehrheitlich als mässig bis
mangelhaft beurteilt während die übrigen Dimensionen mehrheitlich positiv eingeschätzt
werden (Abb. 25).
-81-
sehr gut
gut
mässig
mangelhaft
Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit
mit der teilstat. Psychiatrie nach Leistungserbringer
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
UPD
PD Biel
PD L'thal
PD Thun
PD B'dorf
PD I'laken
Kollaboration
Behandlung
Freie Plätze
UPD
PD Biel
PD L'thal
PD Thun
PD B'dorf
PD I'laken
UPD
PD Biel
PD L'thal
PD Thun
PD B'dorf
PD I'laken
Information
UPD
PD Biel
PD L'thal
PD Thun
PD B'dorf
PD I'laken
0%
UPD
PD Biel
PD L'thal
PD Thun
PD B'dorf
PD I'laken
10%
Notfälle
Abb. 25: Zusammenarbeit mit der teilstationären Psychiatrie nach Leistungserbringer
Die Bewertung der ambulanten psychiatrischen Angebote ist sehr ähnlich wie die der teilstationären (Abb. 26). Allerdings wird die Zugänglichkeit für freie Plätze und Dienste in Notfällen
als weniger kritisch eingeschätzt (40% mässig bis mangelhaft).
sehr gut
gut
mässig
mangelhaft
Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit
mit der ambulanten Psychiatrie
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
ation
m
Infor
Kolla
ti
bora
on
Beha
ndlu
ng
Freie
e
Plätz
Abb. 26: Zusammenarbeit mit der ambulanten Psychiatrie
älle
Not f
-82-
Für ambulante Angebote bleibt die UPD häufigster Ansprechpartner, gefolgt von Thun,
Burgdorf und Biel (Tab. 28).
Tab. 28: Am häufigsten genannte ambulante Angebote
Am häufigsten zusammengearbeitete
Ambi UPD: 18 (21.4%)
PD Langenthal: 4 (4.8%)
ambulante Angebote (N= 84)
UPD (allg.): 16 (19%)
PD Interlaken: 4 (4.8%)
PD Thun: 10 (11.9%)
amb. Angebot PZM: 4 (4.8%)
PD Burgdorf: 8 (9.5%)
MOKI Langenthal: 2 (2.4%)
PD Biel: 6 (7.1%)
andere: 7 (8.3%)
KIZ UPD: 5 (6%)
Der Vollständigkeit wegen wurden auch hier die Bewertungen nach psychiatrischem Dienst
aufgeteilt, wiederum mit der Einschränkung, dass nicht alle Dienste genügend Einschätzende hatten (Abb. 27). Die UPD und der PD Thun zeigen die schlechtesten Beurteilungen, was
Informationsfluss und Behandlungsqualität angeht. Die Zugänglichkeit wird in Biel (80%),
aber auch in Thun (60%) am meisten bemängelt. Auffallend ist die durchgehend gute bis
sehr gute Beurteilung von Langenthal.
sehr gut
gut
mässig
mangelhaft
100%
Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit
mit der amb. Psychiatrie nach Leistungserbringer
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
UPD
PD Biel
PD L'thal
PD Thun
PD B'dorf
PD I'laken
Kollaboration
Behandlung
Freie Plätze
UPD
PD Biel
PD L'thal
PD Thun
PD B'dorf
PD I'laken
UPD
PD Biel
PD L'thal
PD Thun
PD B'dorf
PD I'laken
Information
UPD
PD Biel
PD L'thal
PD Thun
PD B'dorf
PD I'laken
0%
UPD
PD Biel
PD L'thal
PD Thun
PD B'dorf
PD I'laken
10%
Notfälle
Abb. 27: Zusammenarbeit mit der ambulanten Psychiatrie nach Leistungserbringer
-83-
Von 115 Psychiaterinnen und Psychiater gaben 98.3% an, mit Hausärzten zusammen zu
arbeiten. Wie diese Zusammenarbeit qualitativ bewertet wird, ist in Abb. 28 ersichtlich. Die
Einschätzungen fallen sehr positiv aus, indem alle Beurteilungspunkte zu mindestens 80%
als gut bis sehr gut beurteilt werden.
Aus den Ergebnissen der Stichtagserhebung wissen wir, dass der Hausarzt mit 26.9% als w
Zuweiser fungiert. Wenn der behandelnde Psychiater für den Klienten regelmässigen Kontakt zu anderen Akteuren pflegen muss, führt er diesen am zweithäufigsten mit einem Hausarzt (13.5%). Interessanterweise beurteilen Hausärzte aus der Hausarztbefragung die Zusammenarbeit mit den Psychiatern viel weniger positiv. Aus den Hearings ist bekannt, dass
Psychiater mit den ihnen bekannten Hausärzten gut zusammenarbeiten, sich aber eher aus
formellen Veranstaltungen zurückziehen, um weiteren Kontaktaufnahmen aus dem Weg zu
gehen (siehe Anhang 1 e.).
sehr gut
gut
mässig
mangelhaft
Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit
mit Hausärzten
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
on
tion
lätze
lung
mati
bora
hand
eie P
a
r
e
ll
Infor
F
o
B
K
Abb. 28: Zusammenarbeit mit den Hausärzten
älle
Not f
-84-
5.1.2.3 Teil 3: Beurteilung bestehender Versorgungslandschaften und bestmöglicher
Versorgung durch verschiedene Akteure
Im dritten Teil der Psychiaterbefragung ging es darum, Meinungen über die bestehende sozialpsychiatrische und rehabilitative Versorgungslandschaft einzuholen und zu erfragen, welche Patientengruppe durch welche psychiatrischen Akteure am besten behandelt werden
könnte.
5.1.2.3.1 Sozialpsychiatrische und rehabilitative Versorgung
Für die Beurteilung der sozialpsychiatrischen und rehabilitativen Versorgungslandschaft
wurde zwischen den Bereichen Arbeit, tagesstrukturierenden Angeboten und Wohnen für
temporär und chronisch erkrankte psychiatrische Patienten unterschieden. Gefragt wurde, ob
genügend Angebote bestehen und wie sie qualitativ zu beurteilen sind. 115 PsychiaterInnen
haben sich dazu geäussert.
Insgesamt findet eine Mehrheit der Befragten, dass das Angebot zu klein ist, dabei wird nicht
unterschieden wird zwischen temporär und chronisch krank (Abb. 29). Um die 60% der Befragten sehen zuwenig sozialpsychiatrische und rehabilitative Angebote im Kanton Bern, im
Gegensatz zu den restlichen 30%, welchen die Anzahl Angebote genügen. 15% finden die
Qualität der Angebote mangelhaft, im Bereich Wohnen sind es ca. 7%.
genügend Angebote
zuwenig Angebote
mangelnde Qualität
Beurteilung der sozialpsychiatrischen/
rehabilitativen Versorgungslandschaft
100
90
80
70
60
%
50
40
30
20
Arbeit
Abb. 29: Beurteilung Versorgungslandschaft
Tagesstruktur
chronisch
krank
temp.
krank
chronisch
krank
temp.
krank
chronisch
krank
0
temp.
krank
10
Wohnen
-85-
Im Folgenden werden die Beurteilungen, nun nicht mehr nach temporär und chronisch Erkrankten getrennt, dafür nach Regionen Bern (n=64), Seeland (n=14), Emmental (n=9),
Oberaargau (n=8), und Oberland (n=19). Bezüglich Arbeit nehmen 50 bis 75% aller Befragten einen Mangel an Angeboten auf, der höchste Wert in der Region Emmental. Tagesstrukturierende Angebote werden in den Regionen Emmental, Oberaargau und Oberland etwa
gleich häufig als genügend und als ungenügend eingeschätzt während in den restlichen Regionen die Haltung überwiegt, es habe zuwenig Angebote. Bezüglich Wohnangebote fällt die
hohe Zufriedenheit auf im Oberaargau mit 75% der Einschätzungen als genügend. Dar Anteil
an mangelhafte Qualität der Angebote differenziert hingegen nicht zwischen den Regionen
(Abb. 30).
Angebote
Tagesstruktur
Oberland
Emmental
Oberaargau
Bern
Seeland
Oberland
Emmental
Oberaargau
Bern
Angebote Arbeit
Seeland
Oberland
Oberaargau
Seeland
Emmental
100
90
80
70
60
% 50
40
30
20
10
0
Beurteilung der sozialpsychiatrischen/rehabilitativen
Versorgungslandschaft nach Region
Bern
genügend Angebote
zuwenig Angebote
mangelnde Qualität
Angebote
Wohnen
Abb. 30: Beurteilung Versorgungslandschaft nach Region
Diese Resultate widerspiegeln einige Äusserungen der interviewten PsychiaterInnen in den
Hearings (Anhang 1 b.): Unter „Veränderungen des Berufsalltags“ ist von einem härter gewordenen Arbeitsklima in der freien Marktwirtschaft die Rede, welches Mobbing- und Burnout-Opfer in die Praxis bringt. Nischenarbeitsplätze für psychisch Behinderte seien seltener
geworden. Für ambulante und teilstationäre Dienste wünschen sich die Interviewten mehr
niederschwellige tagesstrukturierende Angebote, welche auch für Nicht-IV-Empfänger zugänglich sein sollten. Über den Wunsch nach mehr Wohnangeboten ist weniger die Rede.
Obwohl das Fehlen von Wohnangeboten gleichermassen bemängelt wird wie dasjenige für
Arbeits- und Tagesstrukturangebote, muss festgehalten werden, dass sich der Stichtagserhebung nur 5.6% der Patienten in einem Wohn- oder Altersheim oder einer sozialmedizinischen Institution befinden. Der Grossteil der Klientel lebt zuhause, dort liegt wohl auch der
Fokus der befragten PsychiaterInnen.
-86-
5.1.2.3.2 Beurteilung bestmöglicher Versorgung verschiedener Patientengruppen
In einem nächsten Schritt ging es darum zu erfahren, für welche Gruppen von Patienten sich
die befragten PsychiaterInnen am ehesten zuständig fühlen und welche sie bei anderen psychiatrischen Versorgungsanbietern besser behandelt sehen. 92 gaben hierzu eine Antwort.
Die PsychiaterInnen mussten dabei beantworten, welche von fünf Behandlungsangeboten
sehr, eher, eher nicht oder gar nicht gut geeignet sind. Bewertet wurden die eigene Praxis,
andere psychiatrische Praxis, institutionell ambulante Angebote, die Hausarzt-Praxis und die
Versorgung durch delegierte Psychotherapeuten. In Abb. 31 bis Abb. 34 wird für die unterschiedlichen Störungsbilder jeweils der Anteil der sehr gut geeigneten Anbieter dargestellt.
Über alle Beurteilungen hinweg empfinden die PsychiaterInnen ihre Praxiskollegen als etwas
geeigneter als sie selbst. Weiter werden die Delegierten PsychotherapeutInnen mehrheitlich
am schlechtesten eingeschätzt.
Abb. 31 zeigt die einzelnen Antwortmuster für unterschiedliche Ausprägungen von schizophrenen Patienten.
eigene Praxis
andere Praxis
inst. ambulant
Hausarzt
del. Psychologe
Geeignetste psychiatrische
Versorgungsanbieter (Schizophrenie)
100
90
80
70
60
% 50
40
30
20
10
0
Stö 1:
Stö 2:
Stö 3:
Stö 1
Stö 2
Stö 3
Chronische Schizophrenie mit Negativsymptomatik, sozial gut integriert
Akute Schizophrenie mit Positivsymptomatik
Chronische Schizophrenie mit Negativsymptomatik und Suchtproblematik,
Chronische Schizophrenie mit Negativsymptomatik und eingeschränkter Fähigkeit, für sich zu sorgen,
Chronische Schizophrenie mit Negativsymptomatik, sozialen und finanziellen Probleme,
Akute Schizophrenie mit Positivsymptomatik und hohem Bedarf an Krisenversorgung und Integrationsarbeit (Eltern, IV)
Abb. 31: Geeignetste Versorgungsanbieter bei Schizophrenie
Für die Störungsgruppe 1, sozial gut integrierte chronische Schizophrenie mit Negativsymptomatik, werden sowohl Psychiater als auch institutionelle Versorger etwa gleichermassen
-87-
als am geeignetsten für eine adäquate Behandlung eingeschätzt. Bei Störungsgruppe 2,
akute Schizophrenie mit Positivsymptomatik, wird das institutionelle Angebot für eine Behandlung als besser geeignet erachtet. Noch deutlicher sind die Unterschiede für die Störungsgruppe 3, verschiedene Arten von Schizophrenie, welche vermehrt nach aussen gerichtete und vernetzende Aktivitäten des Therapeuten erfordern.
Für die in Abb. 32 zusammengestellten Störungsgruppen fühlen sich die PsychiaterInnen am
meisten zuständig und es zeigen sich weniger starke Unterschiede zwischen den Behandelnden.
eigene Praxis
andere Praxis
inst. Ambulant
Hausarzt
del. Psychologe
Geeignetste psychiatrische
Versorgungsanbieter (hohe Zuständigkeit)
100
90
80
70
60
% 50
40
30
20
10
0
Stö 4:
Stö 5:
Stö 6:
Stö 4
Stö 5
Stö 6
Gerontopsychiatrische Patienten ohne kognitive Einschränkungen
Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen
Patienten mit somatoformen Störungen
Abb. 32: Geeignetste Versorgungsanbieter: hohe Zuständigkeit der PsychiaterInnen
Für die Störungsgruppe 4, gerontopsychiatrische Patienten ohne kognitive Einschränkungen,
werden, mit deutlichen Einschränkungen bei den Delegierten Psychologen, alle Behandelnden als kompetent angesehen. Solche Patienten finden sich allerdings in hoher Anzahl weder in der Stichtagserhebung (5.9% sind über 65-jährig), noch in den häufigsten Diagnosegruppen der Hearings. Dort ist aber die Rede (unter j.), dass man solche Patienten gerne
sehen würde, diese aber lange beim Hausarzt bleiben, von Familie getragen oder dann im
Heim landen würden. Bei den Konsiliardiensten wären aber 50% der Klienten über 65-jährig,
Bedarf wäre da.
-88-
Auch für schwere Persönlichkeitsstörung, Störung 5, fühlen sich die PsychiaterInnen zuständig. Mit 14% in der Stichtagserhebung ist diese Diagnose relativ häufig vertreten, in den
Hearings ist sogar von im Schnitt 30% der Klientel die Rede (siehe a.).
Für somatoforme Störungen halten sich Psychiaterinnen und Psychiater als am ehesten zuständig. Diese Patientengruppe macht nach Aussagen in den Hearings etwa 40% der Klientel aus. Die Auswertungen der Stichtagserhebung zeigen 27.5% an neurotischen Störungen.
So fühlen sich die Befragten für Störungen 5 und 6 nicht nur zuständig, sie sehen sie auch
tatsächlich häufig in ihren Praxen.
Abb. 33 zeigt Störungsbilder, bei denen die Befragten ihre Zuständigkeit am niedrigsten beurteilen.
eigene Praxis
andere Praxis
inst. Ambulant
Hausarzt
del. Psychologe
Geeignetste psychiatrische
Versorgungsanbieter
(niedrige Zuständigkeit)
100
90
80
70
60
% 50
40
30
20
10
0
Stö 7
Stö 8
Stö 9
Stö 10
Stö 11
Stö 7:
Stö 8:
Stö 9:
Gerontopsychiatrische Patienten mit kognitiven Einschränkungen
Patienten mit somatoformen Störungen und schlechten Deutschkenntnissen
Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen und anhaltender psychischer Instabilität (Suizidalität
und Erregungszustände)
Stö 10: Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen und Suchtproblematik
Stö 11: Patienten mit schweren Abhängigkeitserkrankungen
Abb. 33: Geeignetste Versorgungsanbieter: niedrige Zuständigkeit der PsychiaterInnen
Sobald gerontopsychiatrische Patienten kognitive Einschränkungen aufweisen, somatoforme
Patienten schlecht deutsch sprechen, F6-Patienten anhaltend instabil sind, oder eine Suchtproblematik im Vordergrund steht, werden die institutionellen ambulanten Angebote als zuständig angesehen. Auch der Hausarzt oder delegierte PsychotherapeutInnen werden als
weniger zuständig eingeschätzt. Diese Beurteilungen widerspiegeln wiederum jene aus den
Hearings: unter b., Veränderungen des Alltags, werden mehr somatoforme Fälle beobachtet
-89-
als früher, komplexer mit Sprachschwierigkeiten und oftmals mit wenig Heilungserfolgen verbunden. Diese Veränderungen machen den Psychiatern in der Praxis zu schaffen. So würden Suchtpatienten, auch mit Persönlichkeitsveränderungen und schwerste Persönlichkeitsstörungen mit hoher Gewaltbereitschaft den Rahmen der psychiatrischen Praxis sprengen
(unter j.). Daraus kann geschlossen werden, dass die Bereitstellung von ambulanten institutionellen Angebote mit erhöhter Netzwerkarbeit und zusätzliche Behandlungsmethoden
(Gruppenangebote, etc.) für komorbide Patienten als notwendig erscheint, da sich die befragten PsychiaterInnen dazu weniger befähigt fühlen. O-Ton Hearings: „Komplexe Erkrankungen können in einem Zentrum besser abgeklärt werden“ (unter d.). Zudem haben die
Patienten aus der Stichtagserhebung zu nur 3.6% eine F1-Diagnose, was Beurteilung der
Störungsgruppe 11 erklärbar macht.
In Abb. 34 werden Aufgabengruppen zusammenstellt, welche ungeachtet der Diagnose unterschiedliche Arten von Netzwerkarbeit nötig machen.
eigene Praxis
andere Praxis
inst. Ambulant
Hausarzt
del. Psychologe
Geeignetste psychiatrische
Versorgungsanbieter
(nach Aufgabengruppen)
100
90
80
70
60
% 50
40
30
20
10
0
Auf 1:
Auf 2:
Auf 3:
Auf 4:
Auf 5:
Auf 6:
Auf 1
Auf 2
Auf 3
Auf 4
Auf 5
Auf 6
Erhalt des Arbeitsplatzes, häufige Kontakte mit Arbeitgeber notwendig
Beschaffung eines Arbeitsplatzes, häufige Kontakte mit IV-Stelle/RAV notwendig
Unterstützung bei der Lebensführung und dadurch häufige Kontakte mit Hilfesystem (Wohnbegleitung,
Sozialdienst, Vormund, etc.) notwendig
Überwinden von sozialer Desintegration; Aufbau einer Tagesstruktur
Case-Management Aufgaben/Vernetzungsarbeit
Unterstützung des Patienten in seinen familiären Strukturen und dadurch häufige Kontakte mit Angehörigen notwendig
Abb. 34: Geeignetste Versorgungsanbieter nach Aufgabengruppen
-90-
Bei allen Aufgaben wurde die institutionellen Anbieter als eindeutig am meisten zuständig
erklärt. Für die Aufgabe 1, Erhalt des Arbeitsplatzes inkl. Notwendigkeit häufiger Kontakte
mit Arbeitgebern, und Aufgabe 6, Unterstützung des Patienten in seinen familiären Strukturen mit häufigen Kontakten mit Angehörigen, waren aber die Unterschiede zur eigenen Zuständigkeit am geringsten. Kontakte mit Arbeitgebern und Angehörigen bilden Teil des Berufsalltags, was auch aus der Stichtagbefragung hervorgeht (regelmässiger Kontakt mit Angehörigen 15.4%, mit Arbeitgeber 3.3%). In den Hearings ist das Thema Erhaltung eines
Arbeitsplatzes stark diskutiert (siehe b. und l.).
Hingegen werden die ambulanten Institutionen klar bevorzugt, wenn sozialarbeiterische
Kompetenzen gefragt sind. Doch auch für diese Aufgaben werden Hausarzt und delegierte
PsychotherapeutInnen als noch weniger zuständig eingeschätzt als die Psychiater selbst.
Die Befragten anerkennen, dass Hausärzte wohl keine zeitlichen Kapazitäten dafür zur Verfügung haben.
-91-
5.1.2.4 Teil 4: Patienten in den psychiatrischen Praxen)
5.1.2.4.1 Daten der Stichtagbefragung
Im für die Befragten aufwändigsten Teil der Psychiaterbefragung, der Stichtagserhebung,
konnten Daten von 500 Patienten gesammelt werden, und zwar zu personellen, sozioökonomischen, praxisbezogenen, und anamnestischen Fragen, ebenfalls zur Medikation, Diagnose und psychosozialem Funktionsniveau. In dieser Reihenfolge werden die Ergebnisse
auch vorgestellt. Aus welcher MS-Region, auch im Vergleich zum Standort der Praxis, die
Patienten stammen, ist in Tab. 29 sichtbar.
Tab. 29: Einzugsgebiet und psychiatrische Vergangenheit der Patienten
MS-Region (N= 494)
11 Bern: 223 (45.1%),
18 Aaretal: 17 (3.4%)
12 Erlach-Seeland: 11 (2.2%)
19 Schwarzwasser: 4 (0.8%)
13 Biel: 40 (8.1%)
20 Thun: 64 (13%)
14 Jura bernois: 6 (1.2%)
22 Kandertal: 3 (0.6%)
15 Oberaargau: 28 (5.7%)
23 Oberland Ost: 14 (2.8%)
16 Burgdorf: 33 (6.7%)
ausserkantonal: 47 (9.5%)
17 Oberes Emmental: 4 (0.8%)
Patienteneinzugsgebiet nach
Praxisstandort
Vergangene Aufenthalte in
Psychiatrie
MS 11 (N=288):
Ø-MS 11 (N=206):
Bern:
211 (73.3%)
12 (5.8%)
Seeland:
13 (4.5%)
44 (21.4%)
Emmental:
7 (2.4%)
30 (14.6%)
Oberaargau:
4 (1.4%)
24 (11.7%)
Oberland:
27 (9.4%)
75 (36.4%)
ausserkantonal:
26 (9%)
21 (10.2%)
stationär (N=498):
teilstationär (N=479):
ambulant (N=476):
ja: 213 (43.6%)
88 (18.4%)
149 (31.3%)
einmal: 84 (17.2%)
2-3 Mal: 85 (17.4%)
4-10 Mal: 37 (7.6%)
>10 Mal: 7 (1.4%)
-92-
43.6% der Patienten wurden bereits stationär, 18.4% teilstationär und 31.3% ambulant behandelt. Je die Hälfte hatten als Behandlungsziel der Therapie Stabilisierung (51.8%), bzw.
Heilung (48.1%). Zusammen formen diese Variablen die in Tab. 30 dargestellten vier Gruppen, welche sich in verschiedenen Auswertungen als trennscharf für viele der untersuchten
Variablen erwiesen haben.
Tab. 30: Unterteilung in vier Gruppen nach Ziel der Behandlung und (teil-) stat. Vergangenheit
Total
Stabilisierung
Heilung
(teil-)stat. Vergangenheit
229 (47.1%)
156 (32.1%)
73 (15.0%)
keine (teil-)stat.
Vergangenheit
257 (52.9%)
96 (19.8%)
161 (33.1%)
Total
486 (100%)
252 (51.9%)
234 (48.1%)
Im Folgenden Text werden die Gruppen folgendermassen bezeichnet: Dunkelgelb (oben
links) ist die Gruppe mit schlechter Prognose ((teil-)stationäre Vergangenheit, Ziel Stabilisierung: VS), dunkelgrün (unten rechts) die die Gruppe mit guter Prognose (Keine (teil-)stationäre. Vergangenheit, Ziel Heilung: KH) dargestellt. Die Gruppen Keine (teil-)stationäre Vergangenheit, Ziel Stabilisierung (KS) und (teil-)stationäre Vergangenheit, Ziel Heilung (VH)
bilden diejenigen Patienten mit einer mitteleren Prognose ab (Tab. 31).
Tab. 31: Bezeichnung der vier Gruppen nach Ziel der Behandlung und (teil-) stat. Vergangenheit
Stabilisierung
Heilung
(teil-)stat. Vergangenheit
VS
VH
Keine (teil-)stat. Vergangenheit
KS
KH
Die Resultate wurden statistisch abgesichert, indem eine nonparametrische SpearmanKorrelation zwischen den dreigestuften Schweregrad VS – KS/VH – KH und der Zielvariable
geerechnet wurde.
-93-
Die Patienten in Gruppe KH sind wesentlich jünger als in den beiden Stabilisierungsgruppen,
in VS sind mit 9% die meisten über 65-Jährige zu finden. Gesamthaft behandeln die Psychiater in dieser Stichprobe nur vereinzelt über 65-Jährige, was den Hearing-Ergebnissen
gleicht (Anhang 2 unter j). Ihre Klientel ist zu 70% weiblich, bei KH sogar 76%, die meisten
Klienten sind mündig, nur die PatientInnen von VS haben zu 16% einen Beistand oder einen
Vormund (ρ = .281, p< 0.01), und zu 90% Schweizer (Tab. 32)
Der dreigestufte Schweregrad korreliert signifikant mit dem Alter (Spearman ρ = -.182, p<
.01).
Tab. 32: Demographische Angaben
Alter
Kennwert
Stabilisierung
Heilung
N 495, MW 43.5, Med 42,
SD 13.3, R 18-89
MW 45.7, Med 45,
SD 13.5, R 19-89
MW 41, Med 40,
SD 11.9, R 19-69
MW 47.3, Med 46,
MW 39.6, Med 39,
SD 13.3, R 20-84
SD 12.0, R 18-75
14 (9%)
2 (2.8%)
6 (6.2%)
5 (3.1%)
weiblich:
N 499, 345 (69.1%)
103 (66%)
52 (71.2%)
60 (62.5%)
122 (75.8%)
mündig:
N 497, 470 (94.6%)
130 (84.4%)
72 (98.6%)
96 (100%)
161 (100%)
Beistandschaft/ Vormundschaft:
27 (5.4%)
24 (15.5%)
1 (1.4%)
0 (0%)
(0,0%)
Schweizer:
N 492, 439 (89.2%)
142 (91%)
66 (91.7%)
83 (86.5%)
137 (88.4%)
> 65-jährig: 29 (5.9%)
Geschlecht
Mündigkeit
Nationalität
-94-
Bezüglich Wohnsituation (Tab. 33), zeigt die Gruppe VH im Vergleich zu den anderen den
höchsten Anteil an allein oder allein mit Kindern wohnen und den niedrigsten Anteil wohnen
mit Ehepartner. Die Gruppe VS zeigt demgegenüber den höchsten Anteil an Wohnen mit
Unterstützung.
Sozialer Rückzug (ρ = -.262, p< 0.01), Vorhandensein einer Vertrauensperson haben (ρ =
.159, p< 0.01), unzuverlässigem Therapiebesuch (ρ = -.176, p< 0.01), und Verwahrlosung (ρ
= -.091, p< 0.05) korrelieren signifikant mit dem dreigestuften Schweregrad.
Tab. 33: Sozialstatus
Wohnsituation
Weiteres zum
Sozialstatus
Gesamt
Stabilisierung
Heilung
zuhause allein:
N 499, 174 (34.9%)
56 (35.9%)
31 (42.5%)
34 (35.4%)
50 (31.1%)
zuhause mit Ehepartner:
137 (27.5%)
33 (21.2%)
13 (17.8%)
31 (32.3%)
55 (34.2%)
zuhause mit Kinder (ohne Ehepartner): 48 (9.6%)
15 (9.6%)
9 (12.3%)
7 (7.3%)
16 (9.9%)
zuhause mit anderen:
112 (22.4%)
36 (23.1%)
18 (24.7%)
19 (19.8%)
36 (22.4%)
zuhause/Heim mit Unterstützung: 28 (5.6%)
16 (10.3%)
2 (2.7%)
5 (5.2%)
4 (2.5%)
Verwahrlosung heute:
N 498, 15 (3%)
7 (4.5%)
1 (1.4%)
6 (6.3%)
1 (0.6%)
Unzuverlässiger Therapiebesuch: N 492, 55 (11.2%)
26 (16.9%)
4 (5.6%)
20 (21.3%)
5 (3.1%)
Sozialer Rückzug: N 495, 122
(24.6%)
59 (38.1%)
17 (23.3%)
29 (30.5%)
16 (10%)
Keine Vertrauensperson:
N 494, 94 (19%)
41 (26.3%)
15 (20.5%)
21 (22.3%)
17 (10.7%)
Der Schweregrad der Beeinträchtigung hat auch für Ausbildungs- und weitere sozioökonomische Variablen einen grossen Einfluss, wie Tab. 34 anschaulich zeigt. Die Gruppe KH
zeigt einen hohen Ausbildungsgrad, die höchste Erwerbstätigkeit und die niedrigste Arbeitslosigkeit.
Der dreigestufte Schweregrad korreliert signifikant mit der höchsten abgeschlossenen Ausbildung (ρ = .282, p< 0.01), der Erwerbstätigkeit (ρ = .417, p< 0.01), dem Leben am Exis-
-95-
tenzminimum (ρ = -.267, p< 0.01), dem Leben von öffentlicher Fürsorge (ρ = -.271, p< 0.01)
und bei der Verschuldung (ρ = -.129, p< 0.01).
Tab. 34: Sozioökonomischer Status
Höchste abgeschlossene
Ausbildung
Arbeitsituation
Weiteres zum
sozioökonom.
Status
Gesamt
Stabilisierung
Heilung
keine:
N 499, 29 (5.8%)
15 (9.6%)
2 (2.7%)
8 (8.3%)
3 (1.9%)
Schule, Lehre:
273 (54.7%)
107 (68.6%)
36 (49.3%)
48 (50%)
74 (46%)
Maturität:
32 (6.4%)
10 (6.4%)
7 (9.6%)
6 (6.3%)
9 (5.6%)
Höhere Fachschule:
100 (20%)
15 (9.6%)
18 (24.7%)
24 (25%)
40 (24.(%)
Universität:
65 (13%)
9 (5.8%)
10 (13.7%)
10 (10.4%)
35 (21.7%)
voll- /teilzeit erwerbstätig:
N 499, 233 (46.6%)
32 (20.5%)
40 (54.8%)
38 (39.6%)
116 (72%)
arbeitslos:
58 (11.6%)
18 (11.5%)
13 (17.8%)
16 (16.7%)
10 (6.2%)
Hausarbeit:
26 (5.2%)
5 (3.2%)
1 (1.4%)
8 (8.3%)
11 (6.8%)
in Ausbildung:
30 (6%)
5 (3.2%)
5 (6.8%)
4 (4.2%)
16 (9.9%)
geschützte Beschäftigung/ Rehaprogramm: 33 (6.6%)
16 (10.3%)
9 (12.3%)
6 (6.3%)
2 (1.2%)
Rente:
119 (23.8%)
80 (51.3%)
5 (6.8%)
24 (25%)
6 (3.7%)
Leben bei Existenzminimum:
N 493, 150 (30.4%)
69 (44.8%)
25 (34.2%)
32 (34%)
23 (14.4%)
Leben von öffentlicher Fürsorge:
N 497, 101 (20.3%)
51 (32.7%)
20 (27.4%)
21 (22.1%)
9 (5.6%)
Verschuldet sein:
N 473, 69 (14.6%)
26 (17.2%)
11 (15.9%)
23 (25.8%)
9 (5.9%)
Unregelm. Bezahlung der Therapie: N 478, 44 (9.2%)
15 (9.9%)
10 (13.9%)
12 (13%)
7 (4.6%)
-96-
Tab. 35 zeigt die Variablen zur Behandlung. Die Behandlungsdauer muss jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, es umfasst die Zeit ab der ersten Behandlung und kann damit verschiedene Behandlungsepisoden umfassen. Die Gruppe VS hat die längste durchschnittliche
Behandlungsdauer von fast 4 Jahren und auch die längste voraussichtliche weitere Behandlungszeit von nochmals fast 4 Jahren; dies im Kontrast zur Gruppe KH mit jeweils etwa 1 ½
Jahren. Auch der regelmässige Kontakt mit andern Akteuren ist in der Gruppe VS am häufigsten.
Dies führt zu signifikanten Zusammenhängen des dreigestuften Schweregrades mit der Behandlungsdauer in der Praxis (ρ = -.288, p< 0.01), der Konsultationsdauer (ρ = .186, p<
0.01), und der Anzahl Konsultationen pro Monat (ρ = .145, p< 0.01) sowie der voraussichtlichen zukünftigen Behandlungsdauer (ρ = -.565, p< 0.01).
Tab. 35: Behandlung
Praxisarbeit
Gesamt
Stabilisierung
Heilung
Behandlung in Praxis (Monate):
N 489, MW 33.5, Median 18, SD
46.6, R 0-480
N 151, MW 45.7, Med 28,
SD 53.1, R 1-312
N 72, MW 31.7, Med 17, SD
59.6, R 1-480
N 95, MW 38.3, Med 33,
SD 34.7, R 1-140
N 161, MW 19.8, Med 8, SD
32.1, R 0-288
Dauer der Konsultation (Minuten): N 495, MW 52, Median 50,
SD 11.2, R 11-90
N 155, MW 49.2, Med 50,
SD 12.0, R 11-85
N 73, MW 52.4, Med 50, SD
9.5, R 30-75
N 96, MW 52.0, Med 50,
SD 10.8, R 20-85
N 161, MW 54.7, Med 55,
SD 10.5, R 20-90
N 155, MW 2.3, Med 2,
SD 1.5, R 0.3-8
N 70, MW 2.9, Med 2, SD
2.3, R 0.3-16
N 94, MW 2.4, Med 2, SD
1.5, R 0-8
N 161, MW 2.9, Med 2, SD
2.1, R 0.2-16
N 152, MW 45.7, Med 48,
SD 17.7, R 3-60
N 70, MW 24.5, Med 18, SD
19.1, R 3-60
N 94, MW 28.0, Med 18,
SD 19.5, R 3-60
N 161, MW 16.5, Med 7.5,
SD 14.8, R 3-60
Hausarzt:
N 495, 67 (13.5%)
32 (20.5%)
6 (8.3%)
14 (14.7%)
14 (8.7%)
Angehörige:
76 (15.4%)
28 (17.9%)
10 (13.9%)
14 (14.7%)
21 (13%)
Sozialdienst:
17 (3.4%)
10 (6.4%)
2 (2.7%)
2 (2.1%)
2 (1.2%)
Arbeitgeber:
16 (3.2%)
6 (3.8%)
4 (5.5%)
3 (3.2%)
3 (1.9%)
Wohnheim, andere:
53 (10.7%)
28 (17.9%)
8 (11.1%)
8 (8.5%)
8 (5%)
Anzahl Konsultationen im Monat:
N 489, MW 2.7, Median 2, SD
2.6, R 0-16
Voraussichtliche Dauer der Behandlung in Monate:
Regelmässiger
Kontakt
-97-
Tab. 36 zeigt, dass die Gruppe KH vornehmlich selbst oder vom Hausarzt kommt. Dies gilt in
umgekehrter Priorität auch für die Gruppe VH. Auch bei den Patienten mit stationärer Vergangenheit gibt es viele Selbstanmeldungen, etwa ein Viertel der Zuweisungen erfolgt durch
die behandelnde (teil-)stationäre Institution. Beeindruckend ist der hohe Anteil von Patienten
mit körperlicher und/oder sexueller Gewalterfahrung, aber auch die vielen Zeichen von Verwahrlosung in allen Gruppen. Im Mittel beginnt die psychiatrische Behandlung mit 29-35 Jahren.
Der dreigestufte Schweregrad korreliert signifikant mit der körperlichen Gewalterfahrung (ρ =
-.131, p< 0.01), Verwahrlosung in der Anamnese (ρ = -.176, p< 0.01) und sexueller Gewalterfahrung (ρ = -.225, p< 0.01).
Tab. 36: Erstkontakt und Anamnese
Erstkontakt für
Therapie durch
Anamnese
Gesamt
Stabilisierung
Heilung
Patient selbst:
N 494, 206 (41.7%)
49 (31.6%)
31 (42.5%)
33 (34.4%)
86 (53.4%)
Hausarzt:
133 (26.9%)
30 (19.4%)
12 (16.4%)
41 (42.7%)
51 (31.7%)
Angehörige:
29 (5.9%)
10 (6.5%)
2 (2.7%)
8 (8.3%)
7 (4.3%)
med. Inst (teil-)stat.:
57 (11.5%)
35 (22.6%)
19 (26%)
2 (2%)
-
med. Inst. amb.:
24 (4.9%)
12 (7.7%)
2 (2.7%)
3 (3.1%)
7 (4.3%)
nichtärztl. Inst., Behörde, andere:
45 (9%)
19 (12.3%)
7 (9.5%)
9 (9.4%)
10 (6.2%)
Körperliche Gewalterfahrung:
N 446, 167 (37.4%)
61 (43%)
27 (39.7%)
38 (45.2%)
41 (27.5%)
Sexuelle Gewalterfahrung:
N 406, 102 (25.1%)
47 (37.3%)
18 (28.6%)
17 (23%)
18 (13.2%)
Verwahrlosung in Anamnese:
N 485, 114 (23.5%)
48 (31%)
25 (34.2%)
21 (22.8%)
20 (12.6%)
Erste psychiatrische Behandlung
(Alter in Jahren):
N 477, MW 31.8, Med 30,
SD 14.7, R 0-82
N=152, MW 28.8, Med 25,
SD 13.7, R 3-71
N=70, MW 31.3, Med 28,
SD 13.2, R 9-63
N=89, MW 35.3, Med 35,
SD 17.0, R 3-82
N=154, MW 32.6, Med 32,
SD 14.0, R 0-73
-98-
Abb. 35 zeigt die Aufteilung nach Diagnosen. Klar am häufigsten behandeln die Psychiater in
dieser Stichtagserhebung affektive Störungen, gefolgt von neurotischen Störungen. Persönlichkeits- und schizophrenen Störungen sind deutlich seltener während Sucht und andere
Störungen unter 10% liegen. Die Hearing-Ergebnisse (Anhang 2 a, b, c.) bestätigen diese
Verteilung.
F1
Diagnosen
14%
6%
4%
11%
F2
F3
F4
F6
andere
28%
37%
Abb. 35: Diagnose
Die Aufteilung der Diagnosen nach Gruppen ist in Tab. 37 zusammengestellt. Auch wenn es
deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen gibt, kommen alle Diagnosen in allen Gruppen vor. Am auffälligsten ist der hohe Anteil an Schizophrenie in der Gruppe VS. Diese Häufung zeigt sich auch in der Gabe von Psychopharmaka, insbesondere Neuroleptika. Dabei
weist die Gruppe VH den höchsten CPZ-Wert bei Neuroleptika auf, offensichtlich handelt es
sich bei diesen (nur) 9 Patienten um relativ akute, nicht chronifzierte Patienten.
-99-
Tab. 37: Diagnose und Medikation
Diagnose
(ICD-10)
Psychopharmaka
CPZ Summe bei
NeuroleptikaEinsatz
Kumulierung der
wichtigsten drei
Psychopharmaka
Gesamt
Stabilisierung
Sucht (F1):
N 494, 18 (3.6%)
7 (4.5%)
8 (11%)
3 (3.1%)
-
Schizophrenie (F2):
55 (11.1%)
41 (26.5%)
8 (11.%)
4 (4.2%)
1 (0.6%)
Affektive Störungen (F3):
187 (37.9%)
59 (38.1%)
37 (50.7%)
35 (36.5%)
54 (33.8%)
Neurotische Störungen (F4):
136 (27.5%)
16 (10.3%)
8 (11%)
29 (30.2%)
78 (48.8%)
Persönlichkeitsstörungen (F6):
69 (14%)
22 (14.2%)
9 (12.3%)
20 (20.8%)
18 (11.3%)
andere:
29 (5.9%)
10 (6.5%)
3 (4.1%)
5 (5.2%)
9 (5.6%)
wird verabreicht:
N 490, 387 (79%)
150 (97.4%)
61 (83.6%)
68 (71.6%)
103 (64.8%)
Antidepressiva:
N 490, 296 (60.4%)
99 (64.3%)
48 (65.8%)
61 (64.2%)
85 (53.5%)
Neuroleptika:
125 (25.5%)
82 (53.2%)
21 (28.8%)
15 (15.8%)
8 (5%)
Tranquilizer:
94 (19.2%)
38 (24.7%)
16 (21.9%)
24 (25.3%)
15 (9.4%)
Depot Neuroleptika:
8 (1.6%)
8 (5.2%)
-
-
-
andere:
113 (23.1%)
55 (35.9%)
16 (21.9%)
17 (17.9%)
24 (15.1%)
N 66, MW 282.2, Median 200,
SD 252.2, R 3.4-1198
N 47, MW 292.1, Med 200,
SD 230.9, R 12.5-800
N 9, MW 368.2, Med 200,
N 7, MW 145.7, Med 50,
SD 210.8, R 3.4-600
N 3, MW 188.9, Med 66.7,
SD 241.2, R 33.3-466.7
Neuroleptika, Antidepressiva, Tranquilizer:
N 490, 27 (5.5%)
Neuroleptika, Antidepressiva: 40 (8.2%)
Neuroleptika, Tranquilizer: 9 (1.8%)
Antidepressiva, Tranquilizer: 49 (10%)
Heilung
SD 363.5, R 50-1198
Nur Neuroleptika: 50 (10.2%)
Nur Antidepressiva: 180 (36.7%)
Nur Tranquilizer: 9 (1.8%)
keine der drei: 126 (25.7%)
-100-
Das psychosoziale Funktionsniveau (Tab. 38) mittels GAF zeigt mit einem durchschnittlichen
Wert von 50 ein gesamthaft niedriges Level zu Beginn der Erkrankung und eine allgemeine
Steigerung um 15 Punkte während der (noch nicht abgeschlossenen) Behandlung. Die
Gruppe VS zeigt auch hier auffällig niedrigere Werte im Vergleich zu den anderen Gruppen.
Die Verbesserung ist in den Heilungsgruppen mit 15 bzw. 25 Punkten deutlich höher als in
den Stabilisierungsgruppen mit 15 bzw. 12 Punkten. Der CGI zu Beginn der Behandlung, mit
den Werten 0 bis 7, je höher desto schwerer erkrankt, und CGI Veränderung, je tiefer der
Wert desto positiver die Veränderung, zeigt eine vergleichbare Struktur.
Der dreigestufte Schweregrad korreliert mit dem GAF zu Beginn der Behandlung (ρ = .377,
p< 0.01) und dem GAF während der Behandlung (ρ = .443, p< 0.01. Der ähnliche Zusammenhang zeigt sich auch mit dem CGI zu Beginn der Behandlung (ρ = .328, p< 0.01) und
demjenigen während der Behandlung (ρ = .260, p< 0.01).
Tab. 38: Psychosoziales Funktionsniveau
Psychosoziales
Funktionsniveau:
Psychosoziales
Funktionsniveau:
Gesamt
Stabilisierung
Heilung
GAF zu Beginn der Behandlung:
N 468, MW 49.3, Med 50,
SD 15.3, R 10-100
N 148, MW 43.1, Med
43.5, SD 12.9, R 10-75
N 69, MW 46.3, Med 45, SD
16, R 11-100
N 90, MW 48.1, Med 46.5,
SD 14.7, R 10-90
N 152, MW 57.0, Med 55,
SD 13.9, R 28-100
GAF während Behandlung:
N 463, MW 64.2, Med 65,
SD 15.7, R 21-100
N 148, MW 55.4,Med
55.5, SD 13.4, R 21-90
N 69, MW 70.0, Med 70, SD
14.6, R 40-100
N 88, MW 61.2, Med 60,
SD 14.8, R 25-95
N 150, MW 72.0, Med 70,
SD 13.0, R 38-100
Differenz GAF Beginn und während Behandlung:
N 462, MW 15.0, Med 13, SD
13.5, R -40-70
N 147, MW 12.3, Med 10,
SD 13.4, R -40-51
N 69, MW 23.4, Med 22,
SD 14.5, R -10-70
N 88, MW 13.26, Med
11.5, SD 12.5, R -20-55
N 150, MW 15.0, Med 12.5,
SD 12.0, R -16-52
CGI zu Beginn der Behandlung:
N 482, MW 5.0, Med 5,
SD 1.0, R 2-7
N 153, MW 5.4, Med 5,
SD 0.9, R 2-7
N 73, MW 5.1, Med 5, SD
1.0, R 2-7
N 93, MW 5.0, Med 5, SD
1.0, R 2-7
N 154, MW 4.5, Med 5, SD
1.0, R 2-6
CGI Veränderung:
N463, MW 2.5, Med 2,
SD 1.0, R 1-6
N 148, MW 2.7, Med 3,
SD 1.0, R 1-6
N 71, MW 2.1, Med 2, SD
0.7, R 1-4
N 91, MW 2.8, Med 3, SD
1.0, R 1-6
N 146, MW 2.2, Med 2, SD
0.9, R 1-6
-101-
Um das psychosoziale Funktionsniveau gesamthaft und aufgeteilt nach Diagnosen darzustellen, wurden die folgenden Grafiken erstellt.
Unabhängig von der Diagnose nimmt der GAF im Laufe der Behandlung zu (Abb. 36).
GAF zu Beginn
Global Assessment of Functioning
nach Diagnosegruppen
GAF während
100
90
80
70
60
%
50
40
30
20
10
0
F1
F2
F3
F4
F6
Diagnosengruppen
Abb. 36: GAF zu Beginn und während Behandlung
andere
Total
-102-
Der CGI zu Beginn der Behandlung zeigt den höchsten Schweregrad bei den F2- und den
niedrigsten bei den F4 Diagnosen (Abb. 37). Insgesamt waren zu Beginn der Behandlung
etwa 70% aller Patienten mindestens deutlich krank, was einer erheblichen Beeinträchtigung
entspricht.
CGI nach Diagnosengruppe zu Beginn der Behandlung
Grenzfall
leicht krank
mässig krank
100%
90%
80%
70%
deutlich
krank
schwer krank
extrem
schwer krank
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
F1
F2
F3
Abb. 37: CGI zu Beginn der Behandlung nach Diagnose
F4
F6
andere
Total
-103-
Aufgeteilt nach Schweregrad zu Beginn der Behandlung zeigt sich eine relativ homogene
Veränderung (Abb. 38).
sehr viel
besser
viel besser
nur wenig
besser
unverändert
etwas
schlechter
viel schlechter
Veränderung des CGI durch Behandlung
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
CGI während
Behandlung
30%
20%
10%
0%
Grenzfall
leicht
krank
mässig
krank
deutlich
krank
schwer
krank
extrem
schwer
krank
CGI zu Beginn der Behandlung
Abb. 38: CGI Verbesserung während Behandlung nach CGI zu Beginn
5.1.2.4.2 Vergleich der Psychiaterdaten mit der Krankenhausstatistik MedStat 2008
In einem nächsten Schritt werden die Patienten der Stichtagserhebung mittels einiger Variablen mit den stationären und ambulanten Patienten verglichen, welche institutionell behandelt wurden und deren Daten in der Krankenhausstatistik MedStat 2008 enthalten sind. Eine
Hochrechnung der jährlichen Klientel aus den Psychiaterdaten entspricht der Versorgung
von etwa 37'000 Patienten pro Jahr. Dem gegenübergestellt werden 631 Patienten, welche
im 2008 im Kanton Bern teilstationär behandelt wurden, und 4355 Patienten, welche ein stationäres Angebot in Anspruch nahmen. Die Anzahl institutionell ambulant behandelter psychiatrischer Patienten beträgt etwa 17'000 Patienten pro Jahr – aufgrund fehlender Daten
lagen für diese Auswertung jedoch nur Daten von 4812 ambulant behandelten Patienten vor;
insbesondere fehlen die Daten der UPD, was aufgrund der verschiedenen dort angebotenen
Spezialsprechstunden die Repräsentativität dieser Daten etwas einschränkt.
Die Aufenthaltsdauer (Tab. 39) kann nicht direkt vergleichen werden, entspricht doch die
Behandlungsdauer bei den Niedergelassenen nicht einer Behandlungsepisode, sondern der
Zeit seit Erstbehandlung. Dazu kommt, dass einzelne ambulante Institutionen bei Jahresende alle Patienten administrativ abschliessen auch wenn sie weiter behandelt werden. Dies
-104-
führt in der MedStat zu kürzeren durchschnittlichen Behandlungsdauern als sie tatsächlich
stattgefunden haben. Trotzdem zeigen die Zahlen, dass die Niedergelassenen eine hohe
Kontinuität in die Behandlung bringen, welche von den Institutionen nicht gewährleistet werden kann.
Tab. 39: FBPsy und MedStat: Aufenthaltsdauer
Ø Aufenthaltsdauer in Monaten
FBPsy*
ambulant
teilstat.
stationär
F1
56.5
2.8
3.0
1.0
F2
94.0
10.2
3.0
2.6
F3
64.3
5.3
4.6
1.5
F4
42.1
4.1
2.9
1.0
F6
67.8
8.6
3.2
1.3
andere
54.1
3.0
11.1
2.3
Total
61.0
5.4
4.7
1.7
* Summe der schon erfolgten und der erwarteten zusätzlichen Behandlungsdauer zum Zeitpunkt der Stichtagbefragung
Beim Vergleich der Diagnosen (Abb. 39) zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den
Behandlungsformen. In der psychiatrischen Praxis finden sich häufiger affektive (sign. zu
ambulant, p<.01) und neurotische Störungen (sign. zu teil- und stationären Angebote,
p<.001). Dagegen werden Suchtpatienten viermal so häufig stationär behandelt als in der
psychiatrischen Praxis und schizophrene Patienten werden häufiger in teil- und stationären
Angeboten behandelt (p<.001).
Hauptdiagnose der Patienten in Prozent nach
Behandlungsart und Diagnose
50%
40%
30%
20%
10%
Niedergelassene
0%
ambulant
teilstat.
stationär
F1
F2
F3
Abb. 39: Vergleich FBPsy und MedStat: Diagnose
F4
F6
andere
-105-
Die Erwerbstätigkeit bei den Patienten aus der Psychiaterbefragung ist verglichen mit der
anderen psychiatrischen Klientel über alle Diagnosen hinweg am höchsten, während die
Klientel der teilstationären Angebote ist am wenigsten arbeitstätig ist. (Abb. 40). Die Verteilung innerhalb der verschiedenen Diagnosen ist erstaunlich konstant, was auf eine hohe Validität der Daten hin deutet.
Voll-/Teilzeit-Erwerbstätigkeit der Patienten in Prozent
nach Behandlungsart und Diagnose
60%
50%
40%
30%
20%
10%
Niedergelassene
ambulant
0%
teilstat.
stationär
F1
F2
F3
F4
F6
andere
Total
Abb. 40: Vergleich FBPsy und MedStat: Erwerbstätigkeit
Abb. 41 zeigt dass der Anteil des Zivilstandes „verheiratet und zusammenlebend“ ausser bei
F6 bei den Niedergelassenen deutlich niedriger ist als in den ambulanten und teilstationären
Angeboten.
-106-
Zivilstand verheiratet und zusammenlebend in Prozent
nach Behandlungsart und Diagnose
60%
50%
40%
30%
20%
10%
FBPsy
ambulant
teilstat.
stationär
0%
F1
F2
F3
F4
F6
andere
Total
Abb. 41: Vergleich FBPsy und MedStat: Zivilstand
Bei den Patienten der Niedergelassenen ist der Ausbildungsgrad über alle Diagnosen deutlich höher als bei den institutionellen Angeboten (Abb. 42).
Matur, FH, Uni
oblig. Schule, Lehre
Höchste Ausbildung nach
Behandlungsart und Diagnose
keine
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
FBPsy
amb.
teilstat.
Abb. 42: Vergleich FBPsy und MedStat: Höchste Ausbildung
F1
F2
F3
F4
F6
and.
Total
F1
F2
F3
F4
F6
and.
Total
F1
F2
F3
F4
F6
and.
Total
0%
F1
F2
F3
F4
F6
and.
Total
10%
stat.
-107-
Auch im MedStat-FBPsy Vergleich können anhand Subgruppen Unterschiede im Schweregrad der Beeinträchtigung mit Hilfe der bekannten Ressourcenvariablen erhoben werden.
Leider erfasst die MedStat die stationäre Vergangenheit an sich nicht. In den folgenden Vergleichen möchten wir überprüfen, inwiefern die institutionellen Versorger bereits Weichen
stellen, wenn sie die Patienten nach Austritt weiterverweisen zu einem Hausarzt, einem amb.
Angebot oder zum niedergelassenen Psychiater. Die an die Psychiater verwiesenen Patienten können mit den FBPsy-Patienten mit stationärer Vergangenheit verglichen werden, die
ambulanten institutionellen Patienten dienen als Vergleich für die FBPsy-Patienten ohne stationäre Vergangenheit (Tab. 40). Da Patienten aus dem stationären Rahmen mit Zuweisung
zum Hausarzt und solche aus dem ambulanten Rahmen zu einem hohen Prozentsatz über
65-jährig sind, werden nur die Patienten im Alter zwischen 18- und 65 in den Vergleich eingeschlossen.
Die mit Abstand häufigste Diagnose der aus stationärem Rahmen zum Hausarzt verwiesenen Patienten ist Sucht (42%), der grösste Teil dieser Klientel ist ledig und wurde zu fast der
Hälfte der Fälle auch vom Hausarzt eingewiesen. Die Patienten, welche aus der psychiatrischen Klinik an ein institutionelles ambulantes Angebot überwiesen wurden, leiden am häufigsten an affektiven Störungen (37%), sind zum grössten Teil ledig, und wurden am häufigsten durch ein ambulantes Angebot in die Klinik eingewiesen. Die Patienten, welche von einem niedergelassenen Psychiater ins stationäre Angebot überwiesen wurden, haben zu 39%
eine affektive Störung, unterscheiden sich nicht bzgl. Zivilstand und werden am häufigsten
zu einem Psychiater überwiesen.
Die häufigste Diagnose der Gruppe aus dem ambulanten Rahmen sind neurotische Störungen (33%), ihr häufigster Zivilstand ist ledig, dicht gefolgt von verheiratet und zusammenlebend, was bei keiner anderen Gruppe so ausgeprägt ist. Sie werden am häufigsten durch
einen Hausarzt eingewiesen.
Daraus kann geschlossen werden, dass (1) die stationären Institutionen die Patienten gerne
wieder dorthin zurückschicken, woher sie gekommen sind und dass (2) die gefunden Unterschiede bzgl. Zivilstands zwischen ambulanten institutionellen Institutionen und den Niedergelassenen nicht aufgrund selektiver Zuweisung durch die Kliniken zustande kommen.
-108-
Tab. 40: Vergleich FBPsy und MedStat:
MedStat
FBPsy
stat  HA
stat  amb
stat  Psy
amb
stat. Verg.
Ø stat. Verg.
weiblich
390 (45.5%)
381 (53.7%)
874 (55%)
2314 (56.3%)
144 (67.3%)
173 (70%)
N
1474
1277
2309
5602
215
281
MW 52.3
40.6
42.7
47.1
44.2
42.8
Alter
Med
50
40
42
45
43
42
SD
18.8
13.7
14.1
18.6
13.2
13.4
R
18-97
18-91
18-94
18-106
19-89
18-85
> 65-jährig
25.9%
4.2%
6.1%
18.2%
7%
5%
N 18-65-jährig
857
709
1589
4107
211
246
F1
363 (42.4%)
94 (13.3%)
178 (11.2%)
361 (8.8%)
14 (6.6%)
2 (0.8%)
F2
108 (12.6%)
181 (25.5%)
380 (23.9%)
451 (11%)
45 (21.3%)
5 (2%)
F3
169 (19.7%)
253 (35.7%)
625 (39.3%)
1136 (27.7%)
87 (41.2%)
82 (33.3%)
F4
109 (12.7%)
108 (15.2%)
231 (14.5%)
1361 (33.1%)
21 (10%)
106 (43.1%)
F6
51 (6%)
54 (7.6%)
126 (7.9%)
288 (7%)
31 (14.7%)
37 (15%)
andere
57 (6.7%)
19 (2.7%)
49 (3.1%)
510 (12.4%)
13 (6.2%)
14 (5.7%)
ledig
371 (43.7%)
339 (47.9%)
748 (47.3%)
1606 (41%)
118 (55.1%)
103 (42%)
verheiratet, zus.
258 (30.4%)
210 (29.7%)
493 (31.1%)
1509 (38.5%)
41 (19.2%)
81 (33.1%)
verheiratet, getr.
42 (4.9%)
36 (5.1%)
81 (5.1%)
169 (4.3%)
12 (5.6%)
8 (3.3%)
verwitwet
21 (2.5%)
11 (1.6%)
22 (1.4%)
77 (2%)
4 (1.9%)
7 (2.9%)
geschieden
143 (16.8%)
104 (14.7%)
229 (14.5%)
531 (13.6%)
38 (17.8%)
46 (18.8%)
unbekannt
14 (1.6%)
7 (1%)
10 (0.6%)
26 (0.7%)
1 (0.50%)
0 (0%)
selbst:
63 (7.4%)
88 (12.4%)
169 (10.6%)
565 (14.4%)
74 (35.1%)
116 (47%)
HA:
423 (49.4%)
79 (11.1%)
257 (16.20%)
1464 (37.4%)
37 (17.5%)
87 (35.2%)
Psychiater
54 (6.3%)
55 (7.8%)
560 (35.20%)
212 (5.4%)
-*
-*
Angehörige:
22 (2.6%)
29 (4.1%)
53 (3.3%)
208 (5.3%)
12 (5.7%)
15 (6.1%)
psy (teil-)stat.:
28 (3.4%)
61 (8.6%)
117 (7.3%)
415 (10.6%)
52 (24.6%)
2 (0.8%)
psy amb.:
110 (12.9%)
284 (40.1%)
253 (15.9%)
323 (8.3%)
12 (5.7%)
9 (3.6%)
andere:
155 (18.1%)
108 (15.10%)
160 (10.2%)
725 (18.6%)
24 (11.4%)
18 (7.2%)
Diagnose
Zivilstand
Einweiser
*nicht erfragt
-109-
Beim Vergleich nach Nationalität zeigt sich, dass ausländische Patienten eher zu einem ambulanten Dienst überwiesen werden, während schweizerische Patienten eher bei einem Psychiater landen (p< 0.01, χ2 = 9.12), was sich auch im hohen Anteil Schweizer der FBPsyPatienten mit stationärer Vergangenheit zeigt (Abb. 43).
Nationalität Schw eizer (in %)
86.30% 86.80% 90.10% 87.60%
ke
ine
s ta
t. V
erg
.
au
sa
mb
.
Ps
y
s ta
t.->
s ta
t.->
s ta
t.->
MedStat
am
b.
83.60% 81.40%
HA
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
FBPsy
Abb. 43: Vergleich FBPsy und MedStat Subgruppen: Nationalität
Bezüglich der höchsten Ausbildung scheinen die Patienten aus der Stichtagserhebung ressourcenreicher: Im Schnitt haben 40% von ihnen haben einen höheren Abschluss (Matur,
Fachhochschule oder Universität), von den institutionellen stationären MedStat-Patienten
zeigt diejenige Gruppe die höchsten Werte bezüglich höheren Abschluss, welche dem niedergelassenen Psychiater zugewiesen wird (Abb. 44).
-110-
Höchste Ausbildung (in %)
Matur/FH/Uni
10.1% 30.4%
MedStat
ke
ine
s ta
t. V
erg
.
au
sa
mb
.
Ps
y
s ta
t.->
s ta
t.->
s ta
t.->
am
b.
8.8% 10.7% 16.5%
HA
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
49.4%
FBPsy
Abb. 44: Vergleich FBPsy und MedStat Subgruppen: höchste Ausbildung
Bzgl. Teil- oder Vollerwerbstätigkeit zeigen die FBPsy-Patienten die höchsten Prozentwerte,
wenn auch nur diejenigen ohne stationäre Vergangenheit. Die Gruppe mit dem zweithöchsten Anteil an Erwerbstätigen sind die Patienten aus dem ambulanten Rahmen. Hier gibt es
keine Hinweise auf grosse Unterschiede bei der Zuweisung (Abb. 45).
Teil- oder vollerw erbstätig (in %)
62.3%
43.9%
ke
ine
au
sa
mb
.
Ps
y
s ta
t. V
erg
.
34.1%
31.5%
s ta
t.->
am
b.
s ta
t.->
MedStat
28.6%
s ta
t.->
31.6%
HA
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
FBPsy
Abb. 45: Vergleich FBPsy und MedStat Subgruppen: Erwerbstätigkeit
-111-
Abb. 46 zeigt die unterschiedlichen Anteile an komorbid Erkrankten, d.h. in diesem Fall an
Patienten, welche mehr als eine unterschiedliche F-Diagnose besitzen. Die MedStatGruppen haben im Vergleich weniger Mehrfachdiagnosen als die FBPsy Patienten mit stationärer Vergangenheit. Der höhere Prozentsatz an zusätzlichen Diagnosen bei den Niedergelassenen könnte allerdings auch ein Artefakt sein, da diese die Patienten über längere Zeit
behandeln und deshalb auch besser kennen.
Mehr als eine unterschiedl. ICD-10 F-Diagnose (in %)
47.9%
28.9%
28.3%
ke
ine
s ta
t. V
erg
.
25.6%
au
sa
mb
.
s ta
t.->
am
b.
s ta
t.->
s ta
t.->
MedStat
Ps
y
23.9%
21.4%
HA
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
FBPsy
Abb. 46: Vergleich FBPsy und MedStat Subgruppen: Anzahl unterschiedl. F-Diagnosen
5.1.3 Diskussion
Die Erhebung des Versorgungsbeitrages der niedergelassenen Psychiater im Kanton Bern
war eine Herausforderung für die Evaluationsgruppe wie auch für die teilnehmenden PsychiaterInnen. Auf Seite der Evaluationsgruppe war die Erstellung des Fragebogens, das Einholen der E-Mail-Adressen, die Online-Schaltung und Betreibung und schliesslich der Umgang
mit dem umfangreichen Datenmaterial, ohne vergleichbare wissenschaftliche Studienergebnisse zur Hand zu haben, mit hohem Aufwand verbunden. Umgekehrt mussten viele PsychiaterInnen mehrere Stunden investieren, um die Fragen zu beantworten.
Das Resultat ist auf diesem Hintergrund herausragend: 56% der PsychiaterInnen haben teilgenommen, Daten über ihre Praxis und deren Organisation konnten eingeholt werden, über
ihre Einschätzung der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren in der psychiatrischen Versorgung, der sozialpsychiatrischen und rehabilitativen Versorgungslandschaft und der zustän-
-112-
digsten Leistungserbringern je nach spezifischer Klientel. Viele dieser Resultate deckten sich
mit den Ergebnissen aus den Hearings, was eine Validierung für diese qualitativen Daten
darstellt.
Den wichtigsten Teil bilden die Ergebnisse der Stichtagserhebung: 500 Patienten wurden
erfasst, umfangreiche Daten über ihre Person, Sozialstatus, sozioökonomischer Status,
Anamnese und über ihre Behandlung erhoben. Rund die Hälfte der behandelten Patienten
hatte schon eine (teil-)stationäre Behandlung und ebenfalls bei rund der Hälfte der Patienten
ist Stabilität und nicht Heilung das Ziel. Dies zeigt, wie schwer beeinträchtigt ein stattlicher
Teil der Patienten in der psychiatrischen Praxis sind.
-113-
Anhang 2: Hearing-Ergebnisse: Psychiater im Kanton Bern
Themen
Regionen
Bern
Seeland
Emmental
Teilnehmer
Oberaargau
Oberland inkl. Thun
Denise Fels, seit 1999 Praxis in Burgdorf
Bern:
Patrizia
Stucky,
Biel: Franziska Rittel, seit
Praxis seit 2001, del. PT,
1997,
del.
PT,
Jaques
Josef Amrein, seit 12 J.,
Soult,
del.
PT,
Blagoje
Alfred Thomi, seit 1992,
Radosavac, seit 2004
Aleksandar Tadic, seit 7 J.,
Jindrich Strnad, seit 2005
50%
OA
Walter Bangerter, seit 10 Jahren Praxis in Burgdorf
Peter Baumgartner, seit 2001 Praxis in Burgdorf, del. PT
Heinz Wyss, seit 1997 Praxis in Langenthal
Rudolf Baumberger, seit 1995 Praxis in Langenthal, KJund Erwachsenen-Psy, del. PT
Thun:
Krystina
Kalo-
gerakis seit 1999, Thomas
Roost seit 2004 , del. PT,
Notfalldienst PDT, Caroline
Burke seit 1997, del. PT
Neuhaus,
Madeleine
Müller,
seit
22J., Anna Wyler, seit 5 J.
Lyss: Jan Schmid, seit
Interlaken: Isabel Grieb,
2007 in allgemeiner Praxis
seit 2007, Herr Schlagenhaufen seit 1986
a. Diagnosen
Hauptdiagnosen: Depression,
Angststörung,
sexueller
Missbrauch,
Essstörung,
Zwänge,
somatoforme
Störung,
Sucht, PTBS
50% der PK: Depression,
20-40% der PK: Depression, Anpassungsstörung, Ängste
66% der
Angst-, soma-toforme oder
oder neurotische Störung
Störungen,
Schmerz-störung
20%: chronische Verläufe inkl. Schizophrenie, Borderline
Störung,
und andere PS.
Rest: querbeet (siehe dazu (2))
phrenie & PS
Geistige Behinderung/
Minderintelligenz.
34%:
F4-Diagnose
(Neurose, PTBS, somatoRest: Sucht, Geronto
Verände-
PS,
Schizo-
chose, Schizophrenie
b.
affektive
starke
Psychosen, Schizophrenie,
30%: Psychose, manischdepr.
Kleinerer Teil: PS, Psy-
PK:
forme Störung), Sucht.
Früher Trend zu somato-
Häufig: Krisen am Arbeits-
Mehr somatoforme Störungen, v.a. bei MH, Verlauf
Mehr
rung Arbeits-
forme
jetzt
platz, Burnout, Mobbing,
schwierig wegen Sprache, Kultur, meistens wenig Erfolg,
schwerer,
alltag
Burnout,
Diagnosen
man muss schnell reagie-
was frustrierend ist. Mehr Scheidungen, was sich auf
chronischer.
bleiben in Anteilen gleich.
ren
IV-Abklärung),
Kindern und Eltern auswirkt. Mehr ADHD-Diagnosen,
nach wie vor hoch, eine
Soziale Auffälligkeit zuge-
damit Patient im Arbeitsle-
auch bei Erwachsenen, bipolare Störungen. Weniger
Therapie
nommen,
ben bleibt, meistens keine
Nischen am Arbeitsplatz für psychisch Behinderte, fallen
starten:
Chance.
Störung,
Krisenzuweis-
(vor
Klienten,
Fälle
komplexer
&
Schwelle
bei
Psy
zu
Leidensdruck
in
aus Arbeit raus, IV auch nicht mehr zur Stelle. Bur-
muss gross sein & Freiwil-
soziale Fälle, Arbeitslose,
der freien Marktwirt-schaft
nout/Mobbing vor zehn Jahren kein Patient, heute viele.
ligkeit Voraussetzung.
Familienprobleme, psycho-
ist härter geworden.
Probleme im fortgeschrittenen Alter, Depression, Demenz,
ungen
erhöht.
Mehr
Arbeitsklima
soziale Krisen. Erwartung-
etc. auch aufwendiger, wo behandelbar, zuhause, Heim?
en höher: „Depression ist
behandelbar!“ Kein Risiko
für Arbeitstelle, Psy arbeitet
viel
nach
17
Uhr.
Wenig-er Ressourcen bei
Lehr-kräften, „ZA steht und
fällt mit jeweiliger Fachperson.“
c. Alltag
Psy übernehmen grossen
Region Biel: 20-25 Psy,
Viele anwesende Psy haben bei Praxiseröffnung Suchtpa-
Region
Teil der psy Versorgung,
einige über 70 jährig. Alle
tienten aus Klinik mitgenommen, Zahl ging dann zurück,
Praxen, in Interlaken 6.
viele PK amb. getragen,
Schweregrade in Praxis,
heute eher selten neue. Solche sozialpsy PK mit Kontin-
Neue
Privatnummer für Notfälle
leichte/mittelschwere Fälle
gent beschränkt, sehr aufwändig (Netzwerke bilden, mit
gefüllt, 2-3 Mte Wartefrist,
angegeben, Ferienvertret-
von del. PTh getragen,
anderen PK in Praxis selten kombinierbar). Schwierig,
zeigt Bedarf. Wöchentlich
ung sorgfältig vorbereitet.
wenn vorhanden. Spezial-
Notfalltermine in Praxis zu ermöglichen, da meistens nicht
2-6 Anfragen, Warteliste.
Kapazitäten für neue PK
itäten (Sprache, Wissen)
gewährleistet, dass PK auch regelmässig in Therapie
Max. 8 Klienten am Tag,
reduziert,
akute
ziehen spez. PK an. Mehr
aufnehmbar. Allgemein Kapazitäten knapp. Gute Lösung,
Mischung leichte/ schwie-
Krisen müssen anderswo
soziale als psy Fälle in
wenn Patient zuerst ambulant via Stützpunkt behandelt
rige Fälle wichtig. Heim-
stattfinden. Täglich neue
Praxis, da Sozialdienste in
wird, wenn Platz in Praxis frei wird, kann er dann überge-
/Hausbesuche zeitaufwen-
Anfragen, müssen abge-
Biel
ben werden.
dig, nicht immer abgeltbar
wiesen werden. Weibl. PK
vernetzte
möchten meistens weibl.
nichts, aufsuchende Hilfe
Psy.
nicht möglich.
viele
überfordert.
Ohne
Arbeit
ginge
d. Schwierig-
Wenn eigener Wille oder
keiten Alltag
Unterstützung
Thun:
Praxen
ca.
20
schnell
(demente PK, PK mit MH,
Paare, Familien, Gruppen.
durch
Angehörige für Therapie
nicht da, kann Psy nicht
arbeiten.
Komplexe
Er-
krankungen (z.B. Schleudertrauma),
in
Zentrum
besser abklärbar.
Zusammenarbeit
e.
Hausarzt
mit
Netzwerk mit bekannten
HA aufgebaut, aus Kapazitätsgründen
keine
Rege tel. Kommunikation
HA
funktioniert. HA froh, wenn
Symptome nicht, oder will
erkennt
Abklärungen, v.a. bei PK
sie
mit MH oder Fremdsprach-
Klienten zu überzeugen,
nicht
z.T.
sehen,
psy
den
-114-
weiteren PK. Konsilien mit
igen, an Psy weitergehen.
psy
bek.
Balintgruppe
Wichtig ist, einander zu
braucht extremes Finger-
laufen gut. Psy Notfall-
kennen, z.B. über Weiter-
spitzengefühl
dienst
wenig
bildungen. Als Psy schwie-
genutzt, haben Inselnotfall.
rig, Akutpatienten aufzu-
Subakute Fälle nur von
nehmen, lange Wartezeit,
bek. HA angenommen &
Kritik
nur wenn Platz. Z.T. Ab-
berechtigt. Berichte an HA
sage an form. Treffen mit
zu senden ist z.T. aufwen-
HA, um Zuweisungen zu
dig,
entgehen.
Konsilium+,
Prioritäten (IV etc.). Ruf
wenn HA nichts über PK
des Psy daher nicht so gut.
HA,
von
HA
seitens
da
der
schon
Hilfe
einzuholen,
HA
andere
mitteilte, keine Vorarbeit
tätigte.
So
Behandlung
akuter Krise des HA. PK
nicht lange bei Psy, da
nicht motiviert wurde.
f. mit ambulanten & teilstationären
Diensten
KIZ (UPD) hat an Güte
Psy Dienst Biel: Tages-
Seit 10 Jahren Situation der psy Versorgung dank psy
Mit MOKI sehr gute ZA,
abgenommen,
anderer-
klinik, MOKI, Gruppe für
Dienst verbessert, ist gewachsen, enthält aufsuchende
pro Jahr 4-7 MOKIS pro
seits Team seit Jahren
emot. instab. Frauen gut,
Pflege, Job Coach von IV. Viel Unterstützung durch Herr
Psy.
gleich, kennen PK, was
noch nicht gross genutzt,
Zühlke und Team. Man sollte nicht unbedingt viele neue
tagesklinik
gut
Zukünftige
Akutkönnte
starken
PDB Zeit für PK, wohn-
Angebote aufstellen, die bestehenden würden ev. an
wirksam
Willen & bleiben hart bei
ortsnah, angenehmer als
Qualität einbüssen, vielfach geben sie sich sehr Mühe.
Triage:
gute
Absage, was nicht hilft.
Klinik. Kontakt zu Psy wird
Tagesklinik Oberburg nicht so gut, ausgerichtet auf
barkeit,
wenn
Arbeits-bedingungen
gepflegt.
spezifische PK, lange Wartezeiten. Akuttages-klinik wäre
Ferien,
schlechter geworden, gute
besser, Feedback schnell-
auch für Burgdorf sinnvoll.
Rückmeldung.
Eigener
Leute weniger angezogen.
er. Probleme bei Parallel-
Notfalldienst:
hilfreiche
Psy aus Emmental/ Ober-
behandlung,
Vorinformation
aargau auch der Meinung,
vor KK erklären, warum PK
Dienst, gute ZA. Interes-
dass
neben Psy bei PDB. Dienst
sensgemeinschaft
unterschreibt nicht gerne
aargau gutes und hilfrei-
Blanko-Verordnung.
ches Forum.
ist,
haben
ZA
mit
diesem
Angebot schwierig ist.
Notfälle
laufen
PDB
muss
sein.NotfallErreichPsy
in
Information,
von
psy
Ober-
Notfallnummer teuer (3.Tagesklinik in Niederbipp
/Min), Volk kennt sie nicht,
öffentlich?
MOKI
ist
Konzeption
unklar,
Notfallab-
zuerst
für
lange
man
hat
person am Telefon, daran
unbekannte
Abklärung.
voll,
Pfleger als Entscheidungs-
deckung für bekannte PK
sinnvoll,
immer
Wartezeiten,
musste man sich zuerst
ATK:
gewöhnen.
Konzept? Hilfreich, aber
Krisenbetten sinnvoll, da
Nächte heikler als Tage.
g.
mit
Pro Jahr eine Einweisung
ZA ist gut, wenn man sich
Wenn man Kollegen kennt in UPD oder PZM, ist ZA viel
Wenig zu tun mit inst. Psy,
stationären
in UPD, Psy versuchen,
kennt (z.B. die Oberärzte
einfacher. Probleme machen AssiA zu Unzeiten. Wenn
nur
Diensten
ohne UPD zu arbeiten.
im PZM), nicht gut, wenn
Akutsituation,
ungen,
Ansprechperson
unbe-
seitens der Klinik, und nicht Aktion abgeblocken. Jedoch
Tagesklinik. Z.T. Parallel-
kannt. In deutschsprach-
Kommunikation, Miteinbezogenheit und Berichterstattung
system zw. inst. Psy&Psy.
igen Kliniken mehr möglich
für behandelnden Psy mangelhaft.
Wenn Fuss drin, dann ZA
Vor Jahren ist BGPP an
UPD mit drei Standards
herangetreten (3 Tel. mit
Zuweiser, vor, während, &
nach Austritt). UPD hat
Standards nicht befriedigend
umgesetzt.
resigniert,
melden
Psy
nicht
jeden schlechten Fall. ZA
personenabhängig.
AssistA
nicht
in
Viele
CH
studiert, andere Arbeitskultur gewohnt. Psychiatrie
schon vor längerer Zeit
finanziell heruntergefahren
(Betten, Personalschlüssel),
mehr
weniger
Betreuung,
Verwaltung.
sparungen
bei
„Eingleich
bleibender Qualität“ (Zitat
Strik) nicht erreicht. PTStation nicht gleiche Quali-
auch
dementsprechende
Möglichkeiten
bei
Klinikeinweis-
Zuweisung
von
als in französischsprach-
gut, kennt die Leute, Ange-
igen.
an
bote,
Einweisungen
zu
einfacher.
Psy
Schwierig,
Austrittsberichte
ran
werden
kommen, manchmal keine
immer informiert, wenn PK
Mitteilung,
aus Klinik entlassen 
wieder
dass
Gemeinsame
können
werden.
Patient
draussen
nicht
ist.
Entscheide
getroffen
Austrittsbericht.
Klinik-
austritte
besser
sollten
begleitet werden, Psy ist
bei
Neuanmeldungen
wenig vorbereitet, mangelnde Information. Kontakt
zu PM gibt’s nicht, ein
schriftlicher Bericht, kein
Telefongespräch
-115-
tät wie früher an MU21.
Verbesserungswünsche
h. für ambulante und teilstationäre
Mehr Plätze für Tages-
Psy
klinik
Öffentlichkeitsarbeit,
(häufig
dezentrale
Dienste
voll),
Ausrichtung
fördern.
Dienst
Biel:
aufsuchende
gut
und
Mehr
psy
Hilfe
ausbauwürdig.
Gruppenangebote
Arbeitsbedingungen
im
KIZ verbessern, um gute
Arbeitskräfte zu gewinnen,
Flexibilität
im
Team
fördern, ev. mehr Plätze
generieren.
Es fehlt an Akuttageskli-
Geeigneteres Angebot als
Bedarf nach Werkstätten,
nik,
aufsuchender
Tagesklinik,
finanz. Unterstützung für
niederschw.
schwelliger
Pflege,
Anlaufstelle, runder Tisch
stabilere
niederund
für
PK.
Nie-
Arbeitgeber bei
Anstel-
lung von PK. Betreute
für
nach Ciompi, ambulanter
derschwellige
Schmerz-
Tagesstruktur/ Ambulatori-
struktur für Patienten ist
Einheiten, mit Hausbesu-
patienten, Depressive vor
um. Sehr gut wäre eine
aufzubauen. Sehr gut wäre
chen
nächsten Krise (Achtsam-
Tagesklink mit à la carte
eine Tagesklink mit à la
derschw.
keitstrainings)
Programm,
carte Programm, indivi-
ausbaubar. PT-TK, KIZ &
duell
Notfallintervention vor Ort
chronische
gebraucht.
werden
Zwischending
auf
abgestimmt
PK-Bedürfnisse,
Tages-
abgestimmt
auf
WGs
nötig,
kleinere
verbinden.
Nie-
Angebot
Psy
Dienste
für Tagestruktur zwischen
versch. Module (Kompe-
Bedürfnisse des Patienten,
anbieten.
Psy und Klinik fehlt. Mehr
tenz-training
auch mit Stunden bei Psy
erhöhtem Bedarf anpas-
niederschw.
abrech-baren Stunden bei
abrechenbar,
sen
Psy.
Module
Angebote
ähnlich Beschäftigung &
Förderung
(3-4
etc.),
mit
Jahre
Wartezeit!) & RAVplus im
Tagesstätte in Burgdorf
falldienst
in Bern meistens voll plus
bauen,
Seeland
Mitglieder
aufeiner
öfter
Kurze
Regionalspital durch psy
schwelliger, heute nur für
IV-Rentner. KIZ in Region,
Krisen-
limitiert,
Betreuung des PK im
nieder-
Gemeinsamer psy Not-
(wenn
betreuung
Klinikeinweisung).
training etc.) anwendbar.
(BEWO)
Kanton Solothurn.
versch.
(Kompetenz-
Dienst
ermöglichen.
Neurol.,
Demenz-
ADHS-Abklärungen
Probleme mit UPD.
&
in
psy Dienst anbieten.
Fachgruppe Psy Halbtag
für Akutfälle abdecken
i. für
Kommunikation
UPD
stationäre
verbessern, mit AssiÄ drei
fördern (Kenntnisse, was
personell,
gemeinsame
psy Dienste
Standards umsetzen. Psy
wo gemacht wird, wie man
Sprache,
gemeinsames
in
an
Austrittsgespräch mit Psy,
Arbeitsprozesse
der
ZA
mit
der
inst.
welche
Psy
Angebote
Verfügbarkeit
inst.
UPD miteinbeziehen. Mehr
kommt, Berichte, Fallbe-
Klinikarzt,
Betten in UPD mit erhöhter
sprechungen,
Krisenbetten
personeller Betreuung &
ungen, Vernetzung, etc.).
hospitalisation
aufbauen.
verbesserten Kommunika-
Schnellaufnahmeklinik für
Gemeinsame
Fallführung
tion.
akute PK, kein Platz im
durch
PZM  Krisenbetten in
ermöglichen.
Biel nötig. Mehr Präsenz
ene
der Klinik Bellelay, alle
Peripherie anstatt nur in
Infos per Website abrufbar
Kliniken aufbauen.
Weiterbild-
HA
&
&
PK.
ohne
Voll-
stat.
Betten
Rahmen
Geschlossauch
in
Mehr
Betten
aargau,
Ober-
Mehr PT in stat. Bereich,
Kooperations-
im
Stellendotationen erhöhen,
vertrag mit St. Urban.
auf offene Station. Mehr
Verfügbarkeit
inst.
&
personell,
gemeinsame
Sprache,
gemeinsames
Austrittsgespräch mit Psy,
Klinikarzt,
HA
Krisenbetten
&
PK.
ohne
Voll-
hospitalisation
aufbauen.
Gemeinsame
Fallführung
durch
stat.
Rahmen
ermöglichen.
machen
Freiwillig Eintretende direkt
ene
Geschloss-
Betten
auch
in
Spezialabteilungen
spez.
für
Therapieangebote
(Borderline, PTBS).
KJP: 12 h Aufwand, bis
Aufnahme
oftmals
im
Neuhaus,
Klientel
aus
Internaten nahe Interlaken,
ursprünglich aus Kanton
Zürich,
Zuständigkeiten
daher stets unklar. KJP in
Interlaken völlig überlastet
Peripherie. Klinik Neuhaus
Bettenangebot und ZA für
Oberaargau ausbauen.
j. für unterversorgte
Personengruppen
Geistig Behinderte in psy
(Polytoxikomane) Sucht-
Krisen,
Neuhaus
PK, komorbid mit PS,
nicht der richtige Ort dafür.
Praxisrahmen überfordert,
Klinik
Drogenabhängige
im
fallen aus dem Netzwerk
zwischen 18-&25-jährig,
von inst. Psy, Sozialdienst,
Drogenentzug in Waldau,
Suchtberater…wo hin?
Schwerste PS mit Gewalt
Somatoforme
Riesenhürde seitens HA,
PK für Psy zu überzeugen.
PK über 50 J. kaum bei
nicht geeignet, da unter
Älteren,
im
Neuhaus
abgewiesen, weil zu alt,
wo richtiger Rahmen?
PK,
Sprachprobleme mit MH,
Manische
bleibt
PK,
z.T.
Störung
Psy,
direkt in
Somatik,
unbemerkt,
Heim oder von Familie
Doktorshopping, Unkennt-
getragen, 50% der Konsil-
nis von HA/Psy
Fälle >65 Jährige, Bedarf!
Psy Betreuung für verwirrte, operierte PK, in
somat. Spital hoher älterer
Anteil.
k.
für
die
Entstigmatisierungs-
Biel
Migrationsstadt,
Psychiatrisch
orientierter
Sozialberatung
Gesundheits-
kampagne der UPD für
versch. Kulturen, Sprach-
Sozialdienst,
da
Hintergrund
und
Fachleute, Leistungen der
probleme. Bei nicht aner-
Patienten soziale/ finan-
Langenthal, ist eingegan-
sein.
niederg. Psy anerkennen.
kannten Flüchtlingen nach
zielle Beratung für Stabili-
gen)
Grosser Dank seitens der
Nachwuchsproblem Psy &
Krise nicht klar, wie weiter,
tät
HA
so
keine Stabilitätsförderung.
Rahmen kann Psy nicht
geführt
optimale
Sozialdienst für nicht IV-
geben. Mehr Familienpfle-
dass dies zeigen kann,
Versorgung gewährleisten.
Rentner nötig, da häufig
geplätze
dass Psy besser arbeiten
Fürsor-
ge-direktion
angehen
zukünftige
und
nötig
hätten,
viele
dieser
mit
(Zenana
psy
Kurze stat. Krisenüberbrü-
in
ckungen sollten möglich
Psy, dass Hearing durchwurde,
hoffen,
-116-
Verwahrlosung, Verschuld-
Nachwuchs an Psychiater fördern, Rahmenbedingungen
ung & keine Struktur für
attraktiver machen, wie kann Staat dies ermöglichen?
Krise. Erst wenn PK stabil,
Niedergelassene Psychiater sollten sozialpsychiatrisch
bereit für psy Therapie.
gestärkt werden, Staat soll als Regulator arbeiten. In den
Therapievermittlungsstelle
letzten 20 Jahren wurde in der psychiatrischen Versor-
auf Website für HA, Psy &
gung Planwirtschaft betrieben. Sehr gut wäre ein Melde-
inst. Psy.:Termin, Sprache,
system, ob man freie Plätze hat
als ihr Ruf.
Spezialität,? GEF Vernetzung und Vertrauen fördern,
Stigmas abbauen.
l. für andere
Bei Klienten, welche aus
Akteurgruppen
Arbeit: Gute Erfahrungen
IV: Fertigen z.T. dubiose Gutachten an, kein Vorwärts-
mit SUVA&Case-Manager
kommen bei beruflichen Massnahmen (Wartezeit von 4
aus Firmen, Kontakt für
Monaten), Job Coach wäre gut, kommt aber von monetä-
zukünftige
rer Seite, immer im Interesse des PK?
PK
bleibt.
Arbeitsleben
raus
sind,
zahlt IV nicht  Früherkennung wäre wichtig
Schwierig mit KK: heikle
Koordination,
Manager
Case-
der
Taggeld-
versicherung, arbeitet auf
eigene
Faust.
Sozial-
dienst Biel überfordert,
Rückzug seit 5 J. wg. zu
vielen Dossiers.Wenn man
Case-Manager der KK, lassen PK während stat. Aufenthalt etwas unterschreiben, behandelnder Psy wird nicht
informiert. Parallelbehandlungen, Sozialdienst in Burgdorf
zunehmen unter Druck, haben viel zu tun, nicht mehr so
belastbar wie früher.
Leichtere Störungsbilder z. B. bei Paartherapie werden i.
R. nicht von KK übernommen, muss Klienten bewusst
sein.
sich kennt, ZA besser.
Beurteilungen anderer Akteure über die Arbeit des Psychiaters
m. Hausärzte
ZA mit Psy nicht existent,
Lieber niederg. Psy für
Netz
kennen
Gute ZA, wenn zuweisbar,
Lange
einzelne Versuche schei-
langfristige Behandlung als
einzelne Psy, wissen wie
sonst schwierig. Vielfach
Kontaktaufbau
terten aufgrund Wartelis-
psy Dienst (mehr Erfah-
matchen.Für
wählen PK Psy selber aus.
wohl
ten, keine Notfallabnahme
rung),
Über-gabe
Therapie wird Psy hinzu-
Region.
Notfall-
Praxen in Kürze gefüllt.
(&-dienst),
wer
Tel.-AB & 5 Min Sprechzeit
lieber
aufgebaut,
längere
schwierig,
PK,
neue
des PK als via Konsilium
gezogen, nicht psy Dienst
dienst:Unterschied,
fallführend
Bei
(auch bei Eheproblemen).
Dienst hat, da häufig kein
fördert
Kommunikation
keine
Langzeit-PK.
Psy keine Notfälle möglich,
1-3 Konsultationen nötig,
Hintergrundwissen
nicht.
Konsiliardienste
Einzelne Abklärungen aber
Warte-listen von 3 Mtn,
um Stigma des PK ggü
auffälligem
möglich,
Erreich-barkeit
Psy abzubauen. PTh kann
wissen
Erreichbarkeit
dankbar
für
bleiben.
schwierig.
PK,
Fach-
weniger wichtig als Abklär-
auf-
ung & Übernahme inner-
lückenhaft,
Rücksprache mit Notfall-
Neue Psy schnell ausge-
auch
wenn
fällig, dass manche Fall
halb
dienst
bucht. Einzelne Abklärun-
aber zu psy (Medikations-
schnell wie möglich erled-
Rücksprache. Balintgruppe
gen bei Psy möglich.
einstellung,
igen (zum Wohle des PK?)
Thun hilfreich für spez.
leistenden
Psy,
behandeln,
zu
Abklärungen)
ist Psy gefragt.
Psycho-
genug
etc. Annahme, Psy wollen
wenn eigener PK auffällig.
n.
Wartefristen,
Niederg.
einer
Woche
mit
Themen.
Psy
haben
In Biel keine Psy, also gute
ZA mit den Psy punktuell
Z.T. besteht sehr gute ZA
interne
gut
mit niederg. Psy. PTh für
therapeuten
andere
Schwer-
ZA mit HA. Für PTh diese
FSP
punkte, PK können auch
ZA ohnehin interessanter
Psychotherapie zuständig,
querzugewiesen
werden,
(Mitspracherecht).
während
wenn
psycho-
Institution Kontakt zu HA
nicht
besser als zu Psy, mehr
Psy
analyt.
o.
mit
Therapie
Psy
In
der
Psy
die
Medikation übernimmt.
weiterkommt, an system-
Freiheiten.
ischer PTh weiter. Auch
schlechter ausgebildet als
z.T.
Psy oft wenig vernetzt
PTh.
Frienisberg: Som. Arzt &
Tannenhof:
Heim
Schul- & Arbeitszentrum
RAZ: Frau Bichsel (Stütz-
Seeburg: Unterversorgung
Psy, welche Heim versorg-
einen Psy direkt angestellt
Burgdorf: ZA mit Psy sehr
punkt Burgdorf) und HA
der Psy kommt! Ein Psy
en,z.T. ZA mit Differenzen.
zur Unterstützung.
gut, ihre Einstellung ist z.T.
sind zur Stelle, Medikati-
deckt viele Patienten im
„Wer einmal bei mir war,
onseinstellungen
Heim ab. Sonst ZA nicht
darf auch ohne Tarmed-
nieren
Wohnhei-
me
Riggisberg:
Medi-Rück-
sprache mit Heim-Psy
Im
Pré-Aux-Boeufs:
Einmal
in der Woche Sitzung mit
som. Arzt
Restl.
Heime:
Geistig-Behinderte
rausforderung
für
kommen“.
Psy-&
HePsy,
hört
eine
Mittagessen finden statt
braucht Psy, vor Ort findet
Kommunikation,
man niemand, der innert
Probleme hinter Behind-
nützlicher
erung erkennen. Teamsitz-
Kapazitäten hat. Manche
ung: Psy erkennt anbahn-
Psy wollen keine Klienten
ende Krise („Wenn jeder
aus Heimen.
Betreuer
Man
aufeinander, gemeinsame
Borderline-Patientin
Frist
freie
schlecht, die neueren Psy
wieder
Restl. Heime: Schwierig,
Fachkenntnis für (akust.)
psy
Verrechnung
funktio-
machen manchmal Mühe,
Calendula: IGPO beinhaltet
gutes
Netzwerk,
Heimleiter und 30 Psy
welche zu sehr ins Heim
einmischen, sich mit Klient
verbünden,
zu
beschüt-
zend sind
Arche Burgdorf: Fallvor-
Wohnen und Freizeit:
stellungen mit Psy (arbeitete
im
Siloah),
Krisengespräche mit Klient
sehr
und niedergelassenem Psy
hilfreich
gut erlebt
schwierige
Momente mit PK, dann…“)
p. Alters- und
Ein Mal pro Woche kommt
In einem Heim Psychiater
Es besteht ein Curriculum,
Psychiater vor Ort sind
Pflegeheime
Psy vorbei für Pflegeheim
zweimal im Monat da zur
zwei
welche
Mangelware! Konsilium mit
und für Anwohner. Nie-
Beobachtung/Kontrolle der
Weiterbildungen, Teaching
einer Psychiaterin in einem
Psychiater,
-117-
derg.
Psy
Fachwissen
mit
gutem
gibt
Medikamente.
Keine
organisieren,
Stichwort
es
privaten Psy, welche PK
„Der schwierige Patient“
ausreichend, das Problem
behandeln, auch sonst z.T.
bei Neueintritten. In einem
besteht in Finanzierung.
keine Namen von Psy zur
Heim
Hand,
Bewohner
welche
man
im
Notfall ansprechen könnte.
haben
Heim möglich.
einzelne
auch
eigener
Psychiater.
q. Selbsthilfeund Angehö-
APhS: Sehr gute Erfahrungen mit Psy, aber einer, der sagt, wenn der PK es von sich Zuhause zu ihm in Praxis schaffe, dann könne er in Therapie
kommen, hat Störung nicht verstanden & nimmt PK nicht ernst. Hausbesuche können vieles bewirken, solche Psy sind in APhS-Ärztevermittlung dabei.
rigengruppen
Equilibrium: Viele Psy waren sofort erreichbar für Therapie (waren alle anfangs 90er Jahre), wenn gute Vertrauensbasis („konnte mich erfassen“), dann
sehr gute Erfahrungen, sind auch heute noch erreichbar in Notsituationen, tragen Anwesende, eingespieltes Team
VASK: In einem Fall war Psy immer zur Stelle, keine Probleme, einen zu finden. Guter Psy, wenn PK und Familie verstanden
r.
Sozial-
dienste
ZA personenabhängig, von
Immer
ZA sehr unterschiedlich,
Bestehende Kontakte mit
sehr gut bis sehr schlecht.
niederg. Psy vor Ort zu
wieder
Mühe,
mehr
HA oder Psy laufen gut,
Als Mandatsträger selber
finden, landen am Schluss
aus, Psy-Beitrag: Therapie
an Psy oder HA zuweisen,
in Bern.
vs. Tragen/Begleiten und
Spitex-
dienste
t.
Regie-
Sozialdienst
auch in Interlaken.
Strukturierung des Alltags
ist Gold wert.
s.
vom
Personenspezifisch, enge
ZA mit Psy sehr gut, z.T.
Psy manchmal nicht in
Gürbental:
ZA mit betreuender ADHS-
sehr
Privatsphäre
wichtig,
Praxis, psy Spitex küm-
dienste
in
mert sich um Tagesablauf
fehlen
Psy
wichtig,
diese
der gem. PK. Absprachen
partner. Erstaunlich, wie
nehmen Führung). Sonst
Vernetzungsarbeit
zahlt
mit Psy z.T. schwierig, Psy
wenig es braucht, wenn
gute ZA, tel. per Natel
aber niemand
leiten psy Spitex z.T. zu-
Struktur gegeben ist, das
erreichbar.
wenig an. Hausbesuche
Netz
selten, nicht lukrativ.
Auftragsaufbau ist wichtig.
schwierig.
Spitex-
Biel/Seeland
Ansprech-
funktioniert.
des
PK
Absprachen
ausführlicher
eingreifen, Unterschied zu
Telefonkontakt mit Psy, für
psy
Aufbau
Fachfrauen
(über-
Guter
ZA mit Psy klappt nicht
rungs-
immer,
sind
statthalter
(finden
schwierigste
schwierigste
überfordert
PK
Psy?).
Brüche in Betreuung zw.
amb. Dienst & Psy, zw.
inst. & nicht-inst. Betrieben,
auch
personenab-
hängig.
u. KK
Vertrauensarzt (=Psy) wichtig, bietet Rückmeldungen, Kontrolle etc. Bei niederg. Psy und HA keine Differenzierung, keine enge ZA bisher nötig
v. Pro Infirmis
Enge ZA (& gute mit Psy im Jura bernois), Stichworte „Finden eines gemeinsamen Weges, Formulierung gemeinsamer Ziele, Überbevormundung durch
Psy, Therapieresistenz. Verantwortungsabgabe an Pi, nicht einfach. Erreichbarkeit unterschiedlich bewertet. Mit klaren Aufträgen von Psy läufts gut.
Abkürzungen:
KK = Krankenkasse
PS = Persönlichkeitsstörung
PT = Psychotherapie
AssiA = Assistenzärzte
MH = Migrationshintergrund
Psy = Psychiater
PTh = Psychotherapeut
BGPP = Bernerische Gesellschaft für
PDL = Pflegedienstleiter
psy = psychiatrische
RSH = Regierungsstatthalter
Psychiatrie und Psychotherapie
PK = Patient/Klient
Psych = Psychologe
ZA = Zusammenarbeit
HL = Heimleiter
Es wird für alle Anwesenden die männliche Form verwendet.
-118-
5.2
Hausarztbefragung
5.2.1 Einführung
Parallel zur Befragung der freipraktizierenden Psychiaterinnen und Psychiater befragten wir
die Hausärztinnen und Hausärzte (HA) bezüglich ihres Beitrages an der Versorgung psychisch Kranker. Dies geschah mittels eines zweiseitigen Fragebogens, der in Papierform der
Vereinszeitung „Berner Hausärzte“ beigelegt war, nach unbefriedigendem Rücklauf erfolgte
eine Einladung per Email. Ausserdem stand der Fragebogen auf der Website der Berner
Hausärzte zum Download zur Verfügung. Per Post oder per Fax konnte der ausgefüllte Fragebogen zurückgesandt werden.
In einem ersten Teil der Befragung ging es neben einigen Grundangaben zur Praxis um Einschätzungen der Zusammenarbeit mit andern Akteuren des psychosozialen Versorgungsnetzes. Kern der Befragung bildete eine einfache Stichtagserhebung, in welcher die Patientinnen und Patienten mittels einer Strichliste einer Gruppe zugeordnet werden konnte. Ziel
war es, den Anteil an Patienten mit einer psychischen Symptomatik, deren Diagnose,
Schwere der Störung, Altersstruktur und die Art der psychosozialen Versorgung zu erheben.
5.2.2 Ergebnisse
5.2.2.1 Rücklauf
Insgesamt wurden von den angefragten 790 Praxen im Kanton Bern 90 Fragebögen zurückgeschickt, was einer Rücklaufquote von 11.5% entspricht. Angesichts des hohen Aufwandes,
der betrieben wurde, muss dies als unzureichend und nicht repräsentativ beurteilt werden.
Trotzdem soll eine Beschreibung der Ergebnisse erfolgen und vorsichtige Interpretationen
angestellt werden.
5.2.2.2 Beschreibung der teilnehmenden Hausarztpraxen
Von 90 Praxen liegen ausgefüllte Fragebögen vor, 28 stammen aus der MS-Region 11
(Stadt Bern) und 62 aus den übrigen MS-Regionen (Nicht-Stadt Bern).
65 (73%) Praxen haben eine allgemeinmedizinische Ausrichtung, 24 (27%) sind internistische Praxen.
75 (82%) der Antwortenden sind Männer, 15 (17%) Frauen. Im Mittel sind sie seit 17.4 Jahren in eigener Praxis tätig. Sie behandeln am Tag durchschnittlich 25 PatientInnen.
-119-
5.2.2.3 Qualität der Zusammenarbeit mit andern Versorgern
Wie die HausärztInnen die psychiatrische Versorgung wahrnehmen und die Zusammenarbeit
mit ihr qualitativ beurteilen, wird im Folgenden besprochen. Unter dieser Qualität wird Zusammenarbeit an sich, der Informationsfluss, die Behandlungsqualität, der Zugang zu freien
Plätzen und für Notfälle bewertet. Es wird dabei zwischen stationären, teilstationären und
ambulanten psychiatrischen Angeboten unterschieden.
Im Schnitt wurden im letzten Jahr etwa 6 Hausarztpatienten stationär behandelt (N 88, MW
6.1, Med 4, SD 4.9, Range 1-25). Insgesamt beurteilen 90% der Ärzte die Behandlungsqualität als gut bis sehr gut. Information, Zusammenarbeit, freie Plätzen und Aufnahme von Notfällen schätzen 60-70% als gut bis sehr gut ein (Abb. 47).
sehr gut
gut
mässig
mangelhaft
Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit
mit der stationären Psychiatrie
100%
80%
60%
40%
20%
0%
it
on
mati
arbe
men
Infor
m
a
s
Zu
Beha
ndlu
ng
Freie
e
Plätz
älle
Not f
Abb. 47: Zusammenarbeit mit der stationären Psychiatrie
Aufgeteilt nach den am häufigsten genutzten Leistungserbringern, nämlich den stationären
Angebote der UPD (N=18), des PZM (N=20) und der PM (Privatklinik Meiringen, N=6), zeigen sich deutliche Unterschiede (Abb. 48). Die universitären psychiatrischen Dienste werden
über alle Qualitätseinheiten am schlechtesten beurteilt. Leider sind diese Ergebnisse so nicht
aussagekräftig, da sie auf einem zu kleinen N beruhen. Die Spannbreite der Beurteilungen
widerspiegelt sich dennoch in den Hearings, wo von guter Zusammenarbeit mit Einzelpersonen bis zum grossen Widerstand seitens der Klinik die Rede ist (siehe Anhang 1 unter h.).
Hausärzte möchten von den psychiatrischen Kliniken ernst genommen zu werden, akute
Fälle einweisen können und Austrittsberichte erhalten. Es wird festgestellt, dass Patienten
nach dem Austritt selten an die Hausärzte zurückverwiesen werden. Einige bemängeln, dass
sie damit nicht mehr Teil der Behandlungskette sind, obwohl die meisten Patienten früher
-120-
oder später trotzdem wieder in der Praxis auftauchen. Andere hingegen sind froh darüber,
dass der psychiatrische Fall von Fachpersonen weiterbehandelt wird.
Einschätzung der Zusammenarbeitsqualität
Info
ZA
Behandl.
Plätze
PM
PZM
UPD
PM
PZM
UPD
PM
PZM
UPD
PM
PZM
UPD
PM
UPD
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
PZM
sehr gut
mit stationärer Psychiatrie nach Leistungserbringer
gut
mässig
mangelhaft 100%
Notfälle
Abb. 48: Zusammenarbeit mit der stationären Psychiatrie nach Leistungserbringer
Die Zusammenarbeit mit der teilstationären Psychiatrie wird von 60 somatischen Ärzten ähnlich eingeschätzt wie mit der stationären (Abb. 49). Im Durchschnitt wurden jährlich pro Praxis 3 Patienten (N 76, MW 3.2, Med 2, SD 4.1, Range 0-20) teilstationär behandelt. Die Behandlungsqualität ist dabei am positivsten. Der Zugang bei Notfällen wird schwieriger angegeben als bei den stationären Angeboten, dort erscheint es wiederum schwieriger, freie Plätze zu finden. Eine weitere Aufteilung nach Leistungserbringern ist nicht möglich aufgrund der
zu kleinen Zellenbesetzung.
sehr gut
gut
mässig
mangelhaft
Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit
mit der teilstationären Psychiatrie
100%
80%
60%
40%
20%
0%
it
ation
arbe
men
m
a
s
Zu
m
Infor
ndl
Beha
ung
Freie
e
Plätz
Abb. 49: Zusammenarbeit mit der teilstationären Psychiatrie
älle
Not f
-121-
Die Zusammenarbeit mit der ambulanten Psychiatrie wurde von 75 Ärzten bewertet (Abb.
50). Im Durchschnitt wurden in den letzten zwölf Monaten 9 Patienten an einen ambulanten
Dienst verwiesen (N 77, MW 9.0, Med 5, SD 9.7, Range 0-50). Das Profil der Beurteilung
gleicht denjenigen der stationären und teilstationären Angebote, ist aber insgesamt leicht
positiver. Die als hilfreich empfundene Unterstützung von und Zugänglichkeit zu ambulanten
institutionellen Angeboten ist auch in den Hearings Thema (siehe Anhang 1 unter g.), v.a.
auch bei der Umsetzung von stationären Einweisungen. Die Hausärzte empfinden es als viel
einfacher, mit einer Rückmeldung durch den psychiatrischen Dienst einen Patienten für ein
stationäres Angebot anzumelden, alleine stossen sie auf mehr Widerstand seitens der Klinik.
Dennoch wünschen sich viele Hausärzte, weiterhin alleine einweisen zu können und nicht
immer den psychiatrischen Dienst rückfragen zu müssen (Anhang 1 unter h.). Die Zusammenarbeit bei Abklärungen und Behandlungen läuft dann gut, wenn ein guter Kontakt zu den
psychiatrischen Diensten besteht (Anhang 1 unter g.).
sehr gut
gut
mässig
mangelhaft
Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit
mit der ambulanten Psychiatrie
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
eit
ation
narb
mme
a
s
u
Z
m
Infor
ng
ndlu
Beha
Freie
e
Plätz
älle
Not f
Abb. 50: Zusammenarbeit mit der ambulanten Psychiatrie
Die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Psychiatern wurde von 77 Hausärzten eingeschätzt (Abb. 51). Durchschnittlich wurden im vergangenen Jahr 14 Patienten (N 82, MW
14.2, Med 10, SD 14.2, Range 0-100) von einem niedergelassenen Psychiater behandelt.
Die Beurteilung ist sehr kritisch – zwar wird die Qualität der Behandlung als meistens gut bis
sehr gut eingeschätzt – Information und Zusammenarbeit aber werden von 40-50%, und die
Zugänglichkeit sogar von 65-75%, als mässig bis mangelhaft angesehen. Im Durchschnitt
wurden während der letzten zwölf Monate 14 Patienten des Hausarztes durch einen niedergelassenen Psychiater behandelt, wobei Angaben zwischen 0 und 100 gemacht wurden.
-122-
sehr gut
gut
mässig
mangelhaft
Einschätzung der Qualität der Zusammenarbeit
mit den niedergelassenen Psychiatern
100%
80%
60%
40%
20%
0%
it
ation
arbe
men
m
a
Zus
m
Infor
Beha
ndlu
ng
Freie
e
Plätz
älle
Not f
Abb. 51: Zusammenarbeit mit der PsychiaterInnen
Abb. 52 stellt die Beurteilung der Zusammenarbeit zwischen Hausärzte und Psychiatern aus
der Sicht der Hausärzte und der Psychiater (siehe Psychiaterbefragung, Abb. 28) gegenüber. Dabei zeigt sich, dass die Hausärzte, die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen
Psychiatern viel schlechter einschätzen als umgekehrt.
nach HA
Notfall
Platz
Behandl.
ZA
Info
Notfall
Platz
Behandl.
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
ZA
Gegenüberstellung der Einschätzung der Zusammenarbeitsqualität
Hausarzt und Psychiater
Info
sehr gut
gut
mässig
mangelhaft
nach Psy
Abb. 52: Gegenüberstellung der beiden Beurteilungen Hausarzt und Psychiater
Diese Unterschiede werden in den Hearings bestätigt. Hausärzte arbeiten lieber mit den
Niedergelassenen als mit den psychiatrischen Diensten, da sie eine langfristige Begleitung
gewährleisten und langjährige therapeutische Erfahrung mit sich bringen (Anhang 1 unter f.).
Dieser Wunsch kann aber häufig nicht in die Realität umgesetzt werden. Schwierigkeiten
bereiten da lange Wartelisten, schwere Erreichbarkeit und selten gelungene Zuweisungen.
-123-
Psychiater auf der anderen Seite wissen von diesen Schwierigkeiten (Anhang 1 unter n.),
wehren sich gleichzeitig gegen diffuse einzelne Abklärungsanfragen, welche dann meistens
in eine Zuweisung münden (sog. Konsilium plus). Der Patient scheint durch den zuweisenden Hausarzt oft nicht gut orientiert und motiviert worden zu sein, so dass die Therapie kurz
darauf abbricht. Z.T. ziehen sich einige Psychiater aus Veranstaltungen mit Hausärzten zurück, um weiteren Anfragen zu entgehen. Ein Netzwerk mit bekannten Hausärzten bestehe
indes, werde gepflegt und funktioniere gut.
5.2.2.4 Stichtagbefragung
Die Stichtagbefragung umfasst 90 Hausarztpraxen mit insgesamt 2331 PatientInnen, was
rund 26 Patienten pro Praxis entspricht (Abb. 53). Der Anteil PatientInnen mit psychischer
Symptomatik beträgt im Mittel 35% mit breiter Streuung (SD: 18.4 %, Range 0.03% - 84.6%)
pro Praxis. Diese Angaben liegen über denen in der Literatur angegebenen, entsprechen
eher der 12-Monatsprävalenz psychischer Erkrankungen mit 31% (Wien et al., 2007, S. 8).
Dieser Umstand kann einen Hinweis auf die Nichtrepräsentativität der hausärztlichen Praxen, die an der Befragung teilgenommen haben, darstellen. Betrachtet man nur den Anteil
der PatientInnen, die ausschliesslich durch die HA-Praxis psychiatrisch behandelt werden,
vermindert sich der Anteil auf durchschnittlich 28% (SD 17%, Range 0% - 78%) pro Praxis.
Die ebenfalls ausgeprägte Streuung, der Umstand, dass ein Viertel der hausärztlichen Praxen 40% oder mehr psychiatrische PatientInnen behandelt, lässt die Vermutung aufkommen,
es hier mit Selektionsprozessen in der Antwortbereitschaft zu tun zu haben.
Das Spektrum der psychischen Symptomatik ist heterogen und mit dem der niedergelassenen PsychiaterInnen vergleichbar. Interessanterweise lässt sich die Klientel, die - auf Basis
der Eignungseinschätzung der Niedergelassenen - in hausärztlichen Praxen angemessen
versorgt werden könnten, in der Stichtagbefragung nicht als Behandlungsschwerpunkt finden.
-124-
Abb. 53: Versorgungssituation der in hausärztlichen Praxen behandelten PatientInnen mit psychischer
Symptomatik
Die PatientInnen zwischen 18 und 65 Jahren stellen mit 68% (506 Pat.) den grösseren Teil
der Klientel mit psychischer Symptomatik dar vs. 32% (241 Pat.) über 65 Jahren. Die PatientInnen zwischen 18 und 65 Jahren befinden sich anteilig häufiger in psychiatrischer Behandlung (120 PatientInnen, 24% vs. 24 PatientInnen 10%), obwohl die älteren PatientInnen als
schwerer beeinträchtigt eingeschätzt werden. PatientInnen mit schizophrenen Störungen
werden mit 58% am häufigsten psychiatrisch behandelt. Allerdings relativiert sich diese Angabe, bedenkt man dass diese mit 31 PatientInnen keine 5% der 747 PatientInnen darstellen. Es zeigt sich zwar ein Trend (Chi2 p < .0001) dahin gehend, dass je stärker die Einschränkung eingeschätzt wird desto weniger ausreichend wird die alleinige psychiatrische
-125-
Behandlung durch die HÄ beurteilt. Es werden aber die meisten PatientInnen (545, 90.4%)
als durch die HÄ allein ausreichend behandelt beurteilt.
Im Vergleich zwischen der MS-Region 11 und MS-Region Nicht-11 lassen sich keine statistisch signifikanten Unterschiede finden, weder hinsichtlich der Anteile der PatientInnen, die
psychiatrisch behandelt werden noch hinsichtlich der Allokationseinschätzung.
Abb. 54 zeigt die Verteilung der Versorgung bei verschiedenen Diagnosen.
Abb. 54: Beurteilung der psychiatrischen Versorgung nach Diagnosen bzw. Symptomen
5.2.2.4.1 Ausschliessliche psychiatrische Behandlung in hausärztlicher Praxis
603 PatientInnen die ausschliesslich durch die 90 hausärztlichen Praxen psychiatrisch behandelt werden, leiden mehrheitlich an affektiven und neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen (Abb. 55). Demenzielle Störungen sind erwartungsgemäss bei den PatientInnen über 65 Jahre wesentlich stärker vertreten. Umgekehrt verhält es sich mit den neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen bei den zwischen 18 und 65 jährigen
PatientInnen (Abb. 55, Abb. 56).
-126-
Abb. 55: Psychische Symptomatik von PatientInnen, die ausschliesslich durch HA psychiatrisch behandelt werden
Abb. 56: Psychische Symptomatik von PatientInnen, die ausschliesslich durch HA psychiatrisch behandelt werden nach Alter (18 bis 65 N=386, über 65 N=217)
-127-
5.2.3 Diskussion
Über den unbefriedigenden Rücklauf können lediglich Mutmassungen angestellt werden.
Von Ärzteseite her wurde darauf verwiesen, dass man nicht bereit sei, den Aufwand zu leisten angesichts der Unzufriedenheit mit der momentanen Diskussion (z.B. Labortarife). Zweifel an der Repräsentativität sind nicht nur aufgrund der geringen Rücklaufquote sondern
auch aufgrund des hohen Anteils von PatientInnen mit psychischer Symptomatik angebracht.
Die durch die hausärztlichen Praxen behandelten psychischen Störungen sind hinsichtlich
ihrer Symptomatik und Schwere heterogen. Ob die dauerhafte alleinige Behandlung in der
hausärztlichen Praxis die bestmögliche psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung
darstellt, kann anhand dieser Erhebung auf Basis dieser Datengrundlage nicht beurteilt werden. Auf Basis der Literatur muss jedoch davon ausgegangen werden, dass dies längerfristig
keine optimale Versorgungsform darstellt (Jacobi et al., 2004; Kruse et al., 2004).
Bei den 90 hausärztlichen Praxen, welche an der Befragung teilgenommen haben, dürfte es
sich jedoch eher um solche zu handeln, die ein überdurchschnittliches Interesse an psychiatrischen Fragestellungen haben und damit von psychischen Problemen betroffene Patienten
vermehrt anziehen. Damit ist auch zu erwarten, dass sie über reiche Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den Niedergelassenen und mit der institutionellen Psychiatrie verfügen.
Trotzdem erscheint es wichtig, die wichtige Rolle bei der Grundversorgung der HausärztInnen wahrzunehmen. Diese nehmen einen wesentlichen Einfluss auf die Inanspruchnahme
psychiatrischer Versorgungsleistungen (Zuweisungen durch HÄ in institutionelle Psychiatrie
26% aller PatientInnen, MedStat 2008), sind häufig erste Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Problemen und werden PatientInnen mit psychischer Symptomatik auch in Zukunft
oft langfristig behandeln; sie sind deshalb angemessen in die Versorgungsnetzwerke zu integrieren (Spiessl & Cording, 2000).
-128-
Anhang 1
Hearing-Ergebnisse: Hausärzte im Kanton Bern
Themen
Teilnehmer
a. Diagnosen
Regionen
Bern
Bern: Beat Sigrist, seit
1990 Praxis, del. PT
Stefan Henzi, seit 2000
Zollikofen:
Michael
Deppeler, seit 1995, 10%
del. PT
Mühleberg:
Thomas
Kissling, seit 1988
Seeland
Biel: Elisabeth Perrin,
1987, Colette Hänni,
1995, Theres Koller
1995, Christoph Käch,
1993
Nidau: Helen Burach,
1984
30-40% der städt. PK rel.
psy Auffälligkeiten.
10% (ländl. PK 5%)
bräuchten PT-Unterstützung, Hälfte davon würde
diese annehmen. Schwierig, Zahlen anzugeben, bei
vielen HA PT-Gespräche
von Nutzen. 1-2/Monat
Bedürfnis, PK von Psy
abzuklären (Sucht Angst,
Depression).
30-50% der PK rel. psy
Auffälligkeiten
15%: Schmerz-, somatoforme Störung & Depression.
15%: Trauer, Burnout,
Mobbing, Erschöpfung.
1%: chronisch (Autismus,
Psychose,
Sucht
mit
Methadon)
Kleiner Rest: (Borderline-)
PS
seit
seit
seit
seit
seit
b. Veränderung Arbeitsalltag
c. Alltag
HA gewohnt, alleine zu
arbeiten, wenn Fall eigene
Kapazitäten überschreitet,
Handlungsbedarf
gross,
rasche
Abklärung
&
Zuweisung seitens der psy
Versorgung nötig.
d. Schwierigkeiten Alltag
Unsicherheiten
bez.
Medikationeinstellung,
Druck der KK (Überarztung). Kaum Hilfe bei
nur subakuter Auffälligkeit.
Psychiatrie
nicht
wie
anderes Spezialgebiet der
Medizin: Abklärungen für
Weiterbehandlung finden
so nicht statt. Gründe:
Terminschwierigkeiten,
Erreichbarkeit, Unkenntnis
seitens HA, wer zuständig.
Akzeptanz von psy Hilfe in
Bevölkerung bei ersten
Auffälligkeiten nach wie
vor klein. Abklärungen
unter Deckname „Burnout“/
„Mobbing“ getätigt, sonst
Widerstand der Familien.
Schlechtes Netzwerk zw.
Psy, HA & inst. Psy.
Zusammenarbeit
e.
mit
ZA mit Psy nicht existent,
Psychiater
einzelne Versuche scheiterten aufgrund Wartelisten, keine Notfallabnahme
(&-dienst), Erreichbarkeit
etc. Annahme, Psy wollen
keine
Langzeit-PK.
Einzelne Abklärungen aber
möglich,
dankbar
für
Anwesende HA eher psy
orientiert als Durchschnitt.
Verhalten anderer HA
weniger einladend für psy
Auffällige. PK bei HA
wollen PT-Unterstützung
als psy, finden sonst selber
geeigneten Psy. Schwere
Diagnosen z.T. am einfachsten:
Medikationsabgabe, intaktes soziales
Netz, ab & zu Dekompensation,nicht problematisch.
FFE & Spritzen zu Randzeiten sind Horror, HA
alleine mit Akut-situation.
Mit
Familien-systemen
konfrontiert, wo Mitglieder
von div.. Psy gecoacht
sind, wie Parallelbehandlungen
koordinieren?
Kaum Hilfe bei nur subakuter Auffällig-keit schwierig,
etwas
Geeignetes
zu
finden.
Monitoring
bei
suizidalen PK schwierig.
Probleme der Sprache,
nicht nur d/fr, auch andere,
Kosten für Übersetzungen
nicht gedeckt (ausser SRK
Bern). Familienmitglieder,
welche für PK übersetzen,
nicht geeignet. Medikation
bei bipolare Störung?
Lieber niederg. Psy für
langfristige Behandlung als
psy
Dienst
(längere
Erfahrung), lieber Übergabe des PK als via
Konsilium
fallführend
bleiben. Bei Psy keine
Notfälle möglich, Wartelisten von 3 Mtn, Erreich-
Emmental
Langnau: Markus Bieri,
seit 1997, Danielle Lemann, seit 1978, del. PT
Zollbrück: Urs Brönnimann seit 1979 Burgdorf:
Ernst Schürch, seit 1992
Signau: Lorenz Sommer,
seit 1994
Oberaargau
Roggwil: Brigitta Morgenthaler seit 22 J.
Niederbipp: Beat Rössler,
seit 16 J.
Herzogenbuchsee:
Markus Frey seit 10 J.
5 % der PK: rel. psy
Auffälligkeiten,
meistens
Depression,
Ängste,
Psychose
(z.T.
gut
behandelbar),
Schwerkranke mit stat. Vergangenheit seit J. in Praxis (z.T.
sehr pflegeleicht)
3-4 Hospitalisationen pro
Jahr, darunter ca.1 FFE,
eine Krise/Monat.
50% der PK psy auffällig
10-15% relevant, Depression, Burnout, Mobbing,
somatoforme
Störung,
Familien-probleme, Mütter
in der Krise, ADHS (Kind &
Erwachsene),
Sucht
(Alkohol, Methadon).
HA nicht mehr zentrale
Einstiegspforte in Gesundheitsversorgung, direkt zu
Psy aufgrund Bekannten,
Medien, Internet. Vor 10 J.
schwieriger, geeignete psy
Versorgung zu finden.
Dank psy Dienst bessere
Notfallabdeckung, Triage,
wo Psy anderer berät.
Kleinräumlichkeit besser,
man kennt sich, informeller
Austausch,
schnellerer
Ablauf.
Suchtpatienten
(mit/ohne Methadon) in
HA-Praxen abgenommen
wegen Programmstrenge,
ländl. Gegend & guten
Angeboten (BIWAK).
Immer kleiner werdende
Gruppe stark somatischer
HA, welche nur Medis
abgibt & PK weiterweist.
Anwesende
HA
eher
psychosomatisch orientiert
Minderheit, welche nicht
mit psy Versorgung zusammenarbeiten,
haben
schlechte
Erfahrungen
gemacht (z.B. Unerreichbarkeit im Notfall, etc.).
HA bieten begleitende
unterstützende Lebenshilfe
an, tragen so viele Patienten. Geringe Kapa-zitäten,
z.T. PK im 5 Min Tournus,
nicht viel Zeit für Gespräch. Z.T. Sonntagmorgen
erreichbar,
stossen an persönliche
Grenzen.
Manche
PK
möchten ganz klar psy
Behandlung.
Hauptproblem:
Akute
Notfälle (suizidgefährdet,
Angst, Psychose, Weglaufgefahr)
schwierig
unterzubringen; stationärer
Rahmen (PZM) wehrt sich,
keine freien Bettenkapazitäten auf Akutstation in
Burgdorf,
Zugänglichkeit
zu privater Klinik schon
besser.
HA-Notfalldienst: PK in
Akutzustand
schwierig
einzuschätzen, Debatte mit
Klinik,
Randzeitenarbeit,
Beruhigung
Angehörige,
etc.
Schwierig sind grosse
Krisen, welche 3-5 Wochen dauern, mehr psy
Hilfe wäre wichtig. Sobald
psychotisch, schizophren,
Fall an psy Versorgung
weitergeben. Bei Familien/Eheproblemen kann HA
nur bedingt weiterhelfen,
es braucht eine neutrale
Ansprechperson. Schwierig
auch
Selbst/Fremdgefährdung.
Wohin
gehen
ältere
Teilnehmer des RAZ?
Momentan Zustände, dass
40-jährige
Person
mit
Down-Syndrom zu 80jährigen Eltern nach Hause
geschickt wird, geht nicht.
Netz aufgebaut, kennen
einzelne Psy, wissen wie
matchen.Für
längere
Therapie wird Psy hinzugezogen, nicht psy Dienst
(auch bei Eheproblemen).
1-3 Konsultationen nötig,
um Stigma des PK ggü
Psy abzubauen. PTh kann
Gute ZA, wenn zuweisbar,
sonst schwierig. Vielfach
wählen PK Psy selber aus.
Region.
Notfalldienst:Unterschied,
wer
Dienst hat, da häufig kein
Hintergrundwissen
zu
auffälligem
PK,
Fachwissen lückenhaft, auf-
Oberland inkl. Thun
Gunten: Monika Maritz
Mosimann seit 20 J.
Allmedingen: Heinz Matti,
seit 25 J.
Kandersteg: Hans Walter
Bühler seit 25 J.
Steffisburg: Jürgen Raisin
seit 15 J., Renato Tognina
seit 25 J.
Hilterfingen:
Thomas
Heuberger seit 28 J.
Zweisimmen & Saanen:
Herr Zimmerli, Herr Michel
5% der PK bräuchte psy
Hilfe, 1% bräuchte inst.
stat. psy Hilfe, keine PTPK in Praxis.
30% der PK erleben
belastende Konflikte (auch
familiäre), häufig Sucht
(Alkohol, etc.), Angst-,
somatoforme
Störung,
(chronische) Depression.
Anwesende
HA
psy
orientiert, Grossteil der PK
bleibt in Praxis. Ländl. HA
weisen seltener an psy
Dienste/Psy: Gewissheit,
PK tragen zu können.
geogr. Probleme, mangelnde Akzeptanz der Psy
in Bevölkerung. Hälfte der
HA im Oberland West in
psy Versorgung vernetzt,
PK entscheidet, ob zu Psy
oder HA.
Grenzen:
Wenn
PK
Nummer zu gross, Demenzabklärungen.
Viele
PKwerden in HA-Praxis
behandelt, da oft psy
Problematik für die PK kein
Thema (aber im Hintergrund).
Für
Angsterkrankungen wären Gruppenangebote hilfreich. Bei
Suizidproblematik
Überweisung
schwierig.
Alkoholmissbrauch, wenn
PK in Klinik, dann schnell
wieder draussen, gute Anschlusslösungen selten.
Lange
Wartefristen,
Kontaktaufbau schwierig,
wohl genug PK, neue
Praxen in Kürze gefüllt.
Tel.-AB & 5 Min Sprechzeit
fördert
Kommunikation
nicht.
Konsiliardienste
weniger wichtig als Abklärung & Übernahme inner-
-129-
f. mit Psychotherapeuten
g. mit ambulanten & teilstationären
Diensten
h.
mit
stationären
Diensten
Rücksprache mit Notfalldienst leistenden Psy,
wenn eigener PK auffällig.
barkeit schwierig. Neue
Psy schnell ausgebucht.
Einzelne Abklärungen bei
Psy möglich.
Gute ZA mit del. PTh,
nehmen Vieles ab. Ein HA
hatte Supervision eines
Psych 1/Mt für schwierige
Fälle, war hilfreich. Hemmschwelle kleiner zu PTh zu
gehen als zu Psy, aber KK
zahlt nicht!
UPD: Keine Übersicht,
welche Angebote für wen,
nach Überweisung ist man
als HA meistens raus.
KIZ (UPD): vor Jahren
offener & zugänglicher,
jetzt wird man allein
gelassen. Früher bestand
eine Notfallgruppe an
Insel
angehängt
(Ueli
Schnyder, UPD), sahen
die PK 2-3 Mal & suchten
mit
HA
gemeinsame
Lösung, gelungen.
Ambulatorien:
Niederschw. Angebot gut, leider
ausgebucht & Eintrittsrichtlinien
(3-seitiger
Bericht) zeitaufreibend.
Im Raum Biel zwei gute
PTh (bei Essstörungen zu
empfehlen). Leider deckt
die KK sie nicht. Del. PT
gibt es viel zu wenig, ist
auch kein lukrativer Job.
Selten
Möglichkeit,
subakute Fälle an UPD
abzugeben, nur mit Druck
(„Patient ist unterwegs“).
Fühlen sich von UPD nicht
ernstgenommen, es wird
an
ihren
Entscheiden
gezweifelt, ob PK in stat.
Rahmen gehört oder nicht.
Keine Übersicht, welche
Angebote die UPD für wen
anbietet. Wenn Überweisung glückt, HA häufig raus.
auch behandeln, wenn
aber zu psy (Medikationseinstellung, Abklärungen)
ist Psy gefragt.
fällig, dass manche Fall
schnell wie möglich erledigen (zum Wohle des PK?)
halb einer Woche mit
Rücksprache. Balintgruppe
Thun hilfreich für spez.
Themen.
Z.T. klare Wünsche ( bei
Lebenskrise, Depression),
PT-Hilfe
in
Anspruch
nehmen zu können, dann
aber lieber von PTh als
von Psy.
Psy Dienst: Existenz nicht
allen anw. HA bekannt.
Abklärungen laufen gut,
subakute Fälle weniger
möglich. Z.T. PK wegen
Wartezeit & fehl. Angebot
im KIZ Bern angemeldet.
Bei anderen HA mangel.
Nachfrage, zukünftig eher
nutzen. Notfall-Triage &
MOKI: Für Notfälle gut,
leider nur tagsüber. Statt
Notfall-Triage lieber HASupervision
erhalten.
MOKI gut & hilfreich, für
welche PK & auch 2h vor
Ort?
Akuttagesklinik:
Was ist das genau?
Rasche
Zugänglichkeit,
offene Umstände möglich,
Alternative zu Klinik
ZA gut-schlecht, keine
Diskussion
mehr
bei
Zuweisungen („Patient ist
unterwegs“). Z.T. Probleme mit AssiA (Sprache,
schwer zu überzeugen),
Berichte kommen selten
an HA zurück, würde gern
mehr einbezogen werden.
Bellelay keinen guten Ruf,
anw. HA kennen dortige
Angebote nicht gut, bei
manchen PK beliebt (Behandlung & „Maradona war
dort“).
Psy Dienst: Sehr hilfreich
in ZA mit HA, wenn Fall
besprochen
leichtere
Einweisung
in
Klinik,
manchmal Dienst unnötig
belastet dadurch. Zugänglich, weil klein, meistens in
nützlicher Frist Lösung.
Wichtig
ist
Ansprechpartner in Nähe, sehr
hilfreich, dass auch Langnau dabei. Stigma für psy
Dienst kleiner als für stat.
Psy.
Aufsuchende Pflege sehr
hilfreich
Amb. Kriseninter: z.T.
schwierig, am selben oder
nächsten Tag Angebot zu
erhalten,
könnte
noch
flexibler werden.
PZM: Schon vor 30 J.
Mühe, Bett zu finden,
warum?
Bettenmangel,
häufige
Zuweisungen
durch
HA,
schlechte
Indikation der HA? Diese
PK bleiben meistens ja
lange
(häufig
„Begutachtung
6
Wochen“).
Anliegen der HA, Psychiatrie effizienter zu machen. Grosse Zweifel, bez.
Bettenabbau,
Notfallbetten in Klinik? Vorbereitung auf Austritt für HA
i.d.R.
keine.
Meistens
abwarten, bis Therapie
nachbeh. Psy & PK
zerbricht, & PK zurückkommt.
Psy Dienst: Notfall &
Abklärungen sehr gut,
gemeinsame Lösungen im
Zentrum, grosse Akzeptanz
in
Bevölkerung.
Notfall-Triage laufe gut.
Bei MOKI noch nie Absage
bekommen
(1-5
Mal
verwendet) Über Akuttagmöchten
HA
esklinik
informiert werden (was
genau & für wen?) KIZ
Niederbipp: Kapazitäten
knapp, chron. & alterspsy
Pat lange im KIZ (aus
Alternativenmangel), ernst
genommen als HA.
Notfalldienst: Wenn kein
Notfall ist, muss HA zahlen. Konsilium eines Psy
gut, noch nicht vertraut.
Zuweisungen ins PZM z.T.
schwierig, häufig „nicht
zuständig“, mit Rückfrage
bei psy Dienst besser.
AssiA schon Anamnese
tel. eingeholt, statt Pat
selber zu befragen. Oft
besser nach dem Motto
„PK ist unterwegs“. Selbst
wenn PK aus Wysshölzli
stat. Rahmen braucht, wird
zurückgefragt „Sind Sie
sicher?“ Wenn PK aus
Klinik ist, dann bekommt
der HA meistens kein
Bericht, wird nicht informiert. Diese Zustände
haben sich in den letzten
Monaten nicht gebessert,
im Gegenteil.
PDT: gute ZA (Erreich/Verfügbarkeit;
Bereitschaft, sich zu involvieren;
Suche nach pragm. &
flexiblen Lösung-en (Psy
oder Klinik). PDT erbringt
Konsilien/ tel. Beratungen
(regelm. angefragt), auch
amb. Behandlung. Wenn
Abklärungsdruck seitens
des Arbeitgebers, Abklärung auf PDT gute Lösung.
Hat der HA PK für PDT
motiviert & lange Wartezeit, Frust gross. PDT als
Triage-Stelle
bei
stat.
Einweisung nicht immer
sinnvoll
(Abspracheaufwand & bei Rand-zeiten
schwierig).
Konsilien
&
MedAbklärung auf psy Dienst
mit Fallführung bei HA,
mehr Öffentlichkeitsarbeit,
Weiterbildungen.
Psy
Nothilfe zu Randzeiten,
HA in schwierigen Fragen
(z.B. FFE) coachen & psy
Rückendeckung
geben.
KIZ in Biel, Tagesklinik
personell aufstocken. Psy
aufsuchende
Pflege
ausbauen
(freiprakt.,
www.just-do-it.ch). Neue
Arbeitsverhältnisse
fördern, welche reduzierte
Arbeit
ermöglichen.
Niederschwellige tagesstr.
Programme.
Nachtklinik
aussterbend, aber sinnvoll,
betreute WGs (nicht nur für
junge Sucht-PK) könnten
Bedürfnis nahe kommen.
Aufsuchende
Pflege
intensivieren.
(Akut-)Tagesklinik:
Bedarf, in ländl. Gegend
schwierig, man kennt sich,
anpassen. Tagesstätte für
ältere verwirrte PK wäre
hilfreich, angehängt an
Heim,
nur
manchmal
Betreuung über Nacht
hilfreicher.
Disponible
Notfallbetten auf
psy
Dienst
haben,
stat.
Rahmen entlasten & freie
Plätze generieren.
FFE über Kantonsarzt
anders regeln: so sehr
unangenehm, belastet HAPK-Verhältnis.
Notfalldienst für Psy: Keine
Sanktionen
bei
NichtDienst, sondern Belohnung
bei Dienst.
Spezifische Angebote für
gerontopsy
Fälle:
In
Region grosse Lücke,
Möglichkeiten schaffen für
Tagesstruktur,
Angehörigenarbeit,
stat.
Kapazitäten, Abklärungen.
Notfallunterstützung mit
Feedback an HA im Akutfall. Tagesklinik: Wartezeit zu lange, Plätze
aufstocken.
Niederschwellige
Tagesstruktur: 2-4 h füllen, bis
jetzt Tagesstätte nur für
Demente, sonst vereinzelt
Ergotherapie. Psy Spitex:
nützlich, Schwierigkeit der
Finanzierung lösen. Aufsuchende psy Pflege
würde genutzt. Supervision in HA-Praxis, aber
keine
Konsilien
von
niederg. Psy (schwierig
wegen Matching). Triagestelle für Psychosomatik
nötig. Generell ist Distanz
nicht Problem (Shopping
ja auch nach Thun; Psy
nicht ins hinterste Tal.
Eigene
Website
für
Bellelay, wo man sich
orientieren kann, welche
Angebote vorhanden sind
etc. Mehr freie Betten bei
Erschöpfungszuständen/
Depression.
Weniger
Kämpfe bei Zuweisungen
in Klinik.
Leichterer Zugang zu
stat. Betten, bessere ZA
zwischen HA, Klinik & Psy.
Standard
werden:
Austrittsberichte, Standortgespräche mit Klinik, Psy,
HA & PK. Kopie Austrittsbericht an Zuweiser (hier
HA) & an Nachbehandler,
so
einander
bekannt,
inhaltlich: Austrittsdatum,
Nachbehandler, Diagnose
& was gemacht wurde.
GerontopsyFälle:
Möglichkeiten schaffen für
Tagesstruktur, Angehörigenarbeit, stat. Kapazitäten,
Abklärungen.
Möglichkeit
behalten,
direkt in Klinik einzuweisen, i.S.v. „Zuweiser
hat Recht“, ohne Rückfrage an psy Dienst. Klinik
sollte schneller aufnehmen. Offene Station für die
meisten PK förderlich, für
Indikationsgespräche
&
zum Schnuppern. Umverteilung der Bettenkapazitäten (mehr Krisen- &
psychosom.
Betten).HA
möchte PK gerne nachbetreuen, nach KlinikEntlassung Gespräch mit
HA, wie weiter, PK soll
selber entscheiden, ob zu
Psy oder HA. Krisenbetten in Thun: zur Triage
Ca. 2 Einweisungen (i.d.R.
FFE) pro Jahr. ZA in letzter
Zeit
verbessert
(guter
Dienstoberarzt im PZM;
trotzdem
kaum
Rückmeldung während Aufenthalt,
wenig
Einbezug,
Zweifel an HA-Kompetenz
(generell
Problem
in
Medizin), Kommunikation
schwierig, selten Austrittsberichte. Psychiatrie weit
vom HA. PK so lange wie
möglich bei HA, bei Eskalation muss Klinik bereit
sein (nur Garantie für
Einweisung innerhalb 12h
wichtig) Warum Widerstand bei Klinik so gross?
Sobald PDT involviert, kein
Problem mehr. Profilakt.
FFE, von Klinik gefordert,
nicht vertretbar!
Verbesserungswünsche
i. für ambulante und teilstationäre
Dienste
j. für
stationäre
psy Dienste
Quartiernahe
amb.
Behandlung & Abklärung
(v.a. für Schmerz-PK), KIZAusbau für subakute Fälle,
psy Coaching für HA..
Alterspsychiatrie: Triagestelle UPD für ZA mit
Heim, HA & Psy, Erweiterung des TK-Angebotes
für Demente. PK mit MH:
Inst. Fachstelle für Abklärung
(PTBS,
PS,
Schmerzstörung), som. &
psy ZA, Einbezug Arbeit/
Rehabilitation,
rasche
Bearbeitung, Psy/ PTh
mehrsprachig.
Zentrale
Telefonnummer UPD, für
Triage mit Kenntnissen
über Störungen, Versorgung, Abklärung, erleichtert
Zuweisung.Suchtproblematik:
Niederschw. Ang.
Zentrale Telefonnummer
UPD, welche der Triage
dient. Gemeinsam Lösungen finden & auf niederschwellige
Angebote
eingehen, stat. nur im
äussersten Notfall. Ferienbetten erhöhen: Übergang
Klinik-Zuhause
leichter machen („Fit für
Zuhause“). Auch weitere
Entzugsmöglichkeiten
(neben Meiringen) müssen
aufgebaut werden, nötig
wäre Flügel an UPD für
Entzug legaler Drogen.
-130-
oder z.T. nur 24h Überwachung im Akutfall, kein
Einschalten der Klinik.
k. für unterversorgte
Personengruppen
l.
für
die
Gesundheitsund Fürsorge-direktion
m. für andere
Akteurgruppen
Junge Sucht-PK: mehr
Hilfsangebote, motivierte
PK landen im Südhang,
abwehrende
in
Klinik,
Heim oder auf Strasse,
keine Lösung! Chronische
Schmerz-PK: werden von
HA ertragen, zu 90% MH,
aus körperl. Berufen. Mehr
Therapie (Puffer), wenn zu
lange keine Veränderung,
Job weg. PK mit beginnender Demenz/ Hirnsschwäche: Heim oder
Zuhause mit Spitex, wo
Unterstützung für Familie?
Anschlusslösung
für
schwere Schizophrene,
Umgang mit Alkoholikern
Plattform des Austausches, Weiter-bildungen,
Förderung der ZA zw. HA,
Psy, inst. Psy & som.
Medizin,
durch
GEF
planbar mit Möglich-keiten
zur Förderung des Austausches,
Gemeinschaftspraxen etc. Therapiebörse für Psy (Zürcher
Vorbild), spez. Vorzüge &
freie Kapazitäten.
Nicht fassbare PK, keine
spezifische
psy
Behandlung möglich oder
wirksam,
kein
Wille,
soziale Dienste können
keinen Druck machen
Junge
instabile
PK:
wachsen über Familie
hinaus. PK mit MH eher
Assimilisationsprobleme
oder psy-som. Probleme
als psy auffällig, hinderliche Sprachprobleme, in
ländl. Gegenden mehr
verteilt auf viele HA.
Geriatrische Probleme:
Demenz/Depression
Hauptproblem, wann ist
was
vorherrschend?
Welche Medis? Was besser für PK, zuhause mit
Spitex, ins Heim?
Jugendliche mit Verhaltensstörung: Anzeichen
von
Schizophrenie,
Psychose, Cannabiskonsum, HA möchte gut
vorgehen, damit Risiko
eines chronischen Verlaufs
reduziert wird.
Berufsgeheimnis:
HA
sollte schnell davon entbunden werden können,
damit
Gefährdungsmeldung möglich, sonst
nicht handlungsfähig.
Arbeitsplatz für Psy auf
dem Land attraktiver
gestalten, da Psy/PTh
schwierig
zu
finden.
Niederg.
Psy
sollten
sozialpsy arbeiten, inst.
Psy
psychotherapeutischer. Vernetzte ZA: Alle
Beteiligten kennen ihre
Kernkompetenzen
und
wenden sie an. Globales
Team: ermöglicht Triage.
Ärztemangel
angehen:
Im Oberaargau wenig HA
(Praxis werden geschlossen, PK an umliegende
abgegeben), noch weniger
Psy.
Probleme in der Adoleszenz (Schul- oder Lehrabbruch), wohin weiterleiten
(EB zum Teil nicht mehr
zuständig
oder
z.T.
unbefriedigende
ZA,
Widerstand der Familie)
Klinik Wyss gut bei PrivatPK, gute ZA mit Contact
Bern bei Suchtproblematik
Beurteilungen anderer Akteure über die Arbeit des Hausarztes
n. Psychiater
Netzwerk mit bekannten
Rege tel. Kommunikation
HA aufgebaut, aus Kapafunktioniert. HA froh, wenn
zitätsgründen
keine
Abklärungen, v.a. bei PK
weiteren PK. Konsilien mit
mit MH oder Fremdsprachbek. HA, Balintgruppe
igen, an Psy weitergehen.
laufen gut. Psy NotfallWichtig ist, einander zu
dienst von HA wenig
kennen, z.B. über Weitergenutzt, haben Inselnotfall.
bildungen. Als Psy schwieSubakute Fälle nur von
rig, Akutpatienten aufzubek. HA angenommen &
nehmen, lange Wartezeit,
nur wenn Platz. Z.T. AbKritik seitens der HA
sage an form. Treffen mit
berechtigt. Berichte an HA
HA, um Zuweisungen zu
zu senden ist z.T. aufwenentgehen.
Konsilium+,
dig, da schon andere
wenn HA nichts über PK
Prioritäten (IV etc.). Ruf
mitteilte, keine Vorarbeit
des Psy daher nicht so gut.
tätigte. So Behandlung
akuter Krise des HA. PK
nicht lange bei Psy, da
nicht motiviert wurde.
o.
PsychoBekannte HA überweisen
Gute ZA mit HA, da es in
therapeuten
PK, gute ZA
Biel keine Psy gibt! Für
FSP
Psych diese ZA ohnehin
interessanter, da auch
Mitspracherecht. Auch in
Institution Kontakt zu HA
besser als zu Psy, mehr
Freiheiten.Kapazitäten des
HA oft überlastet, so dass
alles Mögliche eine Krise.
PT hilft oft.
p. WohnheiFrienisberg: Haben som.
Pré-Aux-Boeufs: Einmal in
me
Arzt & Psy, welche Heim
der Woche Sitzung mit
versorgen, z.T. Differenzen
somatischem Arzt
q. Alters- und
Guten Kontakt zu HeimWenn
Heimarzt
psy
Pflegeheime
arzt, 24/7 zur Stelle. Indiv.
orientiert, viele Vorteile
Fallbesprechung
mit
bez.
Medikation,
psy
Heimarzt und Pflegeleute.
Wissen & Abrufbarkeit
Biographie
des
PK
Vereinzelt Fall mit Psychwichtige für Verständnis.
iatrie, sonst schaut HeimHeimarzt-System (=Vollparzt. ZA mit ihm nicht
auschale), wenn som. Arzt
befriedigend, nicht ernst
psy
weitergebildet,
genommen (war unerreicherleichtert Arbeit & Zugang
bar, Sanitätspolizei musste
zu psy Wissen. Bei Hauskommen). Medikation z.T.
arzt-System z.T. mangelerschreckend (alte Komb.)
ndes psy Know-How
Nachkorrektur zw. HA&Psy
Schnellerer Zugang zur
EB: Beratung meistens
erst in 3 Mtn, HA nicht
einbezogen, muss Eltern
nach EB-Besuch betreuen,
keine
Berichte.
Klinik
Wyss: Für geriatrische PK
nicht
&
Suizid-gefahr
geeignet, geben sich sonst
Mühe (Austrittsbericht).
SGM: die wenigen PK, die
dort sind, zufrieden.
Pflegeheim Wiedlisbach:
nicht angebunden an SRO,
ZA fehlt, Demenzstationen,
Abklärungen ermöglichen.
Zugänglichkeit zu Psy
fördern, Termine ermöglichen, ZA mit HA stärken.
Del. PTh erhalten bei
längerer Nichtbenutzung.
Bezahlbare PT finanziert
durch KK. Dolmetscherbezahlung, könnte über
KK laufen. Psychosom.
Betten: kein Angebot im
Kanton. Mehr Akzeptanz
der HA durch Psychiatrie, weniger Psychiatrie
in Region.
EB: Schlechte Erfahrungen, kaum verfügbar,
keine med. Ansprechperson;
Verantwortlicher
nimmt HA nicht ernst,
Abschiebeproblematik
Arbeitsrehabilitation:
Riesenproblem, Betriebe
brennen
darauf,
zu
erfahren, wann PK wieder
arbeitsfähig ist, genaue
Abklärungen müssen hier
erfolgen, Möglichkeiten zur
Teilzeitarbeit offen stehen
HA erkennt z.T. psy
Symptome nicht, oder will
sie nicht sehen, den
Klienten zu überzeugen,
psy
Hilfe
einzuholen,
braucht extremes Fingerspitzengefühl
Mit manchen HA
Zusammenarbeit
gute
HA sind zur Stelle, MediEinstellungen funktionieren
HA & Psy sitzen zusammen, interdisziplinärer
Austausch,
90%
der
betreuenden HA zeigen
gute ZA mit Stützpunkt.
Bei
Belegarzt-System
dauert
es
tendenziell
lange,
bis
psy
Hilfe
hinzugezogen wird. HA
haben psy Wissensbedarf,
Workshops wären sinnvoll.
Alles über HA, schwierig,
bis man zu Unterstützung
kommt. Ältere Semester,
Zweifel, ob Medikation akt.
Standards entspricht. HA
möchte PK selbst behandeln, fühlen sich kompetent, in Krisen fragwürdig.
Bei Heimarzt & Pauschale
ist alles selbst-finanziert.
Man profitiert von HA mit
psy Erfahrung, Psy für
geriatr. Gruppe da.
Bei Intervention Heimarzt
= Psy von Vorteil, froh,
wenn Inputs von PDL oder
Pflegeleute kommen. Für
HA leichter, PK Optiker
zuzuweisen als Psy. Falls
Betreuung durch HA nicht
genügend, Druck ausüben,
Vertrag mit psy Dienst zu
machen. Medikation z.T.
fragwürdig (Kenntnisse der
HA?) Kontrolle von Fachperson 1/Jahr von Vorteil
-131-
r. Selbsthilfe& Angehörigengruppen
s.
Sozialdienste
t.
Spitexdienste
u.
Regierungsstatthalter
APhS: Einige HA erkennen die Symptome einer Angst-oder Panikstörung nicht, auf somatischer Ebene behandelt, Psychische wird nicht beachtet. Bei
anderen Sensibilität da, können auf Patient eingehen, richtige Fachperson finden.
Equilibrium: Eine anwesende Betroffene wurde von HA nicht ernstgenommen, was ihre Symptome anging. Er dachte nur, sie wolle eine Auszeit/Ferien.
ZA personenabhängig. Als
Bestehende Kontakte mit
Mandatsträger kann man
HA lgut. Früher kannte
selber an HA zuweisen, ist
man sich, heute schwierGold wert.
iger, HA haben KK im
Nacken, wenn psy Abklärung mit spez. Tests,
gibt HA dies gerne an
Klinik ab (Überarztung).
ZA HA personenspezifisch,
Absprachen schwierig mit
HA. Hausbesuche selten,
nicht lukrativ.
An
HA-Weiterbildungen
Es wird beobachtet, dass
HA sollte man viel strenger überprüfen, ob sie Weisungen
ZA Klinik&HA funktioniert
gemeinsam mit Inselspital
manche HA gerne das
einhalten. Kurzfristige Einweisungen durch HA sind
nicht, HA nicht informiert,
wenn PK nach einem Tag
beteiligt, Erklärung des
FFE-Anliegen auf höherer
manchmal heikel, Formular nur kurz ausgefüllt.
Klinik verlässt. Wenn HA
Formulars für die ärztl.
Ebene RSH weiterleiten,
FFE-Anliegen an RSH
FFE-Einweisung, dennoch
um nicht selber dafür
foutieren sich manche HA
gerade stehen zu müssen.
weiterleitet, in Ordnung,
vor dem Ausfüllen. Z.T.
nur, wenn es bei HA nicht
schieben HA FFE hinaus,
für FFE reicht, dann bei
uns auch nicht! Vor HAEskalation zuhause.
Ferien wird Verantwortung
nicht gerne abgenommen.
Bei HA sehen Anwesende keine Differenzierung, keine enge Zusammenarbeit bisher nötig
v. Krankenkassen
w.
Pro
Enge Zusammenarbeit mit HA, fast alle PK an einen HA oder Psy gehängt
Infirmis
Abkürzungen:
KK = Krankenkasse
PS = Persönlichkeitsstörung
AssiA = Assistenzärzte
MH = Migrationshintergrund
Psy = Psychiater
BGPP = Bernerische Gesellschaft für
PDL = Pflegedienstleiter
psy = psychiatrische
Psychiatrie und Psychotherapie
PK = Patient/Klient
Psych = Psychologe
HL = Heimleiter
Es wird für alle Anwesenden die männliche Form verwendet.
PT = Psychotherapie
PTh = Psychotherapeut
RSH = Regierungsstatthalter
ZA = Zusammenarbeit
Literatur
Jacobi, F., Klose, M. & Wittchen, H. U. (2004). Psychische Störungen in der deutschen Allgemeinbevölkerung: Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und Ausfalltage.
Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 47(8), 736-744.
Kruse, J., Schmitz, N., Wöller, W., Heckrath, C. & Tress, W. (2004). Warum übersieht der
Hausarzt die psychischen Störungen seiner Patienten? Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 54(2), 45-51.
Spiessl, H. & Cording, C. (2000). Zusammenarbeit niedergelassener Allgemeinärzte und
Nervenärzte mit der psychiatrischen Klinik. Fortschritte der Neurologie Psychiatrie,
68(5), 206-215.
Wien, S., Bergman, F., Niebling, W. & Schneider, F. (2007). Grundlagen. In F. Schneider &
W. Niebling (Hrsg.), Psychische Erkrankungen in der Hausarztpraxis. Heidelberg:
Springer.
-132-
6
Daten zur Versorgung aus verschiedenen Datenquellen
6.1
Santé Suisse Daten- und Tarifpool
Mit dem Ziel den Anteil der psychiatrischen Versorgung durch die freipraktizierenden Psychiaterinnen und Psychiater und die Grundversorger (Allgemeinmedizin und Innere Medizin) zu
erfassen, wurden die Berner Daten der Jahre 2005- 2008 von der Santé Suisse zur Verfügung gestellt. Die Daten werden auf zwei Ebenen ausgewertet. Der Datenpool entspricht
einer Makroebene und deckt im Kanton Bern die Leistungen der Grundversicherung von
92% Versicherten ab. Damit ist eine relativ vollständige Erfassung der Leistungen aller freipraktizierenden Psychiaterinnen und Psychiater möglich.
Der Tarifpool entspricht einer Mikroebene und erfasst die Leistungen aufgeteilt nach Tarmedposition. Damit lassen sich die psychiatrischen Leistungen der Grundversorger erfassen.
Der Tarifpool deckt je nach Jahr 68-73% der Versicherten ab.
Die Daten werden für den gesamten Kanton Bern sowie aufgegliedert nach MS-Regionen
der Leistungserbringer geliefert. Aus Datenschutzgründen werden nur Daten von Regionen
mit mindestens 5 Leistungserbringern aufgeschlüsselt (11 Bern, 13 Biel, 15 Langenthal, 16
Burgdorf, 18 Aaretal, 20 Thun, 23 Interlaken). Deshalb werden die Daten zusätzlich aggregiert zu MS Region Bern vs. übriger Kanton. Alle Daten werden jeweils auf 100% der erwachsenen Bevölkerung hochgerechnet.
6.1.1 Versorgung durch die freipraktizierenden Psychiaterinnen und Psychiater
Tab. 41 zeigt, dass insgesamt 320 (2005) bis 330 (2008; Zunahme 3.1%) freipraktizierende
Psychiaterinnen und Psychiater im Kanton Bern Gesamtleistungen im Umfang von 53.2 Mio.
CHF bis 59.1 Mio. CHF erbringen (Zunahme 11.1%). Es werden zwischen 33‘700 und
37‘700 Erkrankte behandelt (Zunahme 11.8%).
Diese Veränderungen sind je nach Region sehr unterschiedlich: Leistungserbringer: -7%
(Langenthal) bis 13% (Thun); Leistungen: 0% (Burgdorf) bis 20% (Biel); Erkrankte: 0% (Biel)
bis 33% (Interlaken).
6.1.2 Psychiatrische Leistungen Allgemeine und Innere Medizin
Tab. 42 zeigt, dass insgesamt 793 (2005) bis 786 (2008; Abnahme 0.9%) Allgemeine und
Innere Mediziner im Kanton Bern Tarmedleistungen (001) im Umfang von 172.5 Mio. CHF
bis 189.2 Mio. CHF erbringen (Zunahme 9.7%). Es werden zwischen 33‘700 und 37‘700 Erkrankte behandelt (Zunahme 11.8%).
-133-
Tab. 41: Verlauf Leistungen Psychiatrie 2005-2008
Leistungen Psychiatrie und Psychotherapie, Kt
BE
MS Region
Variable
Abdeckung
Quelle: santésuisse Datenpool Jahresdaten, nach
Abrechnungsdatum. Hochgerechnete Rohdaten.
2005
92%
2006
92%
2007
93%
2008
92%
Zunahme
Behandlungen Arztpraxis (alle Kostenarten) [CHF]
Erkrankte
Anzahl Leistungserbringer
Erkrankte/Leistungserbringer
Konsultationen/Leistungserbringer geschätzt *
Behandlungen Arztpraxis pro Erkrankter [CHF]
5'711'122
5'006
27
185
2'243
1'141
6'191'909
4'859
28
174
2'100
1'274
6'181'004
4'825
26
186
2'246
1'281
6'841'733
4'990
27
185
2'236
1'371
19.8%
-0.3%
0.0%
-0.3%
-0.3%
20.2%
Behandlungen Arztpraxis (alle Kostenarten) [CHF]
Erkrankte
15
Anzahl Leistungserbringer
Langenthal Erkrankte/Leistungserbringer
Konsultationen/Leistungserbringer geschätzt *
Behandlungen Arztpraxis pro Erkrankter [CHF]
1'846'895
1'705
14
122
1'474
1'083
1'918'492
1'716
14
123
1'483
1'118
2'079'086
1'867
13
144
1'738
1'114
2'148'967
1'924
13
148
1'791
1'117
16.4%
12.8%
-7.1%
21.5%
21.5%
3.1%
Behandlungen Arztpraxis (alle Kostenarten) [CHF]
Erkrankte
Anzahl Leistungserbringer
16 Burgdorf
Erkrankte/Leistungserbringer
Konsultationen/Leistungserbringer geschätzt *
Behandlungen Arztpraxis pro Erkrankter [CHF]
2'410'280
1'487
19
78
947
1'621
2'220'275
1'407
19
74
896
1'578
2'362'909
1'509
19
79
961
1'565
2'400'621
1'549
19
82
987
1'549
-0.4%
4.2%
0.0%
4.2%
4.2%
-4.4%
18 Aaretal
Behandlungen Arztpraxis (alle Kostenarten) [CHF]
Erkrankte
Anzahl Leistungserbringer
Erkrankte/Leistungserbringer
Konsultationen/Leistungserbringer geschätzt *
Behandlungen Arztpraxis pro Erkrankter [CHF]
783'999
505
8
63
764
1'552
794'363
502
7
72
868
1'582
741'286
509
9
57
684
1'458
801'667
507
9
56
682
1'580
2.3%
0.4%
12.5%
-10.7%
-10.7%
1.8%
20 Thun
Behandlungen Arztpraxis (alle Kostenarten) [CHF]
Erkrankte
Anzahl Leistungserbringer
Erkrankte/Leistungserbringer
Konsultationen/Leistungserbringer geschätzt *
Behandlungen Arztpraxis pro Erkrankter [CHF]
5'611'601
3'889
30
130
1'568
1'443
5'837'560
4'030
29
139
1'681
1'449
6'012'301
4'358
32
136
1'648
1'380
6'373'264
4'726
34
139
1'682
1'349
13.6%
21.5%
13.3%
7.2%
7.2%
-6.5%
Behandlungen Arztpraxis (alle Kostenarten) [CHF]
Erkrankte
Anzahl Leistungserbringer
23 Interlaken
Erkrankte/Leistungserbringer
Konsultationen/Leistungserbringer geschätzt *
Behandlungen Arztpraxis pro Erkrankter [CHF]
1'791'121
1'232
10
123
1'491
1'454
1'848'144
1'292
9
144
1'737
1'430
1'781'764
1'397
11
127
1'537
1'275
2'276'522
1'637
11
149
1'800
1'391
27.1%
32.9%
10.0%
20.8%
20.8%
-4.3%
11 Bern
Behandlungen Arztpraxis (alle Kostenarten) [CHF]
Erkrankte
Anzahl Leistungserbringer
Erkrankte/Leistungserbringer
Konsultationen/Leistungserbringer geschätzt *
Behandlungen Arztpraxis pro Erkrankter [CHF]
33'990'637 33'409'017 34'803'209 36'835'840
19'093
18'888
20'072
21'165
202
206
206
207
95
92
97
102
1'144
1'109
1'179
1'237
1'780
1'769
1'734
1'740
8.4%
10.8%
2.5%
8.2%
8.2%
-2.2%
Nicht Bern
Behandlungen Arztpraxis (alle Kostenarten) [CHF]
Erkrankte
Anzahl Leistungserbringer
Erkrankte/Leistungserbringer
Konsultationen/Leistungserbringer geschätzt *
Behandlungen Arztpraxis pro Erkrankter [CHF]
19'173'904 19'996'087 20'403'933 22'252'701
14'589
14'701
15'410
16'490
118
116
121
123
124
127
127
134
1'496
1'533
1'541
1'622
1'314
1'360
1'324
1'349
16.1%
13.0%
4.2%
8.4%
8.4%
2.7%
Behandlungen Arztpraxis (alle Kostenarten) [CHF]
Erkrankte
Anzahl Leistungserbringer
Erkrankte/Leistungserbringer
Konsultationen/Leistungserbringer geschätzt *
53'164'541 53'405'104 55'207'142 59'088'541
33'682
33'589
35'482
37'655
320
322
327
330
105
104
109
114
1'274
1'262
1'313
1'381
11.1%
11.8%
3.1%
8.4%
8.4%
13 Biel
Kanton BE
gesamt
-134-
Tab. 42: Verlauf Psychiatrische Leistungen Allgemeine und Innere Medizin 2005-2008
Leistungen Allgemeine und Innere Medizin
2005
68%
2006
72%
2007
73%
2008
71%
Zunahme
Leistungen gesamt
Psychiatrische Leistungen
Anzahl Leistungserbringer
Anteil psychiatr. Leistungen
Anteil von Psychiatern
15'478'506
62'145
77
0.4%
1.1%
15'783'007
48'743
78
0.3%
0.8%
15'561'578
42'010
79
0.3%
0.7%
16'116'231
46'284
79
0.3%
0.7%
4.1%
-25.5%
2.6%
-28.5%
-37.8%
Leistungen gesamt
Psychiatrische Leistungen
15
Anzahl Leistungserbringer
Langenthal Anteil psychiatr. Leistungen
Anteil von Psychiatern
13'389'062
29'558
49
0.2%
1.6%
14'002'426
24'999
51
0.2%
1.3%
14'142'942
25'916
51
0.2%
1.2%
15'190'173
20'735
49
0.1%
1.0%
13.5%
-29.8%
0.0%
-38.2%
-39.7%
Leistungen gesamt
Psychiatrische Leistungen
Anzahl Leistungserbringer
16 Burgdorf
Anteil psychiatr. Leistungen
Anteil von Psychiatern
12'711'909
189'780
53
1.5%
7.9%
13'414'578
166'658
54
1.2%
7.5%
14'548'376
212'974
58
1.5%
9.0%
15'814'043
221'407
57
1.4%
9.2%
24.4%
16.7%
7.5%
-6.2%
17.1%
Leistungen gesamt
Psychiatrische Leistungen
Anzahl Leistungserbringer
Anteil psychiatr. Leistungen
Anteil von Psychiatern
11'379'250
246'328
48
2.2%
31.4%
12'830'384
205'908
47
1.6%
25.9%
12'871'939
164'407
51
1.3%
22.2%
13'680'621
142'739
51
1.0%
17.8%
20.2%
-42.1%
6.3%
-51.8%
-43.3%
Leistungen gesamt
Psychiatrische Leistungen
Anzahl Leistungserbringer
Anteil psychiatr. Leistungen
Anteil von Psychiatern
23'046'908
210'523
94
0.9%
3.8%
24'310'287
292'075
92
1.2%
5.0%
23'788'126
245'140
92
1.0%
4.1%
25'182'622
199'865
87
0.8%
3.1%
9.3%
-5.1%
-7.4%
-13.1%
-16.4%
Leistungen gesamt
Psychiatrische Leistungen
Anzahl Leistungserbringer
23 Interlaken
Anteil psychiatr. Leistungen
Anteil von Psychiatern
8'504'319
52'277
40
0.6%
2.9%
9'159'891
49'942
37
0.5%
2.7%
9'105'108
56'244
40
0.6%
3.2%
9'356'071
55'204
39
0.6%
2.4%
10.0%
5.6%
-2.5%
-4.0%
-16.9%
Leistungen gesamt
Psychiatrische Leistungen
Anzahl Leistungserbringer
Anteil psychiatr. Leistungen
Anteil von Psychiatern
55'699'937
1'271'710
287
2.3%
3.7%
55'690'759
1'299'076
291
2.3%
3.9%
55'919'241
1'096'758
287
2.0%
3.2%
59'347'559
1'086'419
282
1.8%
2.9%
6.5%
-14.6%
-1.7%
-19.8%
-21.2%
Leistungen gesamt
Psychiatrische Leistungen
Anzahl Leistungserbringer
Anteil psychiatr. Leistungen
Anteil von Psychiatern
116'802'447
1'042'959
506
0.9%
5.4%
123'189'763
1'027'313
504
0.8%
5.1%
122'687'422
966'949
515
0.8%
4.7%
129'847'766
910'692
504
0.7%
4.1%
11.2%
-12.7%
-0.4%
-21.5%
-24.8%
Leistungen gesamt
Psychiatrische Leistungen
Anzahl Leistungserbringer
Anteil psychiatr. Leistungen
Anteil von Psychiatern
172'502'384
2'314'670
793
1.3%
4.4%
178'880'521
2'326'389
795
1.3%
4.4%
178'606'663
2'063'707
802
1.2%
3.7%
189'195'325
1'997'112
786
1.1%
3.4%
9.7%
-13.7%
-0.9%
-21.3%
-22.4%
MS Region
13 Biel
18 Aaretal
20 Thun
11 Bern
Nicht Bern
Kanton BE
gesamt
Bruttoleistungen [CHF]
Tarifpool
-135-
6.2
Vergleich verschiedener Quellen zur ambulanten Versorgung
Im Folgenden sollen die Daten zur ambulanten aus verschiedenen Quellen verglichen werden. Für diese Zusammenstellung wurden nur die grösseren MS-Regionen berücksichtigt,
dazu wurde die MS-Region 11 (Bern Stadt) allen andern Regionen gegenübergestellt. Für
diesen Vergleich werden die Daten von 2008 verwendet und wo nötig auf 100% der Bevölkerung hochgerechnet.
6.2.1 Bevölkerungsdaten
Die Bevölkerungsdaten entstammen dem BFS 2008 und sind aufgeteilt nach MS-Regionen.
Da die aktuellen Daten nicht nach Alter aufgeteilt sind, wurde zur Schätzung ein einheitlicher
Prozentsatz von unter 20 Jährigen von 20% angenommen. Aufgrund dieser Grundlagen lebten im Jahre 2008 775‘400 Erwachsene (20+) im Kanton Bern, 191‘500 (25%) in der MSRegion 11 und 583‘900 in den übrigen Regionen (Tab. 43).
6.2.2 Santé Suisse Datenpool Psychiatrie Erwachsene
Der Datenpool enthält die Behandlungskosten und die Anzahl der Erkrankten.
Insgesamt wurden im Jahr 2008 Leistungen im Umfang von 59.1 Mio. CHF (MS 11: 36.8
Mio. CHF = 62%, MS übrige: 22.3 Mio CHF = 38%) erbracht. 330 Leistungserbringer (MS 11:
207 = 63%, MS übrige: 123 = 37%) behandelten 37‘700 Erkrankte (MS 11: 56%, MS übrige:
44%), was einer Jahresprävalenz von 4.9% entspricht (MS 11: 11.1%, , MS übrige: 2.8%) –
dies entspricht 114 Erkrankten pro Leistungserbringer (MS11: 102, MS übrige: 134).
Aufgrund von fehlerhaften Datenlieferungen eines Versicherers kann die Anzahl Konsultationen nicht verwendet werden, sondern kann nur aus dem gesamtschweizerischen Durchschnitt geschätzt werden. Demnach beträgt dieser Wert 12.1 Konsultationen pro Erkranktem
pro Jahr (Tab. 43).
6.2.3 Santé Suisse Tarifpool Allgemeine und Innere Medizin
Der Tarifpool enthält Leistungen nach Tarmed-Katalog. Daraus lassen sich die psychiatrisch
abgerechneten Leistungen der Allgemeinen und Inneren Mediziner herausfiltern.
Insgesamt erbrachten im Kanton Bern 786 Leistungserbringer Tarmed-Leistungen im Betrag
von 189 Mio. CHF (MS 11: 282 Leistungserbringer (36%) erbringen 59 Mio. CHF (31%), MS
übrige: 504 Leistungserbringer (64%) erbringen 130 Mio. CHF (69%)).
Insgesamt beträgt der Anteil abgerechneter psychiatrischer Leistungen 2 Mio. CHF, was
1.1% der gesamten Leistungen entspricht (MS 11: 1.1 Mio. CHF entspricht 1.8%, MS übrige:
0.9 Mio. CHF entspricht 0.7%). (Tab. 44)
-136Tab. 43: Ambulante Leistungen 2008: Bevölkerungsdaten und Santé Suisse Datenpool Psychiatrie
Zusammenstellung ambulante Leistungen 2008
MS-Region
11
13
15
16
18
20
23
Kanton Bern
Nicht Stadt
Bern Stadt
Biel
Oberaargau
Burgdorf
Aaretal
Thun
Oberland-Ost
969'299
729'917
239'382
93'448
68'692
108'975
94'609
114'983
46'157
20%
20%
20%
20%
20%
20%
20%
20%
20%
Erwachsene (20+) Bevölkerung 2008
775'439
583'934
191'506
74'758
54'954
87'180
75'687
91'986
36'926
Anteil Bevölkerung bzgl. Kanton
100.0%
75.3%
24.7%
9.6%
7.1%
11.2%
9.8%
11.9%
4.8%
2'148'967.-
2'400'621.-
801'667.-
6'373'264.-
2'276'522.-
Region
Bevölkerung (BFS, MS-Regionen Teil Kanton Bern)
Bevölkerung 2008
Anteil Alter 0-19 (nicht differenziert nach MS-Region)
Santé Suisse Datenpool Psychiatrie Erwachsene
Behandlungen Arztpraxis (alle Kostenarten) [CHF]
59'088'541.-
22'252'701.- 36'835'840.- 6'841'733.-
Anteil Kosten bzgl. Kanton
100.0%
37.7%
62.3%
11.6%
3.6%
4.1%
1.4%
10.8%
3.9%
Erkrankte
37'655
16'490
21'165
4'990
1'924
1'549
507
4'726
1'637
Anteil Erkrankte bzgl. Kanton
100.0%
43.8%
56.2%
13.3%
5.1%
4.1%
1.3%
12.6%
4.3%
486
282
1'105
668
350
178
67
514
443
4.9%
2.8%
11.1%
6.7%
3.5%
1.8%
0.7%
5.1%
4.4%
330
123
207
27
13
19
9
34
11
100.0%
37.3%
62.7%
8.2%
3.9%
5.8%
2.7%
10.3%
3.3%
Leistungserbringer / 10'000 Einw.
4.26
2.11
10.81
3.61
2.37
2.18
1.19
3.70
2.98
Erkrankte/Leistungserbringer
114
134
102
185
148
82
56
139
149
455'622
199'530
256'092
60'383
23'281
18'749
6'140
57'182
19'803
Konsultationen/Leistungserbringer geschätzt CH: *12.1
1'381
1'622
1'237
2'236
1'791
987
682
1'682
1'800
Konsultationen/Leistungserbringer geschätzt Kosten: /130.-
1'377
1'392
1'369
1'949
1'272
972
685
1'442
1'592
Behandlung pro Erkrankter [CHF]
1'569.-
1'349.-
1'740.-
1'371.-
1'117.-
1'549.-
1'580.-
1'349.-
1'391.-
0.59
0.34
1.34
0.81
0.42
0.22
0.08
0.62
0.54
179'056.-
180'916.-
177'951.-
253'398.-
165'305.-
126'348.-
89'074.-
187'449.-
206'957.-
Erkrankte / 10'000 Einw.
Jahresprävalenz
Anzahl Leistungserbringer
Anteil Leistungserbringer bzgl. Kanton
Anzahl Konsultationen geschätzt CH: *12.1
Anzahl Konsultationen (Geschätzt Faktor 12.1) pro Einwohner
CHF pro Leistungserbringer
-137Tab. 44: Ambulante Leistungen 2008: Santé Suisse Tarifpool Grundversorger, Tarmed ambulante Institutionen ambulant und Medizinatlas Schweiz
MS-Region
Region
Kanton Bern
Nicht Stadt
11
13
15
16
18
20
23
Bern Stadt
Biel
Oberaargau
Burgdorf
Aaretal
Thun
Oberland-Ost
Santé Suisse Tarifpool Allgemeine & Innere Medizin
Tarmed-Leistungen gesamt (001)
Anteil Kosten bzgl. Kanton
189'195'325.- ########## 59'347'559.- #########
15'190'173.-
15'814'043.- 13'680'621.- 25'182'622.-
9'356'071.-
100.0%
68.6%
31.4%
8.5%
8.0%
8.4%
7.2%
13.3%
4.9%
1'997'112.-
910'692.-
1'086'419.-
46'284.-
20'735.-
221'407.-
142'739.-
199'865.-
55'204.-
Anteil Kosten bzgl. Kanton
100.0%
45.6%
54.4%
2.3%
1.0%
11.1%
7.1%
10.0%
2.8%
Anzahl Leistungserbringer
786
504
282
79
49
57
51
87
39
100.0%
64.1%
35.9%
10.1%
6.2%
7.3%
6.5%
11.1%
5.0%
10.14
8.63
14.73
10.57
8.92
6.54
6.74
9.46
10.56
240'707.-
257'634.-
210'452.-
204'003.-
310'004.-
277'439.-
268'247.-
289'455.-
239'899.-
Anteil psychiatrische an gesamter Leistung
1.1%
0.7%
1.8%
0.3%
0.1%
1.4%
1.0%
0.8%
0.6%
Quotient psychiatr. Leistungen A&I / Psychiater
3.4%
4.1%
2.9%
0.7%
1.0%
9.2%
17.8%
3.1%
2.4%
Quotient Anzahl Psychiater / A&I
42.0%
24.4%
73.4%
34.2%
26.5%
33.3%
17.6%
39.1%
28.2%
UPD
Biel
SRO
PDB
PM
Thun
PDI
Psychiatrische Tarmed-Leistungen (02)
Anteil Leistungserbringer bzgl. Kanton
Leistungserbringer / 10'000 Einw.
CHF pro Leistungserbringer
Tarmed Institutionen ambulant
Anzahl Fälle (UPD ohne Gutachten), Thun-Daten aus Medstat
Anz. Patienten / 10'000 Einw.
Jahresprävalenz
16909
9881
7028
2958
2164
1110
593
2200
856
218
169
367
396
394
127
78
239
232
2.2%
1.7%
3.7%
4.0%
3.9%
1.3%
0.8%
2.4%
2.3%
0.35
0.27
0.51
0.28
0.24
0.29
0.26
0.30
0.25
69.2%
58.0%
93.7%
74.0%
60.3%
51.3%
24.6%
73.4%
69.0%
3.29
3.19
3.50
3.28
3.30
3.17
2.94
3.32
3.11
88.0%
87.7%
88.7%
88.8%
86.1%
89.2%
80.2%
90.8%
92.5%
Medizinatlas Schweiz 2004 http://www.healthatlas.unibe.ch
Anzahl psych. amb. Konsultationen pro Einwohner (inkl. Kinder)
% psych. amb. Konsultationen in eigener MS-Region
Anzahl A&I Konsultationen pro Einwohner (inkl. Kinder)
% A&I lokale Konsultationen in eigener MS-Region
-138-
6.2.4 Institutionelle ambulante Psychiatrie
Die Daten entstammen mehrheitlich den Tarmed und dort, wo nicht erhältlich, der MedStat.
Dort wo sowohl Tarmed als auch MedStat Daten vorhanden waren, gibt es Unterschiede von
maximal 10%. Für die Erfassung der Grössenordnung ist diese Genauigkeit aber als ausreichend zu betrachten.
Die institutionellen ambulanten Institutionen behandeln insgesamt etwa 16‘900 Patienten,
was einer Jahresprävalenz von 2.2% entspricht (Tab. 44).
6.2.5 Ambulant behandelte Patienten insgesamt
Wenn man all diese Informationen zusammenzählt, wurden insgesamt wurden etwa 55‘000
Patienten ambulant behandelt, 69% von freipraktizierenden Psychiatern und 31% von Institutionen.
6.2.6 Medizinatlas Schweiz
Im Medizinatlas der Schweiz (http://www.healthatlas.unibe.ch) werden die Daten der Daten
sowohl der medizinischen Statistik der Krankenhäuser (Datenquelle: Bundesamt für Statistik
[BfS]) als auch der gesamten ambulanten Versorgung der Schweiz (Datenquelle: SantéSuisse) grafisch aufbereitet. Der Online-Medizinatlas liefert einen Überblick über das gesamte
Gesundheitssystem in der Schweiz und wird vom Institut für evaluative Forschung in Orthopädie der Universität Bern, Schweiz, geleitet.
Die Daten der ambulanten Versorgung stammen aus dem Jahre 2004. Mit Hilfe der Bevölkerungsstatistik des Bundesamtes für Statistik (BfS) wurde die Behandlungsinzidenz in verschiedenen Fachgebieten der ambulanten Medizin berechnet. Sie gibt Auskunft über die
Inanspruchnahme von ambulanten Ressourcen zuhanden der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP). Die Inzidenzen berechnen sich als jährliche Häufigkeit von Arztkonsultationen pro Einwohner, im Gegensatz zu andern Berechnungen geht es hier um den
Wohnort des Patienten und nicht um den Ort der Praxis. Der Lokalisationsindex ist ein Mass
für die Höhe des lokalen medizinischen Versorgungsgrads in den verschiedenen Fachrichtungen und zeigt den prozentualen Anteil der lokal behandelten Patienten an.
Im Jahre 2004 fanden im Kanton Bern rund 0.35 ambulante psychiatrische Konsultationen
pro Einwohner statt (MS 11: 0.51). Gesamthaft finden 69% aller Konsultationen innerhalb der
eigenen MS-Region statt (MS 11: 94%, MS übrige: 58%).
-139-
Bei den Grundversorgern (Allgemeine und Innere Medizin) sind es 3.29 Konsultationen und
88% davon finden lokal statt – hier gibt es kaum Unterschiede zwischen den Regionen (Tab.
44)
6.2.7 Psychiaterbefragung
Die Zahlen der Psychiaterbefragung sind den Santé Suisse Daten trotz unterschiedlicher
Methodik sehr ähnlich. Bei 110 Patienten pro Leistungserbringer (MS 11: 99, MS übrige:
122) werden rund 36‘100 Patienten betreut (MS 11: 20‘500, MS übrige: 15‘000). Pro Patient
entfallen durchschnittlich 10.8 Konsultationen (MS 11: 12.1, MS übrige: 9.8). Durchschnittlich
schliessen innerhalb eines Jahres etwa 30% der Patienten die Behandlung ab und werden
durch neue Patienten ersetzt. Berechnet man diese Fluktuation mit ein, entfallen auf einen
Patienten durchschnittlich etwa 14 Konsultationen pro Jahr.
Tab. 45: Vergleich Daten Santé Suisse und Psychiaterbefragung
PsychiaterInnenbefragung
Santé Suisse Datenpool
Psychiatrie Erwachsene
Region
Kanton Bern
Bern Stadt
Bern nicht Stadt
Erwachsene Bevölkerung
775'439
235'533
539'906
Anzahl Leistungserbringer
330
207
123
59'088'541.-
36'835'840.-
22'252'701.-
4.26
8.79
2.28
37'655
21'165
16'490
Erkrankte/Leistungserbringer
114
102
134
Erkrankte / 10'000 Einw.
486
899
305
Patienten hochgerechnet
36'135
20'452
15'018
Patienten/Leistungserbringer
109.5
98.8
122.1
Patienten / 10'000 Einw.
466
868
278
Konsultationen / Leistungserbringer
1188
1193
1196
Konsultationen / Patient und Jahr (korrigiert)
14.1
15.7
12.7
Konsultationen pro Einwohner
0.40
0.84
0.22
Behandlungen [CHF]
Leistungserbringer / 10'000 Einw.
Erkrankte
6.2.8 Hausarztbefragung
747 (32%) der 2331 Patienten aus der Hausarztbefragung leiden unter einer psychischen
Symptomatik – 144 (6.2%) sind in psychiatrischer Betreuung, 545 (23.4%) werden ausreichend und 58 (2.5%) nicht ausreichend behandelt.
-140-
Wenn man davon ausgeht, dass diese Verhältnisse die Situation richtig darstellen, könnte
man jetzt aufgrund der Zusammensetzung auf die gesamte Bevölkerung schliessen. Allerdings sind diese Schätzungen tendenziell etwas zu hoch, weil Menschen mit psychischen
Problemen häufiger aufgrund von (psycho-)somatischen Beschwerden zum Arzt gehen. In
der Hausarztbefragung werden 144 von insgesamt 54‘500 Patienten (= 0.0026) erfasst, die
im ganzen Jahr 2008 von Psychiatern oder Institutionen ambulant behandelt wurden. Hochgerechnet auf die andern Kategorien ergibt dies eine Jahresprävalenz von Erkrankten insgesamt von 36.5% und einem Anteil von 2.8% (=22‘000), die nicht ausreichend behandelt sind.
Eine Jahresprävalenz von 36.5% erscheint allerdings etwas hoch auf dem Hintergrund der
Schätzungen von Baer et al, S. 215 und Wien et al. S. 8, welche von 25-30% ausgehen.
6.2.9 Kombination der Daten
Kombiniert man die Daten aus den verschiedenen Datenquellen, ergeben sich die folgenden
Werte (Abb. 57). Aus der Bevölkerung sind 2008 4‘986 Patienten (0.6%) stationär oder teilstationär behandelt worden. 16‘909 (2.2%) wurden in Institutionen und 37‘655 von Niedergelassenen ambulant versorgt. Bei 22‘000 (2.8%) nicht weiter betreuten Patienten erachtet der
Hausarzt eine weitere Behandlung als notwendig. 206‘500 (26.6%) werden ausschliesslich
Hausarzt betreut und eine zusätzliche Behandlung wird nicht als notwendig erachtet.
Abb. 57: Geschätzte Jahresprävalenz psychisch kranker oder auffälliger Menschen aufgrund verschiedener Datenquellen
-141-
Literatur
Baer, N & Cahn T, Psychische Gesundheitsprobleme. In Meyer K (Hrsg.), Gesundheit in der
Schweiz, nationaler Gesundheitsbericht 2008. Bern, Hans Huber, Hogrefe, 2009.
Wien, S., Bergman, F., Niebling, W. & Schneider, F. (2007). Grundlagen. In F. Schneider &
W. Niebling (Hrsg.), Psychische Erkrankungen in der Hausarztpraxis. Heidelberg: Springer.
-142-
7
Fazit
7.1
Grundlagen
7.1.1 Ausgangslage Versorgungslandschaft und mangelhafte Datengrundlage
Im Verlaufe der Untersuchung zeigte sich, dass die Datengrundlagen immer noch an vielen
Orten mangelhaft sind. Nicht einmal innerhalb des Kantons ist die Datenerfassung einheitlich, Ausdruck davon sind auch unterschiedliche Klinikerfassungssysteme. Die MedStatDaten werden zwar sowohl in stationären als auch ambulanten Abteilungen der Institutionen
erhoben, allerdings sind die ambulanten Daten immer noch unvollständig. Auch werden nicht
alle Daten in allen Institutionen gleich erhoben 13. Inhaltlich haben die MedStat Daten Mängel,
so gibt es beispielsweise keine Informationen über störungsbedingte funktionale Einschränkungen und den individuellen Hilfebedarf. Aus der Forschungsliteratur zum Thema ist bekannt, dass sowohl personen- als auch versorgungsbezogene Variablen Einfluss auf Behandlungsdauer und Wiederaufnahmewahrscheinlichkeit nehmen. Psychiatrische Diagnosen
sind auf der individuellen Ebene dabei weniger entscheidend als funktionale Gesundheit, die
Schwere der Psychopathologie sowie therapiebezogene Merkmale wie Medikation und damit
verbundene mögliche Komplikationen. Diese wichtigen Parameter bleiben in der medizinischen Statistik der Krankenhäuser unberücksichtigt. Versorgungsseitig spielen Merkmale wie
nahtlose Weiterbehandlung, die Flexibilität der Behandlungsangebote, kurz Merkmale der
Prozessqualität, eine wichtige Rolle. Daten über die Leistungen freipraktizierender Psychiater sind zwar bei den Krankenkassen vorhanden, diese werden jedoch nicht standardmässig
analysiert im Hinblick auf die Versorgung. Informationen über die Institutionen im Bereich
Wohnen und Arbeiten sind nicht systematisch aufbereitet und die Daten zur Nutzung (Somed) enthalten viel Inkonsistentes. Patientenströme können nur bruchstückhaft beschrieben
werden, obwohl das BFS dies seit 2006 vorsieht.
Es gibt regional unterschiedlich stark ausgeprägte Vernetzungen der Psychiatrischen Dienste mit den ambulanten und rehabilitativen Versorgern, aber auch unterschiedliche Integrationsgrade der psychiatrischen Versorgungsangebote innerhalb eines psychiatrischen Dienstes. Hinter gleichen Bezeichnungen verbergen sich unterschiedliche Behandlungsangebote
wie die ATK Langenthal und ATK Biel und unterschiedliche Bezeichnungen beinhalten vergleichbare Versorgungsangebote z.B. MOKI in Langenthal und Gemeindenahe Psychiatrie
Biel.
13
zum Beispiel schliessen einige Institutionen Ende Jahr alle Patienten administrativ ab, sodass die Behandlungsdauern nicht miteinander verglichen werden können
-143-
Die grosse Heterogenität der Angebote sowie der Datengrundlagen macht es schwierig, die
Qualität verschiedener Institutionen objektiv zu vergleichen und erschwert die Steuerung der
komplexen Prozesse. Insbesondere für den Teil der Klientel mit komplexem Hilfebedarf, der
immer wieder (teil)stationärer Behandlung bedarf und sozialtherapeutische/rehabilitative Angebote ausserhalb des rein medizinischen Leistungsspektrums in Anspruch nimmt, ist eine
genauere Kenntnis des Inanspruchnahmeverhaltens von Versorgungsangeboten wesentlich
für eine gezielte Prozesssteuerung.
7.2
Zusammenfassung pro Untersuchungseinheit
7.2.1 MOKI/ Notfalltriage
Die Pilotprojekte MOKI/Notfalltriage in Langenthal und Biel gehen vom gleichen Grundkonzept aus. Trotzdem, und das erscheint symptomatisch für die regionalisierte Versorgung im
Kanton Bern, werden dieselben Angebote an den beiden Standorten unterschiedlich umgesetzt.
In Langenthal ist MOKI eine eigene Funktionseinheit, welche überwiegend Patienten behandelt, die initial den Stützpunkt nicht besuchen konnten oder wollten und deshalb von einer
mobilen Equipe aufgesucht wurden. Auslöser ist meist eine Krise, manchmal aber auch in
eine chronische Situation. Sobald es möglich und sinnvoll erscheint, werden die Patienten in
die Institution einbestellt, bleiben jedoch trotzdem in Behandlung des „MOKI-Teams“. Damit
ist MOKI nicht ein isoliertes Behandlungsangebot, sondern Teil eines integrierten Behandlungsansatzes.
In Biel gibt es eine Funktionseinheit „gemeindenahe Behandlung“, welche viel aufsuchende
Arbeit leistet. Bei den Betroffenen handelt es sich in erster Linie um Patienten, die an schizophrenen Störungen leiden. In Biel wurde die MOKI nicht als Teil dieser gemeindenahen
Behandlung konzeptualisiert, sondern zur Notfalltriage gehörend verstanden. MOKI ist dort
Teil einer Abklärung, sehr oft in akuten Notfällen, die dann auch häufig zu einem Klinikeintritt
führen.
Aus den erhobenen Daten zeigt sich, dass MOKI vorzugsweise von älteren, chronischen
Patienten mit deutlicher Einschränkung ihrer sozialen Funktionsfähigkeit in Anspruch genommen wird. Oft sind die Patienten aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Etwa 2/3 aller
Patienten gehen nach einer MOKI-Behandlung in eine stationäre oder teilstationäre Behandlung, allerdings dann freiwillig und nicht per FFE.
Subjektiv scheinen die mittels MOKI behandelten Patienten sehr zufrieden zu sein. Die Beziehungskontinuität, der Einbezug des Umfeldes, die Möglichkeit des Lernens im Sinne einer
-144-
Edukation zum Umgang mit der psychischen Erkrankung zuhause werden als hilfreich angesehen. Die Erreichbarkeit der behandelnden Personen hilft, eine Krise durchzustehen. Aber
auch die Ermöglichung eines sanften Übertritts in eine stationäre Einrichtung erscheint positiv.
Allerdings stellt sich die Frage, ob MOKI eine eigene Funktionseinheit sein soll oder Teil einer integrierten Versorgung. Die Möglichkeit aufsuchender Hilfe erscheint sinnvoll für alle
Patienten, unabhängig davon wo sie behandelt werden. Aus der Patientenperspektive lassen
sich denn auch unterschiedliche Gruppen identifizieren, welche von MOKI profitieren können: (1) Krisenintervention und stabilisierende Begleitung nach Krise, (2) Langzeitbegleitung
mit Kriseninterventionen und (3) Langzeitbegleitung zur Entwicklung von dem am individuellen Hilfebedarf angepassten Organisationsformen.
Unabhängig davon erscheint es notwendig, dass die involvierten Institutionen und Akteure
einen regelmässigen Austausch pflegen, sowohl anhand von gegenseitigen Fallvorstellungen als auch zu organisatorischen Fragen. Falls zusätzliche Institutionen ein entsprechendes
Angebot einführen, sollten sie sich ebenfalls an den Erfahrungen von Langenthal und Biel
orientieren und nicht alles neu entwickeln müssen.
7.2.2 ATK
Die bisher in den Akuttageskliniken behandelte Klientel ist sehr heterogen bzgl. Schweregrad
und Diagnose. Es können positive Effekte der akuttageklinischen Behandlung auf Störungsmerkmale, psychosoziales Funktionsniveau und funktionale Gesundheit der Patienten gezeigt werden. Die behandelten Patienten sind sehr zufrieden, PatientInnen z.B. mit Familienverpflichtungen oder sozialen Rückzugstendenzen können möglicherweise besonders vom
akuttagesklinischen Setting profitieren und wären eventuell psychiatrisch unterversorgt geblieben. Bei 40% (Langenthal) bis 50% (Biel) der Patienten wird als Alternative zur erfolgten
Behandlung in der ATK ein stationärer Aufenthalt angegeben.
Auch hier fällt auf, dass die Umsetzung der aktuttagesklinischen Angebote in Langenthal und
Biel unterschiedlich erfolgt. So sind sowohl die durchschnittlichen Aufenthaltsdauer als auch
die tägliche Öffnungszeit in Biel deutlich kürzer als in Langenthal was in Einklang steht mit
schwächeren Behandlungseffekten in Biel.
Die Behandlung in der ATK ist in den meisten Fällen Teil einer Behandlungskette bzw. Resultat der NF-Triage. Im Gegensatz zu MOKI führt eine Behandlung in der ATK auch nur
selten zu einer stationären Behandlung.
Allerdings sind konzeptionelle Fragestellungen, wie z.B. die genaue Funktion der ATK in der
bestehenden Versorgungslandschaft, die Indikation zur akuttagesklinischen Behandlung etc.
noch nicht alle beantwortet. Auch bleibt die Frage offen, wie eine ATK mit 5 Stunden Prä-
-145-
senz und geschlossenem Wochenende ohne Krisenbetten einen vollwertigen Ersatz für einen stationären Aufenthalt darstellen soll. Demgegenüber stehen politische Realitäten wie
der niedrige Tagesansatz für den ATK-Aufenthalt, welcher seinerseits wiederum zu den beschriebenen Einschränkungen des Angebotes führt.
Eine Evaluation, die Rahmenbedingungen und Konzepte der Institution nicht berücksichtigt
und sich fast ausschliesslich auf Patientenmerkmale und ihre Veränderung bezieht, bleibt
zwangsläufig unvollständig und lässt Fragen nach unterschiedlichen Effekten der Behandlung offen. Ob und wenn ja in welchem Umfang die neuen akuttagesklinischen Angebote auf
die Inanspruchnahme der vollstationären Behandlungsangebote Auswirkungen haben, kann
auf der jetzigen Datengrundlage nicht beantwortet werden. Dazu können erst die Auswertungen über mehrere Jahre hinweg Auskunft geben. Darüber hinaus müssen konzeptionelle
Parameter in die Auswertung einbezogen werden.
Der regelmässige Einsatz des Instrumentariums sowie die Datenerfassung wird dann von
den betreffenden Psychiatriestützpunkten als sinnvoll und praktikabel beurteilt, wenn die
Resultate dem klinischen Erkenntnisgewinn dienen, sie in die Behandlungsplanung einfliessen und ausreichend personelle Ressourcen vorhanden sind. Auch auf dem Hintergrund,
qualitätssichernde Verfahren in der teilstationären Behandlung einzusetzen ist es dringend
zu empfehlen, die Evaluation fortzusetzen.
7.2.3 Aufbau und Implementierung neuer Versorgungsangebote
Ziel dieser Phase der Weiterentwicklung der Psychiatrieversorgung im Kanton Bern war es,
neue Angebote aufzubauen, welche eine Verlagerung vom stationären ins teilstationäre und
ambulante Settings ermöglichen. Ein solcher allfälliger Verlagerungseffekt kann jedoch keinesfalls aufgrund der zugrunde liegenden kurzen Erhebungsperiode nachgewiesen werden.
Allerdings lassen sich die beobachteten Erfahrungen beim Aufbau neuer Angebote generalisieren und Konsequenzen daraus ableiten. Es zeigten sich viele Schwierigkeiten, konzeptionell zu arbeiten und die notwendigen Daten zu erheben, einerseits weil die Akteure klinisch
orientiert sind und sich damit primär um das Wohl der betreuten Patienten kümmern, anderseits weil gerade beim Neuaufbau das Lösen der alltäglichen Probleme sehr viel dringender
erscheinen als das konzeptionelle Arbeiten. Gerade zu Beginn ist es nicht einfach, die neuen
Angebote zu füllen, was zu einer gewissen Unschärfe der Indikation bei der Patientenauswahl, dem Behandlungskonzept etc. führt. Angebote, welche den Austausch zwischen den
Institutionen ermöglichen, wurden jedoch sehr positiv aufgenommen.
Institutionen brauchen fachliche und konzeptionelle Begleitung und Support beim Aufbau
neuer Organisations- und Angebotsformen. Dies betrifft auch die inhaltliche und technische
Unterstützung beim Aufbau der systematischen Dokumentation.
-146-
7.2.4 Angebotsstruktur und Versorgungslandschaft
Insgesamt besteht ein umfangreiches Versorgungsangebot für behinderte Menschen. Insgesamt werden ein Viertel der im Kanton Bern zur Verfügung stehenden knapp 7000 Plätze
durch KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen genutzt. Dieser Anteil ist am kleinsten
bei den 3968 Wohnheimplätzen (18%), beträgt 30% der 1850 Werkstättenplätze, 41% der
713 Plätze in Beruflichen Massnahmen und 47% der 302 Tagesstättenplätze. Der Umfang,
in dem KlientInnen mit psychischen Beeinträchtigungen Plätze in sozialmedizinischen Institutionen nutzen, weist regional deutliche Unterschiede auf. Im Vergleich zwischen der MSRegionen 11 (Stadt Bern) und den übrigen MS-Regionen fällt eine Asymmetrie in den Bereichen Wohnen und Arbeiten auf. Wohnheimplätze sind vor allem auf dem Land angesiedelt,
Plätze im Bereich Arbeit vor allem in der Stadt. Gesamthaft werden im Kanton Bern 9.2
Wohnheimplätze pro 10'000 Einwohner von Personen mit psychischen Beeinträchtigungen
genutzt. Im Vergleich zwischen den MS-Regionen Stadt Bern und Nicht-Stadt Bern ist die
Rate der Plätze pro 10'000 Einwohner in der Region Stadt Bern um vier Plätze tiefer (6.3 vs.
10.5 Plätze pro 10'000 Einwohner). Diese Unterschiede widerspiegeln sich auch in der Beurteilung der Angebote bei der Psychiaterbefragung.
Bezüglich der Datengrundlage ist festzustellen, dass Güte und Umfang der Informationen
über sozialmedizinische Institutionen und ihre betreuten KlientInnen im Vergleich zur denen
der psychiatrischen Kliniken gering sind. Differenzierte Angaben z.B. zu den Versorgungsangeboten im Bereich Wohnen liegen nicht vor. Versorgungsrelevante Aspekte wie Betreuungsdauer und Intensität, Flexibilität und Abstufungen des Betreuungsangebots oder auch
Fragen bezüglich der Allokation werden nicht abgebildet. Die Daten geben auch keinen Aufschluss darüber, ob die KlientInnen mit psychischer Beeinträchtigung auch tatsächlich in
einer auf ihre Problemlagen und ihren Rehabilitationsbedarf ausgerichteten Institution betreut
werden.
ESMS gibt eine gute Struktur vor, um solche Aspekte besser darzustellen. Allerdings fehlen
für eine Gesamterhebung die Grundlagen, es gibt keinen Überblick, keine Datenbank, was
zur Konsequenz hat, dass die Erhebung der Information mit grösserem Aufwand verbunden
wäre. Ein sinnvoller Schritt, um dieses Kenntnisdefizit mittelfristig zu beheben, bestünde in
einer Vollerhebung der sozialmedizinischen Institutionen mittels ESMS-V3. Die Resultate
könnten zu einer umfänglicheren Planungsgrundlage psychiatrischer Versorgung auch jenseits der institutionellen Psychiatrie beitragen.
-147-
7.2.5 Freipraktizierende Psychiater
Zwischen 2005 und 2008 haben die Leistungen der freipraktizierenden Psychiater im Kanton
Bern zugenommen. Im Jahr 2008 erbrachten 330 Leistungserbringer (Zunahme 3.1%) Gesamtleistungen von 59.1 Mio. CHF (Zunahme 11.1%) und behandelten dabei 37‘700 Erkrankte (Zunahme 11.8%).
Während die Jahresprävalenz im Gesamtkanton 4.9% betrug war dies in der MS-Region 11
(Stadt Bern) 11.1%, im übrigen Kanton 2.8%. Ein Teil dieser Unterschiede kann dadurch
erklärt werden, dass über 90% der in der MS-Region 11 lebenden Leistungsbezügern diese
auch dort beziehen während dies in den übrigen MS-Regionen bei unter 60% der Fall ist.
Die Zahlen in der Psychiaterbefragung mit einem Rücklauf von 56% sind den Santé Suisse
Daten trotz unterschiedlicher Methodik sehr ähnlich.
Rund die Hälfte der Klientel der niedergelassenen PsychiaterInnen hat eine stationäre oder
teilstationäre Vergangenheit. Das Ziel der Behandlung ist je etwa zur Häfte Stabilisierung
bzw. Heilung. Ca. ein Drittel der von den niedergelassenen Psychiatern behandelten Patienten ist schwer und chronisch krank (stationäre oder teilstationäre Vergangenheit und Behandlungsziel Stabilisierung) und ein Drittel ist eher leicht krank (keine (teil-)stationäre Vergangenheit und Heilung als Behandlungsziel. Das letzte Drittel verteilt sich auf die beiden
mittleren Gruppen. Das Diagnosespektrum ist vergleichbar mit demjenigen von stationären
Patienten. Trotzdem fühlen sich die Niedergelassenen weniger zuständig für Patienten mit
komplexen und psychosozialen Störungen, die mit viel zusätzlichem vernetzendem Aufwand
verbunden oder sehr akut sind. Auch verfügen deren Patienten durchschnittlich über ein höheres Bildungsniveau, geringere Arbeitslosigkeit und Selbständigkeit im Wohnen als in den
Institutionen. Dies betrifft auch diejenigen Patienten mit stationärer Vergangenheit.
7.2.6 Grundversorger
Zwischen 2005 und 2008 haben die Leistungen der Grundversorger (Allgemeinmedizin, Innere Medizin) Psychiater im Kanton Bern zugenommen. Im Jahr 2008 erbrachten 786 Leistungserbringer (Abnahme 0.9%) Gesamtleistungen von 189.2 Mio. CHF (Zunahme 9.7%).
Die Verteilung zwischen den Regionen ist dabei ziemlich ausgeglichen (MS 11: 282 Leistungserbringer (36%) erbringen 59 Mio. CHF (31%), MS übrige: 504 Leistungserbringer
(64%) erbringen 130 Mio. CHF (69%)). Der Anteil abgerechneter psychiatrischer Leistungen
beträgt 2 Mio. CHF, was 1.1% der gesamten Leistungen entspricht (MS 11: 1.1 Mio. CHF
entspricht 1.8%, MS übrige: 0.9 Mio. CHF entspricht 0.7%).
Die Hausarztbefragung hat einen Rücklauf von lediglich 11.5%. Trotzdem ist die sehr grosse
Diskrepanz zwischen der hohen Zahl psychiatrisch auffälligen Patienten in der allgemeinen
-148-
Praxis und der geringen abgerechneten psychiatrischen Leistungen bemerkenswert. Ein Teil
dieser Diskrepanz könnte darin begründet sein, dass Hausärzte eine mögliche Stigmatisierung ihrer Patienten verhindern versuchen, indem sie psychiatrische Leistungen über nicht
eindeutig zuordenbare Positionen abrechnen.
Gemäss den Angaben der Allgemeinmediziner sind etwa 2.8% (dies entspricht 22‘000 Erkrankten) nicht ausreichend behandelt.
Es besteht ein hoher Anteil an psychiatrischen Patienten, die allein vom Hausarzt behandelt
werden. Ob die dauerhafte alleinige Behandlung in der hausärztlichen Praxis die bestmögliche psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung darstellt, kann anhand dieser Erhebung
auf Basis dieser Datengrundlage nicht beurteilt werden.
Es erscheint jedoch wichtig, die wichtige Rolle bei der Grundversorgung von psychisch Erkrankten durch die der HausärztInnen wahrzunehmen. Diese nehmen einen wesentlichen
Einfluss auf die Inanspruchnahme psychiatrischer Versorgungsleistungen (Zuweisungen
durch HÄ in institutionelle Psychiatrie 26% aller PatientInnen, MedStat 2008), sind häufig
erste Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Problemen und werden PatientInnen mit
psychischer Symptomatik auch in Zukunft oft langfristig behandeln; sie sind deshalb angemessen in die Versorgungsnetzwerke zu integrieren (Spiessl & Cording, 2000).
7.2.7 Zusammenfassung Behandlungszahlen
Insgesamt wurden im Jahr 2008 etwa 55‘000 Patienten psychisch Erkrankte ambulant behandelt, 69% von freipraktizierenden Psychiatern und 31% von Institutionen.
Die institutionellen ambulanten Institutionen behandeln insgesamt etwa 16‘900 Patienten,
was einer Jahresprävalenz von 2.2% entspricht.
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