Stochastik und Statistik Vorlesung Sommersemester 2012 Dienstag 12.00 – 14.00 (HGB M114) Donnerstag 12.00 – 14.00 (HGB M010) Matthias Schmid <[email protected]> Esther Herberich <[email protected]> Webseite: http://www.statistik.lmu.de/institut/ag/biostat/ vorlesungen/SS12/Stochastik/ Schein: Erwerb durch Klausur Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 1 / 57 Übungen Erste Übungen: Mittwoch, den 02.05. um 14:00 (HGB A U117 und HGB B011) und um 16:00 (HBG A U115) Ab dem 08.05.: Dienstag um 14:00 in Richard-Wagner-Str. 10, Raum 109 Mittwoch um 14:00 in HGB A U117 Mittwoch um 16:00 in HGB A U115 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 2 / 57 Literatur Held (2008): “Methoden der statistischen Inferenz. Likelihood und Bayes”, Spektrum, 29,95 EUR (304 Seiten) Dümbgen (2003): “Stochastik für Informatiker”, Springer Verlag, 30,79 EUR (268 Seiten) Fahrmeir, Künstler, Pigeot, Tutz (2010): “Statistik: Der Weg zur Datenanalyse”, 7. Auflage, Springer Verlag, 30,79 EUR (610 Seiten) Georgii (2009): “Stochastik”, 4. Auflage, deGruyter, 29,95 EUR (404 Seiten) Grimmett, Stirzaker (2001): “Probability and Random Processes”, 3rd Edition, Oxford University Press, ca. 40 EUR (608 Seiten) Ligges (2008): “Programmieren mit R”, 3. Auflage, Springer Verlag, 33,87 EUR (251 Seiten) Skript zur Vorlesung auf der Webseite Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 3 / 57 Software Die Graphiken und Beispiele im Skript und in der Vorlesung wurden mit R erstellt. Das Analysesystem R ist für alle gängigen Betriebssysteme frei erhältlich unter http://www.R-Project.org Eine geeignete deutschsprachige Einführung ist das Buch von Uwe Ligges “Programmieren mit R” (siehe Literaturliste). Auf der obigen Webseite sind elektronische Handbücher und diverse Einführungen in diese Programmiersprache erhältlich. Am Institut für Statistik werden Vorlesungen und Kurse zu R angeboten. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 4 / 57 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 Laplace-Verteilungen und diskrete Modelle 3 Bedingte Wkeiten, stoch. Unabhängigkeit 4 Diskrete Zufallsvariablen 5 Erwartungswerte, Varianzen und Kovarianzen 6 Statistische Inferenz 7 Markov-Ketten 8 Stetige Zufallsvariablen 9 Statistische Inferenz II 10 Lineare Regression Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 5 / 57 1. Einleitung Stochastik = Wahrscheinlichkeitstheorie Statistik Wahrscheinlichkeitstheorie: Mathematische Beschreibung von zufälligen Phänomenen Statistik: I I Erhebung, Auswertung und Interpretation von Daten Quantifizierung von Unsicherheit Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 6 / 57 Ist Stochastik für die (Bio)Informatik wichtig? Simulation von zufälligen Prozessen am Computer Bsp.: Verbreitung von Epidemien Analyse von statistischen/randomisierten Algorithmen Bsp.: Quicksort Statistische Analyse von Daten aus der Biologie und Genetik Bsp.: Genexpression und Überlebenszeit Stochastische Modelle für das Auftreten von Daten Bsp.: Hardy-Weinberg-Gesetz vgl. Journal Bioinformatics, Table of Contents Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 7 / 57 Wahrscheinlichkeit Grundbegriff der Stochastik: Wahrscheinlichkeit P(A) für das Auftreten eines bestimmten Ereignisses A P(A) P(A) P(A) = = = 1 0 p ∈ (0, 1) : : : A tritt mit Sicherheit ein A tritt mit Sicherheit nicht ein Ereignis A tritt mit Wahrscheinlichkeit p ein Interpretation? Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 8 / 57 Subjektivistische Interpretation Wahrscheinlichkeit aus Wetteinsatz Frage : ”Wie sicher bist Du, dass das Ereignis A eintreten wird?” : ”Wie viel Einsatz E wirst Du maximal setzen, wenn beim Eintreten von A ein Gewinn G ausgezahlt wird?” ; P(A) = E G Wahrscheinlichkeit als Maß für Deine Unsicherheit. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 9 / 57 Beispiel: Spiel mit drei Bechern Unter einen von drei gleichartigen Bechern wird eine weiche Kugel gelegt. Nun beginnt der Anbieter, die Becher vor den Augen des Spielers zu vertauschen. Der Spieler muss nach einer gewissen Zeit sagen, unter welchem Becher die Kugel liegt. Wenn er die Kugel findet, gewinnt er den doppelten Einsatz. Ereignis A: “Kugel gefunden” Spieler glaubt: P(A) > 1/2, möglichst nahe bei Eins Anbieter glaubt: P(A) < 1/2, im Idealfall P(A) = 1/3 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 10 / 57 Frequentistische Interpretation “Häufigkeitsinterpretation” Angenommen das Zufallsexperiment kann beliebig oft wiederholt werden, dann konvergiert die relative Häufigkeit des Eintretens des Ereignisses A gegen die Wahrscheinlichkeit P(A). Klassisches Beispiel: Wiederholtes Werfen eines “fairen” Würfels; Simulation durch Funktion sample() in R; Berechnung der kumulierten relativen Häufigkeiten von interessierenden Ereignissen. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 11 / 57 2. Laplace-Verteilungen und diskrete Modelle Prinzip von Laplace (Pierre-Simon de Laplace [1749-1827]): “Wenn nichts dagegen spricht, gehen wir davon aus, dass alle Elementarereignisse gleichwahrscheinlich sind.” Frage: Was sind “Elementarereignisse”? Ein Element ω einer Grundgesamtheit Ω nennt man Elementarereignis. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 12 / 57 2.1 Laplace Wahrscheinlichkeiten Betrachte die endliche Grundgesamtheit von Elementarereignissen Ω = {ω1 , ω2 , . . . , ωn } Für ein Ereignis A ⊂ Ω definiert man die LaplaceWahrscheinlichkeit als die Zahl |A| |A| = P(A) := |Ω| n wobei |A| die Anzahl der Elemente in A ist. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 13 / 57 Folgerungen und Erweiterungen Jedes Elementarereignis ωi , i = 1, . . . , n Wahrscheinlichkeit P({ωi }) = n1 . hat also die Die Wahrscheinlichkeit von Ω ist P(Ω) = 1. Die entsprechende Abbildung P(Ω) → [0, 1] nennt man auch Laplace-Verteilung (oder diskrete Gleichverteilung) auf Ω. Hierbei nennt man P(Ω) die Potenzmenge (Menge aller Teilmengen) von Ω (nicht zu verwechseln mit P(Ω)!). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 14 / 57 Beispiel: Augensumme von zwei Würfeln Ω = {(1, 1), (1, 2), . . . , (6, 5), (6, 6)} |Ω| = n = 62 = 36 Sei Ak das Ereignis “Augensumme ist k”. Dann gilt: 6 − |k − 7| P(Ak ) = für k = 2, . . . , 12 36 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 15 / 57 Beispiel: Skatspiel Beim Skatspiel werden 32 verschiedene Karten, darunter 4 Buben an 3 Spieler verteilt. Jeder Spieler erhält 10 Karten. 2 Karten kommen in den Skat. Wie groß ist nun die Wahrscheinlichkeit der Ereignisse: A1 := “Spieler 1 erhält alle Buben” A2 := “Jeder Spieler erhält genau einen Buben” Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 16 / 57 Laplace-Verteilungen sind zu speziell! Beispiele: Unfairer Würfel Wahrscheinlichkeit für Knabengeburt Auftreten von Kopf oder Zahl bei 2-Euro Münze ; Elementarereignisse hier nicht gleichwahrscheinlich! Ein weiteres Problem ist, dass manchmal |Ω| unendlich ist. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 17 / 57 Beispiel für unendliche Grundgesamtheiten Man interessiere sich für die Anzahl der Würfe einer fairen Münze bis zum ersten Mal Zahl eintritt. Ω unendlich: Ω = {ω1 , ω2 , ω3 , ω4 , . . .} = {1, 2, 3, 4, . . .} = N Allgemein mit ωi = i: P({ωi }) = ∞ P i=1 1 2i P({ωi }) = Esther Herberich und Matthias Schmid i = 1, 2, 3, . . . ∞ P i=1 1 2i = 1 (geom. Reihe) vgl. Analysis () Stochastik und Statistik SS 2012 18 / 57 2.2 Diskrete Wahrscheinlichkeitsräume Ein diskreter Wahrscheinlichkeitsraum ist ein Paar (Ω, P) wobei Ω eine abzählbare Grundgesamtheit ist und P ein diskretes Wahrscheinlichkeitsmaß, das jeder Teilmenge A ⊂ Ω eine Wahrscheinlichkeit P(A) zuordnet. Diese definiert man wieder über die Wahrscheinlichkeiten P({ω}) der Elementarereignisse ω ∈ A: X P({ω}) P(A) = ω∈A Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 19 / 57 Diskrete Wahrscheinlichkeitsräume II wobei für P({ω}) gelten muss: 0 ≤ P({ω}) ≤ 1 und P ω∈Ω für alle ω P({ω}) = 1. Beispiel für unendlichen Wahrscheinlichkeitsraum: Ω = N; ωi = i Betrachte z.B. P({ωi }) = 1/(i(i + 1)) oder P({ωi }) = 1/2i Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 20 / 57 2.3 Axiome von Kolmogorov [1903-1987] Wir betrachten eine beliebige (abzählbare) Grundgesamtheit Ω und eine Funktion P auf der Potenzmenge P(Ω), die jedem Ereignis A ⊂ Ω eine Wahrscheinlichkeit zuordnet. Wir nennen P eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auf Ω, wenn sie folgende Eigenschaften erfüllt: A1) P(A) ≥ 0 für beliebige A ⊂ Ω A2) P(Ω) = 1 A3) P(A ∪ B) = P(A) + P(B) A, B ⊂ Ω Esther Herberich und Matthias Schmid für disjunkte Ereignisse () Stochastik und Statistik SS 2012 21 / 57 Folgerungen P(∪ni=1 Ai ) = n P i=1 P(Ai ) für paarweise disjunkte Ereignisse A1 , A2 , . . . , An ⊂ Ω P(A) ≤ P(B) falls A ⊂ B Definiere das Komplement von A: Dann gilt P(Ā) = 1 − P(A) Ā = Ω \ A. P(A ∪ B) = P(A) + P(B) − P(A ∩ B) für beliebige A, B ⊂ Ω ; Darstellung im Venn-Diagramm (John Venn [1834-1923]) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 22 / 57 Die Siebformel von Sylvester-Poincaré James Sylvester [1814-1897] Jules Henri Poincaré [1854-1912] Für beliebiges n ∈ N und A1 , A2 , . . . , An ⊂ Ω gilt: X X P(Ai ) − P(Ai ∩ Aj ) P(A1 ∪ A2 ∪ . . . ∪ An ) = i + X i<j P(Ai ∩ Aj ∩ Ak ) i<j<k ± . . . + (−1)n+1 · P(A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ An ) Daher: P(A ∪ B ∪ C ) = ??? Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 23 / 57 Bonferroni Ungleichungen ; Abschätzungen von P(A1 ∪ A2 ∪ . . . ∪ An ) Für beliebige Ereignisse A1 , A2 , . . . An ist P ≤ P(Ai ) i n P(∪i=1 Ai ) = P P P(Ai ) − P(Ai ∩ Aj ) ≥ i Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik i<j SS 2012 24 / 57 3.1 Bedingte Wahrscheinlichkeiten Für Ereignisse A, B ⊂ Ω mit P(B) > 0 definiert man die bedingte Wahrscheinlichkeit von A gegeben B als die Zahl P(A ∩ B) P(A|B) = P(B) ; Darstellung im Venn-Diagramm Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 25 / 57 Beispiel: Spiel mit drei Bechern Spieler macht einen Trick und markiert einen der drei Becher. Sei A := “Beobachter findet den richtigen Becher” B := “Spielanbieter legt die Kugel unter den markierten Becher” Dann: P(A|B) = 1 P(A|B̄) = 1/2 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 26 / 57 Eigenschaften von bedingten Wahrscheinlichkeiten P(B|B) = 1 P(B̄|B) = 0 P(A|B) ≥ 0 für beliebige A ⊂ Ω P((A1 ∪ A2 )|B) = P(A1 |B) + P(A2 |B) für A1 und A2 disjunkt Daher: Als Funktion von A ⊂ Ω ist P(A|B) (bei festem B!) eine Wahrscheinlichkeitsverteilung Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 27 / 57 Beispiel: Skat Sei A := “Mindestens eine der acht Karokarten liegt im Skat” B := “Spieler 1 erhält beim Austeilen keine der acht Karokarten” Berechne P(A) und P(A|B) und vergleiche diese. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 28 / 57 Multiplikationssatz Für beliebige Ereignisse A1 , A2 , . . . , An mit P(A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ An ) > 0 gilt: P(A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ An ) = P(A1 ) · P(A2 |A1 ) · P(A3 |A1 ∩ A2 ) · . . . · P(An |A1 ∩ . . . ∩ An−1 ) wobei man die rechte Seite offensichtlich auch in jeder anderen möglichen Reihenfolge faktorisieren kann. Wir schreiben im Folgenden auch gerne P(A1 , A2 ) := P(A1 ∩ A2 ) etc. Insbesondere gilt also P(A1 , A2 ) = P(A1 ) · P(A2 |A1 ) P(A1 , A2 , A3 ) = P(A1 ) · P(A2 |A1 ) · P(A3 |A1 , A2 ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 29 / 57 Satz der totalen Wahrscheinlichkeit Sei B1 , B2 , . . . , Bn eine disjunkte Zerlegung von Ω: 1 B1 , B2 , . . . , Bn paarweise disjunkt: Bi ∩ Bj = ∅ ∀i 6= j 2 B1 ∪ B2 ∪ . . . ∪ Bn = Ω Falls zusätzlich P(Bi ) > 0 für i = 1, . . . , n so gilt für jedes A ⊂ Ω: P(A) = n X P(A|Bi ) · P(Bi ) i=1 → Illustration im Venn-Diagramm Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 30 / 57 Ein wichtiger Spezialfall Insbesondere gilt P(A) = P(A|B)P(B) + P(A|B̄)P(B̄) da B, B̄ eine disjunkte Zerlegung von Ω ist. Beweis? Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 31 / 57 3.2 Der Satz von Bayes I Thomas Bayes [1701-1761] Dieser Satz beruht auf der Asymmetrie der Definition von bedingten Wahrscheinlichkeiten: P(A|B) = P(B|A) = P(A ∩ B) P(B) P(A ∩ B) P(A) Esther Herberich und Matthias Schmid ⇒ P(A ∩ B) = P(A|B)P(B) ⇒ P(A ∩ B) = P(B|A)P(A) () Stochastik und Statistik SS 2012 32 / 57 Der Satz von Bayes II P(B|A) = totale W’keit = P(A|B)P(B) P(A) P(A|B)P(B) P(A|B)P(B) + P(A|B̄)P(B̄) Allgemeiner gilt für eine disjunkte Zerlegung B1 , . . . , Bn P(A|Bi )P(Bi ) P(Bi |A) = Pn i=1 P(A|Bi )P(Bi ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 33 / 57 Interpretation P(Bi ) “a-priori-Wahrscheinlichkeiten” P(Bi |A) “a-posteriori-Wahrscheinlichkeiten” Nach Beobachtung von A ändert sich die Wahrscheinlichkeit von Bi von P(Bi ) zu P(Bi |A) Beispiel: Skatspiel Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 34 / 57 Beispiel: Diagnostischer Test K := “Person ist krank” T := “Test auf Krankheit ist positiv” Üblicherweise kennt man die: Sensitivität P(T |K ) ⇒ P(T̄ |K ) = 1 − P(T |K ) Spezifität P(T̄ |K̄ ) ⇒ P(T |K̄ ) = 1 − P(T̄ |K̄ ) P(K ) heißt Prävalenz Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 35 / 57 Beispiel: Diagnostischer Test II Zahlenbeispiel: P(T |K ) = 0.222 P(T̄ |K̄ ) = 0.993 P(K ) = 0.0264 Es ergibt sich P(T ) ≈ 0.012676 P(K |T ) ≈ 0.462 P(K̄ |T̄ ) ≈ 0.979 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 36 / 57 Beispiel: Creutzfeldt-Jakob 14-3-3 + Total CJD + 126 7 8 97 134 104 Total 133 105 238 Die Sensitivität ist P(14-3-3 = +|CJD = +) = 126/134 = 0.94 und die Spezifität ist P(14-3-3 = −|CJD = −) = 97/104 = 0.93. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 37 / 57 Chancen Oft ist es einfacher, W’keiten als Chancen, im Sinne von Wettchancen (etwa 1:10), engl. “odds” aufzufassen. Für eine W’keit π besteht zur Chance γ der Zusammenhang π γ= 1−π γ π= 1+γ Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 38 / 57 Eine Version vom Satz von Bayes Eine elementare Umformung liefert P(B|A) P(B̄|A) = P(B) P(A|B) · P(B̄) P(A|B̄) Posterior Odds = Prior Odds · Likelihood Ratio Posteriori Chance = Priori Chance · Likelihood Quotient Im Beispiel ergibt sich: Priori Chance: 0.027 Likelihood Quotient: 31.7 ; Posteriori Chance: 0.858 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 39 / 57 Beispiel: O.J. Simpson Prozess O.J. Simpson gab zu, seine Frau missbraucht zu haben. Er gab aber nie zu, seine Frau ermordet zu haben. Einer seiner Verteidiger sagte, die Wkeit, dass jemand, der seine Frau missbraucht, auch ermordet, ist 1/1000. Aber: Das Gericht ist mehr interessiert an der Wkeit, dass O.J. Simpson der Mörder seiner Frau ist, gegeben er hat sie missbraucht und sie ist ermordet worden. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 40 / 57 Beispiel: O.J. Simpson Prozess II Zwei Ansätze zur Lösung! Sei A: “Ein Mann hat seine Frau missbraucht” M : “Die Frau wurde ermordet” G: “Der Mann ist des Mordes schuldig” P(G |A, M) P(Ḡ |A, M) = aber auch = Esther Herberich und Matthias Schmid P(G |M) P(A|G , M) · P(Ḡ |M) P(A|Ḡ , M) P(G |A) P(M|G , A) · P(Ḡ |A) P(M|Ḡ , A) () Stochastik und Statistik SS 2012 (1) (2) 41 / 57 Beispiel: O.J. Simpson Prozess III Ansatz (1) liefert (unter geeigneter Vorinformation) P(G |A, M) = 4.08 P(Ḡ |A, M) Ansatz (2) liefert (unter anderer Vorinformation) P(G |A, M) = 1.0 P(Ḡ |A, M) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 42 / 57 Beachte: Alle Aussagen für Wahrscheinlichkeiten gelten auch für bedingte Wahrscheinlichkeiten (bei fester Bedingung C mit P(C ) > 0). Daher z.B. P(A ∪ B|C ) = P(A|C ) + P(B|C ) − P(A ∩ B|C ) und eben auch: und P(G |A, M) P(Ḡ |A, M) P(G |A, M) P(Ḡ |A, M) Esther Herberich und Matthias Schmid = = P(G |M) P(A|G , M) · P(Ḡ |M) P(A|Ḡ , M) P(G |A) P(M|G , A) · P(Ḡ |A) P(M|Ḡ , A) () Stochastik und Statistik SS 2012 43 / 57 3.3 Stochastische Unabhängigkeit Frage: Wann sind 2 Ereignisse A, B unabhängig? → Illustration im Venn-Diagramm Motivation über bedingte Wahrscheinlichkeiten: Zwei Ereignisse A, B sind unabhängig, wenn P(A|B) = P(A) | {z } P(A∩B) P(B) bzw. P(B|A) = P(B) | {z } P(A∩B) P(A) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 44 / 57 Definition und Folgerungen Zwei Ereignisse A, B sind unabhängig, wenn P(A ∩ B) = P(A) · P(B) gilt. Beachte: Voraussetzung P(B) > 0 und P(A) > 0 hier nicht nötig. Folgerungen: Sind A und B unabhängig, dann sind auch Ā und B, A und B̄ und auch Ā und B̄ unabhängig. Beweis? Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 45 / 57 Beispiel: Zweimaliges Würfeln Ein fairer Würfel wird zweimal hintereinander geworfen. Sei A : “Beim 1. Würfelwurf eine Sechs” B : “Beim 2. Würfelwurf eine Sechs” Bei jeden Würfelwurf ist die Grundgesamtheit Ω = {1, 2, 3, 4, 5, 6}. Nach Laplace gilt P(A) = P(B) = 1/6. Bei “unabhängigem” Werfen gilt somit P(A ∩ B) = P(A) · P(B) = 1/36 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 46 / 57 Beispiel: Zweimaliges Würfeln mit Tricks Angenommen der Würfelwerfer ist besonders am Werfen von einem Pasch interessiert. Er kann den zweiten Wurf ein wenig steuern und würfelt mit W’keit 1/2 das gleiche wie beim ersten Wurf. Die anderen Ergebnisse seien dann gleichverteilt mit W’keit 0.1 . Dann ist zwar P(A) = 1/6 und auch P(B) = 1/6, aber P(A ∩ B) = 1/12 > 1/36 Die Ereignisse A und B sind also abhängig, da P(A ∩ B) 6= P(A) · P(B) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 47 / 57 Unabhängigkeit von mehr als zwei Ereignissen Allgemeiner lässt sich die Unabhängigkeit von mehr als zwei Ereignissen definieren: Die Ereignisse A1 , A2 , . . . , An sind (stochastisch) unabhängig, wenn für alle Teilmengen I ⊂ {1, 2, . . . , n} mit I = {i1 , i2 , . . . , ik } gilt: P(Ai1 ∩ Ai2 ∩ . . . ∩ Aik ) = P(Ai1 ) · P(Ai2 ) · . . . · P(Aik ) Bemerkung: Aus der paarweisen Unabhängigkeit folgt nicht die Unabhängigkeit von mehr als zwei Ereignissen. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 48 / 57 Beispiel zur paarweisen Unabhängigkeit Ω = {0, 1, 2, 3} Ai = {0} ∪ {i} Laplace-Wahrscheinlichkeitsraum mit i = 1, 2, 3 (etwa einmaliges Ziehen aus einer Urne). Dann gilt: P(Ai ) = 12 und P(Ai ∩ Aj ) = 14 = P(Ai ) · P(Aj ) für alle i 6= j. Aber: P(A1 ∩ A2 ∩ A3 ) = 14 und P(A1 ) · P(A2 ) · P(A3 ) = 1 8 A1 , A2 , A3 sind also nicht unabhängig. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 49 / 57 Bedingte Unabhängigkeit Sei C ein beliebiges Ereignis mit P(C ) > 0. Zwei Ereignisse A und B nennt man bedingt unabhängig gegeben C , wenn P(A ∩ B|C ) = P(A|C ) · P(B|C ) gilt. Man überzeugt sich leicht, dass weder aus unbedingter Unabhängigkeit bedingte Unabhängigkeit (bzgl. einem Ereignis C ), noch aus bedingter Unabhängigkeit bzgl. einem Ereignis C unbedingte Unabhängigkeit folgt. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 50 / 57 3.4 Das Hardy-Weinberg-Gesetz Population von diploiden Organismen; zwei Allele a und b Drei Genotypen aa, ab und bb, Wahrscheinlichkeitsverteilung paa , pab , pbb sei unabhängig vom Geschlecht Unter bestimmten weiteren Voraussetzungen (“zufällige” Paarung von Individuen, keine Selektion, keine Mutation etc.) gilt, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung der drei Genotypen über Generationen hinweg konstant bleibt. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 51 / 57 Das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht Sei x ∈ {aa, ab, bb} der Genotyp eines zufällig ausgewählten Individuums. Ist die Population im H-W-Gleichgewicht, so gilt: q 2 für x = aa 2q(1 − q) für x = ab px = (1 − q)2 für x = bb mit q ∈ [0, 1]. Der Parameter q ist die Häufigkeit des Allels a. Beachte: Im Allgemeinen beschreiben zwei Parameter eine diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung mit drei möglichen Ausprägungen, das H-W-Gleichgewicht wird jedoch nur von einem Parameter beschrieben. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 52 / 57 1.0 Das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht 0.0 0.2 0.4 P 0.6 0.8 aa ab bb 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 q Hardy-Weinberg-Gleichgewicht für die Genotypen aa, bb und ab. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 53 / 57 Beweisskizze Starte mit beliebigen Wahrscheinlichkeiten paa , pab und pbb (mit paa + pab + pbb = 1). Berechne die bedingten Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten eines bestimmten Genotyps eines Nachkommen in Abhängigkeit vom Genotyp der Eltern. Satz der totalen Wahrscheinlichkeit liefert H-W-Gleichgewicht mit q = paa + pab /2. Neustart im H-W-Gleichgewicht liefert wieder H-W-Gleichgewicht! Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 54 / 57 Anwendungsbeispiel Genotyp bb verursacht bestimmte Krankheit, aa und ab sind aber äußerlich nicht erkennbar. Aus Kenntnis der relativen Häufigkeit/Wahrscheinlichkeit pbb lassen sich (unter der Annahme, dass die Population im H-W-Gleichgewicht ist) die anderen Wahrscheinlichkeiten berechnen: pbb )2 √ √ = 2(1 − pbb ) pbb paa = (1 − pab √ Beispiel: pbb = 0.0001 ; paa = 0.9801 und pab = 0.0198 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 55 / 57 Das Hardy-Weinberg-Ungleichgewicht Allgemeinere Formulierung mit zwei Parametern: q 2 +d für x = aa 2q(1 − q)−2d für x = ab px = (1 − q)2 +d für x = bb mit Ungleichgewichtskoeffizienten d. Problem: Beschränkter Wertebereich für q und d Später: Statistische Schätzung von q und d Statistischer Test auf “Nullhypothese” H0 : d = 0 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 56 / 57 1.0 Das Hardy-Weinberg-Ungleichgewicht (d = 0.1) 0.0 0.2 0.4 P 0.6 0.8 aa ab bb 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 q Hardy-Weinberg-Ungleichgewicht mit d = 0.1 für die Genotypen aa, bb und ab. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 57 / 57 4.1 Diskrete Zufallsvariablen: Einleitung Ergebnisse von Zufallsvorgängen sind nicht notwendigerweise Zahlen Oft ist es aber hilfreich diese durch Zahlen zu repräsentieren, um mit ihnen rechnen zu können Beispiel: 4-maliger Wurf einer Münze Ω = {Wappen, Zahl} = {W , Z }4 |Ω| = 24 = 16 Esther Herberich und Matthias Schmid z. B. ω = {W , Z , Z , W } () Stochastik und Statistik SS 2012 1 / 52 Eine diskrete Zufallsvariable Angenommen man interessiert sich für X :=“Anzahl von Wappen” Dann nennt man X eine Zufallsvariable (ZV) mit reellen Ausprägungen bzw. Realisierungen x ∈ R. Man schreibt kurz X = x, wenn die Ausprägung x der ZV X eingetreten ist. X ist also eine Abbildung von Ω nach R. Die Menge der möglichen Ausprägungen {0,1,2,3,4} heißt Träger T der ZV X . Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 2 / 52 Vorteile von Zufallsvariablen 1 Man kann mit X “rechnen”: z. B. P(X ≤ a) oder P(X 2 > b) Oder: Welche Zahl erhalten wir “im Mittel”? 2 Ursprünglicher Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, P) wird letztendlich nicht mehr benötigt. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 3 / 52 Definition Eine ZV X heißt diskret, falls sie nur endliche oder abzählbar unendlich viele Werte x1 , x2 , . . . annehmen kann. Die Menge T = {x1 , x2 , . . .} der möglichen Ausprägungen (d.h. alle xi mit P{xi } > 0) von X heißt Träger der ZV X . Die Wahrscheinlichkeitsfunktion von X ist durch f (xi ) = P(X = xi ) = P ({ω ∈ Ω : X (ω) = xi }) für xi ∈ R gegeben. Die Wahrscheinlichkeitsfunktion f (xi ) heißt auch Wahrscheinlichkeitsdichte. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 4 / 52 Folgerungen 1 Für x 6∈ T ist f (x) = P{∅} = 0. 2 Als Funktion von B ∈ R ist also P(X ∈ B) = P{ω ∈ Ω : X (ω) ∈ B} eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auf R. Man nennt diese die Verteilung der Zufallsvariable X . Diese wird durch die Abbildung X und die Wahrscheinlichkeitsverteilung P induziert. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 5 / 52 Die Verteilungsfunktion Die Verteilungsfunktion einer diskreten ZV ist definiert als F (x) = P(X ≤ x) = X f (xi ) i:xi ≤x Kennt man also die Wahrscheinlichkeitsfunktion f (x) für alle x ∈ T , so kennt man auch die Verteilungsfunktion F (x) (dies gilt auch umgekehrt). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 6 / 52 Eigenschaften der Verteilungsfunktion F (x) ist monoton wachsend (“Treppenfunktion”) F (x) ist stückweise konstant mit Sprungstellen an Werten xi mit f (xi ) > 0, d.h. an allen Realisierungen xi ∈ T lim F (x) = 1 x→∞ lim F (x) = 0 x→−∞ Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 7 / 52 Beispiel: 4-maliger Wurf einer Münze X :=“Anzahl Kopf”, T = {0, 1, 2, 3, 4} f (0) f (1) f (2) f (3) f (4) = = = = = 1/16 4/16 6/16 4/16 1/16 ⇒ 0 1/16 5/16 F (x) = 11/16 15/16 1 : : : : : : x 0≤x 1≤x 2≤x 3≤x x <0 <1 <2 <3 <4 ≥4 Beachte: f (x) = 0 für alle x ∈ /T Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 8 / 52 1.0 1.0 Wahrscheinlichkeits- und Verteilungsfunktion ● 0.8 0.8 ● 0.6 0.4 0.4 f(x) F(x) 0.6 ● ● ● ● ● 0.0 ● 0.0 ● 0.2 0.2 ● 0 1 2 3 4 −1 x 0 1 2 3 4 5 x Wahrscheinlichkeitsfunktion (links) und Verteilungsfunktion (rechts) für den viermaligen Münzwurf Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 9 / 52 Spezielle Verteilungen Man unterscheidet nun bestimmte “gängige” Verteilungen, die häufig von weiteren Parametern abhängen. Das einfachste Beispiel ist die Bernoulli-Verteilung. Eine Bernoulli-verteilte ZV kann nur die Werte 0 und 1 annehmen: P(X = 1) = f (1) P(X = 0) = f (0) = = π 1−π π ∈ [0, 1] ist der Parameter der Bernoulli-Verteilung. Man schreibt kurz: X ∼ B(π). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 10 / 52 Die diskrete Gleichverteilung Die allgemeine diskrete Gleichverteilung hat einen endlichen Träger T = {x1 , x2 , . . . , xk }, wobei 1 P(X = xi ) = f (xi ) = k mit i = 1, . . . , k gilt. Häufig sind alle natürlichen Zahlen zwischen a ∈ N und b ∈ N Element des Trägers T . Die Grenzen a und b sind dann die Parameter der diskreten Gleichverteilung. Beispiel: Augenzahl beim fairen Würfelwurf Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 11 / 52 Die geometrische Verteilung Ein Zufallsvorgang, bei dem mit Wahrscheinlichkeit π ein Ereignis A eintritt, wird unabhängig voneinander so oft wiederholt, bis zum ersten Mal A eintritt. Sei X die ZV “Anzahl der Versuche bis zum ersten Mal A eintritt”. Dann ist T = N und die Wahrscheinlichkeitsfunktion von X lautet: f (x) = (1 − π)x−1 · π x = 1, 2, 3, . . . π ∈ (0, 1) ist der Parameter der geometrischen Verteilung. Man schreibt kurz: X ∼ G(π). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 12 / 52 Eine Variante der geometrischen Verteilung Sei Y := “Anzahl der Versuche bevor das erste mal A eintritt”, d.h. Y = X − 1. Dann ist T = {0, 1, 2, . . .} f (y ) = (1 − π)y · π Für diese Form gibt es folgende Funktionen in R: dgeom() berechnet Wahrscheinlichkeitsfunktion pgeom() berechnet Verteilungsfunktion rgeom() berechnet Zufallszahlen aus der geom. Verteilung Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 13 / 52 1.0 1.0 Wahrscheinlichkeits- und Verteilungsfunktion π = 0.5 π = 0.3 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.8 0.8 ● ● ● F(x) f(x) 0.6 0.6 ● ● ● 0.4 0.4 ● ● ● 0.0 0 2 0.2 ● ● ● ● ● ● ● ● ● 4 ● ● 6 ● ● ●● 8 ●● ●● ● 0.0 0.2 ● ● 10 0 2 4 6 8 π = 0.5 π = 0.3 10 x x Vergleich der geometrischen Wahrscheinlichkeitsfunktionen (links) und Verteilungsfunktionen (rechts) für die beiden Parameter π = 0.3 und π = 0.5 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 14 / 52 Quantile Sei X eine diskrete ZV mit Verteilungsfunktion F (x), x ∈ R. Sei p ∈ [0, 1]. Jeder Wert x, für den P(X ≤ x) ≥ p und P(X ≥ x) ≥ 1 − p gilt, heisst p-Quantil xp der Verteilung von X . Problem: Definition nicht immer eindeutig. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 15 / 52 Quantile II Um Eindeutigkeit zu erreichen, definiert man: Das p-Quantil xp der Verteilung von X ist definiert als der kleinste Wert x für den F (x) ≥ p gilt. Somit gilt P(X ≤ x) = F (xp ) ≥ p und daher “xp = F −1 (p)” (“Inversion der Verteilungsfunktion”). Speziell nennt man das 0.5-Quantil den Median xmed der Verteilung. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 16 / 52 Interpretation vom Median und von Quantilen Beim Median xmed gilt: P(X ≤ xmed ) ≥ 0.5 P(X ≥ xmed ) ≥ 0.5 Allgemeiner gilt für das p-Quantil xp : P(X ≤ xp ) ≥ p P(X ≥ xp ) ≥ 1 − p Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 17 / 52 Numerische Bestimmung von Quantilen Bei Kenntnis der Verteilungsfunktion F (x) und endlichem Träger T : 1 Berechne F (x) für alle x ∈ T . 2 Dann gilt für das p-Quantil xp : xp = min{x : F (x) ≥ p} 3 in R: verwende Funktion which Nicht so einfach, siehe Dokumentation ?quantile. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 18 / 52 Beispiel: geometrische Verteilung Funktion qgeom() berechnet Quantilfunktion der geometrischen Verteilung. 0.95-Quantil x0.95 : In 95% aller Fälle muss man maximal x0.95 Versuche unternehmen, bevor zum ersten mal A eintritt. π 0.01 0.1 0.5 0.9 0.99 Esther Herberich und Matthias Schmid x0.95 298 28 4 1 0 xmed 68 6 0 0 0 () Stochastik und Statistik SS 2012 19 / 52 4.2 Unabhängigkeit von diskreten Zufallsvariablen Betrachte zwei ZV X und Y auf dem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, P) mit Träger TX = {x1 , x2 , . . .} und TY = {y1 , y2 , . . .} und Wahrscheinlichkeitsfunktionen fX (x) und fY (y ). Die Funktion fX ,Y (x, y ) = P(X = x und Y = y ) = P(X = x, Y = y ) heißt gemeinsame Wahrscheinlichkeitsfunktion der zwei Zufallsvariablen X und Y . Unter Unabhängigkeit kann man diese zurückführen auf die beiden Wahrscheinlichkeitsfunktionen fX (x) und fY (y ). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 20 / 52 Definition X und Y heißen unabhängig, wenn P(X = x, Y = y ) = P(X = x) · P(Y = y ) d.h. fX ,Y (x, y ) = fX (x) · fY (y ) für alle x ∈ TX und y ∈ TY gilt. X1 , X2 , . . . , Xn heißen unabhängig, falls P(X1 = x1 , . . . , Xn = xn ) = n Y P(Xi = xi ) = i=1 n Y fXi (xi ) i=1 für alle x1 , x2 , . . . , xn aus den entsprechenden Trägern gilt. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 21 / 52 Beispiel: Bernoulli-Kette Sind X1 , X2 , . . . , Xn Bernoulli-verteilt mit Parameter π und unabhängig, so heißt X = (X1 , X2 , . . . , Xn ) Bernoulli-Folge. Beispiel: n = 3, π = 61 ; wegen der Unabhängigkeit gilt z. B. 2 5 1 25 P(X1 = 1, X2 = 0, X3 = 0) = · = 6 6 216 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 22 / 52 Die Binomialverteilung Bei einer Pn Bernoulli-Folge interessiert man sich häufig nur für die Anzahl X := i=1 Xi , wie oft Xi = 1 aufgetreten ist. Diese ZV X heißt binomialverteilt mit Parametern n ∈ N, π ∈ [0, 1] und hat den Träger T = {0, 1, . . . , n} sowie die Wahrscheinlichkeitsfunktion: n P(X = x) = f (x) = · π x (1 − π)n−x für x ∈ T x Man schreibt kurz X ∼ B(n, π) und es gilt B(1, π) = B(π). Funktionen in R: dbinom(), pbinom(), qbinom(), rbinom() Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 23 / 52 Wahrscheinlichkeits- und Verteilungsfunktion π = 0.5 π = 0.3 ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● 4 6 8 10 10 20 30 ● ● ● ● 1.0 n = 100 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.2 ● 0.0 ● ● ● 0 ● ● ● 2 4 6 8 π = 0.5 π = 0.3 10 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●●●●●● ●● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● 10 x Esther Herberich und Matthias Schmid ● ● 0.0 0.2 ● ● 70 ● ● 0.4 ● 60 ● ●●●●●●● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● ●● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● F(x) F(x) 0.4 50 n = 10 ● ● 40 x ● 0.8 ●● x ● 0.6 ● ● ● ● ●● ●● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ●● ● ●● ●●●●●● ●●● ●●●●●●●●●●●●●●●●●● ●●●●●●●● ●● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●● ●●●●●●●●● 0.8 2 1.0 0 ● π = 0.5 π = 0.3 0.6 ● ● ● ● 0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 n = 100 f(x) 0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 f(x) n = 10 20 30 40 ● ● 50 60 π = 0.5 π = 0.3 70 x () Stochastik und Statistik SS 2012 Vergleich der binomialen Wahrscheinlichkeitsfunktionen (oben) und 24 / 52 Beispiele Anzahl der 6-er bei n-maligem Würfeln: Berechne Modus (wahrscheinlichster Wert) und Median in Abhängigkeit von n. Das Urnenmodell: Zufälliges Ziehen mit Zurücklegen einer Stichprobe von n Kugeln aus einer Urne mit N Kugeln, darunter M markierte. Sei X : “Anzahl der markierten Kugeln in der Stichprobe”. Dann: X ∼ B(n, M/N). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 25 / 52 Die hypergeometrische Verteilung Häufig wird jedoch im Urnenmodell ohne Zurücklegen gezogen, d. h. die “Auswahlwahrscheinlichkeiten” ändern sich von Ziehung zu Ziehung (Beispiel: Meinungsforschung). Die Verteilung von X (Anzahl der markierten Kugeln) nennt man dann hypergeometrisch. Sie hat den Träger T = {max(0, n − (N − M)), . . . , min(n, M)} und die Wahrscheinlichkeitsfunktion M N−M f (x) = x n−x N n für x ∈ T . Man schreibt kurz: X ∼ H(n, N, M) Funktionen in R: {dpqr}hyper() Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 26 / 52 Ziehen mit und ohne Zurücklegen Binomial Hypergeometrisch 0.4 0.4 Binomial Hypergeometrisch 0.3 0.3 ● ● f(x) ● ● ● ● 2 4 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.0 0.0 ● ● ● ● ● ● 0.1 ● ● 0 ● ● 0.2 0.2 f(x) ● ● ● ● 6 8 ● ● ● ● ● ● 0 2 4 6 8 ● ● ● ● n = 30, M = 20, N = 100 n = 40, M = 20, N = 100 0.5 x ● ● ● ● 12 0.3 0.4 Binomial Hypergeometrisch 0.0 ● ● ●● ● ● ●● ●● 0 ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ●● ●● ●● ● ● 5 ●● 0.1 0.1 ●● ● ● 10 15 0.0 0.2 ● ● ● ● 0.2 f(x) f(x) 0.3 0.4 Binomial Hypergeometrisch ● ● 10 x 0.5 0.1 n = 20, M = 20, N = 100 0.5 0.5 n = 10, M = 20, N = 100 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ●● ● 0 x Esther Herberich und Matthias Schmid ● ● ● ● ● ● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● 5 10 15 20 x () Stochastik und Statistik SS 2012 Vergleich der hypergeometrischen und binomialen 27 / 52 Ziehen mit und ohne Zurücklegen II Binomial Hypergeometrisch Binomial Hypergeometrisch 0.4 ● ● 0.3 ● ● ● ● f(x) ● f(x) 0.3 0.4 ● 0.2 ● 0.1 0.1 0.2 ● ● 2 3 ● ● ● ● 4 5 ● ● ● ● 0 2 4 n = 20, M = 5, N = 25 0.5 n = 15, M = 5, N = 25 8 0.4 0.3 f(x) ● ● ● 0.2 0.2 ● ● ● ● ● 0.1 ● ● ● ● ● 2 ● ● ● ● 4 6 ● ● 8 ● ● ● ● 10 ● ● ● ● ● 0 x Esther Herberich und Matthias Schmid ● ● ● ● 0.0 0.1 ● 0 ● ● Binomial Hypergeometrisch ● 0.3 f(x) ● ● ● 6 x ● ● ● ● ● x Binomial Hypergeometrisch 0.4 ● 0.0 0.0 1 0.5 0 ● ● ● ● 0.0 n = 10, M = 5, N = 25 0.5 0.5 n = 5, M = 5, N = 25 ● 2 4 ● 6 ● ● 8 ● ● ● ● ● ● 10 ● ● ● ● 12 x () Stochastik und Statistik SS 2012 Vergleich der hypergeometrischen und binomialen 28 / 52 Approximation der hypergeometrischen Verteilung Für N “groß” und n “klein” läßt sich die hypergeometrische Verteilung gut durch die Binomialverteilung approximieren: H(n, M, N) Esther Herberich und Matthias Schmid ≈ M B n, π = N () Stochastik und Statistik SS 2012 29 / 52 Beispiel: Capture-Recapture-Experiment Frage: Wie viele Fische schwimmen in einem See? Idee : Fange M Fische, markiere diese und wirf sie dann wieder (lebendig) in den See zurück. Später werden n Fische gefangen. Die ZV X :=“Anzahl der markierten Fische”ist idealerweise hypergeometrisch verteilt mit Parametern N, M und n: X ∼ H(n, N, M) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 30 / 52 Beispiel: Capture-Recapture-Experiment II Statistisches Problem: Wie groß ist N? Naiver Ansatz zur Konstruktion eines Schätzers N̂ von N: N M ≈ n x ⇒ N̂ ≈ n ·M x Probleme: Im Allgemeinen N̂ ∈ /N Keine Angaben über die Genauigkeit der Schätzung Später mehr dazu. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 31 / 52 4.3 Die Poisson-Verteilung Siméon Poisson [1781-1840] Häufig gibt es zufällige Vorgänge, bei denen es keine natürliche obere Grenze für die Anzahl an Ereignissen gibt, z.B.: Die Anzahl an Telefonanrufen in einem “Call-Center” pro Stunde Die Anzahl der Tore in einem Bundesligaspiel Anzahl von Todesfällen durch Hufschlag in der Preußischen Armee (L. von Bortkiewicz, 1893) Die einfachste Verteilung für solche Phänomene ist die Poisson-Verteilung. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 32 / 52 Die Poisson-Verteilung II Eine Zufallsvariable X folgt einer Poisson-Verteilung, wenn sie Träger T = N0 und Wahrscheinlichkeitsfunktion λx · exp(−λ) f (x) = x! hat. Der Parameter λ ∈ R+ ist die durchschnittliche Rate oder die Intensität, mit der die Ereignisse in dem zugrundeliegenden Zeitintervall eintreffen. Man schreibt kurz: X ∼ P(λ) Funktionen in R: {dpqr}pois Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 33 / 52 λ=3 λ=1 ● ● ● 0.3 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.6 ● 0.4 ● ● 0.1 ● ● ● ● ● 4 ● 6 ● ● ● 8 ●● ●● 0.0 0.0 2 ● ● ● 0 ● ● 0.2 ● ● ● F(x) ● 0.2 f(x) ● 0.8 ● 1.0 0.4 Wahrscheinlichkeits- und Verteilungsfunktion 10 ● 0 ● 2 4 6 8 λ=3 λ=1 10 x x Vergleich der Wahrscheinlichkeitsfunktionen (links) und Verteilungsfunktionen (rechts) für eine poissonverteilte Zufallsvariable mit dem Parameter λ = 1 bzw. λ = 3 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 34 / 52 Approximation der Binomialverteilung Die Binomialverteilung B(n, π) kann für “großes n” und “kleines π” gut durch die Poisson-Verteilung mit λ = n · π approximiert werden. B(n, π) ≈ P(λ = n · π) Je größer n ist und je kleiner π, desto besser ist die Approximation. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 35 / 52 Vergleich von Binomial- und Poissonverteilung 0.4 π = 0.5 0.4 π = 0.8 Poisson Binomial 0.3 0.3 Poisson Binomial ● ● ● ● ● ● ● ● 2 0.0 ● 4 ● ● ● 6 8 10 ●● ● 2 4 6 x π = 0.3 π = 0.1 8 10 Poisson Binomial ● ● 0.3 0.3 ● ● ● ● ● 0 Poisson Binomial ● ● x 0.4 0 ● ● ● ● 0.4 0.0 ●● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● 0.1 0.1 ● ● ● ● ● 0.2 f(x) 0.2 f(x) ● ● 0.2 ● f(x) 0.2 f(x) ● ● ● ● ● ● ● 0.1 ●● ● ● ● 0.0 0 ●● ● ● ● 2 4 6 ●● 8 ●● ●● 10 ●● 0.0 0.1 ● 0 1 x Esther Herberich und Matthias Schmid 2 3 4 ●● ●● ●● 5 6 7 x () Stochastik und Statistik SS 2012 36 / 52 Vergleich von Binomial- und Poissonverteilung π = 0.8 π = 0.5 ● 70 80 90 0.12 50 60 x π = 0.3 π = 0.1 30 40 50 70 0.12 ● ● ● ● ● ● ● 0.08 80 Poisson Binomial ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.04 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0 x Esther Herberich und Matthias Schmid 40 x ●●● ● ● ● ●●●● ● ● ● ● ● ●● ● ●● ●● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ●● ●● ● ● ● ● ●● ●●●●●●●●●●● ● ● ● ●● ●●●●●●●●● ●●●●● ●●●●●● 20 ● ●● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ●●● ● ● ● ● ●●● ● ●● ●● ● ●●● ● ● ●●●●● ● ● ● ●● ●●●●●●●●●●●●● ●●●●●● ●●●●● 30 Poisson Binomial 10 ●●● ● ● ● ● 100 0.00 60 0.00 ●●●●●●● ●● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ●● ● ● ● ●● ● ● ●● ● ●● ● ●●● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ●● ●●●●●●●●● ●●●●●●●●● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● 0.12 0.08 0.00 0.04 f(x) 0.04 ● f(x) 0.00 0.04 ● 50 Poisson Binomial 0.08 f(x) ●● ● ● ● ● ● 0.08 f(x) 0.12 Poisson Binomial 5 10 15 20 25 x () Stochastik und Statistik SS 2012 37 / 52 4.4 Faltungen Sind X und Y unabhängige ZV mit Wahrscheinlichkeitsfunktionen fX (x) und fY (y ), so gilt für die Summe Z = X + Y : X P(X + Y = z) = P(X = x, x + Y = z) x = X P(X = x, Y = z − x) x unabh. X = P(X = x) · P(Y = z − x) x = X fX (x) · fY (z − x) x Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 38 / 52 Faltungen II Man nennt die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Z = X + Y X P(X + Y = z) = fX (x) · fY (z − x) x = X fX (z − y ) · fY (y ) y die Faltung von X und Y . Beispiel: Ist X ∼ P(λ1 ) und Y ∼ P(λ2 ) unabhängig, so ist die Faltung von X und Y wieder Poisson-verteilt mit Parameter λ1 + λ2 : X + Y ∼ P(λ1 + λ2 ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 39 / 52 Faltung von zwei geometrischen ZV Seien X ∼ G(π) und Y ∼ G(π) unabhängig. Berechne Träger und Wahrscheinlichkeitsfunktion der Summe Z = X + Y . Wie kann man Z interpretieren? Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 40 / 52 Die negative Binomialverteilung Betrachte die Summe von n unabhängigen geometrischen ZV X1 , . . . , Xn : X = X1 + . . . + Xn . Dann hat X eine negative Binomialverteilung mit Parameter n ∈ N und π ∈ (0, 1) und Wahrscheinlichkeitsfunktion x −1 n f (x) = π (1 − π)x−n für x = n, n + 1, . . . n−1 Funktionen in R: dnbinom(...), pnbinom(...), qnbinom(...), rnbinom(...) Beachte: Unterschiedliche Definition in R! Träger immer gleich N0 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 41 / 52 4.4 Die Verteilung von Zufallsvektoren Betrachte zwei diskrete ZV X und Y definiert auf dem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, P). Wie kann man Information über ihr gemeinsames stochastisches Verhalten quantifizieren? Idee: Betrachte Zufallsvektor (X , Y ) als Abbildung von Ω nach R2 . Die gemeinsame Verteilung von X und Y enthält i. A. mehr Information als in den Randverteilungen von X und Y steckt! Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 42 / 52 Gemeinsame Verteilungs- und Wahrscheinlichkeitsfunktion Seien X , Y zwei diskrete ZV auf (Ω, P). Die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsfunktion von X und Y lautet fX ,Y (x, y ) = P(X = x, Y = y ) Die gemeinsame Verteilungsfunktion von X und Y lautet FX ,Y (x, y ) = P(X ≤ x, Y ≤ y ) Beide sind also Funktion von R2 nach [0, 1]. Meist wird nur fX ,Y (x, y ) angegeben. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 43 / 52 Beispiel Ein Lehrer bittet seine Schüler, eine (faire) Münze zweimal zu werfen, und das Ergebnis (“Kopf” = 0, “Zahl” = 1) für jeden Wurf zu notieren. Sei X das Ergebnis des ersten Wurfes und Y das Ergebnis des zweiten Wurfes. Ein gewissenhafter Schüler folgt genau den Anweisungen des Lehrers und notiert das Ergebnis XG und YG . Ein fauler Schüler wirft nur eine Münze und notiert das erzielte Ergebnis zweimal: XF und YF . Berechne die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsfunktion von (XG , YG ) und von (XF , YF ). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 44 / 52 Randverteilungen Gemeinsame Wahrscheinlichkeitsfunktion bzw. Verteilungsfunktion charakterisieren die gemeinsame Verteilung von (X , Y ) vollständig. Insbesondere kann man die Wahrscheinlichkeitsfunktion der Randverteilung von X bzw. Y durch Summation berechnen: X fX (x) = fX ,Y (x, y ) y fY (y ) = X fX ,Y (x, y ) x Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 45 / 52 Bedingte Verteilungen Die bedingte Verteilungsfunktion und bedingte Wahrscheinlichkeitsfunktion von X , gegeben Y = y , sind definiert für alle y mit P(Y = y ) > 0: P(X ≤ x, Y = y ) FX |Y (x|y ) = P(X ≤ x|Y = y ) = P(Y = y ) P(X = x, Y = y ) fX |Y (x|y ) = P(X = x|Y = y ) = P(Y = y ) fX ,Y (x, y ) = fY (y ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 46 / 52 Folgerungen Es gilt immer: fX ,Y (x, y ) = fX |Y (x|y ) · fY (y ) = fY |X (y |x) · fX (x) Es folgt: X und Y sind genau dann unabhängig wenn fX |Y (x|y ) = fX (x) oder fY |X (y |x) = fY (y ) für alle x und y gilt. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 47 / 52 Beispiel fX ,Y (x, y ) y = −1 y = 0 y = 2 1 3 2 x =1 18 18 18 x =2 x =3 2 18 0 0 4 18 3 18 3 18 Man berechne die Randverteilungen fX (x) und fY (y ), die bedingten Verteilungen fX |Y (x|y ) und fY |X (y |x) und untersuche X und Y auf Unabhängigkeit. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 48 / 52 Beispiel II Betrachte zwei unabhängige ZV X und Y , die beide Poisson-verteilt sind mit Parameter λ bzw. µ. Definiere Z = X + Y . Man zeige: Die bedingte Verteilung von X |Z = z ist binomial mit Parametern n = z und π = λ/(λ + µ): X |Z = z ∼ B(z, π = λ/(λ + µ)) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 49 / 52 Allgemeine Zufallsvektoren Allgemeiner kann man natürlich auch einen Zufallsvektor X = (X1 , . . . , Xn ) der Dimension n betrachten. Dieser hat dann die Wahrscheinlichkeitsfunktion fX (x) = fX1 ,...,Xn (x1 , . . . , xn ) und die Randverteilungen fXi (xi ) = X fX1 ,...,Xn (x1 , . . . , xn ) xj :j6=i Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 50 / 52 Die Trinomialverteilung Ein Experiment, bei dem ein von drei möglichen Ereignissen mit Wahrscheinlichkeit π1 , π2 und π3 (π1 + π2 + π3 = 1) auftritt, wird unabhängig voneinander n-mal wiederholt. Sei X ein drei-dimensionaler Zufallsvektor, dessen i-te Komponente angibt, wie oft das i-te Ereignis eingetreten ist. Beispiel: In einer Population mit Häufigkeiten π1 , π2 und π3 der Genotypen aa, ab und bb wird eine Stichprobe vom Umfang n gezogen. Die Anzahlen X1 , X2 und X3 der drei Genotypen ist dann trinomialverteilt. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 51 / 52 Die Trinomialverteilung II Ein drei-dimensionaler diskreter Zufallsvektor X heißt trinomialverteilt, falls er Träger T = {x = (x1 , x2 , x3 ) : xi ∈ {0, 1, . . . , n} und x1 + x2 + x3 = n} und Wahrscheinlichkeitsfunktion n! π1x1 π2x2 π3x3 fX (x) = fX1 ,X2 ,X3 (x1 , x2 , x3 ) = x1 !x2 !x3 ! besitzt. Man schreibt kurz: X ∼ M3 (n, π = (π1 , π2 , π3 )) Hierbei steht M3 für Multinomialverteilung der Dimension 3. Man kann zeigen, dass für die Randverteilungen gilt: Xi ∼ B(n, πi ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 52 / 52 5. Erwartungswerte, Varianzen und Kovarianzen Zur Charakterisierung von Verteilungen unterscheidet man Lagemaße I I I Erwartungswert (“mittlerer Wert”) Modus Median und Streuungsmaße I I Varianz und Standardabweichung mittlere absolute Abweichung Am einfachsten mathematisch zu handhaben sind Erwartungswerte und Varianzen, da diese immer eindeutig und meist leicht zu berechnen sind. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 1 / 21 5.1 Der Erwartungswert einer diskreten ZV Der Erwartungswert E(X ) = EX einer diskreten ZV X mit Träger T ist definiert als X X x · P(X = x) = x · f (x) E(X ) = x∈T x∈T wenn diese Summe absolut konvergent ist. Beachte: Man könnte die Summe auch über alle x ∈ R laufen lassen. Beispiele für Erwartungswerte: Bernoulli-Verteilung: Für X ∼ B(π) ist E(X ) = π. Poisson-Verteilung: Für X ∼ P(λ) ist E(X ) = λ. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 2 / 21 Eigenschaften des Erwartungswertes 1 2 Sei X = a mit Wahrscheinlichkeit 1 (deterministische ZV). Dann gilt: EX = a Seien a, b ∈ R und X , Y beliebige ZV. Dann gilt: E(a · X + b · Y ) = a · EX + b · EY “Linearität des Erwartungswertes” 3 Für beliebige a, b ∈ R gilt daher E(aX + b) = a · E(X ) + b Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 3 / 21 Folgerungen Allgemeiner gilt dann natürlich auch für beliebige a1 , . . . , an ∈ R und beliebige ZV X1 , . . . , Xn : ! n n X X E ai Xi = ai · E(Xi ) i=1 i=1 Daher gilt für X ∼ B(n, π): E(X ) = nπ Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 4 / 21 Erwartungswert von ZVn mit Träger N Hat X den Träger T = N, so gilt: E(X ) = ∞ X P(X ≥ k) k=1 Anwendung: Erwartungswert der geometrischen Verteilung: Ist X ∼ G (π) so gilt: 1 E(X ) = π Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 5 / 21 Transformationsregel für Erwartungswerte Sei X diskrete ZV und g (x) eine reelle Funktion. Dann gilt für Y = g (X ): X E(Y ) = E(g (X )) = g (x) f (x) x∈T Beachte: Im Allgemeinen gilt nicht: Esther Herberich und Matthias Schmid E(g (X )) = g (E(X )) ! () Stochastik und Statistik SS 2012 6 / 21 Beispiel Sei X eine ZV mit folgender Wahrscheinlichkeitsfunktion 1/4 für x = −2 1/8 für x = −1 f (x) = 1/4 für x = 1 3/8 für x = 3 Berechne den Erwartungswert von E(X 2 ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 7 / 21 Transformationsregel für Erwartungswerte II Transformationsregel gilt auch für Zufallsvektoren (X , Y ): Seien X und Y zwei ZV mit gemeinsamer Wahrscheinlichkeitsfunktion fXY (x, y ). Sei g (x, y ) eine reellwertige Funktion. Dann gilt für Z = g (X , Y ) XX E(Z ) = E(g (X , Y )) = g (x, y ) fX ,Y (x, y ). x y Speziell gilt daher: E(X · Y ) = XX x Esther Herberich und Matthias Schmid x · y · fX ,Y (x, y ) y () Stochastik und Statistik SS 2012 8 / 21 5.2 Varianzen und Standardabweichungen Die Varianz Var(X ) (auch V(X )) einer diskreten ZV ist definiert als: Var(X ) = E[(X − EX )2 ] “Erwartete quadratische Abweichung vom Erwartungswert” Zur einfacheren Berechnung kann man häufig den Verschiebungssatz verwenden: Var(X ) = E(X 2 ) − [E(X )]2 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 9 / 21 Eigenschaften von Varianzen 1 Var(aX + b) = a2 · Var(X ) 2 Sind X und Y unabhängig, so gilt: für alle a, b ∈ R Var(X + Y ) = Var(X ) + Var(Y ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 10 / 21 Die Standardabweichung Die Standardabweichung einer diskreten ZV X ist definiert als die Wurzel aus der Varianz: p σ = σ(X ) = + Var(X ) Im Gegensatz zur Varianz gilt für die Standardabweichung: σ(aX + b) = |a| · σ(X ) Bemerkung: Die mittlere absolute Abweichung E(|X − EX |) erscheint als Streuungsmaß intuitiver, ist aber deutlich schwerer mathematisch zu handhaben. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 11 / 21 Beispiel: Binomialverteilung Ist X ∼ B(n, π), so gilt für die Varianz: 0.15 0.10 0.00 0.05 π(1 − π) 0.20 0.25 Var(X ) = n · π · (1 − π) 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 π Varianz der Bernoulliverteilung als Funktion von π Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 12 / 21 Ungleichung von Tschebyscheff Als Maß für die Streuung einer Verteilung ist die Varianz bzw. Standardabweichung einer ZV X schwer direkt zu interpretieren. Es gilt aber zumindest folgende Ungleichung: Var(X ) P(|X − E(X )| ≥ c) ≤ c2 Beispiel: Sei E(X ) beliebig und Var(X ) = 1. Dann ist P(|X − E(X )| ≥ 1) ≤ 1 P(|X − E(X )| ≥ 2) ≤ P(|X − E(X )| ≥ 3) ≤ Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik 1 4 1 9 SS 2012 13 / 21 5.3 Kovarianzen und Korrelationen Als Maße für die lineare stochastische Abhängigkeit von zwei ZVn X und Y definiert man die Kovarianz Cov(X , Y ) = E[(X − EX )(Y − EY )] und die Korrelation Cov(X , Y ) p ρ = ρ(X , Y ) = p Var(X ) · Var(Y ) unter der Voraussetzung, dass Var(X ) > 0 und Var(Y ) > 0 gilt. Beachte: Cov(X , X ) = Var(X ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 14 / 21 Der Verschiebungssatz für die Kovarianz Es gilt zudem: Cov(X , Y ) = E(XY ) − EX · EY Beachte: E(XY ) kann mit Transformationssatz für Erwartungswerte leicht über die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsfunktion fXY (x, y ) von X und Y berechnet werden. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 15 / 21 Beispiel “revisited” fX ,Y (x, y ) y = −1 y = 0 y = 2 fX (x) 1 3 2 6 x =1 18 18 18 18 2 18 x =2 x =3 0 3 18 fY (y ) 0 4 18 7 18 3 18 3 18 8 18 5 18 7 18 Es ergibt sich: E(XY ) = EX = EY = 29 18 37 18 13 18 Esther Herberich und Matthias Schmid Cov(X , Y ) = ρ = () Stochastik und Statistik 29 18 − 37 18 √ 41 107413 · 13 18 = 41 324 = 0.125 SS 2012 16 / 21 Unkorreliertheit X und Y heißen unkorreliert, wenn Cov(X , Y ) = 0 d.h. wenn gilt. Beachte: bzw. ρ(X , Y ) = 0 E(X · Y ) = EX · EY Aus Unabhängigkeit folgt Unkorreliertheit aber der Umkehrschluss gilt im Allgemeinen nicht! Man sagt: X und Y sind positiv/negativ korreliert falls ρ(X , Y ) > 0 Esther Herberich und Matthias Schmid bzw. ρ(X , Y ) < 0 () Stochastik und Statistik SS 2012 17 / 21 Beispiel Seien X ∼ B(π = 12 ) und Y ∼ B(π = 12 ) unabhängig. Betrachte 1 0 mit Wkeit 4 Z1 = X + Y = 1 mit Wkeit 12 2 mit Wkeit 14 −1 mit Wkeit Z2 = X − Y = 0 mit Wkeit 1 mit Wkeit 1 4 1 2 1 4 Dann sind Z1 und Z2 zwar unkorreliert aber nicht unabhängig! Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 18 / 21 Eigenschaften von Korrelationen Für alle ZVn X und Y gilt: −1 ≤ ρ(X , Y ) ≤ 1 |ρ(X , Y )| = 1 gilt genau dann, wenn perfekte lineare Abhängigkeit zwischen X und Y besteht: Y =a+b·X Esther Herberich und Matthias Schmid für bestimmte a, b ∈ R mit b 6= 0 () Stochastik und Statistik SS 2012 19 / 21 Lineare Transformationen Seien a, b, c, d ∈ R mit b · d > 0 und X , Y beliebige ZVn. Dann gilt: Cov(a + bX , c + dY ) = b · d · Cov(X , Y ) Daher gilt: ρ(a + bX , c + dY ) = ρ(X , Y ) d.h. die Korrelation ist invariant bzgl. linearer Transformationen Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 20 / 21 Die Varianz der Summe von zwei ZVn Seien X und Y beliebige ZVn. Dann gilt für X + Y : Var(X + Y ) = Var(X ) + Var(Y ) + 2 · Cov(X , Y ) Daher gilt speziell für unabhängige X und Y : Var(X + Y ) = Var(X ) + Var(Y ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 21 / 21 6. Elemente Statistischer Inferenz Ziel der Statistik ist es, unter bestimmten Annahmen Aussagen über unbekannte Parameter θ ∈ Θ zu machen, nachdem Beobachtungen X gemacht wurden. Dabei unterscheidet man Punktschätzungen: Was ist der “beste” Schätzwert θ̂ für den unbekannten Parameter θ? Intervallschätzungen: Angabe eines Vertrauensintervalls Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 1 / 51 Vertrauensintervalle Zwei Arten: Konfidenzintervalle überdecken mit einer gewissen Sicherheit den unbekannten Parameter θ (bei hypothetischer Wiederholung des Zufallsexperiments). Beachte: θ fest, X zufällig → frequentistischer Wahrscheinlichkeitsbegriff In einem Kredibilitätsintervall liegt der unbekannte Parameter mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Beachte: θ zufällig, X fest → subjektivistischer Wahrscheinlichkeitsbegriff Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 2 / 51 Beispiele 1 Sei X ∼ B(n, π). Man beobachtet X = 7 bei n = 10 Versuchen. I I 2 Was ist der “beste” Schätzer π̂ für den unbekannten Parameter θ = π? Wie lautet ein 95%-Vertrauensintervall? Capture-Recapture Experiment: Angenommen M = 100, n = 50 und X = 33. I Was ist der “beste” Schätzer N̂ für den unbekannten Parameter θ = N? Beachte: N ≥ Nmin = max(M + n − x, n) Beispiel 1: Beispiel 2: θ ∈ Θ = [0, 1] θ ∈ Θ = {Nmin , Nmin + 1, . . .} Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik stetig diskret SS 2012 3 / 51 6.1 Likelihood-Inferenz Wir haben die Wahrscheinlichkeitsfunktion f (x) einer ZV X in Abhängigkeit von einem Parameter θ kennengelernt. Beispiel: n x X ∼ B(n, π) ⇒ f (x) = π (1 − π)n−x |{z} x f (x; θ=π) Betrachte nun f (x; θ) als Funktion von θ für festes X = x: L(θ) l(θ) = = Esther Herberich und Matthias Schmid f (x, θ) log L(θ) heißt Likelihoodfunktion heißt Log-Likelihoodfunktion () Stochastik und Statistik SS 2012 4 / 51 Der Maximum-Likelihood-Schätzer Idee: Je größer die (Log-)Likelihoodfunktion L(θ) bzw. l(θ) als Funktion von θ bei gegebenen Daten X = x ist, desto“plausibler” ist der entsprechende Wert von θ. Optimal ist somit der Maximum-Likelihood (ML)-Schätzer θ̂ML , für den gelten soll: L(θ̂ML ) = max L(θ) θ ∈ Θ bzw. l(θ̂ML ) = max l(θ) θ ∈ Θ Der (ML)-Schätzer θ̂ML maximiert also die (Log-)Likelihoodfunktion L(θ) bzw. l(θ). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 5 / 51 Zur Berechnung des ML-Schätzers in einfacheren Modellen analytisch möglich: Ableitung der Log-Likelihood gleich Null setzen Beispiel: Binomialverteilung (in Vorlesung): π̂ML = x/n ansonsten Verwendung numerischer Algorithmen: I Optimierung, z.B. Funktionen optim() und optimize() in R I EM-Algorithmus Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 6 / 51 ML-Inferenz im Capture-Recapture-Experiment I Im Capture-Recapture Beispiel lautet die Wahrscheinlichkeitsfunktion: M N−M f (x) = x n−x N n Dabei sind M und n bekannt. Bei beobachteter Stichprobe X = x lautet die Likelihoodfunktion für den unbekannten Parameter N M N−M L(θ = N) = x n−x N n unter der Restriktion, dass N ≥ max(M + n − x, n). Im Unterschied zum vorhergehenden Abschnitt ist der unbekannte Parameter N nun ganzzahlig. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 7 / 51 ML-Inferenz im Capture-Recapture-Experiment II Man kann zeigen, dass für x > 0 und N̂naive = Mn x 6∈ N gilt: o n Mn N̂ML = trunc = trunc N̂naive x Im Fall N̂naive ∈ N ist der ML-Schätzer i.A. nicht eindeutig: dann wird die Likelihood sowohl durch N̂naive als auch durch N̂naive − 1 maximiert. Den “naiven” Schätzer N̂naive kann man als ML-Schätzer unter Verwendung der Binomialapproximation zur hypergeometrischen Verteilung herleiten. → Vorlesung Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 8 / 51 ML-Inferenz im Capture-Recapture-Experiment III Zahlenbeispiele: M n x 100 50 33 100 50 41 7 23 4 25 30 10 13 10 5 In den beiden Extremfällen erhält M n 100 50 100 50 Esther Herberich und Matthias Schmid N̂ML N̂naive 151 151.51 121 121.95 40 40.25 74 und 75 75 25 und 26 26 man: x N̂ML N̂naive 0 ∞ ∞ 50 100 100 () Stochastik und Statistik SS 2012 9 / 51 Invarianz des ML-Schätzers Wichtige und nützliche Eigenschaft des ML-Schätzers! Sei θ̂ML der ML-Schätzer für θ und ϕ = ϕ(θ) eine beliebige (eineindeutige) Funktion von θ. Dann ist der ML-Schätzer von ϕ: ϕ̂ML = ϕ(θ̂ML ) Beispiel: Bestimmung des ML-Schätzers für die Chance γ = Binomialexperiment: γ̂ML x π̂ML = = n 1 − π̂ML 1− x n π 1−π im x = n−x Dies könnte man auch direkt zeigen! Dauert aber viel länger. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 10 / 51 Das Testproblem Wir sind nun daran interessiert, Aussagen darüber zu treffen, in welchen Teilmengen des Parameterraumes Θ sich der feste, aber unbekannte, Parameter θ ∈ Θ mutmaßlich befindet. Dazu unterteilen wir den Parameterraum Θ in zwei disjunkte Teilmengen Θ0 und Θ1 mit Θ = Θ0 ∪ Θ1 , wobei Θ0 ∩ Θ1 = ∅. Es ist nun eine Entscheidungsregel gesucht, für welche der beiden Zustände θ ∈ Θ0 oder θ ∈ Θ1 wir uns basierend auf einem Experiment (also Daten X = (X1 , . . . , Xn )) entscheiden sollen. Θ0 heißt Hypothese oder Null-Hypothese. Θ1 heißt Alternative. Die Formulierung H0 : θ ∈ Θ0 vs. H1 : θ ∈ Θ1 heißt Testproblem. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 11 / 51 Der statistische Test Eine Entscheidungsregel, uns zwischen H0 bzw. H1 zu entscheiden, nennt man einen statistischen Test. Eine Funktion ψ : Rn → {0, 1} heißt Test für H0 gegen H1 . Wenn für den Erwartungswert der Funktion ψ gilt: E(ψ) = P(ψ = 1) ≤ α, α ∈ [0, 1], für alle θ ∈ Θ0 (also in der Null-Hypothese), so heißt ψ Niveau-α-Test. Fehlerarten: H0 richtig und ψ = 0: OK! H1 richtig und ψ = 1: OK! H0 richtig und ψ = 1: Fehler 1. Art! H1 richtig und ψ = 0: Fehler 2. Art! Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 12 / 51 Test und Teststatistik Ein Test ψ ist von der Form ψ(X) = I (T (X) ∈ C) Die Funktion T : Rn → R heißt Teststatistik und die Menge C heißt kritische Region (Ablehnungsbereich) des Tests. Der kritische Bereich kann so bestimmt werden, dass ψ ein Niveau-α-Test ist. Es gilt: E0 (ψ(X) = 1) = P0 (ψ(X) = 1) = I (T (X) ∈ C) ≤ α. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 13 / 51 Ablehnungsbereich In der Regel lautet der Test ψ: ψ(X) = I (T (X) > c1−α ) falls große Werte von T (X) gegen H0 sprechen. ψ(X) = I (T (X) < cα ) falls kleine Werte von T (X) gegen H0 sprechen. ψ(X) = I (T (X) < cα/2 oder T (X) > c1−α/2 ) falls große und kleine Werte von T (X) gegen H0 sprechen. Die Schranken sind die Quantile der Verteilung von T (X) wenn θ ∈ Θ0 . c1−α : 1 − α-Quantil. cα : α-Quantil cα/2 : α/2-Quantil c1−α/2 : 1 − α/2-Quantil Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 14 / 51 Beispiel: Faire Münze 1 1 H0 : π = vs. H1 : π 6= 2 2 Teststatistik T (x) = x; lehne die Null-Hypothese ab, wenn x zu groß oder zu klein ist (zweiseitiger Test). Der Ausgang unseres Experimentes sei x = 7 bei n = 10. Wir bestimmen jetzt das α/2-Quantil und das 1 − α/2-Quantil der Verteilung von T (x) unter H0 , also der Verteilung B(n, 0.5) für α = 0.05: > qbinom(0.05/2, size = 10, prob = 0.5) [1] 2 > qbinom(1 - 0.05/2, size = 10, prob = 0.5) [1] 8 Damit können wir H0 nicht ablehnen, da x = 7 weder zu klein (kleiner 2) noch zu groß (größer 8) ist. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 15 / 51 Likelihood-Quotienten-Tests Eine formale Möglichkeit, Teststatistiken zu konstruieren, ist die Anwendung des Likelihood-Quotienten-Prinzips: Der Quotient max L(θ) Θ0 max L(θ) Θ = max L(θ) Θ0 L(θ̂ML ) heißt Likelihood-Quotient und steht in engem Zusammenhang zur normierten (Log)-Likelihoodfunktion. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 16 / 51 Die normierte Likelihoodfunktion Den Wert der (Log-) Likelihoodfunktion L(θ) bzw. l(θ) am ML-Schätzer kann man nicht interpretieren. Daher verwendet man gerne die normierte (Log-) Likelihoodfunktion: L̃(θ) = L(θ) L(θ̂ML ) l̃(θ) = l(θ) − l(θ̂ML ) Es gilt: 0 ≤ L̃(θ) ≤ 1 und −∞ ≤ l̃(θ) ≤ 0 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 17 / 51 Likelihood-Intervalle Zur Bestimmung von Konfidenzintervallen muss man nun entscheiden, welche Werte von l̃(θ) zu “unplausibel” sind. Man kann unter bestimmten Annahmen zeigen, dass für einen bestimmten Schwellenwert c = c(α) {θ : l̃(θ) ≥ c} bzw. {θ : L̃(θ) ≥ exp(c)} ein Konfidenzintervall für θ (Likelihood-Intervall) zum approximativen Niveau 1 − α ist. Interpretation: Bei hypothetischer Wiederholung des zugrundeliegenden Zufallsexperiments überdecken die so konstruierten Likelihood-Intervalle in ungefähr (1 − α) · 100% aller Fälle den unbekannten Parameter θ. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 18 / 51 Likelihood-Intervalle II Die Werte von c sind folgender Tabelle zu entnehmen: 1−α 0.9 0.95 0.99 c −1.33 −1.92 −3.32 exp(c) 0.259 0.147 0.036 Die Bestimmung von Likelihood-Intervallen ist nur numerisch möglich, dort aber einfach durchzuführen. Likelihood-Intervalle sind (wie der ML-Schätzer) invariant bzgl. monotonen Transformationen des Parameters. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 19 / 51 Beispiel: Binomialverteilung Sei X ∼ B(n, π) mit n = 10 und x = 7. Damit erhält man als ML-Schätzer: π̂ML = 0.7 1 − α Likelihood-Intervall für π 0.9 [0.44; 0.89] 0.95 [0.39; 0.92] 0.99 [0.30; 0.95] Beachte: Die Konfidenzintervalle sind i.A. nicht symmetrisch um π̂ML . Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 20 / 51 0.6 0.20 0.4 ~ L(π) 0.15 0.0 0.00 0.2 0.05 0.10 L(π) α = 0.1 α = 0.05 α = 0.01 0.8 0.25 1.0 Beispiel: Binomialverteilung (n = 10, x = 7) 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 0.2 0.4 1.0 Linien verdeutlichen Likelihood-Intervalle zu unterschiedlichen Niveaus. α = 0.1 α = 0.05 α = 0.01 ~ l (π) −6 −6 −5 −5 −4 −3 −2 −1 −2 −3 −4 l(π) 0.8 π 0 π 0.6 0.4 0.6 0.8 π 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 π Likelihood (oben links), normierte Likelihood (oben rechts), Loglikelihood (unten links) und normierte Loglikelihood (unten rechts) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 21 / 51 α = 0.1 α = 0.05 α = 0.01 0.6 ~ L(π) 0.4 0.04 0.0 0.00 0.2 0.02 L(π) 0.06 0.8 0.08 1.0 Beispiel: Binomialverteilung (n = 100, x = 70) 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 0.2 0.4 0.6 1.0 π Linien verdeutlichen Likelihood-Intervalle zu unterschiedlichen Niveaus. α = 0.1 α = 0.05 α = 0.01 −3 −4 ~ l (π) −4.0 −6 −6.0 −5 −5.0 l(π) −2 −1 −3.0 0 π 0.8 0.60 0.65 0.70 0.75 0.80 π 0.55 0.60 0.65 0.70 0.75 0.80 0.85 π Likelihood (oben links), normierte Likelihood (oben rechts), Loglikelihood (unten links) und normierte Loglikelihood (unten rechts) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 22 / 51 1.0 Beispiel: Binomialverteilung (n = 1000, x = 700) 0.0 0.000 0.2 0.010 0.4 L(π) ~ L(π) 0.6 0.020 0.8 α = 0.1 α = 0.05 α = 0.01 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 0.2 0.4 1.0 0 Linien verdeutlichen Likelihood-Intervalle zu unterschiedlichen Niveaus. α = 0.1 α = 0.05 α = 0.01 ~ l (π) −6 −6.0 −5 −5.5 −4 −3 −2 −1 −4.0 −4.5 −5.0 l(π) 0.8 π −3.5 π 0.6 0.67 0.68 0.69 0.70 0.71 0.72 0.73 π 0.66 0.68 0.70 0.72 0.74 π Likelihood (oben links), normierte Likelihood (oben rechts), Loglikelihood (unten links) und normierte Loglikelihood (unten rechts) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 23 / 51 Quadratische Approximation der Log-Likelihood Man kann mit Hilfe einer Taylorreihendarstellung um θ̂ML zeigen, dass die normierte Loglikelihoodfunktion l̃(θ) approximativ eine quadratische Funktion ist: 1 00 l̃(θ) ≈ · l (θ̂ML ) · (θ − θ̂ML )2 2 Hier ist l 00 (θ̂ML ) (= l̃ 00 (θ̂ML )!) die zweite Ableitung (die Krümmung) von l(θ), ausgewertet am ML-Schätzer. Beachte: Die quadratische Approximation wird umso besser, je mehr Daten der Likelihood zugrundeliegen. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 24 / 51 Beispiel: Binomialverteilung −6 −5 −4 −3 −2 −1 −6 −5 −4 −3 −2 −1 0 (70, 100) 0 (7, 10) 0.6 0.8 1.0 0.55 0.60 0.65 0.70 0.75 π π (700, 1000) (7000, 10000) 0.80 0.85 −6 −5 −4 −3 −2 −1 −6 −5 −4 −3 −2 −1 0 0.4 0 0.2 0.66 0.68 0.70 0.72 0.74 0.685 0.690 0.695 0.700 0.705 0.710 0.715 Vergleich der normierten Loglikelihood mit der quadratischen Approximation für X ∼ B(n, π): π π n = 10, X = 7 (oben links), n = 100, X = 70 (oben rechts), n = 1000, X = 700 (unten links) und n = 10000, X = 7000 (unten rechts) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 25 / 51 Der Standardfehler Durch Einsetzen der quadratischen Approximation für l̃(θ) in {θ : l̃(θ) ≥ c} erhält man θ̂ML ± √ −2c · rh i−1 −l 00 (θ̂ML ) als Konfidenzintervall (Wald-Intervall) zum approximativen Niveau 1 − α. Daher definiert man den Standardfehler (“Standard Error”) als rh i SE (θ̂ML ) := Esther Herberich und Matthias Schmid −l 00 (θ̂ () Stochastik und Statistik ML ) −1 SS 2012 26 / 51 Wald-Intervalle Das Wald-Intervall zum Niveau 1 − α ist also: θ̂ML ± d · SE (θ̂ML ) Die Werte von d sind folgender Tabelle zu entnehmen: √ c d = −2c 1−α 0.9 −1.33 1.65 0.95 −1.92 1.96 0.99 −3.32 2.58 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 27 / 51 Standardfehler Der Standardfehler des ML-Schätzers rh SE (θ̂ML ) := i−1 −l 00 (θ̂ML ) kann als Schätzung der Standardabweichung des ML-Schätzers (im frequentistischen Sinne) angesehen werden. h i−1 Ebenso ist −l 00 (θ̂ML ) eine Schätzung der Varianz des ML-Schätzers. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 28 / 51 Eigenschaften von Wald-Intervallen Wald-Intervalle sind immer symmetrisch um den ML-Schätzer; Invarianzeigenschaft geht verloren Wald-Intervalle sind einfacher zu berechnen als Likelihood-Intervalle, haben aber (leicht) schlechtere theoretische Eigenschaften im Beispiel (nächste Folie): offensichtliches Problem für 1 − α = 0.99: obere Grenze ist größer als 1! für n groß werden Wald-Intervalle Likelihood-Intervallen immer ähnlicher Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 29 / 51 Beispiel: Binomialverteilung Es ergibt sich r SE (π̂ML ) = Beispiel: π̂ML (1 − π̂ML ) n Für X = 7 und n = 10 ergibt sich: SE (π̂ML ) = 0.145 ; Tabelle mit Wald-Intervallen: 1−α 0.9 0.95 0.99 Esther Herberich und Matthias Schmid Wald-Intervall [0.46; 0.94] [0.42; 0.98] [0.33; 1.07] () Stochastik und Statistik SS 2012 30 / 51 6.2 Erwartungstreue Eine wünschenswerte Eigenschaft von Punktschätzern (im frequentistischen Sinne) ist die Erwartungstreue: Ein Schätzer θ̂ (als Funktion der zufälligen Stichprobe X ) heißt erwartungstreu oder unverzerrt für einen unbekannten Parameter θ, falls gilt: E (θ̂) = θ Beispiel: Die relative Häufigkeit π̂ = X /n ist ein erwartungstreuer Schätzer der Wahrscheinlichkeit π im Binomialverteilungsmodell. (Herleitung in Vorlesung) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 31 / 51 Bemerkungen zur Erwartungstreue Die Erwartungstreue ist nicht invariant bzgl. monotonen Transformationen! Das heißt, ist θ̂ erwartungstreu für θ, so ist g (θ̂) im Allgemeinen nicht erwartungstreu für g (θ). Die Existenz von erwartungstreuen Schätzern ist nicht gesichert. Erwartungstreue Schätzer sind nicht notwendigerweise Element des Parameterraums Θ. ML-Schätzer sind nicht immer erwartungstreu, zumindest aber asymptotisch erwartungstreu, d.h. für wachsenden Stichprobenumfang im Grenzwert erwartungstreu. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 32 / 51 Beispiel: Taxis in Lübeck I Alle Taxis in Lübeck seien von 1, . . . , N durchnummeriert. Ein Besucher sieht an einem Taxistand n = 3 Taxis und fragt nach deren Nummern: Y = {Y1 , . . . , Yn } Wie kann er daraus einen erwartungstreuen Schätzer für θ = N berechnen? Betrachte X = max(Y ). Man kann zeigen (Vorlesung), dass n+1 max(Y ) − 1 N̂ = n ein erwartungstreuer Schätzer für N ist. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 33 / 51 Beispiel: Taxis in Lübeck II Die Likelihoodfunktion ist (N − n)! L(N) = const · für N = x, x + 1, . . . N! Diese wird maximiert für N = x! Das heißt der ML-Schätzer für N ist max(Y ), der kleinstmögliche Wert! Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 34 / 51 6.3 Bayes-Inferenz alternativer Ansatz zur statistischen Inferenz basiert auf subjektivistischem Wahrscheinlichkeitskonzept unbekannter Parameter θ ist nun eine Zufallsvariable, versehen mit einer Wahrscheinlichkeitsfunktion f (θ) wir können zunächst nur diskrete Parameter behandeln Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 35 / 51 Satz von Bayes für Wahrscheinlichkeitsfunktionen Seien X und Y zwei Zufallsvariablen mit gemeinsamer Wahrscheinlichkeitsfunktion fX ,Y (x, y ) und daraus abgeleiteten Wahrscheinlichkeitsfunktionen fX (x), fY (y ), fX |Y (x|y ) und fY |X (y |x). Dann gilt für alle x und alle y mit f (y ) > 0: fY |X (y |x)fX (x) fY |X (y |x)fX (x) =P fX |Y (x|y ) = fY (y ) x fY |X (y |x)fX (x) Dies folgt direkt aus der Definition der bedingten Wahrscheinlichkeitsfunktion. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 36 / 51 Bayes-Inferenz Sei X = x eine Beobachtung eines Zufallsexperiments, das von einem unbekannten Parameter θ ∈ Θ abhängt, wobei Θ abzählbar sei. Dann gilt mit dem Satz von Bayes für Wahrscheinlichkeitsfunktionen: f (x|θ)f (θ) f (x|θ)f (θ) =P f (θ|x) = f (x) θ f (x|θ)f (θ) Beachte: Da X = x beobachtet wurde, muss automatisch P(X = x) > 0 gelten. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 37 / 51 Beispiel: Posteriori-Verteilung im Binomialexperiment Angenommen wir interessieren uns für den Parameter θ = π, nehmen aber an, dass nur Werte in Π = {0.00, 0.02, 0.04, . . . , 0.98, 1.00} erlaubt sind. Als Priori-Verteilung f (π) können wir z.B. eine Gleichverteilung auf den 51 Elementen von Π wählen, also f (π) = 1/51 für alle π ∈ Π. Nach der Beobachtung X = x aus einer B(n, π)-Verteilung ergibt sich die Posteriori-Verteilung f (x|π)f (π) f (π|x) = P π f (x|π)f (π) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 38 / 51 Beispiel: Binomialverteilung (n = 5) 0.4 0.6 0.8 1.0 0.4 0.6 0.8 0.12 0.08 0.04 1.0 0.0 0.2 0.4 0.6 X=5 Posteriori Priori Dichte ●● ●●●● ● ● ● ●●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● ●● ●● ● ●● ●● ● ●● ●●● ● ● ● ●● ●●●●● ●● 0.4 0.6 0.8 π 1.0 ● ● ● ●● Posteriori Priori ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ●● ● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● ●● ● ●● ● ● ● ●●● ● ● ●● ●●●●●●●●●●● ●● ● 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 0.12 X=4 0.12 X=3 ● 0.2 0.2 π 0.08 0.04 0.00 0.0 1.0 Posteriori Priori ● ● ●●●●●● ● ● ● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ● ●● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● ● ●● ● ● ●● ● ●●● ●● ● ●● ●●● ●●● ●● ● π ● 0.0 ● ●●●● ● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● ●● ●● ● ●●● ● ● ● ●● ●● ●●●● ●●●●●●●● ● ● π 0.12 0.2 0.00 ● ●● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● ●● ●● ●●● ● ● ●● ●● ●●● ●●●●●●●●● ●●●●●●●●●●● 0.00 ● ● 0.8 1.0 ● ● Posteriori ● Priori ● ● 0.08 ● 0.04 ● 0.00 ● Posteriori Priori Dichte ● ● Dichte ● ● 0.08 0.04 Dichte ● 0.04 0.08 ● ● 0.00 Dichte ● 0.0 Dichte Posteriori Priori 0.08 ● ● 0.04 ● ● X=2 0.12 X=1 0.00 0.12 X=0 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● ●● ● ● ●●● ●●●● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●● ●●● ●● ●● 0.0 0.2 π 0.4 0.6 0.8 1.0 π Posteriori-Verteilung im Binomialexperiment für X ∼ B(5, π) bei Priori-Gleichverteilung. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 39 / 51 Eine Dreiecksverteilung als Priori-Verteilung Idee: favorisiere Werte von π nahe bei 0.5 Wähle z.B. 1 f (π) = {26 − 25 · |2 · π − 1|} C für π ∈ {0.00, 0.02, 0.04, . . . , 0.98, 1.00} und C = Bemerkung: C ist so gewählt, dass Esther Herberich und Matthias Schmid P π 1 676 . f (π) = 1 gilt. () Stochastik und Statistik SS 2012 40 / 51 Beispiel: Binomialverteilung (n = 5) ● ●● 0.4 ●●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●●● ●●●●●●●●●●●●●● 0.6 0.8 ●● ● ● 0.2 ●● ● 0.4 ● ● ●● ● ●● ●● ●● ●● ●● 0.08 0.06 ●● ● ● ●● 0.6 ●● ●● ●● ●● ●● ●●●● ●●●●●●● 0.8 0.04 ● Dichte ●● 1.0 ● ● ● ●● ● ●● ●●●● ● ● ● ●● ●●● ●● ● ●● ●● ●● ● ● ●●● ● ● 0.0 0.2 ● ●● ● ● ● ●●●● ● ●● ● ● 0.4 0.06 ●● ● ● ●● ● ● ● ●● ●● ● ●● ●● ● ● 0.4 ● ●● 0.6 ● ● ●● ● ● ●●●● ●● ● ● ●●● ● ●● ● ● ●● ●● ●● ●●● ●● ●● 0.8 π 1.0 Posteriori Priori ● ● ● ●● ●● ● ●● ●● ● ● ●● 0.2 ● ● ● ● ●● ● ●● ●● ●● ●● ● ●●●●●●●●●● ●● ● ● 0.0 ● ● ●●● ●● ● ●● ● ● ●● ●● ● ● ●●● ● ● ●● ● 0.4 0.6 ●● ● ● ● ● ● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ● ●●● ● 0.8 ●● ●● ● 1.0 ● ●●● ● ●●● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ●● ●● ●● ●● ● ● ●● ●●●●●● 0.6 X=5 Posteriori Priori 0.8 ● ● ● ●● ●● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ●●● ●● ● ● ● ●● ●● ●● ●● ●●● ● ●●●●●●●●●●●●●●● ●● ●● 0.0 0.2 π Posteriori Priori ● ● ●● X=4 ● 0.04 Dichte 0.02 ●● ●● X=3 ● 0.00 0.0 ● ● ● ●●● ●●● ●● ●● ● π ● 0.2 1.0 ● ● ●● ● ●● ● π ● 0.0 ● ● ● ● ● π ● ●● ● ●● ●● ●● ●● ● ●● ● ● ●● ● ● ●● ●● ●● ●● ●● ● ●●●●●● ●● ● 0.06 ●● ● ● ● ● ●● ● ●● 0.02 ●● ●● ● 0.00 ● ●● ●● 0.08 0.2 ● ●●●● ● ● 0.06 ●● ● ●● ● 0.04 ●● ●●● ●●● ● ● 0.02 ●● ● 0.08 0.0 ●● ●● ● ● 0.00 ●● ●● ●● ● Dichte ● ● ●● ● ●● 0.02 ● ● ●●● 0.00 ● ● 0.08 ● ● 0.06 ● Posteriori Priori ● 0.04 ● 0.02 ● 0.00 ● ●● ● ● Dichte 0.00 ● ● Posteriori Priori Dichte 0.04 ● 0.02 Dichte 0.06 ● 0.04 ● X=2 0.08 X=1 0.08 X=0 ●● 0.4 ● ● ● ● ● ● ● ●●● ●●●● ● ●● 0.6 ● ● ●● 1.0 Posteriori Priori ● ●● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ●● 0.8 ●● ● ●● ●● ●● 1.0 π Posteriori-Verteilung im Binomialexperiment für X ∼ B(5, π) bei Priori-Dreiecksverteilung. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 41 / 51 Bayesianische Punktschätzer Als Punktschätzer bietet sich nun ein Lageparameter der Posteriori-Verteilung an, z.B. der P Posteriori-Erwartungswert θ̂Erw = E (θ|x) = θf (θ|x) θ∈Θ Posteriori-Modus θ̂Mod = arg max f (θ|x) θ∈Θ Posteriori-Median θ̂Med = min{θ ∈ Θ : F (θ|x) ≥ 0.5} wobei F (θ|x) die Verteilungsfunktion der Posteriori-Verteilung mit Wahrscheinlichkeitsfunktion f (θ|x) ist. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 42 / 51 Posteriori-Modus bei Priori-Gleichverteilung Bei Priori-Gleichverteilung ist der Posteriori-Modus θ̂Mod gleich dem ML-Schätzer θ̂ML , da f (x|θ)f (θ) f (x|θ) P P f (θ|x) = = θ f (x|θ)f (θ) θ f (x|θ) P Da der Nenner θ f (x|θ) nicht von θ abhängt, folgt: θ̂Mod = arg max f (θ|x) = arg max f (x|θ) = θ̂ML θ∈Θ Esther Herberich und Matthias Schmid θ∈Θ () Stochastik und Statistik SS 2012 43 / 51 Bayesianische Punktschätzer im Beispiel Bei Priori-Gleichverteilung (G) bzw. Dreiecksverteilung (D) ergeben sich folgende Punktschätzer bei Beobachtung von X = x Erfolgen bei n = 5 Versuchen: x 0.00 1.00 2.00 3.00 4.00 5.00 Erwartungswert G D 0.13 0.23 0.29 0.35 0.43 0.45 0.57 0.55 0.71 0.65 0.87 0.77 Esther Herberich und Matthias Schmid Modus G D 0.00 0.16 0.20 0.32 0.40 0.50 0.60 0.50 0.80 0.68 1.00 0.84 () Stochastik und Statistik Median G D 0.10 0.22 0.26 0.34 0.42 0.46 0.58 0.54 0.74 0.66 0.90 0.78 SS 2012 44 / 51 Bayesianische Intervallschätzer Prinzipiell ist jede Teilmenge A des Trägers Θ, für die gilt X f (θ|x) ≥ 1 − α θ∈A eine Kredibilitätsregion (bzw. -intervall) zum Niveau 1 − α. Zusätzlich kann man noch fordern, dass für alle θ1 ∈ A und θ2 ∈ Θ \ A gelten muss: f (θ1 |x) ≥ f (θ2 |x) ⇒ “highest posterior density region” (HPD-Region) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 45 / 51 Berechnung von HPD-Regionen 1 2 Sortiere die Werte der Posteriori-Verteilung f (θ|x) der Größe nach (absteigend). Summiere die Werte kumulativ auf (Funktion cumsum() in R), bis die Summe größer als das Niveau 1 − α ist. ⇒ Die entsprechenden Werte von θ definieren dann eine HPD-Region. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 46 / 51 HPD-Regionen im Beispiel Bei Priori-Gleichverteilung (G) bzw. Dreiecksverteilung (D) ergeben sich folgende 95% HPD-Regionen bei Beobachtung von X = x Erfolgen bei n = 5 Versuchen: x 0 1 2 3 4 5 Esther Herberich und Matthias Schmid 95% HPD-Region für π G D [0.00;0.36] [0.00;0.46] [0.02;0.56] [0.08;0.60] [0.12;0.74] [0.18;0.72] [0.26;0.88] [0.28;0.82] [0.44;0.98] [0.40;0.92] [0.64;1.00] [0.54;1.00] () Stochastik und Statistik SS 2012 47 / 51 Beispiel: Capture-Recapture-Experiment Betrachte den unbekannten Parameter θ = N als diskrete ZV mit Träger T = {M, M + 1, . . . , Ymax } Beachte: Vor der Beobachtung X = x (bei bekanntem n!) weiss man nur, dass mindestens M Fische im See schwimmen. Lege nun eine Priori-Verteilung fest, z.B. eine Gleichverteilung f (N) für N ∈ T Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 48 / 51 Posteriori-Verteilung im Capture-Recapture-Experiment Berechne Posteriori-Wahrscheinlichkeitsfunktion: f (x|N)f (N) f (x|N)f (N) f (N|x) = =P f (x) N f (x|N)f (N) Beachte: Erst nach der Beobachtung X = x weiss man, dass mindestens M + n − x Fische im See schwimmen, da die Likelihood f (x|N) = 0 ist für x < M + n − N, also für N < M + n − x. Weiterhin muss n ≤ N gelten. Also hat die Posteriori-Verteilung f (θ|x) den Träger T = {max(M + n − x, n), max(M + n − x, n) + 1, . . . , Ymax } Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 49 / 51 Graphische Darstellung der Posteriori-Verteilung Priori-Verteilung: Gleichverteilung Berechnet: I Modus, I Median und I Erwartungswert der Posteriori-Verteilung und die HPD-Region, die hier ein Intervall ist. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 50 / 51 Beispiel 0.010 Priori 0.020 Priori Verteilung 0.000 ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● 0 50 100 150 200 250 N Mod Erw ● ● ● ● ● ● ●● ●●● ●● ● ● ● Med ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.010 Posteriori 0.020 Posteriori Verteilung Bei der Posteriori-Verteilung werden folgende Punktschätzer durch Linien verdeutlicht. Die 95%-HPD-Region stellen die äußeren Linien dar. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.000 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●●● ● ● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● 0 50 ● ● ● 100 150 ●●● ●●● ●●●● ●●●● ●●●●● ●●●●●● ●●●●●●●● ●●●●●●●●●●●● ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● 200 ●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●●● 250 N Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 51 / 51 7. Markov-Ketten Benannt nach Andrei A. Markov [1856-1922] Einige Stichworte: Markov-Ketten I Definition I Eigenschaften I Konvergenz Hidden Markov Modelle I Motivation und Inferenz I Baum-Welch-Algorithmus I Viterbi-Algorithmus Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 1 / 55 7.1 Definition und Eigenschaften von Markov-Ketten Sei X = (X0 , X1 , X2 , . . .) eine Folge von diskreten Zufallsvariablen, die alle Ausprägungen in einer endlichen bzw. abzählbaren Menge S haben. S heißt der Zustandsraum und s ∈ S ein Zustand. X heißt Markov-Kette (MK), falls P(Xn = s|X0 = x0 , X1 = x1 , . . . , Xn−1 = xn−1 ) = P(Xn = s|Xn−1 = xn−1 ) für alle n ≥ 1 und alle s, x0 , x1 , . . . , xn−1 ∈ S. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 2 / 55 Interpretation Bedingt auf die gesamte Vergangenheit X0 , X1 , . . . , Xn−1 des Prozesses X hängt Xn nur vom letzten Wert Xn−1 ab. Darstellung mit Pfeilen in einem graphischen Modell: X0 → X1 → X2 → . . . → Xn−1 → Xn Anders ausgedrückt: Bedingt auf die Gegenwart (Xn−1 ) ist die Zukunft des Prozesses (Xn , Xn+1 , . . .) unabhängig von seiner Vergangenheit (X0 , X1 , . . . , Xn−2 ). → Begriff der bedingten Unabhängigkeit Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 3 / 55 Bedingt unabhängige Zufallsvariablen Zwei diskrete Zufallsvariablen X und Y heißen bedingt unabhängig gegeben Z , wenn für die entsprechend definierten Wahrscheinlichkeitsfunktionen gilt: fX ,Y |Z (x, y |z) = fX |Z (x|z) · fY |Z (y |z) für alle x, y und z. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 4 / 55 Übergangswahrscheinlichkeiten Die Entwicklung einer Markov-Kette X ist gekennzeichnet durch die (Ein-Schritt) Übergangswahrscheinlichkeiten P(Xn+1 = j|Xn = i) für alle i, j ∈ S. Man nennt eine Markov-Kette homogen, wenn diese nicht von n abhängen und definiert pij = P(Xn+1 = j|Xn = i) = P(X1 = j|X0 = i) für alle n ≥ 1 und alle i, j ∈ S. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 5 / 55 Die Übergangsmatrix Die Werte pij werden in einer |S| × |S|-Matrix P zusammengefasst, der sogenannten Übergangsmatrix. P beschreibt also die Kurzzeitentwicklung einer homogenen Markov-Kette X. P ist eine stochastische Matrix, d.h. sie hat folgende Eigenschaften: 1 2 pij ≥ 0 P j pij = 1 für alle i, j ∈ S für alle i ∈ S Esther Herberich und Matthias Schmid ⇒ “Zeilensummen gleich eins” () Stochastik und Statistik SS 2012 6 / 55 Beispiele 1.Beispiel: Telephon besetzt / frei mit S = {0, 1} und 0.9 0.1 P= 0.4 0.6 2.Beispiel: Der Zustandsraum umfasst die vier Basen der DNA (Adenin, Cytosin, Guanin, Thymin): S = {A, C , G , T }. Die geschätzte Übergangsmatrix beim “Ablaufen” der DNA ist 0.300 0.205 0.285 0.210 0.322 0.298 0.078 0.302 P= 0.248 0.246 0.298 0.208 0.177 0.239 0.292 0.292 Durbin et al. (1998) “Biological sequence analysis”, p. 50 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 7 / 55 Die n-Schritt-Übergangsmatrix Die Langzeitentwicklung einer Markov-Kette X ist durch die n-SchrittÜbergangsmatrix P(m, m + n) mit Elementen pij (m, m + n) = P(Xm+n = j|Xm = i) bzw. pij (n) = P(Xn = j|X0 = i) gegeben, wobei die letzte Gleichung für homogene Markov-Ketten gilt. In diesem Fall ergibt sich natürlich P(m, m + 1) = P und wir schreiben Pn = P(m, m + n). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 8 / 55 Die Chapman-Kolmogorov-Gleichungen Für eine homogene Markov-Kette X gilt: X pij (m, m + n + r ) = pik (m, m + n)pkj (m + n, m + n + r ) (1) k P(m, m + n + r ) = P(m, m + n)P(m + n, m + n + r ) Pn = P(m, m + n) = Pn (2) (3) Dabei ist (2) nur (1) in Matrizenform und (3) folgt durch Iteration. Pn bezeichnet die n-te Potenz von P. Beweis zu (1) in Vorlesung. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 9 / 55 Fortsetzung des 1. Beispiels Zwei-Schritt-Übergangsmatrix: 0.9 0.1 0.9 0.1 0.85 0.15 P2 = P2 = = 0.4 0.6 0.4 0.6 0.6 0.4 Zum Beispiel ist also der Eintrag p21 (2) in P2 gleich p21 (2) = P(Xn+2 = 1|Xn = 2) = P(Xn+1 = 2|Xn = 2) · P(Xn+2 = 1|Xn+1 = 2) + P(Xn+1 = 1|Xn = 2) · P(Xn+2 = 1|Xn+1 = 1) = 0.6 · 0.4 + 0.4 · 0.9 = 0.6 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 10 / 55 Die Zeit bis zum Zustandswechsel Eine Markov-Kette X mit Übergangsmatrix P sei zu einem Zeitpunkt t im Zustand i ∈ S. Dann ist die Dauer bis zum nächsten Zustandswechsel Zi geometrisch verteilt mit Parameter 1 − pii . Vergleiche: Gedächtnislosigkeit der geometrischen Verteilung: P(Zi = n + k|Zi > n) = P(Zi = k) Nützliche Eigenschaft zum Test auf Modellanpassung: Vergleich der beobachteten und theoretischen Dauern bis zum nächsten Zustandswechsel. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 11 / 55 Die Anfangsverteilung Schließlich hat jede Markov-Kette auch eine Anfangsverteilung für X0 . Die entsprechende Wahrscheinlichkeitsfunktion bezeichnet man mit dem Zeilenvektor µ(0) mit Elementen (0) µi = P(X0 = i). Die (unbedingte) Wahrscheinlichkeitsfunktion von Xn fasst man entsprechend in dem Zeilenvektor µ(n) zusammen und es gilt: µ(m+n) = µ(m) · Pn und daher µ(n) = µ(0) · Pn Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 12 / 55 Folgerung Durch µ(0) und P ist also die Entwicklung einer Markov-Kette vollständig bestimmt. Die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung (wichtig für Likelihood-Inferenz!) von X0 , . . . , Xn ist gegeben durch P(X0 = x0 , X1 = x1 , . . . , Xn = xn ) = P(X0 = x0 ) n Y (0) = µx0 n Y P(Xt = xt |Xt−1 = xt−1 ) t=1 pxt−1 ,xt t=1 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 13 / 55 Beispiel: Inzucht Eine Pflanze mit Genotyp aus S = {aa, ab, bb} wird mit sich selbst gekreuzt. Die Zufallsvariable Xn gibt den Genotyp in der n-ten Generation an. Daher: 1 0 0 P = 14 21 14 0 0 1 1 0 0 1 0 0 n+1 n 1 n+1 n→∞ 1 1 n 1 1 1 1 P = 2− 2 −→ 0 2 2 2 2 − 2 0 0 1 0 0 1 ⇒ Letztendlich bleiben nur die Genotypen aa und bb übrig, die sich dann deterministisch reproduzieren. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 14 / 55 Beispiel: Genhäufigkeit in Population konstanter Größe N Xn = i: Anzahl der Individuen einer Population mit bestimmtem Genotyp zum Zeitpunkt n Einfaches Modell: Zu jedem Zeitpunkt stirbt ein zufällig ausgewähltes Mitglied. Das “nachrückende” Mitglied hat den Genotyp mit Wahrscheinlichkeit Ni . ; pij = Beachte: i(N−i) N2 1 − 2 i(N−i) N2 0 für j = i ± 1 für j = i sonst P ist “tridiagonal”. Formulierung beinhaltet Grenzfälle Xn = 0 und Xn = N. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 15 / 55 Beispiel: Modelle für Epidemien → Verzweigungsprozesse Xn := Anzahl der Infizierten in einer Generation n S = {0, 1, . . .} Idee: Jeder Infizierte“erzeugt”(unabhängig von den anderen) eine zufällige Anzahl Infizierter in der nächsten Generation mit Erwartungswert λ. Die Anzahl könnte z.B. Poissonverteilt sein. Dann ist Xn |Xn−1 ∼ P(λ · Xn−1 ). Theorem: Für λ < 1 wird die Epidemie mit Wahrscheinlichkeit 1 irgendwann aussterben. Für λ > 1 ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Epidemie explodiert, echt größer 0. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 16 / 55 7.2 Klassifikation von Zuständen und Markov-Ketten Ein Zustand i ∈ S heißt rekurrent oder auch persistent, falls für die Rekurrenzzeit Ti = min{n : Xn = i|X0 = i} gilt P(Ti < ∞) = 1 Wenn P(Ti < ∞) < 1 heißt der Zustand transient. Eine Markov-Kette X kehrt also in einen rekurrenten Zustand mit Wahrscheinlichkeit 1 zurück. Ein Zustand i heißt absorbierend, falls dieser nicht mehr verlassen werden kann, also pii = 1. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 17 / 55 Beispiel Betrachte den Poisson-Verzweigungsprozess Xn |Xn−1 ∼ P(λ · Xn−1 ) Dann ist der Zustand 0 rekurrent, ja sogar absorbierend, da X diesen Zustand nie verläßt. Alle anderen Zustände sind transient. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 18 / 55 Die erwartete Rekurrenzzeit Man definiert die erwartete Rekurrenzzeit eines Zustands i wie folgt: P nfi (n) falls i rekurrent ist n µi = E (Ti ) = ∞ falls i transient ist mit fi (n) = P(X1 6= i, ..., Xn−1 6= i, Xn = i|X0 = i). Ein rekurrenter Zustand i heißt nicht-leer, falls seine erwartete Rekurrenzzeit endlich ist. Ansonsten heißt er leer. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 19 / 55 Zusammenhang zu den Übergangswahrscheinlichkeiten Ein rekurrenter Zustand i ist genau dann leer, wenn pii (n) → 0 für n → ∞ Dann gilt sogar pji (n) → 0 für n → ∞ für alle j ∈ S Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 20 / 55 Die Periode Die Periode eines Zustandes i ist der größte gemeinsame Teiler der Menge {n : pii (n) > 0} Man nennt den Zustand i periodisch, falls dessen Periode größer eins ist, ansonsten heißt i aperiodisch. Haben alle Zustände einer Markov-Kette Periode 1, so heißt sie aperiodisch. Ein Zustand i heißt ergodisch, falls er rekurrent nicht-leer und aperiodisch ist. Sind alle Zustände von X ergodisch, so heißt X ergodisch. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 21 / 55 Beispiel Eine Markov-Kette habe die folgende 0 P= 0 1 Übergangsmatrix: 1 0 0 1 0 0 Es gilt nun: jeder Zustand hat Periode 3 die Markov-Kette ist nicht aperiodisch Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 22 / 55 Irreduzible Zustände Zwei Zustände i 6= j einer Markov-Kette X kommunizieren miteinander, falls fij > 0 und fji > 0 (Schreibweise: i ↔ j) mit fij = = ∞ X n=1 ∞ X fij (n) P(X1 6= j, X2 6= j, . . . , Xn−1 6= j, Xn = j|X0 = i) n=1 Ein Zustand i kommuniziert per definitionem immer mit sich selber: i ↔ i Eine Menge C ⊂ S heißt irreduzibel, falls i ↔ j für alle i, j ∈ C . Eine Menge C ⊂ S heißt geschlossen, falls pij = 0 für alle i ∈ C und j ∈ C̄ . Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 23 / 55 Beispiele Markov-Ketten mit reduziblem Zustandsraum S 1 1 1 2 2 0 3 P1 = 12 12 0 P2 = 13 0 0 1 0 Im folgenden Beispiel ist S irreduzibel: 1 P3 = 3 1 3 0 Esther Herberich und Matthias Schmid 1 3 1 3 1 2 1 3 1 3 1 2 () Stochastik und Statistik 1 3 1 3 0 1 3 1 3 1 SS 2012 24 / 55 Der Zerlegungssatz Der Zustandsraum S einer Markov-Kette X lässt sich zerlegen in 1 eine Menge T mit transienten Zuständen 2 Mengen Ck , die irreduzibel und geschlossen sind ⇒ S = T ∪ C1 ∪ C2 ∪ . . . Ferner gilt folgendes Lemma: Wenn S endlich ist, dann ist mindestens ein Zustand rekurrent und alle rekurrenten Zustände sind nicht-leer. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 25 / 55 Beispiel Eine Markov-Kette mit Zustandsraum S = {1, 2, 3, 4, 5, 6} habe die Übergangsmatrix 0.5 0.5 0 0 0 0 0.25 0.75 0 0 0 0 0.25 0.25 0.25 0.25 0 0 P= 0.25 0 0.25 0.25 0 0.25 0 0 0 0 0.5 0.5 0 0 0 0 0.5 0.5 Man bestimme: die Periode jedes Zustands die Zerlegung des Zustandsraumes transiente Zustände ergodische Zustände Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 26 / 55 7.3 Die stationäre Verteilung und das Grenzwerttheorem Eine Wahrscheinlichkeitsverteilung π (Zeilenvektor) mit Einträgen (πj : j ∈ S) heißt stationäre Verteilung einer Markov-Kette X mit Übergangsmatrix P, falls gilt: X πj = πi pij i oder in Matrixnotation: Esther Herberich und Matthias Schmid π =π·P () Stochastik und Statistik SS 2012 27 / 55 Interpretation der stationären Verteilung Hat die Markov-Kette X die Verteilung π zu einem gewissen Zeitpunkt n, dann auch im nächsten Zeitpunkt n + 1 und sogar in allen nachfolgenden Zeitpunkten i = n + 2, n + 3, . . . Betrachte z.B. i = n + 2: π · P2 = (πP)P = πP = π Oft wählt man für die Anfangsverteilung µ0 die stationäre Verteilung, d.h. µ0 = π. Im Folgenden betrachten wir ausschließlich irreduzible Markov-Ketten, d.h. Markov-Ketten mit irreduziblem Zustandsraum S. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 28 / 55 Satz über die stationäre Verteilung Eine irreduzible Markov-Ketten hat eine stationäre Verteilung π genau dann, wenn alle Zustände nicht-leer rekurrent sind. Dann ist π eindeutig und gegeben durch πi = 1/µi wobei µi die erwartete Rekurrenzzeit des Zustands i ist. Unter diesen Voraussetzungen gilt bei endlichem Zustandsraum: π = 1(I − P + U)−1 wobei I die Einheitsmatrix und 1 ein Zeilenvektor mit Einsen ist und U nur Elemente gleich eins hat. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 29 / 55 Bestimmung der stationären Verteilung bei |S| = 2 Stationäre Verteilung und Übergangsmatrix haben bei Markov-Ketten mit zwei Zuständen folgende allgemeine Formen: 1 − p12 p12 π = (π1 , 1 − π1 ) P= p21 1 − p21 Die erste Spalte der Gleichung π = π · P ist π1 = π1 − π1 · p12 + p21 − π1 · p21 p12 p21 ⇒ π1 = und π2 = p12 + p21 p12 + p21 Die zweite Spalte ergibt die gleiche Lösung. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 30 / 55 Beispiel Wie lautet die stationäre Verteilung für die Markov-Kette mit folgender Übergangsmatrix: 0.9 0.1 P= 0.4 0.6 Mit der eben bestimmten Formel erhält man: 0.4 0.1 , = (0.8 , 0.2) π = (π1 , π2 ) = 0.5 0.5 Die erwarteten Rekurrenzzeiten sind demnach µ1 = 5/4 für Zustand 1 und µ2 = 5 für Zustand 2. Wie verhält es sich bei 0 P= 0 1 Esther Herberich und Matthias Schmid 1 0 0 0 1 ? 0 () Stochastik und Statistik SS 2012 31 / 55 Reversible Markov-Ketten Sei X = (X0 , . . . , XN ) eine reguläre Markov-Kette mit Übergangsmatrix P und stationärer Verteilung π, die X auch zu jedem Zeitpunkt n = 0, . . . , N besitze. Definiere nun Y = (XN , . . . , X0 ) mit Yn = XN−n . Dann ist Y auch eine Markov-Kette mit Übergangswahrscheinlichkeiten P(Yn+1 = j|Yn = i) = (πj /πi )pji Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 32 / 55 Reversible Markov-Ketten II Man sagt nun X ist reversibel, falls X und Y identische Übergangswahrscheinlichkeiten haben, d.h. falls πi pij = πj pji für alle i, j ∈ S gilt. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 33 / 55 Beispiele für reversible Markov-Ketten 1 2 Alle irreduziblen Markov-Ketten mit zwei Zuständen sind reversibel (Beweis in Vorlesung). Markov-Ketten mit tri-diagonaler Übergangsmatrix P sind reversibel, z.B. I der random walk auf endlichem Zustandsraum S = {0, 1, . . . , b} I der Prozess aus Beispiel 2 (Stichwort: Genhäufigkeit) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 34 / 55 Satz über die stationäre Verteilung Sei X eine irreduzible Markov-Kette mit Übergangsmatrix P. Ferner gebe es eine Verteilung π mit πi pij = πj pji für alle i, j ∈ S. Dann ist π die stationäre Verteilung und X ist bzgl. π reversibel. Beweis: X X X πi pij = πj pji = πj pji = πj i Esther Herberich und Matthias Schmid i () Stochastik und Statistik i SS 2012 35 / 55 Das Grenzwerttheorem Eine irreduzible und aperiodische Markov-Kette konvergiert gegen ihre stationäre Verteilung π pij (n) −→ πj = µ−1 j bzw. für n → ∞ und alle i n Pn = P −→ ··· ··· .. . ··· π ··· π ··· .. .. . . π ··· Daher gilt µ(0) Pn −→ π für alle µ(0) . Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 36 / 55 Ein Gegenbeispiel Eine Markov-Kette X mit Übergangsmatrix 0 1 0 P= 0 0 1 1 0 0 hat zwar die stationäre Verteilung π = (1/3, 1/3, 1/3), konvergiert aber nicht gegen diese, da die Kette periodisch ist. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 37 / 55 7.4 Inferenz für Markov-Ketten Schätzung der Übergangswahrscheinlichkeiten Test auf Modellanpassung Allgemeinere Markov-Modelle: I Markov-Ketten höherer Ordnung I Hidden-Markov Modelle Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 38 / 55 Schätzung der Übergangswahrscheinlichkeiten Ziel: Schätzung der Übergangswahrscheinlichkeiten basierend auf einer (oder mehrerer) Realisationen einer Markov-Kette X. Es erscheint plausibel, die Übergangswahrscheinlichkeiten pij durch die entsprechenden Übergangshäufigkeiten nij p̂ij = ni zu schätzen, wobei P nij die Anzahl der beobachteten Übergänge von i nach j ist und ni = j nij . Im Folgenden zeigen wir, dass dies auch die ML-Schätzer sind. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 39 / 55 ML-Schätzung der Übergangswahrscheinlichkeiten Grundlage: Realisation X0 = x0 , X1 = x1 , . . . , XN = xN einer Markov-Kette X. Die Likelihood ist somit (vergleiche Folie S. 13) n Y (0) L(P) = µx0 pxt−1 ,xt = t=1 (0) µx0 Y i,j n pij ij wobei nij die Anzahl der beobachteten Übergänge von i nach j ist. Die Log-Likelihood ist dann X (0) l(P) = log(µx0 ) + nij log(pij ) i,j Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 40 / 55 ML-Schätzung der Übergangswahrscheinlichkeiten II Problem: Es sind mehrerer Parameter in θ = P durch Maximierung der Log-Likelihood l(P) zu schätzen, wobei noch die Restriktion X pij = 1 j für alle i zu berücksichtigen ist. ⇒ Lagrangesche Multiplikatorenmethode: Maximiere X X X (0) ∗ l (P) = log(µx0 ) + nij log(pij ) − λi pij − 1 i,j Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik i j SS 2012 41 / 55 ML-Schätzung der Übergangswahrscheinlichkeiten III Die partiellen Ableitungen nach pij sind somit nij dl ∗ (P) = − λi pij pij Nullsetzen liefert nij = λi pij . Durch Summation über j folgt X λi = nij = ni j und schließlich Esther Herberich und Matthias Schmid nij . p̂ij = ni () Stochastik und Statistik SS 2012 42 / 55 Beispiel: Regen bei den Snoqualmie Wasserfällen Über eine Zeitreihe von N = 13149 Tagen wurde an den Snoqualmie Wasserfällen registriert, ob es am jeweiligen Tag geregnet hat oder nicht. Erstellung eines Markov-Modells: Der Zustandsraum ist S = {0, 1} mit 0 : Kein Regen am Tag t = 1, . . . , N 1 : Regen Es ergibt sich n0 = 6229 (Tage ohne Regen) und n1 = 6920. Übergangsmatrix mit relativen Übergangshäufigkeiten (ML-Schätzer): 0.713 0.287 P̂ = 0.258 0.742 Frage: Passt sich das Markov-Modell den Daten gut an? → Betrachtung der “Verweildauern” (Wartezeiten bis zum nächsten Zustandswechsel) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 43 / 55 Verweildauern bei den Snoqualmie Wasserfällen Verweildauer im Zustand 1 (Regen) 300 200 Haeufigkeit 400 300 100 100 200 Haeufigkeit 500 400 600 500 Verweildauer im Zustand 0 (kein Regen) 0 2 4 6theoretisch empirisch 8 0 Zeit bis zum Zustandswechsel 2 4 6theoretisch empirisch Zeit bis zum Zustandswechsel 8 Theoretische (schwarz) und empirische (rot) Verweildauern in den beiden Zuständen. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 44 / 55 Markov-Ketten höherer Ordnung Zum Beispiel Markov-Kette zweiter Ordnung: Die Regenwahrscheinlichkeit hängt nun von den letzten zwei Tagen ab. Die Übergangswahrscheinlichkeiten sind P(Xn = s|Xn−1 = xn−1 , Xn−2 = xn−2 ). Diese Markov-Kette kann auch als Markov-Kette erster Ordnung dargestellt werden, indem man den Zustandsraum zu S = {00, 01, 10, 11} erweitert, wobei der erste Eintrag xn−2 und der zweite Eintrag xn−1 darstellt. → In der Übergangsmatrix ergeben sich dann strukturelle Nullen. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 45 / 55 Strukturelle Nullen Im Beispiel ergibt sich: 00 P= 01 10 11 00 01 10 11 0 0 0 0 0 0 0 0 da z.B. auf Xn−2 = 0 und Xn−1 = 0 nicht Xn−1 = 1 und Xn = 0 folgen kann etc. → die Anzahl der Spalten kann reduziert werden Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 46 / 55 Regen bei den Snoqualmie Wasserfällen Mit reduzierten Spalten ergibt sich im Beispiel 00 P̂ = 01 10 11 0 0.749 0.277 0.624 0.252 1 0.251 0.723 0.376 0.748 Alternativer Ansatz: Hidden Markov-Modell Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 47 / 55 7.5 Hidden Markov Modelle Mischverteilungsmodell mit zusätzlichem Zeitreihencharakter Anwendungen in verschiedenen Bereichen: I Ökonometrie, I Genetik (DNA-Sequenzierung, Stammbaumanalyse), I Spracherkennung, ... Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 48 / 55 Das Modell Latente Parameter X = (X1 , . . . , XN ) folgen einer (homogenen) Markov-Kette mit diskretem Zustandsraum S: Übergangsmatrix P mit pij = P(Xt = j|Xt−1 = i) Anfangsverteilung π mit πi = P(X0 = i) (oft impliziert durch π = πP) Die Beobachtungen yt |xt = s sind bedingt unabhängig aus einer Verteilung mit Wahrscheinlichkeitsfunktion fs (yt ) mit Parametern θ s . Beispielsweise: diskret mit Missklassifizierungswahrscheinlichkeiten ps Poisson mit Raten λs Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 49 / 55 Beispiel: Ein verrauschtes binäres Signal Daten: y = (2 2 2 1 2 2 1 1 1 1 1 2 1 1 1 2 1 2 2 2) |S| = 2 N = 20 P= 0.75 0.25 0.25 0.75 π= 0.5 0.5 f (yt = 1|xt = 1) = 0.8 f (yt = 1|xt = 2) = 0.2 f (yt = 2|xt = 1) = 0.2 f (yt = 2|xt = 2) = 0.8 Ziel der statistischen Inferenz: Restauration der Sequenz X Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 50 / 55 Inferenz bei festen Hyperparametern Hyperparameter: P, π, θ fest Ziel: Schätzung der latenten Zustände x = (x1 , . . . , xN ) Posteriori-Verteilung f (x|y) = f (x, y)/f (y) mit: f (x|y) ∝ f (x, y) = πx1 | N Y pxt−1 xt · t=2 {z f (x) N Y fxt (yt ) } t=1 | {z f (y|x) } Problem: Es gibt S N (!) unterschiedliche Sequenzen x. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 51 / 55 Posteriori-Modus Schätzung Viterbi-Algorithmus [Viterbi (1967)] I Rekursiver Algorithmus zur Maximierung von f (x, y) bzgl. x I liefert (einen) MAP-(posteriori Modus)-Schätzer von f (x|y) ∝ f (x, y) I Algorithmus ist numerisch effizient: O(|S|2 · N) Simulated annealing [Kirkpatrick, Gelatt & Vecchi (1983)] Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 52 / 55 Rekonstruktion des verrauschten binären Signals Das empfangene Signal war y = (2 2 2 1 2 2 1 1 1 1 1 2 1 1 1 2 1 2 2 2) Daraus kann man Schätzer für das zugrundeliegende Signal x berechnen: post. Wkeit P(x|y) Schätzer von x x̂MAP 1 = x̂MAP 2 = x̂MPM = y= (2 (2 (2 (2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 1 2 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 2) 2) 2) 2) 0.0304 0.0304 0.0135 0.0027 Hierbei bezeichnet x̂MPM den marginalen Posteriori Modus, d.h. jedes xi , i = 1, . . . , 20, in x̂MPM hat marginale Posteriori-Wahrscheinlichkeit P(xi |y) > 0.5. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 53 / 55 Inferenz bei unbekannten Hyperparametern Seinen nun bestimmte Hyperparameter θ unbekannt, wie beispielsweise die Übergangsmatrix P oder die Verteilung f (yi |xi ). Klassische Likelihood-Ansätze maximieren die (marginale) Likelihood L(θ) = f (y|θ) bezüglich θ, z.B. mit dem Baum-Welch-Algorithmus, der einen Spezialfall des EM-Algorithmus darstellt. P Problem: Berechnung von f (y|θ) = f (x, y|θ) x Bayesianische Ansätze verwenden zusätzliche priori-Verteilungen f (θ) und simulieren aus der posteriori-Verteilung f (x, θ|y) ∝ f (x, y|θ) · f (θ) mit Markov-Ketten Monte Carlo (MCMC) Verfahren. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 54 / 55 Beispiel zur Likelihood-Inferenz 1.0 Seinen nun die Einträge der Übergangsmatrix P unbekannt. Die marginale Likelihood L(p11 , p22 ) der Diagonalelemente p11 und p22 ist in folgender Graphik dargestellt. Die ML-Schätzungen sind p̂11 = 0.85 und p̂22 = 0.78. 2e−07 4e−07 6 p22 0.6 0.8 1.4e−0 0.4 1.2e−06 1e−06 0.0 6e−0 0.0 0.2 07 2e− 4e −0 7 0.2 8e−07 7 0.4 0.6 0.8 1.0 p11 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 55 / 55 8. Stetige Zufallsvariablen Idee: Eine Zufallsvariable X ist stetig, falls ihr Träger eine überabzählbare Teilmenge der reellen Zahlen R ist. Beispiel: Glücksrad mit stetigem Wertebereich [0, 2π] Von Interesse ist die Zufallsvariable, die den exakten Winkel angibt, an dem das Glücksrad stehen bleibt. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 1 / 65 8.1 Definition von stetigen Zufallsvariablen Eine Zufallsvariable X heißt stetig, wenn es eine Funktion f (x) ≥ 0 gibt, so dass sich die Verteilungsfunktion F (x) = P(X ≤ x) von X wie folgt darstellen lässt: Z x f (u) du F (x) = −∞ Die Funktion f (x) heißt Wahrscheinlichkeitsdichte (kurz: Dichte oder Dichtefunktion) von X. Der Träger T von X ist die Menge aller Elemente x ∈ R für die f (x) > 0 gilt. Beachte den Unterschied zu diskreten Zufallsvariablen! Hier gilt: X F (x) = f (xi ) i:xi ≤x Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 2 / 65 Einige Folgerungen P(X = x) = 0 Z P(X ∈ [a, b]) = +∞ Z f (x) dx a für alle x ∈ R b f (x) dx = 1 −∞ Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 3 / 65 Beispiel: Die stetige Gleichverteilung Eine Zufallsvariable X heißt stetig gleichverteilt auf dem Intervall [a, b], falls ihre Dichtefunktion die folgende Form hat: ( 1 für x ∈ [a, b] b−a f (x) = 0 sonst Der Träger von X ist also T = [a, b]. Die Verteilungsfunktion F (x) von X ergibt sich zu x <a 0 x−a x ∈ [a, b] F (x) = b−a 1 x >b Man schreibt kurz: X ∼ U(a, b) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 4 / 65 ● ● ● 1.0 ● 0.2 2 3 4 5 6 0.0 0.00 0.05 0.4 0.10 f(x) F(x) 0.6 0.15 0.8 0.20 0.25 Beispiel: Die stetige Gleichverteilung II 2 3 4 5 6 Dichtefunktion (links) und Verteilungsfunktion (rechts) der stetigen Gleichverteilung für a = 2 und b = 6 Funktionen in R: dunif(...) berechnet die Dichtefunktion punif(...) berechnet die Verteilungsfunktion qunif(...) berechnet die Quantilsfunktion runif(...) erzeugt Zufallszahlen x Esther Herberich und Matthias Schmid x () Stochastik und Statistik SS 2012 5 / 65 Eigenschaften der Verteilungsfunktion 1 lim F (x) = 0 und lim F (x) = 1 x→−∞ x→∞ 2 An allen Stetigkeitsstellen von f (x) gilt: F 0 (x) = f (x) 3 P(a ≤ X ≤ b) = F (b) − F (a) 4 P(X > a) = 1 − F (a) etc. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 6 / 65 Allgemeine Definition von stetigen ZVn Frage: Für welche Mengen B ist die Aussage Z P(X ∈ B) = f (x)dx B überhaupt sinnvoll? Sei F die Mengenfamilie aller offenen Intervalle in R. Dann gibt es eine sogenannte σ-Algebra (eine spezielle Mengenfamilie) σ(F), die F enthält. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 7 / 65 σ-Algebren Für eine σ-Algebra σ(F) muss gelten: 1 ∅ und Ω ∈ σ(F) 2 Für A, B ∈ σ(F) ist auch B \ A ∈ σ(F). 3 Für A1 , A2 , . . . ∈ σ(F) ist auch I ∞ S n=1 I ∞ T n=1 An ∈ σ(F) und An ∈ σ(F). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 8 / 65 Axiome von Kolmogorov Ein Wahrscheinlichkeitsmaß P auf Ω wird nun mittels σ(F) definiert: Für alle paarweise disjunkten Mengen A1 , A2 , . . . ∈ σ(F) soll gelten (vgl. Axiom A3, Abschnitt 2.3): P(∪∞ n=1 An ) = ∞ X P(An ) n=1 Ferner müssen natürlich auch A1 und A2 erfüllt sein: P(∅) = 0 P(Ω) = 1 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 9 / 65 8.2 Wichtige stetige Verteilungen Im Folgenden werden wir nun wichtige stetige Verteilungen kennenlernen. Stetige Verteilungen hängen wie diskrete Verteilungen von einem oder mehreren Parametern ab. Zur Charakterisierung werden wir meist die Dichtefunktion und den Träger angeben. Eine Verteilung haben wir schon kennengelernt, die stetige Gleichverteilung mit Parametern a ∈ R und b ∈ R (a < b). Sie hat die Dichtefunktion 1 f (x) = b−a und den Träger T = [a, b]. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 10 / 65 Die Exponentialverteilung Eine stetige Zufallsvariable X mit positivem Träger T = R+ heißt exponentialverteilt mit Parameter λ ∈ R+ , wenn sie die Dichte λ exp(−λx) für x ≥ 0 f (x) = 0 sonst besitzt. Die Verteilungsfunktion ergibt sich zu 1 − exp(−λx) für x ≥ 0 F (x) = 0 für x < 0 Notation: X ∼ E(λ) Funktionen in R: dexp(), etc. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 11 / 65 F(x) λ = 0.9 λ = 0.5 λ = 0.3 0.4 0.4 λ = 0.9 λ = 0.5 λ = 0.3 0.0 0.0 0.2 0.2 f(x) 0.6 0.6 0.8 0.8 1.0 Die Exponentialverteilung II 0 2 4 6 8 10 0 x 2 4 6 8 10 x Dichtefunktion (links) und Verteilungsfunktion (rechts) der Exponentialverteilung mit verschiedenen Raten Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 12 / 65 Die Gammaverteilung Die Gammaverteilung ist eine Verallgemeinerung der Exponentialverteilung. Sie hat auch den positiven Träger T = R+ , aber einen Parameter mehr: Eine stetige Zufallsvariable X heißt gammaverteilt mit Parametern α ∈ R+ und β ∈ R+ (Notation: X ∼ G(α, β) ), falls sie die Dichte ( α β α−1 exp(−βx) für x > 0 x Γ(α) f (x) = 0 sonst besitzt. Hierbei ist Γ(α) die Gammafunktion Z ∞ Γ(α) = x α−1 exp(−x) dx 0 wobei Γ(x + 1) = x! für x = 0, 1, 2, . . . gilt. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 13 / 65 1.0 4 Die Gammaverteilung II F(x) 0 0.0 0.2 1 0.4 2 f(x) 0.6 3 0.8 α, β = (2, 3) α, β = (1.2, 3) α, β = (2, 6) α, β = (1.2, 6) 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 0.0 x 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 x Dichtefunktion (links) und Verteilungsfunktion (rechts) der Gammaverteilung mit verschiedenen Werten für α und β Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 14 / 65 Eigenschaften der Gammaverteilung Für α = 1 ergibt sich die Exponentialverteilung mit Parameter λ = β. Für α = d/2 mit d ∈ N und β = 12 ergibt sich die sogenannte χ2 -Verteilung mit d Freiheitsgraden. Notation: X ∼ χ2 (d) Funktionen in R: I Gammaverteilung: dgamma(x, shape = α, rate = β), etc. I χ2 -Verteilung: Esther Herberich und Matthias Schmid dchisq(x, df = Freiheitsgrade), etc. () Stochastik und Statistik SS 2012 15 / 65 Wieso ist bei der Gammaverteilung R f (u)du = 1? Verwendung der Substitutionsregel: Z Z f˜(g (x)) · g 0 (x) dx = f˜(z) dz mit g (x) = β · x: f (x) = = = β α α−1 x exp(−βx) Γ(α) β g (x)α−1 exp(−g (x)) Γ(α) 1 g (x)α−1 exp(−g (x)) β |{z} Γ(α) g 0 (x) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 16 / 65 Die Normalverteilung “Gaußsche Glockenkurve” Eine Zufallsvariable X mit Träger T = R und Parametern µ ∈ R und σ 2 ∈ R+ heißt normalverteilt, falls sie die Dichtefunktion 2 1 (x − µ) 1 1 exp − für x ∈ R f (x) = √ 2 2 σ 2π σ hat. Für µ = 0 und σ 2 = 1 nennt man die Zufallsvariable standardnormalverteilt. Man schreibt kurz: X ∼ N (µ, σ 2 ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 17 / 65 1.0 0.4 Die Normalverteilung II F(x) 0.0 0.0 0.2 0.1 0.4 0.2 f(x) 0.6 0.3 0.8 µ, σ = (0, 1) µ, σ = (2, 1) µ, σ = (0, 2) −5 0 5 −6 x −4 −2 0 2 4 6 x Dichtefunktion (links) und Verteilungsfunktion (rechts) der Normalverteilung mit verschiendenen Werten für µ und σ Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 18 / 65 Mehr zur Normalverteilung Funktionen in R: dnorm(...) pnorm(...) qnorm(...) rnorm(...) berechnet die Dichtefunktion berechnet die Verteilungsfunktion berechnet die Quantilsfunktion erzeugt Zufallszahlen Beachte: Z F (x) = x −∞ f (u) du ist nicht analytisch zugänglich (d.h. man findet keine Stammfunktion und braucht numerische Integration). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 19 / 65 Wieso ist bei der Normalverteilung R f (u)du = 1? Man weiß aus der Analysis, dass für a > 0 gilt: √ Z ∞ π 2 2 exp(−a x ) dx = a −∞ Ferner kann man leicht zeigen, dass Z Z 2 2 1 (x − µ) x exp − dx = exp − 2 dx 2 2 σ 2σ für alle µ ∈ R gilt. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 20 / 65 Die Betaverteilung Eine Zufallsvariable X mit Träger T = (0, 1) und Parametern α ∈ R+ und β ∈ R+ heißt betaverteilt (X ∼ Be(α, β) ), falls sie die Dichtefunktion ( 1 α−1 (1 − x)β−1 für 0 < x < 1 x B(α,β) f (x) = 0 sonst besitzt. Hierbei ist die Betafunktion B(α, β) gerade so definiert, dass die R1 Dichtefunktion die Normierungseigenschaft f (x) dx = 1 besitzt: 0 Γ(α)Γ(β) B(α, β) = = Γ(α + β) Esther Herberich und Matthias Schmid Z 0 1 x α−1 (1 − x)β−1 dx () Stochastik und Statistik SS 2012 21 / 65 F(x) 0.2 1 0.4 2 f(x) 0.6 3 0.8 4 1.0 Die Betaverteilung II 0 0.0 α, β = (2, 3) α, β = (1.2, 3) α, β = (2, 6) α, β = (1.2, 6) 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 0.0 x 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 x Dichtefunktion (links) und Verteilungsfunktion (rechts) der Betaverteilung mit verschiedenen Werten für α und β Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 22 / 65 Die Betaverteilung III Beachte: Für α = β = 1 erhält man die Gleichverteilung auf dem Intervall [0, 1]. Funktionen in R: dbeta(...) pbeta(...) qbeta(...) rbeta(...) berechnet Dichtefunktion berechnet Verteilungsfunktion berechnet Quantilsfunktion erzeugt Zufallszahlen Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 23 / 65 8.3 Lageparameter von stetigen Zufallsvariablen Man unterscheidet wieder den Erwartungswert (existiert meistens, ist dann auch eindeutig) den Median (existiert immer, ist immer eindeutig, solange der Träger von X ein Intervall ist) den Modus (existiert nicht immer, ist auch nicht immer eindeutig) Diese sind nun aber anders definiert. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 24 / 65 Der Erwartungswert von stetigen Zufallsvariablen Der Erwartungswert einer stetigen Zufallsvariable X ist definiert als Z ∞ EX = x · f (x) dx −∞ unter der Voraussetzung, dass die Funktion x · f (x) absolut integrierbar ist: Z ∞ Z ∞ |xf (x)| dx = |x|f (x) dx < ∞ −∞ −∞ Andernfalls sagt man, der Erwartungswert von X existiert nicht bzw. ist unendlich. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 25 / 65 Eigenschaften des Erwartungswertes Wir setzen hier die Existenz des Erwartungswertes voraus. Z ∞ 1 E[g (X )] = g (x)f (x) dx für eine beliebige Funktion g : R → R −∞ 2 E(a · X + b) = aE(X ) + b “Linearität” 3 E(X + Y ) = E(X ) + E(Y ) “Additivität” 4 Ist f (x) symmetrisch um einen Punkt c, d.h. f (c − x) = f (c + x) ∀x ∈ R dann ist E(X ) = c. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 26 / 65 Beispiele für Erwartungswerte stetiger Verteilungen 1 Der Erwartungswert der Betaverteilung ist α/(α + β). 2 Der Erwartungswert der stetigen Gleichverteilung ist (a + b)/2. 3 Der Erwartungswert der Exponentialverteilung ist 1/λ. Beweis über partielle Integration: Z 4 u(x)v 0 (x) dx = u(x)v (x) − Z u 0 (x)v (x) dx Die Cauchy-Verteilung mit Dichtefunktion 1 1 f (x) = · π 1 + x2 für x ∈ R hat keinen (endlichen) Erwartungswert. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 27 / 65 Quantile von stetigen Zufallsvariablen Wir nehmen an, dass der Träger der stetigen Zufallsvariable X ein Intervall ist. Somit ist die Umkehrfunktion F −1 (p) der Verteilungsfunktion F (x) von X eindeutig definiert. Das p-Quantil der Verteilung von X ist definiert als der Wert xp für den F (x) = p gilt. Somit gilt xp = F −1 (p). Speziell erhält man für p = 0.5 den Median xMed . Ist f (x) symmetrisch um einen Punkt c, so ist xMed = c. Beispiel: Bei einer normalverteilten Zufallsvariable X ∼ N (µ, σ 2 ) ist xMed = µ. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 28 / 65 Der Modus von stetigen Zufallsvariablen Ein Modus einer stetigen Zufallsvariable X ist ein Wert xMod , für den für alle x ∈ R gilt: f (xMod ) ≥ f (x) Der Modus ist nicht notwendigerweise eindeutig, noch muss er existieren. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 29 / 65 Beispiele 1 Der Modus der Betaverteilung ist für α > 1 und β > 1 eindeutig gleich α−1 xMod = α+β−2 2 Der Modus der Exponentialverteilung ist gleich Null. 3 Der Modus der Normalverteilung ist µ. 4 Der Modus der Gammaverteilung ist für α > 1 eindeutig gleich xMod α−1 = β Für α < 1 existieren keine Modi. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 30 / 65 Die Varianz einer stetigen Zufallsvariable Die Varianz einer stetigen Zufallsvariable definiert man analog zum diskreten Fall: Z ∞ Var(X ) = E[X − E(X )]2 = E[X − µ]2 = (x − µ)2 f (x) dx −∞ mit µ = E(X ). Die Standardabweichung ist ebenfalls wie im diskreten Fall definiert: p σ = Var(X ) Beachte: Auch die Varianz kann nicht existieren, d.h. unendlich sein. Existiert der Erwartungswert nicht, so existiert auch die Varianz nicht. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 31 / 65 Eigenschaften der Varianz Es gelten dieselben Eigenschaften wie im diskreten Fall: Verschiebungssatz: Var(X ) = E(X 2 ) − [E(X )]2 Lineare Transformationen: Für Y = a · X + b gilt: Var(Y ) = a2 · Var(X ) Sind X und Y unabhängig, so gilt: Var(X + Y ) = Var(X ) + Var(Y ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 32 / 65 Beispiel: Varianz der stetigen Gleichverteilung Zunächst gilt 3 − a3 1 b E(X 2 ) = · 3 b−a und mit dem Verschiebungssatz ergibt sich: 2 (b − a) Var(X ) = EX 2 − (EX )2 = 12 Die Varianz wächst also quadratisch und die Standardabweichung somit linear mit der Breite b − a des Trägers. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 33 / 65 Erwartungswerte und Varianzen stetiger Verteilungen Symbol E(X ) Var(X ) X ∼ U(a, b) a+b 2 (b−a)2 12 X ∼ E(λ) 1 λ 1 λ2 Gammaverteilung X ∼ G(α, β) α β α β2 Normalverteilung X ∼ N (µ, σ 2 ) µ σ2 Betaverteilung X ∼ Be(α, β) α α+β α·β (α+β)2 (α+β+1) Name Gleichverteilung Exponentialverteilung Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 34 / 65 8.4 Das Gesetz der großen Zahlen Das Gesetz der großen Zahlen ist eine Aussage über das arithmetische Mittel n 1 X X̄n = Xi n i=1 für n → ∞, wobei die Xi (i = 1, . . . , n) unabhängig und identisch verteilte Zufallsvariablen (engl.: iid = “independent and identically distributed”) aus einer Verteilung mit Erwartungswert µ und Varianz σ 2 sind. Es gilt: E(X̄n ) = µ und Var(X̄n ) = n1 σ 2 Daher folgt sofort für n → ∞: X̄n → µ und Var(X̄n ) → 0 ⇒ Das arithmetische Mittel konvergiert gegen den Erwartungswert. Dies funktioniert nicht bei der Cauchy-Verteilung! Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 35 / 65 0.2 0.0 −0.2 −0.4 Arithmetisches Mittel 0.4 Beispiel: Normalverteilung 0 2000 4000 6000 8000 10000 n Arithmetisches Mittel für 10000 standardnormalverteilte ZV Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 36 / 65 0 −2 −4 −8 −6 Arithmetisches Mittel 2 4 Beispiel: Cauchyverteilung 0 2000 4000 6000 8000 10000 n Arithmetisches Mittel für 10000 cauchyverteilte ZV Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 37 / 65 8.5 Der Transformationssatz für Dichten Sei X eine stetige Zufallsvariable mit Dichte fX (x). Betrachte nun die Zufallsvariable Y = g (X ), wobei z.B. Y = exp(X ), Y = X 2 , . . . Frage: Wie lautet die Dichte fY (y ) von Y ? Für eine streng monotone und differenzierbare Funktion g gilt der Transformationssatz für Dichten: −1 dg (y ) −1 fY (y ) = fX (g (y )) · dy | {z } g −1 0 (y ) Beweis über die Verteilungsfunktion FY (y ) von Y in der Vorlesung. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 38 / 65 Beispiel: Das Quadrat einer Standardnormalverteilung Wie lautet die Dichte von Y = X 2 , falls X ∼ N (0, 1)? Betrachte zunächst Z = |X |. Z hat offensichtlich die Dichte 2 1 2 f (z) = √ exp(− z ) 2 2π für z > 0 und 0 sonst Nun ist X 2 = Y = Z 2 = g (Z ) und g monoton wachsend auf dem √ + 2 Wertebereich R . Es ergibt sich (y = z ⇔ z = y ) f (y ) = 1 1 − 21 √ y · exp(− y ) 2 2π Dies entspricht der Dichte einer G(0.5, 0.5), also einer χ2 -Verteilung mit 1 Freiheitsgrad: Y = X 2 ∼ χ21 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 39 / 65 Beispiel: Erzeugung exponentialverteilter Zufallsvariablen Betrachte X ∼ U[0, 1] und Y = − log(X ), also g (x) = − log(X ). Die Umkehrfunktion und deren Ableitung lauten: g −1 (y ) = exp(−y ) dg −1 (y ) = − exp(−y ) dy Durch Anwendung des Transformationssatzes für Dichten erhält man: fY (y ) = 1 · |− exp(−y )| = exp(−y ) Es gilt: Y ∼ E(λ = 1)! Dies ist also eine einfache Art, exponentialverteilte Zufallsvariablen zu erzeugen! Allgemeiner liefert Y = − λ1 log(x) Zufallszahlen aus einer Exponential- verteilung mit Parameter λ : Esther Herberich und Matthias Schmid Y ∼ E(λ) () Stochastik und Statistik SS 2012 40 / 65 Die Inversions-Methode Allgemeiner kann man die Inversions-Methode zur Erzeugung von Zufallszahlen aus einer beliebigen stetigen Verteilung mit Verteilungsfunktion F (x) verwenden: Erzeuge stetig gleichverteilte Zufallsvariablen U1 , . . . , Un auf dem Intervall [0, 1]. Dann sind Xi = F −1 (Ui ), i = 1, . . . , n Zufallszahlen aus der gewünschten Verteilung. Beweis: Die Dichte von Xi ergibt sich zu: fX (x) = fU (F (x)) · F 0 (x) = f (x) | {z } | {z } =1 Esther Herberich und Matthias Schmid f (x) () Stochastik und Statistik SS 2012 41 / 65 Beispiel: Zufallszahlen aus der Cauchy-Verteilung Dichte- und Verteilungsfunktion der Cauchy-Verteilung sind: 1 1 f (x) = · π 1 + x2 1 arctan(x) und F (x) = + 2 π Die inverse Verteilungsfunktion ist somit: 1 −1 F (y ) = tan π y − 2 Zufallszahlen aus der Cauchy-Verteilung lassen sich also leicht erzeugen, 1 indem man U1 , . . . , Un aus ∼ U[0, 1] erzeugt und tan π Ui − 2 berechnet. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 42 / 65 8.6 Der zentrale Grenzwertsatz Aussage, dass - unter Regularitätsbedingungen - das arithmetische Mittel, geeignet standardisiert, von beliebigen unabhängig und identisch verteilten Zufallsvariablen gegen die Standardnormalverteilung konvergiert. Begründet die zentrale Rolle der Normalverteilung in der Stochastik. Zunächst müssen wir noch standardisierte Zufallsvariablen definieren. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 43 / 65 Standardisierte Zufallsvariablen Jede Zufallsvariable X mit endlichem Erwartungswert µ = E(X ) und endlicher Varianz σ 2 = Var(X ) kann man derart linear transformieren, dass sie Erwartungswert 0 und Varianz 1 besitzt: X −µ X̃ = σ Dann gilt: E(X̃ ) = Var(X̃ ) = Esther Herberich und Matthias Schmid 1 (E(X ) − µ) = 0 σ 1 Var(X ) = 1 2 σ () Stochastik und Statistik SS 2012 44 / 65 Standardisierung von Summen von iid ZVn Betrachte iid Zufallsvariablen X1 , X2 , . . . , Xn mit endlichem Erwartungswert µ = E(Xi ) und endlicher Varianz σ 2 = Var(Xi ). Für die Summe Yn = X1 + X2 + . . . + Xn gilt offensichtlich: E(Yn ) = n · µ Var(Yn ) = n · σ 2 Für die standardisierte Summe n X Xi − µ 1 Yn − nµ √ √ = Zn = σ n·σ n i=1 gilt somit E(Zn ) = 0 und Var(Zn ) = 1. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 45 / 65 Der zentrale Grenzwertsatz (ZGWS) Die Verteilungsfunktion Fn (z) von Zn konvergiert für n → ∞ an jeder Stelle z ∈ R gegen die Verteilungsfunktion Φ(z) der Standardnormalverteilung. Schreibweise: Fn (z) → Φ(z) für n → ∞ und alle z ∈ R a bzw. kurz Zn ∼ N (0, 1) (a = “asymptotisch”) In der Praxis kann man also die Verteilung von Zn für große n gut durch eine Standardnormalverteilung approximieren. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 46 / 65 Bemerkungen der ZGWS gilt sowohl für stetige als auch für diskrete ZV Xi Xi kann beliebig ”schiefe” Verteilungen haben, z.B. Xi ∼ E(λ) Die Standardisierung ist nicht notwendig zur Formulierung des ZGWS. Alternativ kann man auch direkt Yn = X1 + . . . + Xn betrachten. Dann gilt a Yn ∼ N (n · µ, n · σ 2 ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 47 / 65 Beispiel: Bernoulliverteilung Seien Xi ∼ B(π), Pni = 1, . . . , n und unabhängig. Dann ist Yn = i=1 Xi ∼ B(n, π) und asymptotisch gilt: Yn − n · π a p ∼ N (0, 1) n · π(1 − π) bzw. Esther Herberich und Matthias Schmid a Yn ∼ N (n · π, n · π(1 − π)) () Stochastik und Statistik SS 2012 48 / 65 8.7 Die gemeinsame Verteilung zweier stetiger ZVn Die gemeinsame Verteilungsfunktion zweier stetiger Zufallsvariablen X und Y ist die Funktion F (x, y ) = P(X ≤ x und Y ≤ y ) Alternativ kann man die gemeinsame Verteilung von X und Y auch über deren gemeinsame Dichtefunktion f (x, y ) definieren, wobei Z y Z x F (x, y ) = f (u, v ) du dv v =−∞ u=−∞ für alle x, y ∈ R gelten muss. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 49 / 65 Eigenschaften Für f (x, y ) stetig gilt: d 2 F (x, y ) = f (x, y ) dx dy f (x, y ) ist normiert: Z +∞ Z +∞ −∞ −∞ f (x, y ) dx dy = 1 Bemerkung: Manchmal schreiben wir explizit FX ,Y für F und fX ,Y für f . Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 50 / 65 Randverteilung und Erwartungswert einer Funktion Die Dichten der Randverteilungen sind gegeben durch: Z +∞ f (x, y ) dy fX (x) = −∞ +∞ Z bzw. fY (y ) = −∞ f (x, y ) dx Sei g : R2 → R eine reellwertige Funktion, so ist Z +∞ Z +∞ E(g (X , Y )) = g (x, y ) · f (x, y ) dx dy −∞ Esther Herberich und Matthias Schmid −∞ () Stochastik und Statistik SS 2012 51 / 65 Unabhängigkeit X , Y heißen unabhängig, genau dann, wenn FX ,Y (x, y ) = FX (x) FY (y ) bzw. fX ,Y (x, y ) = fX (x) fY (y ) ∀x, y ∈ R Allgemeiner gilt: X1 , X2 , . . . , Xn sind genau dann unabhängig, wenn gilt: f (x1 , x2 , . . . , xn ) = f (x1 ) · f (x2 ) · . . . · f (xn ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 52 / 65 Kovarianz und Korrelation Man definiert analog zum diskreten Fall: die Kovarianz Cov(X , Y ) = die Korrelation ρ(X , Y ) = E[(X − EX )(Y − EY )] √ Cov(X √,Y ) Var(X ) Var(Y ) Es gilt wieder der Verschiebungssatz für die Kovarianz: Cov(X , Y ) = E(XY ) − E(X ) · E(Y ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 53 / 65 Beispiel Betrachte ( fX ,Y (x, y ) = 1 x 0 für 0≤y ≤x ≤1 sonst Die Randverteilungen von X und Y ergeben sich zu Z x 1 fX (x) = dy = 1 für 0 ≤ x ≤ 1 0 x Z fY (y ) = Esther Herberich und Matthias Schmid y 1 1 dx = log (1/y ) x () Stochastik und Statistik für 0≤y ≤1 SS 2012 54 / 65 Beispiel R1 R1 Man überprüft leicht, dass 0 f (x) dx = 1 und 0 f (y ) dy = 1 und daher Z Z f (x, y ) dy dx = 1 Die Korrelation zwischen X und Y ergibt sich zu ρ(X , Y ) ≈ 0.65 . (Details in Vorlesung) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 55 / 65 Die bivariate Standardnormalverteilung Die bivariate (“zweidimensionale”) Standardnormalverteilung mit Parameter ρ (|ρ| < 1) hat die Dichtefunktion 1 1 2 2 p exp − (x − 2ρxy + y ) f (x, y ) = 2 2 2 (1 − ρ ) 2π 1 − ρ Die Randverteilungen von X und Y sind (für jedes ρ) standard-normalverteilt. Die Korrelation zwischen X und Y ist gleich ρ. Aus Unkorreliertheit von X und Y folgt hier auch die Unabhängigkeit von X und Y . Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 56 / 65 Höhenlinien der bivariaten Standardnormalverteilung ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 3 3 3 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● 0.02 ● ● ● ● ● ● ● ● 0.04 ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0 ● ● −1 ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ●● ● ●● ● ●● ● ● ● ● ● 0.18 ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.06 ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.1 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.14 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ●●● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ●● ● ● ●● ●● ● ● ● ●● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●●●● ●● 0.18 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●●● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ●● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.16 ●● ● ●● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●●● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ●● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.12 ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.08 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.08 ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.12 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ●● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.16 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.04 ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.2 ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● 0.14 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.2 ● ● ● ● 0.1 2 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● −2 ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.1 ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ●● ● ● ●● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●●● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ●● ●● ● ●● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●●● ● ●● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ●● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ●● ● ● ● ●● ● ●●● ● ● ● ●● ● ●● ● ● ● ● ● ●● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ●● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ●● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ●● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ●● ● ● ● ● ● ●● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●●●● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● 0.14 ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.12 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.06 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.04 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● −2 1 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● y ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 1 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0 ● ● ● ● 0.06 0.08 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● −1 ● ● ● ● ● −2 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0.02 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● y ● ● 2 ● ● ● ● ● y 2 ● 0.02 ● ● ● ● ● ● ● ● ● 2 ● ● ● ● ● ● 1 ● ● −1 ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● −3 −3 −3 ● ● ● ● ● ● ● ● −3 −2 −1 0 1 x 2 3 −3 −2 −1 0 1 2 3 −3 −2 −1 x 0 1 2 3 x Höhenlinien der Dichtefunktion der bivariaten Standardnormalverteilung mit jeweils 500 Stichproben für ρ = 0 (links), ρ = 0.7 (Mitte) und ρ = −0.5 (rechts) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 57 / 65 Die bivariate Normalverteilung Die allgemeine bivariate Normalverteilung erhält man durch die linearen Transformationen einer bivariaten Standardnormalverteilung: X Y → µX + σ X · X → µY + σ Y · Y Insgesamt fünf Parameter: µX , µY , σX2 , σY2 , ρ Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 58 / 65 8.8 Bedingte Verteilungen Betrachte die Zufallsvariablen X und Y mit gemeinsamer Dichte fX ,Y (x, y ). Wir interessieren uns für die bedingte Verteilung von X gegeben Y = y . Problem: Es gilt P(Y = y ) = 0 für alle y . Daher ist P(X ≤ x und Y = y ) P(X ≤ x|Y = y ) = P(Y = y ) nicht definiert. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 59 / 65 Bedingte Verteilungs- und Dichtefunktion Man geht nun anders vor und betrachtet P(X ≤ x|y ≤ Y ≤ y + dy ) = ≈ P(X ≤ x und y ≤ Y ≤ y + dy ) P(y ≤ Y ≤ y + dy ) Rx −∞ fX ,Y (u, y ) dy du Z = fY (y ) dy x −∞ fX ,Y (u, y ) du fY (y ) | {z } (∗) (∗) Dichtefunktion der bedingten Verteilung von X geg. Y = y Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 60 / 65 Bedingte Verteilungs- und Dichtefunktion II Man definiert nun: Die bedingte Verteilungsfunktion von X , gegeben Y = y ist Z x fX ,Y (u, y ) FX |Y (x|y ) = du fY (y ) −∞ für alle y mit fY (y ) > 0. Die bedingte Dichte von X , gegeben Y = y ist somit fX ,Y (x, y ) fX |Y (x|y ) = fY (y ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 61 / 65 Beispiel Betrachten wir wieder die Zufallsvariablen X und Y mit gemeinsamer Dichte ( 1 x für 0 ≤ y ≤ x ≤ 1 fX ,Y (x, y ) = 0 sonst Für die bedingten Dichten von Y , gegeben X = x ergibt sich: ( 1 x für 0 ≤ y ≤ x fY |X (y |x) = 0 sonst d.h. Y |X = x ist gleichverteilt auf [0, x]. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 62 / 65 Beispiel II Für die bedingten Dichten von X , gegeben Y = y ergibt sich: fX |Y (x|y ) = 1 x log( y1 ) ( = Esther Herberich und Matthias Schmid für y ≤ x ≤ 1 −1/(x log(y )) für y ≤ x ≤ 1 0 () Stochastik und Statistik sonst SS 2012 63 / 65 Simulation über bedingte Verteilungen Bedingte Verteilungen sind sehr nützlich zum Simulieren aus gemeinsamen Verteilungen. Wegen fX ,Y (x, y ) = fX |Y (x|y ) · fY (y ) (1) kann man zunächst eine Zufallsvariable Y = y aus der Randverteilung fY (y ) ziehen, und dann bedingt auf Y = y eine Zufallszahl aus der bedingten Verteilung fX |Y (x|y ) ziehen. Oder andersherum: fX ,Y (x, y ) = fY |X (y |x) · fX (x) (2) Im Beispiel ist Version (2) einfacher zu implementieren. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 64 / 65 Beispiel: Standardnormalverteilung Angenommen X und Y sind bivariat standardnormalverteilt. Dann ist 1 1 1 √1 2 − 2ρxy + y 2 ) exp − (x 2 2π 2 (1−ρ ) 1−ρ2 fX |Y (x|y ) = 1 1 2 √ exp − 2 y 2π = 2 1 1 1 (x − ρy ) √ p exp − 2 2 (1 − ρ2 ) 2π 1 − ρ also X |Y = y ∼ N(ρ · y , 1 − ρ2 ) Analog erhält man Y |X = x ∼ N(ρ · x, 1 − ρ2 ) → Simulation aus der bivariaten Standardnormalverteilung Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 65 / 65 9. Elemente Statistischer Inferenz II Überblick Likelihood-Inferenz für stetige Zufallsvariablen Tests auf Modellanpassung (“goodness of fit tests”) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 1 / 25 9.1 Likelihood-Inferenz für stetige ZVn Likelihood-Inferenz lässt sich analog zu diskreten Zufallsvariablen auch bei stetigen Zufallsvariablen anwenden. Beispiel: X1 , X2 , . . . , Xn seien unabhängige Beobachtungen aus einer E(λ)-Verteilung. WiePlautet der ML-Schätzer von θ = λ und dessen Standardfehler? Für x̄ = ni=1 xni ergibt sich (Herleitung in Vorlesung): λ̂ML = 1/x̄ √ √ SE (λ̂ML ) = 1/( n x̄) = λ̂ML / n √ → 95% Wald-Intervall für λ: 1/x̄ ± 1.96 · 1/( n x̄) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 2 / 25 Wie gut ist die Approximation? Dazu wird eine Simulationsstudie mit wahrem Wert θ = λ und variierendem n durchgeführt: Berechnung von m Konfidenzintervallen, jeweils basierend auf n exponentialverteilten Zufallsvariablen Berechnung der empirischen Verteilung des ML-Schätzers und der Überdeckungshäufigkeit (Anteil der Konfidenzintervalle, die den wahren Wert beinhalten) Woher kommt die offensichtlich sehr gute Approximation? Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 3 / 25 Asymptotische Eigenschaften des ML-Schätzers Man kann zeigen, dass (unter Regularitätsbedingungen) asymptotisch (für großen Stichprobenumfang) gilt: a θ̂ML ∼ N (µ = θ, σ 2 = SE (θ̂ML )2 ) Nach Standardisierung erhält man: θ̃ML = θ̂ML − θ SE (θ̂ML ) a ∼ N (0, 1) D.h., der ML-Schätzer ist asymptotisch unverzerrt und normalverteilt mit Standardabweichung gleich dem Standardfehler. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 4 / 25 Motivation von Wald-Intervallen Sei xα = Φ−1 (α) das α-Quantil der Standardnormalverteilung. Dann gilt mit einer Wahrscheinlichkeit von β = 1 − α, dass θ̃ML asymptotisch im Intervall [xα/2 , x1−α/2 ] ist. Beachte: Wegen der Symmetrie der Normalverteilung ist xα/2 = −x1−α/2 Nun kann der Faktor d in der Formel θ̂ML ± d · SE (θ̂ML ) für Wald-Intervalle von θ zum Niveau β (vgl. Abschnitt 6.1) motiviert werden. Es gilt d = x1−α/2 . Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 5 / 25 Mehr zur Asymptotik des ML-Schätzers Betrachte wieder exemplarisch die unabhängigen X1 , X2 , . . . , Xn aus einer E(λ)-Verteilung. Es gilt: µ = E(Xi ) = 1/λ Var(Xi ) = 1/λ2 Wir wollen nun µ = 1/λ durch Maximum Likelihood schätzen. Es ergibt sich: µ̂ML = x̄ (wegen Invarianzeigenschaft) √ √ SE (µ̂ML ) = x̄/ n = µ̂ML / n (ohne Beweis) → 95% Wald-Intervall für µ: Esther Herberich und Matthias Schmid √ x̄ ± 1.96 · x̄/ n () Stochastik und Statistik SS 2012 6 / 25 Der ML-Schätzer als Zufallsvariable Betrachte X̄ = 1 n P Xi mit unabhängigen Xi ∼ E(λ). Es folgt: E(X̄ ) = µ √ Var(X̄ ) = µ /n = (µ/ n)2 2 √ d.h. der ML-Schätzer X̄ ist erwartungstreu mit Standardabweichung µ/ n. Daher gilt wegen dem zentralen Grenzwertsatz (ZGWS): a X̄ ∼ N (µ, σ 2 = µ2 /n) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 7 / 25 Konfidenzintervall basierend auf dem ZGWS Ein 95%-Konfidenzintervall für µ basierend auf dem ZGWS ist daher √ x̄ ± 1.96 · µ/ n Problem: µ ist unbekannt und deshalb verwendet man eine “plug-in”-Schätzung von µ durch µ̂ML = x̄. Damit erhält man: √ x̄ ± 1.96 · x̄/ n Dieses Intervall ist identisch zu dem Wald-Intervall, welches auf dem Standardfehler basiert! Also: Der Standardfehler ist ein empirischer Schätzer der Standardabweichung des ML-Schätzers. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 8 / 25 Bemerkungen exakte Analogie funktioniert nicht immer: z.B. für λ̂ML √ = 1/x̄ mit SE (λ̂ML ) = λ̂ML / n gilt (ohne Beweis): E(1/X̄ ) Var(1/X̄ ) n = λ· n−1 = λ2 n2 · (n − 2) (n − 1)2 die Analogie gilt aber zumindest asymptotisch! in folgenden Beispielen gilt die Analogie exakt: I Binomialexperiment: π̂ML = x̄ I ML-Schätzung des Parameters q im Hardy-Weinberg-Gleichgewicht (wird in den nächsten Folien skizziert) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 9 / 25 ML-Inferenz im H-W-Gleichgewicht Angenommen wir beobachten x = (x1 , x2 , x3 ) = (600, 320, 80) bei n = 1000. Ziel: ML-Schätzung des Parameters q = π1 + π2 /2 unter Annahme einer Trinomialverteilung mit Wahrscheinlichkeiten π1 = q 2 , π2 = 2q(1 − q) und π3 = (1 − q)2 (H-W-Gleichgewicht) Wir wissen: Die ML-Schätzer von π1 und π2 sind π̂1 = x1 /n und π̂2 = x2 /n. Wegen der Invarianzeigenschaft gilt: q̂ML Esther Herberich und Matthias Schmid x1 + x2 /2 = n () Stochastik und Statistik SS 2012 10 / 25 ML-Inferenz im H-W-Gleichgewicht II 2 /2 Man kann zeigen, dass die zugehörige Zufallsvariable X1 +X die n Varianz 12 q (1 − q) hat. Andererseits kann gezeigt werden, dass der Standardfehler von q̂ML folgenden Wert hat: r 1 SE (q̂ML ) = q̂ML (1 − q̂ML ) 2 Auch hier erhält man den Standardfehler durch “plug-in” des ML-Schätzers in die Formel für die Varianz des ML-Schätzers. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 11 / 25 ML-Inferenz im H-W-Gleichgewicht III Für die Daten x = (x1 , x2 , x3 ) = (600, 320, 80) und n = 1000 gilt also: q̂ML 600 + 320/2 = 0.76 = 1000 Daraus lassen sich die erwarteten Anzahlen berechnen: 2 E = n · (q̂ML , 2q̂ML (1 − q̂ML ), (1 − q̂ML )2 ) = (577.6, 364.8, 57.6) Frage: Ist der Unterschied zwischen erwarteten und beobachteten Anzahlen “zufällig” oder deutet er darauf hin, dass die Population nicht im H-W-Gleichgewicht ist? Diese Frage wird in Abschnitt 9.2 beantwortet. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 12 / 25 Wiederholung: Quadrat einer Standardnormalverteilung Wie lautet die Dichte von Y = X 2 , falls X ∼ N (0, 1)? Es wurde berechnet, dass f (y ) = 1 1 − 21 √ y · exp(− y ) 2 2π Dies entspricht der Dichte einer G(.5, .5), also einer χ2 -Verteilung mit 1 Freiheitsgrad: Y = X 2 ∼ χ21 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 13 / 25 Motivation von Likelihood-Intervallen Betrachte die Taylor-Approximation der Log-Likelihood: 1 (θ̂ML − θ)2 1 2 l(θ) ≈ l(θ̂ML ) − = l(θ̂ML ) − θ̃ML 2 2 SE (θ̂ML ) 2 a Wegen θ̃ML ∼ N (0, 1) folgt: L(θ̂ML ) a = −2l̃(θ) ∼ χ21 2 log L(θ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 14 / 25 Motivation von Likelihood-Intervallen II Die kritischen Werte c in den Formeln zur Berechnung von LikelihoodIntervallen {θ : l̃(θ) ≥ c} bzw. {θ : L̃(θ) ≥ exp(c)} ergeben sich einfach durch Transformation der entsprechenden Quantile xα = F −1 (α) der χ21 -Verteilung: x1−α c=− 2 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 15 / 25 9.2 Modellanpassung Häufig ist es von Interesse die Anpassung eines bestimmten stochastischen Modells an vorliegende Daten zu studieren. Dies ist insbesondere bei kategorialen Daten der Fall. Beispiele: 1. Ist eine Population im Hardy-Weinberg-Gleichgewicht? Untersuche N Individuen und berechne die empirischen Häufigkeiten der Genotypen aa, ab, bb. Die beobachtete Genotypverteilung ist z.B. x = (600, 320, 80). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 16 / 25 Fortsetzung der Beispiele 2. Sind zwei Variablen unabhängig? Hier wird untersucht, ob es eine Abhängigkeit zwischen Geschlecht und Promotionsinteresse gibt. Die vorliegenden Daten sind: Interesse Ja Nein 5 12 6 5 11 17 ♂ ♀ 17 11 28 3. Im 19. Jahrhundert wurden in Sachsen Daten zur Häufigkeit von männlichen Nachkommen bei 6115 Familien mit jeweils (!) 12 Kindern erhoben: # Jungen # Familien 0 3 1 24 2 104 3 286 4 670 5 1033 6 1343 7 1112 8 829 9 478 10 181 11 45 12 7 Folgt die Verteilung einer Binomialverteilung? Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 17 / 25 Das saturierte Modell In allen drei Beispielen möchte man ein bestimmtes Modell (“Null-Modell”, “Null-Hypothese”) mit dem allgemeinen Modell (“saturiertes” Modell) unter der Annahme einer Multinomialverteilung Mp (n, π) vergleichen. Beispiel Null-Modell 1 2 3 Population ist im H-W Gleichgewicht Variablen sind unabhängig Daten sind binomial verteilt Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik Anzahl der Parameter p 1 2 1 SS 2012 Anzahl der Kategorien K 3 4 13 18 / 25 Test auf Modellanpassung Zum statistischen Testen der “Null-Hypothese” (H0 ) geht man nach folgendem Schema vor: ML-Schätzung der unbekannten Parameter im Null-Modell 600 + 320 2 1000 Beispiel 1: q̂ = Beispiel 2: π̂♂ = 17 28 π̂Interesse = Beispiel 3: π̂ = = 0.76 11 28 0·3 + 1·24 + ... + 12·7 6115·12 = 0.519215 Berechnung der erwarteten Anzahl Ei an Fällen in Kategorie i unter Annahme des Null-Modells Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 19 / 25 Test auf Modellanpassung II Berechnung des Pearsonschen χ2 -Maßes χ2 = K X i=1 K 2 X (X − E ) i i ri2 = Ei i=1 als Gesamtmaß für die Abweichung, wobei Xi die tatsächlich beobachteten Anzahlen in Kategorie i sind Unter der Annahme, dass H0 wahr ist, hat χ2 eine (asymptotische) χ2 -Verteilung mit k = K − 1 − p Freiheitsgraden (mit K Anzahl der Kategorien und p Anzahl der Modellparameter). Ermittelung des p-Wertes: Wahrscheinlichkeit unter H0 ein solches oder noch extremeres Resultat zu beobachten. → Berechnung über Quantile der χ2 -Verteilung mit k Freiheitsgraden Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 20 / 25 Bemerkungen Die χ2 -Verteilung gilt nur asymptotisch (für n → ∞). Faustregel: Es muss gelten, dass alle Ei > 1 und mindestens 80% der Ei > 5 sind. Alternativ bietet sich auch die Berechnung der Devianz D an: D =2· K X Xi log i=1 Xi Ei Diese besitzt unter H0 die gleiche Verteilung wie χ2 . Unter H0 sind die χ2 -Residuen ri approximativ und asymptotisch standardnormalverteilt, d.h. Residuen mit |ri | > 2 deuten auf schlechte Modellanpassung hin. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 21 / 25 Berechnung der erwarteten Anzahlen in Beispiel 1 Unter Annahme des Hardy-Weinberg-Gleichgewichts erhält man: π̂1 = q̂ 2 = 0.5776 π̂2 = 2q̂(1 − q̂) = 0.3648 π̂3 = (1 − q̂)2 = 0.0576 Daher ergeben sich als erwartete Anzahlen bei n = 1000 Individuen: E1 = n · π̂1 = 577.6 E2 = n · π̂2 = 364.8 E3 = n · π̂3 = 57.6 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 22 / 25 Berechnung der erwarteten Anzahlen in Beispiel 2 Unter Unabhängigkeit gilt z.B. für den Eintrag (♂, Promotionsinteresse = Ja): π̂1 = π̂♂ · π̂Interesse 17 11 = · 28 28 Für die erwartete Anzahl folgt: 17 · 11 17 11 · = ≈ 6.68 E1 = n · π̂1 = 28 · 28 28 28 Die Werte der anderen Fälle erhält man analog (erwartete Anzahl in Ja Nein Klammern): ♂ 5 (6.68) 12 (10.32) 17 ♀ 6 (4.32) 5 (6.68) 11 11 17 28 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 23 / 25 Berechnung der erwarteten Anzahlen in Beispiel 3 Hier ergeben sich unter Verwendung der Wahrscheinlichkeit P(X = x) mit x = 0, . . . , 12 bei Vorliegen einer Binomialverteilung mit n = 12 und π = 0.519215 folgende erwartete Häufigkeiten: Ei = P(X = i) · 6115 Tabelle mit beobachteten und erwarteten Anzahlen: Xi Ei 0 3 0.9 Esther Herberich und Matthias Schmid 1 24 12.1 2 104 71.8 3 286 258.5 () Stochastik und Statistik ... ... ... 11 45 26.1 SS 2012 12 7 2.3 24 / 25 Vergleich von χ2 und Devianz in den 3 Beispielen Bsp. 1 2 3 χ2 15,08 1,769 110,5 Esther Herberich und Matthias Schmid K 3 4 13 p 1 2 1 k 1 1 11 p-Wert 0,0001 0,18 0 () Stochastik und Statistik D 14,36 1,765 97,0 p-Wert 0,00015 0,18 6, 66 · 10−16 SS 2012 25 / 25 10. Lineare Regression ● 4.5 ● ● 4.0 y ● ● 3.5 ● ● ● 3.0 ● ● 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 x Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 1 / 30 KQ-Schätzung Es ist eine Gerade y = β1 + β2 x gesucht, welche die Punktwolke in der Abbildung ‘bestmöglichst’ approximiert. Dazu betrachten wir eine bivariate Zufallsvariable (Y , X ) mit Beobachtungen (yi , xi ), i = 1, . . . , n und definieren den Schätzer für die Parameter der Gerade als n X (βˆ1 , βˆ2 ) = argmin (yi − β1 − β2 xi )2 . β1 ,β2 Esther Herberich und Matthias Schmid i=1 () Stochastik und Statistik SS 2012 2 / 30 KQ-Schätzung Dieser Schätzer (βˆ1 , βˆ2 ) heißt (aus offensichtlichen Gründen) Kleinster-Quadrate-Schätzer und repräsentiert diejenige Gerade durch die Punktwolke, welche den quadratischen vertikalen Abstand jeder Beobachtung zur Geraden minimiert. Andere Kriterien sind denkbar, wie etwa (βˆ1 , βˆ2 ) = argmin β1 ,β2 Esther Herberich und Matthias Schmid n X |yi − β1 − β2 xi |. i=1 () Stochastik und Statistik SS 2012 3 / 30 Zielgröße Y = Y1 Y2 .. . ∈ Rn Yn Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 4 / 30 Einflussgrößen X1j X2j X j = . , j = 1, . . . , k .. Xnj welche wir in einer Matrix X = (X 1 , X 2 , . . . , X k ) ∈ Rn,k aggregieren. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 5 / 30 Modellparameter Die Parameter der Geraden (k = 1) bzw. Hyperebenen (k > 2) sind durch β1 β2 β = . ∈ Rk .. βk gegeben und wir betrachten das Modell Y = Xβ. Gesucht ist nach dem Kriterium der Kleinsten Quadrate ein Schätzer β̂, sodass ||Y − Xβ̂||2 ≤ ||Y − Xβ||2 ∀β ∈ Rk . Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 6 / 30 KQ-Schätzung Sei der Rang von X gleich k. Dann gilt: β̂ = argmin ||Y − Xβ|| = (X> X)−1 X> Y β Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 7 / 30 KQ-Schätzung ● 4.5 ● ● 4.0 y ● ● 3.5 ● ● ● 3.0 ● ● 0.2 0.4 0.6 0.8 x Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 8 / 30 Das Lineare Regressionsmodell Das Modell Y = Xβ + U heißt lineares Regressionsmodell. Dabei ist U1 U2 U = . ∈ Rn .. Un ein n-dimensionaler Zufallsvektor. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 9 / 30 Eigenschaften gegeben sind mehrere stetige Merkmale Y , X 1 , . . . , X k X 1 , . . . , X k verursachen Y und nicht umgekehrt Pk der Zusammenhang ist linear, also Yi = j=1 βj Xij + Ui die X -Variablen heißen unabhängige Variable, Regressoren, exogene Variable oder Design-Variable die Y -Variable heißt abhängige Variable, Regressant, endogene Variable oder Response-Variable U sind nicht beobachtbare Störgrößen. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 10 / 30 Annahmen Zudem treffen wir drei Annahmen: A1) X ist eine feste (nicht zufällige) n × k Matrix mit vollem Spaltenrang, also Rang(X) = k. A2) U ist ein Zufallsvektor mit E (U) = (E (U1 ), E (U2 ), . . . , E (Un ))> = 0. A3) Die Komponenten von U sind paarweise unkorreliert und haben alle die gleiche Varianz σ 2 , formal: Cov(U) = σ 2 diag(n). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 11 / 30 Körperfettmessung Garcia et al. (2005, Obesity Research) untersuchten n = 71 Frauen und erhoben (unter anderem) k = 5 Einflussgrößen (Alter, Bauchumfang, Hüftumfang, Ellenbogenbreite und Kniebreite), um deren Einfluss auf die Zielgröße, den Körperfettanteil gemessen mittels Dual Energy X-Ray Absorptiometry (DXA), zu untersuchen. Es stellen sich folgende Fragen: Welche der unabhängigen Variablen haben tatsächlich einen Einfluss auf den Körperfettanteil? Welche haben einen positiven und welche einen negativen Einfluss? Kann man aus den unabhängigen Variablen auf den Körperfettanteil schließen? Diese Fragen können mittels eines linearen Regressionsmodells beantwortet werden. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 12 / 30 70 80 90 100 60 ● 50 ●● ● ● ● 40 ●● ● ● ● ● ● ● ● 20 ● ● ● ● 5.5 ● 40 50 age Esther Herberich und Matthias Schmid 60 90 100 110 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 6.0 6.5 7.0 60 50 ● ● ● ● ● ●● ● 120 130 hipcirc () Stochastik und Statistik ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●●● ● ● ●● ● ● 40 ● ● ● 30 40 30 ● ● ● ● 20 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● DEXfat 60 50 ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ●● ● ● ●● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●●● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● elbowbreadth ● ● ● ● ● ● ● 110 10 10 30 ● ● ● 20 ● ●● ● ● ● ● ● ● ●● ● 20 40 30 ● ● ● ● 10 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 20 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● DEXfat 60 50 ● ● DEXfat ● ● ● ● ● ● ● waistcirc ● ● ● 10 ● ● ●● ● ●● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● 30 ● DEXfat 60 50 40 10 20 30 DEXfat 60 50 40 30 10 20 DEXfat Körperfettmessung ● 8 9 10 ● ● ● ● ● ● ● ● ● 11 kneebreadth SS 2012 13 / 30 Schätzung in R > bodyfat_lm <- lm(DEXfat ~ age + waistcirc + hipcirc + + elbowbreadth + kneebreadth, data = bodyfat) > round(coef(bodyfat_lm), 4) (Intercept) -59.5732 kneebreadth 1.6538 age 0.0638 waistcirc 0.3204 hipcirc elbowbreadth 0.4340 -0.3012 was äquivalent (aber numerisch stabiler ist) zu > + > > > X <- bodyfat[,c("age", "waistcirc", "hipcirc", "elbowbreadth", "kneebreadth")] X <- cbind(1, as.matrix(X)) Y <- bodyfat$DEXfat round(drop(tcrossprod(solve(crossprod(X, X)), X) %*% Y), 4) -59.5732 kneebreadth 1.6538 age 0.0638 Esther Herberich und Matthias Schmid waistcirc 0.3204 () Stochastik und Statistik hipcirc elbowbreadth 0.4340 -0.3012 SS 2012 14 / 30 Eigenschaften der KQ-Methode Unter A1, A2 und A3 ist β̂ ein erwartungstreuer Schätzer für β mit Kovarianzmatrix Cov(β̂) = σ 2 (X> X)−1 . Sei Y ∈ Rn ein beliebiger Zufallsvektor mit E (Y ) = (E (Y1 ), . . . , E (Yn ))> und Var(Y1 ) Cov(Y1 , Y2 ) Cov(Y2 , Y1 ) Var(Y ) Cov(Y , Y ) 2 2 3 Cov(Y ) = .. . . . . . . . Var(Yn ) mit Cov(Y ) = Cov(Y )> = E ((Y − E (Y ))(Y − E (Y ))> ). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 15 / 30 Eigenschaften der KQ-Methode Es gilt 1 Cov(Y ) is positiv semidefinit 2 E (AY ) = AE (Y ) 3 Cov(AY ) = ACov(Y )A> Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 16 / 30 Lineare Funktionen Unter Umständen sind wir an Linearkombinationen des Parametervektors β interessiert (welche auch ‘Kontraste’ genannt werden). Sei c ∈ Rk ein Vektor von Konstanten. Dann ist c > β̂ eine erwartungstreue Schätzung von c > β mit Kovarianzmatrix σ 2 c > (X> X)−1 c. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 17 / 30 Optimalität der KQ-Methode Ein Schätzer β̃ heißt linear, wenn eine Matrix C ∈ Rk,n existiert, sodass β̃ = CY . Gauß-Markov-Theorem: Unter A1-A3 gilt: 1 2 β̂ ist der beste lineare erwartungstreue Schätzer (BLUE) für β, d.h. Cov(β̂) ≤ Cov(β̃) im Sinne der Löwner-Halbordnung (d.h. Cov(β̃) − Cov(β̂) psd). BLUE ist eindeutig. Desweiteren: Unter A1-A3 ist c > β̂ der BLUE für c > β. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 18 / 30 Prognose mit KQ Gegeben sei Y und X 1 , . . . , X k mit Beobachtungen (yi , xi = (xi1 , . . . , xik )), i = 1, . . . , n sowie xn+1 . Gesucht sei yn+1 . Bekannt > β+U ist, dass Yn+1 = xn+1 n+1 . Da die Störgrößen U nicht beobachtbar sind, jedoch per Annahme einen Erwartungswert gleich 0 haben, schätzen > β̂. wir Ŷn+1 = xn+1 Es gilt: Unter A1-A3 ist E (Ŷn+1 − Yn+1 ) = 0. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 19 / 30 Körperfettmessung Für die 45jährige Emma mit Baumumfang 90cm, Hüftumfang 110cm, Ellenbogenbreite 7cm und Kniebreite 10cm ist der vorhergesagte Körperfettanteil > emma <- c(intercept = 1, age = 45, waistcirn = 90, + hipcirc = 110, ellbowbreadth = 7, + kneebreadth = 10) > emma %*% coef(bodyfat_lm) [,1] [1,] 34.30292 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 20 / 30 Schätzung von Varianz und Kovarianz Es fehlen noch Schätzer für σ 2 und Cov(β̂). Dazu betrachten wir die Residuen Û = Y − Xβ̂ als Ersatz für die nicht beobachtbaren Störgrößen U. 1 2 Û = MY = MU mit M = diag(n) − H, wobei die sogenannte Hat-Matrix H gegeben ist durch H = X(X> X)−1 X> und Ŷ = HY (H setzt dem Y den Hut auf). M ist orthogonaler Projektor mit Rang (gleich Spur) n − k. Unter A1-A3 gilt > Û Û σ̂ 2 = n−k ist eine erwartungstreue Schätzung für σ 2 . Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 21 / 30 Kovarianzschätzung Damit können wir also auch die Kovarianzmatrix Cov(β̂) schätzen, und zwar als σ̂ 2 (X> X)−1 . Desweiteren ist es möglich, die geschätzten Koeffizienten zu standardisieren, um sie miteinander vergleichen zu können: β̂j p σ̂ diag((X> X)−1 ) Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 22 / 30 Körperfettmessung Hier sind die standardisierten Regressionskoeffizienten gegeben durch > > > > > > U <- bodyfat$DEXfat - X %*% coef(bodyfat_lm) n <- nrow(bodyfat) k <- length(coef(bodyfat_lm)) sigma2 <- crossprod(U) / (n - k) sdbeta <- sqrt(sigma2) * sqrt(diag(solve(crossprod(X)))) round(coef(bodyfat_lm) / sdbeta, 4) (Intercept) -7.0471 kneebreadth 1.9178 age 1.7061 waistcirc 4.3469 hipcirc elbowbreadth 4.5365 -0.2474 oder einfacher > round(coef(bodyfat_lm) / sqrt(diag(vcov(bodyfat_lm))), 4) (Intercept) -7.0471 kneebreadth 1.9178 age 1.7061 Esther Herberich und Matthias Schmid waistcirc 4.3469 () Stochastik und Statistik hipcirc elbowbreadth 4.5365 -0.2474 SS 2012 23 / 30 Das Lineare Regressionsmodell unter Normalverteilung Bisher haben wir außer dem Erwartungswert (A2) und der Kovarianzmatrix (A3) nichts über die Verteilung der Störgrößen U angenommen. In diesem Abschnitt betrachten wir zusätzlich A4) Ui ∼ N (0, σ 2 ). Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 24 / 30 Eigenschaften der Normalverteilung Eine n-dimensionale Zufallsvariable Z folgt einer multivariaten Normalverteilung mit Erwartungswertvektor µ ∈ Rn und Kovarianzmatrix Σ ∈ Rn,n (symmetrisch und pd), symbolisch Z ∼ N (µ, Σ). Es gilt 1 2 3 4 Z ∼ N (µ, Σ) ⇒ E(Z ) = µ, Cov(Z ) = Σ und Zi ∼ N (µi , Σii ). Sei A ∈ Rp,n mit Rang gleich p und b ∈ Rp , dann AZ + b ∼ N (Aµ + b, AΣA> ). Die Komponenten von Z sind stochastisch unabhängig ⇐⇒ Σ = diag(σii2 ). A ∈ Rp,n , B ∈ Rq,n , AΣB> = 0 ⇒ AZ , BZ sind stochastisch unabhängig. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 25 / 30 KQ- und Varianzschätzung Es gilt Y = Xβ + U ∼ N (Xβ, σ 2 diag(n)) β̂ = (X> X)−1 X> Y ∼ N (β, σ 2 (X> X)−1 ) Unter A1 - A4 sind β̂ und σ̂ 2 stochastisch unabhängig. Unter A1 - A4 ist β̂ die ML-Schätzung für β. 2 = Û > Û/n die ML-Schätzung für σ 2 . Unter A1 - A4 ist σ̂ML Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 26 / 30 Konfidenzintervalle und Tests für β Wir möchten nun Hypothesen der Form H0 : d > β = 0 vs. H1 : d > β 6= 0 testen oder Konfidenzintervalle für den Parameter d > β herleiten. Dabei ist d ∈ Rk beliebig. Unter A1 - A4 gilt d > β̂ − d > β p ∼ tn−k , 2 > > −1 σ̂ d (X X) d wobei tn−k die t-Verteilung mit n − k Freiheitsgraden bezeichnet. Damit lautet die Testentscheidung: Lehne H0 ab, wenn |d > β̂| T =p > tn−k,1−α/2 σ̂ 2 d > (X> X)−1 d und ein (1 − α) × 100% Konfidenzintervall für d > β ist q d > β̂ ± tn−k,1−α/2 σ̂ 2 d > (X> X)−1 d. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 27 / 30 Körperfettmessung Jetzt können wir für jede der Einflussgrößen die Teststatistik ausrechnen, dabei ist d der Einheitsvektor, sodass d > β = βj : > T <- coef(bodyfat_lm) / sdbeta > round(T, 4) (Intercept) age -7.0471 1.7061 hipcirc elbowbreadth 4.5365 -0.2474 waistcirc 4.3469 kneebreadth 1.9178 und die zweiseitigen P-Werte aus der t-Verteilung ablesen > p <- (1 - pt(abs(T), df = nrow(bodyfat) - length(T))) * 2 > round(p, 4) (Intercept) age 0.0000 0.0928 hipcirc elbowbreadth 0.0000 0.8054 Esther Herberich und Matthias Schmid waistcirc 0.0000 kneebreadth 0.0595 () Stochastik und Statistik SS 2012 28 / 30 Körperfettmessung > summary(bodyfat_lm) Call: lm(formula = DEXfat ~ age + waistcirc + hipcirc + elbowbreadth + kneebreadth, data = bodyfat) Residuals: Min 1Q -9.1782 -2.4973 Median 0.2089 3Q Max 2.5496 11.6504 Coefficients: Estimate Std. Error t value Pr(>|t|) (Intercept) -59.57320 8.45359 -7.047 1.43e-09 *** age 0.06381 0.03740 1.706 0.0928 . waistcirc 0.32044 0.07372 4.347 4.96e-05 *** hipcirc 0.43395 0.09566 4.536 2.53e-05 *** elbowbreadth -0.30117 1.21731 -0.247 0.8054 kneebreadth 1.65381 0.86235 1.918 0.0595 . --Signif. codes: 0 ‘***’ 0.001 ‘**’ 0.01 ‘*’ 0.05 ‘.’ 0.1 ‘ ’ 1 Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 29 / 30 Körperfettmessung Und als Abschluss noch die Konfidenzintervalle > confint(bodyfat_lm) 2.5 % 97.5 % (Intercept) -76.45619185 -42.6902064 age -0.01088410 0.1385129 waistcirc 0.17321558 0.4676638 hipcirc 0.24291126 0.6249985 elbowbreadth -2.73231557 2.1299704 kneebreadth -0.06842371 3.3760367 Wir sehen also, dass hauptsächlich der Bauch- und Hüftumfang informativ für den Körperfettanteil sind. Esther Herberich und Matthias Schmid () Stochastik und Statistik SS 2012 30 / 30