doktorarbeit.compress.

Werbung
Modellierung der Selbstorganisation
nanopartikulärer Systeme:
Wachstum und Keimbildung von
Zinkoxid- und Silbernanopartikeln
Der Naturwissenschaftlichen Fakultät der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
zur
Erlangung des Doktorgrades Dr. rer. nat.
vorgelegt von
Theodor Milek
aus Radebeul
Als Dissertation genehmigt
von der Naturwissenschaftlichen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Tag der mündlichen Prüfung:
14. April 2015
Vorsitzender des Promotionsorgans:
Prof. Dr. Jörn Wilms
Gutachter/in:
Prof. Dr. Dirk Zahn
Prof. Dr. Tim Clark
Prof. Dr. Helmut Cölfen
2
Danksagung
Mein Dank gebührt an aller erster Stelle meinem Betreuer Prof. Dirk Zahn. Seine
Betreuung und Förderung gab mir die Freiheit, selbstständig zu arbeiten, meine eigenen
Ideen zu verwirklichen und trotzdem dabei nicht das Wesentliche aus den Augen zu
verlieren. Aber viel mehr noch bin ich für die Freundschaft und persönliche Unterstützung
dankbar. Die stets positive Lebenseinstellung hat mich oft inspiriert und motiviert. Ich
habe die Zeit der Promotion bei dir sehr genossen – Danke.
Prof. Tim Clark danke ich für die freundlichen und lehrreichen Unterhaltungen, welche
mich nicht nur wissenschaftlich bereichert haben. Ebenso bedanke ich mich bei Prof. Bernd
Meyer für seine wertvolle Hilfe bei quantenchemischen Fragestellungen und insbesondere
bei der Anwendung der Car-Parinello-Molekulardynamik.
Für die fruchtbare wissenschaftliche Zusammenarbeit bedanke ich mich bei Prof. Andreas
Görling, Prof. Wolfgang Peukert, Prof. Thomas Drewello und Prof. Robin N. Klupp Taylor.
In diesem Zusammenhang geht mein Dank auch an Christian Neiß, Tibor Döpper, Doris
Segets, Monica Distaso, Mirjam Zobel und Johannes Hirschmann für den anregenden
Austausch und die neuen wissenschaftlichen Perspektiven.
Meinen Kollegen im Computer-Chemie-Centrum danke ich für die schöne und oft spaßige
Zeit. Besonders mit Patrick Duchstein, Philipp Ectors, Markus Walther, Hanno Diettrich,
Dejan Zagorac, Alexander Urban, Christina Ebensperger, Konstantin Weber, Christof
Jäger, Pavlo Dral, Maximilian Kriebel und Nico van Eikema Hommes habe ich viele
fröhliche Stunden verbracht. Für ihren Beitrag zu dieser Arbeit danke ich zudem Achim
Brunch und Philipp Köder.
Von ganzem Herzen danke ich meiner Frau Magdalena für die immerwährende Unterstützung, Liebe, Motivation und auch den manchmal notwendigen Ansporn.
Zum Abschluss geht mein Dank an die zahlreichen anderen Menschen, an meine Eltern,
an meine gesamte Familie und an meine Freunde, welche meinen Lebensweg begleitet
und bereichert haben und immer für mich da waren.
3
Zusammenfassung
Diese Arbeit befasst sich mit der Modellierung atomarer Vorgänge während der Keimbildung und des Wachstums von Zinkoxid- und Silbernanopartikeln. Im Vordergrund
steht dabei die Entstehung komplexer, geordneter Strukturen ohne äußere Steuerung,
gemeinhin als Selbstorganisation bezeichnet.
Die methodische Herangehensweise umfasst das Erarbeiten und Aufstellen von geeigneten Modellreaktionen, sowie die Entwicklung von Simulationsprotokollen und Analysemethoden. Hauptsächlich wird dabei auf Molekulardynamiksimulationen in Verbindung
mit Kraftfeldern zurückgegriffen. Unterstützt werden diese Simulationen von statischen
Berechnungen mittels der Dichtefunktionaltheorie und ab initio Methoden.
Die untersuchte Modellreaktion für das Wachstum von Silbernanopartikeln ist die
sogenannte „Polyol“-Synthese. Bei dieser wird ein Silbersalz in einem Mehrfachalkohol
(hier: Ethylenglykol) gelöst und anschließend reduziert und ausgefällt:
Red
+
n Ag
Ox
Agm+
n ↓
Die Modellierung des Wachstums der Silberpartikel Ion für Ion erfolgte mit dem KawskaZahn-Schema. Um die unbekannte Reduktionsreaktion Red −−→ Ox abzubilden, wurde
ein implizites, thermodynamisches Reduktionspotential der Lösung verwendet. Damit war
es möglich, eine realistische Aggregation als Funktion eines allgemeinen Redoxpotentials
zu simulieren.
Eine besondere Herausforderung stellte die Molekulardynamiksimulation geladener Silberpartikel dar. Die Entwicklung und der Test eines geeigneten Wechselwirkungsmodells
machen daher eine wesentlichen Teil der Arbeit aus. Als Resultat wird eine Kombination
der embedded atom method für die Metallbindung und der charge equilibrium method für
die Ladungspolarisation verwendet. Im Vergleich mit Dichtefunktionaltheorieberechnungen erwies sich dieser Ansatz als effizient zur Modellierung von Ladungsverteilung und
Bindungsenergie.
Das Wachstum kleiner Silbernanopartikel (Atomzahl 13 bis 163) unter verschiedenen
Redoxbedingungen konnte umfangreich studiert werden. Es zeigte sich ein systematischer
Zusammenhang zwischen Ladung, Packung und Form der Cluster. Eine hohe Ladung –
respektive ein schwaches Reduktionsmittel – führte zu stark verzwillingten, gestreckten
Partikeln mit einer rauen Oberfläche. Im deutlichen Gegensatz dazu, entstanden bei
moderaten Ladungen kaum verzwillingte Polyeder mit einer wohlgeordneten inneren
Struktur bei zugleich immer noch relativ großer Oberfläche. Erst bei schwachen Ladungen,
d.h. starken Reduktionsmitteln, dominierten mehrfachverzwillingte Polyeder wie Ikosaeder
und Dekaeder mit sehr kompakten Oberflächen. Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu,
dass das Redoxpotential allein bereits die Packung und Form von Silbernanopartikeln
signifikant beeinflussen kann.
Ag+3
163
Ag+8
163
Ag+15
163
Beispiele für unter verschiedenen Redoxbedingungen gewachsene geladene Silbercluster.
Im zweiten Teil der Arbeit stand die Enstehung von Zinkoxidpartikeln in der SolGel-Synthese im Mittelpunkt. Bei dieser Synthese reagiert ein Zinksalz (ZnAc2 ) in
ethanolischer Lösung durch Zugabe einer Base (LiOH) zu Zinkoxid:
EtOH
ZnAc2 + 2LiOH −−−→ ZnO ↓ + H2 O + 2Li+ + 2Ac−
Die Reaktion durchläuft verschiedene Stadien, wobei für diese Arbeit nur zwei Szenarien
untersucht wurden: die Reifung kleiner Vorläuferverbindungen und das Oberflächenwachstum bestehender Kristalle. Für die Modellierung stellte auch hier die Wahl eines
geeigneten Kraftfeldes einen wesentlichen Teil der Voruntersuchungen dar. Aufgrund der
stöchiometrischen Beschränkung und der Notwendigkeit ausreichend langer Simulationszeiten (um statistische Signifikanz zu gewähren), werden angepasste nichtpolarisierbare
Kraftfelder verwendet. Zusätzlich wird ein abstrahiertes, effizientes Modell für die im
Gesamtablauf enthaltende Reaktion 2 OH– −−→ O2– + H2 O genutzt.
Der erste untersuchte Schritt des Zinkoxidwachstums ist die Aggregation und Reifung
von Zn4 O(Ac)6 -Clustern. Diese Verbindung, basisches Zinkacetat genannt, bildet sich
in Lösung bereits ohne Basenzugabe. Die durchgeführten Simulationen offenbarten eine
durch die Ionen Li+ und OH– unterstützte Aggregation der Cluster. Dabei nehmen die
Ionen eine überbrückende Funktion ein und wirken somit zumindest katalytisch auf die
6
Clusterassoziation. Die eigentliche Reifung konnte in Molekulardynamiksimulationen nicht
beobachtet werden. Eine Studie mit systematischen Dichtefunktionaltheorierechnungen
zeigte schließlich die weiteren Reaktionsmöglichkeiten durch Ligandenaustauschreaktionen (Ac– gegen OH– ). Diese Austauschreaktionen stabilisieren nicht nur Clusterdimere,
sondern öffnen auch Reaktionspfade zur weiterführenden Reifung.
OH– Ac–
Beispiel eines Ligandenaustauschs (OH– gegen Ac– ) bei einem Zn4 O(Ac)6 -Dimer.
Weiterhin wurde das Wachstum der wichtigsten Zinkoxidoberflächen – (1 0 1 0) und
(0 0 0 1) – durch die Abscheidung der Ionen Zn2+ und OH– simuliert. Ein hoher Grad
von Selbstorganisation kann bei der Bildung von gerichteten Wachstumskanten auf der
unpolaren (1 0 1 0)-Oberfläche beobachtet werden. Die Oberfläche wuchs nicht Atomlage für Atomlage, sondern bildete eine Front, welche kristallographisch der (1 0 1 0)Ausgangsoberfläche äquivalent ist (z.B. (1 1 0 0)≡(1 0 1 0)). Die polare (0 0 0 1)-Oberfläche
zeigte hingegen eine andere Art der Selbstorganisation. Es bildeten sich lokale Inseln
(auf der Oberfläche) ohne bevorzugte Ausrichtung, welche sich während des Wachstums
vereinten.
(1 0 1 0)
(0 0 0 1)
Momentaufnahmen aus dem Oberflächenwachstum auf der (1 0 1 0) und (0 0 0 1)-Oberfläche.
7
Ergänzend zum „ungestörten“ Wachstum wurde der Einfluss verschiedener Additive
untersucht. Acetat- und 2-Ethylhexanoationen schirmten die Oberflächen nach wenigen
Adsorptionsschritten vollständig ab und verhinderten so jedes weitere Wachstum. Es
konnte keine besondere Selektivität bezüglich der verschiedenen Flächen festgestellt
werden. Hingegen wurden mehrzähnige Citrationen bevorzugt an Kanten adsorbiert, wo
sie optimal mit allen drei Carboxylatgruppen eine Bindung zur Oberfläche ausbilden
können. Auf der unpolaren (1 0 1 0)-Oberfläche führt dies dazu, dass in Verbindung mit
einer beobachteten hohen Mobilität gezielt die Wachstumskante stabilisiert wurde. Eine
vergleichbare Selektivität konnte auf der polaren (0 0 0 1)-Oberfläche nicht ausgemacht
werden. Als Vertreter nichtionischer Additive zeigte n-Hexylamin ein ähnliches Bindungsverhalten wie das Lösungsmittel Ethanol selbst. Die Bindung hängt stark vom
OH– -Gehalt auf der Oberfläche ab; je mehr exponierte Oxoionen vorhanden sind, desto stärker binden die Moleküle. Letztlich ist n-Hexylamin jedoch nicht geeignet, das
Wachstum anders zu kontrollieren, als es durch Ethanol ohnehin schon erfolgt.
Die vorliegende Arbeit demonstriert das große Potential von molekularen Simulationen
zur Ergründung des vielschichtigen, kollektiven Zusammenwirkens zahlreicher Teilchen
und der Faktoren bei der Bildung kristalliner Strukturen. Einerseits illustrieren die
ausgewählten Modellsysteme die Vielschichtigkeit der Fragestellung und können anderseits
als Stellvertretersysteme für die jeweilige Methodenentwicklung angesehen werden.
8
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
3
Abkürzungsverzeichnis
12
Einleitung
15
1 Theoretische Grundlagen
1.1 Molekularmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.1 Konventionelle Kraftfelder . . . . . . . . . . . . . .
1.1.2 Vielteilchenkraftfelder . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.2.1 Metallkraftfelder . . . . . . . . . . . . . .
1.1.2.2 Polarisierbare Kraftfelder . . . . . . . . .
1.1.2.3 Weitere Kraftfelder . . . . . . . . . . . . .
1.1.3 Langreichweitige elektrostatische Wechselwirkungen
1.2 Quantenchemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1 Born-Oppenheimer-Näherung . . . . . . . . . . . .
1.2.2 ab initio Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.2.1 Hartree-Fock-Methode . . . . . . . . . . .
1.2.2.2 Møller-Plesset-Störungstheorie . . . . . . .
1.2.3 Dichtefunktionaltheorie . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.3.1 Pseudopotentiale . . . . . . . . . . . . . .
1.2.3.2 Car-Parinello-Molekulardynamik . . . . .
1.3 Simulationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.1 Molekulardynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.1.1 Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . .
1.3.1.2 Thermo- und Barostat . . . . . . . . . . .
1.3.1.3 Periodische Randbedingungen . . . . . . .
1.3.2 Statistische Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.2.1 Thermodynamische Integration . . . . . .
19
20
20
22
22
24
33
33
37
38
39
39
40
41
43
44
46
46
46
47
48
48
50
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
9
Inhaltsverzeichnis
1.3.3
1.3.4
1.3.2.2 Umbrella Sampling . . .
Simulation seltener Ereignisse . .
1.3.3.1 Seltene Ereignisse . . . .
1.3.3.2 Kawska-Zahn-Methode .
Analysemethoden . . . . . . . . .
1.3.4.1 Nachbarschaftsanalyse .
1.3.4.2 Accessible-Surface-Area
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
2 Wachstum von Silberpartikeln
2.1 Einführung - Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Anwendungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . .
2.1.2 Synthesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.3 Partikelstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.3.1 Clustertypen . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.3.2 Alternative Strukturen . . . . . . . . . .
2.1.4 Wachstumskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Modellentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Modellsynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.2 Kraftfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.3 Simulationsprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.3.1 Simulationstemperatur . . . . . . . . . .
2.3 Wachstumssimulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.1 Neutrale Ladung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.2 Konstantes Ladungsverhältnis . . . . . . . . . . .
2.3.3 Konstantes Redoxpotential . . . . . . . . . . . . .
2.4 Ergänzende Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.1 Ionisationspotential kleiner Cluster . . . . . . . .
2.4.2 „Magische“ Cluster . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.3 Intermediäre Cluster . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.3.1 Packung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.3.2 Bindungsenergie und Ladungsverteilung
2.5 Diskussion und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
51
53
53
55
57
57
59
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
61
62
62
63
65
67
71
72
75
75
78
81
85
86
86
91
96
101
101
103
107
107
111
117
3 Wachstum von Zinkoxid
119
3.1 Einführung - Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
3.1.1 Anwendungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
3.1.2 Synthesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
10
Inhaltsverzeichnis
3.2
3.3
3.4
3.5
3.1.3 Kristall- und Oberflächenstrukturen . . . . .
3.1.4 Wachstumsmechanismus . . . . . . . . . . .
Modellentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Modellsynthese . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1.1 Protonentransfer . . . . . . . . . .
3.2.2 Kraftfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2.1 Zinkoxid . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2.2 Ethanolische Lösung . . . . . . . .
3.2.2.3 LiOH . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.3 Simulationsprotokoll . . . . . . . . . . . . .
3.2.3.1 Protonentransfer . . . . . . . . . .
3.2.3.2 Clusterreaktion . . . . . . . . . . .
3.2.3.3 Oberflächenwachstum . . . . . . .
Reaktion von Zn4 O(Ac)6 Clustern . . . . . . . . . .
3.3.1 Aggregation . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.2 Acetat-Hydroxid-Austausch . . . . . . . . .
3.3.2.1 Mechanismus . . . . . . . . . . . .
3.3.2.2 Mehrfachaustausch . . . . . . . . .
Oberflächenwachstum . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.1 Ungestörtes Wachstum . . . . . . . . . . . .
3.4.1.1 (1 0 1 0)-Oberfläche . . . . . . . . .
3.4.1.2 (0 0 0 1)-Oberfläche . . . . . . . . .
3.4.2 Wachstumskontrolle . . . . . . . . . . . . .
3.4.2.1 Ethanol . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.2.2 Acetation und 2-Ethylhexanoation
3.4.2.3 Citration . . . . . . . . . . . . . .
3.4.2.4 n-Hexylamin . . . . . . . . . . . .
Diskussion und Zusammenfassung . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
122
124
126
126
127
129
129
131
131
132
133
135
136
139
139
142
142
144
149
149
150
153
155
155
158
162
169
171
Schlusswort
175
Literaturverzeichnis
177
Liste der Veröffentlichungen
199
Lebenslauf
201
11
Abkürzungsverzeichnis
bcc
dec
fcc
hcp
ico
Ac
Cit
2EH
HA
ASA
BON
BUCK
CN
CNA
CNP
CPMD
DFT
DSF-Coul
EA
EAM
EG
GA
IDEK
IKO
IP
12
body-centered cubic.
decahedral packing.
face-centered cubic.
hexagonal close packing.
icosahedral packing.
Acetation.
Citration.
2-Ethylhexanoation.
n-Hexylamin.
Accessible-Surface-Area.
Born-Oppenheimer-Näherung.
Buckinghampotential.
Koordinationszahl.
Common-Neighbour-Analysis.
Common-Neighborhood-Parameter.
Car-Parinello-Molekulardynamik.
Dichtefunktionaltheorie.
damped shifted force Coulombpotential.
Elektronenaffinität.
embedded atom method.
Ethylenglykol.
Glykolaldehyd.
Inodekaeder.
Mackayikosaeder.
Ionisationspotential.
Abkürzungsverzeichnis
KOKT
LAMMPS
LJ
MD
MDEK
MM
NPA
OKT
OPLS-AA
PMF
PP
PVP
QEq
QM
SA
SCF
SERS
TI
WHAM
WOKT
Kuboktaeder.
Large-scale Atomic/Molecular Massively Parallel Simulator.
Lennard-Jones-Potential.
Molekulardynamik.
Marksdekaeder.
Molekularmechanik.
natural orbital analysis.
Oktaeder.
optimized potential for liquid simulation - all atom.
potential of mean force.
Pseudopotential.
Polyvinylpyrrolidon.
Charge-Equilibrium-Methode.
Quantenmechanik.
simulated annealing.
self-consistent field.
surface enhanced raman spectroscopy.
thermodynamische Integration.
weighted histogramm analysis method.
Wulffoktaeder.
13
Einleitung
Wie entstehen Kristalle? Was bestimmt ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Zusammensetzung? Schon in der Antike1 beschäftigten sich Naturforscher mit diesen Fragen und
versuchten eine Systematik zu entdecken. Zunächst stand lange Zeit die rein enzyklopädische Kategorisierung der Eigenschaften und des Vorkommens kristalliner Stoffe im
Mittelpunkt. Erst mit dem Aufkommen der modernen Wissenschaften gewannen auch die
Genese und die Gesetzmäßigkeiten der Beschaffenheit kristalliner Materialien zunehmend
an Bedeutung. Dank der Entwicklung der Röntgendiffraktrometrie durch Max von Laue
(1921) konnten die periodischen Kristallstrukturen aufgeklärt werden. Die Gesetze der
Gleichgewichtsthermodynamik von J. Willard Gibbs (1878) gaben Erklärungen für die
verschiedenen Kristallmorphologien. Schließlich gewährte die sogenannte klassische Keimbildungstheorie aus den 1920er Jahren Einblicke in die Stabilität während der Entstehung
von Kristallen.
All diese Forschung liegt nun bereits gut ein Jahrhundert zurück und man könnte
meinen, die Bildung eines Kristalls ist leicht zu verstehen und vorherzusagen. Dies
ist aber mitnichten der Fall. Bei aller fundamentaler Arbeit ist das Verständnis der
Mechanismen der Keimbildung und des Kristallwachstums immer noch sehr begrenzt.
Während in den letzten Jahren zunehmend systematische Ansätze zur Ergründung der
Fülle an möglichen stabilen und auch metastabilen Kristallmodifikationen entwickelt
wurden (z.B. von Jansen [1]), werden die komplexen Reaktionswege vorwiegend rein
empirisch und deskriptiv ergründet. Allein für die zehn Jahre zwischen 2003-2013 lassen
sich mehr als 20 000 Publikationen mit den Schlagwörtern „crystal growth + nucleation“
finden2 . Ein Großteil dieser Veröffentlichungen beschäftigt sich mit der Kontrolle nur eines
einzelnen Aspektes der Kristallbildung, sei es die Form, Größe oder Zusammensetzung.
Dabei ist eine enorme Vielfalt der untersuchten chemischen Systeme zu beobachten; von
biochemischen über organische bis zu rein anorganischen Verbindungen ist alles vertreten.
Die älteste erhaltene Abhandlung zu diesem Thema stammt bereits aus dem 1. Jahrhundert (die
Naturalis historica)
2
Abgefragt auf http://apps.webofknowledge.com 08/2014
1
15
Einleitung
Das mangelnde Verständnis der angesprochenen Komplexität ist oft in den Größenskalen der zugrundeliegenden Prozesse begründet. Häufig bestimmen bereits die lokalen
Reaktionen und Bewegungen einzelner Atome über wesentliche Aspekte der globalen
Mechanismen. Leider ist, trotz zunehmend präziser chemischer Analytik, eine lokal
atomare Auflösung von Messungen meist nicht erreichbar. Dies gilt umso mehr, wenn
nicht nur statische Zustände, sondern auch dynamische Vorgänge betrachtet werden
sollen. Gerade jedoch die zeitliche Änderung der Anordnung von zum Teil nur wenigen
Atomen kann eine gewaltige Rolle bei der Bildung und dem Wachstum von Kristallen
spielen.
An dieser Stelle tritt die molekulare Simulation in Erscheinung. Sie versucht, die Lücke
zwischen dem Experiment und der reinen Theorie zu schließen. Durch die Simulation der
Bewegung und Reaktion von einzelnen Atomen können gerade jene fehlende Erkenntnisse
gewonnen werden, welche zu einem tieferen Verständnis der Mechanismen führen. In
der Praxis sind jedoch solche Computersimulationen von realen, chemischen Vorgängen
mit einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten verbunden. Wie auch in einem Experiment
muss ein „Versuchsaufbau“ oder Simulationsprotokoll entwickelt, die richtigen Methoden
gewählt und eine kritische Analyse der Ergebnisse durchgeführt werden. All diese Punkte
sind Kernelemente der vorliegenden Arbeit, deren Schwerpunkt die Durchführung von
computergestützten Simulationen zur Beschreibung atomarer Prozesse im Zusammenhang
mit Keimbildung und Kristallwachstum ist.
Untersucht wurden nicht alle in diesem Zusammenhang denkbaren Prozesse und Materialien, sondern eine besondere Klasse der Festkörper: die Nanopartikel. Allgemein
versteht man unter Nanopartikeln kleine Festkörper deren Abmessung im Bereich weniger
Nanometer liegt. Sie weisen mitunter im Vergleich zu makroskopischen Festkörpern
völlig andere Eigenschaften auf. Es gibt zahlreiche Abhandlungen (z.B. von Ying [2]
oder Vollath [3]) zu den Ursachen und Details dieses Effektes, welche an dieser Stelle
nicht diskutiert werden sollen. Für die Computersimulation sind Nanopartikel aus zwei
Gründen – neben ihrer allgemeinen Bedeutung als Material – besonders interessant.
Einerseits sind ihre Eigenschaften noch deutlich empfindlicher von atomaren Details
abhängig als bei den makroskopischen Vertretern. Konkret bedeutet dies, dass kleinste
Variationen in Form, Zusammensetzung oder Größe schon entscheidend für mögliche
Anwendungen sind. Im Umkehrschluss ist damit die Aufklärung der Mechanismen, welche
genau diese Parameter kontrollieren, von immenser Bedeutung.
Der zweite Grund ist die Limitierung von Simulationen. Normale makroskopische
Systeme beinhalten etwa 1023 Teilchen (Atome, Ionen oder Moleküle). Möchte man
16
atomare Prozesse studieren, so ist es heute und auch in absehbarer Zukunft ausgeschlossen,
Systeme dieser Größe direkt zu modellieren. Man muss auf lokale oder stark vereinfachte
Modelle zurückgreifen. Nanopartikel hingegen bestehen aus wenigen hundert bis einigen
tausend Teilchen; eine Größenordnung, welche mehr oder wenig direkt simulierbar ist.
Anders ausgedrückt ist der Grad der Vereinfachung der Modelle zur Simulation von
Nanopartikeln (ausgehend von nichtempirischen ab-initio Theorien) deutlich kleiner als
bei makroskopischen Systemen.
Auch bei Nanopartikeln gibt es eine große Vielfalt der möglichen Stoffe und Synthesen.
In der vorliegenden Arbeit wurden daher zwei prominente Materialien gewählt und
exemplarisch untersucht: Silber und Zinkoxid. Silber als Metall und Zinkoxid als Halbleiter
wurden und werden intensiv studiert und verwendet. Sie erreichen fast den Status einer
„Drosophila melanogaster der Nanomaterialien“. Es gibt zu beiden Materialien eine Fülle
von experimentellen Daten mit denen Simulationen verglichen werden können. Dieser
Umstand und ihre hohe Relevanz für die Anwendung machen sie zu idealen Kandidaten
für die Studien in dieser Arbeit.
Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Zuerst werden die benötigten Grundlagen der
Computerchemie sowie die verwendeten Methoden und Konzepte erläutert. Dieser Teil
ist relativ umfangreich, da die benutzten Techniken so vielfältig wie die untersuchte
Fragestellung waren. Es schließen sich die beiden Kapitel zu Silber und Zinkoxid an. Da
sich die Details der jeweiligen Simulationen mitunter stark unterscheiden, werden sie
getrennt voneinander beschrieben und diskutiert. Die Kernaussagen werden schließlich
in einem allgemeinen Schlusswort zusammengefasst.
17
Kapitel 1
Theoretische Grundlagen
19
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
1.1 Molekularmechanik
Die Molekularmechanik (MM) ist die Beschreibung der Bewegung von Atomen und
Molekülen unter Verwendung der klassischen Mechanik. Dabei werden Atomkerne, basierend auf der Born-Oppenheimer-Näherung (BON) (Abschnitt 1.2.1), als wechselwirkende
Punktmassen betrachtet. Da Elektronen nicht klassisch beschrieben werden können,
muss in der MM die Wechselwirkung durch parametrisierte, mathematische Funktionen genähert werden. Dies grenzt die MM von der Quantenmechanik (QM) ab, da
die Komplexität der elektronischen Struktur in den Atomen vereinfacht und gemittelt
wird. Damit beschreibt diese Mechanik nur die Atome explizit und die Elektronen lediglich implizit. Aufgrund dieser Mittelung spricht man bei den die Energien und Kräfte
charakterisierenden Funktionen auch oft von effektiven Potentialen oder Kraftfeldern.
1.1.1 Konventionelle Kraftfelder
Die erste Art von Kraftfeldern sind die konventionellen oder linearen Kraftfelder. Sie
unterteilen die Wechselwirkungen zumeist in einen intra- und intermolekularen bzw.
bindenden und nichtbindenden Teil. Die Annahme beruht darauf, dass innerhalb von
Molekülen sehr starke, nicht brechbare Bindungen bestehen, welche man mit relativ
einfachen Potentialen beschreiben kann. Solche Potentiale sind oft sehr schnell und
effizient zu berechnen. Allerdings können Änderungen der chemischen Bindungszustände
und damit chemische Reaktionen nicht dargestellt werden. Typischerweise werden die
Wechselwirkungen nach der Anzahl der Bindungen zwischen Atomen charakterisiert.
Eine 1-2 Wechselwirkung entspricht einer einfachen Bindung zwischen zwei Atomen, 1-3
einem Winkel zwischen drei Atomen und 1-4 einem Diederwinkel zwischen vier Atomen.
Wechselwirkungen weiter als 1-4 werden in der Regel als nichtbindend betrachtet. Beispiel
für Potentiale V1−n aus dem optimized potential for liquid simulation - all atom (OPLSAA) Kraftfeld [4, 5]:
V1−2 (r) = Kr (r − req )2
V1−3 (Θ) = KΘ (Θ − Θeq )2
Kφ,1
Kφ,2
V1−4 (φ) =
(1 + cos(φ + ϕ1 )) +
(1 − cos(2φ + ϕ2 ))
2
2
Kφ,3
(1 + cos(3φ + ϕ3 ))
+
2
20
(1.1)
(1.2)
(1.3)
1.1 Molekularmechanik
Die Parameter r, Θ, φ geben jeweils den Abstand, den Winkel und den Diederwinkel an.
Des Weiteren ist K jeweils eine Kraftkonstante und ϕ eine Phasenverschiebung. Der
Index eq bezeichnet den Gleichgewichtszustand.
Die nichtbindenden Wechselwirkungen in konventionellen Kraftfeldern werden zumeist
auf elektrostatische und van-der-Waals Kräfte beschränkt. Das Coulombpotential beschreibt die Elektrostatik zwischen Punktladungen q auf den Atomen im Vakuum:
Vcoul (rij ) =
1 qi q j
4πǫ0 rij
(1.4)
rij ist der Abstand zwischen Atom i und j und ǫ0 ist die elektrische Feldkonstante des
Vakuums. Für die van-der-Waals-Kräfte wird häufig (so auch im OPLS-AA Kraftfeld)
das Lennard-Jones-Potential (LJ) verwendet:

σ
VLJ (rij ) = 4ǫ 
rij
!12
σ
−
rij
!6 

(1.5)
Der Koeffizient ǫ gibt die Bindungsstärke und σ die Nullstelle des Potentials an. Physikalisch steht der r−12 Anteil für die Abstoßung durch die Pauli- und die Kern-KernRepulsion und r−6 für die attraktive Dispersionswechselwirkung. Ein weiteres, vor allem
bei ionischen Kristallen verbreitetes Potential ist das Buckinghampotential (BUCK):
VBuck (rij ) = Ae− ij/ρ −
r
C
6
rij
(1.6)
Die Koeffizienten A, ρ bestimmen die Härte der Repulsion und C die Stärke der attraktiven
Dispersion. Der exponentielle, repulsive Teil beschreibt die Pauli-Repulsion besser als
das LJ, ist allerdings numerisch instabiler, da für lim VBuck (r) = −∞ gilt.
r→0
Nichtbindende Wechselwirkungen müssen im Prinzip zwischen allen Atomen ausgewertet
werden. Ausgenommen sind die bereits durch Bindungen, Winkel und Diederwinkel
beschriebenen Interaktionen. Ein Sonderfall sind die 1-4 Wechselwirkungen, bei welchen
in der Regel bereits einen Teil nichtbindender Wechselwirkungen hinzugenommen wird.
Beim OPLS-AA beträgt der Wert 50% einer normalen nicht-bindenden Wechselwirkung.
Um die Rechenzeit vertretbar zu halten, werden sogenannte cut-off Abstände definiert.
Wechselwirkungen von Atomen, welche weiter als diese Abstände von einander entfernt
sind, werden nicht mehr berücksichtigt. Für van-der-Waals-Interaktionen sind diese
Grenzwerte in der Regel kein Problem, da die Potentiale mit r−6 abfallen und schnell
21
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
gegen null konvergieren. Das Coulombpotential ist ein schwierigerer Fall und wird in
einem gesonderten Kapitel (Abschnitt 1.1.3) besprochen.
1.1.2 Vielteilchenkraftfelder
Ein spezielle Kategorie von Kraftfeldern sind sogenannte many-body oder Vielteilchenkraftfelder. Die Wechselwirkung zwischen Atomen hängt bei ihnen nicht nur von deren
Positionen, sondern auch denen aller anderen Atomen ab. Ein allgemeiner Zugang ist die
Vorstellung, dass die Energie eines jeden Systems über eine Entwicklung von n-Zentren
Potentialen V1−n theoretisch exakt beschrieben werden kann.
E=E
(0)
+
N
X
i=1

V1−1 (ri ) +
N
X
j>i

V1−2 (ri , rj ) +
N
X
k>j

(V1−3 (ri , rj , rk ) + · · · )
(1.7)
1-Zentren Potentiale (V1 ) sind zum Beispiel extern anliegende Felder. Allgemein wird
von Vielteilchenkraftfeldern bei n >= 3 gesprochen (eine Ausnahme sind die gebundenen
Wechselwirkungen). Da die vollständige Summe unmöglich zu berechnen ist, wird sich
auf einzelne Terme beschränkt.
1.1.2.1 Metallkraftfelder
Historisch werden Vielteilchenkraftfelder vor allem für Metalle verwendet, wo sie direkt
aus der tight-binding Näherung für die elektronische Bandstruktur hergeleitet werden
können [6, 7]. In dieser Arbeit wird die sogenannte embedded atom method (EAM) von
Daw und Baskes verwendet [8, 9]. Die Grundidee ist, dass ein Atom eine Störstelle in
der Elektronendichte der bestehenden Atome darstellt. Die Elektronendichte am Ort
des Atoms i selber ist unbekannt, kann aber durch eine atomare Koordinationsdichte ρ
genähert werden.
ρi =
X
ρ̃(rij )
(1.8)
i6=j
Die Dichtefunktion ρ̃ ist dabei eine parametrisierte Funktion, welche zum Beispiel aus
n
einer Linearkombination von exponentiellen Funktionen der Form e−β(r−σ) besteht. Sie
ist eine sphärisch gemittelte Funktion und beinhaltet keinerlei gerichtete Komponenten.
Für Metalle mit fast vollständig delokalisierten Valenzelektronen (zum Beispiel viele
face-centered cubic (fcc) Metalle) funktioniert diese Näherung sehr gut. Probleme entste-
22
1.1 Molekularmechanik
hen bei Materialien mit höherem kovalenten, gerichteten Bindungsanteil (zum Beispiel
Silizium). Die Erweiterung der Dichtefunktion um einen 3-Zentren Winkelanteil bei der
sogenannten modified embedded atom method [10] wirkt dem entgegen, erhöht allerdings
den Rechenaufwand beträchtlich. Die atomare Energie Ei ist in der EAM eine Funktion
F der atomaren Koordinationsdichte.
Ei =
X
V (rij ) + F (ρi )
(1.9)
i6=j
Die Funktion F wird rein empirisch anhand von experimentellen Festkörpereigenschaften
bestimmt und kann zum Beispiel als Polynomfunktion dargestellt werden. Das Paarpotential V ist ähnlich den nichtbindenden Wechselwirkungen und sorgt für die repulsive Kraft
durch die Kern-Kern- und Pauli-Abstoßung. Es gibt keine festgelegte, physikalisch hergeleitete Form. Im einfachsten Fall ist das Paarpotential die Coulombabstoßung zwischen
den abgeschirmten, effektiven Kernladungen. Es werden aber auch komplexere Funktionen, zum Beispiel aus Kombinationen von Morse-Funktionen verwendet. In manchen
Fällen werden die empirischen Werte auch schlicht als Tabelle gespeichert (LAMMPS
verwendet sie in dieser Form). Als Beispiel für mögliche empirische Funktionen, soll das
konkret in dieser Arbeit verwendete Potential [11] dienen:
2
ρ̃(r) = A1 e−β1 (r−σ1 ) + e−β2 (r−σ2 ) χ
V (r) =




VM (r)
3
X
1 (n)


V (σs )(r − σs )n


n! M
+
n=0
4
X
5
X
n=1
r − rc
h
(1.10)
∀ r ≥ σs
Sn H(σs(n) − r)(r − σs(n) )4
∀ r < σs
1
qn (ρ − 1)n+2
F (ρ) = F (0) + F (2) (ρ − 1)2 +
2
n=1
(1.11)
(1.12)
(1.13)
mit
r − rc
VM (r) = (A2 M (r, σ3 , α1 ) + A3 M (r, σ4 , α2 ) + δ) χ
h
−2α(r−σ)
−α(r−σ)
M (r, σ, α) = e
− 2e
(1.14)
(1.15)
An , Sn , αn , βn , σn , σs(n) , h, δ, qn sind zu bestimmende, empirische Parameter. F (0) und F (2)
entsprechen der Kohäsionsenergie respektive dem Bulkmodulus. Die Funktion χ sorgt
23
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
für eine stetig differenzierbare Funktion am cut-off Abstand rc und H ist eine HeavisideSprungfunktion. Für eine detaillierte Beschreibung der Herleitung und Parametrisierung
sei an dieser Stelle auf die Originalliteratur verwiesen [11, 12].
1.1.2.2 Polarisierbare Kraftfelder
Eine zweite, prominente Gruppe von Vielteilchenwechselwirkungspotentialen sind die
sogenannten polarisierbaren Kraftfelder. Ihre Bedeutung wurde erst kürzlich durch die
Verleihung des Nobelpreises 2013 an Warshel, Karplus und Levitt hervorgehoben [13, 14].
Das elektrische Potential φ eines molekularen Systems an einem Ort r ist über die
integrierte kontinuierliche Ladungsdichte ρ definiert:
1 Z ρ(r′ )
dr′
φ(r) =
4πǫ0 |r − r′ |
(1.16)
R
1
′
Weder ist die exakte Ladungsdichte bekannt, noch kann man das Integral |r−r
′ | dr
analytisch lösen. Das Integral kann über eine Taylorentwicklung genähert werden; es
resultiert die sogenannte Multipolentwicklung, in welcher das Potential eine Summe
verschiedener Multipolmomente ist.
1
φ(r) =
4πǫ0

1 Z

ρ(r′ )dr′

r
|
{z
}
Monopolmoment


r Z ′ ′ ′ 1 rrT Z

′ ′T
′
′
′
(3r
r
−
r
1)ρ(r
)dr
+ 3 r ρ(r )dr +
+
.
.
.

5

|r
{z
} |2 r
{z
}
Dipolmoment
Quadrupolmoment
(1.17)
Der Entwicklungspunkt ist r′ = 0 und r = |r|. Üblicherweise wird nur bis zum Quadrupolmoment genähert. Das Integral über die gesamte Ladungsdichte kann im einfachsten
Fall durch die Summe über N Punktladungen q genähert werden.
Z
ρ(r′ )dr′ =
N
X
(1.18)
qi
i=1
Beide Näherungen zusammen führen zu einer Darstellung über die Monopole, Dipole
und Quadrupole:
"
1 rrT
r
1
1
Q + ...
Q + 3p +
φ(r) =
4πǫ0 r
r
2 r5
24
#
(1.19)
1.1 Molekularmechanik
mit
Monopol
Dipol
Quadrupol
Q=
p=
Q=
N
X
i=1
N
X
i=1
N
X
i=1
qi
(1.20)
ri qi
(1.21)
(3ri rTi − ri2 1)qi
(1.22)
In Kraftfeldern können die Ladungsverteilungen sowohl von Molekülen als auch einzelner Atome als Multipole betrachtet werden. Das Konzept der intermolekulare Kräfte
beruht auf den Wechselwirkungen zwischen den jeweiligen Ladungsdichten (Multipolen)
von Molekülen. Diese können in vier Hauptkomponenten zerlegt werden: Elektrostatik,
Induktion, Dispersion und Austausch [15]. Elektrostatische Interaktion nennt man die
Coulombwechselwirkungen der permanenten Multipole von Molekülen. Wenn ein permanenter Multipol in einem anderen Molekül einen Multipol induziert und mit diesem
wechselwirkt, spricht man von Induktion. Die Interaktion zwischen temporären, simultan
gegenseitig induzierten Multipolen auf zwei Moleküle nennt man Dispersion. Überlappen
die Elektronendichten bei sehr kurzen Abständen stark, kommt die Austauschrepulsion
der Elektronen (oft als Pauli-Repulsion bezeichnet) hinzu.
In konventionellen Kraftfeldern werden die permanenten Multipole der Moleküle durch
die Monopole der Punktladungen auf den einzelnen Atomen genähert. Dabei werden
aus Gründen der Effizienz nur die sogenannten additiven Komponenten1 der Wechselwirkungen berücksichtigt. Die Dispersion und die Austauschrepulsion stecken teilweise in
den van-der-Waals-Potentialen. Für viele Moleküle ist damit bereits eine relativ gute
Näherung der Interaktionsenergie möglich. Problematisch ist jedoch, dass die Ladungsverteilung für eine bestimmte chemische Umgebung angepasst wurde (beispielsweise
Vakuum oder eine Lösung) und zuweilen schlecht andere Umgebungen wiedergeben kann.
Zudem können die vernachlässigten Bestandteile einen relativen Fehler von bis zu 40%
[15] ausmachen.
In polarisierbaren Kraftfeldern werden die nichtadditive Bestandteile intermolekularer,
elektrischer Potentiale berücksichtigt. Drei Modelle haben sich in diesem Bereich am
weitesten verbreitet und sollen im Folgenden vorgestellt werden: Übertragung der Ladun-
1
Als additiv bezeichnet man Komponenten, welche paarweise aufsummiert werden
25
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
gen zwischen Atomen (sogenannte fluktuierende Ladungen), induzierte Punktdipole und
Drude-Oszillatoren.
Induzierte Punktdipole Dieses oft verwendete Modell erweitert die Monopoldarstellung
der Punktladungen einzelner Atome um induzierbare Dipole. Nicht nur verbessert dies
die Beschreibung des Gesamtmultipols der Moleküls, es erlaubt auch die Veränderung der
Ladungsdichte durch das elektrische Feld aller anderen Atome. Die Polarisationsenergie
Epol ist dabei die Summe der Wechselwirkungen der atomaren Dipole pi mit dem
(0)
elektrischen Feld Ei aller N atomaren, permanenten Monopole (Punktladungen) q.
Epol = −
N
1X
(0)
pi E i
2 i=1
(1.23)
mit
(0)
Ei =
N
X
qj rij
j6=i
(1.24)
3
rij
Die atomaren Dipole sind zum anliegenden elektrischen Feld Ei direkt proportional:
pi = αi Ei =

(0)
αi Ei
+
N
X
j6=i

Tij pj 
(1.25)
Die Proportionalitätskonstante α wird in diesem Zusammenhang auch als atomare
Polarisierbarkeit bezeichnet. Das resultierende elektrische Feld beinhaltet nicht nur
die permanenten Punktladungen, sondern auch alle anderen induzierten Dipole. Die
Interaktion wird über den Dipoltensor Tij ausgedrückt.
1
Tij = 3
rij
!
3rij rTij
−1
2
rij
(1.26)
Temporäre Dipole erzeugen entsprechend der Minimumsbedingung (Elektronen passen
sich sofort an das äußere Feld an) ein nichtlineares Gleichungssystem:
∂Epol
=0
∂pi
(1.27)
In der Praxis werden die Dipole dabei mit einem self-consistent field (SCF) Verfahren
bestimmt [16]. Zunächst wird das Feld aus den Monopolen erzeugt, anschließend werden
26
1.1 Molekularmechanik
die Dipole mit dem Feld berechnet. Mit den Dipolen und Monopolen wird das neue Feld
erzeugt und dann die Dipole mit Gleichung (1.25) aktualisiert. Dies wird wiederholt bis
die Dipole konsistent bleiben (Abb. 1.1).
(0)
(0)
Ei
(0)
pi = αi Ei
(n+1)
pi
=
h
(0)
αi Ei
+
(n)
j6=i Tij pj
PN
i
(n+1)
pi
(n)
= pi
Epol , pi
Abbildung 1.1: Schematische Darstellung des SCF Verfahrens, um die Punktdipole pi aus
(0)
einem initialen Elektrischen Feld Ei zu errechnen.
Das ursprüngliche Verfahren wurde von Applequist [17] eingeführt und beinhaltete die
Wechselwirkungen von allen atomaren Punktdipolen untereinander, auch wenn sie sich
gebunden in einem Molekül befinden. Allerdings können sehr nah beieinander liegende
Dipole zur sogenannten Polarisationskatastrophe führen, bei welcher die Ladungsdichten
von zwei Atomen extrem große Werte annehmen. Ursache dafür ist die Reduktion der
eigentlich diffusen Ladungen auf Punktdipole und die Vernachlässigung, dass es auch
eine Austausch-Induktion- und Austausch-Dispersion-Korrelation gibt. Eine genauere
Betrachtung der einzelnen Bestandteile der Wechselwirkungen und deren Korrelation
miteinander gelingt mit der Rayleigh-Schrödinger- oder der Symmetrie-adaptierten
Störungstheorie (für weiterführende Details sei die Übersicht von Jeziorski et al. [18]
empfohlen). Um das Problem der Polarisationskatastrophe zu verringern führt Thole
[19] eine Dämpfung der Dipolinteraktionen ein. In vielen modernen Implementationen,
welche auf die Wasserkraftfelder der 90er Jahre zurückgehen [20, 21, 22], werden ähnlich
den konventionellen Kraftfeldern die 1-2 und 1-3 Dipol-Dipol-Wechselwirkungen nicht
berücksichtigt.
Ein Nachteil der induzierten Dipole ist der relativ hohe Rechenaufwand, besonders
wenn sie noch um Quadrupole erweitert werden. Zudem konvergiert das SCF Verfahren
in vielen Fällen schlecht bis gar nicht. Die atomaren Polarisierbarkeiten hängen stark
von der chemischen Umgebung ab und sind kaum transferierbar.
Drude-Oszillatoren Drude-Oszillatoren werden oft auch als Schalenmodelle bezeichnet
[23] und wurden nach Paul Drude benannt [24]. Es wird eine zusätzliche flexible, virtuelle Punktladung für jedes Atom eingeführt, welche die polarisierbare Elektronenhülle
27
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
repräsentiert. Die Gesamtladung eines Atoms q ist dabei die Summe aus Kern- qk und
Schalenpunktladung qs .
q = q k + qs
(1.28)
Zwischen Kern und Schale (mit Verschiebungsvektor ds = rs − rk ) wirkt dabei ein
Federpotential VS .
1
VS (|ds |)) = · k · |ds |2
(1.29)
2
Die Stärke der Feder k hängt dabei direkt mit der Polarisierbarkeit des freien Atoms
zusammen [25].
q2
α= s
(1.30)
k
Alle Punktladungen interagieren wie bei den konventionellen Kraftfelder mittels Coulomb(Gleichung (1.4)) und van-der-Waals- (Gleichungen (1.5) und (1.6)) Wechselwirkungen.
Eks =
N
X
i=1

VS (|di |) +
k,s X
k,s
N X
X
j>i
l
m

(Vcoul (|ri,l − rj,m |) + Vvdw (|ri,l − rj,m |))
(1.31)
Diese Oszillatorenergie muss ähnlich den induzierten Punktdipolen (Gleichung (1.27))
minimiert werden.
∂Eks
= 0 = ki di,s − qi,s Ei
∂di,s
(1.32)
Das elektrische Feld des Systems wird analog zu Gleichung (1.24) mit allen Punktladungen
berechnet. Wieder kann ein SCF Schema (siehe Abb. 1.1) zur Lösung des resultierenden
Gleichungssystems verwendet werden.
Prinzipiell muss die Bewegung der Elektronenschale von jener der Atome adiabatisch
entkoppelt werden (Born-Oppenheimer-Näherung, siehe Abschnitt 1.2.1). Sobald sich die
Positionen der Atome ändern, wie in einer Simulation, muss der SCF Zyklus wiederholt
werden. Um den Aufwand zu reduzieren, fügten Jacucci et al. die Schalenpunkte als
masselose Teilchen in die klassischen Bewegungsgleichungen der Atome ein [26]. Diese
Bewegungsgleichungen fungieren damit als implizites Einschrittgradientenverfahren, um
die Positionen der Schalen zu optimieren. In Ionenkristallen funktioniert dieser Ansatz
28
1.1 Molekularmechanik
relativ gut. Später wurden den Schalen fiktive Massen µi (aus der Gesamtmasse des Ions)
zugeordnet, um die Dynamik und Energieerhaltung von Simulationen zu verbessern [27].
µi di.s = −
∂Eks
∂di,s
(1.33)
Solange die Frequenz der Schalen-Kern-Schwingung deutlich höher als die Atomschwingungen ist, bleiben die Bewegungen weitestgehend entkoppelt. Lamoureux und Roux
haben die Drude-Oszillatoren erfolgreich auf Lösungsmittel bei höheren Temperaturen
angewandt und mit dem Nosé-Hoover-Thermostat gekoppelt [28, 29].
Ein großer Vorteil ist, dass zur Simulation der Drude-Oszillatoren dieselben Algorithmen
und Potentiale wie bei Simulationen mit konventionellen Kraftfeldern verwendet werden
können. Damit ist die Implementierung in bestehende Programme relativ leicht – verglichen mit anderen polarisierbaren Kraftfeldern. Die Verdopplung der Teilchenzahl macht
die Auswertung allerdings aufwendig und wie bei induzierten Dipolen sind Parameter
nicht ohne Weiteres transferierbar. Zudem besteht stets die Gefahr der Kopplung der
Bewegungen von Schalen und Kernen, welche im schlimmsten Fall zum sogenannten
„flying icecube“-Effekt2 führen können.
Fluktuierende Ladungen Ein komplett anderer Ansatz von Polarisierbarkeit wird
bei fluktuierenden Ladungen umgesetzt. Bisher wurden Atomen feste Partialladungen
zugeordnet und ausschließlich versucht, die Darstellung der Ladungsverteilung (z.B. über
Dipole) zu verbessern. Eine andere Idee besteht darin, die Ladungen nicht festzulegen
und deren Verteilung auf die bestehenden atomaren Monopole dynamisch zu optimieren.
Die permanente Ladungsverteilung passt sich so der chemischen Umgebung an und somit
können ebenfalls molekulare Multipole induziert werden. Die verbreitetste Variante, die
Charge-Equilibrium-Methode (QEq), geht auf die Arbeit von Rappé und Goddard III
[30] zurück. Ähnliche Ansätze wurden aber zuvor bereits von Mortier et al. formuliert
[31].
2
Ein Effekt, bei welchem zunehmend auf Kosten der hochfrequenten, molekularen und atomaren
Schwingungen die niederfrequente Gesamttranslation angeregt wird. Dadurch kühlt das System lokal
ab und fängt an immer schneller in eine Richtung zu „fliegen“.
29
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
Analog der n-Zentren Darstellung von Wechselwirkungspotentialen (Gleichung (1.7))
kann die Energie in Abhängigkeit der atomaren Partialladungen beschrieben werden.
N
X
E(q1 , . . . , qN ) =
Ei (qi ) +
N
N X
X
Vij (qi , qj )
(1.34)
i=1 j>i
i=1
Es werden nur die Eigenenergie oder Selbstwechselwirkung Ei und das 2-Zentren Potential
Vij berücksichtigt (entspricht der Monopolnäherung des elektrischen Potentials (Gleichung (1.19))). Die Eigenenergie ist eine komplexe Funktion der elektronischen Struktur
und ihre analytische Form ist unbekannt, kann jedoch über eine Taylorentwicklung
genähert werden.
Ei (qi ) =
(0)
Ei +
∂Ei
∂qi
1
+
6
!(0)
3
i
∂ Ei
∂qi3
1
qi +
2
!(0)
qi3
i
∂ 2 Ei
∂qi2
1
+
24
!(0)
qi2
i
4
∂ Ei
∂qi4
!(0)
qi4 + . . .
(1.35)
i
(0)
Entwicklungspunkt ist das neutrale Atom mit qi = 0 und die gesamte Energie kann als
Störung des freien, neutralen Atoms betrachtet werden. Die ersten Koeffizienten sind
mit den physikalischen Größen Ionisationspotential (IP) und Elektronenaffinität (EA)
verknüpft (die ersten Betrachtungen dazu gehen auf Mulliken zurück [32]).
∂Ei
∂qi
∂ 2 Ei
∂qi2
(0)
!(0)
i
!(0)
i
(0)
= χi =
(0)
= ηi
1
(IP + EA)
2
= IP − EA
(0)
(1.36)
(1.37)
χi entspricht der atomaren Elektronegativität und ηi der atomaren Härte eines freien,
neutralen Atoms i. Höhere Koeffizienten haben keine direkte physikalische Entsprechung.
In den originalen Implementierungen wird nach der zweiten Ordnung abgebrochen, neuere
Arbeiten nutzen auch Terme bis zur vierten Ordnung [33]. Die Paarwechselwirkungen
der Ladungen qi , qj können prinzipiell in Form eines Coulombpotentials (Gleichung (1.4))
in Abhängigkeit vom Atomabstand rij berechnet werden. Allerdings führt die Vernachlässigung der diffusen Natur von überlappenden Elektronendichten zum bereits bei
induzierten Dipolen beschriebenen Fehler des Potentials bei kleinen Abständen (bis
hin zur Polarisationskatastrophe). Um dies zu verhindern, führt man daher ein abge-
30
1.1 Molekularmechanik
schirmtes Potential Jij (rij ) ein, dessen Verhalten nur bei großen Abständen dem eines
Coulombpotentials entspricht.
Vij = qi qj Jij (rij ) =


Vcoul (rij )
R R ρi (r)ρj (r′ )

 1
drdr′
′
4πǫ0
|r−r |
∀ rij >> 0
∀ rij → 0
(1.38)
Rappé und Goddard III schlagen vor, die normierten Ladungsdichten ρi (r) an den
Atomen über Slaterorbitale φi (r) zu nähern, da deren Lösungen für das Integral bekannt
sind.
ρi (r) = φi (r)φ∗i (r)
(1.39)
φi (r) = N (n, ζi )(|ri − r|)n−1 e−ζi |ri −r|
(1.40)
n ist die Hauptquantenzahl und N die Normierungskonstante. Der Orbitalkoeffizient ζi
gibt die Ausdehnung der Ladungsdichte an und ist mit dem Kovalenzradius des Atoms
verknüpft. In modernen Ansätzen wird auf eine weniger aufwendige Variante über eine
empirische Funktion zurückgegriffen.
Jij (rij ) = q
k
1
k
γij−k + rij
(1.41)
Louwen und Vogt haben gezeigt, dass für k = 3 diese Funktion fast exakt der quantenmechanischen Lösung entspricht [34]. Der Parameter γij ist vom Atomtyp abhängig und
wird daher oft als Funktion der Härte der Atome beschrieben γij = γ(ηi , ηj ) [33, 35]. Um
die Energie mit der Nebenbedingung der Erhaltung der Gesamtladung zu verbinden,
wird eine Lagrangefunktion L definiert.
N
X
L = E(q1 , . . . , qN ) − λ(
i
qi − qtot )
(1.42)
Die Minimumsbedingung der Lagrangefunktion ergibt das Gleichungssystem:
∂L
∂qi
!
!
= χi − λ = 0 mit i = 1 . . . N
(1.43)
Der Ladungsgradient der Energie wurde bereits als Elektronegativität χi eingeführt. Der
Lagrangekoeffizient λ kann als eine Art gemittelte Elektronegativität aller Atome aufge-
31
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
fasst werden. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Konsequenz der Gleichungen
(1.43) betrachtet: alle Elektronegativitäten müssen gleich sein.
χ1 = χ2 = · · · = χN
(1.44)
Aus diesem Grund wird die Methode auch als electronegativity equalization method
bezeichnet [31]. Dieses Prinzip wurde bereits von Sanderson in seinem Konzept der
Atombindungen postuliert [36].
Die Lösung des nichtlinearen Gleichungssystem kann wieder über ein SCF Verfahren
bestimmt werden. Dazu werden die Gleichungen (1.43) und (1.44) zu χi −χ1 umformuliert.
Der Index 1 erhält eine Sonderstellung, was allerdings keine numerischen Problem
verursachen sollte [33]. Die ladungsabhängige Elektronegativität erhält man aus den
Gleichungen (1.34), (1.35) und (1.38):
(0)
χi = χi + Jii qi +
X
(1.45)
Jij qj
j6=i
mit
Jii =
(0)
ηi
1
+
2
∂ 3 Ei
∂qi3
!(0)
i
1
qi +
6
∂ 4 Ei
∂qi4
!(0)
qi2 + .. . . .
(1.46)
i
Letztendlich erhält man N −1 Gleichungen, welche noch um die Randbedinung
erweitert wird.











J21 − J11
J31 − J11
..
.
J22 − J12
J32 − J12
..
.
· · · J2N
· · · J3N
...
JN 1 − J11 JN 2 − J12 · · ·
1
1
···
− J1N
− J1N
..
.










JN N − J1N 

1
q1
q2
..
.









qN −1 

qN

=










χ01 − χ02
χ01 − χ03
..
.
P
i qi
= qtot








0
0 
χ1 − χN 

(1.47)
qtot
Das SCF Verfahren lässt sich schlecht parallelisieren. Die atomaren Informationen
zur Erstellung der Matrix aus Gleichung (1.47) müssen von einem Prozess gesammelt
und anschließend wieder auf alle Prozesse verteilt werden. Deshalb werden stattdessen
erweiterte Bewegungsgleichungen (analog Gleichung (1.33)) genutzt [35]. Den Ladungen
werden fiktive Massen µi zugeordnet:
µi qi = −χi
32
(1.48)
1.1 Molekularmechanik
Es gelten jedoch dieselben Problematiken und Einschränkungen (Kopplung von Bewegungen etc.) wie bei den Drude-Oszillatoren.
1.1.2.3 Weitere Kraftfelder
Es gibt noch wesentlich mehr Kraftfelder die auf N -Zentren (N > 2) Wechselwirkungen
beruhen. Generell sind die Konzepte doch meist sehr ähnlich zu den bereits Vorgestellten.
Bekannt sind noch die nichtbindenden 3-Zentren-Wechselwirkungen von Stillinger und
Weber [37] und Tersoff [38, 39]. Sie beruhen auf der Kombination von Paarpotentialen
mit einer Winkelabhängigkeit V (Θ).
E3−Zentren =
N X
N
X
i=1 j>i

V2 (rij ) +
N
X
k6=i,j

V3 (rij , rik , Θijk )
(1.49)
Der Unterschied zu den konventionellen Kraftfeldern ist, dass der Winkelterm für alle
Atome und nicht nur die gebundenen gilt. Allerdings verwendet man in der Regel
stark gedämpfte Potentiale, welche schnell abklingen. Eine Mischung aus fluktuierenden
Ladungen und dem Tersoffpotential ist das charged optimized many-body Potential [40],
welches versucht, die Vorteile beider Methoden zu verbinden.
Der letzte wichtige Typ sind bond-order-Potentiale, welche die Stärke von Wechselwirkungen an eine sogenannte Bindungsordnung BO knüpfen.
BO ∼
X
e /r0
r
(1.50)
Sie gibt an, wie stark ein Atom koordiniert ist und das gesamte Konzept ist sehr ähnlich zu
der EAM bei Metallen. Einzig die empirischen Wechselwirkungsfunktionen sind näher an
konventionelle, molekulare Kraftfelder angelehnt. Bekanntestes Beispiel ist das ReaxFF
[41], welches das bond-order-Modell mit fluktuierenden Ladungen verknüpft.
1.1.3 Langreichweitige elektrostatische Wechselwirkungen
Im Abschnitt über konventionelle Kraftfelder wurde bereits angedeutet, dass Paarpotentiale V (r) aus Effizienzgründen nur bis zu einem cut-off Abstand rc berücksichtigt
werden.


V (r) ∀ r ≤ rc
(1.51)
Ṽ (r) =

0
∀ r > rc
33
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
Viele Wechselwirkungen sind sehr kurzreichweitig, besonders wenn sie auf der Überlappung von Elektronendichten beruhen. In diesen Fällen fällt das Potential für große
Abstände schnell gegen null ab und es entsteht nur ein kleiner, zu vernachlässigender
Fehler. Eine wichtige Ausnahme ist das elektrostatische Potential zwischen Ladungen
in großen oder periodisch unendlichen atomaren Systemen. Im einfachen periodischen
Fall (Abschnitt 1.3.1.3) kann die Wechselwirkung als Summe über die N atomaren
Punktladungen (Gleichung (1.4)) in einer Einheitszelle und ihrer periodischen Replika
verstanden werden.


N
N X
∞ X
1X

Vcoul (|rij + Lt|)
(1.52)
Eele =
2 t i=1 j6=i=1
Der Translationsvektor t = (tx , ty , tz ) geht über alle ganzzahligen Permutationen der
Vervielfältigungen in alle Raumrichtungen. Die Gittermatrix L enthält die Gitterkonstanten in kartesischen Koordinaten. Eine Konvergenz der Reihe in Gleichung (1.52)
erfolgt nur unter der Bedingung, dass die Gesamtladung qc = 0 ist. Bei einer konstanten
Nettoladung einer Einheitszelle qc 6= 0 divergiert die Reihe:
∞
X
qc
k
rk
≈
Z ∞
qc
0
r
dr = ∞
(1.53)
Ein zusätzliches Problem lässt sich anhand eines eindimensionalen Ionenkristalls mit
gleichmäßig verteilten Ionen der Ladung ±q illustrieren. Die endliche Summe ist alternierend und hat zwei Lösungen, abhängig vom letzten Summanden.
n∈N
X
i
(−1)i q =


q

0
∀ 2n
∀ 2(n + 1)
(1.54)
Auf reale Systeme übertragen bedeutet dies, dass beim Abschneiden nahezu immer ein
Fehler in der Ladungssumme ∆q entsteht. Der Betrag des Fehlers skaliert mit ∆q/rc und
man braucht große Grenzwerte rc , um diesen zu minimieren.
Der am weitesten verbreitete Ansatz ist die sogenannte Ewaldsummation [42]. Die
Idee besteht in der Zerlegung der Gesamtsumme in einen kurzreichweitigen und einen
34
1.1 Molekularmechanik
langreichweitigen Teil, welche beide absolut konvergent3 sein sollen. Zur Zerlegung wird
die Fehlerfunktion (erf ) und ihre Komplementärfunktion (erfc) genutzt:
Eewald

!
N
N X
∞ X
1 1X

qi q j
=
4πǫ0 2 t i=1 j6=i=1
erfc(α|rij + Lt|) erf (α|rij + Lt|) 
+
|rij + Lt|
|rij + Lt|
(1.55)
Die physikalische Interpretation und mathematische Umsetzung ist relativ umfangreich
und wurde von de Leeuw et al.[43, 44] detailliert beschrieben. Als Resultat wird der
langreichweitige Teil mit der Fehlerfunktion durch eine absolut konvergierende Fourierreihe im reziproken Raum beschrieben. Der verbleibende kurzreichweitige Teil konvergiert
durch die komplementäre Fehlerfunktion schnell im Ortsraum.
Eewald
tc X
N
N
X
1 1X
qi q j
=
4πǫ0 2 t i=1 j6=i=1
|rij |<rc
|
−

2
N
X

cos(kri )
i=1
{z
!
}
2 
N
X
+ sin(kri ) 
i=1
}
Summe im reziproken Raum
α
4π 3/2 ǫ0
|
{z
Summe im Ortsraum
2
2
kc
1 X
e−|k| /4α
+
2|L|ǫ0 k6=0 |k|2
|
erfc(α|rij + Lt|)
|rij + Lt|
{z
N
X
i=1
qi2
}
Eigenkorrektur
2
N
X
1
qi ri −
2(2ǫs + 1)ǫ0 |L| i=1
|
{z
Dipolkorrektur
(1.56)
}
α ist der Dämpfungs- oder Konvergenzparameter, welcher bestimmt wie schnell der
Ortsraumanteil konvergiert. Je größer α, desto kürzer kann ein Grenzabstand rc (und
damit die Grenze des Translationsvektors tc ) sein, mit dem Nachteil, dass die Grenzen
für die Summierung im reziproken Raum kc sich dann vergrößern. k ist ein reziproker
Translationsvektor und ǫs die Dielektrizitätskonstante eines fiktiven, umgebenden Mediums. Die letzten beiden Terme in der Ewaldenergie sind Korrekturen. Zum einen die
Eigenkorrektur, da im reziproken Raum die Wechselwirkung eines Atomes mit seiner
eigenen Ladungsdichte nicht aus der Summe gelöst werden kann. Zum anderen die
Dipolkorrektur, welche verhindern soll, dass sich temporäre Nettodipole in molekularen
Systemen aufaddieren. Dies ist relevant in Systemen mit erzwungener Periodizität, wie
zum Beispiel Lösungsmittel in periodischen Simulationszellen. ǫs reguliert dabei, ob ein
3
d.h. sie konvergieren für r → ∞ immer gegen eine Konstante, hier konkret gegen null
35
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
Medium wie ein Lösungsmittel einen Dipol dämpfen würde (ǫs > 0) oder ob, wie im
Falle von Kristallen der Dipol unbeeinflusst bliebe (ǫs = 0).
Die Ewaldsummation oder ähnliche Verfahren sind de facto der Standard in molekularmechanischen Simulationen. Allerdings gibt es einige Limitierungen und Nachteile,
welche besonders für diese Arbeit von Bedeutung sind. Der numerische Aufwand der
Ewaldsummation, insbesondere des reziproken Anteils, ist trotz effizienter Algorithmen
zur Fouriertransformation erheblich. Besonders für große, aperiodische Systeme steht
der Aufwand kaum im Verhältnis zum Nutzen. Des Weiteren wird stets eine Periodizität
erzwungen, welche in zweidimensionalen und pseudodreidimensionalen Systemen (z.B.
Simulationen von Schichten oder Oberflächen) explizit falsch sein kann. Zuletzt erzwingt
die Ewaldsummation eine neutrale Simulationszelle4 . Möchte man Systeme mit lokalen
Ladungshäufungen (zum Beispiel an einer Oberfläche) untersuchen, muss man die Zelle
sehr groß wählen um Ladungsneutralität zu gewährleisten.
All diese Einschränkungen haben zur Entwicklung der gedämpften Coulombpotentiale
geführt. Erstmals wurden sie von Wolf et al. [46] eingeführt und später von Zahn et al.
[47] und Fennell und Gezelter [48] weiterentwickelt. Sie besteht aus zwei Teilen: einem
gedämpften Paarpotential und einer Korrekturenergie.
EDSF

1 X
=
4πǫ0 i
X
j6=i=1
|rij |<rc
"
"
2α e−2α
erfc(αrc )
qi qj erfc(α|rij |) erfc(αrc )
√
+
−
+
2
|rij |
rc
rc2
π rc
|
#

erfc(αrc )
α
+
+ √ qi2 
2rc
π
|
{z
Korrekturterm
{z
damped-shifted-force Potential
2 r2
c
!
#
(|rij | − rc )
}
(1.57)
}
Die Dämpfung des Paarpotentials erfolgt nach Wolf, wie beim Ortsteil der Ewaldsummation, über eine komplementäre Fehlerfunktion. Zahn und Fennell haben zur Gewährleistung
der Stetigkeit des Potentials und seiner Ableitung (der Kraft) ein sogenanntes damped
4
Es gibt Korrekturen für geladene Systeme, welche aber meistens abhängig vom Volumen der gesamten
Zelle sind [45]
36
1.2 Quantenchemie
shifted force Coulombpotential (DSF-Coul) entwickelt. Ein solches Potential hat die
allgemeine Form:
Vdsf (r) =


V (r) − V (rc ) − (r − rc ) dV
dr

0
(rc ) ∀ r ≤ rc
(1.58)
∀ r > rc
Die Korrekturenergie setzt sich aus der schon bekannten Eigenkorrektur (aus der Ewaldsummation) und einer Ladungsneutralisationsenergie zusammen. Wolf stellte fest, dass
der wesentliche Energieanteil der reziproken Raumsumme aus der artifiziellen Wechselwirkung der Eigenladungsdichte mit sich selbst resultiert. Zusätzlich führt er eine
Neutralisationsenergie ein, welche die kompensierende Nettoladung durch eine verteilte
Ladung auf der Oberfläche einer Sphäre mit Radius rc beschreibt. In einer Studie zum
Vergleich von Ewald- und Wolfsummation in ionischen Kristallen an Grenzflächen stellen
Gdoutus et al. [49] die Vorteile letzterer umfangreich dar.
1.2 Quantenchemie
In diesem Abschnitt werden für diese Arbeit relevante Grundlagen und Methoden
der Quantenmechanik erläutert. Da der thematische Fokus der Aufgabenstellung eher
auf der Entwicklung und Auswertung von größeren molekularen Modellen mithilfe der
MM liegt, nehmen „echte“ QM Rechnungen nur die Rolle von einem Hilfsmittel ein.
Dementsprechend stehen hier nur kurze Erläuterungen mit Verweis auf die entsprechende
Literatur.
Der wesentliche Unterschied der QM zur klassischen Mechanik ist die Einführung einer
Zustandsfunktion (Wellenfunktion) Ψ, deren Betragsquadrat die Wahrscheinlichkeit W
angibt, mit welcher ein atomares System sich in einer bestimmten Konfiguration {r, R}
zum Zeitpunkt t befindet.
W ({r, R, t}) = |Ψ({r, R, t})|2
(1.59)
{r} gibt die Positionen der Elektronen, {R} die der Kerne an. Zustandsgrößen (Observable) können nicht mehr über Funktionen von Punkten im Phasenraum von Ort und
Impuls (wie in der klassischen Hamiltonmechanik) dargestellt werden [50]. Vielmehr sind
die möglichen Ergebnisse von Observablen über Operatoren (Messungen) mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Wellenfunktion verknüpft. Der sicherlich bekannteste und
37
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
wichtigste Zusammenhang ist in der stationären (zeitunabhängigen) Schrödingergleichung
[51] für die Energie E beschrieben:
EΨ = ĤΨ
(1.60)
Der Hamiltonoperator Ĥ beschreibt die Kinetik und die Wechselwirkungen des Systems:
Ĥ = T̂r + T̂R + Vr,r′ + Vr,R′ + VR,R′
(1.61)
Der kinetische Operator T̂ und das Wechselwirkungspotential V wurden in ihre Anteile
abhängig von den Kernpositionen R und Elektronenpositionen r aufgeteilt. Je nach
Randbedingungen hat diese Gleichung mehrere Lösungen mit verschiedenen Wahrscheinlichkeiten. Prinzipiell kann unter Kenntnis der exakten Wellenfunktion der Zustand
jedes System beschrieben und alle Observablen bestimmt werden. Leider existiert das
Dreikörperproblem. Es macht die allgemeine, analytische Lösung der Gleichung und
damit das Finden der exakten Wellenfunktion für mehr als zwei wechselwirkende Objekte unmöglich. In den letzten hundert Jahren wurden daher eine Reihe von Ansätzen
entwickelt, um möglichst gute Näherungen der Lösung zu erhalten.
1.2.1 Born-Oppenheimer-Näherung
Diese Näherung ist essentiell, da sie die Grundlage der gesamten Molekularmechanik
und der meisten QM-Techniken legt. Weil sich die Massen der Kerne und der Elektronen
um mehrere Größenordnungen unterscheiden, werden deren Bewegungen bei diesem
Ansatz voneinander adiabatisch entkoppelt betrachtet [52]. Die Wellenfunktion von
einem mehratomigen System wird dazu in einen elektronischen (ψ) und einen nuklearen
(χ) Teil zerlegt.
Ψ({r, R}) = ψ({r}; {R})χ({R})
(1.62)
Die Positionen der Kerne {R} werden dabei im elektronischen Teil als konstant betrachtet.
Der Hamiltionoperator (Gleichung (1.61)) wird ebenfalls zerlegt und die Bewegung der
Kerne vernachlässigt [53, 54]:
Ĥ = Ĥele + Ĥnuk
Ĥele = T̂r + Vr,r′ + Vr,R′
Ĥnuk = T̂R + VR,R′ ≈ VR,R′
38
(1.63)
(1.64)
1.2 Quantenchemie
Die Schrödingergleichung muss nun nur noch für die elektronische Wellenfunktion gelöst
werden.
(Ĥele + VR,R′ )ψ({r}; {R}) = (Eele + Enuk )ψ({r}; {R})
(1.65)
Die wegfallende Kinetik der Kerne T̂R kann über klassische Mechanik oder QM mit der
nuklearen Wellenfunktion beschrieben werden.
1.2.2 ab initio Methoden
Ansätze ohne empirische Parameter oder Funktionen nennt man ab initio5 Methoden.
Die Bezeichnung wird oft synonym für die auf Wellenfunktionen basierenden ab initio Methoden verwendet. Es handelt sich dabei um Methoden, welche versuchen eine möglichst
genaue Näherung der unbekannten Wellenfunktion zu finden.
1.2.2.1 Hartree-Fock-Methode
Die Hartree-Fock-Methode beruht auf der Grundidee, das komplexe Vielteilchen-Gleichungssystem der Schrödingergleichung auf n Einteilchen- oder Einelektronengleichungen
zu reduzieren [54]. Der elektronische Teil des Hamiltonoperators (Gleichung (1.63))
kann in einen Einelektronenteil ĥ = T̂r + Vr,R und einen Mehrelektronenteil Vr,r′ zerlegt
werden. Statt explizit den Mehrelektronenteil zu berücksichtigen, wird die ElektronElektron-Wechselwirkung in der Wirkung eines gemittelten Felds aller Elektronen auf
ein einzelnes Elektron zusammengefasst. Den so entstehenden Einelektronenoperator
nennt man Fockoperator f und der gesamte Hartree-Fock-Hamiltonoperator ĤHF ist die
Summe aller Fockoperatoren.
fˆi = ĥi +
okk
NX
u
2Jˆu (xi ) − K̂u (xi )
mit ĤHF =
n
X
fi
(1.66)
i
Jˆ ist der sogenannte Coulomboperator, welcher die elektrostatische Wechselwirkung von
Elektronen untereinander berücksichtigt und K̂ der Austauschoperator für die Energie
der Spin-Korrelation (Berücksichtigung der antisymmetrischen Permutationssymmetrie
bei Fermionen) [54]. Der Index u geht über alle N okk besetzten (okkupierten) Spinorbitale
und i ist der Index des Elektrons mit der Spin-Ortskoordinate xi = {ri ; ωi }. Aus dem
Pauli-Prinzip hervorgehend, wird hier dem Elektron eine zusätzliche Koordinate, der Spin
5
lat. von Anfang an
39
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
ω, zugeordnet [54]. Spinorbitale sind Einelektronenorbitale ϕ, aus welchen die Gesamtwellenfunktion Ψ0 in der Hartree-Fock-Methode über eine sogenannte Slaterdeterminante
als Produkt von Einelektronenzuständen konstruiert wird.
ϕα (x1 ) ϕβ (x1 ) · · · ϕω (x1 )
1 ϕα (x2 ) ϕβ (x2 ) · · · ϕω (x2 )
Ψ0 ({x, R}) = √
..
..
..
..
n!
.
.
.
.
ϕα (xn ) ϕβ (xn ) · · · ϕω (xn )
(1.67)
Die Wellenfunktion erfüllt die Bedingung der antisymmetrischen Permutationssymmetrie
für Fermionen und soll die unbekannte, exakte Vielelektronenwellenfunktion annähern. Es
resultiert letztendlich das Hartree-Fock-Gleichungssystem von Einelektronengleichungen.
fˆi ϕα (i) = ǫα ϕα (i)
(1.68)
ϕα (i) ist das vom i-ten Elektron besetzte Orbital α mit der Einelektronenenergie ǫα . Die
Lösungen für ϕ und ǫ werden iterativ mit einem SCF Verfahren bestimmt. Da nach dem
Variationsprinzip die beste Lösung nur gleich oder größer dem exakten Grundzustand
E0 sein kann, findet man auf diesem Weg die beste Näherung des Grundzustandes.
EHF [Ψ0 ] ≥ E0exakt
(1.69)
Die Spinorbitale werden oft aus M atomzentrierten, bekannten Basisfunktionen φ linear
kombiniert (LCAO linear combination of atomic orbitals):
ϕα =
M
X
cαj φj
(1.70)
j=1
Theoretisch kann jede (nahezu) vollständige Basis dafür verwendet werden. Effizienter ist
es jedoch, wenige, gut passende Basisfunktionen zu verwenden. Es müssen als Lösung der
Hartree-Fock-Gleichung (Gleichung (1.68)) nur noch die Koeffizienten bestimmt werden.
Die in dieser Arbeit verwendeten Basissätze werden an den entsprechenden Stellen zitiert.
1.2.2.2 Møller-Plesset-Störungstheorie
Da die Hartree-Fock-Methode die Elektron-Elektron-Wechselwirkung nur in einer effektiven, gemittelten Variante beinhaltet, fehlen einige sogenannte Korrelationsbeiträge und
40
1.2 Quantenchemie
führen unter Umständen zu großen Fehlern. Ein systematischer Weg, den Fehler zu reduzieren, ist die Störungstheorie nach Møller-Plesset (MPPT Møller-Plesset Pertubation
Theory). Es wird ein Störoperator V̂M P definiert, welcher in diesem Fall die Abweichung
der Hartree-Fock-Operatoren zum vollständigen Hamiltonoperator für die Elektronen
Ĥele (Gleichung (1.64)) beschreibt.
V̂M P = Ĥele −
n
X
fˆi
(1.71)
i
Die Schrödingergleichung erweitert sich zu:
(ĤHF + λV̂M P )Ψ0 = EM P Ψ0
(1.72)
Der Parameter λ schaltet dabei die Störung kontinuierlich an λ = 1 und ab λ = 0. Die
gestörte Energie und Wellenfunktion kann als Potenzreihe entwickelt werden:
(0)
(1)
(2)
(3)
Ψ0 = Ψ0 + λΨ0 + λ2 Ψ0 + λ3 Ψ0 + . . .
EM P = E (0) + λE (1) + λ2 E (2) + λ3 E (3) + . . .
(1.73)
(0)
Die ungestörte Energie und Wellenfunktion Ψ0 , E (0) entsprechen der Hartree-Fock
Lösung. Für die Bestimmung der Terme sei auf die Literatur verwiesen [53, 54]. Die erste
Störungsenergie enthält keine Elektronenkorrelation und ist null. Das weitere Lösen der
Störterme ist sehr aufwendig und wird in der Praxis meist nur bis zur zweiten Ordnung
gerechnet (als MP2 bezeichnet).
1.2.3 Dichtefunktionaltheorie
Im Unterschied zu den auf der Wellenfunktion basierenden Methoden, geht man bei der
Dichtefunktionaltheorie (DFT) davon aus, dass die Elektronendichte ρ(r) den Zustand
des Systems beschreibt. Das sogenannte Hohenberg-Kohn-Theorem beschreibt dabei die
Grundzustandsenergie als ein eineindeutiges Funktional der Dichte E0 = E[ρ]. Dieser
Zusammenhang sagt allerdings nichts über die Art des Funktionals aus und die genaue
Form ist unbekannt. Das Funktional kann aber, ähnlich wie der Hamiltonoperator der
Schrödingergleichung (Gleichung (1.61)), zerlegt werden [55].
E[ρ] = T [ρ] + Eele−ele [ρ] + Eele−kern [ρ]
(1.74)
41
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
Die kinetische Energie und die Elektron-Elektron-Wechselwirkungsenergie sind dabei
unabhängig vom System und werden als universelles Funktional bezeichnet. Leider sind
auch die einzelnen Bestandteile des universellen Funktionals immer noch unbekannt.
Ähnlich wie bei der Hartree-Fock-Methode wird zur Lösung versucht, die Gleichungen
auf Einelektronenfunktionen zu vereinfachen. Zunächst wird die Dichte über sogenannte
Kohn-Sham-Orbitale χ definiert [54, 55]:
ρ(r) =
n
X
i=1
|χi (r)|2
(1.75)
Die Summe über alle n besetzten Einelektronenorbitale ergibt die Grundzustandsdichte.
Zudem wird die unbekannte kinetische Energie T durch die bekannte kinetische Energie
TS von nicht miteinander wechselwirkenden Elektronen angenähert. Des Weiteren teilt
man die Elektron-Elektron-Energie in einen klassischen, elektrostatischen Teil J und
einen nicht klassischen Teil Enk , welcher den Beitrag der Austauschenergie enthält [55].
EKS [ρ] = TS [ρ] + ∆T [ρ] + J[ρ] + Enk [ρ] + Eele−kern [ρ]
(1.76)
Dabei fasst man den unbekannten Fehler der kinetischen Energie ∆T und die nicht
klassische Elektron-Elektron-Wechselwirkung zum sogenannten Austausch-KorrelationsFunktional zusammen Exc [ρ] = ∆T [ρ] + Enk [ρ]. Mit dem Variationsprinzip und der
Dichtedefinition (Gleichung (1.75)) ergibt sich das Kohn-Sham-Einelektronengleichungssystem [54, 55]
(T̂S + Vef f )χi = ǫi χi
(1.77)
T̂S ist der kinetische Einelektronenoperator und Vef f enthält die Coulombwechselwirkung
des Orbitals mit der Elektronendichte, den Kernen und das unbekannte AustauschKorrelations-Potential Vxc .
Vef f = Vxc +
Z
ρ(r′ )
dr′ + Vkern−ele
|r − r′ |
(1.78)
Die Lösung der nichtlinearen Kohn-Sham-Gleichungen erfolgt wie bei der Hartree-FockMethode durch einen SCF Ansatz. Da alle Funktionalformen bis auf das AustauschKorrelations-Funktional bekannt sind, liegt die Schwierigkeit der DFT im Finden einer
geeigneten Näherung für Vxc .
42
1.2 Quantenchemie
Drei generelle Strategien werden für die unbekannten Funktionale verwendet [55]. Die
Einfachste ist die Beschreibung als freies Elektronengases in der sogenannten local density
approximation.
Z
LDA
Exc
= ρ(r)ε[ρ(r)]dr
(1.79)
Das Funktional ε gibt die Energie entsprechend eines homogenen, uniformen Elektronengases wieder. Die Näherung kann noch unter der Berücksichtigung der Dichtegradienten
zur generalized gradient approximation erweitert und verbessert werden. In einem dritten Ansatz wird der Umstand ausgenutzt, dass die Hartree-Fock-Methode formal die
exakte Austauschenergie enthält. Bei den sogenannten Hybridfunktionalen wird daher
ein empirisch bestimmter Anteil der Hartree-Fock-Austauschenergie dem AustauschKorrelations-Potential beigemischt. Bis auf die local density approximation gibt es jedoch
keine eindeutige, exakte Beschreibung und eine Vielzahl an Varianten sind im Laufe der
Jahre entstanden.
1.2.3.1 Pseudopotentiale
Der Rechenaufwand für die Lösung der Kohn-Sham-Gleichungen steigt etwa kubisch
mit der Anzahl der Basisfunktionen [55]. Um die Anzahl von Elektronen und damit die
notwendige Anzahl von Basisfunktionen zu reduzieren, wurde das Konzept der Pseudopotentiale (PPs) eingeführt. Die Grundannahme besteht darin, dass nur die äußeren
Valenzelektronen der Atome zur chemischen Bindung beitragen und innere kernnahe
Elektronen lediglich die Kernladung in Form eines effektiven Potentials abschirmen.
Pseudopotentiale erzeugen dabei ein gemitteltes Kernpotential für die Valenzelektronen,
welches der „echten“, vollen Elektronenkonfiguration entspricht. Prinzipiell gibt es zwei
wichtige Arten von PP: normerhaltend und ultra-soft [56, 57]. Ein verbreitetes Beispiel
für normerhaltende PP ist das Troullier-Martins-Potential [58].
ψlP P (r) =


ψl (r)

r l ep(r)
∀ r > rl
(1.80)
∀ r ≤ rl
43
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
Die PP-Valenzorbitale ψlP P für verschiedene Drehimpulsquantenzahlen l entsprechen
dabei oberhalb eines Grenzwertes rl den vollständigen Elektronenorbitalen ψl . Unterhalb
des Grenzwertes werden sie durch ein radialsymmetrisches Polynom p(r) angenähert.
p(r) = c0 +
4
X
ci r i
(1.81)
i=2
Die Koeffizienten werden aus folgenden Bedingungen erhalten:
1. Stetigkeit des Potentials und der ersten vier Ableitungen an der Stelle rl
R rl
2. Normerhaltung (
0
dr r2 [φPl P (r) − φl (r)]2 = 0)
3. Krümmung gleich null für r = 0
Die von Vanderbilt eingeführten ultra-soft PP basieren auf einem ähnlichen Prinzip [59].
Sie verzichten im wesentlichen auf die Normerhaltung, um weichere, glattere Funktionen
zu erhalten. Dies hat den Vorteil, dass, je glatter eine Funktion ist, desto weniger
Basisfunktionen werden benötigt, um diese Funktion darzustellen.
1.2.3.2 Car-Parinello-Molekulardynamik
In der konventionellen QM-Molekulardynamik wird durch die BON zu jedem Zeitpunkt
die Wellenfunktion oder Elektronendichte selbstkonsistent bestimmt. Daraus werden
die Kräfte errechnet und schließlich die Bewegungsgleichungen der Kerne integriert.
Offensichtlich ist dieses Vorgehen sehr aufwendig und beschränkt QM-MolekulardynamikSimulationen auf kleine Simulationszeiten (maximal Pikosekunden) für wenige Atome
(maximal einige hundert). Die sogenannte Car-Parinello-Molekulardynamik (CPMD)
versucht den Aufwand zu reduzieren, indem die Orbitale φ mit fiktiven Elektronenmassen
µ versehen und direkt in die Bewegungsgleichungen aufgenommen werden [60]. Dazu
wird die Langrangefunktion L aus der Langrangemechanik erweitert:
"
#
Z
n
N
X
1 X
2
˙ 2 dr − E[{ψ}, {R}]
L=
µi |ψ(r)|
MI ṘI +
{z
}
|
2 I
i
+
|
n
n X
X
i
|
44
{z
Kinetische Energie
j
Λij
Z
ψi (r)ψj∗ (r)dr − δij
{z
Orthonormalitätsbedingung
}
}
Potentielle Energie
(1.82)
1.2 Quantenchemie
Die Ableitungen nach Positionen der N Kerne R und den n Orbitalen ψ ergeben dann die
Bewegungsgleichungen. δij ist das Kroneckerdelta und Λij sind Langrangemultiplikatoren.
Die potentielle Energie ist dabei ein beliebiges Funktional (z.B. DFT) der Wellenfunktion
und der Kernpositionen. Natürlich entsprechen die so propagierten Orbitale nicht den
adiabatisch selbst konsistenten. Allerdings schwankt der Mittelwert der resultierenden
Kräfte um die „exakte“ SCF Lösung [61].
45
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
1.3 Simulationstechnik
1.3.1 Molekulardynamik
1.3.1.1 Bewegungsgleichungen
Die Molekulardynamik (MD) ist, vereinfacht gesprochen, die Berechnung der Bahnkurven von Atomen, Molekülen oder Partikeln. Üblicherweise werden dabei Atome als
Massenpunkte definiert und es gilt die Born-Oppenheimer-Näherung. Prinzipiell müssen
nur die aus der klassischen Mechanik stammenden Bewegungsgleichungen aufgestellt
und gelöst werden. Die Energie eines konservativen, klassischen Systems ist durch die
Hamiltonfunktion H im Ort-Impulsraum {r, p} definiert.
H=
N
X
p2i
+ V({r})
i=1 2mi
(1.83)
Die potentielle Energie V wird durch Methoden der MM oder QM bestimmt. Die
Veränderungen mit der Zeit t ergeben sich aus den Ableitungen der Hamiltonfunktion
[62]:
dri
∂H
pi
=
=
dt
∂pi
mi
∂H
∂V
dpi
=−
=−
dt
∂ri
∂ri
(1.84)
(1.85)
Im Allgemeinen gilt für drei oder mehr wechselwirkende Objekte das Dreikörperproblem oder allgemeiner das N -Körperproblem, welches eine direkte analytische Lösung
ausschließt. Es wird daher auf numerische Näherungsverfahren zurückgegriffen. Eines
der bekanntesten und auch in dieser Arbeit verwendete ist der Verlet-Algorithmus im
sogenannten „half-step leap-frog“ Schema [63]:
r(t + δt) = r(t) + δt ṙ(t + 1/2δt)
ṙ(t + 1/2δt) = ṙ(t − 1/2δt) + δt r̈(t)
(1.86)
Der Ort eines Teilchens r nach einem Zeitschritt δt wird dabei aus dem Ort zum
Zeitpunkt t und der Geschwindigkeit ṙ nach einem Halbschritt 1/2δt berechnet. Die
Geschwindigkeit wiederum ergibt sich aus der letzten Halbschrittgeschwindigkeit und der
f
von den auftretenden Kräften stammt. Der
aktuellen Beschleunigung, welche nach r̈ = m
46
1.3 Simulationstechnik
Vorteil des Verfahren ist, dass es zeitreversibel und numerisch sehr stabil ist. Ein kritischer
Parameter ist der Zeitschritt, welcher nicht zu groß gewählt werden darf, da der Fehler
des Verlet-Algorithmus mit δt4 skaliert. Eine Verdoppelung des Zeitschrittes entspricht
also einer Versechzehnfachung des Fehlers. Andererseits sind zu kleine Zeitschritte sehr
ineffizient und führen zu einem hohen Rechenaufwand.
1.3.1.2 Thermo- und Barostat
Der einfachste Fall einer MD-Simulation ist ein sogenanntes mikrokanonisches oder
NVE-Ensemble mit konstanter Teilchenzahl, konstantem Volumen und Gesamtenergie.
Oft möchte man jedoch ein thermodynamisches Gleichgewicht bei einer bestimmten
Temperatur und einem bestimmten Druck simulieren. Hierfür führt man sogenannte
Thermo- bzw. Barostate ein, welche die Dynamik der Simulation erweitern, damit das
Gleichgewicht der Simulation einem NVT- bzw. NpT-Ensemble entspricht. In dieser
Arbeit werden hauptsächlich der Nosé-Hoover-Thermostat [64, 65] in Kombination (wenn
nötig) mit dem Parinello-Rahman-Barostat [66] verwendet. Die Idee des Thermostats
besteht in der Erweiterung der Hamiltongleichung (Gleichung (1.83)) um die zusätzlichen
Freiheitsgrade s und ps = ms s. Die Verteilung der Freiheitsgrade entspricht dabei der
eines zusätzlichen, künstlichen Ensembles mit der gewünschten Temperatur T (also einem
Wärmebad).
N
X
p2i
p2s
HNosé-Hoover =
+
V({r})
+
+ gkB T ln s
(1.87)
2
2ms
i=1 2mi s
Die fiktive Masse ms gibt die Stärke der Kopplung an. Die Skalierung der Freiheitsgrade
des Systems mit denen des fiktiven Ensembles g beträgt in der Regel g = 3N . In den
meisten Fällen generiert die Verwendung des Nosé-Hoover-Thermostats die Verteilung
eines entsprechenden kanonischen Ensembles [62]. In manchen Fällen verwendet man
allerdings mehrere, zusätzliche Freiheitsgrade, um die Verteilung zu verbessern. Es wird
von sogenannten Nosé-Hoover-Ketten gesprochen [62].
Aus technischen Gründen wurde in einigen, meist weit jenseits des thermodynamischen
Gleichgewichts liegenden Szenarien der Berendsen-Thermostat [67] verwendet. Dies ist
durch die Implementierung von Maxima für Kräfte und Bewegungen im verwendeten
Simulationsprogramm LAMMPS bedingt. Für weitere technische Details sei auf das
LAMMPS-Handbuch verwiesen [68].
47
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
1.3.1.3 Periodische Randbedingungen
In nahezu allen untersuchten Szenarien wurden periodische Randbedingungen verwendet
(Abb. 1.2). Es bedeutet im Kontext von MD-Simulationen, dass Atome, welche das
Volumenelement der Simulation auf einer Seite verlassen, auf der entgegengesetzten
Seite wieder eintreten und so die Teilchenzahl konstant bleibt. Sehr viele Simulationen
kondensierter Systeme (Flüssigkeiten und Festkörper) werden mit periodischen Randbedingungen durchgeführt, um ihre Unendlichkeit zu imitieren. Der „Trick“ dabei ist,
die Periodizität so zu wählen, dass die entstehende, periodische Überstruktur überhaupt
nicht (Flüssigkeiten) oder kongruent (Kristallgitter) mit der inneren Struktur überlagert.
Die Periodizität bringt einige Probleme und Anpassungen für Wechselwirkungspotentiale
und den Aufbau von Simulationsszenarien mit sich. Diese werden an den entsprechenden
Stellen in dieser Arbeit erläutert.
Abbildung 1.2: Schematische Darstellung von periodischen Randbedingungen, bei welchen
die mittlere Zelle in alle Richtungen repliziert wird. Teilchen, welche die Simulationszelle auf
einer Seite verlassen, betreten diese auf der anderen Seite wieder.
1.3.2 Statistische Größen
Die einfachste zugängliche thermodynamische Größe in der MD ist die innere Energie
U , welche das Zeitmittel h i der Hamiltonfunktion H im Ort-Impuls-Phasenraum {r, p}
darstellt [63].
U = hH({r, p})i
(1.88)
Für eine ausreichend lange Mittelungszeit t → ∞ geht dieser Wert gegen den makroskopischen Messwert. Entsprechend lässt sich Temperatur T über die momentane Temperatur
T aus der kinetischen Energie K bestimmen.
T = hT i =
48
*
2K({p})
3N kB
+
(1.89)
1.3 Simulationstechnik
Der Druck P wird aus dem sogenannten inneren Virial W (welches wiederum eine
Funktion der potentiellen Energie V ist) bestimmt [63].
P = hPi =
*
N kB T + W
V
+
(1.90)
mit
W=
−1/3
N
X
ri
i=1
∂V
∂ri
!
(1.91)
Das Volumen V und die Teilchenzahl N können ebenfalls entsprechend gemittelt werden,
sind jedoch oft konstant.
Bei diesen Betrachtungen fehlt bisher die Entropie S als statistische Größe. Phänomelogisch betrachtet sind die freie Energie F und freie Enthalphie G die Zustandsgrößen,
welche statistische Informationen des Systems enthalten. Diese Informationen werden
wiederum durch die sogenannte kanonische Zustandssumme Z beschrieben. Sie ist die
Summe über die Boltzmannverteilung aller möglichen Konfigurationen bei gegebener
Temperatur, Volumen und Teilchenzahl [63]:
ZN V T =
X
e−H({r,p})/kB T
(1.92)
{r,p}
Beziehungsweise im isobaren Fall (konstanter Druck, statt konstantem Volumen):
ZN P T = ZN V T
X
e−P V /kB T
(1.93)
V
Die Summen lassen sich in der Simulation als Mittelung der Exponentialfunktion bestimmen.
E
D
1
(1.94)
= eH({r,p})/kB T
NV T
ZN V T
Die thermodynamischen Potentiale F und G ergeben sich als:
F = −kB T ln ZN V T
G = −kB T ln ZN P T
(1.95)
(1.96)
49
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
Generell sind nicht die absoluten Potentiale, sondern die Differenzen bei verschiedenen
Zuständen A und B des Systems von Interesse. Da es Zustandsgrößen sind, hängt die
Differenz nur von den Endpunkten, nicht vom Weg ab.
∆FAB = FB − FA = −kB T ln
D
eH({r,p})/kB T
E
ZB
= kB T ln H({r,p})/k T B
B i
ZA
he
A
(1.97)
Praktisch ist diese Berechnung allerdings sehr schwierig und aufwendig, da nach Gleichung (1.94) unwahrscheinliche Zustände mit hoher Energie H >> kB T exponentiell
gering in die Mittelung eingehen. Das Abtasten der Konfigurationen bei A und B führt
nur zu einer langsamen Konvergenz von FA und FB . In Systemen mit vielen Freiheitsgraden respektive einem großen Konfigurationsraum, kann es schlicht unmöglich sein, mit
heutigen Computern eine signifikante Mittelung durchzuführen. Entsprechend wurden
Techniken entwickelt, um die freie Energiedifferenz schneller zu bestimmen.
1.3.2.1 Thermodynamische Integration
Eine Möglichkeit Gleichung (1.97) zu vereinfachen ist die Annahme, dass zwei sehr
ähnliche Zustände durch dasselbe Konfigurationsmittel M beschrieben werden können
[69].
E
D
(1.98)
∆FAB ≈ kB T ln e(HB −HA )/kB T
M
Alle in A und B gleichen Energieanteile (z.B. Lösungsmittel) kürzen sich und die
Schwankung der Energie reduziert sich unter Umständen drastisch. Man kann diese
Näherung ausnutzen, indem man den Zustand A in sehr kleinen Schritten zu B ändert
und entlang dieser Änderung mittelt. Dazu wird die Hamiltonfunktion in Abhängigkeit
eines Kopplungsparamteres λ (0 ≤ λ ≥ 1) aufgestellt.
H(λ) = λHB + (1 − λ)HA
(1.99)
Die Gesamtdifferenz aus Gleichung (1.97) kann als Summe von Gleichung (1.98) über
viele λ mit kleinen Schrittweiten ∆λ genähert werden.
∆FAB ≈
1
X
λ=0
D
kB T ln e(H(λ+∆λ)−H(λ))/kB T
E
λ
(1.100)
Eine letzte Näherung wird vorgenommen indem man ausnutzt, dass für ∆λ → 0 die
Energiedifferenz ∆H(λ) = H(λ + ∆λ) − H(λ) ebenfalls gegen null geht. Aus diesem
50
1.3 Simulationstechnik
Grund kann die Exponentialfunktion durch eine Potenzreihe bis zum zweiten Glied
genähert und die Beziehung limx→0 ln(1 + x) = x ausgenutzt werden:
D
∆H/kB T
lim kB T ln e
∆H→0
E
= lim kB T ln
∆H→0
*
∆H
1+
kB T
+!
= lim h∆Hi
∆H→0
(1.101)
Die so genäherte Summe aus Gleichung (1.100) wird über Intervalle ∆λ numerisch
integriert [69]:
∆FAB = lim
∆λ→0
1
X
λ=0
*
+
*
1
X
∂H
∆H(λ)
∆λ ≈
∆λ
∂λ
λ=0
+
∆λ
(1.102)
λ
Das gesamte Verfahren wird deshalb auch thermodynamische Integration (TI) genannt.
Die Hauptschwierigkeit besteht im Finden eines kontinuierlichen Kopplungsparameters und dem Aufstellen der Hamiltonfunktion in Gleichung (1.99). Zudem müssen
immer noch sehr viele Kopplungsparameter abgetastet werden, wobei aber durch die
Fehlerkompensation das statistische Mittel deutlich schneller konvergiert.
1.3.2.2 Umbrella Sampling
Die Wahrscheinlichkeit wi einer bestimmten Konfiguration i kann mit der Zustandssumme
(Gleichung (1.92)) bestimmt werden.
wi =
e−Hi /kB T
e−Hi /kB T
= −F/k T
B
ZN V T
e
(1.103)
Betrachtet man die Abweichung der Energie des Zustandes i von der mittleren freien
Energie F nur in Abhängigkeit einer Ortskoordinate qi , spricht man vom sogenannten
potential of mean force (PMF) W .
W (q) = H(q) − F = −kB T ln w(q)
(1.104)
Das PMF ist eine nützliche Größe, um die Energieänderung bei einer Ortsänderung zu
untersuchen, da die mittlere freie Energie konstant bleibt. Theoretisch muss man nur
die Häufigkeit von Konfigurationen entlang der Koordinate q während einer Simulation
abzählen und man erhält direkt die Änderung der Energie. In der Praxis können unwahrscheinliche Konfigurationen natürlich schlecht gefunden werden und man braucht wieder
sehr lange Simulationszeiten. Beim sogenannten umbrella sampling wird die Wahrschein-
51
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
V(q)
w(q)
W(q)
Koordinate q
Abbildung 1.3: Schematische Darstellung des umbrella sampling. Die blauen Zwangspotentiale V (q) erzeugen die rote Verteilung der Wahrscheinlichkeiten w(q). Nach Bereinigung der
Wahrscheinlichkeiten, erhält man das gesuchte, ungestörte PMF W (q).
lichkeit durch ein Zwangspotential an den Punkten entlang der Koordinate erhöht. Man
verwendet dazu ein harmonisches Potential V (einen umbrella):
V (q) =
K
(q − q0 )2
2
(1.105)
Die Federkonstante K gibt die Stärke der Zwangskraft an und q0 ist die abzutastende
Konfiguration. Das freie PMF ergibt sich jetzt aus der gestörten Wahrscheinlichkeit w′ (q),
bereinigt um die Energie des Potentials und dessen Änderung der Statistik.
D
W (q) = −kB T ln w′ (q) − V (q) − kB T ln e−V (q)/kB T
E
V
(1.106)
In der Regel reicht ein Zwangspotential nicht aus, sondern man tastet in mehreren
unabhängigen Simulationen die Koordinate mit verschiedenen Zwangspotentialen ab.
Dabei muss gewährleistet werden, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilungen sich ausreichend überlappen, um ein kontinuierliches PMF zu erhalten (Abb. 1.3). Das ungestörte
PMF aus dem Abtasten mit S Simulationen mit verschiedenen Zwangspotentialen lässt
sich durch die sogenannte weighted histogramm analysis method (WHAM) ermitteln.
Jede Simulation wird in M Fenster entlang der Koordinate unterteilt und die simulierte
′
Wahrscheinlichkeit wij
im Fenster j bei der i-ten gestörten Simulation als linear mit der
ungestörten Wahrscheinlichkeit wj verknüpft angenommen.
′
wij
= fi cij wj
52
(1.107)
1.3 Simulationstechnik
Der Koeffizient cij korreliert die gestörte mit der ungestörten Wahrscheinlichkeit und der
Faktor fi normiert die Wahrscheinlichkeiten in einer Simulation.
fi−1
=
M
X
cij wj
(1.108)
j
Die ungestörte Wahrscheinlichkeit ergibt sich schließlich als [70, 71]:
PS
wj = PS
i
nij
Ni cij fi
i
(1.109)
Mit nij als Anzahl der Konfigurationen im Fenster j während der Simulation i und
Ni als Gesamtzahl der Konfigurationen. Die Gleichungen (1.108) und (1.109) ergeben
ein nichtlineares Gleichungssystem, welches iterativ selbstkonsistent gelöst werden kann
(siehe SCF). Letztendlich erhält man alle wj und damit das ungestörte PMF. In dieser
Arbeit wurde das WHAM-Programm von Grossfield verwendet [72].
1.3.3 Simulation seltener Ereignisse
1.3.3.1 Seltene Ereignisse
Unter seltenen Ereignissen versteht man Prozesse, die im Vergleich zu häufigen Vorgängen
wie der Schwingung von Atomen um mehrere Größenordnungen seltener auftreten. Die
zwei entscheidenden Größen einer MD-Simulation sind dabei der Zeitschritt und die reale
Rechenzeit pro Zeitschritt. Während der Zeitschritt durch die physikalischen Grenzen
definiert ist, also in der Regel die schnellstmögliche Bewegung von Atomen, hängt die
Rechenzeit von der Größe des Systems, aber auch vom numerischen Aufwand der Auswertung der Wechselwirkungen ab. Der gängige Zeitschritt für Wasserstoff (das leichteste
und damit schnellste Atom) enthaltende Simulationen liegt bei einer Femtosekunde. Ein
Beispiel für ein seltenes Ereignis ist ein Phasenübergang erster Ordnung, bei welchem
allgemein eine lokale Domäne spontan und zufällig ihre Konformation ändern muss,
damit anschließend in einer Kettenreaktion das gesamte System seinen Zustand ändert.
Die Häufigkeit eines solchen, einzigen Übergangs kann durchaus im Bereich von Sekunden
oder sogar weit höher (beispielsweise bei unterkühlten Flüssigkeiten) liegen. Es würden also enorm viele Zeitschritte benötigt, um ein solches Ereignis während einer Simulation zu
beobachten. Prinzipiell kann natürlich die Wahrscheinlichkeit eines einzelnen Ereignisses
in einem ergodischen System durch mehr Domänen erhöht werden. Der Rechenaufwand
53
Ea >> kB T
− Ea
W = e kB T ≈ 0
Ea
A
B
Reaktionskoordinate
(a) Hohe Energiebarriere
potentielle Energie
potentielle Energie
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
E n ∼ kB T
W ∼ (W1k1 W2k2 W3k3 . . . )
Pa
A
B
Reaktionskoordinate
(b) Viele Energiebarrieren
Abbildung 1.4: Schematische Darstellung der Energielandschaft für zwei Typen seltener Ereignisse. Bei hohen Energiebarrieren ist die Wahrscheinlichkeit W durch einen sehr ungünstigen
Übergangszustand (hohe potentielle Energie Ea ) gering. Ein Maß für ein solches Verhalten,
ist wenn die Energiebarriere deutlich größer als die thermische Energie kb T des System ist.
Der zweite Fall sind sehr viele intermediäre, metastabile Zustände. Hier handelt es sich eher
um ein kombinatorisches Problem. Da die Übergänge in alle Richtungen stattfinden können,
gibt es sehr viele Möglichkeiten. Die Gesamtwahrscheinlichkeit ist dabei die Summe über alle
möglichen Kombinationen der Produkte der Einzelwahrscheinlichkeiten.
erhöht sich jedoch für einen Zeitschritt im besten Fall linear (meist eher quadratisch
oder schlechter), d.h. der Gesamtaufwand bleibt gleich. Es ist ersichtlich, dass seltene
Ereignisse auch mit modernen, parallelen Rechensystemen eine große Herausforderung
darstellen.
In dieser Arbeit treten zwei Arten von seltenen Ereignissen bzw. langsamen Prozessen
auf: der Massentransport über eine große Distanz und Festphasenübergänge. Der Festphasenübergang ist ein Spezialfall des bereits erwähnten Phasenübergangs, bei welchem
die Struktur z.B. eines Nanopartikels oder einer Oberfläche nicht mehr die energetisch
niedrigste ist. Dies tritt häufig während des Kristallwachstums auf, wenn neues Adsorbat die potentielle Energielandschaft stetig ändert. Bei „harten“ Materialien wie
Metalloxiden ist ein Übergang durch die hohe Aktivierungsenergie Ea beim Bruch von
Bindungen gehemmt (Abb. 1.4a). Die Wahrscheinlichkeit lässt sich theoretisch durch
− Ea
die Boltzmann-Wahrscheinlichkeit W = e kB T bei einer Temperatur T abschätzen.
„Weichere“ Materialien wie Metalle weisen eine geringere Bindungsstärke auf. Jedoch
sind die Energieniveaus einzelner Konformationen sehr ähnlich, so dass es sehr viele
mögliche Übergänge gibt (Abb. 1.4b). In Summe ist die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte, sehr stabile Struktur zu erreichen, wieder sehr klein. Ähnlich sieht es beim
Massentransport aus, dem Transport von Reaktionsteilnehmern (also in der Regel das
54
1.3 Simulationstechnik
Adsorptiv) zum wachsenden Partikel (Adsorbens). Das Problem hierbei ist, dass die
Bewegung von Teilchen in Lösung über ungerichtete, thermisch getriebene Diffusion
stattfindet. Die Einzelwahrscheinlichkeit für die lokale Bewegung in die richtige Richtung
ist relativ hoch, jedoch ist die entgegengesetzte Bewegung ähnlich wahrscheinlich. In
Summe ergibt sich wieder durch die hohe Anzahl an möglichen Trajektorien eine geringe
Gesamtwahrscheinlichkeit.
1.3.3.2 Kawska-Zahn-Methode
Eine Möglichkeit die Problematik der langsamen Dynamik bzw. der hohen Aktivierungsbarrieren einzelner Vorgänge zu vereinfachen, ist die Kawska-Zahn-Methode [73, 74]. Die
Grundidee ist es, den gesamten Prozess in Teilschritte zu zerlegen. Die drei elementaren
Schritte sind:
1. Diffusion
2. Assoziation
3. Reaktion
Die Diffusion und Assoziation bräuchten sehr viel Rechenzeit in einer einfachen MDSimulation. Sie tragen aber nur zum Wachstum bei, indem sie regelmäßig und räumlich
zufällig neues Material antransportieren. Unter diesen Annahmen liegt es nahe, diese
Schritte radikal zu vereinfachen. Im Detail wird dies durch einen einfachen Monte-CarloSimulationsschritt umgesetzt. Zunächst wird ein neues Atom/Molekül/Ion in der Nähe
des bestehenden Aggregats zufällig generiert. Der Entstehungsort hängt dabei von der
Geometrie der Simulation ab; bei Partikeln bietet sich ein Sphäre und bei Oberflächen
eine parallele Fläche an. Um eine Adsorptionsstelle zu finden, schließt sich eine einfache
Energieminimierung ohne Lösungsmittel oder andere Additive an. Dabei bewegt sich
das neue Teilchen entlang der Gradienten (Gradientenverfahren) und findet das nächste
lokale Minimum der potentiellen Energie. Wird kein Minimum gefunden und das Teilchen
assoziert nicht, wird der Schritt abgelehnt. Die Atome des bestehenden Aggregats werden
festgehalten um etwaige Verformungen durch einen künstlichen „Einschlag“ zu vermeiden.
Beide Schritte zusammen simulieren dabei den zufälligen Übergang eines Teilchens durch
die Solvatschale des Aggregats, bei welchem es auch nur das nächste lokale Minimum
erreichen kann (alle anderen Stellen sind durch Lösungsmittelmoleküle blockiert).
Nachdem das Teilchen assoziert ist, folgt die eigentliche MD-Simulation mit Lösungsmittel und Additiven. Hier hängt es stark von dem untersuchten System und speziellen
55
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
Fragestellungen ab, wie das genaue Simulationsprotokoll aussieht. Details werden im
jeweiligen Abschnitt besprochen. Es bleibt anzumerken, dass einer der Hauptvorteile der
Kawska-Zahn-Methode die Modularität ist; neue Teilschritte können beliebig hinzugefügt
werden. Der Nachteil ist der Verlust des Bezugs zwischen Simulations- und Echtzeit. Eine
Zusammenfassung dieser Methodik ist in Abb. 1.5 dargestellt.
Cluster
Oberfläche
Nächste Iteration
1. Diffusion
(Monte-CarloModellierung)
2. Assoziation
(Energieminimierung mit
Gradientenverfahren)
3. Reaktion
(Relaxation durch
MD-Simulation)
Abbildung 1.5: Schematische Darstellung der Kawska-Zahn-Methode. Gezeigt sind die drei
wesentlichen Stufen, welche eine Kristallisation aus der Lösung simulieren sollen. Entscheidend
ist die Vereinfachung der Diffusion und Assoziation durch eine implizite Simulation mittels
eines Monte-Carlo-Schrittes.
56
1.3 Simulationstechnik
1.3.4 Analysemethoden
1.3.4.1 Nachbarschaftsanalyse
Ziel der Nachbarschaftsanalyse ist es, Packungen von Objekten, in der Regel Atomen,
zu untersuchen. Atompackungen werden als Kristallgitter beschrieben; als Anordnung
von Atomen, welche sich unendlich periodisch wiederholt. In endlichen Systemen wie
Partikeln und an Oberflächen ist keine unendliche Wiederholung gegeben und man
kann streng genommen nicht von Kristallgittern sprechen. Dennoch können die lokalen
Atompackungen denen in perfekten Kristallen entsprechen. Die Nachbarschaftsanalyse
setzt den Fokus auf die Koordinationspolyeder von einzelnen Atomen (die Polyeder
welche die direkten Nachbaratome bilden) und versucht, diese zu charakterisieren. Dies
ist von besonderem Nutzen, wenn keine perfekten Kristalle vorliegen, sondern kristalline
und amorphe Bereiche sowie Stapelfehler koexistieren.
Common-Neighbour-Analysis Bei der Common-Neighbor-Analysis (CNA) [75, 76, 77]
werden zunächst alle unmittelbaren Nachbarn eines Atoms anhand eines Abstandkriteriums bestimmt. Diese Koordinationszahl (CN) ist bereits eine nützliche Information, da
sie die lokale Dichte der Packung beschreibt. Als nächstes werden jedem Nachbaratom 3
Kennzahlen (ijk) anhand seiner Bindung zu den anderen Nachbarn zugeordnet:
(i) Anzahl der gemeinsamen Nachbarn mit dem Zentralatom
(j) Anzahl der Bindungen zwischen dieser gemeinsamen Nachbarn
(k) Maximale Anzahl der Bindungen eines gemeinsamen Nachbarn
(a) (421)
(b) (422)
(c) (442)
(d) (662)
(e) (552)
Abbildung 1.6: Graphische Darstellung der gemeinsamen Nachbarn und die resultierenden
Kennzahlen. Das violette Atom ist das Zentralatom, dessen lokale Koordinationsumgebung
analysiert wird. Gelb ist das untersuchte Nachbaratom und blau sind die mit dem Zentralatom
gemeinsamen Nachbarn und deren Bindungen untereinander. Der Polyeder bei (a) stammt aus
der fcc, (b) aus der hexagonal close packing (hcp), (c) und (d) aus der body-centered cubic (bcc)
Packung und (e) aus einem icosahedral packing (ico)-Cluster.
57
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
(ijk)
fcc
hcp
bcc
ico
dec
(421)
(422)
(442)
(662)
(552)
12
-
6
6
-
6
8
-
12
10
2
Tabelle 1.1: Häufigkeit der Kennzahlen der direkten Nachbarn für verschiedene Packungsmotive.
Clustertyp
Ikosaeder
Dekaeder
Einfacher Zwilling
Einkristall
ico
dec
hcp
fcc
ja
ja
nein
ja
nein nein
nein nein
ja
ja
ja
nein
ja
ja
ja
ja
Tabelle 1.2: Vorkommen verschiedener lokaler Packungen in prominenten Typen von Silberclustern.
In Abb. 1.6 sind die wichtigen, in dieser Arbeit verwendeten Kennzahlen in typischen
Koordinationsumgebungen dargestellt. Die Häufigkeit verschiedener Nachbarschaftstypen
(Tabelle 1.1) gibt direkte Auskunft über die lokalen Packungsmotive. Es ist anzumerken,
dass lokale Packungen nur mit Vorsicht und unter Berücksichtigung von Abhängigkeiten
zur Bestimmungen von globalen Strukturklassifizierungen genutzt werden können. Ein
einfaches Beispiel aus dieser Arbeit sind die Silbercluster Ag146 und Ag147 , welche als
(3,2,2)-Marksdekaeder bzw. als (4)-Mackayikosaeder vorliegen können. Analysiert man
die lokale Packung, findet man beim Dekaeder nur 4 Atome mit decahedral packing (dec),
20 Atome mit fcc und 25 Atome mit hcp Motiven. Interpretiert handelt es sich also um
einen fcc Kristall mit einer 5fach-Verzwillingung im Zentrum (Abb. 1.7). Im Gegensatz
dazu hat der Ikosaeder lediglich ein lokales ico, jedoch 24 dec und 30 hcp Motive. Es
existiert durch die zentrale Ikosaederpackung eine 12fach-Verzwillingung die jeweils dec
Packungen hervorruft, welche wiederum hcp Packungen erzeugen. Zur globalen Analyse
von Clustern muss folglich immer das Verhältnis und Vorkommen aller lokalen Packungen
berücksichtigt werden (Tabelle 1.2).
58
1.3 Simulationstechnik
(a) Mackay Ikosaeder Ag147 (b) Marks Dekaeder Ag146
(c) Oktaeder Ag146
Abbildung 1.7: Darstellung der lokalen Packungen in drei Silberclustertypen, einem Mackayikosaeder, Marksdekaeder bzw. einem Oktaeder. Grüne Atome weisen eine dec, rote eine ico,
blaue eine fcc und orange eine hcp Symmetrie auf. Deutlich zu sehen ist, dass der Ikosaeder
mehr lokale Dekaederpackungen aufweist als der Dekaeder selbst.
Common-Neighborhood-Parameter Eine weitere Methode zur Analyse der lokalen
Umgebung von Atomen ist der Common-Neighborhood-Parameter (CNP)[77]. Im Gegensatz zur CNA wird ein einziger, quantitativer Parameter Q definiert:
nj nij
2
1 X
X
Qi =
(rij + rjk )
ni j k
(1.110)
Der Index j geht über die nj nächsten Nachbarn des Zentralatoms i und k über die
nij gemeinsamen nächsten Nachbarn. Dieser Parameter hat den Vorteil, dass auch
unvollständige, stark verzerrte Koordinationsumgebungen beschrieben werden können
(z.B. Atome in Oberflächen). Die Werte sind nicht dimensionslos und hängen auch
von den Abständen und der Packungsdichte ab. Allgemein gilt, je kleiner Q ist, desto
symmetrischer ist die Packung. Perfekt symmetrische Packungen wie fcc oder bcc haben
den Wert Q = 0. Stärker asymmeterische Packungen (wie unvollständige Polyeder) haben
sehr hohe Werte für Q. Zahlenwerte für Silberkristalle sind in Tabelle 1.3 zusammengefasst.
1.3.4.2 Accessible-Surface-Area
Die Accessible-Surface-Area (ASA) ist eine Möglichkeit, die Oberfläche von einem beliebigen aus Atomen bestehenden Objekt zu quantifizieren [78, 79]. Es wird die Fläche
59
Kapitel 1 Theoretische Grundlagen
Packung CNP / Å2
fcc
bcc
hcp
dec
ico
111-fcc
100-fcc
0
0
5,55
10,0
2,06
16,7
33,5
Tabelle 1.3: Werte für den CNP bei Atomen in verschiedenen Umgebungen in Silberkristallen.
Da für ico und dec keine periodischen Packungen möglich sind, stammen diese Werte aus dem
Ag147 Mackayikosaeder bzw. Ag146 Marksdekaeder.
bestimmt, welche den kürzesten, möglichen Abstand zwischen einem (fiktiven) Lösungsmittelmolekül und den Atomen des Objekts bildet (Abb. 1.8). Der minimal zugelassene
Abstand kann prinzipiell willkürlich bestimmt werden; oft wird sich allerdings an den
van-der-Waals-Radien des Lösungsmittels bzw. der Atome orientiert. Technisch wird die
ASA berechnet, indem man gleichmäßig Punkte im minimalen Abstand um die Atome
erzeugt und testet, ob sich die Punkte in Reichweite eines weiteren Atomes befinden.
Alle Punkte ohne weitere Atome in ihrer Nähe bilden die Oberfläche und der Flächeninhalt kann aus der vorgegebenen Punktdichte zurückgerechnet werden. Der für diese
Arbeit verwendete Algorithmus zur Generierung der Punkte basiert auf der Methode
von Vogel [80] und nutzt eine „Goldene Spirale“, um die Punkte gleichmäßig auf einer
Kugeloberfläche zu erzeugen.
van-der-Waals-Radius des Lösungsmittelmoleküls
Accessible-Surface-Area
van-der-Waals-Radius der Atome
Abbildung 1.8: Schematische, zweidimensionale Darstellung der Accessible-Surface-Area. Die
gestrichelte Linie gibt die kürzesten Abstände zwischen einem Lösungsmittelpartikel (grün)
und den Atomen des Moleküls/Clusters an.
60
Kapitel 2
Wachstum von Silberpartikeln
61
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
2.1 Einführung - Stand der Forschung
2.1.1 Anwendungsmöglichkeiten
Silbernanopartikel zeigen wie alle nanostrukturierten Partikel eine Reihe von außergewöhnlichen Eigenschaften. Diese unterscheiden sich dabei zum Teil dramatisch von
denen der Silberionen in Lösung und des Silberfestkörpers. In einer Vielzahl von Studien
haben sich bisher zwei Anwendungsgebiete als besonders vielversprechend gezeigt: der
Einsatz bei der so genannten surface enhanced raman spectroscopy (SERS) und in der
Biomedizin.
Die SERS ist eine Technik, bei welcher die Ramanstreuung von Molekülen durch
Wechselwirkung mit den Oberflächenplasmonen von Metallen um ein Vielfaches verstärkt
wird [81]. Hierbei gelingt es sogar, einzelne Moleküle spektroskopisch zu untersuchen [82].
Die Verstärkung ist winkel- und abstandsabhängig und findet vor allem an Ecken von
Partikeln statt [83]. Damit sind neben einer möglichst großen Oberfläche auch besondere
Formen für eine gezielte Anwendung besser geeignet.
Der Einsatz von Silbernanopartikeln in der Biomedizin erfolgt hauptsächlich durch die
antibakteriellen und antiviralen Eigenschaften. Es ist schon lange bekannt, dass Silberlösung bereits in niedrigen Konzentrationen auf Bakterien toxisch wirkt, den menschlichen
Organismus aber kaum beeinträchtigt. Ein Problem bei der praktischen Anwendung
ist dabei die kaum umsetzbare kontinuierliche Freisetzung von Silberionen. Zusätzlich
führt ihre sehr hohe Reaktivität zu einer schnellen Inaktivierung [84]. Nanopartikel
als stabile Kolloide haben das Potential, diese Limitierungen zu überwinden. Studien
konnten zeigen, dass auch Silbernanopartikel auf eine Vielzahl von grampositiven und
gramnegativen Bakterien bakterizid wirken [85]. Sogar bei HIV-1 konnte eine reproduktionshemmende Wirkung gezeigt werden [86]. Zur genauen Rolle der Nanoteilchen im
Metabolismus der Zellen existieren bisher eine Reihe von Vermutungen [87, 88]. Eine
Möglichkeit ist die direkte Interaktion der Partikel mit den Zellmembranen, was zu einer
Störung des Stoffwechsels oder der vollständigen Zerstörung der Zelle führen könnte.
Zudem ist es denkbar, dass kleine Nanoteilchen in die Zellen eindringen und sich mit
schwefel- oder phosphorhaltigen Bestandteilen (z.B. in der DNA) verbinden und sie
so blockieren. Eventuell ist auch die partielle Oxidierung der Silberoberfläche und die
damit verbundene Freisetzung von Silberionen für die Wirkung verantwortlich. In jedem
Fall gibt es eine nachweisliche Abhängigkeit der Wirkung sowohl von der Größe [85] als
auch der Form [89] der Nanopartikel. Zusätzlich zu den antibakteriellen und antiviralen
62
2.1 Einführung - Stand der Forschung
Eigenschaften fördert nanopartikuläres Silber auch die Wundheilung [90]. Dies hängt
aber wahrscheinlich mit der antibakteriellen Wirkung zusammen.
Ein nicht ganz so prominentes Anwendungsfeld ist die metal enhanced fluorescence. Ähnlich wie bei der SERS wird ein Effekt ausgenutzt, welcher in diesem Fall die Fluoreszenz
von Molekülen an Silberoberflächen verstärkt [84, 91].
2.1.2 Synthesen
Alle vorgestellten Anwendungsgebiete profitieren von möglichst einheitlichen Silberpartikeln mit einem kontrollierbaren Habitus. Bei der Synthese von Silbernanopartikeln gibt
es zwei prinzipielle Kategorien: zum einen die konventionellen, nasschemischen und zum
anderen die unkonventionellen Verfahren [92]. Die konventionellen Methoden beginnen
mit Silberionen in einer Lösung, welche zu Silber reduziert werden und dadurch kontrolliert auskristallisieren. „Unkonventionelle Methoden“ ist hingegen ein Sammelbegriff
für alle alternativen Methoden. Darunter fallen Verdampfung und Rekristallisation von
Metallen durch Laser, radioaktive Quellen und elektrische Felder, sowie Biosynthesen
durch Bakterien.
Am praktikabelsten und kostengünstigsten sind bisher noch die Reduktionen in Lösung. Als Standard für die Silberquelle hat sich AgNO3 etabliert, es löst sich in gut in
polaren Lösungsmitteln und ist wenig oberflächenaktiv [93]. Um eine Agglomeration
oder Ausfällung der entstehenden Partikel zu vermeiden, wird das Wachstum über einen
stabilisierenden Liganden kontrolliert. Grundsätzlich sind für die konventionelle Synthese
ein Lösungsmittel, ein Reduktionsmittel und ein Stabilisator notwendig (wobei häufig
eine Substanz mehrere Funktionen erfüllen kann). Zum Einsatz als reduzierende Agenz
kommen „klassische“ Vertreter, wie Zitronensäure, Borhydride (meistens NaBH4 ) bis
hin zu organischen Reduktionsmitteln wie Fructose [92]. Ebenso kann die Reduktion
durch radioaktive und UV-Strahlung erfolgen [84]. Der zur Zeit am meisten etablierte
Syntheseweg ist das so genannten Polyolverfahren, bei welchem Polyalkohole zugleich
als Lösungsmittel und Reduktionsmittel eingesetzt werden [94, 95, 96]. Der verbreitetste
Alkohol ist Ethylenglykol (EG), welcher eine Reihe von Vorteilen auf sich vereint. Einerseits löst dieses Lösungsmittel die meisten Metallsalze und gleichzeitig organische
Stabilisatoren. Zum anderen ist es ein stark temperaturabhängiges Reduktionsmittel.
Dies und der hohe Siedepunkt (ca. 196 ◦C) führen zu einer ausgezeichneten Steuerbarkeit
der Synthese [93].
63
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Über die Art der Reduktion mit EG gibt es wenige Untersuchungen. Wahrscheinlich
wird das EG bei niedrigen Temperaturen direkt oxidiert, wobei es sich um ein relativ
schwaches Reduktionsmittel handelt. Bei höheren Temperaturen setzt sich ein Teil des
EG mit Luftsauerstoff zu Glykolaldehyd (GA) um (Abb. 2.1) [97]. GA ist ein wesentlich
stärkeres Reduktionsmittel und ist wahrscheinlich hauptsächlich für die Reduktion der
Silberionen verantwortlich.
HO
OH
1
2
O2
-H2 O
HO
O
Abbildung 2.1: Oxidation von Ethylenglykol zu Glykolaldehyd durch Luftsauerstoff
Zur Stabilisierung kommen im Polyolverfahren meistens Polymere wie Polyvinylalkohol
und Polyvinylpyrrolidon (PVP) zum Einsatz. Diese Polymere lassen sich auch in wässriger Lösung einsetzen, wo sie zusätzlich als Reduktionsmittel dienen [98]. Die breite
Einsetzbarkeit und die Tatsache, dass der apparative Aufwand überschaubar ist, haben
eine hohe Anzahl an experimentellen Untersuchungen zu Synthesen mit diesen Polymeren,
besonders PVP, hervorgebracht. Untersucht wurden sowohl die Kontrolle von Größe und
Form der Nanopartikel [93, 99, 100], als auch das Verständnis der Stabilisierung von
Silber in der Lösung [101, 102].
Prinzipiell beschränken sich bisher die Möglichkeiten der Form- und Größenkontrolle im
Wesentlichen auf kinetische Steuerung (über die Reaktionsbedingungen) oder den Einsatz
von Templaten auf Oberflächen bzw. Nanoreaktoren (z.B. in Form von Mizellen) [92]. Im
Falle des Polyolprozesses kann die Steuerung schon durch Veränderung des Verhältnisses
Silberion/Polymer bewirkt werden [93]. So variiert das Spektrum der möglichen Formen
von Sphären über Stäbe bis hin zu Würfeln je nach eingesetztem Verhältnis. Als Grund
hierfür wird das unterschiedliche Bindungsverhalten des Polymers mit unterschiedlichen
Oberflächenfacetten des Kristalls angesehen. Bei kristallinem Silber sind die {1 0 0}und {1 1 0}-Flächen instabiler und damit wahrscheinlich stärker an z.B. PVP gebunden.
Wachstum erfolgt also hauptsächlich an den {1 1 1}-Flächen. Obwohl dieser Sachverhalt
bekannt ist und die Art der Bindung experimentell untersucht wurde [101, 102], konnte
das genaue Verhalten der Bindung und deren Einfluss vor allem bei der Nukleation
bisher kaum nachvollzogen werden [99]. Es ist durchaus denkbar, dass weniger die
Abschirmung der Silberoberfläche gegenüber neuen Ionen/Atomen ausschlaggebend ist,
als vielmehr die Passivierung der Oberflächen in Bezug auf die katalytischen Wirkungen.
Zum Beispiel wird die Oxidation von EG zu GA durch Silber katalysiert. Daher könnte
64
2.1 Einführung - Stand der Forschung
die Verhinderung oder Verlangsamung dieser Oxidation das Wachstum ebenfalls stark
beeinflussen [97].
Der letzte Aspekt von Synthesen ist das Immobilisieren von Silbernanopartikeln, um
sie für medizinische oder analytische Zwecke nutzbar zu machen. Hierfür werden die
Partikel funktionalisiert und an bestehende Oberflächen gebunden. Zum Beispiel kann
die hohe Schwefelaffinität des Silbers ausgenutzt und negativ geladene Mercaptoactetate (HSCH2 COO– ) angelagert werden. Durch die Ladung sind diese Kolloide dann
an positiv geladenen Polymeren (z.B. Polydiallydimetyhlammoniumchlorid) immobilisierbar [103, 104]. Auch die Einbettung in eine organische Matrix direkt durch die
Synthese ist durchführbar. Als Beispiel hierfür kann eine Synthese mit Polysaccharose
als Reduktionsmittel und Polymermatix genannt werden [105].
2.1.3 Partikelstrukturen
Die Struktur von kleinen Partikeln ist seit mehr als drei Jahrzehnten Gegenstand sowohl
von Experimenten als auch theoretischen Berechnungen (das gesamte Forschungsgebiet
wurde von Alonso in einer umfangreichen Monographie behandelt [106]). Für Silber
wurden vor allem Cluster in der Gasphase studiert, um die Größenabhängigkeit von
Energien und Strukturen zu verstehen. Der in der Literatur häufig verwendete Begriff
Cluster für sehr kleine Ansammlungen von Atomen ist nicht eindeutig definiert. Oft
grenzt man Cluster von Molekülen über die Assoziationsenergie eines neuen Atoms
∆En = E(Agn ) − E(Agn−1 ) − E(Ag) ab. Unterscheidet sich diese Energiedifferenz
zwischen zwei Assoziationen kaum (∆En ≈ ∆En+1 ), spricht man von einem Cluster,
ansonsten von Molekülen. Allerdings ist diese Definition bei sehr kleinen Clustern oft
ungenügend, was aber mehrheitlich ignoriert wird. In dieser Arbeit werden die Begriffe
Cluster und Partikel synonym verwendet.
Es gibt zwei größenabhängige Einflüße auf die Struktur und die Stabilität von Clustern.
Als erster Faktor spielt die Elektronenkonfiguration eine wesentliche Rolle, insbesondere bei der Stabilität. Ähnlich wie Atome bilden Cluster ein sphärisches Potential
in welchem die Valenzelektronen bestimmte Konfigurationen annehmen können. In
Analogie zum Schalenmodell der Atome spricht man ebenfalls von Elektronschalen.
Dieser Effekt wurde erstmals in Alkalimetallclustern entdeckt [107]. Gefüllte Schalen
mit n = 2, 8, 18, 20, 34, 40 . . . Elektronen ergeben wie bei Atomen besonders stabile
Konfigurationen. Diese „magischen“ Zahlen variieren etwas, je nach zugrunde gelegtem
Modellpotential für den Cluster [108]. Die Elektronenkonfiguration kann auch die An-
65
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
ordnung in Clustern beeinflussen und zu niedrigsymmetrischen Strukturen führen, bei
welchen eine bessere Orbitalüberlappung erreicht wird. Experimentell lassen sich diese
Effekte auch bei sehr kleinen Silberclustern (Atomzahl kleiner 40) durch Photoelektronenspektroskopie nachweisen [109, 110, 111]. Korrespondierende theoretische Berechnungen
[112, 113] bestätigen diese Beobachtungen. Größere Cluster werden allerdings kaum
noch von Schaleneffekten beeinflusst und Cluster mit mehr als 60 Atomen sind in ihren
optischen Spektren schon sehr nah am Festkörper [113].
Der zweite größenabhängige Faktor ist das Oberflächen-Volumen-Verhältnis. In der
Regel ist die Grenzfläche von Clustern zur Umgebung ein energetisch ungünstigerer Ort
für Atome als innerhalb eines Festkörpers. Dies hat zur Folge, dass Partikel allgemein zur
Minimierung der Oberfläche neigen. Allerdings spielt die Packung der Atome in einem
Cluster und die Art der exponierten Oberflächen ebenfalls eine große Rolle. Silber liegt
als Festkörper in der fcc-Kristallpackung vor (Abb. 2.2). Die wichtigsten Oberflächen
dieses Kristalltypes sind die {1 0 0} und die {1 1 1}-Oberflächen (Abb. 2.3), wobei die
(1 1 1)-Oberfläche die dichteste und stabilste ist. Die Struktur wird also davon bestimmt,
eine kleine Gesamtoberfläche mit hohem {1 1 1}-Anteil zu erhalten. Dieses Verhalten
führt zu einer Reihe von möglichen und auch real beobachteten Clustertypen, welche im
Folgenden genauer beschrieben werden sollen.
Abbildung 2.2: Einheitszelle eines Silberkristalls mit fcc Packung. Die Kantenlänge beträgt
4,086 Å [114].
(a) (1 1 1)
(b) (1 0 0)
Abbildung 2.3: Oberflächenpackungen des Silberkristalls.
66
2.1 Einführung - Stand der Forschung
2.1.3.1 Clustertypen
Allgemein kann die Bindungsenergie Eb eines homoatomaren Clusters mit N Atomen aus
dem chemischen Potential µ pro Atom, der Oberflächenspannung γ, der Kantenpannung
ς und der Eckenspannung ζ zusammengesetzt werden.
Eb = µV + γA + ςk + ζh
(2.1)
mit
V ∼N
A ∼ N 2/3
k ∼ N 1/3
h = const.
(2.2)
Die korrespondierenden extensiven Größen sind das Volumen V , die Oberfläche A, die
Kantenlänge k und die Eckenzahl h. Es ist direkt ersichtlich, dass mit zunehmender Anzahl
der Volumenterm immer bedeutender und schießlich im Grenzfall des makroskopischen
Festkörpers der einzige Energiebeitrag wird. Die Anzahl der Ecken und Kanten spielt nur
für sehr kleine Cluster eine erhebliche Rolle, während die Oberfläche auch für Cluster
mit mehreren tausend Atomen noch Signifikanz hat.
Im realen Cluster teilen sich die Terme noch für verschiedene Arten von Oberflächen, Kanten, Ecken und in manchen Fällen Volumina (Kristalldomänen) auf. Für
Silber kann der Oberflächenanteil zum Beispiel in {1 0 0} und {1 1 1} aufgeteilt werden
γA = γ100 A100 + γ111 A111 . Praktisch resultiert eine komplexe Gleichung, deren einzelne Koeffizienten oft unbekannt sind. Jedoch sind eine Reihe von Typen von Clustern
bekannt, welche sich mit dem Wettbewerb der einzelnen Energiebeiträge erklären lassen.
Oktaederstumpf Schneidet man einen fcc Kristall so, dass nur stabile {1 1 1}-Oberflächen entstehen, erhält man einen Oktaeder (OKT) (Abb. 2.4a). Die Volumenenergie
µV entspricht nahezu der des Festkörpers. Allerdings besitzt der OKT eine sehr große
Oberfläche (die größte der hier vorgestellten, relevanten Clustertypen) und hat trotz
niedriger Oberflächenspannung eine insgesamt ungünstige Oberflächenenergie. Eine Verbesserung des Oberflächen-Volumen-Verhältnisses bietet das Abschneiden der Ecken, um
einen Oktaederstumpf zu erhalten. Die {1 0 0}-Schnittflächen erhöhen zwar die Oberflächenspannung, senken jedoch die Gesamtoberfläche beträchtlich. Üblicherweise werden
oktaedrische Cluster mit zwei Kennzahlen (noct , moct ) charakterisiert. Die Kantenlänge
des Grundoktaeders noct wird dabei um moct Lagen abgeschnitten (Abb. 2.4). Von einem
67
moct
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
ct
no
(7,0) N = 231
(a) Oktaeder
(7,2) N = 201
(b) Wulff-Oktaeder
(7,3) N = 147
(c) Kuboktaeder
Abbildung 2.4: Schematische Darstellung und Beispiele für verschiedene oktaedrische Cluster.
Zusätzlich zu den Kennzahlen (noct , moct ) ist die jeweilige Anzahl der Atome N angegeben.
Oktaederstumpf kann man dabei nur sprechen, solange noct ≥ 2moct gilt. Für einen reinen
OKT gilt moct = 0. Die Gesamtzahl der Atome errechnet sich als:
1
Noct (noct , moct ) = (2n3oct + noct ) − 2m3oct − 3m2oct − moct
3
(2.3)
Eine Sonderstellung nehmen Cluster mit noct = 2moct + 1 ein; man nennt sie Kuboktaeder
(KOKT). Bei diesen bilden alle {1 1 1}-Flächen Dreiecke und alle {1 0 0}-Flächen Vierecke
(Abb. 2.4c).
Um das energetisch optimale Schnittverhältnis zu bestimmen, kann man die sogenannte
Wulffkonstruktion einsetzen [115, 116].
d111
γ111
=
γ100
d100
(2.4)
Der Abstand d gibt die kleinste Distanz von der Fläche zum Kristallmittelpunkt an.
Valkealahti [117] gibt für solche Wulffoktaeder (WOKT) bei Kupferclustern Atomzahlen
von 38,201,586,1289. . . an, was der Beziehung noct = 3moct + 1 entspricht (Abb. 2.4b).
68
2.1 Einführung - Stand der Forschung
(4) N = 147
Abbildung 2.5: Schematische Darstellung und Beispiel für einen ikosaedrische Cluster. Die
Anzahl der Schalen (nico ) und die Anzahl der Atome N ist angegeben.
Mackayikosaeder Cluster mit nahezu sphärischem Habitus findet man bei den sogenannten Mackayikosaedern (ICO). Sie wurden bereits vor 50 Jahren von Mackay erstmals
beschrieben [118]. Der Ikosaeder enthält fünfzählige Drehachsen, welche in gewöhnlichen
Kristallen nicht vorkommen. Daher handelt es sich um nichtkristalline Strukturen. Kristallographisch entspricht die fünffache Symmetrie zudem einer mehrfachen Verzwillingung
und in experimentellen Arbeiten wird oft von multi-twinned Partikeln gesprochen. Die
Oberfläche besteht ausschließlich aus {1 1 1}-Flächen und die Oberflächenenergie ist die
kleinste aller relevanten Clustertypen. Die Kehrseite ist eine Erhöhung der Volumenenergie durch die aus den Verzwillingungen resultierende innere Spannung.
Zur Charakterisierung muss lediglich die Anzahl der Schalen (nico ) angegeben werden
(welche zugleich der Kantenlänge entspricht). Die Gesamtzahl der Atome ergibt sich als:
Nico (nico ) =
10 3
11
nico − 5n2ico + nico − 1
3
3
(2.5)
Marksdekaeder Reduziert man die Verzwillingung des IKO zu einer einzigen fünfzähligen Drehachse, erhält man einen Dekaeder (Abb. 2.7a). Dekaeder weisen wie IKO nur
{1 1 1}-Oberflächen auf, wobei jedoch die Oberfläche erheblich größer ist. Ähnlich den
Oktaedern kann das Oberflächen-Volumen-Verhältnis verbessert werden, in dem man
die äußere Kante abschneidet. Cluster dieses Types wurden von Ino 1966 beschrieben
[119, 120] und man nennt sie entsprechend Inodekaeder (IDEK) (Abb. 2.7b). In den
1980iger Jahren fand Marks eine noch bessere Möglichkeit Dekaeder zu stabilisieren,
indem die seitlichen {1 0 0}-Flächen der Inodekaeder noch zusätzlich eingekerbt werden
[121] (Abb. 2.7c). So verringert sich die ungünstige {1 0 0}-Fläche und zusätzliche {1 1 1}Flächen entstehen. Dieser Clustertyp wird als Marksdekaeder (MDEK) bezeichnet und
ist der prominenteste dekaedrische Cluster.
69
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
pdec = 3
mdec = 2
ndec = 3
Abbildung 2.6: Darstellung der Kennzahlen (ndec , mdec , pdec ) für einen (3, 2, 3) Marksdekaeder.
(6,1,1) N = 181
(a) Dekaeder
(5,2,1) N = 156
(b) Ino-Dekaeder
(3,2,2) N = 146
(c) Marks-Dekaeder
Abbildung 2.7: Schematische Darstellung und Beispiele für verschiedene dekaedrische Cluster.
Zusätzlich zu den Kennzahlen (ndec , mdec , pdec ) ist die jeweilige Anzahl der Atome N angegeben.
Die Definition von Dekaederclustern erfolgt etwas anders als bei Oktaedern. Drei
Kennzahlen (ndec , mdec , pdec ) werden benötigt: ndec gibt die Kantenlänge der {1 0 0}Seitenflächen an, mdec die Höhe der {1 0 0}-Seitenflächen entlang der fünfzähligen Drehachse und pdec die Tiefe der Einkerbung der Seitenflächen (Abschnitt 2.1.3.1). Demzufolge
gilt die Bedingung ndec , mdec , pdec ≥ 1 und für reine Dekaeder mdec = pdec = 1 bzw. für
Inodekaeder pdec = 1. Die Anzahl der Atome erhält man als:
Ndec (ndec , mdec , pdec ) =
70
ndec 2
5ndec + (30pdec − 45)ndec + 60(p2dec − 3pdec ) + 136 +
6
mdec 15n2dec + (60pdec − 75)ndec + 30p2dec − 90pdec + 66 +
6
1 3
30pdec − 135p2dec + 207pdec − 102 − 1
(2.6)
6
2.1 Einführung - Stand der Forschung
2.1.3.2 Alternative Strukturen
Neben den Typen für kleine, bevorzugt sphärische Cluster gibt es eine ganze Reihe von
Strukturen und Habita welche erst für größere Nanopartikel unter dem Einfluss von
Lösungsmitteln und oberflächenaktiver Additive auftreten. Dazu gehören sowohl andere
regelmäßige Polyeder wie Tetraeder und Würfel als auch stark asphärische Strukturen
wie Stäbchen und Plättchen (Abb. 2.8).
Regelmäßige Polyeder
Stäbchen
Plättchen
Abbildung 2.8: Beispiele für alternative Partikelstrukturen.
71
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
2.1.4 Wachstumskontrolle
Es gibt prinzipiell zwei Ansätze, das Auftreten von verschiedenen Partikeltypen im
Experiment zu erklären: die thermodynamische oder die kinetische Kontrolle des Wachstums. Von einer thermodynamischen Kontrolle spricht man, wenn Barrieren zwischen
den Energieminima sehr klein sind und Partikel sich immer im thermodynamischen
Gleichgewichtszustand befinden. Zur Vorhersage und Erklärung wird dabei die klassische Nukleationstheorie bemüht, welche im wesentlichen auf der Gleichung (2.1) beruht
[122] (zudem meist nur auf dem Volumen- und Oberflächenterm). Berechnungen für
Silberpartikel in der Gasphase zeigen, dass kleine Cluster bis etwa 300 Atome (Durchmesser d ≈ 2 nm) als Mackayikosaeder am stabilsten sind [123]. Größere Cluster bis
etwa 20 000 Atome (d ≈ 10 nm) sind als Marksdekaeder am stabilsten und bei noch
größeren Partikeln dominieren Wulffoktaeder. Diese Ergebnisse konnten nur teilweise in
Gasphasenexperimenten reproduziert werden [124]. Größere Cluster zeigten eine weitaus
höhere Häufigkeit von Ikosaedern als vorhergesagt. In Lösung lassen sich die Stabilitäten
von Clustern und Nanopartikeln experimentell generell nur schwer analysieren. In den
meisten Synthesen erhält man eine Verteilung von verschiedenen Typen. Diese können
durch die Synthesebedingungen zwar variiert werden, was oft aber ungenügend verstanden
wird. Ein häufige Argumentation basiert auf der Annahme der Stabilisierung einzelner
Oberflächen und entsprechender Häufung korrespondierender Clustertypen [125].
Der zweite Aspekt, die kinetische Kontrolle, ist quantitativ noch schwerer zu erfassen. Wenn der Übergang zwischen verschiedenen Partikelstrukturen langsamer als die
Aggregation von neuem Material ist, wird die Struktur mehr von den Wachstumsgeschwindigkeiten und der Existenz metastabiler Zustände bestimmt. Dieses Vorkommen
von eigentlich ungünstigen Strukturen kann mit der Stufenregel nach Ostwald verstanden
werden [126]. Die Regel besagt, dass ein Partikel seine Struktur während der Kristallisation nicht direkt in den stabilsten Zustand ändert, sondern zunächst metastabile
Stufen mit hoher struktureller Ähnlichkeit und niedrigen kinetischen Barrieren annimmt.
Die Notwendigkeit dieses Verhaltens wird deutlich, wenn man die „magischen“ Größen
der perfekten Clustertypen berücksichtigt (Tabelle 2.1). Diese „magischen“ Größen repräsentieren nichts anderes als abgeschlossene Atomschalen bei Clustern. Während des
Wachstums müssen allerdings auch Atomzahlen zwischen den Clustern eingenommen
werden und Strukturen zugänglich werden, welche die reine Extrapolation der Stabilitäten
der „magischen“ Zahlen nicht vorhersagt. Dieses Phänomen wurde in einer vorangegangenen Arbeit am Beispiel von Kupferclustern intensiv studiert [74, 127]. So können
72
2.1 Einführung - Stand der Forschung
Typ
Oktaeder
Kuboktaeder
Wulffoktaeder
Mackayikosaeder
Inodekaeder
Marksdekaeder
Größen
6,19,44,85,146,231,344,489,670,891. . .
13,55,147,309,561,923. . .
38,201,586,1289. . .
13,55,147,309,561,923. . .
13,39,55,116,147,258,309,485,561,817,923. . .
75,146,192,434,645,766. . .
Tabelle 2.1: “Magische” Atomzahlen für verschiedene Clustertypen.
nicht perfekt dekaedrische und selbst nahezu einkristalline Cluster bereits bei weniger
als 200 Atomen entstehen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Baletto und Ferrando
für Silbercluster [128]. Solche intermediären Cluster, kombiniert mit der Vorstellung
von selektiver Stabilisierung von Oberflächen, liefern einen Erklärungsansatz für die
Formenvielfalt bei größeren Nanopartikeln (Abb. 2.9) [93, 99, 125].
Es soll nicht verschwiegen werden, dass experimentelle Arbeiten von Polte et al.[129, 130]
den Ursprung der Formenkontrolle bei der Steuerung der Koaleszenz (das Verschmelzen
von kleineren Partikeln) durch Polymere und ähnlichen Stabilisatoren sehen. Die Bildung
von kleinen, intermediären Clustern wird dabei als nachrangig wichtig für die Größe und
Form makroskopischer Partikel angesehen. Die Hauptbedingungen, unter denen dieses
durch Koaleszenz gesteuerte Wachstum auftrat, ist ein sehr starkes Reduktionsmittel
BH–4 , welches bereits nach Millisekunden alle Silberionen reduzierte [130].
Eine weitere Methode, die Struktur und Form von großen Partikeln zu beeinflussen, ist
das oxidative Ätzen [99, 125, 131]. Es wurde beobachtet, dass unter Zugabe von Sauerstoff
und Halogenidionen verstärkt unverzwillingte Partikel entstehen. Als Erklärung für dieses
Phänomen wird eine Reoxidierung von neutralem Silber zu gelösten Silberionen postuliert
O /Cl–
Ag(0) −−2−−→ Ag+ . Die hohe innere Spannung von verzwillingten Partikeln wie MDEK und
IKO soll dabei deren Auflösung und daher das selektive Wachsen von unverzwillingten
Clustern begünstigen.
73
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Ag+ in Lösung
Intermediäre Cluster
1.
Große Nanopartikel
3.
2.
Wachstumsschritte:
3.
1. Nukleation und Reduktion
2. Clusterwachstum
3. Selektive Stabilisierung
2.
3.
Abbildung 2.9: Schematische Vorstellung der Stufen des selektiven Wachstums von Nanopartikeln und entsprechender Kontrolle der Habita. Zunächst werden die Silberionen reduziert
und kleine Cluster bzw. Präkursor gebildet. Diese wachsen und können dabei größen- und
kinetikabhängig verschiedene Strukturen annehmen. Durch Beigabe von selektiven Stabilisatoren wachsen bestimmte Oberflächen schneller und entsprechende Strukturen entstehen. Für
experimentelle Belege siehe Xia et al. [93, 99, 125].
74
2.2 Modellentwicklung
2.2 Modellentwicklung
2.2.1 Modellsynthese
Das gesetzte Ziel der Arbeit ist die Untersuchung des Wachstums von Nanopartikeln.
Zudem sollten die möglichen Einflüsse auf das Wachstum studiert werden. Im vorangegangenen Kapitel wurde die riesige Auswahl an Experimenten und möglichen Szenarien
hervorgehoben. Es wäre wünschenswert, Simulationen nah am Experiment zu gestalten,
d.h. unter Berücksichtigung aller Edukte, Additive und selbst Verunreinigungen. Abgesehen vom beträchtlichen Rechenaufwand steht aber am Ende dieselbe Problematik, welche
die Auswertung von Experimenten so schwierig macht: die Systematik hinter den vielen
Faktoren aufzutrennen. Daher wurde nach reiflichem Studium der Literatur beschlossen, ein Modell zu entwickeln, welches zunächst möglichst unabhängig von Additiven,
grundlegende Fragen des Wachstums in Lösung beantworten soll. Viele der Kernfragen
haben sich erst während der Entwicklung ergeben und die Entscheidungen und konkreten
Fragestellungen werden im Folgenden erläutert.
Im Wesentlichen soll, ausgehend von den bekannten Simulationen in der Gasphase,
eine Wachstumssimulation mit Lösungsmittel und Stabilisator durchgeführt werden.
Als geeignetes Lösungsmittel wurde Ethylenglykol identifiziert (Abb. 2.10), welches in
Synthesen sehr weit verbreitet ist und gleichzeitig Lösemittel, oberflächenaktives Molekül
und Reduktionsmittel ist. Damit lässt sich die Anzahl der verschiedenen Komponenten
klein halten.
Abbildung 2.10: Lösungsmittel Ethylenglykol (CH2 OH)2 M = 62,07 g/mol, ρ = 1113 kg/m3 .
Bei der Frage nach zusätzlichen Stabilisatoren zeigte sich schnell, dass gängige Kandidaten wie Polyvinylpyrrolidon mit einem Massenmittel von c.a. 40 000 Da (360 Monomereinheiten) [99] viel zu groß sind, sowohl für eine direkte Simulation als auch für
einen sinnvollen abschirmenden Einfluss auf sehr kleine Nanopartikel (d < 2 nm). Zu
Beginn der Doktorarbeit wurden Testsimulationen durchgeführt, welche gezeigt haben,
dass selbst die Ausmaße von Oligomeren (z.B. 5 Monomere) schon in der Größenordnung
75
1,1 nm
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Abbildung 2.11: Vergleich zwischen der Größe eines PVP Oligomers mit 5 Monomeren
und einem Ag55 Mackayikosaeder. Zusätzlich wurde eine (1 1 1)-Facette des Clusters hervorgehoben, um die Verhältnisse zwischen Stabilsator und Oberfläche für solche kleinen Partikel
hervorzuheben.
von kleinen Clustern liegen. Die exponierten Facetten der Cluster sind dabei viel kleiner
als die Oligomere, so dass eine selektive, vom Oberflächentyp abhängige Stabilisierung
jenseits der kompletten sterischen Abschirmung nicht zu erwarten ist (Abb. 2.11). Es
müsste daher auf Monomere oder Dimere zurückgegriffen werden, wobei sich die Frage
nach der Sinnhaftigkeit einer solchen Näherung stellt. Vielmehr liegt die Vermutung nahe,
dass Polymere eher größere Partikel stabilisieren und so deren Koaleszenz verhindern.
Letztendlich fiel die Entscheidung gegen die Verwendung von Polymeren, da sie auf die in
dieser Arbeit untersuchten frühen Stadien der Keimbildung kaum Einfluss haben sollten.
Die letzte wichtige Komponente ist das Ausgangsmaterial. Natürlich verbunden mit
der Frage, in welcher Form es beim Wachstum vorliegt. In der Polyolsynthese wird
hauptsächlich Silbernitrat als Silberquelle verwendet, welches prinzipiell direkt in einer
Simulation verwendet werden kann. Allerdings stellt sich die Frage, wie die Silberionen
zu elementaren Silber reduziert werden. In der Literatur gibt es erstaunlich wenige Untersuchungen zu den genauen Reaktionsmechanismen der Reduktion. Einzig die Oxidation
von Ethylenglykol zu Glykolaldehyd wurde näher untersucht [97] (siehe Abschnitt 2.1.2).
Ein vorgeschlagenes Szenario ist die vollständige Reduktion von Silberionen und mit einer
anschließenden Agglomeration zu Silberpartikeln. Polte et al. postulieren sogar, dass alle
Ionen unmittelbar reduziert werden [130]. Gegen diese Theorie spricht die mittels SERS
nachgewiesene Existenz von Ag+ Oberflächenstellen [132]. Die geladene Oberfläche kann
natürlich durch Reoxidierung enstehen, aber in Gegenwart eines Reduktionsmittels, fähig
die gesamte Lösung sofort zu reduzieren, ist dies eher unwahrscheinlich.
Redoxreaktion Der für diese Arbeit entwickelte Lösungsansatz zu Modellierung der
Reduktion wird im Folgenden beschrieben. Ohne die Kenntnis der exakten Redoxreaktion
76
2.2 Modellentwicklung
kann eine abstrakte Hilfsreaktion mit einem unbekannten Reduktionsmittel Red und
seinem korrespondierendem oxidierten Zustand Ox aufgestellt werden.
Red
+
Ox
Agm+
n ↓
n Ag
(2.7)
Die Zahl m gibt dabei an, wie viele der n aggregierten Silberionen unreduziert bleiben (m Ag+ + (n − m) Ag(0) ). Um die Anzahl der tatsächlich reduzierten Silberionen
abzuschätzen, wird die Gleichung (2.7) in Teilschritte zerlegt:
Assoziation
Reduktion
(m+1)+
−−→ Agn+1
Ag+ + Agm+
n
(m+1)+
Agn+1
(2.8)
+ Red −−→ Agm+
n+1 + Ox
(2.9)
Ob und wie oft ein Reduktionsschritt stattfindet, wird mit der freien Enthalpiedifferenz
bestimmt.
(m+1)+
(2.10)
∆G = G(Agn+1 ) − G(Agm+
n+1 ) + G(Red) − G(Ox)
|
{z
∆GRe
}
|
{z
∆GOx
}
Die freie Enthalphiedifferenz der Reduktion ∆GRe kann aus MD-Simulationen bestimmt
werden (siehe Abschnitt 1.3.2). Für die unbekannte Oxidation ∆GOx wird ein mittleres,
thermodynamisches Potential φ = ∆GOx der Umgebung angenommen. Ein Reduktion
findet daher statt, solange gilt:
Reduktionsbedingung: ∆GRe < − φ
(2.11)
Dieses φ gibt dabei die reduktive Stärke der Lösung an, unter der Annahme eines thermodynamischen Gleichgewichts. Kinetische Nichtgleichgewichtsaspekte wie Mechanismen,
Barrieren und lokale, metastabile Zustände werden dabei vernachlässigt und eine atomare
Auflösung der Reduktion ist nicht mehr nötig. Solange nicht davon ausgegangen werden
kann, dass das Potential stark von der lokalen Struktur eines Partikels abhängt (z.B.
nur bestimmte Oberflächenstellen für eine Reduktion geeignet sind), sollte der Ansatz
eine gute Näherung für eine beliebige Reduktionsreaktion sein.
Zusammenfassend ist die Modellsynthese für die folgenden Simulationen das schrittweise
Assoziieren von einzelnen Silberatomen oder -ionen zu einem Cluster bzw. Nanopartikel
in Ethylenglykol. Die Reduktion wird abstrakt über ein mittleres Reduktionspotential φ
der chemischen Umgebung abgebildet.
77
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
2.2.2 Kraftfelder
Für die Simulationen müssen drei Arten von Wechselwirkungen beschrieben werden:
das organische Lösungsmittel, die Metallbindung und die Grenzfläche zwischen diesen.
Zusätzliche Schwierigkeiten bereitet die Berechnung der langreichweitigen Coulombwechselwirkungen.
Ethylenglykol Der technisch einfachste Fall ist das Lösungsmittel. Glücklicherweise sind
organische Lösungsmittel bereits seit mehreren Jahrzehnten im Fokus der Entwickung von
Kraftfeldern. Im Fall dieser Arbeit wurde auf das OPLS-AA Kraftfeld [4, 5] zurückgegriffen
(siehe Abschnitt 1.1.1). Es reproduziert sowohl die Dichte, Paarverteilung und molekulare
Dipole in Lösung akkurat. Etwaige Abweichungen in Zuständen niedriger Dichte und
fehlende Reaktivität sollten für diese Arbeit keine Rolle spielen.
Silber Die Metallbindung des Silbers kann über die embedded atom method beschrieben
werden (siehe Abschnitt 1.1.2.1). Parameter dazu stammen von Williams et al.[11].
Die EAM berücksichtigt weder die Polarisation durch die Lösung noch kann sie die
partiellen ionischen Anteile bei geladenen Clustern beschreiben. Für diesen Zweck wurde
die EAM um ein fluktuierendes Ladungsmodell QEq erweitert (siehe Abschnitt 1.1.2.2).
Die Parameter stammen aus der Arbeit von Zhang und Fournier [33]. Ähnliche Ansätze
wurden bereits für Metall/Metalloxid Systeme verwendet [133, 134]. Zusätzlich hat
Zerbetto et al. gezeigt, dass die EAM zusammen mit der klassischen QEq gute Ergebnisse
bei der Adsorption von organischen Molekülen auf Metalloberflächen erzielt [135, 136]. Die
organischen Moleküle in dieser Arbeit werden nicht durch die QEq beschrieben, sondern
erhalten feste Punktladungen. In diesem Sinne bilden Punktladungen der Moleküle
ein (statisches) elektrisches Feld, welches auf den Silbercluster wirkt. Diese Näherung
ist aus einigen Gründen sinnvoll. Zunächst steigt der Rechenaufwand mit mehr QEqAtomen beträchtlich. Des Weiteren reagieren QEq-Systeme sehr empfindlich auf ungenaue
Parameter. Da kein vollständiger Parametersatz existiert, müssten verschiedene Sätze aus
der Literatur mit beträchtlichem Aufwand kombiniert werden. Im Falle der Silberpartikel
steht hier aber der erwartete Nutzen nicht im Verhältnis zum Aufwand, da das OPLS-AA
Kraftfeld bereits gute Ergebnisse liefert. Die QEq wurde in LAMMPS implementiert und
Tests dazu werden im Ergebnisteil besprochen (Abschnitt 2.4.3.2).
78
2.2 Modellentwicklung
Ethylenglykol-Silber Der dritte Teil des Kraftfeldes ist die Wechselwirkung zwischen
Ethylenglykol und Silber. Heinz et al. haben eine umfangreiche Arbeit zur Bestimmung
von einfachen LJ-Parametern für Silber angefertigt, welche auch mit gängigen Kraftfelder
wie OPLS-AA kombinierbar sind [137]. Die mittlere Adsorptionsenergie von organischen
Lösungen und die verschiedenen Oberflächenspannungen werden sehr gut reproduziert.
Da diese Stabilisierungen wichtig für das Wachstum sein könnten, fiel die Wahl auf
dieses Kraftfeld. Andere Vertreter wie die Kraftfelder von Zerbetto et al. [135] wurden
nicht getestet, da sie nach Aussage der Autoren nicht transferierbar sind. Es muss
darauf hingewiesen werden, dass der verwendete Kraftfeldansatz im statistischen Mittel
gute Ergebnisse liefert, für einzelne Konfigurationen aber durchaus große Abweichungen
aufweisen kann. Dies hängt mit dem teilweise hohem kovalenten Charakter der OrganoMetall-Bindungen zusammen, welcher nur teilweise nichtbindend abgebildet werden kann.
Andere Arbeiten verwenden bindende Kraftfelder mit expliziten Bindungstermen [138].
In diesem Falle ginge jedoch jede Flexibilität für die Zusammensetzung und Beweglichkeit
des Systems verloren.
Coulombwechselwirkung Das letzte Problem der Kraftfelder sind die langreichweitigen
Wechselwirkungen. Wie bereits im Abschnitt 1.1.3 dargestellt, bestehen einige Schwierigkeiten bei der Beschreibung von geladenen, periodischen Systemen. Für die Lösung um
geladene Silbercluster könnten theoretisch Gegenionen (Nitrat) eingesetzt werden. Jedoch
ist, durch die Natur des Wachstumsalgorithmus in Kombination mit der abstrahierten
Reduktion, die exakte Gesamtladung der Cluster nie im Voraus bekannt. Es müssten zur
Ladungsneutralisation ständig Moleküle hinzugefügt und entfernt werden. Dies ließe sich
höchstens mit einer großkanonischen Simulation durchführen, welche allerdings technisch
extrem schwierig realisierbar ist. Zudem müsste die Simulationzelle sehr groß sein, da
ansonsten extreme Konzentrationen erreicht werden könnten. Um all diese Probleme zu
vermeiden, wurde auf das damped shifted force Coulombpotential zurückgegriffen. Im
Falle von geladenen Zellen neutralisiert der shift des Coulombpotentials die Wechselwirkung genau am Abschneideradius. In der Lösung entspricht dies impliziten, gemittelten
Gegenionen, welche exakt die Gegenladung zu dem simulierten System besitzen. Dieser
Ansatz wurde ebenfalls für die QEq angewandt, wobei es hier keine Referenzliteratur gibt.
Im Gegensatz zur normalen MD-Simulation ist die Bewegung der Ladungen nicht nur
abhängig von der Änderung der Energie mit dem Abstand. Daher muss die Kombination
der QEq mit dem DSF-Coul zuerst getestet werden.
79
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
8
−4,7
7
Relativer Fehler / %
∆EDipol eV
−4,8
−4,9
−5
−5,1
−5,2
Ewald ǫ = 1 × 10 eV
DSF-Coul α = 1,65
rc
−6
10
12
14
16
rc / Å
18
20
6
5
4
3
2
1
0
10
12
14
16
rc / Å
18
20
Abbildung 2.12: Energie zum Erzeugen eines Dipols ±1 e in einem Ag13 Silbercluster mit
689 EG Molekülen als Lösung. Der zweite Graph zeigt den relativen Fehler zwischen der
Ewaldsumme und dem DSF-Coul. Die Gleichung für α wurde aus dem Quelltext von LAMMPS
entnommen und empirisch angepasst.
Um zunächst die Güte der DSF-Coul-Energie im Vergleich zur Ewaldsumme als Referenz darzustellen, wurde eine Simulationszelle (Abb. 2.14, Details Abschnitt 2.2.3)
genommen und künstlich ein Dipol erzeugt. Die Konfiguration des Lösungsmittels und
des Silbers ist nahezu belanglos, da nur die Differenz zwischen dem System mit und
ohne künstlichen Dipol betrachtet wird. Einzig die Größe und Ladungsverteilung sollte
repräsentativ für spätere Simulationen sein. Für den Dipol wurden zwei Silberatome
mit jeweils +1 und −1 e geladen. Sowohl das Ewaldpotential als auch das DSF-Coul
benötigen verschiedene Parameter: den Abschneideradius rc , den Dämpfungsfaktor α
und im Fall der Ewaldsumme den reziproken Grenzvektor tc (siehe Abschnitt 1.1.3).
Gewöhnlich werden die Parameter über einen Wert ǫ (entspricht in etwa einer Genauigkeit) mittels empirischer Gleichungen abgeschätzt (Details zu dieser Berechnung finden
sich im LAMMPS-Quelltext). In Abb. 2.12 ist die Dipolenergie und der relative Fehler
von DSF-Coul im Vergleich zur Ewaldsumme in Abhängigkeit vom Abschneideradius rc
gezeigt. Man erkennt eine langsame Konvergenz des DSF-Coul gegen die Ewaldsumme.
Der relative Fehler beträgt allerdings bei 15 Å bereits nur noch knapp 2%. Das DSF-Coul
scheint somit geeignet zu sein, die Ladungsänderung in einem System zu berechnen.
Der zweite Test für DSF-Coul ist die Ladungsverteilung innerhalb eines geladenen
Silberclusters in Abhängigkeit von rc . Der Radius rc nimmt eine besondere Rolle ein, da
er die Ladungsdichte der Gegenladung bestimmt. Für dasselbe System wie beim Dipol
80
2.2 Modellentwicklung
0,34
Ag131+
q 2 /N / e
0,032
Ag1310+
0,32
0,3
√P
0,03
√P
q 2 /N / e
0,034
0,028
0,28
0,026
0,26
10
12
14
16
rc / Å
18
20
10
12
14
16
rc / Å
18
20
Abbildung 2.13: Darstellung der Wurzel des mittleren Ladungsquadrats innerhalb eines
geladenen Ag13 Clusters für +1 e und +10 e. Die Atomepositionen sind fest und die Stabilität
des Clusters bei der künstlich hohen Ladung spielt in diesem Fall keine Rolle. Es wurde
das DSF-Coul verwendet um die langreichweitige Coulombwechselwirkung zu berechnen. Die
Polarisation steigt mit zunehmenden Abschneideradius.
besaßen die Cluster diesmal eine Nettoladung und die entsprechende Ladungsverteilung
wurde mittels QEq bestimmt. Die mittlere Abweichung der Ladung von null wurde
gegen rc getestet (Abb. 2.13). Wie zu erwarten nimmt die Polarisation, d.h. die Ungleichverteilung der Ladung, mit zunehmendem rc zu. Dieses Phänomen kann man mit der
abnehmenden kompensierenden Ladungsdichte erklären, welche immer weiter entfernt ist
und somit die abstoßenden Wechselwirkungen innerhalb des Clusters nicht mehr dämpft.
Allerdings liegt die Änderung im Bereich von wenigen Promille der Gesamtladung und
spielt daher nur für sehr stark geladene Cluster eine Rolle. Unter Berücksichtigung der
beiden Tests wurden zwei Parametersätze für das DSF-Coul Potential bestimmt: der
erste Satz rc = 15 Å, α = 0,136 wurde für Rechnungen mit möglichst hoher Genauigkeit
bei vertretbarem Aufwand verwendet. Ein zweiter Satz rc = 12 Å, α = 0,17 wurde aus
Effizienzgründen für die meisten Produktivrechnungen gewählt.
2.2.3 Simulationsprotokoll
Nachdem eine Modellsynthese konstruiert und Kraftfelder ausgewählt wurden, musste
noch das Simulationsprotokoll erstellt werden. Für die MD-Simulationen wurde das
Programm LAMMPS verwendet [68]. Die Kombination der Teilsimulationen und die
Kontrolle des Wachstums erfolgte mit einem selbstgeschriebenen Skript. Es basierte auf
81
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
der Kawska-Zahn-Methode (Abschnitt 1.3.3.2) und beinhaltete mehrere Schritte. Der
Startpunkt der Simulation war eine kubische Zelle mit 689 EG Molekülen und einer
Kantenlänge von etwa 4,2 nm. Zusätzlich enthielt die Zelle bereits einen Ag13 (2)-IKO,
welcher als Initialcluster diente. Der Grund, warum nicht von einem einzelnen Silberion
gestartet wurde, hängt mit der Wahl des Silberpotentials EAM zusammen. Die Struktur
sehr kleiner Cluster wird in der Literatur immer noch heftig diskutiert [112, 139]. Da die
EAM bei kleinen Clustern zu sehr symmetrischen Strukturen neigt, wird die Struktur
zunächst immer ikosaedrisch sein und erst für größere Cluster sind realistischere Trends
zu erwarten. Um nicht einen zu großen Cluster als Startpunkt zu wählen und damit
künstlich eine Struktur vorzugeben, fiel die Wahl auf den Ag13 Cluster.
Jeder Wachstumsschritt begann mit der Assoziation eines neuen Ag+ Ions (in wenigen
Ausnahmen auch Ag(0) ). Zunächst wurde dazu das neue Teilchen auf einer Kugelschale
um den Mittelpunkt des bestehende Silberaggregats erzeugt. Der Polar- und Azimutwinkel wurden zufällig gewählt und der Radius wurde über r = (1,2 + N 1/3 )nm vorgegeben.
Durch die Abhängigkeit von der Atomzahl des Clusters N wird gewährleistet, dass der
Radius mit dem Aggregat zunimmt. Das attraktive EAM-Potential ist relativ kurzreichweitig (Abschneideradius ≈ 0,6 nm) wodurch ein Teilchen anfänglich keine anziehende
Kraft erfährt. Den Erzeugungsradius kleiner zu machen, ist relativ problematisch, da
existierende Cluster nicht notwendigerweise sphärisch sind und die Wahrscheinlichkeit
einzelner Assoziationsstellen stark verändert werden kann. Dieses Phänomen ist in
Abb. 2.15 für ein kugel- und ein stabförmiges Aggregat gezeigt. Diese Problematik konnte
allerdings mit einem großem Erzeugungsradius und einem Zusatzpotential minimiert
Abbildung 2.14: Darstellung der initialen Simulationszelle mit 689 Ethylenglykol-Molekülen
und einem Ag13 Mackayikosaeder. Die Kantenlänge beträgt etwa 4,2 nm.
82
2.2 Modellentwicklung
Kugelcluster
Stabcluster
Abbildung 2.15: Problematik der sphärischen Geometrie bei der Assoziation von neuen
Teilchen bei unsphärischen Partikeln. Während der direkte (kürzeste) Weg zur Oberfläche
(gestrichelte Linie) bei Kugeln überall gleich ist, sind die Stabenden überproportional häufig
erreichbar.
werden. Um die Teilchen in den Einzugsbereich der Cluster zu bringen, wurde ein schwaches zusätzliches harmonisches Potential mit einer Kraftkonstante von 5 × 10−3 eV/Å
angewandt. Während dieser Phase wurde das bereits existierende Aggregat festgehalten
und das Lösungsmittel „ausgeschaltet“ (die Einträge in der Nachbarschaftliste deaktiviert). So wurden ungewollte Verformungen durch den künstlichen „Aufschlag“ des neuen
Ions/Atoms verhindert. Anschließend wurde das Lösungsmittel wieder „angeschaltet“
und kurz relaxiert, damit es sich an die neue Konfiguration anpassen konnte. Es folgte
eine Simulation zur Volumenmittelung bei konstantem Druck (1 bar) und konstanter
Temperatur (300 K, 400 K und 500 K). Prinzipiell könnte die gesamte Simulation bei
konstantem Druck durchgeführt werden, allerdings ist die Varianz der meisten statistische
Größen sehr hoch und eine Mittelung wird zusätzlich erschwert. Als vorteilhafter hat
sich das Fixieren des Volumens auf einen Mittelwert herausgestellt. Der letzte Schritt
war eine Langzeitsimulation, um statistische Größen zu errechnen. Bei diesem hat der
Cluster auch Gelegenheit, sich neu zu arrangieren. Ein optionaler, zusätzlicher Schritt
beinhaltete die abstrahierte Reduktion. Dazu wurde die Ladung des Clusters um eine
Elementarladung reduziert und die Langzeitsimulation wiederholt. Aus dem Vergleich der
Energien kann abgeschätzt werden, ob eine Reduktion erfolgt wäre. Prinzipiell müsste die
freie Energie berechnet werden (siehe Abschnitt 1.3.2). Es ist jedoch kaum zu erwarten,
dass der entropische Anteil in diesem Fall signifikante Relevanz hätte (die Anzahl der
Bindungen und freien Teilchen ändert sich nicht oder kaum). Damit steht der Aufwand
der Berechnung der freien Energie nicht im Verhältnis zum erwarteten Nutzen und es
83
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Schritt
1.
Assoziation
2.
3.
4.
5.
5a.
Relaxation
Volumenmittelung
Relaxation
Langzeit
Reduktion
Dauer
Ensemble
20 ps
-
10 ps
200 ps
100 ps
1 ns
1 ns
NVT
NpT
NVT
NVT
NVT
Besonderheit
Energieminimierung, kein
Lösungsmittel, zusätzliches Potential
Nur Lösungsmittel frei
Volumen auf Mittelwert gesetzt
Ladung um 1 e reduziert, optional
Tabelle 2.2: Schritte des Silberwachstumsschemas mit Dauer und dem thermodynamischen
Ensemble.
Parameter
Wert
Zeitschritt
1 fs
Thermostat Kopplungskonstante
0,5 ps
Barostat Kopplungskonstante
5,0 ps
Aktualisierungsintervall QEq
250 fs
Energiegrenzwert QEq
1,0 × 10−4 eV
Abschneideradius DSF-Coul
12 Å
Dämpfungsfaktor DSF-Coul
0,17
Abscheideradius LJ
10 Å
Tabelle 2.3: Wichtige technische Parameter für die Silberwachstumssimulationen.
wurde darauf verzichtet. Der Reduktionsschritt wurde solange wiederholt wie die Energiedifferenz ein gewünschtes Potential nicht überschritt. In einigen Wachstumssimulationen
wurde auf den Reduktionsschritt verzichtet und stattdessen die Ladung direkt auf einen
gewünschten Wert festgesetzt. Dadurch konnten systematisch Ladungsabhängigkeiten
studiert werden.
Die einzelnen Schritte sind in Tabelle 2.2 dargestellt. Weitere wichtige technische Parameter für alle Teilsimulationen sind in Tabelle 2.3 zusammengefasst. Alle Schritte wurden
wiederum für jeden Wachstumsschritt (jedes neue Teilchen) wiederholt. Eine zusätzliche
Prüfung nach jedem Wachstumsschritt zeigte, ob eine Assoziation überhaupt erfolgreich
gewesen war (Teilchen befindet sich im Kontakt mit dem Cluster). War die Assoziation
nicht erfolgreich oder ist die Simulation aus anderen technischen Gründen abgestürzt, so
wurde der Wachstumsschritt wiederholt. Nach drei erfolglosen Wiederholungen wurde
fünf Schritte zurück gegangen und von dieser Stelle aus das Wachstum fortgesetzt. Auf
84
2.2 Modellentwicklung
diese Weise gewährleistete das Wachstumsskript eine vollautomatische Simulation auch
über viele Wachstumsschritte hinweg.
2.2.3.1 Simulationstemperatur
An dieser Stelle soll noch die allgemeine Schwierigkeit bei der Wahl der Simulationstemperatur angesprochen werden. Experimente variieren von Raumtemperatur bis zum
Siedepunkt von EG (196 ◦C). Vom statistischen Standpunkt aus sind höhere Temperaturen sinnvoll, da ein besseres Abtasten möglicher Konfigurationen erfolgen kann und
Barrieren besser überwunden werden können. Allerdings neigen kleine Cluster bei zu
hohen Temperaturen zum partiellen Schmelzen. Bei Kupferclustern wurden verschiedene
Temperaturen umfangreich studiert, wobei für kleinere Partikel 400 K und für größere
500 K besser geeignet waren [74]. Da eine höhere Ladung die Schmelztemperatur senkt
(verringerte Kohäsionsenergie) wurde zu Beginn der Arbeit vornehmlich bei 300 K simuliert. Es zeigte sich aber, dass die Cluster auch bei höheren Temperaturen stabil
bleiben. Stark geladene Cluster können bei 500 K instabil werden, weshalb ein Großteil
der Simulationen bei 400 K durchgeführt wurde.
85
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
2.3 Wachstumssimulationen
In diesem Kapitel sollen die Wachstumssimulationen und deren Ergebnisse vorgestellt
werden (auch in Teilen in [140] nachzulesen). Eine wiederkehrende Problematik der
Auswertung ist die oft kleine statistische Probengröße, sprich nur wenige (drei bis fünf)
Wachstumsserien für jedes Szenario. Weitere Serien wären aus statistischer Sicht wünschenswert, sind aber leider sehr zeitaufwendig und rechenintensiv: eine komplette Serie
dauert auf einem aktuellen Hochleistungsrechensystem1 etwa 2 Monate. Um die Verhältnismäßigkeit vom Aufwand zum Nutzen zu wahren, fokussiert sich die Untersuchung
daher eher auf Trends und Mechanismen.
2.3.1 Neutrale Ladung
Der am einfachsten zu implementierende Fall sind neutrale Silberpartikel. Zusätzlich sind
sie sehr interessant, da sie direkt mit Simulationen aus der Gasphase [74, 128] vergleichbar
sind. Für das Wachstum in EG-Lösung wurde nach jeder Ionenassoziation die Gesamtladung auf 0 e gesetzt. Es wurden insgesamt 5 Wachstumsserien mit einer neutralen Ladung
ausgewertet. Zunächst wurde die Häufigkeit von verschiedenen Strukturtypen analysiert.
Dazu wurde für jeden Cluster zu jedem Zeitpunkt die Packung mittels der CNA bestimmt.
Anhand der über die Serien gemittelten Häufigkeit wurden verschiedene Typen anhand
Tabelle 1.2 zugeordnet. Als kristallin wurden dabei Strukturen ohne mehrfache Verzwillingung und mindestens einem fcc-Motiv bezeichnet. Die Ergebnisse sind in Abb. 2.16
dargestellt. Deutlich kann eine Dominanz von Dekaeder- und, in geringerem Maß, von
kristallinen Strukturen beobachtet werden. Einzig im Bereich des theoretischen Ag55
(3)-Mackayikosaeder ist tatsächlich eine Häufung von Ikosaederstrukturen zu beobachten.
Dies ist eine relativ überraschende Entwicklung, bedenkt man, dass für die Ag146/147
Cluster im Vakuum der perfekte (3,2,2)-Marksdekaeder stabiler als der (4)-IKO ist (siehe
Abschnitt 2.4.2). Ebenfalls sollten die kristallinen Oktaeder und Kuboktaeder theoretisch
deutlich instabiler sein und nicht vorkommen.
Die Erklärung für dieses Verhalten liefert das Wachstum zwischen den „magischen“
Clustern. Die Mechanismen der Morphogenese sind dabei ähnlich denen des Wachstums
in der Gasphase.
1
Genutzte Systeme befinden sich im Leibnitz-Rechenzentrum in München (LRZ) und im Regionalen
Rechenzentrum Erlangen (RRZE)
86
Kristallin
Dekaeder
Strukturhäufigkeit [%]
Ikosaeder
2.3 Wachstumssimulationen
40
50
60
70
80
Atomzahl
90
100
110
Abbildung 2.16: Häufigkeit der Strukturtypen ungeladener Silberpartikel Ag(0)
n in Lösung
während des Wachstums von n= 40 → 115 (kleine Cluster sind schwer zu charakterisieren und
wurden ausgelassen). Einzig bei bei Clustern in der Region des Ag55 Mackayikosaeder können
verstärkt Ikosaederstrukturen (rot) beobachtet werden. Ansonsten dominieren Dekaeder- und
kristalline Strukturen.
Generell gibt es vier Übergänge:
• Ikosaeder zu Dekaeder (Abb. 2.17)
• Dekaeder zu Ikosaeder (Abb. 2.18)
• Dekaeder zu kristallin (Abb. 2.19)
• kristallin zu Dekaeder (Abb. 2.19)
Zusätzlich gibt es in der Gasphase auch den Übergang kristallin zu Ikosaeder, welcher aber
in den Simulationen in Lösung nicht beobachtet wurde. Direkte Übergänge vom Ikosaeder
hin zu kristallinen Strukturen beinhalten eine komplette Restrukturierung des Kristalls
und sind nahezu ausgeschlossen. Durch diese Limitierung können sich die Strukturen
nicht beliebig umwandeln. Meist erfolgen Umwandlungen in der Nähe einer „magischen“
Größe (13, 55, 75, . . . ). Konkret bedeutet dies, dass Cluster mit einer Atomzahl von
55 wie erwartet vorwiegend ikosaedrisch sind. Jedoch ist 75 die „magische“ Größe eines
(2,2,2)-MDEK und in den meisten Wachstumsserien wandeln sich die Cluster in diesem
Größenbereich von ikosaedrisch zu dekaedrisch. Durch die gesenkte Oberflächenspannung
in Lösung ist die Triebkraft der Oberflächenminimierung schwächer (im Vergleich zum
87
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Vakuum). Ein Rückbildung wird dadurch unwahrscheinlich und die Dekaeder sind das
dominierende Strukturmotiv.
Die Mechanismen der Umwandlung sind stark unterschiedlich. Umwandlungen zwischen Ikosaeder und Dekaeder beinhalten eine umfassende Reorganisation, die sich in
einem Nukleationsmechanismus von einer Stelle durch den Cluster propagiert (Abb. 2.17
und 2.18). Die Zeitspanne für diesen Prozess liegt bei 100 ps. Im Gegensatz dazu erfolgt die Umwandlung vom Dekaeder zum kristallinen Cluster durch Verschiebung von
Kristallebenen.
Die Zeitspanne dafür ist mit 1 ps deutlich kürzer. Je weiter die Dekaederachse am Rand
des Cluster liegt, desto weniger Ebenen müssen sich verschieben. Daher wandeln sich
besonders unvollständige Dekaederstrukturen häufig um. Dies erklärt die Koexistenz von
kristallinen und Dekaederstrukturen.
Als Beispiel für die Struktur innerhalb der Wachstumsserien sind zwei Serien in Abb. 2.20
dargestellt. Die erste Serie zeigt die Übergänge Ikosaeder-Dekaeder-Ikosaeder, während
die zweite Serie Dekaeder-kristallin zeigt. Gut zu beobachten ist, dass bei der ersten Serie
die Partikel nahezu sphärisch bleiben, was die Umwandlungen zwischen den mehrfachverzwillingten Strukturen ermöglicht. Hingegen wird bei der zweite Serie der zunächst
sphärische Cluster – nach der Umwandlung in eine kristalline Struktur – zu einem Schichtpartikel, dessen Dicke konstant bleibt. Dadurch wird die Rückumwandlung behindert, da
mehr Ebenen verschobenen werden müssten, um einen Dekaeder zu formen.
Der größte Unterschied der Simulationen in Lösung zur Gasphase ist die Verschiebung
der Häufigkeiten in Richtung dekaedrischer und kristalliner Strukturen. In der Gasphase
dominierten die Ikosaeder und Dekaeder. Kristalline Strukturen traten bei solch kleinen
Größen nur in geringem Maße auf. Dieses Ergebnis stimmt mit den Rechnung zu den
Stabilitäten der „magischen“ Cluster in Lösung überein (Abschnitt 2.4.2). Mechanistische
Unterschiede konnten keine gefunden werden.
88
2.3 Wachstumssimulationen
Ikosaeder
Dekaeder
Abbildung 2.17: Beispiel für den Mechanismus beim Übergang von einem Ikosaeder zu
einem Dekaeder für einen Ag67 Cluster. Die Packungsmotive dec (grün) und ico (orange) sind
farblich hervorgehoben. Deutlich ist die stufenweise Umstrukturierung innerhalb des Clusters
zu beobachten. Der gesamte Prozess dauert ca. 100 ps.
Dekaeder
Ikosaeder
Abbildung 2.18: Beispiel für den Mechanismus beim Übergang von einem Dekaeder zu
einem Ikosaeder für einen Ag104 Cluster. Die Packungsmotive dec (grün) und ico (orange) sind
farblich hervorgehoben. Ähnlich wie beim Übergang Ikosaeder-Dekaeder ist eine stufenweise
Umstrukturierung zu erkennen. Der gesamte Prozess dauert wieder ca. 100 ps.
Dekaeder
Kristallin
Abbildung 2.19: Beispiel für den Mechanismus beim Übergang von einem Dekaeder zu einem
kristallinen Cluster für einen Ag91 Cluster. Involvierte Atome sind grün hervorgehoben. Die
Umstrukturierung erfolgt durch die konzertierte Verschiebung nur einer Atomlage (durch den
Pfeil angedeutet). Dadurch geht die Umwandlung sehr schnell vonstatten (1 ps) .
89
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Ag64
Ag83
Ag104
Serie 2
Serie 1
Ag60
Abbildung 2.20: Auszüge aus zwei Wachstumsserien ungeladener Silberpartikel. Serie 1
zeigt das Wachtums von einem ikosaedrischen (Ag60 ) über einem dekaedrischen (Ag83 ) zu
wieder einem ikosaedrischen (Ag104 ) Cluster. Bei Serie 2 hingegen ist bereits der Ag60 Cluster
dekaedrisch, was eine frühe Umwandlung in einen kristallinen, nicht mehrfach-verzwillingten
Cluster ermöglicht (Ag64 ). Interessanterweise wächst der Cluster eher als Schicht mit (1 1 1)Deckflächen in die Breite und die Schichtdicke bleibt zumindest in dieser Serie konstant.
90
2.3 Wachstumssimulationen
2.3.2 Konstantes Ladungsverhältnis
Um geladene Partikel systematisch in einer chemischen Umgebung mit unbekanntem chemischen Reduktionspotential zu studieren, kann die Nettoladung der Cluster abgeschätzt
werden. Die naivste Annahme ist eine während des Wachstums konstante Ladung. In
einigen Testrechnungen wurde festgestellt, dass Ladungen größer als +5 e zu instabilen
kleinen Clustern führen. Wiederum ist bei großen Clustern der Ladungseffekt zunehmend
vernachlässigbar, da das Ladungs-Atom-Verhältnis stark sinkt. Aus diesen Gründen sind
solche Simulationen zum Studium des Ladungseinflusses ungeeignet.
Eine bessere Annahme ist ein konstantes Verhältnis zwischen Ladung und Atomzahl
N . Betrachtet man die maximalen Ladungen von einzelnen untersuchten Clustern +5 e
für Ag13 , +15 e für Ag63 und +20 e für Ag113 , so stellt man fest, dass eine direkte
Proportionalität zwischen maximaler Ladung und der Atomzahl nicht vorliegen kann.
Zudem zeigten die Untersuchungen an einzelnen Clustern (Abschnitte 2.4.2 und 2.4.3)
eine Akkumulation der Ladung an der Oberfläche und deutlich weniger im Inneren.
Daraus lässt sich eine Proportionalität der Ladung zu der Anzahl der Oberflächenatome
NOF ableiten. Die genaue Zahl NOF ist abhängig von der jeweiligen Struktur, kann
allerdings allgemein über den Zusammenhang zwischen Volumen und Oberfläche jedes
Objektes A3 ∼ V 2 abgeschätzt werden. Letztendlich werden zwei Relationen ausgenutzt:
Q ∼ NOF
NOF ∼ N 2/3
(2.12)
Zusammengeführt ergibt sich eine Gleichung für die Gesamtladung der Partikel in
Abhängigkeit von der Atomzahl:
Q(N ) = kq N 2/3
(2.13)
Es ist anzumerken, dass Kanten und Ecken deutlich mehr Ladung akkumulieren als
reine Flächen und die Gleichung daher zumindest um einen N 1/3 Term erweitert werden
müsste. Praktisch ist der Unterschied nur für kleine Cluster relevant (N < 50). Zudem
erschwert die Erweiterung des Konfigurationsraumes um einen weiteren Parameter eine
systematische Analyse erheblich. Werte für kq lassen sich aus der maximalen Ladung
abschätzen. So kann das Verhältnis höchstens zwischen 0,85 und 1 liegen. Tatsächlich
haben Testserien 0,85 als maximales Ladungsverhältnis bestimmt und den Ansatz als
konsistent bestätigt.
91
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
25
kq =0,25
kq =0,50
kq =0,75
Ladung / e
20
15
10
5
0
0
20 40 60 80 100 120 140
Atomzahl
Abbildung 2.21: Anstieg der Clusterladung unter der Annahme eines konstanten Verhältnisses
zwischen Ladung und abgeschätzter Anzahl der Oberflächenatome (Gleichung (2.13)).
Ag7+
130
kq =0,25
Ag14+
130
kq =0,50
Ag21+
130
kq =0,75
+0,55 e
−0,55 e
Abbildung 2.22: Beispielcluster Ag130 für verschiedene Ladungsverhältnisse kq . Es sind
jeweils die Cluster mit Ladungsverteilung und zusätzlich die Packungsmotive dec (grün) und
ico (orange) gezeigt.
92
2.3 Wachstumssimulationen
kq =0,00
kq =0,25
kq =0,50
kq =0,75
CNP / Å
2
50
45
40
35
30
25
50
75
100 125 150 175
Atomzahl
18
16
14
12
10
8
6
4
2
Kernatome
Nahordnung
Oberflächenatome
55
50
75
100 125 150 175
Atomzahl
Abbildung 2.23: Gemittelter CNP in Abhängigkeit der Atomzahl für verschiedene Ladungsverhältnisse (Vertrauensbereich 75 %). Die Mittlung erfolgtw über jeweils 4 Wachstumsserien.
Für die Untersuchung wurden 3 Verhältnisse kq = 0,25; 0,50 und 0,75 gewählt. Zusätzlich
dienen die Wachstumsserien ungeladener Cluster als kq = 0 Referenz. Die resultierenden
Ladungen in Abhängigkeit von der Atomzahl sind in Abb. 2.21, Beispiele für resultierende
Cluster in Abb. 2.22 dargestellt.
Die interessanteste Fragestellung beim Wachstum mit erhöhter Ladung ist die Entwicklung der Formen und Packungen. Eine kontinuierliche Größe zur Charakterisierung
der Ordnung von einzelnen Atomen ist der Common-Neighborhood-Parameter (Abschnitt 1.3.4.1). Da er sehr empfindlich auf unvollständige Koordinationsumgebungen ist,
wurde zur Untersuchung zwischen Oberflächenatomen (CN <= 10) und Kernatomen (CN
>=12) unterschieden. Die mittleren CNP in Abhängigkeit der Größe für verschieden kq
ist in Abb. 2.23 gezeigt. Eine sehr geringe Nahordnung liegt beim höchsten Ladungsverhältnis kq = 0,75 sowohl für den Kern als auch für die Oberflächen vor. Die Werte für den
CNP liegen dabei deutlich höher als bei gewöhnlichen Packungen (Tabelle 1.3). Dies zeigt
zum einen eine sehr raue, ungeordnete Oberfläche, als auch eine hohe „Amorphizität“.
Der Unterschied der anderen Ladungsverhältnisse ist deutlich weniger signifikant. Generell scheinen Cluster mit mehr als etwa 90 Atomen eine Konvergenz des CNP zu zeigen.
Offensichtlich erreichen die Cluster eine Größe, bei welcher die indirekte Wechselwirkung
zwischen weit entfernten Atomen konvergiert. Jedes Atom, ob im Inneren oder an der
Oberfläche, „spürt“ eine gewisse Nachbarschaft an Atomen. Je größer der Cluster wird,
desto konstanter wird diese Umgebung. Da dieses Verhalten sowohl bei ungeladenen als
93
Mittlerer Motivanteil / %
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
50
fcc
dec
ico
0.50
0.75
40
30
20
10
0
0.00
0.25
kq
Abbildung 2.24: Gemittelter Anteil der verschiedenen Packungsmotive an allen Kernatomen
in Abhängigkeit vom Ladungsverhältnis kq . Die Mittelung erfolgte über die Atomgrößen ab 90
Atomen und jeweils 4 Wachstumserien (Vertrauensbereich 75%).
auch geladenen Clustern auftritt, liegt keine starke Abhängigkeit von der Reichweite der
Wechselwirkungen vor.
Der mittlere CNP enthält leider keine explizite Aussage über die Anteile der Packungsmotive. Um ein Bild von der konkreten Packung innerhalb der Cluster zu bekommen,
wurde für jeweils alle Serien der Anteil der jeweiligen Motive an der Gesamtzahl der
Kernatome mittels Common-Neighbor-Analysis bestimmt. Da für jenseits von 90 Atomen
eine gewisse Konstanz zu beobachten war, wurden die Anteile noch zusätzlich über
verschiedene Clustergrößen einer Serie gemittelt. Der so erhaltene Mittelwert gibt die
dominierenden Packungsmotive in den Clustern an (Abb. 2.24). Wie erwartet steigt
der Anteil an dicht gepackten fcc-Motiven mit steigendem Ladungsverhältnis zunächst
an. Dieser Effekt, der sinkenden Triebkraft für Verzwillingung durch das Bestreben der
Oberflächenvergrößerung bei geladenen Clustern, wird im Abschnitt 2.4.3 ausführlich
diskutiert. Bei allen Ladungsverhältnissen sind dennoch deutliche Anteile an Dekaedermotiven zu beobachten. Schon relativ wenige dec-Motive reichen, um einen Dekaeder
zu formen, weshalb der Dekaeder für kq = 0,00 und 0,25 die dominierende Struktur ist.
Für 0,50 und 0,75 sind die Verhältnisse von dec zu fcc soweit verschoben, dass man nicht
mehr von geordneten Dekaedern ausgehen kann. Tatsächlich erinnert die Verteilung
eher an Ikosaeder. Bei 0,75 steigt sogar der Anteil von ico-Motiven deutlich an. Dies ist
insofern überraschend, da selbst perfekte Ikosaeder nur ein ico-Motiv aufweisen und daher
normalerweise nur mittelbar über die stark erhöhte Anzahl von dec-Motiven bemerkbar
werden.
94
E(Agnm+ )-E(Agn(m–1)+ ) / eV
2.3 Wachstumssimulationen
−5
kq =0,25
kq =0,50
kq =0,75
−5,5
−6
−6,5
−7
−7,5
−8
0
20
40
60
80
100
Atomzahl n
120
140
160
Abbildung 2.25: Mittlere Oxidationenergie bei konstantem Ladungsverhältnis in Abhängigkeit
der Atomzahl (Vertrauensbereich 75%).
Beispiele für Clusterstrukturen mit verschiedenen Ladungsverhältnissen sind in Abb. 2.22
zu finden. Anhand dieser Strukturen kann sehr gut die Entwicklung der Packungsmotive
mit der Ladung verfolgt werden. Für kq = 0,25 kann ein geordneter, aber unvollständiger
Dekaeder beobachtet werden. Generell sind die Strukturen für 0,25 ähnlich zu den
ungeladenen Wachstumsserien, aber mit einer stärkeren Neigung zu dicht gepackten,
kristallinen Strukturen. Im Gegensatz dazu, sind die Strukturen kq = 0,50 nicht mehr
den klassischen Typen zuzuordnen. Man sieht einen hohen Grad der Verzwillingung,
allerdings meist nicht in Form eines Ikosaeders. Die Oberflächen sind überwiegend
noch geordnet gepackt, allerdings mit klarer Tendenz zu Atompackungen niedriger
Dichte. Bei stark geladenen Clustern mit kq = 0,75 sind die Oberflächen sehr stark
aufgeraut und kaum noch geordnet. Genau diese Rauheit wird durch eine erhöhte Anzahl
von ico-Motiven verstärkt. Zentrale Atome besitzen dabei meist amorphe oder stark
verzerrte Umgebungen. Eine interessante Frage ist, ob mit zunehmender Größe der
Kernbereich wieder kristallin werden würde, da hauptsächlich die Oberfläche geladen
sind. Im untersuchten Größenbereich wurde dies jedoch nicht beobachtet.
Die letzte Untersuchung zielte auf die Abhängigkeit des Oxidationsenergie der geladenen Cluster vom Ladungsverhältnis. Nach der Grundannahme Q ∼ N 2/3 sollte dieses
Verhältnis relativ konstant bleiben und ein guten Anhaltspunkt für die Werte in den
Simulationen mit konstantem Redoxpotential liefern. Dazu wurde aus Effizienzgründen
für jeden zehnte Wachstumsschritt das zeitliche Mittel der Energiedifferenz E(Agm+
n )-
95
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
E(Ag(m–1)+
) berechnet. Das Ergebnis ist in Abb. 2.25 dargestellt. Wie erwartet, bleibt die
n
Oxidationsenergie nahezu konstant, wobei bei größeren Clustern eine leichte Verschiebung
zu negativeren Energien beobachtet werden kann. Die initiale Annahme des Verhältnisses
von Ladung zur Atomzahl beinhaltete keine zusätzlichen Terme für Kanten und Ecken.
Durch die fehlenden N 1/3 Terme ist der Anstieg der Ladung etwas zu steil und die
Energie bleibt nicht konstant. Generell zeigt sich allerdings, dass die Näherung bereits
sehr gut eine konstante Redoxumgebung beschreibt.
2.3.3 Konstantes Redoxpotential
Nach den Untersuchungen des Wachstums bei neutraler Ladung und konstantem Ladungsverhältnis wird nun auch die vollständige Modellsynthese mit einem konstanten
Redoxpotential φ betrachtet (siehe Abschnitt 2.2.1). Sinnvolle Werte für φ können aus
den Serien mit konstantem Ladungsverhältnis abgeleitet werden. Da elektrochemische
Potentiale in der Regel relativ angegeben werden, ist zudem die Verwendung eines
Referenzpunktes zweckmäßig. Es bietet sich das minimale Potential für die Reduktion
Ag1+ −−→ Ag(0) in EG-Lösung an. Die Energiedifferenz für diese Reaktion, gemittelt
über 1 ns, beträgt −5,87 eV. Entsprechend müsste φ ungefähr zwischen 5,8 eV und 6,0 eV
liegen, damit die Reaktion stattfindet. Der Einfachheit halber wird ein relatives Potential
φ′ als Differenz zum aufgerundeten Referenzpotential angegeben.
φ′ = φ − 6,0 eV
(2.14)
Für das Verständnis ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass stark positive Werte für
φ′ eine schwache Reduktionsumgebung bedeuteten und entsprechend sehr negative Werte
eine starke. Generell sinkt das notwendige φ′ für die Reaktion Agm+
−−→ Ag(m–1)+
mit
n
n
steigender Atomzahl und steigt mit zunehmender Ladung m. Dies bedeutet, je größer die
Partikel sind, desto wahrscheinlicher ist eine steigende Gesamtladung bei konstantem φ′ .
Nur sehr starke Reduktionsmittel könnten generell ungeladene Cluster erzeugen (wobei
die Möglichkeit von negativer Ladung ebenfalls denkbar wäre).
Drei Wachstumsserien wurden für jeweils verschiedene
φ′ = −0,50 eV, −0,25 eV, 0,00 eV, +0,25 eV und +0,50 eV
simuliert. Die mittlere Entwicklung der Gesamtladung der Cluster ist in Abb. 2.26
dargestellt. Tatsächlich kann eine direkte Korrelation zwischen der Ladung und dem
96
2.3 Wachstumssimulationen
16
−0,50 eV
−0,25 eV
0,00 eV
+0,25 eV
+0,50 eV
14
Ladung / e
12
10
8
6
4
2
0
20
40
60
80
100
Atomzahl
120
140
160
Abbildung 2.26: Mittlere Ladung von Silberpartikeln in Abhängigkeit von einem relativen
Redoxpotential φ′ . Mit schwächer werdendem Potential nimmt die Ladung zu.
Redoxpotential beobachtet werden. Selbst deutlich stärkere Reduktionsumgebungen
mit φ′ = −0,50 eV erzeugen keine neutralen Cluster. Dieses Ergebnis unterstreicht die
generelle Bedeutung der Ladung während des Wachstums von Silberpartikeln bei der
Verwendung von moderaten Reduktionsmitteln. Nahezu neutrale Cluster würden ein
Redoxpotential stärker als φ′ = −1,00 eV erfordern. Beispielhafte Momentaufnahmen für
das Wachstum unter verschiedenen Reduktionsbedingungen sind in Abb. 2.27 dargestellt.
Die Abhängigkeit der Packung von dem verwendeten Potential zeigt die erwarteten
Zusammenhänge (Abb. 2.28). Sehr stark geladene Partikel (φ′ = +0,50 eV) neigen zu
einer häufigeren Verzwillingung durch die Oberflächenaufrauhung. Moderat geladene
Partikel (φ′ = 0,00 eV) zeigen vermehrt dichteste Packungen durch die fehlende Triebkraft
der Oberflächenminimierung. Bei φ′ = −0,25 eV ist nicht sicher ob es sich um eine
Erhöhung der Verzwillingung durch die Abschwächung der inneren Spannung handelt
(der Sachverhalt wird im Detail noch Abschnitt 2.4.3 behandelt). Es könnte sich auch
um eine zufällige Häufung handeln, wobei dies bei der Mittelung über drei Serien
über jeweils 70 Wachstumsschritte eher unwahrscheinlich ist. Es kann zusammen mit
den vorangegangen Ergebnissen festgestellt werden, dass schwächere Reduktionsmittel
zunächst kristalline, dicht gepackte Strukturen begünstigen. Ab einem gewissen Punkt
(φ′ >= +0,50 eV bzw. Q >= 0,50N 2/3 ) werden jedoch stark verzwillingte und sehr raue
Strukturen begünstigt.
97
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Wachstumsschritt 25
φ′
50
75
100
125
150
Ag+1
36
Ag+2
63
Ag+2
88
Ag+2
113
Ag+5
138
Ag+3
163
Ag+3
36
Ag+6
63
Ag+7
88
Ag+8
113
Ag+7
138
Ag+8
163
Ag+6
36
Ag+9
63
Ag+9
88
Ag+14
113
Ag+15
138
Ag+15
163
−0,5 eV
0,0 eV
+0,5 eV
−0,4 e
+0,4 e
Abbildung 2.27: Momentaufnahmen der Morphogenese jeweils einer Beispielwachstumsserie
für drei verschiedene Redoxbedingungen. Hohe Reduktionsstärke (φ′ =−0,5 eV) führt in diesem
Beispiel zum Wachstum eines dekaederartigen Clusters. Beim mittelstarkem φ′ =0,0 eV wächst
ein fcc-Kristall mit Tendenz zu einer (kub)-oktaedrischen Clusterform. Im Szenario mit dem
schwachen Reduktionsmittel (φ′ =+0,5 eV) sind keinerlei reguläre Clusterformen erkennbar. Die
Oberfläche ist stark aufgeraut und die Form sehr asphärisch.
Neben den bekannten mittleren Zusammenhängen zwischen Ladung und Packung kann
aus den Serien mit konstantem Redoxpotential auch die direkte Korrelation zwischen
einer konkreten Struktur und der Ladung verfolgt werden. In einzelnen Serien sind
mitunter Sprünge der Ladung zu beobachten, wenn ein Partikel innerhalb weniger
Wachstumsschritte mehrfach reduziert wird. Besonders große Ladungssprünge stehen
dabei immer im Zusammenhang mit größeren strukturellen Veränderungen. Als Beispiel
sind zwei Sprünge für Wachstumsserien mit φ′ =0,00 eV und +0,25 eV gezeigt. Im ersten
Beispiel (Abb. 2.29) wandelt sich eine leicht verzwillingte, vorwiegend dichtest gepackte
Struktur hin zu einem Einkristall. Die orange hervorgehobenen Atome im unteren Partikel
sind dabei hcp gepackt, was einer einfachen Versetzung oder Verzwillingung entspricht.
Solche Motive sind sehr oft bei eigentlich kristallin gepackten Partikeln zu beobachten.
98
2.3 Wachstumssimulationen
Mittlerer Motivanteil / %
70
fcc
60
dec
50
40
30
20
10
0
−0,50
−0,25
0,00
φ′
+0,25
+0,50
Abbildung 2.28: Mittlerer Kernatomanteil von Packungsmotiven dec und fcc für verschiedene
Redoxpotentiale. Gemittelt wurde über 3 Wachstumsserien für Atomgrößen von 90 bis 163
Atome und der Vertrauensbereich (75%) ist nur für die Mittlung zwischen den Serien angegeben.
Eine Entspannung dieser Versetzung führt zu einem Einkristall, wobei die Ladung von
+7 e kurzzeitig auf +3 e fällt. Lokale Versetzungen können besser Ladung akkumulieren,
da die Abstände meist nicht so dicht sind und die Oberfläche an den Korngrenzen
tendenziell rauer ist.
Das zweite Beispiel ist eine bereits bekannte Umwandlung (siehe Abschnitt 2.3.1) von
einem Ikosaeder zu einem Dekaeder (Abb. 2.30). Auch hier kommt es zu einem deutlichen
Einbruch der Ladung von +9 e auf +4 e. Die Erklärung ist deutlich schwieriger, da Ikosaeder eigentlich unter Aufladung instabiler werden als Dekaeder (siehe Abschnitt 2.4.2).
Der Übergang ist also an sich nicht überraschend, aber eigentlich sollte der Dekaeder
besser die Ladung akkumulieren können. Die Ursache für den Ladungsabfall könnte
an dem schon sehr imperfekten, asymmetrischen Ikosaeder liegen. Dieser kann durch
die zusätzlichen „Inseln“ auf der Oberfläche stärker geladen werden. Der entstehende
Dekaeder hingegen hat fast die perfekte (2,2,2)-Marksdekaeder-Struktur, welche viele
dichte {1 1 1}-Oberflächen aufweist. Dadurch kann schlechter Ladung aufgenommen
werden als beim Ikosaeder.
99
fcc CNA Motiv Nettoladung / e
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
12
11
10
9
8
7
6
5
4
3
35
30
25
20
15
10
5
0
Ag7+
112
Reduktion und
Entspannung
Ag4+
116
60
80
100 120
Atomzahl
140
160
dec CNA Motiv Nettoladung / e
Abbildung 2.29: Verlauf der Ladung und der fcc Motive für eine Beispielserie mit φ′ = 0,00 eV.
Zusätzlich sind die Strukturen des hervorgehobenen Bereichs abgebildet. Blaue Atome sind in
einer fcc Packung und orange in einer hcp Packung (Einfach-Zwilling). Der Ladungssprung
wird von einer Entspannung der Struktur begleitet.
16
14
12
10
8
6
4
2
20
Ag9+
73
Reduktion und
Übergang IKO→MDEK
15
10
Ag4+
74
5
0
60
80
100 120
Atomzahl
140
160
Abbildung 2.30: Verlauf der Ladung und der dec Motive für eine Beispielserie mit φ′ =
+0,25 eV. Zusätzlich sind die Strukturen des hervorgehobenen Bereichs abgebildet. Blaue Atome
sind in einer fcc Packung, orange in einer hcp Packung (Einfach-Zwilling) und grüne in eine dec
Packung. Der Ladungssprung wird von einem Übergang von Ikosaeder zu Dekaeder begleitet.
100
2.4 Ergänzende Analysen
2.4 Ergänzende Analysen
Zusätzlich zu den Wachstumssimulationen wurden eine Reihe von Analysen zu speziellen
Clustern durchgeführt. Ziel war es, die Gesetzmäßigkeiten der Stabilität unter dem
Einfluss des Lösungsmittels und der Ladungen zu ergründen.
2.4.1 Ionisationspotential kleiner Cluster
Experimentell verfügbare Größen für kleine Silbercluster sind das Ionisationspotential
und die Elektronenaffinität. Sie sind definiert als die benötigte Energie für das Entfernen
bzw. Hinzufügen eines Elektrons in/aus unendlicher Entfernung im Vakuum. Trends in
der Stabilität mit sich ändernder Ladung können so erfasst werden. Sie bieten ebenfalls
eine Abschätzung für die Änderung des Redoxpotentials in Lösung. Leider sind nur
kleine Cluster (bis 36 Atome) experimentell untersucht, da die hohe Flüchtigkeit von
Silberclustern in der Gasphase die gezielte Darstellung sehr erschwert [111]. Für die EA
sind sogar nur Ergebnisse bis 22 Atome veröffentlicht [109, 110]. Für einen Vergleich zum
Kraftfeld, bestehend aus EAM und QEq, wurden die Energien für Silbercluster Agm
n
(n≤ 36;m= 1, 0, −1) berechnet. Dafür wurden zunächst die Strukturen mit simulated
annealing (SA) optimiert (Dauer 1 ns bei 500 K). Bei der SA wurde der Cluster bei
erhöhter Temperatur für eine bestimmte Zeit simuliert und anschließend der Zustand
zum Zeitpunkt der niedrigsten potentiellen Energie extrahiert. Die so erhaltene Struktur
wurde zusätzlich noch mit einem gradientenbasierten Verfahren (bei formal 0 K) optimiert.
Für die optimierten Strukturen wurden dann das IP und die EA berechnet. Die Ergebnisse
sind in Abb. 2.31 dargestellt. Deutlich ist für die IP eine systematische Abweichung
von etwa 1 eV zu beobachten. Zudem können die starken Schwankungen für sehr kleine
Cluster nicht reproduziert werden. Diese Schwankungen werden Schaleneffekten der
Elektronenkonfiguration (siehe Abschnitt 2.1.3) zugeschrieben, sind allerdings schon bei
mehr als 20 Atomen kaum noch signifikant. Die systematische Abweichung wurde bereits
von Zhang und Fournier diskutiert [33]. Ihre Erklärung besteht in der Schwierigkeit,
verschiedene Koordinationssituationen (Oberfläche und Kern) mit einem Parametersatz
abzubilden. Zudem haben kleine Cluster noch einen hohen kovalenten Anteil, welcher
überhaupt nicht in der QEq enthalten ist. Generell lässt sich festhalten, dass, trotz der
Abweichung, der Trend des IP für größere Cluster gut reproduziert wird. Für die EA gibt
es leider nur Werte bis 22 Atome, welche noch stark von der Elektronenkonfiguration
101
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
(0)
IP = E(Ag+
n )-E(Agn )
9
EA = E(Ag–n )-E(Ag(0)
n )
0
EAM + QEq
Experiment [111]
−1
EA / eV
IP / eV
8
7
6
5
EAM + QEq
Experiment [110]
−2
−3
0
5
10 15 20 25 30 35 40
Atomzahl n
−4
0
5
10
15
Atomzahl n
20
25
Abbildung 2.31: Kraftfeldrechnung (EAM+QEq) des Ionisationspotentials und der Elektronenaffinität für kleine Silber Cluster bis Ag36 . Die Strukturen wurden mit SA bei 500 K
optimiert. Sowohl das IP als auch das EA werden systematisch über- bzw. unterschätzt. Die
Abweichung des IP beträgt etwa 1 eV. Für die EA fehlen experimentelle Werte für größere
Cluster, um die qualitative Richtigkeit abzuschätzen.
dominiert wird. Daher ist es hier kaum möglich die Güte abzuschätzen, allerdings kann
ein ähnlicher Trend wie beim IP erwartet werden.
Zusätzlich zu den IP im Vakuum sind noch die korrespondierenden Energiedifferenzen in Lösung interessant. Vor allem Energien für höhere Ladungen können während
des Wachstums wichtig werden. Zum Vergleich wurden die Energien des größten experimentell zugänglichen Cluster Ag36 berechnet. Zunächst wurde die Energiedifferenz
(m−1)+
E(Agm+
) für verschiedene Ladungen m im Vakuum bestimmt. Dazu
36 ) − E(Ag36
wurden wieder die Cluster Agm+
36 mittels SA optimiert. Zum Vergleich wurden diese
Cluster ebenfalls in Lösung mit EG simuliert. In Lösung kann kein SA sinnvoll angewandt
werden, da die potentielle Energie des Clusters von der des Lösungsmittels überlagert
wird. Dafür wurde der Cluster für 1 ns bei 500 K simuliert und das Mittel der Energie
bestimmt. Die Differenzen wurden aus diesen Energiemitteln berechnet. Die Ergebnisse
sind in Abb. 2.32 dargestellt. In Lösung wird das DSF-Coul verwendet, welches Ladungsneutralität impliziert. Daher sieht man eine deutliche Dämpfung des Anstiegs der
Energiedifferenzen mit der Ladung. Dieses Ergebnis ist nicht überraschend, aber sehr
wichtig für die Stabilität höher geladener Cluster in Lösung.
102
E(Agm+
36 )-E(Ag36
(m–1)+
) / eV
2.4 Ergänzende Analysen
12
10
Agm+
36
Gasphase
In Lösung
8
6
4
2
0
−4 −3 −2 −1 0
1
Ladung m / e
2
3
4
Abbildung 2.32: Kraftfeldrechnungen (EAM+QEq) verschiedener Ionisationspotentiale für
einen Ag36 Cluster in der Gasphase und in EG-Lösung. Deutlich kann die Dämpfung durch die
Ladungsneutralisation in Lösung (impliziert durch das DSF-Coul) beobachtet werden.
2.4.2 „Magische“ Cluster
Eine sehr interessante Fragestellung, weil wohldefiniert, ist es, wie die einzelnen, perfekten
Clustertypen auf sich ändernde Ladungen reagieren. Ein Vergleich der Clustertypen
untereinander ist jedoch schwer, da es, wie in Tabelle 2.1 gezeigt, nur wenige „magische“
Zahlen für jeden Typ gibt und diese sehr selten übereinstimmen. Eine Anomalie ist die
Clustergröße 146/147, für welche es einen (4)-Mackayikosaeder, (3,2,2)-Marksdekaeder,
(6,0)-Oktaeder und (7,3)-Kuboktaeder gibt. Daher bietet sich diese Größe zum Vergleich
an. Damit die relative Energie der Cluster verglichen werden kann, müssen sie exakt
dieselbe Größe haben. Da der Mackayikosaeder und der Kuboktaeder ein Atom mehr als
die anderen Cluster haben, wurde dazu jeweils ein Eckenatom abgeschnitten. Es handelt
sich also streng genommen nicht mehr um perfekte Cluster, aber der Unterschied ist
gering und sollte den qualitativen Trend nicht beeinflussen.
Im Vakuum ist der Mackayikosaeder die stabilste, ungeladene Struktur für diese Größe.
Die relativen Energieunterschiede der anderen Typen zum (4)-IKO in Abhängigkeit von
der Ladung sind in Abb. 2.33 dargestellt. Es ist deutlich zu sehen, dass die mehrfachverzwillingten Strukturen (4)-IKO und (3,2,2)-MDEK wesentlich stabiler bei neutraler
Ladung sind. Mit zunehmender Ladung ändert sich dieses Verhältnis drastisch. Alle
Typen werden, relativ gesehen, stabiler im Vergleich zum IKO, wobei die Änderung
beim (6,0)-OKT am größten ist. Schließlich ist ab einer Ladung von 9 e bis 10 e der
103
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Relative Energie E − EIKO / eV
4
(3,2,2)-Marksdekaeder
(6,0)-Oktaeder
(7,3)-Kuboktaeder
3
2
1
0
(4)-Mackayikosaeder
−1
−2
−3
0
2
4
6
8
10
Ladung m / e
12
14
Abbildung 2.33: Relative Stabilität der möglichen Typen des Agm+
146 Clusters im Vakuum. Für
neutrale Cluster sind alle Typen instabiler als der Mackayikosaeder, wobei der Marksdekaeder
noch am stabilsten ist. Mit zunehmender Ladung verschiebt sich das Verhältnis, bis erst der
Marksdekaeder und schließlich sogar der Oktaeder stabiler wird.
(3,2,2)-MDEK und ab 12 e bis 13 e der (6,0)-OKT die stabilste Struktur. Die Ursache
dafür ist hauptsächlich die starke Coulombabstoßung. Die Ladung ist ungleich auf dem
Cluster verteilt und wird primär an den Ecken, Kanten und im geringeren Maß an der
Oberfläche akkumuliert (Abb. 2.34). Diese Akkumulation ist sogar so stark, dass die
unterliegende Schicht der Atome leicht negativ polarisiert wird. Strukturen mit vielen
Ecken und Kanten, welche räumlich weit voneinander entfernt sind, bieten also eine
bessere Möglichkeit der Minimierung der Coulombabstoßung. Deshalb ist die kompakte
Struktur des Mackayikosaeder am wenigsten geeignet und verliert an relativer Stabilität.
Der Oktaeder mit seiner sehr unsphärischen Form kann hingegen die Ladung am besten
separieren.
Der Vakuumvergleich ist zwar sehr systematisch, aber auch relativ unrealistisch. Zum
einen werden isolierte Cluster kaum soviel Ladung aufnehmen (die atomare Kohäsionsenergie liegt bei Ag15+
146 bei nur noch 0,5 eV bis 0,6 eV), zum anderen fehlt das Lösungsmittel
und die neutralisierenden Gegenionen. Daher wurden dieselben Energieberechnungen auch
in Lösung durchgeführt. Dazu wurden die Clusterstrukturen festgehalten und nur das
Lösungsmittel war frei beweglich. Bei 500 K wurde für 200 ps das Energiemittel bestimmt.
Die Differenz dieser Energiemittel gibt die relativen Stabilitäten an und in Abb. 2.35
104
2.4 Ergänzende Analysen
(4)-Mackayikosaeder (3,2,2)-Marksdekaeder
(6,0)-Oktaeder
Kompletter Cluster
Zweite Schale
(7,3)-Kuboktaeder
+0,75 e
−0,75 e
Abbildung 2.34: Farbliche Darstellung der atomaren Partialladungen für die verschiedenen
Typen des Ag15+
146 Clusters im Vakuum. Dargestellt sind jeweils der vollständige Cluster und
nur die zweite, innere Schale. Es ist zu sehen, dass Ecken und Kanten bevorzugt Ladungen
aufnehmen und die zweite Atomschale negativ polarisiert wird.
105
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Relative Energie E − EIKO / eV
4
(3,2,2)-Marksdekaeder
(6,0)-Oktaeder
(7,3)-Kuboktaeder
3
2
1
(4)-Mackayikosaeder
0
−1
0
5
Ladung m / e
10
15
Abbildung 2.35: Relative Stabilität der möglichen Typen des Agm+
146 Clusters in Lösung
bei 500 K. Die Cluster werden festgehalten und nur das Lösungsmittel ist beweglich. Das
Energiemittel wurde über eine Zeit von 200 ps bestimmt (Standardabweichung ∼ 0,5eV).
Zunächst sind Mackayikosaeder und Marksdekaeder ähnlich stabil, mit zunehmender Ladung
wird der Kuboktaeder die stabilste Form.
sind die Ergebnisse wieder im Bezug zum (4)-IKO angegeben. Es ist zu beobachten, dass
alle Typen bei neutralen Clustern eine kleinere Energiedifferenz zum IKO haben. Der
MDEK ist sogar etwas stabiler, wobei bei einer Standardabweichung der Energie von
0,5 eV der mittleren Energie genaue Reihenfolgen mit Vorsicht zu betrachten sind. Diese
Verschiebung ist auf die kleinere Oberflächenspannung in Lösung zurückzuführen, womit
der IKO, als Struktur mit der kleinsten Oberfläche, einen Teil seiner Triebkraft einbüßt.
Mit zunehmender Ladung sind ähnliche Trends wie im Vakuum zu sehen, wobei die
Änderung etwas schwächer ausfällt, bedingt durch die Ladungsneutralisation. Auffällig
ist, dass der Kuboktaeder wesentlich schneller an relativer Stabilität zunimmt als der
OKT. In Lösung sind neben den Ecken und Kanten die Flächen ein weiterer wichtiger
Ladungssammelpunkt. Das Ausrichten des molekularen Dipols der Lösungsmittelmoleküle stabilisiert die Ladung auf den Oberflächen zusätzlich. Je weniger dicht gepackt
die Oberfläche ist, desto weniger stoßen sich die Ladungen ab und desto besser können
Oberflächenatome Ladung aufnehmen. Dadurch sind {1 0 0}-Oberflächen geeigneter und
der KOKT gewinnt schneller an Stabilität. Im Fall des (7,3)-KOKT und des (6,0)-OKT
mit Ladung 15 e nehmen Atome in einer (1 0 0)-Oberfläche 0,15 e bis 0,25 e Partialladung
106
2.4 Ergänzende Analysen
(6,0)-Oktaeder
(7,3)-Kuboktaeder
+0,35 e
−0,35 e
Abbildung 2.36: Farbliche Darstellung der mittleren Partialladungen in Lösung. Die Ladungsverteilung ist gleichmäßiger über die Oberflächen verteilt und nicht wie im Vakuum
hauptsächlich auf die Ecken und Kanten beschränkt. Dabei sind die (100)-Oberflächen (Frontseite des (7,3)-KOKT) stärker geladen.
auf. Atome in einer (1 1 1)-Oberfläche hingegen nur 0,05 e bis 0,1 e (Abb. 2.36). Dieses
Verhalten begünstigt Typen mit lose gepackten Oberflächen.
2.4.3 Intermediäre Cluster
Neben den „magischen“ Clustern sind intermediäre Cluster, also Clustergrößen zwischen diesen perfekten Strukturen, sehr interessant. Solche Zwischenstufen bilden den
Großteil der Wachstumshistorie. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle eine detaillierte
Analyse von Wachstumsstufen aus tatsächlich durchgeführten Wachstumssimulationen
erfolgen. Der Zweck dieser Analyse ist, neben dem besseren Verständnis der StabilitätsLadungs-Beziehung, auch ein Test der Langzeitstabilität der ausgewählten Strukturen.
Die Simulationzeit zwischen den Wachstumsschritten ist begrenzt und es ist wichtig zu
wissen, ob die Zeit reicht, um ein stabiles lokales Energieminimum zu finden.
(0)
(0)
Dazu wurden zwei Cluster nach 50 und 100 Wachstumsschritten (Ag63 und Ag113 ) bei
neutralem Wachstum (Abschnitt 2.3.1) gewählt. Die Wahl war zufällig und hat keine
tiefere Bedeutung, es sollten nur „magische“ Größen vermieden werden. Die gewählten,
neutralen Cluster wurden bei 500 K und 1 bar in EG-Lösung simuliert. Anschließend
wurden diese Simulationen wiederholt, allerdings mit erhöhter Nettoladung von 5 e, 10 e,
15 e und 20 e.
2.4.3.1 Packung
(0)
Die Langzeitstabilität wurde exemplarisch für den Ag113 Cluster getestet. Dazu wurde eine
Simulation für 35 ns durchgeführt. Zur Analyse wurde alle 250 fs eine Struktur gewählt
und mithilfe der CNA analysiert. Dadurch wird eine zeitliche Veränderung der Packung
107
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
25
(0)
Ag113
dec Atome
3
2
1
0
fcc Atome
20
CNA Motive
CNA Motive
4
15
10
5
0
5
10 15 20 25 30 35
Simulationszeit / ns
0
0
5
10 15 20 25 30 35
Simulationszeit / ns
(0)
Abbildung 2.37: Auftreten verschiedener CNA-Packungsmotive in eine Ag113 Cluster während
einer 35 ns Simulation. Das mehrfach-verzwillingte dec Motiv wird in etwa einem Drittel der Zeit
gefunden. Es findet kein „Einrasten“ in eine bestimmte Struktur statt, sondern es herrscht eine
Fluktuation der Packungsmotive. Die Reversibilität lässt auf kleine strukturelle Unterschiede
schließen.
innerhalb des Clusters sichtbar (Abb. 2.37). Als Beispiele wurden mehrfach-verzwillingte
Packungen bei dec-Atomen und kristalline Packungen bei fcc-Atomen gewählt. Es ist klar
zu beobachten, dass es keine absolut bevorzugte Struktur gibt und Anzahl der Atome
mit bestimmter Packung schwankt. Im Hinblick auf die Langzeitstabilität verrät dies,
dass, um alle Möglichkeiten abzutasten, offensichtlich wesentlich längere Simulationen
nötig wären. Da aber wahrscheinlich jede dieser Strukturen zum Zeitpunkt eines neuen
Wachstumsschrittes auftreten kann, ist es für die Wachstumssimulationen eher sinnvoll,
mehrere parallele Simulationen und nicht nur eine lange durchzuführen.
Um einen Trend von Packungen mit zunehmender Ladung der Cluster zu analysieren,
wurden die Mittelwerte der Anzahl von CNA-Motiven gebildet. Eine zweite untersuchte
Größe ist der durch die Accessible-Surface-Area abgeschätzte, gemittelte Flächeninhalt
der Oberflächen. Die Ergebnisse sind in Abb. 2.38 dargestellt. Wie erwartet vergrößert
sich die Oberfläche mit zunehmender Ladung, wobei dieser Anstieg nicht linear ist und
für schwache Ladung nahezu kein Anstieg bemerkbar ist. Tatsächlich sinkt die mittlere
Oberfläche bei Ag5+
113 Clustern im Vergleich zum ungeladenen Cluster. Die Ursache hierfür
ist in den mittleren Packungen ablesbar. Bei schwachen und sehr starken Ladungen kann
die Anzahl der mehrfachverzwillingten Packungsmotive dec und ico ansteigen. Der Anstieg
der Verzwillingung scheint zunächst unlogisch, da ja festgestellt wurde, dass Ladungen
108
2.4 Ergänzende Analysen
480
ASA / Å
2
440
Agm+
63
420
400
380
360
340
320
0
Oberfläche
640
ASA / Å
2
620
5 10 15 20
Nettoladung / e
Agm+
113
600
580
560
540
520
0
5 10 15 20
Nettoladung / e
Mittelwert der CNA Motive
460
Mittelwert der CNA Motive
Oberfläche
Packung
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
fcc
0
dec
ico
5
10
15
Nettoladung / e
Packung
14
fcc
12
dec
ico
10
8
6
4
2
0
0
5 10 15 20
Nettoladung / e
m+
Abbildung 2.38: Die statistische Auswertung der Agm+
63 und Ag113 Cluster für verschiedene
Ladungen. Es werden die gemittelte Accessible-Surface-Area und Common-Neighbor-AnalysisPackungsmotive gezeigt. Für hohe Ladungen nimmt die Oberfläche stark zu, für schwache
Ladungen ist die Zunahme kaum signifikant. Im Fall des Ag5+
113 Clusters nimmt die Oberfläche
sogar ab. Bei den Packungen sieht man eine Zunahme der Verzwillingung und eine Abnahme
der dichtesten Packung.
109
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Abbildung 2.39: Hervorgehobenes ico Motiv (orange) in einem Ag10+
63 Cluster. Es befindet
sich entgegen der klassischen Mackayikosaeder nicht im Zentrum des Clusters, sondern nah an
Oberfläche. Dies ist eine Folge der erhöhten Rauigkeit bei stark geladenen Clustern.
generell größere Oberflächen und damit unsphärische Partikel wie Oktaeder bevorzugen.
Damit fällt scheinbar die Triebkraft für die Verzwillingung weg. Doye et al. [141] zeigt
am Beispiel des Morsepotentials, dass weiche Potentiale eher zu verzwillingten und harte
Potentiale eher zu dichtest gepackten Strukturen neigen. Das 1/r Coulombpotential ist
sehr langreichweitig und weich, was in Verbindung mit dem EAM zu einer Aufweichung
der Wechselwirkungen führen kann. Phänomenologisch gesprochen verliegt die durch
die Verzwillingung erzeugte Spannung an Signifikanz, da die Bindungen schwächer
werden. Dieser Fakt erhöht die Wahrscheinlichkeit von dec- und, im geringeren Maße, icoMotiven. Für zunehmende Ladung wird dieses Verhalten von der Ladungsakkumulation
auf den Oberflächen überlagert und die dichtest gepackten Strukturen können wieder
15+
dominieren (siehe Ag10+
113 und Ag113 ). Bei hohen Ladungen tritt ein anderes Phänomen
auf: die Cluster neigen zu unsphärischen, gestreckten Habita, um die Ladung besser zu
separieren und zusätzlich wird die Oberfläche sehr rau. Diese Rauheit ist der fortgesetzte
Trend der Bevorzugung von {1 0 0} über {1 1 1}-Oberflächen bei geladenen Clustern. Vor
allem oberflächennahe ico-Motive können solche Rauheit hervorrufen (als Beispiel siehe
Abb. 2.39). Damit steigt die Anzahl solcher Motive bei hohen Ladungen, auch wenn dies
indirekt ebenso eine Konsequenz der Oberflächenvergrößerung ist.
110
2.4 Ergänzende Analysen
2.4.3.2 Bindungsenergie und Ladungsverteilung
Eine weitere Analyse bezieht sich hauptsächlich auf die Ladungsverteilung in den intermediären Clustern. Es wurde für jede der bereits diskutierten Langzeitsimulationen
eine Konfiguration gewählt, welche möglichst repräsentativ war (häufig auftretende Packungen). Die gewählten Strukturen sind in Abb. 2.40 und 2.41 mit entsprechenden
Partialladungen dargestellt. Wie bereits im Abschnitt Abschnitt 2.4.3.1 diskutiert, sieht
man eine deutliche Streckung der Partikel mit zunehmender Ladung. Um die Ladungsverteilung zu testen, wurden in einer Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof.
Görling die Energien und Ladungen unter Verwendung von DFT-Rechnungen geprüft.
Die Details zu den DFT-Rechnungen sind in der Veröffentlichung [142] zu finden. Es
wurde das Austausch-Korrelations-Funktional von Perdew, Burke und Ernzerhof (PBE)
[143] zusammen mit dem def2-TZVP Basissatz [144] eingesetzt. Atomare Punktladungen
wurden mit der natural orbital analysis (NPA) [145] bestimmt.
Bindungsenergie Zunächst wurden Bindungsenergien und das IP untersucht (Abb. 2.42).
(0)
Bei der Bindungsenergie wurde jeweils dieselbe Struktur des Ag113 Clusters verwendet und
diese aufgeladen. Auf diese Weise bleibt der Anteil der EAM konstant und die Entwicklung
der QEq kann verfolgt und verglichen werden. Es zeigt sich eine gute Übereinstimmung
zwischen dem EAM+QEq Ansatz und der DFT Rechnung. Die EAM überschätzt die
Bindungenergien leicht (∼ 8%) im Vergleich zur DFT (siehe Bindungsenergie für Ladung
0), wobei die Differenz von der zunehmenden Dominanz der Coulombabstoßung kompensiert wird. Diese Abweichung lässt sich schwierig diskutieren, da der Fehler auch auf der
Seite der DFT liegen könnte. Generell stimmen die Coulombanteile der QEq gut mit der
DFT überein.
Die Übereinstimmung zeigt sich auch beim IP, jedoch wird es systematisch um ungefähr
1 eV überschätzt. Die Gründe für die Überschätzung sind wahrscheinlich ähnlich gelagert
wie bei den Vergleichen mit dem Experiment (siehe Abschnitt 2.4.1). Zuletzt wurde die
(0)
Energie für die Änderung der Form des Ag113 zum Ag20+
113 Cluster verglichen (Abb. 2.43).
Dabei wurde einmal die Ladung für jeweils beide Strukturen auf 0 e und 20 e gesetzt. Die
Energiedifferenz wird von der EAM+QEq stärker angegeben als bei der DFT (∼2 eV).
Relativ und qualitativ ist die Übereinstimmung für ein nicht weiter angepasstes Kraftfeld
erstaunlich gut. Die Energien zeigen zudem gut die starke Triebkraft für die Vergrößerung
der Oberfläche durch Streckung des Clusters bei hohen Ladungen.
111
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Ag0+
63
Ag5+
63
Ag10+
63
+0,8 e
−0,8 e
Ag15+
63
Abbildung 2.40: Strukturen und Vakuum-Partialladungen vom Agm+
63 Cluster in Lösung.
Ag0+
113
Ag5+
113
Ag10+
113
+0,9 e
−0,9 e
Ag15+
113
Ag20+
113
Abbildung 2.41: Strukturen und Vakuum-Partialladungen vom Agm+
113 Cluster in Lösung.
112
2.4 Ergänzende Analysen
50
Bindungsenergie / eV
(0+m)+
Ag113
0
QEq+EAM
DFT
−50
IP / eV
−100
−150
−200
−250
−300
0
5
10
15
20
Hinzugefügte Ladung m / e
(a) Bindungsenergie
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
Ag113 QEq
Ag113 DFT
Ag63 QEq
Ag63 DFT
1.
6.
11.
16.
Ionisation
21.
(b) Ionisationspotential
+
Abbildung 2.42: Darstellung der Bindungsenergien (∆E = E(Agm+
113 )−m·E(Ag )−(113−m)·
E(Ag)) und des Ionisationspotentials für die verschieden geladenen Cluster. Die Bindungsenergie
(0)
ist dabei, ausgehend von der Struktur des neutralen Ag113 Cluster unter Hinzufügen von mehr
Ladung dargestellt. Die Ionisationspotentiale hingegen wurden für die verschieden geladenen
Strukturen bestimmt.
Q=0 e
∆E =
Q=20 e
+9 eV EAM+QEq
+7 eV DFT
∆E =
−20 eV EAM+QEq
−18 eV DFT
Abbildung 2.43: Darstellung der Energieunterschiede beim Ändern der Form des Ag0+
113 in
20+
die Form des Ag113 für die Gesamtladung Q = 0 e und 20 e.
113
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Ladungsverteilung Zusätzlich zu den Energien wurden die Partialladungsverteilungen
aus der NPA und QEq verglichen. Die Korrelation ist in Abb. 2.44 dargestellt. Neutrale
Cluster sind nicht dargestellt, da ohne externes elektrisches Feld (wie beispielsweise
von einem Lösungsmittel) im Vakuum die QEq alle Partialladungen auf 0 e setzt. Die
Ladungsverteilung wird in diesem Zustand durch die EAM implizit beschrieben. Erst für
höhere Ladungen wird der QEq-Anteil signifikant. Dies kann gut durch die zunehmende
Korrelation bei höheren Ladungen beobachtet werden. Dadurch sind schwach geladene
Cluster bei der EAM+QEq tendenziell weniger stark polarisiert als bei der DFT. Die
Korrelation ist insgesamt aber gut und zeigt, dass die QEq sinnvolle Partialladungen
10+
errechnet. Die einzig große qualitative Abweichung wurde bei den Ag5+
63 und Ag63
Clustern gefunden. Das zentrale Atom wird durch die QEq leicht positiv (∼+0,2 e), hingegen bei der NPA negativ (∼−0,3 e) geladen. Die Ungenauigkeit stammt wahrscheinlich
vom höheren kovalenten Bindungscharakter, welcher nur ungenügend durch die QEq
beschrieben werden kann.
Die Übereinstimmung insgesamt bei den Energien und Partialladungen ist eine gute
Bestätigung der Qualität des methodischen Ansatzes von EAM+QEq. Mit den gewonnen
Daten können auch die bei den „magischen“ Clustern bereits beobachteten Phänomene
genauer studiert werden. So konnten wieder negativ polarisierte Atome in eigentlich stark
positiven Clustern gefunden werden. Dabei ist eine klare Hierarchie der Partialladungen zu
erkennen (Abb. 2.45). Je weiter ein Atom an der Oberfläche liegt und damit eine niedrige
Koordinationszahl aufweist, desto positiver ist die Partialladung. Als Konsequenz dieser
stark positiven Oberflächenpolarisation werden Atome in der zweiten, unterliegenden
Schicht leicht negativ geladen, um die hohe Ladungsakkumulation zu stabilisieren. Zum
inneren kristallinen Bereich der Partikel hin werden die Ladungen immer schwächer. Es
darf dabei nicht übersehen werden, dass die Summe der Ladungen weiterhin positiv ist
(Abb. 2.46).
114
0,4
Ag5+
63
0,2
0
−0,2
−0,4
1,131 × −0,010
R = 0,772
Partialladungen NPA / e
Partialladungen NPA / e
2.4 Ergänzende Analysen
0,6
0,4
Ag10+
63
0,2
0
−0,2
−0,4
−0,6
0,985 × +0,005
R = 0,892
Partialladungen NPA / e
Partialladungen NPA / e
−0,4 −0,2 0
0,2 0,4
Partialladungen QEq / e
0,2
0
−0,2
−0,6
−0,8
0,839 × +0,038
R = 0,947
−0,8−0,6−0,4−0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8
Partialladungen QEq / e
Ag5+
113
0,1
0
−0,1
−0,2
−0,3
0,4
1,672 × −0,025
R = 0,842
−0,3−0,2−0,1 0 0,1 0,2 0,3
Partialladungen QEq / e
Ag10+
113
0,2
0
−0,2
−0,4
1,056 × −0,004
R = 0,876
−0,4 −0,2 0
0,2 0,4
Partialladungen QEq / e
Partialladungen NPA / e
Partialladungen NPA / e
Ag15+
63
0,4
−0,4
0,2
−0,6−0,4−0,2 0 0,2 0,4 0,6
Partialladungen QEq / e
0,8
0,6
0,3
0,6
0,4
Ag15+
113
0,2
0
−0,2
−0,4
−0,6
0,996 × +0,002
R = 0,918
−0,6−0,4−0,2 0 0,2 0,4 0,6
Partialladungen QEq / e
Abbildung 2.44: Darstellung der Korrelation der Partialladungen, bestimmt mit der QEq
und der NPA Methode. Die roten Linien geben die Ausgleichgeraden an und R ist der Korrelationskoeffizient.
115
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
0,4
Zweite Schicht
Partialladung / e
0,3
0,2
0,1
0
−0,1
Erste Schicht
(Oberfläche)
−0,2
−0,3
15
20
Kern
25
30
35
40
45
50
55
Anzahl der Atome innerhalb von 2 deq
60
Abbildung 2.45: Abhängigkeit der atomaren Partialladungen von der Position des Atomes
im Cluster Ag10+
113 . Die Position wird über die Anzahl der Atome innerhalb des doppelten
Gleichgewichtsabstands Ag−Ag deq bestimmt. Atome der ersten Schicht sind stark positiv
geladen, wohingegen Atome der zweiten Schicht überwiegend leicht negativ polarisiert werden.
Zweite Schicht
Ladung: −0,7 e
Erste Schicht
Ladung: +3,6 e
Abbildung 2.46: Hervorhebung der negativen Polarisation der zweiten, atomaren Schicht
beim Ag20+
113 Cluster.
116
2.5 Diskussion und Zusammenfassung
2.5 Diskussion und Zusammenfassung
Die vorliegenden Untersuchungen zum Wachstum von Silberpartikeln in Ethylenglykollösung lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Ein Teil umfasste die Analyse der
Verteilung der Ladung innerhalb ausgewählter, geladener Cluster. Dabei zeigte sich,
dass das entwickelte Kraftfeldmodell in der Lage ist, experimentelle Potentiale wie das
Ionisationspotential zu reproduzieren (wenn auch mit leichten, systematischen Abweichungen). Zudem stimmt die Verteilung der Partialladungen und die potentiellen Energien
mit DFT-Ergebnissen gut überein. Interessante Effekte wie die negative Polarisation
von einzelnen Atomen, welche unter stark positiven Oberflächenatomen liegen, zeigen
ein deutlich komplexeres Verhalten als die reine Intuition vermuten lässt. Der Einfluss
der neutralisierenden Lösung wurde studiert und zeigte eine deutliche Dämpfung der
Wechselwirkungen. Die starke Präferenz für die Ladungsakkumulation auf besonders
exponierten Eckatomen wird etwas abgeschwächt und die Partialladungen verteilen sich
gleichmäßiger auf der Oberfläche von Partikeln.
Die zweite Kategorie der Untersuchungen sind die eigentlichen Wachstumssimulationen,
in welchen vielfältige Einflüsse der elektrochemischen Umgebung auf das Wachstumsverhalten entdeckt wurden. Wachstum in Lösung zeigt bereits ohne Ladungseinfluss starke
Unterschiede zu Untersuchungen in der Gasphase. So ist die Präsenz von Ikosaederclustern
verringert, was sich anhand von Stabilitätsuntersuchungen auch quantifizieren ließ. Mit
einem entwickelten, abstrahierten Simulationsmodell war es auch erstmals möglich, direkt
das Wachstum unter Einfluss von verschieden starken (abstrakten) Reduktionsmitteln
zu testen. Die Einflüsse lassen sich auf zwei wesentliche Effekte reduzieren:
• Verringerung der Bindungsstärke
• Verringerung der Tendenz zur Oberflächenminimierung
Der erste Effekt begünstigt vornehmlich verzwillingte Motive und Strukturen, da die
von diesen erzeugte innere Spannung deutlich weniger signifikant wird. Komplizierter
ist die Wirkung des zweiten Effektes. Zunächst wird die relative Stabilität hin zu
klassischen Strukturen mit größeren Oberflächen verschoben und die Triebkraft für
die mehrfache Verzwillingung sinkt. Dieser Effekt trat bereits beim Übergang von
der Gasphase in die Lösung auf. Ab einer gewissen Oberflächenvergrößerung führt
die Tendenz zu einer deutlich gesteigerten Rauheit der Oberfläche. Hier treten wieder
vermehrt mehrfachverzwillingte Motive auf. Allerdings nicht in der bekannten zentralen,
strukturbestimmenden Form, sondern als oberflächennahe „Aufrauer“.
117
Kapitel 2 Wachstum von Silberpartikeln
Interessanterweise scheint sich die Kombination beider Effekte nicht linear zu verhalten.
So können vier unterschiedliche Bereiche für geladene Partikel ausgemacht werden:
1. Neutrale Cluster
2. Schwache geladene Cluster
3. Moderat geladene Cluster
4. Stark geladene Cluster
Neutrale Cluster sind, wie bereits erwähnt, von Dekaedern und teilweise kristallinen
Partikeln dominiert. Bei schwach geladenen Clustern hingegen nimmt die Tendenz zur
Verzwillingung zu und stärker verzwillingte Strukturen häufen sich. Moderate Ladungen
führen zu vermehrter Bildung von kristallinen, nahezu unverzwillingten Partikeln. Starke
Ladungen führen zu stark verzwillingten und sehr rauhen Clustern. Zudem nehmen die
Partikel vermehrt eine gestreckte Form an. Einzelne Untersuchungen in dieser Arbeit
hatten zum Teil durch limitierte Rechenressourcen eine geringe statistische Probengröße.
Aber da das Bild sich in verschiedenen Szenarien wiederholte, ist dennoch von einer
Systematik auszugehen. Besonders moderate und stark geladene Cluster zeigten eine
hohe Konsistenz der Ergebnisse.
Diese Resultate lassen eine direkte Steuerung des Partikelwachstums, nur durch die
Wahl des Reduktionsmittels, vermuten. Konkrete experimentelle Beweise sind leider
nicht erhältlich, da alle vorhandenen Untersuchungen sich auf mögliche oberflächenstabilisierende Additive und ähnliche Aspekte konzentrieren. Die Reduktionsumgebung ist
kaum erforscht und ihr Einfluss oft auf bloße kinetische Kontrolle reduziert. Es existieren
aber Arbeiten, die einen direkten Zusammenhang zwischen Ladung und Partikelform
zeigen [146]. In diesen werden Partikel weniger sphärisch, je höher die Ladung ist. Dies
ist ein Ergebnis, welches sich mit Erkenntnissen aus dieser Arbeit deckt. Auch wenn sich
in der experimentellen Arbeit keine Aussagen bezüglich der Packung finden, liegt die
Vermutung nahe, dass auch hier ein direkter Zusammenhang besteht.
118
Kapitel 3
Wachstum von Zinkoxid
119
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
3.1 Einführung - Stand der Forschung
3.1.1 Anwendungsmöglichkeiten
Die Erforschung und Anwendung von Zinkoxid teilt sich in mehrere Perioden, wobei die
ersten modernen Untersuchungen bis ins frühe 20. Jahrhundert zurückdatieren. Für diese
Arbeit wird sich auf eine kurze Zusammenfassung dieses mehrere zehntausende Veröffentlichungen umfassenden Forschungsgebiets beschränkt. Eine ausführlichere Übersicht über
die Entwicklung bieten z.B. die Abhandlungen von Klingshirn et al. [147, 148], sowie
Dutzende andere Übersichtsartikel und Bücher.
Die ersten Forschungen für Zinkoxid zielten auf generelle Materialeigenschaften und
die Einsetzbarkeit in industriellen Prozessen. Heute werden mehrere tausend Tonnen
jährlich produziert. Hauptsächlich wird es als Additiv für Gummi und Zement verwendet
[147]. Im Gummi unterstützt Zinkoxid den Vulkanisierungsprozess und erhöht signifikant
die Wärmeleitfähigkeit – essentiell für die Lebensdauer von Reifen. Beim Zement wird
die Herstellungszeit verkürzt und der Widerstand gegen Wasser verbessert. Neben diesen
Anwendungen findet es in geringerem Maß Verwendung in der Medizin und Kosmetik
(z.B. als UV-Schutz in Sonnencreme).
Seit zwei Jahrzehnten fokussiert sich die Forschung auf die Verarbeitung von Zinkoxid
zu Nanostrukturen (in mindestens einer Raumdimension eine Ausdehnung von wenigen
Nanometern). Die Bandbreite der möglichen Strukturen ist erheblich und reicht von
Nanopartikeln, -drähten, -bändern sowie -scheiben bis zu Dünnschichten und vielem mehr
[149, 150]. Diese Vielfalt, kombiniert mit den elektrischen und optischen Eigenschaften
von Zinkoxid als II-IV Halbleiter, macht es zu einem sehr interessanten Kandidaten für
eine Reihe von Anwendungen.
Zinkoxid ist mit einer relativ großen Bandlücke (3,4 eV) für sichtbares Licht transparent.
Dadurch ist es ein geeignetes Material für sogenannte transparent conductive oxides
[151]. Mit Aluminium, Gallium und anderen Elementen dotiertes Zinkoxid kann so als
billige und ungiftige Alternative zum de facto Standard Indiumzinnoxid (ITO), z.B. in
Solarzellen, dienen. Desweiteren wird Zinkoxid für kleine elektronische Bauteile wie field
effect transistors oder thin film transistors [152, 153] verwendet. Eine weitere nutzbare
Eigenschaften ist die starke Bindungsenergie eines Exzitons (60 meV) und die starke
Lumineszenz im grünen Bereich des Spektrums. Dies macht es interessant als Material
für Leucht- und Laserdioden [149, 153]. Die sehr empfindliche Oberflächenleitfähigkeit
bei adsorbierten Molekülen ermöglicht es, Gassensoren zu konstruieren [154]. Zusätzlich
120
3.1 Einführung - Stand der Forschung
gibt es noch viele weitere Eigenschaften und eine stetig wachsende Zahl von potentielle
Anwendungen. Besonders die chemische Beständigkeit und die Möglichkeit große Einkristalle zu erzeugen, machen es außerdem reizvoll. Auch die umfangreiche Defektchemie im
Zinkoxid gibt viel Raum für Modifikationen [149, 153]. Nicht zuletzt weist Zinkoxid in der
Wurtzitstruktur einen piezoelektrischen Effekt auf und kann entsprechende Anwendung
finden.
3.1.2 Synthesen
Wesentliche Aspekte der Zinkoxidforschung sind die große Vielfalt an (Nano)-Strukturen
und die Möglichkeit, die Kristallbildung zu steuern. Dadurch erst lassen sich all die
angesprochenen Anwendungen gezielt gestalten. Entsprechend wichtig sind steuerbare
Synthesen. Häufige Reaktionswege sind die Abscheidung aus der Gasphase über physical
vapor deposition oder chemical vapor deposition [147, 150, 149]. Verschiedene Varianten
(z.B. pulsed laser deposition [155],metal-organic chemical vapor deposition [156],vaporliquid-solid method [157]) wurden entwickelt und oft werden diese in Kombination mit
einem Substrat für epitaktisches Wachstum verwendet.
Desweiteren werden viele Synthesen direkt in Lösung durchgeführt, so zum Beispiel die
Hydrothermalsynthese und das Sol-Gel-Verfahren. Bei der Hydrothermalsynthese findet
das Wachstum in einem Autoklaven bei hohem Druck und hohen Temperaturen statt
[158]. Sie ist sehr verbreitet, da sie sich besonders für große Einkristalle eignet.
Für Nanostrukturen ist das Sol-Gel-Verfahren [159] von großem Interesse. Es erfolgt
ein Wachstum von Zinkoxid durch die Reaktion eines Präkursor mit einer Base. Als
Lösungsmittel kommen meist Alkohole zum Einsatz. Häufig werden Zinacetat ZnAc2
und LiOH in Ethanol (EtOH) eingesetzt [160, 161]. Die allgemeine Reaktionsgleichung
lautet:
EtOH
ZnAc2 + 2LiOH −−−→ ZnO ↓ + H2 O + 2Li+ + 2Ac−
(3.1)
Der Ablauf der Synthese ist meist zweistufig:
1. Vorbehandlung des Präkursors durch Erhitzen
2. Ausfällen von Zinkoxid durch Zugabe einer Base
Der genaue Wachstumsmechanismus ist unbekannt und Gegenstand dieser Arbeit.
121
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
3.1.3 Kristall- und Oberflächenstrukturen
Die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Zinkoxid wurden von Özgür et al.
[155] in einer sehr erschöpfenden Abhandlung zusammengefasst. Es gibt verschiedene
Kristallmodifikationen von Zinkoxid, wobei die Wurtzitmodifikation (Abb. 3.1) die natürlich vorkommende und stabilste ist. Das entsprechende Mineral ist Zinkit (ρ ≈ 5,7 g/cm3 ).
Der Wurtzitstruktur fehlt ein Inversionszentrum, weshalb entlang der [0 0 0 1]-Richtung
ein permanenter Dipol entsteht. Daneben kann Zinkoxid noch in anderen Modifikationen,
wie Zinkblende und Kochsalz, dargestellt werden. Die Kochsalzmodifikation wird nur
durch hohe Drücke und Zinkblende durch epitaktisches Aufwachsen erhalten. Kürzlich
wurden zudem zur Existenz weiterer ungewöhnlicher Modifikationen eine Reihe von
Untersuchungen durchgeführt [162, 163].
Weiterhin wurde auch die Beschaffenheit der verschiedenen Oberflächen intensiv untersucht. Der Fortschritt auf diesem Gebiet wurde von Wöll [164] zusammengetragen.
Zinkoxid kristallisiert in der Regel zu hexagonalen Stäbchen mit einem Dipol entlang des
Kristalls (Abb. 3.1). Die sechs Seitenflächen sind alle unpolare {1 0 1 0}-Kristallflächen.
Sie weisen dieselbe Zahl von Sauerstoff- und Zinkatomen in jeder Kristallschicht auf.
Zudem sind sie die energetisch stabilsten Flächen des Zinkoxids. Oft findet man längliche
Kristalle mit besonders hohem {1 0 1 0}-Anteil. Die Deckflächen sind beide polar und
nicht identisch. Während die (0 0 0 1)-Oberfläche mit Zinkatomen terminiert ist, weist
die (0 0 0 1)-Oberfläche entsprechend nur Sauerstoffatome auf. Die Stabilität der polaren
Flächen wurde in der Literatur intensiv diskutiert. Normalerweise sind polare Metalloxidoberflächen im Vakuum nicht stabil und erfahren eine Rekonstruktion. Für Zinkoxid wird
dies in vielen Experimenten scheinbar nicht beobachtet. Im Fall der (0 0 0 1)-Oberfläche
wird ein hohe Rauheit mit dreieckigen Inseln beobachtet und der Oberflächengehalt von
Zink ist dadurch um 25% reduziert [165]. Dies ist in Übereinstimmung mit der Vorstellung, dass in der idealen (0 0 0 1)-Oberfläche durch die fehlende Sauerstoffsättigung der
Koordinationstetraeder (in der Wurtzitkristallstruktur) die Ladungsdichte um 1/4 zu
hoch ist. Für (0 0 0 1)-Oberflächen ist die Situation schwieriger, da keine Rauheit oder
Rekonstruktion zu beobachten ist [165]. Tatsächlich scheint die scheinbare Stabilität
an der extrem hohen Wasserstoffaffinität der Oberfläche zu liegen. Die Bildung von
Hydroxidionen wirkt stabilisierend und schon kleine Verschmutzungen reichen, um die
Oberfläche abzusättigen. Dies wird auch durch DFT-Rechnungen bestätigt [166]. In sehr
wasserstoffarmen Umgebungen kann schließlich auch eine Rekonstruktion beobachtet
werden [167]. Der wahrscheinliche Mechanismus ist eine Vakanz bei 1/4 aller Sauerstoff-
122
3.1 Einführung - Stand der Forschung
stellen. So wird, ähnlich der (0 0 0 1)-Seite, die Ladungsdichte angepasst. Eine atomare
Darstellung der Oberflächen findet sich in Abb. 3.2.
Neben diesen Typen treten bei Kristallen auch seltener {1 1 2 0} und {1 1 2 1}-Flächen
auf [164]. Einige Flächen wie die (2 1 1 0) kommen hingegen nur bei gewissen Nanostrukturen gehäuft vor [150]. Zuletzt spielt Wasserstoff respektive Wasser generell eine große
Rolle bei der Stabilisierung von Zinkoxid-Oberflächen durch Hydroxidionen (wie bei
den polaren Oberflächen bereits erwähnt). Zahlreiche theoretische und experimentelle
Untersuchungen beschäftigen sich mit diesem Umstand [166, 168, 169, 170, 171]. Es kann
davon ausgegangen werden, dass unter normalen experimentellen Bedingungen keine
idealen, glatten Flächen existieren.
Dipol
(0 0 0 1)
(1 0 1 0)
(0 0 0 1)
Abbildung 3.1: Kristallstruktur und -habitus von ZnO im Wurtzittyp (Raumgruppe P 63 mc;
Gitterparameter a = 3,25 Å c = 5,20 Å [172]). Die tetraedrische Koordination in der Kristallstruktur ist hervorgehoben (Zinkatome sind cyan und Sauerstoffatome rot). Der typische
hexagonale Habitus ist mit den wichtigsten Oberflächentypen dargestellt. In Einkristallen
existiert ein makroskopischer Dipol entlang der [0 0 0 1]-Richtung.
(a) (1 0 1 0)
(b) (0 0 0 1)
(c) (0 0 0 1)
Abbildung 3.2: Darstellung der wichtigsten idealen Oberflächentypen des Zinkoxids ohne
Rekonstruktionen. Die (1 0 1 0)-Oberfläche ist unpolar, die (0 0 0 1) und (0 0 0 1)-Oberflächen
polar. Zinkatome sind cyan und Sauerstoffatome rot gefärbt.
123
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
3.1.4 Wachstumsmechanismus
Die Art des Wachstums von Zinkoxid hängt stark von der verwendeten Synthesevariante ab. Zum Mechanismus bei der Abscheidung aus der Gasphase gibt es einige
Simulationen [173, 174]. Es zeigt sich eine Bildung von wachsenden Kanten auf den
Oberflächen. Interessanter ist jedoch das Wachstum in Lösung. Viele experimentelle
Untersuchungen beziehen sich auf die Sol-Gel-Synthese. Erste Arbeiten postulierten
eine diffusionskontrollierten Mechanismus über Ostwaldreifung [161]. Bei der Ostwaldreifung (nicht zu verwechseln mit der Stufenregel nach Ostwald Abschnitt 2.1.4) lösen
sich kleine Partikel auf und größere Partikel wachsen verstärkt [175]. Dieses Phänomen
beruht auf der höheren Instabilität mit abnehmender Partikelgröße. Spätere Arbeiten
zeigten, dass die Wachstumsgeschwindigkeit nicht nur durch Diffusion sondern auch
durch Oberflächenreaktionen reguliert wird [176, 177]. Das Einbauen von neuem Material in bestehende Oberflächen und Partikel ist demzufolge eine komplexere, noch
unbekannte Reaktion. Zudem konnte eine Passivierung durch erhöhte Konzentration
der Base erreicht werden. Es wird eine Abschirmung der tendenziell negativ geladenen
hydroxilierten Zinkoxidoberflächen durch eine sekundäre Schicht von Gegenionen (z.B.
Li+ ,Na+ ) vermutet. Neuere Arbeiten von Segets et al. mit umfangreichen statistischen
Daten untermauern das Modell der Diffusionskontrolle beim Wachstum [178, 179].
Allgemein wird von einem mehrstufigen Wachstumsmechanismus ausgegangen. Die
Nukleation und das Wachstum kleiner Partikel unterscheidet sich dabei substantiell von
der Reifung größerer. Zunächst reagiert Zn(Ac)2 zu basischem Zinkacetat [180]:
4Zn(Ac)2 + H2 O −−→ Zn4 O(Ac)6 + 2H+ + 2Ac−
(3.2)
Diese Reaktion findet bereits bei der Vorbehandlung ohne Zugabe von Base statt. Die
Sauerstoffquelle ist höchstwahrscheinlich Wasser, da unter wasserarmen Bedingungen die
Reaktion sehr schlecht abläuft. Die Struktur des basischen Zinkacetats (Abb. 3.3) ist
tetraedrisch und kann somit als Baustein des Zinkoxidkristalls verstanden werden. Neben
basischem Zinkacetat kann auch Hydroxidacetat Zn5 (OH)8 (Ac)2 · 2 H2 O vorkommen
[181]. Der Mechanismus der Nukleation über eine Reaktion dieser kleinen Cluster ist
noch unbekannt. Spanhel beschreibt eine kaskadierte Vereinigung dieser Zn4 O Einheiten
zu größeren Clustern [159, 182]. Vier Zn4 O Einheiten bilden dabei eine tetraedrische
Überstruktur Zn10 O4 (Ac)12 , welche hierarchisch weitere, größere Überstrukturen bildet
(Schematisch Zn4 O −−→ Zn10 O4 −−→ Zn34 O16 −−→ Zn130 O64 . . . ). Diese Annahme passt
124
3.1 Einführung - Stand der Forschung
Abbildung 3.3: Atomare Darstellung von basischem Zinkacetat Zn4 O(Ac)6 . Die Zinkatome
(cyan) bilden ein Tetraeder in dessen Mitte ein Sauerstoffatom (rot) sitzt. Alle Kanten des
Tetraeder sind von Acetat (Kohlenstoff grau, Wasserstoff weiß) überbrückt.
zumindest teilweise gut zur untersuchten Wachstumskinetik mittels population balance
model [179], es traten jedoch größere systematische Abweichungen auf. Ein große Frage
bleibt, wie die Hohlräume gefüllt werden und wie die genaue Reaktion zwischen den
Monomeren aussieht. Zudem entsprächen die Überstrukturen der Sphaleritkristallstruktur
und nicht der für Zinkoxid typischen Wurtzitstruktur.
Unabhängig vom genauen Wachstumsmechanismus gab es viele Untersuchungen zum
Einfluss verschiedener Syntheseparameter wie Temperatur, Liganden und Lösungsmittel
(z.B. [180, 183, 184]). So führt steigende Temperatur zur Bildung von weniger Zinkoxid und mehr Zinkhydroxidacetat. Stärker bindende Liganden verlangsamen allgemein
die Reifung von Zinkoxid. Sie können zudem einen großen Einfluss auf die Form der
Partikel haben. Tian et al. konnten zum Beispiel mit Citrat als Stabilisator vielfältige
Plättchenstrukturen synthetisieren [185].
125
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
3.2 Modellentwicklung
3.2.1 Modellsynthese
Ähnlich wie bei den Silbernanopartikeln stellt sich die Frage nach der geeigneten Wahl
des Modellsystems. Zielstellung ist wieder ein möglichst allgemeines Verständnis für das
Wachstum von Zinkoxidnanopartikeln in Lösung. Wie in der Einführung herausgearbeitet,
ist die Sol-Gel Synthese ein phänomenologisch gut untersuchtes System. Das Studieren
des genauen atomaren Mechanismus kann nicht nur das Verständnis verbessern, sondern
auch die Entwicklung verbesserter Syntheserouten ermöglichen. Frühere Arbeiten von
Kawska et al. untersuchten bereits das Wachstum und die Reifung nach der Reaktion
Zn2+ + 2OH– −−→ ZnO ↓ + 2H2 O in Ethanol [186]. Dabei wurde auf jegliche Additive
verzichtet und das reine Ion-für-Ion-Wachstum aufgeklärt. Auf diese Untersuchungen
soll die vorliegende Arbeit aufbauen. Zusätzlich soll der Einfluss von Additiven und
Stabilisatoren genauer studiert werden. Behufs dessen wurden daher zwei interessante
Stufen des Wachstums aus dieser Synthese ausgewählt:
1. Frühe Reaktion des Präkursors Zn4 O(Ac)6
2. Wachstum von (1 0 1 0) und (0 0 0 1)-Oberflächen
Die Agglomeration von Zn4 O(Ac)6 -Clustern ist wahrscheinlich der Zeit und Partikelform
bestimmende Schritt der ersten Synthesestufen und daher von besonderem Interesse. Das
Oberflächenwachstum dagegen ist Teil von vielen möglichen Wachstumsmechanismen
größerer Partikel. Es spielt sowohl bei Oberflächenreaktionen als auch bei diffusionskontrollierten Mechanismen eine große Rolle.
Als Lösungsmittel ist Ethanol (Abb. 3.4) relativ weit verbreitet und bietet sich für die
Simulationen an. Als Edukte werden Zinksalze ZnX2 oder entsprechende Vorläuferverbindungen zusammen mit einer Base eingesetzt. Die Basen sind in der Regel Alkalihydroxide
und für diese Arbeit wurde das häufig in Experimenten verwendete LiOH gewählt. In
einigen Simulationen wurde auch auf das Basenkation verzichtet, um die Ladungsträgerdichte nicht zu groß werden zu lassen. Vier Stabilisatoren bzw. Anionen wurden
Abbildung 3.4: Lösungsmittel Ethanol CH3 CH2 OH M = 46,07 g/mol, ρ = 790 kg/m3 .
126
3.2 Modellentwicklung
(in verschiedenem Maße) getestet und verwendet: Acetation (Ac), 2-Ethylhexanoation
(2EH), Citration (Cit) und n-Hexylamin (HA). Ac ist der Prototyp des durch eine
Carboxylatgruppe stabilisierenden Liganden und wird sehr häufig in Synthesen verwendet.
2EH und HA werden von Kooperationspartnern aus der Gruppe von Markus Halik
für thin film transistors getestet [187]. Zudem ist 2EH ein Beispiel für einen sterisch
abschirmenden und HA für einen ungeladenen, schwachen Liganden. Zuletzt ist Cit
ein weit verbreitetes Beispiel für einen mehrzähnigen Liganden. Somit wird eine große
Bandbreite von verschiedenen Stabilisatoren abgedeckt.
(a) Acetation
(b) 2-Ethylhexanoation
C2 H3 O2–
C8 H15 O2–
(c) n-Hexylamin
(d) Citration
C6 H15 N
C6 H4 O73–
Abbildung 3.5: Darstellung der verwendeten Stabilisatoren.
3.2.1.1 Protonentransfer
Der Protonentransfer ist ein wichtiger Aspekt der möglichen Reaktionen. An einer Stelle
der Synthese muss es zu einer Reaktion der Hydroxidionen und einer Bildung von
Oxoionen kommen:
2OH− −−→ O2− + H2 O
(3.3)
In dieser Arbeit werden nichtreaktive Kraftfelder verwendet, welche eine solche Reaktion
nicht direkt abbilden können. Reaktive Kraftfelder wie das ReaxFF wurden für solche
Reaktionen erfolgreich verwendet, würden allerdings die Simulationszeit und -größe sowie
die Transferierbarkeit stark einschränken. Kawska et al. haben zur Lösung dieses Problems die Reaktion genauer studiert und für die Wachstumssimulationen eine zusätzliche
Protonentransferstufe eingeführt. Dazu wird anhand von Abstandskriterien untersucht,
ob nach einem Wachstumsschritt ein potentielles Paar Hydroxidionen für einen Protonentransfer nah genug ist. Der eigentliche Transfer findet durch ein „Umschalten“ des
Kraftfeldes statt. Das bindende Potential zwischen Sauerstoff und Wasserstoff in einem
Hydroxidion wird durch ein nichtbindendes ersetzt und umgekehrt (siehe Abb. 3.6).
127
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
H
H
O
O
H
H
O
O
Abbildung 3.6: Schematische Darstellung des „Umschaltens“ der Potentiale zwischen Hydroxidionen bei einem Protonentransfer. Gestrichelte Linien stellen nicht-bindende und volle
Linien bindende Wechselwirkungen dar. Beim „Umschalten“ wird die Art der Berechnung der
Wechselwirkungen zwischen den jeweiligen Atomen geändert. Zusätzlich werden die Ladungen
angepasst.
Zusätzlich müssen die Ladungen angepasst werden. Ob ein Protonentransfer tatsächlich
stattfinden könnte, muss anhand der Energie evaluiert werden. Dazu wird die Energie vor
(E(2 OH− )) und nach (E(H2 O/O2− )) dem Transfer berechnet und die Differenz ∆EP T
gebildet:
∆EP T = E(H2 O/O2− ) − E(2 OH− )
(3.4)
Leider können klassische Kraftfelder auf diese Weise nicht die Energie des Bindungsbruchs berechnen. Konzeptionell sind in Kraftfeldern die bindenden Potentiale stets als
Störung vom Gleichgewichtszustand beschrieben. Das heißt, die Energie einer Bindung
im Gleichgewicht ist immer null. Im Falle des Protonentransfers wird allerdings eine
Bindung gebrochen und eine neue erzeugt. Um diesen Energiebeitrag zu erhalten, wird die
Energie aus den Kraftfeldern um einen quantenmechanischen Anteil korrigiert. Praktisch
haben Kawska et al. dazu die Energie eines Modellprotonentransfers ∆EPMT sowohl mit
dem Kraftfeld ∆EPMT,M M , als auch quantenmechanisch mittels Hartree-Fock + MP2
Rechnung ∆EPMT,QM bestimmt. Der Unterschied zwischen diesen Rechnungen gibt einen
Korrekturterm KP T , welcher eine gute Näherung für alle ähnlichen Transfers sein sollte:
KP T = ∆EPMT,QM − ∆EPMT,M M
(3.5)
Ein Protonentransfer wird schließlich angenommen, wenn die Reaktion exotherm wäre:
Transferbedingung: ∆EP T,M M + KP T < 0
(3.6)
Bei diesem Ansatz wird die Entropie vernachlässigt, was in Anbetracht der Größenordnung
der Energiebeiträge (mehrere Elektronenvolt), nur einen kleinen Fehler verursachen sollte.
128
3.2 Modellentwicklung
3.2.2 Kraftfelder
In diesem Kapitel werden die verschiedenen verwendeten Kraftfelder vorgestellt und
diskutiert. Für alle Simulationen wurde wie schon bei den Silbernanopartikeln das damped shifted force Coulombpotential für die langreichweitigen Coulombwechselwirkungen
verwendet. Dieser Ansatz eignet sich gut für Grenzflächen und wurde für Zinkoxid von
Gdoutos et al. [49] evaluiert.
3.2.2.1 Zinkoxid
Die sicherlich wichtigste Komponente für die Simulationen ist Zinkoxid. Es muss nicht nur
als Kristall, sondern auch an Grenzflächen (oder sogar in Lösung) akkurat beschrieben
werden. Für kristallines Zinkoxid im Festkörper und an Grenzflächen haben sich zwei
Klassen von Kraftfeldern über die letzten 30 Jahre entwickelt: ionische und semi-ionische.
Rein ionische Kraftfelder gehen bei den atomaren Punktladungen für Zink und Sauerstoff
von den Formalladungen (qZn = +2 e, qO = −2 e) aus. Es wird versucht, den Fehler
von eventuell zu hohen Ladungen durch die entsprechende Parametrisierung der vander-Waals-Potentiale zu kompensieren. Diese Fehlerkompensation führt zu teilweise
unphysikalischen Teilpotentialen, welche aber in der Summe dem „echten“ Potential
durchaus nahe kommen können. Die meisten ionischen Kraftfelder gehen auf die Arbeiten
von Lewis und Catlow [25, 188] zurück, welche das Buckinghampotential (Gleichung (1.6))
und optional Drude-Oszillatoren nutzten (Abschnitt 1.1.2.2). Dieser Ansatz wurde sowohl
für Oberflächen [189, 190] als auch komplexere Festkörper [191, 192] verwendet und
weiterentwickelt.
Semi-ionische Kraftfelder betrachten Zinkoxid hingegen als teilweise kovalent gebundenes
Material. Allgemein gibt es keine ideale ionische Verbindung und Bindungen sind sowohl
partiell kovalent als auch ionisch. Je nach Höhe des Anteils ist die Näherung als rein
ionisches Material besser oder schlechter. Als Halbleiter besitzt Zinkoxid schon einen
ausgeprägten kovalenten Anteil, weshalb Versuche unternommen wurden, Mischkraftfelder
zu entwickeln. Für alle gilt, dass eine geringere Partialladung der Atome angenommen
wird (q = ±(1,2 e bis 1,5 e)).
In Kombination mit dem bekannten COMPASS (condensed-phase optimized molecular
potentials for atomistic simulation studies) Kraftfeld [193] haben Sun et al. eine umfangreiche Studie zu einem semi-ionischen Metalloxid-Kraftfeld mit Morse-Potentialen für
Bindungen angefertigt [194]. Sie zeigten, dass der Einsatz von Drude-Oszillatoren für
die Berechnung vieler Eigenschaften nicht notwendig ist. Kubo et al. haben ein nicht-
129
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
bindendes Winkelpotential entwickelt [173], welches der gerichteten Natur von kovalenten
Bindungen Rechnung trägt (im Gegensatz zu den sphärisch-symmetrischen ionischen
Potentialen). Die neuesten Entwicklungen kommen von Raymand et al. [171, 174] und
nutzten das ReaxFF (siehe Abschnitt 1.1.2.3).
Für die Wahl des geeigneten Kraftfeldes müssen zwei wesentliche Dinge beachtet werden. Das Kraftfeld muss effizient genug sein, um Wachstumssimulationen über mehrere
hundert Pikosekunden bis hin zu Nanosekunden durchzuführen. Zudem muss aber eine
Flexibilität der stöchiometrischen Zusammensetzung gewahrt werden. Das bedeutet,
dass sich das Mengenverhältnis der Ionen zueinander während des Wachstums ändern
darf. Diese beiden Bedingungen schränken die Wahl stark ein. Kraftfeldtypen, welche
die Bedingungen erfüllen, wurden zusätzlich mittels Testrechnungen auf ihre Eignung
in den geplanten Simulationen geprüft. Im Ergebnis erwiesen sich nichtbindende Winkelpotentiale als vergleichsweise rechenintensiv (alle 3-Zentren Kombinationen müssen
berechnet werden) und schlecht mit anderen Kraftfeldtypen (z.B. für das Lösungsmittel)
kombinierbar. Das ReaxFF ist sehr rechenintensiv und für zusätzliche Komponenten
müssen mit hohem Aufwand zusätzliche Parameter bestimmt werden. Zudem zeigten
sich in den Testrechnungen ein hohe Instabilität der Simulationen. Das semi-ionische
Kraftfeld von Sun et al. wäre eigentlich ideal, fällt aber leider durch die zweite Bedingung
weg. Durch die Partialladungen könnten nicht ganzzahlige (unrealistische) Nettoladungen
entstehen. Bei den ionischen Kraftfeldern zeigte sich eine hohe numerische Instabilität
der Drude-Oszillatoren bei erhöhten Temperaturen. Selbst bei kleinen Zeitschritten
konnte die Bewegung der Schalen nicht hinreichend von den Kernen entkoppelt werden.
Wie bereits von Kawska und Zahn verwendet [186, 195], fiel daher die Wahl auf das
rein ionische Kraftfeld von Catlow und Lewis ohne Drude-Oszillatoren. Die Auswirkungen der fehlenden Polarisierbarkeit sollte beim Halbleiter Zinkoxid jedoch deutlich
weniger kritisch sein, als beispielsweise bei den geladenen, metallischen Silberpartikeln.
In Zukunft ist es mit leistungsfähigeren Computersystemen sicherlich vernünftig, verstärkt in Richtung fluktuierender Ladungsmodelle zu gehen, um die Überschätzung der
Coulombwechselwirkungen zu minimieren.
Beim Buckinghampotential können die Koeffizienten verschiedener Atomtypen nicht
wie beim Lennard-Jones-Potential gemischt werden, um Parameter für unbekannte
heteroatomare Wechselwirkungen zu berechnen. Für die Wechselwirkung mit anderen
Komponenten wurden daher die Parameter aus der Arbeit von Hoops et al. [196]
verwendet.
130
3.2 Modellentwicklung
Relative Energie E − Eeq / eV
2,5
2
B3LYP/6-31G*
OPLS-AA K= 0,911 eV
Neu K= 10,80 eV
1,5
1
Diederwinkel φ
0,5
0
−20−15−10 −5 0
φ/
Potential V (φ) = K(1 − cos(2φ))
◦
5
10 15 20
Abbildung 3.7: Anpassung des Diederwinkelpotentials V (φ) im Ac. Der Diederwinkel φ
gibt an, wie weit ein Atom innerhalb der C−C(−O)2 Gruppe aus der gemeinsam gebildeten
Ebene herausragt (siehe Skizze). Die Kraftkonstante K des Diederpotentials wurde mit QMRechnungen (B3LYP/6-31G*) neu angepasst.
3.2.2.2 Ethanolische Lösung
Wie bereits im Falle der Silbernanopartikel diskutiert, bietet sich für organische Lösungsmittel das OPLS-AA Kraftfeld an [4, 5]. Es reproduziert Dichte und Molekülverteilung
sehr gut. Es ist sinnvoll, die anderen organischen Liganden (Ac,Cit,2EH und HA)
durch dasselbe Kraftfeld zu beschreiben. Zwar wurden auch andere Kraftfelder wie das
general Amber force-field [197] getestet, diese brachten aber keinen Vorteil.
Es ergab sich die Notwendigkeit einer Anpassung des OPLS-AA Kraftfelds. Das tabellierte Diederpotential für Carboxylatgruppen ([−C(−O)2 ]−) im OPLS-AA stimmt nicht
mit QM-Testrechnungen (Programm: Gaussian [198], Funktional: B3LYP, Basissatz:
6-31G*) überein. Daher musste die entsprechende Kraftkonstante neu bestimmt werden
(Abb. 3.7). Diese Anpassung wurde für das Ac gemacht und für alle Carboxylatgruppen
übernommen. Ansonsten wurden alle Kraftfeldparameter entsprechend der Literatur
verwendet.
3.2.2.3 LiOH
Im Gegensatz zu organischen Molekülen gibt es keine Literatur zu Alkalihydroxiden in
organischen Lösungsmitteln. Die einzigen Arbeiten auf diesem Gebiet beschäftigen sich
131
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
mit wässrigen Lösungen. Daher wurde eine umfangreiche Studie und Kraftfeldentwicklung
durchgeführt. Die Ergebnisse sind bereits veröffentlicht [199]. Da die technischen Details
relativ umfangreich sind, soll an dieser Stelle nur eine kurze Zusammenfassung gegeben
werden.
Die besondere Problematik ist der Ladungstransfer zwischen den Ionen und den koordinierenden Lösungsmittelmolekülen. Wie bereits beim Zinkoxidkraftfeld beschrieben ist
eine rein ionische Beschreibung von Ionenkristallen oft problematisch; dies trifft umso
mehr auf gelöste Ionen zu. Von den Formalladungen abweichende Ladungen können
allerdings nicht verwendet werden, da die ausgleichenden Gegenionen in Lösung sehr
weit entfernt sind. Es würde somit lokal eine nicht ganzzahlige Anzahl von Elektronen
auftreten. Die zu starke ionische Bindung führt dazu, dass für Hydroxidionen eine sehr
starke Überkoordination beobachtet werden kann. Bei den Lithiumionen trat dieses
Phänomen nicht auf.
Es wurden verschiedene polarisierbare (Punktdipole [22, 200, 201], fluktuierende Ladungen) und klassische nichtpolarisierbare Kraftfelder getestet und mit CPMD-Simulationen
verglichen. Die Parameter für die getestete Charge-Equilibrium-Methode und die nichtpolarisierbaren Kraftfelder (LJ und BUCK) wurden mittels Hartree-Fock/MP2-Rechnungen
(Abschnitt 1.2.2.2) von ausgewählten, repräsentativen Konfigurationen bestimmt. Tatsächlich zeigt das Modell mit fluktuierende Ladungen die beste Übereinstimmung mit
der Referenzsimulation. Die Methode ermöglicht einen teilweisen Ladungsübertrag und
schwächt damit die zu starke ionische Bindung. Leider war der Ansatz, das gesamte
Lösungsmittel und die gelösten Ionen mit der QEq zu beschreiben, sehr empfindlich
auf Phänomene wie den „flying icecube“ (die Problematik wird in Abschnitt 1.1.2.2
beschrieben). Die Punktdipole hingegen konnten weder Bindungsabstände noch Koordinationszahlen reproduzieren. Zudem waren sie ebenfalls numerisch sehr instabil und
Simulationen endeten häufig in der Polarisationskatastrophe (Abschnitt 1.1.2.2). Klassische Kraftfelder konnten hinsichtlich der Bindungsstärken und -abstände gut angepasst
werden. Allerdings blieb bei ihnen die Tendenz zur Überkoordination der Hydroxidionen.
Aus Gründen der numerischen Stabilität und auch Effizienz wurde in dieser Arbeit das
angepasste nichtpolarisierbare Kraftfeld gewählt.
3.2.3 Simulationsprotokoll
Da die technischen Anforderungen an die verschiedenen Fragestellungen für die Clusterreaktion und das Oberflächenwachstum sehr verschieden sind, wurde kein einheitli-
132
3.2 Modellentwicklung
Parameter
Wert
Zeitschritt
1 fs
Thermostat Kopplungskonstante 10 ps
Abschneideradius DSF-Coul
15 Å
Dämpfungsfaktor DSF-Coul
0,135
Abscheideradius LJ
10 Å
Tabelle 3.1: Wichtige technische Parameter für die Zinkoxidwachstumssimulationen.
ches Simulationsprotokoll verwendet. Wachstumssimulationen basieren immer auf dem
Kawska-Zahn-Schema (Abschnitt 1.3.3.2) und LAMMPS kam zur Anwendung. Weitere
allgemeine Simulationsparameter sind in Tabelle 3.1 zusammengefasst.
3.2.3.1 Protonentransfer
Allgemein wurde immer zusätzlich zu den normalen Schritten (Diffusion, Assoziation und
Reaktion) noch eine zusätzliche Evaluierung möglicher Protonentransfers eingefügt. Analog zur Modellierung der Reduktion bei den Silberpartikeln wird die mittlere potentielle
Energie des Systems über eine gewissen Zeitspanne bestimmt. Dann wurden alle Paare
von Hydroxidionen gesucht, welche einen kleineren Sauerstoff-Sauerstoff-Abstand als 3 Å
haben. Der eigentliche Protonentransfer wurde durch „Umwandeln“ eines HydroxidionSauerstoffs in ein Oxoion umgesetzt (Ladung und van-der-Waals-Parameter werden
geändert, die Bindung zum Wasserstoff entfernt). Das verbleibende Hydroxidion und der
nun freie Wasserstoff werden entfernt. Die eigentliche Bildung von Wasser wird übersprungen, da sich in den Simulationen von Kawska [195] zeigte, dass das freie Wassermolekül
letztendlich immer desorbiert und in die Lösung diffundiert. Dieser Prozess ist immer
identisch und würde die Simulationszeit unnötig verlängern. Um dies zu vermeiden, wird
das Wasser direkt entfernt. Nach dem so modellierten Protonentransfer wird wieder
die mittlere potentielle Energie bestimmt und anhand des Transferkriteriums (Gleichung (3.6)) der Transfer angenommen oder verworfen. Generell müssen alle möglichen
Transfers berechnet und getestet werden. Gibt es mehrere potentielle Kandidaten wird
der Transfer mit dem höchsten Energiegewinn gewählt und ein zweiter Austauschversuch
mit der neuen Konfiguration gestartet. Dies wird solange durchgeführt, bis es keine
energetisch günstige Transferreaktionen mehr gibt.
In den Wachstumssimulationen auf der Oberfläche können mitunter sehr viele Hydroxide
und entsprechend viele Möglichkeiten für Protonentransfers vorkommen. Jede Transfer-
133
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
System
KP T /eV
Referenz QM
Vakuum
(1 0 1 0)-ZnO
(0 0 0 1)-ZnO
9,32
3,13
2,26
[195]
[202]
[166]
Tabelle 3.2: Korrekturwerte für die Protonentransferenergie. Es wurde jeweils ein Modellaustausch im gegeben System (im Vakuum oder auf der Oberfläche) durchgeführt. Die zu
erwartenden QM-Energien wurden um die tatsächlichen „klassischen“ Kraftfeldenergien bereinigt.
möglichkeit für jeden Wachstumsschritt neu zu evaluieren, bedeutet eine große Anzahl
an Nebenrechnungen und vergrößert den Aufwand beträchtlich. Da nach dem Transfer
große Restrukturierungen erfolgen können, kann nicht aus der Kenntnis der Anordnung
im Vorfeld die realistische Möglichkeit eines Transfers abgeschätzt werden. Anders gesagt,
es können nicht anhand von strukturellen Kriterien „geeignete“ Transferpaare vorsortiert
und somit auf eine explizite Berechnung der Energie vieler Austausche verzichtet werden. Um dennoch den Aufwand zu reduzieren, wurde ein „Fingerabdruck“ ξ von allen
ausgewerteten Hydroxidionen erzeugt. Dieser Fingerabdruck ist das zeitliche Mittel der
lokalen, potentielle Energie ǫpot des jeweiligen Hydroxidions i.
ξi = hǫpot,i it
(3.7)
Wenn ein möglicher Protonentransfer ausgewertet und abgelehnt wurde, so wurde ξ für
die beiden jeweiligen Hydroxidionen gespeichert. Sollte in einem kommenden Wachstumsschritt wieder dasselbe Paar als Kandidat eines Protonentransfers auftauchen und
sich jedoch ξ keines der beiden Hydroxidionen mehr als 20% geändert haben, so wird
der Transfer direkt abgelehnt. Die lokale potentielle Energie ist sehr empfindlich auf die
chemische Umgebung. Eine Wert für ∆ξ von weniger als 20% bedeutet keine wesentliche
Änderung in der unmittelbaren Nachbarschaft und somit ist ein von der ersten Evaluation abweichendes Ergebnis sehr unwahrscheinlich. Der Grenzwert (20%) wurde in einer
Testserie empirisch ermittelt.
Der Korrekturwert KP T für die Transferenergie (Gleichung (3.5)) muss für jedes System
einzeln bestimmt werden (Tabelle 3.2). Kawska et al. verwenden als Referenzsystem den
puren Protonentransfer 2OH– −−→ O2– + H2 O im Vakuum. Diese Reaktionsenergie ist
sehr hoch, da ein frei werdendes Oxoion im Vakuum ein extrem ungünstiger Zustand ist
und die benötigte Energie zum Bindungsbruch entsprechend groß ist. Daher wurde diese
134
3.2 Modellentwicklung
(1 0 1 0)
(0 0 0 1)
Abbildung 3.8: Atomare Darstellung des Modellprotonentransfers auf den (1 0 1 0) und
(0 0 0 1)-Oberflächen. Ausgangspunkt ist jeweils die stabilste Bedeckung mit Hydroxidionen
(100% für (1 0 1 0) und 50% für (0 0 0 1)). Die involvierten Atome sind gelb hervorgehoben.
Korrektur nur bei der Simulation sehr kleiner Aggregate verwendet. Für das Wachstum
auf Oberflächen wurde der Korrekturwert für die entsprechenden Oberflächentypen neu
berechnet. Ausgehend von den unter wasserreichen Bedingungen stabilsten [166] mit
Hydroxidionen gesättigten Oberflächen, wurde ein Modellprotonentransfer durchgeführt
(Abb. 3.8). Die notwendigen quantenchemischen Referenzwerte stammen aus den Arbeiten
der Arbeitsgruppe Meyer für die stabilsten hydroxylierten Oberflächen. Für die stabile,
hydroxylierte (0 0 0 1)-Oberfläche (Bedeckungsgrad 50%) sind die Energien veröffentlicht
[166]. Im Falle der (1 0 1 0)-Oberfläche (Bedeckungsgrad 100%) stammen die verwendeten
Werte von Jacub Goclon und sind bisher noch unveröffentlicht. Die Methodik ist jedoch
dieselbe wie bei den veröffentlichten Werten. Die Energien sind beide deutlich niedriger
als im Vakuum, was an der besseren Stabilisierung eines entstehenden Oxoions liegt.
3.2.3.2 Clusterreaktion
Die Wachstumssimulationen mit kleinen Clustern wurden analog zum Silberwachstum
in einer kubischen Simulationszelle mit 3092 Ethanolmolekülen bzw. einer Kantenlänge
von etwa 70 Å durchgeführt. Die Ausmaße sind notwendig, da die Aggregation nicht
nur von einzelnen Ionen, sondern von vollständigen Zn4 O(Ac)6 Clustern erfolgt. Für
jeden Wachstumsschritt wird zufällig Li+ ,OH– oder Zn4 O(Ac)6 erzeugt. Die Wahrscheinlichkeiten sind dabei so gewählt, dass sie einem äquimolaren Gemisch von LiOH und
hypothetischem Zn(Ac)2 entsprechen. Wie schon bei den Silbernanopartikeln wurde für
die Assoziation neuen Materials ein zusätzliches harmonisches Potential verwendet (siehe
Abschnitt 2.2.3). Da es sich nicht mehr um sphärisch-symmetrische Objekte (wie Atome)
handelt, wird zusätzlich zur Position die Orientierung zufällig bestimmt. In Tabelle 3.3
sind die Schritte zusammengefasst.
135
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
Schritt
1.
Assoziation
2.
3.
4.
4a.
Relaxation
Relaxation
Langzeit
Protonentransfer
Dauer
Ensemble
20 ps
-
10 ps
200 ps
1 ns
1 ns
NVT
NpT
NVT
NVT
Besonderheit
Energieminimierung, kein
Lösungsmittel, zusätzliches Potential
Nur Lösungsmittel frei
Für alle potentiellen OH– Paare
Tabelle 3.3: Schritte des Schemas zur Studie der Zinkoxidnukleation mit Dauer und dem
thermodynamischen Ensemble.
3.2.3.3 Oberflächenwachstum
Die Simulationen zum Oberflächenwachstum unterscheiden sich signifikant zum Partikelwachstum von Silber und kleinen Zinkoxidclustern. Eine wesentliche Veränderung betrifft
die Assoziierung neuer Ionen zum Wachsen der Kristalloberflächen. Statt wie bisher
zufällig auf einer Kugelfläche mit einem bestimmten Abstand zum Aggregatmittelpunkt,
werden neue Ionen in einer Ebene über der bestehenden Oberfläche erzeugt. Der Abstand
zur bestehenden Oberfläche ist dabei ein kritischer Parameter. In Testsimulationen wurde
folgendes Verhalten beobachtet: wenn neues Material in einem großen Abstand erzeugt
wird, adsorbiert es stets am höchsten Punkt der Wachstumsfront. Dies führt zu einer
starken Ausbildung von Bergen bis zu Säulen. Die Ablenkung wird hauptsächlich durch
die Coulombwechselwirkung und die Vernachlässigung des Lösungsmittels während der
Assoziation verursacht. Tests der Assoziation mit Lösungsmittel zeigten keine verstärkte
Ablenkung. Wird wie bisher zur Lösung ein Zusatzpotential verwendet, muss die Kraftkonstante sehr stark gewählt werden, um diesen Effekt zu minimieren. Durch die variierenden
lokalen Ladungen während des Wachstums müsste die Kraftkonstante zudem immer
wieder angepasst werden. Als sinnvollerer Weg hat sich die Nutzung eines dynamischen
Oberflächenprofils zur Festlegung des Abstandes gezeigt. Dazu wird zunächst zufällig
eine Koordinate in der xy-Ebene über der Oberfläche erzeugt. In einem Umkreis von
10 Å zu diesen Koordinaten wird die Topologie der Oberfläche analysiert. Der „höchste“
Punkt (höchste z-Koordinate eines Oberflächenatoms) addiert mit einem Zusatzabstand
(5 Å) ergibt die z-Koordinate des neuen Ions. Dadurch wird neues Material relativ nah
an der Oberfläche erzeugt, ohne unrealistische Adsorptionshäufigkeiten zu verursachen.
Die Simulationszelle selbst muss ebenfalls an die besonderen Bedingungen des Oberflächenwachstums angepasst werden (Abb. 3.9). Zunächst wird eine Zinkoxidschicht mit
der gewünschten exponierten Oberfläche konstruiert. Das System ist dabei nur noch
136
3.2 Modellentwicklung
Stempel zur Druckeinstellung
Ethanol
Zinkoxid Oberfläche (frei)
Zinkoxid Festkörper (fest)
Abbildung 3.9: Schematische Darstellung der Simulationszelle zum Oberflächenwachstum.
Die wesentlichen Komponenten sind eine Zinkoxid- und eine Ethanolschicht. Die Zinkoxidschicht
besteht aus einem oberen freien und unteren starren Teil, welcher einen Festkörper imitiert.
Der Druck in der Lösung wird über einen Stempel eingestellt.
in zwei Dimensionen unendlich periodisch, die Dimension senkrecht zur Oberfläche ist
finit. Um keine Artefakte durch diese Begrenzung zu erhalten, wird der untere Teil der
Zinkoxidschicht festgehalten. So wird die Anordnung eines idealen Zinkoxidkristalls bei
der gewünschten Temperatur „eingefroren“ und damit ein normaler Festkörper für die
obere, freie Schicht imitiert. Das Ethanol als Lösungsmittel befindet sich über der Zinkoxidoberfläche. Der Thermostat zum Einstellen der Temperatur wirkt dabei nur auf die
freien Moleküle (freie Zinkoxidoberfläche und Ethanollösung). Um den Druck einzustellen,
kann kein klassischer Barostat verwendet werden. Daher wurde zur Druckregulierung
ein Stempel über der Ethanolschicht eingefügt. Dieser Stempel mit der Fläche A erfährt
konstant eine Kraft F , welche einem Druck p von 1 bar entspricht.
F = pA
(3.8)
Die Dimensionen der verwendeten Simulationszelle sind in Tabelle 3.4 zusammengefasst
und die Startoberflächen in Abb. 3.10 dargestellt. Generell ist die Dicke der Schichten so
gewählt, dass die feste Schicht dicker als der Abschneideradius der Wechselwirkungen
(10 Å) ist. Für die polare (0 0 0 1)-Oberfläche wurde die Dicke noch etwas erhöht um die
Stabilität des Kristalldipols zu verbessern. Zu dünne Schichten neigen dazu, den Dipol
aufzuheben.
Die Simulationsparameter sind in Tabelle 3.5 zusammengefasst. Im Vergleich zu den
bisherigen Simulationen fällt die deutlich kürzere Simulationsdauer auf. Ähnliche Werte
verwendete und testete Kawska bereits [195]. Durch die starken ionischen Bindungen
137
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
Parameter
(1 0 1 0)
Flächengröße
Frei Zinkoxidschicht (Atome)
Feste Zinkoxidschicht (Atome)
Ethanol (Moleküle)
(0 0 0 1)
26,17 Å × 31,52 Å 31,81 Å × 27,55 Å
336
600
336
400
162
186
Tabelle 3.4: Dimensionen der Simulationszellen zum Zinkoxidoberflächenwachstum.
(b) (0 0 0 1)
(a) (1 0 1 0)
Abbildung 3.10: Darstellung der Startoberflächen zum Zinkoxidoberflächenwachstum.
werden günstige, sehr stabile Anordnungen innerhalb von Pikosekunden erreicht. Selbst
hohe Temperaturen und eine lange Simulationszeit (mehrere Nanosekunden) verbessern
dabei die Statistik der Simulation nur noch marginal. Deshalb können relativ kleine
Zeitspannen zur Gewährleistung der Modellrelaxation verwendet werden.
Schritt
Dauer
Ensemble
Besonderheit
1.
Assoziation
20 ps
-
2.
3.
4.
4a.
Relaxation
Relaxation
Langzeit
Protonentransfer
10 ps
75 ps
100 ps
100 ps
NVT
NpT
NpT
NpT
Energieminimierung, kein
Lösungsmittel, zusätzliches Potential
Nur Lösungsmittel frei
Für alle potentiellen OH– Paare
Tabelle 3.5: Schritte des Schemas zur Studie der Zinkoxidnukleation mit Dauer und dem
thermodynamischen Ensemble.
138
3.3 Reaktion von Zn4 O(Ac)6 Clustern
3.3 Reaktion von Zn4O(Ac)6 Clustern
3.3.1 Aggregation
Der Versuch, das Wachstum von Zinkoxidkristallen direkt durch die Aggregation von
Zn4 O(Ac)6 , Li+ und OH– zu simulieren, zeigte ein hohes Maß an Stabilisierung der
Cluster durch die Acetationen. Es wurden insgesamt 5 Wachstumsreihen ausgehend
von einem einzigen Zn4 O(Ac)6 Cluster gestartet. In keiner konnte ein Protonentransfer
oder eine Bildung größerer Zinkoxidpartikel beobachtet werden. Es entstehen lose, leicht
gebundene Aggregate wie in Abb. 3.11 dargestellt. Zunächst binden dabei diese nur über
die schwachen van-der-Waals-Wechselwirkungen der Methylgruppen in den Acetationen.
Die Methylgruppen sind relativ unpolar und verdrängen die polaren Ethanolmoleküle,
wodurch die Aggregate eine leichte, zusätzliche Stabilisierung erfahren. Um dies zu
quantifizieren wurde die freie Bindungsenthalphie von zwei Clustern in Ethanol mit
umbrella sampling bestimmt (siehe Abschnitt 1.3.2.2). Als Koordinate q wurde der
Abstand zwischen den Mittelpunkten der Zn4 O-Einheiten verwendet. Das entsprechende
potential of mean force ist in Abb. 3.12 dargestellt. Die Bindungsstärke ist mit etwa 7 meV
gering und liegt unter der thermischen Energie bei 300 K (kB × 300 K ≈ 26 meV). Im
Vergleich dazu ist die Bindungsenergie desselben Aggregats im Vakuum mit 1 eV um zwei
Größenordnungen höher. Trotz seines polaren Charakters kann Ethanol offensichtlich die
einzelnen Cluster sehr gut stabilisieren.
Eine weitere Besonderheit ist der breite Bindungsbereich (im Graph von 8 Å bis 10 Å)
ohne eindeutigen Gleichgewichtsabstand. Diese Tatsache beruht auf der Art der Bindung
über die Methylgruppen der Acetationen. Bei größerem Abstand sind die Methylgruppen
in losem Kontakt und binden durch die schwach hydrophoben Wechselwirkungen. Mit
kleiner werdendem Abstand „verzahnen“ sich die Gruppen und die Kontaktfläche vergrößert sich. Die steigende Bindungsenergie durch die Verzahnung wird dabei aber von der
sinkenden Entropie (Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt) kompensiert. Insgesamt sind
die entstehenden Aggregate nur kurzzeitig stabil und zerfallen nach einer gewissen Zeit
wieder.
Mit fortschreitendem Wachstum erhöht sich die Ionenkonzentration in der Lösung (für
jedes Zn4 O(Ac)6 werden im Schnitt 4 Li+ + OH– zugesetzt). Dadurch kann zunächst
eine Aktivierung der Zn4 O(Ac)6 Cluster beobachtet werden. Die Cluster bilden mit den
Salzionen Komplexverbindungen (dargestellt in Abb. 3.13). Vor allem die Hydroxidionen
zeigen eine hohe Affinität zu den Zinkionen (Abb. 3.13a). Das Hydroxidion und drei
139
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
3 Zn4 O(Ac)6
5 Zn4 O(Ac)6
7 Zn4 O(Ac)6
Abbildung 3.11: Momentaufnahmen verschiedener Stadien aus einer Wachstumsserie für
Zn4 O(Ac)6 Cluster mit LiOH. Das Lösungsmittel und weit entfernte Li+ ,OH– Ionen sind
nicht dargestellt. Man kann erkennen, dass zwar Aggregate entstehen, welche allerdings nur
lose gebunden sind. Protonentransfer oder das Entstehen kristalliner Strukturen kann nicht
beobachtet werden.
Acetationen erhalten dabei die tetraedrische Koordination des Zinkions. Dabei wird
das zentrale Oxoion in Richtung der anderen drei Zinkionen verdrängt. Dieser Prozess
kann durch sich in der Nähe befindliche Lithiumionen unterstützt werden (Abb. 3.13b).
Durch partielle Neutralisation eines Acetations übernimmt das Hydroxidanion sogar die
überbrückende Position an einer Kante des Zn4 O Tetraeders. Eine direkte Assoziation
von Lithiumkationen mit den Clustern wurde hingegen nicht beobachtet. Zudem wurde
in keinem Fall ein Acetation komplett verdrängt, so dass eine vollständige Reaktion hätte
stattfinden können.
Im Verlauf der Aggregation konnten mit zunehmender Dichte von LiOH ebenso die
Bindungen zwischen den Aggregaten durch Li+ und OH– Brücken unterstützt werden
(Abb. 3.14). Die Zn4 O Einheiten können dabei ihre tetraedrische Struktur verlieren.
Generell scheinen aber die Acetationen die Zinkoxidcluster zu stark abzuschirmen und
Reaktionen, zumindest im Zeitrahmen der Simulationen, zu verhindern.
140
PMF / meV
3.3 Reaktion von Zn4 O(Ac)6 Clustern
16
14
12
10
8
6
4
2
0
6
8
10
12
14
16
18
Dimerabstand (Massenschwerpunkt) / Å
Abbildung 3.12: PMF zwischen zwei Zn4 O(Ac)6 Dimeren in ethanolischer Lösung. Die
Reaktionskoordinate ist der Abstand zwischen den Massenschwerpunkten der beiden Dimere.
Es wurden im Abstand von 0,5 Å entlang der Koordinate für jeweils 200 ps die Häufigkeiten
der Positionen bei 400 K erfasst und mittels WHAM das PMF errechnet.
(a) [Zn4 O(Ac)6 OH]–
(b) [Zn4 O(Ac)6 OH]– + Li+
Abbildung 3.13: Aktivierte Zustände des Zn4 O(Ac)6 Clusters.
OH– „Brücke“
Li+ „Brücke“
Abbildung 3.14: Darstellung der Brückenfunktion der Salzionen Li+ und OH– .
141
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
3.3.2 Acetat-Hydroxid-Austausch
Die Simulationen zur Agglomeration von Zn4 O(Ac)6 Clustern in Lösung haben gezeigt,
dass sehr wahrscheinlich eine Reaktion von Zn4 O(Ac)6 und OH– der eigentlichen Nukleation vorangeht. Innerhalb der Simulationszeiten konnte jedoch kein vollständiger
Austausch eines Acetations gegen ein Hydroxidion beobachtet werden. Mögliche IonenAustauschreaktionen als Vorläufer des eigentlichen Kristallwachstums sollen darum an
dieser Stelle genauer untersucht werden.
3.3.2.1 Mechanismus
Zunächst stellt sich die Frage nach dem Mechanismus des möglichen Austausches. Zwei
Grenzfälle sind denkbar:
Zn4 O(Ac)6 + OH– −−→ [Zn4 O(Ac)6 OH]–
−−→ Zn4 O(Ac)5 OH + Ac–
Zn4 O(Ac)6 + OH– −−→ [Zn4 O(Ac)5 ]+ + Ac– + OH– −−→ Zn4 O(Ac)5 OH + Ac–
Um abschätzen zu können ob eine Reaktion stattfindet, wird die freie Reaktionsenergie
∆f benötigt. Sie setzt sich aus den Energiebeiträgen der Änderung der inneren Energie
∆u und der freien Solvatationsenergie ∆fsolv zusammen.
∆f = ∆u + ∆fsolv
(3.9)
Die freie Solvatationsenergie der einzelnen Komponenten wurde mittels thermodynamischer Integration (Abschnitt 1.3.2.1) bestimmt. Der Anfangszustand war das gelöste
und der Endzustand das freie Ion. Dazu wurde die Wechselwirkung V0 des Ions mit
Lösungsmittel mit einem Parameter λ verändert.
V (λ) = λ4 V0
(3.10)
Die Wahl von λ4 statt λ hängt mit der Singularität von limλ→0 ∂H
zusammen. Details
∂λ
dazu wurden ausgiebig in der Literatur von z.B. Beutler et al. diskutiert [203]. Die
Integration zur Bestimmung der freien Energie erfolgte mittels Gauß-TschebyschowIntegration über 64 Punkte. Jeder Datenpunkt wurde bis zur Konvergenz der mittleren
Energie (∆E < 0,01 eV) simuliert.
Die innere Energie kann prinzipiell ebenso mittels der klassischen Kraftfelder berechnet werden. Allerdings muss bedacht werden, dass die verwendeten Kraftfelder
für Zinkoxid einen Kompromiss darstellen und die Genauigkeit bei kleinen Clustern
142
3.3 Reaktion von Zn4 O(Ac)6 Clustern
f / eV
[Zn4 O(Ac)5 ]+ + OH– + Ac–
+3,6
−5,55
Zn4 O(Ac)6 + OH–
−2,4
[Zn4 O(Ac)6 OH]
–
Zn4 O(Ac)5 OH + Ac–
+0,45
Abbildung 3.15: Profile der freien Energie f eines möglichen Acetat-Hydroxid-Austausches.
Die Energie setzt sich aus der inneren Energie (aus PP-DFT-Rechnungen) und der freien Solvatationsenergie (aus TI Kraftfeldrechnungen) zusammen. Der aktivierte Komplex [Zn4 O(Ac)6 OH]–
und das Reaktionsprodukt Zn4 O(Ac)5 OH liegen energetisch sehr nah beieinander. Die absolute
Differenz liegt in der Größenordnung des statistischen Fehlers der TI sowie der Ungenauigkeit
der PP-DFT-Rechnungen und sollte nicht überinterpretiert werden. Es kann nicht klar gesagt
werden, welcher Komplex der stabilere ist.
unbekannt ist. Um die Genauigkeit zu erhöhen und zu testen, wurde die innere Konfigurationsenergie für freie Moleküle/Ionen in der Gasphase mittels Pseudopotential-DFTRechnungen bestimmt. Der verwendete Programmcode ist SIESTA [204] und die PP
stammen aus der SIESTA-Datenbank. Die Methode wurden gegen all-electron Rechnungen (Hartree-Fock, aug-cc-pvdz Basis [205]) für kleine Zn(Ac)x (OH)y Aggregate
und gegen die experimentelle ZnO Wurtzit-Festkörperstruktur getestet und konnte die
Strukturen (root mean square displacment ∼ 0,2 Å) gut reproduzieren. Allerdings werden
Bindungsenergien im Vergleich zu den Hartree-Fock-Rechnungen systematisch um 20%
überschätzt, wobei die Trends gut übereinstimmten. Für die inneren Energien wurden
Konfigurationen aus den Kraftfeldrechnungen mittels simulated annealing bei 300 K für
200 ps optimiert.
Das resultierende Energieprofil der beiden möglichen Reaktionen (Abb. 3.15) zeigt eine
eindeutige Bevorzugung des Reaktionswegs über einen [Zn4 O(Ac)6 OH]– -Zustand. Dies
ist im Einklang mit den vorangegangenen Aggregationssimulationen, welche zudem eine
mögliche Stabilisierung der anionischen Komplexe durch Lithiumkationen gezeigt haben.
143
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
Des Weiteren zeigt ein Vergleich der Komponenten der freien Energien, dass die freie
Solvatationsenergie in der Größenordnung von etwa 10 % der inneren Energie liegt.
Tendenziell begünstigt die Solvatation den Austausch eines Acetations gegen ein Hydroxidion. Zwar wird das Hydroxidion besser in Ethanol stabilisiert als ein Acetation
(∆fsolv ≈ 0,1 eV), aber durch den Austausch wird die unpolare Abschirmung der Cluster
aufgebrochen. Dadurch können Ethanolmoleküle direkt an die Zinkionen koordinieren
und somit zusätzlich stabilisieren. Da der Beitrag zur Gesamtenergie vergleichsweise
gering ist, wird die freie Solvatationsenergie in den folgenden Betrachtungen nicht weiter
berücksichtigt.
3.3.2.2 Mehrfachaustausch
Für eine Reifungsreaktion von Hydroxidionen zu einem Oxoion werden mindestens zwei
Ionen benötigt 2OH– −−→ O2– + H2 O. Es stellt sich also die Frage, ob der Austausch
mehrfach stattfinden und so eine solche Reaktion ermöglichen kann. Dazu wurden die
inneren Energien (im Vakuum) verschiedener Austauschstufen Zn4 O(Ac)x OH6-x miteinander verglichen. Als Rechenmethode wurde wieder die DFT mit Pseudopotentialen
verwendet. Die Cluster vor und nach dem Austausch wurden für 200 ps bei 300 K simuliert und die Struktur mit der niedrigsten Energie optimiert. Gibt es mehrere mögliche
Konfigurationsisomere, wurden alle Isomere berechnet und die Konfiguration mit der
niedrigsten Energie verwendet. Die optimierten Strukturen sind in Abb. 3.16 und die
korrespondierenden Energiedifferenzen in Abb. 3.17 dargestellt. In allen Stufen des
Austausches übernimmt das Hydroxidion die überbrückende Position des Acetations.
Strukturelle Veränderungen am Zn4 O-Kern werden nicht beobachtet, so dass allein aus
der Anordnung keine Schlüsse auf bevorzugte Austauschstufen gezogen werden können.
Mit zunehmender Zahl an Hydroxidionen nimmt der Energiegewinn und damit die
Wahrscheinlichkeit für einen Austausch deutlich ab. Die einzige Ausnahme stellen die
ersten beiden Austauschstufen (x=1 und 2) dar, bei welchen der Energiegewinn nahezu
konstant ist. Es liegt daher nahe, dass durch Zugabe einer Base bestehende Zn4 O(Ac)6
Cluster zumindest zu Zn4 O(Ac)5 OH und Zn4 O(Ac)4 OH2 reagieren. Bei noch vorläufigen
experimentellen Analysen mit einem Massenspektrometer (in der Arbeitsgruppe von
Thomas Drewello) konnten diese Verbindungen kaum bzw. gar nicht nachgewiesen werden
[206]. Auch weitere Austauschstufen wurden nicht beobachtet. Dass der Austausch gar
nicht stattfindet, ist sehr unwahrscheinlich, da der Energiegewinn beträchtlich ist und ein
Sauerstoffeintrag stattfinden muss, damit letztendlich ZnO wachsen kann. Die fehlende
144
3.3 Reaktion von Zn4 O(Ac)6 Clustern
Nachweisbarkeit ließe sich auch mit einer hohen Reaktivität der aktivierten Cluster
erklären. Um diese These zu überprüfen, wurde neben dem einfachen Monomer auch
der Austausch bei einem hypothetischen Dimer von zwei Zn4 O(Ac)6 -Clustern untersucht.
Solche Dimere werden bei der Aggregation beobachtet und es liegt nah, dass sie eine
mögliche zweite Reaktionsstufe des Wachstums darstellen. Analog zu den Monomeren wurde der Austausch beim Dimer durchgeführt, die Strukturen optimiert und die
Energiedifferenzen berechnet. Strukturell unterscheiden sich die Dimere während des
Austausches deutlich von den Monomeren. Ohne Austausch besteht bei den Dimeren kein
unmittelbarer Kontakt der Zn4 O-Kerne untereinander und die Monomerstruktur bleibt
erhalten. Doch bereits ein Hydroxidion führt zu einer Bindung zwischen den Kernen. Es
ensteht eine dreieckige Verknüpfung zwischen einer Kante mit einer Ecke (Abb. 3.19 x=1).
Das Hydroxidion befindet sich über diesem Zinkdreieck und der Hydroxidsauerstoff wird
von Zink und Wasserstoff tetraedrisch koordiniert. Diese starke strukturelle Änderung
zeigt sich auch im Energiegewinn (Abb. 3.18); der erste Austausch erhöht die Stabilität
nahezu doppelt so stark wie beim Monomer (−3,76 eV gegen −1,74 eV). Verglichen mit
der leichten, physikalischen Bindung des reinen Dimers in Lösung (Abb. 3.12), kann von
der Ausbildung einer starken chemischen Bindung gesprochen werden. Ein weiteres Hydroxidion erzeugt eine weitere Ecke-Kante-Verknüpfung, wobei der Energiegewinn schon
deutlich geringer ist (−1,97 eV). Das dritte Hydroxidion bindet analog zum Monomer als
Ersatz für ein überbrückendes Acetation und trägt überhaupt nicht zur Verknüpfung
x=0
x=1
x=4
x=2
x=5
x=3
x=6
Abbildung 3.16: Mittels simulated annealing optimierte Zn4 O(Ac)6-x OHx Clusterstrukturen
im Vakuum für x ∈ {0, · · · , 6}.
145
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
0
Zn4 O(Ac)6-x (OH)x + OH– −−→ Zn4 O(Ac)5-x (OH)x+1 + Ac–
∆E
−0,5
−1
−1,5
−2
0
1
2
x
3
4
5
Abbildung 3.17: Differenz der potentiellen Energien zwischen den einzelnen Stufen des
Hydroxidionenaustauschs bei einem Zn4 O(Ac)6 -Monomers im Vakuum. Die Strukturen und
Energien wurden mit DFT (Funktional PBE, Basissatz DZP) und Pseudopotentialen berechnet.
Alle Strukturen wurden mit SA optimiert.
∆E
der beiden Kerne bei. Die Stabilisierung fällt entsprechend niedrig aus und befindet
sich im Bereich der Monomerenergien (−1,66 eV). Ab dem vierten Austausch ändert
sich die Bindung der Kerne, denn es bildet sich eine viereckige Kanten-Kanten Verknüpfung (Abb. 3.19 x=4). Über diesem Viereck befinden sich zwei Hydroxidionen: eines
erreicht durch eine Wasserstoffbrückenbindung wieder eine tetraedrische Koordination,
während das andere eine Kante überbrückt. Beim fünften und sechsten Austausch setzt
0
−0,5
−1
−1,5
−2
−2,5
−3
−3,5
−4
(Zn4 O)2 (Ac)12-x (OH)x + OH– −−→ (Zn4 O)2 (Ac)11-x (OH)x+1 + Ac–
0
1
2
x
3
4
5
Abbildung 3.18: Differenz der potentiellen Energien zwischen den einzelnen Stufen des
Hydroxidionenaustauschs bei einem Zn4 O(Ac)6 -Dimer im Vakuum. Die Strukturen und Energien
wurden mit DFT (Funktional PBE, Basissatz DZP) und Pseudopotentialen berechnet. Alle
Strukturen wurden mit SA optimiert.
146
3.3 Reaktion von Zn4 O(Ac)6 Clustern
sich dieser Trend fort und zwischen den Kernen ensteht schließlich eine prismatische
Flächen-Flächen-Verknüpfung. Dabei nimmt der Energiegewinn wieder zu.
Tatsächlich zeigen erste massenspektrometrische Experimente die Existenz der Dimere
x=0,1,2 [206]. Das Wachstum scheint also über die Bildung von Dimeren und deren
Stabilisierung durch Hydroxidionen zu starten. Alle Konfigurationen sind noch weit
von der Anordnung in einem ZnO-Kristall entfernt, geben jedoch Möglichkeiten für
weiterführende Reaktionen. Zum einen sind die Hydroxidionenpaare prinzipiell geeignet (kleiner Abstand, exotherme Reaktion) eine Reifungsreaktion durchzuführen. Des
Weiteren - und wahrscheinlich viel wichtiger - lösen die Austauschreaktionen die starre
Acetationenhülle um die Zn4 O-Kerne auf und bieten somit eine Angriffsfläche für weitere
Assoziationen. Die Abschirmung durch die Acetationen war der Hauptgrund für die
mangelnde Reifung in den Wachstumssimulationen. Exponierte Zink- und Hydroxidionen
würden ein Wachstum, ähnlich dem in den Arbeiten von Kawska et al. [186] beschrieben,
ermöglichen. Damit würde auch das Fehlen von Dimeren mit x>3 im Massenspektrum
erklärt werden. Solche Aggregate sind bereits zu wenig abgeschirmt und zu reaktiv.
Dieses weitere Wachstum ist jedoch hypothetisch und könnte Gegenstand zukünftiger
Arbeiten sein.
147
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
x=0
x=1
x=2
x=3
x=4
x=5
x=6
Abbildung 3.19: Mittels SA optimierte (Zn4 O)2 (Ac)12-x OHx Clusterstrukturen für im Vakuum für x ∈ {0, · · · , 6}.
148
3.4 Oberflächenwachstum
3.4 Oberflächenwachstum
3.4.1 Ungestörtes Wachstum
Beim ungestörten Wachstum ohne Additive wurde auf die mit Hydroxidionen bedeckten,
neutralen Oberflächen (Abb. 3.10) nur Zn2+ und OH– im stöchiometrischen Verhältnis
abgeschieden. Es sind zunächst keine Stabilisatoren oder Liganden (außer dem Lösungsmittel Ethanol) enthalten. In den nachfolgenden Simulationen können zwei wesentliche
Größenskalen betrachtet werden.
Am Anfang steht stets eine Reaktion einzelner Ionen oder Moleküle, welche auf einer
atomaren Skala stattfindet. Dieses erste Formen von ZnO zeigt immer drei Reaktionsstufen. Zunächst erfolgt durch die Assoziation von neuem Zn2+ und OH– die Bildung
einer amorphen ZnO/Zn(OH)2 -Phase. Es schließt sich als zweiter Schritt eine Reifung
durch Protonentransferreaktionen (siehe Abschnitt 3.2.3.1) an. Im letzten und dritten
Schritt erfolgt die meist epitaktische Ausrichtung an das bereits existierende Substrat.
Merkmal all dieser Reaktionsteile ist die Tatsache, dass an den Mechanismen nur wenige
Atome/Ionen beteiligt sind. Damit sind die Reifungsreaktionen und die Einzelschritte
zunächst auf Bereiche mit Abmessungen unter einem Nanometer beschränkt.
Im Gegensatz dazu ist das Formen der eigentlichen neuen kristallinen Struktur ein
kollektives Zusammenwirken vieler atomarer Teilprozesse. Die Summe dieser Prozesse
wird oft als Selbstorganisation bezeichnet, da sie die gemeinsame Strukturierung scheinbar
unabhängiger Teile ohne eine äußere Kraft beinhaltet. Erst diese kollektive Komponente
ermöglicht die Ausbildung von Strukturen wie Inseln, Kanten und Löchern auf der
Oberfläche.
In den Simulationen des Clusterwachstums können ebenso diese verschiedenen Skalen der
Wachstumsmechanismen beobachtet werden. Allerdings ergibt sich ein großer Unterschied
zwischen dem Oberflächenwachstum und dem Clusterwachstum: während sich bei den
Clustern mit zunehmender Größe das Volumen-Oberflächen-Verhältnis stetig ändert,
bleibt dies bei Oberflächen nahezu konstant. Die strukturelle Vielfalt und die möglichen
Konfigurationen während des Wachstums sind daher nicht größen- bzw. schrittabhängig.
Es spielt also eigentlich keine Rolle, ob man eine lange oder viele kurze Simulationen
durchführt. Die Zeitskala der Prozesse der Selbstorganisation ist allerdings nicht bekannt.
Daher wurde auf mehrere parallele Wachstumsserien verzichtet und stattdessen eine sehr
lange Wachstumssimulationen (1000 Schritte) durchgeführt.
149
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
3.4.1.1 (1 0 1 0)-Oberfläche
Das Wachstum auf der unpolaren (1 0 1 0)-Oberfläche ist in Abb. 3.20 dargestellt. Wie
erwartet, kommt es zur homoepitakitschen Ausbildung von ZnO auf dem bestehenden
Substrat. Auch wenn dies nicht überraschend ist, stellt es eine notwendige Bedingung
für die Zuverlässigkeit des Wachstumsmodells dar. Die Reaktion von OH– erfolgt bei
Abscheidung von Zn2+ und OH– nahezu quantitativ. In Abb. 3.21 ist die Entwicklung der
Anzahl der Hydroxidionen und der Oberflächenladung abgebildet. Schon nach gut 100
Wachstumsschritten1 stellt sich ein Gleichgewicht bei lediglich 10-15 Hydroxidionen ein.
Dies entspricht in etwa 0,01 Ionen/Å2 bis 0,02 Ionen/Å2 . Dabei ist nicht von Bedeutung,
ob das Wachstum mit Hydroxidionen auf der Oberfläche startet oder nicht. In beiden
Ausgangsszenarien stellte sich bei Vergleichssimulationen ein ähnliches Gleichgewicht
ein. Gleichzeitig schwankt die Oberflächenladung sehr stark mit leichter Tendenz zu
mehr negativen Ladungen. Ob diese Tendenzen signifikant sind, lässt sich allerdings
selbst bei dieser Simulationslänge nicht beantworten. Es bleibt festzuhalten, dass, sobald
zusätzliche Zinkionen die Bildung von Oxoionen fördern, kaum freie Hydroxidionen auf
der Oberfläche verbleiben. Die Zahl der freien Hydroxidionen wird hauptsächlich durch
die Wahrscheinlichkeit bestimmt, ein weiteres Hydroxidion zu finden. Selten werden
Konfigurationen beobachtet, bei denen benachbarte Hydroxidionen lange Zeit stabil
sind, ohne zu reagieren. Dies tritt eigentlich nur an Ecken auf, an welchen entstehende
Oxoionen stark unterkoordiniert wären.
Der zweite auffällige Aspekt des Wachstums ist die ungleichmäßige Bildung der neuen
Lagen. Entgegen der einfachsten Annahme bildet sich nicht eine Monolage, welche komplett gefüllt wird, sondern es entsteht eine klare Wachstumskante. In Abb. 3.22 ist das
Wachstum der einzelnen Schichten hervorgehoben. Lange bevor die erste Monolage gefüllt
ist, bildet sich bereits die zweite Lage auf der ersten. Es entsteht eine relativ deutliche
Wachstumskante mit einer bevorzugten Ausrichtung. Mehrere Lagen bilden durch diese
Kante eine neue Oberfläche, welche mit der (1 0 1 0)-Fläche identisch ist. Durch die hexagonale Symmetrie von ZnO im Wurtzittyp besitzt der Kristall eine sechsfache Drehachse
entlang [0 0 0 1], womit gilt {1 0 1 0}=((±10 ∓ 10) ≡ (±1 ∓ 100) ≡ (0 ± 1 ∓ 10)). Die enstehende Wachstumskante ist also nichts anderes als eine weitere unpolare Oberfläche
im 60◦ -Winkel zur bisherigen Fläche. Daher gibt es kaum Stabilitätsverlust durch die
neue Wachstumskante; die verbleibenden Triebkräfte zur Füllung der Monolagen sind
das Vermeiden von Ecken und die Reduktion der Gesamtoberfläche.
1
dies entspricht ca. 33 Zn2+ und 67 OH– Ionen bzw. 1/3 einer hypothetischen Monolage
150
3.4 Oberflächenwachstum
Trotz der periodischen Begrenzungen der Simulationszelle konnte nicht beobachtet
werden, wie mehrere Wachstumskanten miteinander verschmelzen. Eine zu kleine Simulationszelle würde ein ebenes Oberflächenprofil begünstigen. Dies ist ein weiteres Indiz
für die besondere Stabilität der Wachstumskante. Der vorgeschlagene Wachstumsmechanismus ist in Abb. 3.23 zusammengefasst.
s=0
s=255
s=474
s=942
10
5
0
−5
−10
−15
0
250 500 750
Wachstumsschritt
1000
Anzahl der OH– Ionen
Gesamtladung / e
Abbildung 3.20: Seitliche Ansicht (Blickrichtung [0 0 0 1]) des Wachstums auf einer (1 0 1 0)Oberfläche. Die Wachstumsstufe s gibt die Anzahl der Assoziationsschritte an. Es wurden
möglichst repräsentative Strukturen zum Illustrieren des Wachstumsmechanismus gewählt. Das
Wachstum erfolgt nicht schichtweise, sondern durch Ausbildung einer Wachstumskante, welche
langsam propagiert und die Lagen auffüllt.
100
80
60
40
20
0
0
250 500 750
Wachstumsschritt
1000
Abbildung 3.21: Entwicklung der Oberflächenladung und der Anzahl der OH– -Ionen während
des Wachstums auf der (1 0 1 0)-Oberfläche. Die Ladung schwankt stark und kann teilweise
Werte von +5 e bis −14 e annehmen. Die Zahl der OH– Ionen sinkt sehr schnell (innerhalb von
100 Wachstumschritten) durch Reaktionen von anfänglich 100 Ionen (Startoberfläche) auf ein
Gleichgewicht von 10 bis 15 Ionen.
151
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
s=169
s=264
s=402
s=571
s=736
s=890
Abbildung 3.22: Schichtbildung während des Wachstums auf einer (1 0 1 0)-Oberfläche. Zinkund Sauerstoffatome sind nach Schichten eingefärbt, angefangen bei der initialen Grundschicht
(graue Atome). Die neue Schicht bildet eine Wachstumskante welche sich langsam vergrößert.
Noch bevor eine Monolage vollständig ist, bildet sich bereits die nächste Schicht.
1. Monolage
[0 1 1 0]
∈h1 0 1 0i [1 0 1 0]
Grundschicht
2. Monolage
1. Monolage
Grundschicht
Abbildung 3.23: Schematische Darstellung des Wachstums auf der unpolaren (1 0 1 0)Oberfläche. Zunächst bildet sich epitaktisch durch Abscheidung und Reifung von Zn2+ und
OH– eine neue Monolage von ZnO. Diese Schicht wächst zwar in die Breite, doch ab einer
gewissen Größe bildet sich bereits eine zweite Monolage, noch bevor die erste Monolage vollständig geschlossen ist. Die entstehende Wachstumskante ist kristallographisch identisch mit
der (1 0 1 0)-Fläche, die Stabilitäten sollten daher gleich sein. Die Triebkräfte zur Auffüllung
der Lagen sind die Vermeidung der Eckenenergie und die Minimierung der Oberfläche.
152
3.4 Oberflächenwachstum
3.4.1.2 (0 0 0 1)-Oberfläche
Das Wachstum auf der polaren (0 0 0 1)-Oberfläche (Abb. 3.24) ähnelt grundsätzlich
dem Wachstum auf den unpolaren Oberflächen. Wieder erfolgt eine nahezu quantitative
Umsetzung der Hydroxidionen innerhalb von 150 Wachstumsschritten (Abb. 3.25). Das
Gleichgewicht liegt bei 10 bis 15 Ionen, dies entspricht 0,01 Ionen/Å2 bis 0,02 Ionen/Å2 .
Es bestätigt sich damit der stochastische Ursprung der Ionendichte, da dieses Ergebnis
dem auf der unpolaren (1 0 0 1)-Oberfläche stark ähnelt – trotz verschiedener Protonentransferenergien. Die gesamte Oberflächenladung schwankt zwischen ±14 e, wobei
keinerlei spezielle Tendenzen zu erkennen sind. Die atomaren Mechanismen scheinen
bei der unpolaren und polaren Oberfläche sehr ähnlich zu sein (mit Außnahme der
epitaktischen Orientierung).
Bei der Selbstorganisation hingegen treten größere Unterschiede zu Tage. So bilden sich
zwar wie bei der (1 0 1 0)-Oberfläche mehrere Monolagen bevor die erste geschlossen wird,
aber klare Wachstumskanten sind nicht zu identifizieren. Vielmehr scheint es, dass sich
einzelne, kleine „Inseln“ bilden, welche zusammenwachsen (Abb. 3.26). Durch das Fehlen
einer bevorzugten Kristallebene für die entstehenden Kanten ist die Triebkraft für flache,
geschlossene Flächen höher und die polaren Oberflächen sind weniger rau während des
Wachstums (im Vergleich zu der unpolaren Oberfläche).
s=0
s=258
s=732
s=969
Abbildung 3.24: Seitliche Ansicht (Blickrichtung [1 0 1 0]) des Wachstums auf einer (0 0 0 1)Oberfläche. Die Wachstumsstufe s gibt die Anzahl der Assoziationsschritte an. Es wurden
möglichst repräsentative Strukturen zum Illustrieren des Wachstumsmechanismus gewählt. Das
Wachstum erfolgt durch Bildung kleiner „Inseln“, welche wachsen und sich schließlich vereinen.
153
15
10
5
0
−5
−10
−15
0
250 500 750
Wachstumsschritt
1000
Anzahl der OH– Ionen
Gesamtladung / e
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
60
40
20
0
0
250 500 750
Wachstumsschritt
1000
Abbildung 3.25: Entwicklung der Oberflächenladung und der Anzahl der OH– Ionen während
des Wachstums auf der (0 0 0 1)-Oberfläche. Die Ladung schwankt stark und kann teilweise
Werte von +13 e bis −14 e annehmen. Die Zahl der OH– Ionen sinkt sehr schnell (innerhalb
von 150 Wachstumschritten) durch Reaktionen von anfänglich 50 Ionen (Startoberfläche) auf
ein Gleichgewicht von 10 bis 15 Ionen.
s=90
s=252
s=676
s=511
s=922
Abbildung 3.26: Schichtbildung während des Wachstums auf einer (0 0 0 1)-Oberfläche. Zinkund Sauerstoffatome sind nach Schichten eingefärbt, angefangen bei der initialen Grundschicht
(graue Atome). Neue Atome bilden Inseln, welche sich allmählich vereinen. Noch bevor eine
Monolage vollständig ist, bildet sich bereits die nächste Schicht.
154
3.4 Oberflächenwachstum
3.4.2 Wachstumskontrolle
Im vorangegangenem Kapitel wurde die Frage des Wachstumsmechanismus auf den
Oberflächen untersucht. Ein zweite Aspekt ist der Einfluss von Additiven in der Synthese
bzw. Simulation.
3.4.2.1 Ethanol
Bereits beim „ungestörten“ Wachstum tritt eine Form der Stabilisierung der Grenzflächen
zwischen Zinkoxid und Lösungsmittel auf. Ethanol ist ein polares Molekül und kann
damit lokale Ladungen auf den Oberflächen partiell kompensieren. Tatsächlich treten
bereits bei dieser Art der Stabilisierung signifikante Unterschiede zwischen den Oberflächentypen auf. Um dies zu illustrieren, ist in Abb. 3.27 das jeweilige Dichteprofil der
Lösung dargestellt. In beiden Fällen bildet sich eine geordnete Schicht von adsorbierten
Ethanolmolekülen, welche zur Stabilisierung der Oberflächen beiträgt. Während bei der
unpolaren (1 0 1 0)-Oberfläche diese Schicht immer noch die Dynamik einer Flüssigkeit
zeigt, ist die Schicht auf der polaren (0 0 0 1)-Oberfläche stark geordnet und immobilisiert.
Bei näherer Betrachtung zeigt sich als Hauptunterschied (neben der Struktur) zwischen
den Oberflächen die Zahl der exponierten Oxoionen. Die Bindung der Ethanolmoleküle
erfolgt über eine Wasserstoffbrücke, welche deutlich stärker zu einem Oxoion als zu
einem Hydroxidion ist. Tatsächlich hat eine komplett hydroxidfreie (1 0 1 0)-Oberfläche
ein ähnlich scharfes Dichteprofil wie die (0 0 0 1)-Oberfläche. Dieser Unterschied kann
zudem sehr gut in der freien Bindungsenergie verfolgt werden. Dazu wurde ein umbrella
sampling eines Ethanolmoleküls als Funktion des Abstandes zur (1 0 1 0)-Oberfläche mit
und ohne Hydroxidionen durchgeführt (siehe Abb. 3.28). Dabei zeigt sich eine Differenz
in den Energien von einer Größenordnung. Ein ähnlicher Vergleich kann bei der polaren
Oberfläche nicht gemacht werden, da die hydroxidionfreie (0 0 0 1)-Oberfläche nicht stabil
genug ist.
Zwei wichtige Erkenntnisse lassen sich aus diesen Ergebnissen gewinnen: erstens stabilisieren bereits Ethanolmoleküle die Oberflächen erheblich und auch ohne zusätzliche
Additive kann das Wachstum nicht als wirklich „frei“ betrachtet werden. Zweitens hängt
die Stärke der Stabilisierung beträchtlich von der Anzahl der Hydroxidionen auf der
Oberfläche ab. Dies ist besonders in Verbindung mit den Beobachtungen aus den Wachstumssimulationen wichtig, bei welchen die Hydroxidionenkonzentration stark abfiel. Viele
Arbeiten in der Literatur schätzen die Stärke der Stabilisierung durch Energieberechnungen auf idealen Modelloberflächen (meist sogar ohne explizite Lösungsmittelphase)
155
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
(0 0 0 1)
z/Å
(1 0 1 0)
z/Å
ab. Es ist bekannt, dass diese einfachen Energien nur ein grobes Bild der Stabilisierung
zeichnen. Im Folgenden werden daher bei der Betrachtung der Additive vor allem aus
den Wachstumssimulationen gewonnene Oberflächen verwendet.
14
12
10
8
6
4
2
0
14
12
10
8
6
4
2
0
0 1 2 3 4 5
ρOHEt
0 1 2 3 10 11
ρOHEt
Abbildung 3.27: Darstellung der Schichten von Ethanolmolekülen über den idealen Oberflächen. Zusätzlich ist das zeitlich gemittelte, normierte Dichteprofil der Sauerstoffatome der
Ethanolmoleküle aufgetragen. Deutlich kann man bei beiden Oberflächentypen die Ausbildung
eine geordneten Schicht beobachten. Bei der polaren (0 0 0 1)-Oberfläche ist die Strukturierung
besonders deutlich und es tritt kaum Austausch von Ethanolmolekülen im Mittelungszeitraum
(10 ps) auf.
156
PMF / eV
3.4 Oberflächenwachstum
1,2
1
0,8
0,6
0,4
0,2
0
−0,2
−0,4
Hydroxiliert
Nicht hydroxiliert
0
1
2
3
4
5
6
Abstand zur Oberfläche / Å
7
Abbildung 3.28: Berechnung des PMF mittels umbrella sampling für ein Ethanolmolekül als
Funktion des Abstandes zur idealen (1 0 1 0)-Oberfläche. Verglichen wurden die hydroxidfreie
und die vollständig hydroxylierte Oberfläche. Der Gehalt an Hydroxidionen auf der Oberfläche
hat erheblichen Einfluss auf die Bindungsstärke. Bei der hydroxylierten Oberfläche liegt lediglich
eine schwache Bindung (∼0,05 eV) vor. Ohne Hydroxidionen ist die Bindung hingegen wesentlich
stärker (∼0,3 eV) und es existiert eine hohe Barriere (∼0,5 eV), welche die Adsorption und
Desorption verlangsamt.
157
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
3.4.2.2 Acetation und 2-Ethylhexanoation
Oberflächenwachstum Ac und 2EH werden in Synthesen häufig als Zinksalz und
damit im stöchiometrischen Verhältnis eingetragen. Um den Einfluss auf das Wachstum
zu untersuchen, bieten sich daher Wachstumssimulationen mit gleichzeitigem Abscheiden
von Ac bzw. 2EH an. Dazu wurde neben Zn2+ und OH– zusätzlich das entsprechende
Anion als mögliches neues Material hinzugefügt. Die resultierenden Oberflächen sind
in Abb. 3.29 dargestellt. Beide Anionen schirmen die jeweiligen Oberflächen nach etwa
100 Wachstumsschritten komplett ab. Durch die hohe Affinität zur ionischen Oberfläche
bleiben abgeschiedene Anionen permanent haften und ändern ihre planaren Positionen
kaum noch. Des Weiteren werden freie Hydroxidionen gebunden und können nicht
mehr reagieren. Insgesamt kommt das epitaktische Wachstum zum Erliegen. Dies ist in
Übereinstimmung mit experimentellen Beobachtungen, bei welchen sowohl Ac als auch
2EH gute Stabilisatoren für kleine Nanopartikel sind (siehe z.B. [187]). Es konnten keine
grundsätzlichen Unterschiede in den Mechanismen der Stabilisierung festgestellt werden,
weder nach Anionen noch nach Oberflächen. Wenn das Wachstum trotz Abschirmung
fortgesetzt wird, bilden sich Zinkhydroxidcluster auf bzw. in der organischen Schicht
(Abb. 3.30). Ob eine epitaktische Reorganisation stattfinden kann, wurde durch eine
lange (20 ns) simulated annealing Simulation bei 500 K getestet. Es konnte weder eine
erhöhte Mobilität der Anionen noch eine signifikante Änderung der Struktur beobachtet
werden. Wahrscheinlich werden solche Cluster letztendlich desorbieren oder sich wieder
auflösen.
Bindungszustand Die Bindungsverhältnisse der Anionen sind auf den beiden idealen
Oberflächen sehr ähnlich. Im Wesentlichen ensteht eine Bindung über die Carboxylatgruppe und die Zinkatome auf der Oberfläche (Abb. 3.31). Dabei ist der Abstand
der Zinkatome auf der Oberfläche klein genug, so dass jeweils ein Sauerstoff der Carboxylatgruppe mit einem anderen Zinkatom binden kann. Generell ist 2EH etwas stärker
gebunden als Ac. Die stärkere Bindung auf der (0 0 0 1)-Oberfläche widerspricht scheinbar
der allgemeinen Beobachtung von stäbchenförmigen Nanopartikeln. Solche hexagonalen
Stäbchen weisen eine besonders hohen Anteil von unpolaren {1 0 1 0}-Flächen auf. Dabei
darf natürlich nicht die allgemein höhere Stabilität von {1 0 1 0}-Oberflächen vergessen
werden. Der Unterschied der Spaltenergie zwischen den Flächentypen beträgt etwa 2 eV
und die Energie pro Formeleinheit ZnO unterscheidet sich bereits um etwa 0,1 eV [207].
Die generell starke Adsorption von Ac und 2EH in allen Fällen lässt den Schluss zu,
158
3.4 Oberflächenwachstum
dass der Habitus der Kristalle durch die thermodynamische Stabilität und nicht durch
kinetische Hinderung entsteht.
Es zeigt sich bei der Adsorption wieder eine starke Abhängigkeit des freien Energieprofils vom Gehalt der Hydroxidionen auf der Oberfläche. Zur Illustration ist das PMF
für ein Acetation über der (1 0 1 0)-Oberfläche in Abb. 3.32 dargestellt. Die Energiedifferenz zwischen den Zuständen auf der Oberfläche und in Lösung ist mit oder ohne
Hydroxidionen identisch. Dies ist leicht nachzuvollziehen, bedenkt man die Natur der
Bindung über die Wechselwirkung zwischen der Carboxylatgruppe und Zinkatomen. Der
Zahl der Wasserstoffatome für Wasserstoffbrücken spielt dabei keine Rolle für die Bindungsstärke. Allerdings ändert sich das Dichteprofil des Lösungsmittels und es entsteht
bei fehlenden Hydroxidionen eine stark lokalisierte Ethanolschicht über der Oberfläche
(vergleiche Abschnitt 3.4.2.1). Diese Schicht verursacht eine hohe Energiebarriere, welche
erst überwunden werden muss, bevor das Anion adsorbieren kann. Bei der Oberfläche mit Hydroxidionen fehlt diese Barriere vollständig. All diese Faktoren beeinflussen
sich gegenseitig und die Adsorptionskinetik wird nicht nur durch die Natur des Anions
bestimmt. Durch die Abschirmung mit Stabilisatoren wird die Reaktion von Hydroxidionen behindert. Diese Ionen wiederum erleichtern die Adsorption (und Desorption) von
neuen Molekülen. Welcher der Effekte dominiert, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht
beantwortet werden.
159
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
2-Ethylhexanoation
Acetation
(1 0 1 0)
(0 0 0 1)
(1 0 1 0)
(0 0 0 1)
Abbildung 3.29: Abbildung der Oberflächen nach etwa 100 Wachstumsschritten unter Zugabe
von Acetationen (gelb) und 2-Ethylhexanoationen (orange) im stöchiometrischen Verhältnis.
Die initialen Oberflächen sind grau eingefärbt und neues Material entsprechend des Atomtyps
(Zink cyan, Sauerstoff rot). Das Lösungsmittel ist nicht dargestellt. Beide Additive blockieren
jedes weitere Wachstum vollständig und man sieht, dass kaum Material abgeschieden werden
konnte. Dabei sind beide Oberflächentypen gleich gut abgeschirmt.
Abbildung 3.30: Zn(OH)2 Clusterbildung auf einer mit Acetationen abgeschirmten (0 0 0 1)Oberfläche. Das Lösungsmittel ist nicht dargestellt.
160
3.4 Oberflächenwachstum
2-Ethylhexanoation
Acetation
∼0,7 eV
∼0,9 eV
∼0,9 eV
∼1,1 eV
(1 0 1 0)
(0 0 0 1)
(1 0 1 0)
(0 0 0 1)
Abbildung 3.31: Bindungszustand des Acetations und 2-Ethylhexanoations auf den idealen,
thermodynamisch stabilen ZnO-Oberflächen (Lösungsmittel nicht dargestellt). Die Bindung
erfolgt über die Carboxylatgruppe. Zusätzlich sind die freien Bindungsenergien (mittels umbrella
sampling bestimmt) angegeben.
2
Hydroxiliert
PMF / eV
1,5
Nicht hydroxiliert
1
0,5
0
−0,5
−1
0
1
2
3
4
5
6
Abstand zur Oberfläche / Å
7
Abbildung 3.32: Berechnung des PMF mittels umbrella sampling eines Acetations als Funktion
des Abstandes zur idealen (1 0 1 0)-Oberfläche. Verglichen wurden die Hydroxid-freie und die
vollständig hydroxylierte Oberfläche. Der Gehalt an Hydroxidionen auf der Oberfläche hat
keinen Einfluss auf die Bindungsstärke. Ein großer Unterschied offenbart sich bei der Barriere.
Die Adsorption auf der hydroxidfreien Oberfläche ist kinetisch gehemmt, auf der hydroxylierten
ist sie hingegen barrierefrei.
161
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
3.4.2.3 Citration
Die Untersuchung des stabilisierenden Einflusses von Cit lässt sich nicht in derselben Art
und Weise bewerkstelligen wie beim Ac oder 2EH. Cit wird meist nicht als Zinksalz,
sondern zusätzlich als Alkalisalz unterstöchiometrisch zur Synthese beigegeben. Zusätzlich
ist der Protonierungsgrad des Molekülanions nicht bekannt. Auch wenn als Edukt meist
Na3 Cit eingesetzt wird, ist nicht sicher, ob nicht eine (Teil-)Protonierung durch andere
Reaktanten erfolgt. Den Protonierungsgrad innerhalb einer Simulation (mit z.B. dem
multistate empirical valence bond Modell [208]) zu kontrollieren, ist für lange Simulationen
ungeeignet. Tatsächlich besteht aber eine nachweisliche Abhängigkeit der Wirkung von
Citrationen und dem pH-Wert der Lösung [209]. Als einfachster Grenzfall wurde daher
in dieser Arbeit nur die komplett deprotonierte Form gewählt. Die Implikationen eines
höheren Protonierungsgrades werden anschließend diskutiert.
Um die Problematik von Protonierungsgrad und unbekanntem (variierendem) Verhältnis von Cit zu Zn(OH)2 zu umgehen, wurde keine direkte Wachstumssimulation
unter konstanter Beigabe von Molekülanionen durchgeführt. Stattdessen wurden Wachstumssimulationen der Oberflächen mit einem einzigen bereits adsorbierten Citration
durchgeführt. Ziel war es, dessen Verhalten und die Beeinflussung des Wachtums auf der
Oberfläche in diesem stark unterstöchiometrischen Szenario zu studieren.
Oberflächenwachstum Im Falle der polaren (0 0 0 1)-Oberfläche verhält sich das Citration wie bereits das Acetat- oder 2-Ethylhexanoation (Abb. 3.34). Es bindet fest an
der initialen Position und zeigt keinerlei Mobilität. Als Konsequenz dessen behindert es
das Wachstum in seinem Wirkungskreis – aber nicht darüber hinaus. Die enstehenden
Monolagen füllen sich auf, bis das Molekülanion tatsächlich „begraben“ wird. Es kann
keinerlei Relokalisierung beobachtet werden. Diese Beobachtung ist mit Vorsicht zu
genießen, da die absolute Simulationsdauer begrenzt ist. Die Diffusion ist offensichtlich
sehr langsam und das „Zuwachsen“ des Cit könnte eine Folge der hohen Abscheiderate
im Vergleich zur kurzen Simulation sein.
Ein anderes Bild bietet sich beim Wachstum auf der unpolaren (1 0 1 0)-Oberfläche
(Abb. 3.33). Scheinbar im Widerspruch zur größeren Assoziationsenergie ist hier eine
hohe Mobilität des Cit entlang der Oberfläche zu beobachten. Es „wandert“ während
des Wachstums zu den neu entstehenden Inseln. Diese Beweglichkeit hält an, bis sich
wieder die bereits bekannte Wachstumskante bildet. An dieser Kante adsorbiert das
Citration und blockiert so deren Propagation zumindest lokal. Die Bindung ist ab diesem
162
3.4 Oberflächenwachstum
1.
2.
3.
4.
Abbildung 3.33: Wachstum der (1 0 1 0)-Oberfläche mit einem adsorbierten Citration (gelb).
Die initialen Oberflächen sind grau eingefärbt und neues Material entsprechend des Atomtyps
(Zink cyan, Sauerstoff rot). Das Lösungsmittel ist nicht dargestellt. Es kann eine erhöhte
Mobilität des Cit beobachtet werden, welches rasch zu der neu enstehenden ZnO Schicht
„wandert“ (1. und 2. Abbildung). Dabei ist es bald stark an der Wachstumskante lokalisiert
und ändert seine Position ab Erreichen dieser kaum noch (3. und 4. Abbildung).
1.
2.
3.
4.
Abbildung 3.34: Wachstum der (0 0 0 1)-ZnO Oberfläche mit einem adsorbierten Citration
(gelb). Die initialen Oberflächen sind grau eingefärbt und neues Material entsprechend des
Atomtyps (Zink cyan, Sauerstoff rot). Das Lösungsmittel ist nicht dargestellt. Während des
gesamten Wachstums ändert das Cit seine Position nicht. Es blockiert weiteres Wachstum
lokal und wird letztlich „begraben“.
Zeitpunkt so stark, dass es wie schon im polaren Fall seine Position nicht mehr verändert.
Auch hier wird es letztendlich „eingegraben“.
Bindungszustand Der Bindungszustand ist auf beiden Oberflächen ähnlich (Abb. 3.35)
und vergleichbar mit Ac und 2EH. Zwei der drei Carboxylatgruppen binden an Zinkatome. Neben dieser zweizähnigen Bindung existieren auch Zustände, in welchen alle
drei Carboxylatgruppen auf der Oberfläche binden. In diesen Fällen sind allerdings
durch die intramolekulare Spannung nicht alle Gruppen fest gebunden (z.B. über nur
ein Sauerstoffatom oder verlängerte Bindungsabstände) und es handelt sich zumeist
um einen temporären Zwischenzustand. Dieser Übergangszustand ermöglicht dem Cit
allerdings seine Mobilität auf der (1 0 1 0)-Oberfläche. Schematisch ist dieser Bewegungsmechanismus in Abb. 3.36 dargestellt. Prinzipiell sollte diese Bewegung auf beiden
163
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
∼1,8 eV
∼1,6 eV
(1 0 1 0)
(0 0 0 1)
Abbildung 3.35: Bindungszustand des Citration auf den ZnO-Oberflächen (Lösungsmittel
nicht dargestellt). Die Bindung erfolgt über zwei der drei Carboxylatgruppen. Zusätzlich sind
die freien Bindungsenergien (mittels umbrella sampling bestimmt) angegeben.
Abbildung 3.36: Schematische Darstellung der Diffusion eines Citration auf einer ZnOOberfläche. Der stabile zweizähnige Zustand geht dabei reversibel in einen instabilen dreizähnigen über.
Oberflächen funktionieren, da die mittleren Abstände der Zinkionen relativ ähnlich sind.
Allerdings schließt die (0 0 0 1)-Oberfläche durch ihre polare Natur mit einer Schicht
Sauerstoffatome bzw. Hydroxidionen ab. Da die Zinkionen dadurch erst die zweite Lage
auf der Oberfläche bilden, sind die Barrieren für die Desorption und Adsorption einzelner
Carboxylatgruppen anscheinend höher als auf der (1 0 1 0)-Oberfläche.
Um die Bindungszustände während des Wachstums der Oberflächen zu verstehen, ist die
flache Oberfläche kein geeignetes Referenzsystem. Stattdessen wurde zusätzlich die Adsorption auf während des Wachstums auftretenden, rauen Oberflächen untersucht. Diese
rauen Oberflächen stammen direkt aus den Simulationen zum ungestörten Oberflächenwachstum (Abschnitt 3.4.1) nach 600 Schritten. Als erstes wurden mögliche Bindungskonfigurationen auf den Oberflächen gesucht. Dazu wurde 400 mal ein Cit abgeschieden
und überprüft, welche Adsorptionsstelle es einnimmt. Die Abscheidesimulationen waren
dabei völlig analog zum Kawska-Zahn-Schema, lediglich die Simulationsdauer war deutlich verkürzt (30 ps). In Abb. 3.37 sind die resultierenden Häufigkeitsprofile dargestellt.
Zum Vergleich wurden auch entsprechend die Profile der Abscheidung eines Acetations
164
3.4 Oberflächenwachstum
bestimmt. Als erstes fällt die inhomogene Verteilung der Adsorptionswahrscheinlichkeiten
der Anionen auf. Besonders bei der (1 0 1 0)-Oberfläche ist die Wachstumskante deutlich
in den Häufigkeitsdichten wiederzufinden. Offensichtlich bevorzugen Citrationen eine
Bindung an dieser Kante. Auch bei der (0 0 0 1)-Oberfläche binden die Anionen verstärkt
an Kanten von Inseln. Allerdings sind nicht alle Kanten gleichermaßen bevorzugt.
Eine optimale Adsorption ist immer dann gewährleistet, wenn viele exponierte, d.h.
unterkoordinierte Zinkionen von allen Carboxylatgruppen erreicht werden können. Um
dies zu illustrieren wurden zwei Konfigurationen aus den vorangegangen Simulationen
gewählt und die potentielle Energie für 5 ns bei 300 K gemittelt (Abb. 3.38). Die Bindungsenergien zeigen ein sehr deutliches Bild. Auch wenn die räumlichen Positionen
der beiden Beispielkonfigurationen sehr nah beieinander liegen, unterscheiden sich die
Bindungsenergien um mehr als 100 %. Es ist anzumerken, dass die absoluten Stärken
aufgrund der Überschätzung der ionischen Anteile des Kraftfelds wahrscheinlich zu hoch
sind. Trotzdem ist der relative Energieunterschied der Konfigurationen ein klares Indiz
für die Bevorzugung von Zuständen mit drei gebundenen Carboxylatgruppen. Zudem
spielt die Zahl der gebundenen, stark unterkoordinierten Zinkionen eine große Rolle.
Zinkionen, die nur wenige Oxo- oder Hydroxidionen in ihrer direkten Nachbarschaft
besitzen, binden deutlich stärker als mehr gesättigte Ionen. Citrationen versuchen, möglichst viele unterkoordinierte Zinkionen gleichzeitig zu binden. Solche Szenarien finden
sich ausschließlich an Kanten, wie sie beim Wachstum beobachtet werden. Es bestätigt
sich damit das Bild, dass ein Citration bevorzugt Kanten und Ecken stabilisiert und
damit das Wachstum beeinflusst. Auch das vergleichende Acetation zeigt ebenso eine
Selektivität, welche allerdings nicht ausgeprägt ist. Es werden generell – wie beim Citrat
– unterkoordinierte Zinkionen bevorzugt, allerdings ohne, dass deren Position (Kante,
Ecke, Fläche etc.) auf der Oberfläche eine Rolle spielt.
Im Hinblick auf die Arbeiten von Tian et al. [185] könnte dieses Verhalten eine Erklärung
für die Form der Nanopartikel unter Zugabe von Citrationen geben. Es wurde beobachtet,
dass mit steigender Konzentration von Citrat der Anteil von polaren Oberflächen steigt
und der Habitus sich von Stäbchen zu Plättchen wandelt. Zusätzlich werden die unpolaren
Oberflächen zunehmend zerklüftet. Möglicherweise blockiert das Citration durch die
geringe Mobilität das Wachstum auf den polaren Oberflächen vollständig, während auf
den unpolaren Oberflächen die Anionen zu den Kanten diffundieren und damit deren
Bildung gezielt fördert. Dies könnte die beobachtete Zerklüftung der unpolaren Flächen
erklären.
165
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
Zuletzt soll der Einfluss des pH-Wertes diskutiert werden. Dies ist auf verschiedene
Arten denkbar. Zunächst führt eine Teilprotonierung der Carboxylatgruppen zu Bindungsverhältnissen, welche mehr dem Ac oder 2EH ähneln. Das Dihydrogencitration
sollte sich ähnlich zum 2EH verhalten. Auf der anderen Seite könnte ein intramolekularer
Protonentransfer die Diffusionbewegung der Citrationen erleichtern. Die Protonierung
und Deprotonierung könnte die Adsorption und Desorption einzelner Carboxylatgruppen
begleiten. Der erste Effekt würde die Selektivität von Cit schwächen, der zweite stärken.
Experimente von Zhang et al. [209] zeigten die Plättchenbildung eher bei niedrigeren
pH-Werten. Dies würde auf den zweiten Effekt, die erleichterte Diffusionsbewegung,
deuten. Es also gut denkbar, dass die Beweglichkeit von Cit auf der Oberfläche ein
wesentlicher Faktor der Wachstumskontrolle ist.
166
Citration
3.4 Oberflächenwachstum
(0 0 0 1)
(1 0 1 0)
(0 0 0 1)
Acetation
(1 0 1 0)
Abbildung 3.37: Darstellung der Häufigkeitsverteilung eines Citrations bzw. Acetations auf
rauen Zinkoxidoberflächen (nach 600 Wachstumsschritten). Blaue Areale zeigen Bereiche mit
hoher Abscheidungswahrscheinlichkeit. Zusätzlich wurde jeweils ein Beispiel der Adsorption
aus dem Bereich mit hoher Konfigurationsdichte hervorgehoben. Die Berechnung erfolgte mit
400 parallelen Abscheidungssimulationen (aus einem Abstand von 7 Å für 30 ps). Es zeigt sich
deutlich, dass keine homogene Verteilung der Adsorptionsstellen vorliegt.
167
Norm. Häufigkeitsdichte
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
0,4
0,35
0,3
0,25
0,2
0,15
0,1
0,05
0
−10
−8
−6
−4
−2
0
Epot − Epot / eV
0
2
4
Abbildung 3.38: Vergleich zweier Adsorptionskonfigurationen auf der rauen (1 0 1 0)Oberfläche (nach 600 Wachstumsschritten). Dargestellt ist die normalisierte Häufigkeitsdichte
0 bei
W der potentielle Energie Epot relativ zur mittleren Energie eines freien Cit in Lösung Epot
300 K. Die erste Konfiguration (blau) stellt eine Bindung auf einer relativ planen Oberfläche
dar. Entsprechend ist die mittlere Bindungsenergie (∼ 2,2 eV) nah an der Bindungsenergie auf
der „perfekten“ (1 0 1 0)-Oberfläche (∼ 1,8 eV). Bei der zweiten Konfiguration (grün) befindet
sich das Cit an einer Kante und kann mit allen drei Carboxylatgruppen binden. Die mittlere
Bindungsenergie ist mehr als doppelt so stark (∼ 5,6 eV). Farbig sind dabei exponierte, d.h.
stark unterkoordinierte Zinkionen dargestellt (violett). Solche Zinkionen haben eine erhöhte
Bindungsaffinität.
168
3.4 Oberflächenwachstum
3.4.2.4 n-Hexylamin
n-Hexylamin ist ein exemplarischer Vertreter nichtionischer Stabilisatoren. Die Stabilisierung von Zinkoxidoberflächen durch HA in Ethanol unterscheidet sich deutlich von bisher
untersuchten Molekülanionen. Ein großer Teil der Untersuchungen zu HA wurde von
Achim Brunch durchgeführt und in seiner Bachelorarbeit [210] dokumentiert. An dieser
Stelle soll daher nur eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse stehen. Als
neutrales Molekül bindet n-Hexylamin deutlich schwächer an die Oberflächen als die
ionischen Moleküle. Zuerst wurden Bindungsstärke und -zustand analog zu den vorangegangen Adsorbaten untersucht (Abb. 3.39). Die Adsorption kann allenfalls als schwache
physikalische Bindung beschrieben werden. Dabei liegen die freien Adsorptionsenergien
sehr nah an denen von Ethanolmolekülen.
Als zweiter Test wurde daher der maximale Bedeckungsgrad der ZnO-Oberflächen
getestet. Es stellte sich heraus, dass nur ein geringer Anteil der Oberflächen gleichzeitig
von n-Hexylamin bedeckt werden kann. Bei höherer Bedeckung ist die Wahrscheinlichkeit
einer Desorption größer als die einer weiteren Adsorption. Insgesamt ähnelt die Dynamik
der Ad- und Desorption sehr dem Ethanol. So ist das Dichteprofil wieder abhängig vom
Hydroxidgehalt auf Oberfläche.
Die Ergebnisse decken sich mit den experimentellen Beobachtungen [211]. Das Partikelwachstum wird vom n-Hexylamin, im Vergleich zur additivfreien Referenz, kaum
∼0,07 eV
∼0,16 eV
(1 0 1 0)
(0 0 0 1)
Abbildung 3.39: Bindungszustand des n-Hexylamin auf den ZnO Oberflächen (Lösungsmittel
nicht dargestellt). Die Bindung erfolgt über zwei der drei Carboxylatgruppen. Zusätzlich sind
die freien Bindungsenergien (mittels umbrella sampling bestimmt) angegeben.
169
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
unterscheidbar beeinflusst. Hingegen wird die Agglomeration von größeren Partikeln
behindert. Auch dies deckt sich mit den Simulationen. Ein Bedeckungsgrad von wenigen
Prozent mag nicht ausreichend sein, um die Assoziation von Ionen oder kleinen Clustern
zu verhindern, wohl aber um die Koaleszenz von großen Partikeln zu behindern. Hierbei spielt in Experimenten die Länge des Alkylrestes eine erhebliche Rolle. Allerdings
liegt damit die mutmaßliche Wirkungsweise von n-Hexylamin jenseits der untersuchten
Größenordnungen. Weitergehende Studien dazu müssen durchgeführt werden.
170
3.5 Diskussion und Zusammenfassung
3.5 Diskussion und Zusammenfassung
Im vorangegangen Kapitel wurde versucht, ein tieferes Verständnis für die Mechanismen
des Wachstums bei der Synthese von ZnO durch das Sol-Gel-Verfahren zu gewinnen.
Bereits beim ersten Schwerpunkt, der Assoziation kleiner Präkursorcluster, zeigt sich eine
hohe Komplexität. Die Simulationen mittels des Kawska-Zahn-Schemas offenbarten eine
durch Li+ und OH– -Ionen unterstützte Agglomeration von Zn4 O(Ac)6 -Clustern. Damit
zeigte sich eine wesentliche Rolle beider Salzionen bei der Stabilisierung früher Aggregate.
Nicht nur OH– , sondern auch Li+ sollte somit zumindest katalytischen Einfluss auf die
Reaktion haben. Eine wichtige Erkenntnis, denn oft wird bei der Planung von Synthesen
die Rolle der Kationen vernachlässigt.
Weitergehende Reifungsreaktionen (z.B. Protonentransfers) konnten innerhalb der
Simulation nicht beobachtet werden. Eine wesentliche Rolle spielte dabei die Abschirmung
der Zn4 O-Einheiten durch Acetationen. In Folge dessen wurde der Versuch unternommen,
mögliche Wachstumsszenarien, ausgehend von den beobachteten Aggregaten, systematisch
zu studieren. Denkbare Reaktionen wurden durch PP-DFT und Kraftfeldrechnungen
analysiert und zu einem Gesamtbild vereint. Zwei Prozesse zeigten sich als mögliche
Teilreaktionen:
• Austausch von Ac– gegen OH–
• Dimerisierung
Der alleinige Austausch der Liganden ist zwar exergonisch, konnte aber nicht massenspektrometrisch nachgewiesen werden. Auf der anderen Seite ist das reine Zn4 O(Ac)6 -Dimer
nur schwach physikalisch gebunden und wahrscheinlich kurzlebig. Schließlich ergab
die Kombination beider Prozesse ein realistisches Bild. Der Austausch stabilisiert ein
Dimer erheblich, so dass es als persistent angesehen werden kann (bestätigt durch
Massenspektren). Zusätzlich entstehen durch das Entfernen der Acetationen neue Assoziierungsvektoren für weiteres Wachstum. Dieses könnte durch Anlagerung von Clustern
oder einzelner Ionen erfolgen. Es handelt sich somit um den möglichen ersten Schritt in
einer Kette von komplexen Reaktionen, welche letztendlich zu kristallinem ZnO führt.
Der zweite Schwerpunkt des Kapitels behandelt das Wachstum bereits existierender
ZnO-Kristalloberflächen durch Assoziation einzelner Ionen. Die beiden Modelloberflächen
– (1 0 1 0) und (0 0 0 1) – zeigten viele Gemeinsamkeiten, aber auch große Unterschiede im
Wachstumsmechanismus. Zunächst kam es auf beiden Oberflächen durch die Abscheidung
von Zn2+ und OH– zur Bildung kleiner, epitaktischer Inseln. Während sich bei der
171
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
unpolaren (1 0 1 0)-Oberfläche aus wenigen Inseln eine Wachstumsfront bildete, entstanden
auf der polaren (0 0 0 1) Oberfläche viele Inseln ohne klare Vorzugsorientierung. Beide
Oberflächentypen sind während des Wachstums relativ rau und es werden die Schichten
nicht Monolage für Monolage gefüllt. Vielmehr bilden sich früh zweite und dritte Lagen,
während sich die erste noch füllt.
Ein weiterer Aspekt des Wachstums war die Konzentration der freien Hydroxidionen auf
der Oberfläche. Während ZnO-Oberflächen im thermodynamischen Gleichgewicht einen
hohen Anteil an OH– aufweisen, fiel dieser im Verlauf des Wachstums stark ab. Dieser
Fakt ist in sofern wichtig, als dass die Gegenwart von Wasserstoff das Bindungsverhalten
wachstumssteuernder Moleküle und des Lösungsmittels beeinflussen kann. So wurden
Ethanolmoleküle deutlich stärker gebunden, wenn keine Hydroxidionen vorhanden sind.
Neben dem ungestörten Wachstum war es auch möglich, die Wirkungsweise von Additiven zu untersuchen. Das ungeladene Molekül n-Hexylamin bindet sehr schwach auf
der Oberfläche und wirkt ähnlich wie das Lösungsmittel Ethanol. Es könnte größere
Partikel vor Koaleszenz bewahren, die Assoziation einzelner Ionen oder kleiner Cluster
verhindert es jedoch nicht. Eine deutlich stärkere Bindung zu den Oberflächen bildet
das Acetat- und das 2-Ethylhexanoation. Letztendlich haften sie derart fest, dass die
Oberflächen komplett abgeschirmt wurden und jedes weitere Wachstum im Zeitrahmen
der Simulation verhindert wurde. Spezifische Unterschiede zwischen den Oberflächentypen oder den beiden Anionen konnten nicht ausgemacht werden. Damit hängt die
etwas bessere Stabilisierung in experimentellen Arbeiten des 2-Ethylhexanoations mit der
besseren sterischen Abschirmung durch den voluminöseren aliphatischen Rest zusammen.
Das Aspektverhältnis zwischen polaren und unpolaren Flächen scheint rein durch die
thermodynamische Stabilität und nicht durch kinetische Effekte bedingt zu sein.
Im Gegensatz zu den Anionen mit einer Carboxylatgruppe zeigte die Stabilisierung
durch ein Citration eine deutliche Selektivität. In dem untersuchten unterstöchiometrischen Szenario, war die Mobilität eines Citrations auf der unpolaren Oberfläche deutlich
höher als auf der polaren. Dadurch wurde eine selektive Stabilisierung der entstehenden
Wachstumskanten ausgemacht. Diese Affinität zu Kanten zeigte das Citration durch das
Bestreben, möglichst alle drei Carboxylatgruppen an die Oberfläche zu binden (welches
auf flachen Flächen sterisch gehindert ist). Eine Kombination der unterschiedlichen Mobilitäten und der gezielten Kantenstabilisierung könnte eine Erklärung für experimentell
beobachtete, zerklüftete Partikel mit hohem Anteil polarer Oberflächen sein [185].
Abschließend muss betont werden, dass die vorliegenden Simulationen nur einen Teil
der möglichen Wachstumsszenarien abdecken. Unter vielen experimentellen Bedingungen
172
3.5 Diskussion und Zusammenfassung
treten Vorgänge wie Koaleszenz auf, welche zumindest teilweise auf anderen Mechanismen
basieren könnten. Die in dieser Arbeit gezeigten – mitunter komplexen – Reaktionsmuster
bieten zudem viel Raum für weiterführende Untersuchungen. Wie sieht das Wachstum
auf anderen Oberflächentypen aus (allen voran die polare (0 0 0 1)-Fläche)? Wie ändert
sich der Mechanismus, wenn man größere Aggregate abscheidet? Das Wachstum von
Zinkoxid bleibt ein spannendes Forschungsgebiet und viele an diese Arbeit anknüpfende,
tiefergehende Fragestellungen verbleiben.
173
Schlusswort
Die übergeordnete Zielstellung dieser Arbeit stellt die Modellierung der atomaren Selbstorganisation im Rahmen der Festkörpersynthese dar. Es sollte dabei die komplette
Genese, d.h. die Entstehung und das Wachstum, von Nanopartikeln besser verstanden
werden. Tatsächlich konnte diese Vorgabe in den beiden gewählten Stoffsystemen – Silber
und Zinkoxid – mit einigem Erfolg umgesetzt werden. Die atomaren Details, durch die
Methoden der Computerchemie zugänglich gemacht, offenbarten dabei einmal mehr ihre
große Rolle beim Verständnis von Keimbildungs- und Wachstumsmechanismen. Schaut
man weiter als auf die unmittelbaren Ergebnisse der Arbeit, so eröffnen die gewonnenen Erkenntnisse aber auch neue Perspektiven der Kontrolle von Synthesewegen. Das
Zusammenspiel zwischen Ladungsverteilung, Redoxpotential und Partikelstruktur bei
Silberpartikeln zeigt die Relevanz eines bisher kaum beachteten Aspekts der Syntheseplanung. In geladenen Partikeln verschiebt sich das Gleichgewicht zwischen möglichst kleiner
Oberflächenspannung und günstiger innerer Struktur zugunsten größerer Oberflächen.
Als Konsequenz kann die richtige Wahl des Redoxpotentials die Bildung von sowohl
dichtest gepackten als auch hochverzwillingten Nanopartikeln fördern. Es erscheint wahrscheinlich, dass ähnliche Zusammenhänge bei einer Reihe von anderen Metallen und
unter anderen Synthesebedingungen zu finden sind. Vielleicht ist es in Zukunft durch
Steuerung allein des Redoxpotentials möglich, gezielter den Habitus, die innere Packung
und die Oberflächenbeschaffenheit von Metallnanopartikeln zu kontrollieren.
Der postulierte erste Reaktionsschritt bei der Reifung von Zn4 O(Ac)6 -Clustern könnte
der Ausgangspunkt für das Verständnis eines umfassenden Wachstumsmechanismus sein.
Bereits in dieser Arbeit zeigte sich ein mehrstufiges Reaktionsschema: zunächst erfolgt
eine Aktivierung (unterstützt durch Basenionen) und Aggregation der Cluster. Schließlich
folgen Ligandenaustauschreaktionen (OH– gegen Ac– ), welche weitere Reifungsreaktionen
ermöglichen können. Diese Erkenntnisse sind nicht nur von akademischem Interesse, denn
auch der Entwurf und die Planung von Synthesen im industriellen Maßstab könnten so
verbessert werden. So ist es denkbar, unter anderem die Rolle der bislang nur wenig
untersuchten Gegenionen bei der Reaktion gezielter auszunutzen. Entsprechendes gilt
175
Kapitel 3 Wachstum von Zinkoxid
für die Steuerung des Oberflächenwachstums von Zinkoxid unter Einfluss von Additiven.
Die Ausbildung von Inseln oder sogar gerichteten Wachstumskanten auf den Oberflächen
demonstrierte ein hohes Maß an kollektiver Ordnung. Acetat- und 2-Ethylhexanoationen
können durch Absättigung der Oberfläche dieses Wachstum vollständig unterbinden.
Anders die mehrzähnigen Citrationen, welche durch ihre hohe Mobilität auf der (1 0 1 0)Oberfläche gezielter die entstehenden Kanten blockieren. Triebkraft für diese Selektivität
ist dabei das Bestreben, möglichst optimal alle drei Carboxylatgruppen an die Oberfläche
zu binden. Das gewonnene Verständnis über diese atomaren Vorgänge der Stabilisierung
kann beispielsweise bei der Suche nach selektiveren Additiven genutzt werden.
Diese Arbeit hat eine Reihe bisher unbekannter Einzelheiten der großen Komplexität
der Kristallbildung untersucht: die Reduktion, Assoziation und Selbstorganisation von
Silberionen, die Reaktionswege der Reifung von basischem Zinkacetat und die Assoziation
und Reorganisation von Zinkhydroxid auf Zinkoxidoberflächen inklusive der Kontrolle
durch Additive. Dennoch bleiben aber zahllose Einzelheiten unerforscht. Die eingangs
formulierten Fragen „Wie entstehen Kristalle? Was bestimmt ihre Form, ihr Aussehen oder
ihre Zusammensetzung?“ werden die Wissenschaft wohl noch sehr lange beschäftigen.
176
Literaturverzeichnis
[1] Jansen, Martin: A Concept for Synthesis Planning in Solid-State Chemistry.
Angewandte Chemie (International Ed.), 41(20):3746–3766, Oktober 2002.
[2] Ying, Jackie Y.: Nanostructured Materials. Academic Press, 2001.
[3] Vollath, Dieter: Nanomaterials. WILEY-VCH Verlag, 2008.
[4] Jorgensen, William L. und Julian Tirado-Rives: The OPLS [optimized
potentials for liquid simulations] potential functions for proteins, energy minimizations for crystals of cyclic peptides and crambin. Journal of the American Chemical
Society, 110(6):1657–1666, März 1988.
[5] Jorgensen, William L., David S. Maxwell und Julian Tirado-Rives:
Development and Testing of the OPLS All-Atom Force Field on Conformational
Energetics and Properties of Organic Liquids. Journal of the American Chemical
Society, 118(45):11225–11236, Januar 1996.
[6] Finnis, M. W. und J. E. Sinclair: A simple empirical N-body potential for
transition metals. Philosophical Magazine A, 50(1):45–55, 1984.
[7] Sutton, A. P., M. W. Finnis, D. G. Pettifor und Y. Ohta: The tight-binding
bond model. Journal of Physics C: Solid State Physics, 21(1):35–66, November
1988.
[8] Daw, Murray S. und M. I. Baskes: Embedded-atom method: Derivation and
application to impurities, surfaces, and other defects in metals. Physical Review B,
29(12):6443–6453, Juni 1984.
[9] Foiles, S. M., M. I. Baskes und M. S. Daw: Embedded-atom-method functions
for the fcc metals Cu, Ag, Au, Ni, Pd, Pt, and their alloys. Physical Review B,
33(12):7983–7991, Juni 1986.
177
Literaturverzeichnis
[10] Baskes, M. I.: Modified embedded-atom potentials for cubic materials and impurities. Physical Review B, 46:2727–2742, 1992.
[11] Williams, P. L., Y. Mishin und J. C. Hamilton: An embedded-atom potential for the Cu–Ag system. Modelling and Simulation in Materials Science and
Engineering, 14(5):817–833, Mai 2006.
[12] Mishin, Y., M. J. Mehl, D. A. Papaconstantopoulos, A. F. Voter und
J. D. Kress: Structural stability and lattice defects in copper: Ab initio, tightbinding, and embedded-atom calculations. Physical Review B, 63(22):224106+, Mai
2001.
[13] Karplus, Martin, Michael Levitt und Arieh Warshel: The Nobel Prize
in Chemistry 2013, 2013.
[14] Warshel, A. und M. Levitt: Theoretical studies of enzymic reactions: Dielectric,
electrostatic and steric stabilization of the carbonium ion in the reaction of lysozyme.
Journal of Molecular Biology, 103(2):227–249, 1976.
[15] Cieplak, Piotr, François-Yves Dupradeau, Yong Duan und Junmei
Wang: Polarization effects in molecular mechanical force fields. Journal of Physics:
Condensed Matter, 21(33):333102+, August 2009.
[16] Lybrand, Terry P. und Peter A. Kollman: Water–water and water–ion
potential functions including terms for many body effects. The Journal of Chemical
Physics, 83(6):2923–2933, September 1985.
[17] Applequist, Jon, James R. Carl und Kwok-Kueng Fung: Atom dipole
interaction model for molecular polarizability. Application to polyatomic molecules
and determination of atom polarizabilities. Journal of the American Chemical
Society, 94(9):2952–2960, Mai 1972.
[18] Jeziorski, Bogumil, Robert Moszynski und Krzysztof Szalewicz: Perturbation Theory Approach to Intermolecular Potential Energy Surfaces of van der
Waals Complexes. Chem. Rev., 94(7):1887–1930, November 1994.
[19] Thole, B. T.: Molecular polarizabilities calculated with a modified dipole interaction. Chemical Physics, 59(3):341–350, 1981.
178
Literaturverzeichnis
[20] Caldwell, James W. und Peter A. Kollman: Structure and Properties
of Neat Liquids Using Nonadditive Molecular Dynamics: Water, Methanol, and
N-Methylacetamide. The Journal of Physical Chemistry, 99(16):6208–6219, April
1995.
[21] Cieplak, Piotr, Peter Kollman und Terry Lybrand: A new water potential
including polarization: Application to gas-phase, liquid, and crystal properties of
water. The Journal of Chemical Physics, 92(11):6755–6760, Juni 1990.
[22] Dang, Liem X. und Tsun M. Chang: Molecular dynamics study of water
clusters, liquid, and liquid–vapor interface of water with many-body potentials. The
Journal of Chemical Physics, 106(19):8149–8159, 1997.
[23] Dick, B. G. und A. W. Overhauser: Theory of the Dielectric Constants of
Alkali Halide Crystals. Physical Review Online Archive (Prola), 112(1):90–103,
1958.
[24] Drude, Paul: Lehrbuch der Optik. 1906.
[25] Lewis, G. V. und C. R. A. Catlow: Potential models for ionic oxides. Journal
of Physics C: Solid State Physics, 18(6):1149–1161, 1985.
[26] Jacucci, G., I. R. McDonald und K. Singer: Introduction of the shell model
of ionic polarizability into molecular dynamics calculations. Physics Letters A,
50(2):141–143, 1974.
[27] Mitchell, P. J. und D. Fincham: Shell model simulations by adiabatic dynamics.
Journal of Physics: Condensed Matter, 5(8):1031–1038, Februar 1993.
[28] Lamoureux, Guillaume und Benoît Roux: Modeling induced polarization with
classical Drude oscillators: Theory and molecular dynamics simulation algorithm.
The Journal of Chemical Physics, 119(6):3025–3039, 2003.
[29] Noskov, Sergei Y., Guillaume Lamoureux und Benoît Roux: Molecular
Dynamics Study of Hydration in Ethanol-Water Mixtures Using a Polarizable Force
Field†. The Journal of Physical Chemistry B, 109(14):6705–6713, Februar 2005.
[30] Rappe, Anthony K. und William A. Goddard: Charge equilibration for
molecular dynamics simulations. J. Phys. Chem., 95(8):3358–3363, 1991.
179
Literaturverzeichnis
[31] Mortier, Wilfried J., Swapan K. Ghosh und S. Shankar: Electronegativityequalization method for the calculation of atomic charges in molecules. Journal of
the American Chemical Society, 108(15):4315–4320, Juli 1986.
[32] Mulliken, Robert S.: A New Electroaffinity Scale; Together with Data on
Valence States and on Valence Ionization Potentials and Electron Affinities. The
Journal of Chemical Physics, 2(11):782–793, November 2004.
[33] Zhang, Min und René Fournier: Self-Consistent Charge Equilibration Method
and Its Application to Au13 Nan (n = 1,10) Clusters. The Journal of Physical
Chemistry A, 113(13):3162–3170, 2009.
[34] Louwen, J. und E. Vogt: Semi-empirical atomic charges for use in computational
chemistry of molecular sieves. Journal of Molecular Catalysis A: Chemical, 134(13):63–77, September 1998.
[35] Patel, Sandeep und Charles L. Brooks: CHARMM fluctuating charge force field for proteins: I parameterization and application to bulk organic liquid
simulations. Journal of Computational Chemistry, 25(1):1–16, Januar 2004.
[36] Sanderson, R. T.: An Interpretation of Bond Lengths and a Classification of
Bonds. Science, 114(2973), 1951.
[37] Stillinger, Frank H. und Thomas A. Weber: Computer simulation of local
order in condensed phases of silicon. Physical Review B, 31(8):5262–5271, April
1985.
[38] Tersoff, J.: New empirical approach for the structure and energy of covalent
systems. Physical Review B, 37(12):6991–7000, April 1988.
[39] Tersoff, J.: Modeling solid-state chemistry: Interatomic potentials for multicomponent systems. Physical Review B, 39(8):5566–5568, März 1989.
[40] Shan, Tzu-Ray, Bryce D. Devine, Travis W. Kemper, Susan B. Sinnott und Simon R. Phillpot: Charge-optimized many-body potential for the
hafnium/hafnium oxide system. Physical Review B, 81(12):125328+, März 2010.
[41] Duin, Adri C. T. van, Siddharth Dasgupta, Francois Lorant und William A. Goddard: ReaxFF A Reactive Force Field for Hydrocarbons. J. Phys.
Chem. A, 105(41):9396–9409, September 2001.
180
Literaturverzeichnis
[42] Ewald, P. P.: Die Berechnung optischer und elektrostatischer Gitterpotentiale.
Annalen der Physik, 369(3):253–287, Januar 1921.
[43] Leeuw, S. W. de, J. W. Perram und E. R. Smith: Simulation of Electrostatic
Systems in Periodic Boundary Conditions. I. Lattice Sums and Dielectric Constants.
Proceedings of the Royal Society of London. A. Mathematical and Physical Sciences,
373(1752):27–56, Oktober 1980.
[44] Leeuw, S. W. De, J. W. Perram und E. R. Smith: Simulation of Electrostatic
Systems in Periodic Boundary Conditions. III. Further Theory and Applications.
Proceedings of the Royal Society of London. A. Mathematical and Physical Sciences,
388(1794):177–193, Juli 1983.
[45] Bogusz, Stephen, Thomas E. Cheatham und Bernard R. Brooks: Removal
of pressure and free energy artifacts in charged periodic systems via net charge
corrections to the Ewald potential. The Journal of Chemical Physics, 108(17):7070–
7084, Mai 1998.
[46] Wolf, D., P. Keblinski, S. R. Phillpot und J. Eggebrecht: Exact method
for the simulation of Coulombic systems by spherically truncated, pairwise r−1
summation. The Journal of Chemical Physics, 110(17):8254–8282, 1999.
[47] Zahn, Dirk, Bernd Schilling und Stefan M. Kast: Enhancement of the
Wolf Damped Coulomb Potential Static, Dynamic, and Dielectric Properties of
Liquid Water from Molecular Simulation. The Journal of Physical Chemistry B,
106(41):10725–10732, September 2002.
[48] Fennell, Christopher J. und J. Daniel Gezelter: Is the Ewald summation still necessary? Pairwise alternatives to the accepted standard for long-range
electrostatics. The Journal of Chemical Physics, 124(23):234104+, 2006.
[49] Gdoutos, Eleftherios E., Ravi Agrawal und Horacio D. Espinosa:
Comparison of the Ewald and Wolf methods for modeling electrostatic interactions
in nanowires. International Journal for Numerical Methods in Engineering, 84:1541–
1551, Juni 2010.
[50] Heisenberg, W.: Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik. Zeitschrift für Physik A Hadrons and Nuclei, 43(3):172–198,
1927.
181
Literaturverzeichnis
[51] Schrödinger, E.: Quantisierung als Eigenwertproblem. Annalen der Physik,
384(6):489–527, 1926.
[52] Born, M. und R. Oppenheimer: Zur Quantentheorie der Molekeln. Annalen
der Physik, 389(20):457–484, 1927.
[53] Müller, Michael: Fundamentals of Quantum Chemistry. Kluwer Academic
Publishers, New York, First Auflage, 2001.
[54] Atkins, P. W. und R. S. Friedman: Molecular Quantum Mechanics. Oxford
University Press, Great Clarendon Street, Oxford OX2 6DP, Third Auflage, 1997.
[55] Koch, Wolfram und Max C. Holthausen: A Chemist’s Guide to Density
Functional Theory. Wiley-VCH Verlag GmbH, D-69469 Weinheim (Federal Republic
of Germany), Second Auflage, 2001.
[56] Fiolhais, C., F. Nogueira und M. Marques (Herausgeber): A Primer in
Density Functional Theory, Band 620 der Reihe Lecture Notes in Physics, Berlin
Springer Verlag, 2003.
[57] Schwerdtfeger, Peter: The Pseudopotential Approximation in Electronic
Structure Theory. ChemPhysChem, 12(17):3143–3155, Dezember 2011.
[58] Troullier, N. und José L. Martins: Efficient pseudopotentials for plane-wave
calculations. Physical Review B, 43(3):1993–2006, Januar 1991.
[59] Vanderbilt, David: Soft self-consistent pseudopotentials in a generalized eigenvalue formalism. Physical Review B, 41(11):7892–7895, April 1990.
[60] Car, R. und M. Parrinello: Unified Approach for Molecular Dynamics and
Density-Functional Theory. Physical Review Letters, 55(22):2471–2474, November
1985.
[61] Marx, Dominik und Jürg Hutter: Ab Initio Molecular Dynamics: Theory
and Implementation. John von Neumann Institute for Computing, Jülich, Second
Auflage, 2000.
[62] Frenkel, Daan und Berend Smit: Understanding Molecular Simulation. Academic Press, Harcourt Inc., 6277 Sea Harbor Drive, Orlando, Florida, USA, 2002.
182
Literaturverzeichnis
[63] Allen, M. P. und D. J. Tildesley: Computer Simulation of Liquids. Oxford
University Press, 1987.
[64] Hoover, William G.: Canonical dynamics: Equilibrium phase-space distributions.
Physical Review A, 31(3):1695–1697, März 1985.
[65] Nosé, Shuichi: A unified formulation of the constant temperature molecular
dynamics methods. The Journal of Chemical Physics, 81(1):511–519, Juli 1984.
[66] Parrinello, M. und A. Rahman: Polymorphic transitions in single crystals: A
new molecular dynamics method. Journal of Applied Physics, 52(12):7182–7190,
Dezember 1981.
[67] Berendsen, H. J. C., J. P. M. Postma, W. F. van Gunsteren, A. DiNola
und J. R. Haak: Molecular dynamics with coupling to an external bath. The
Journal of Chemical Physics, 81(8):3684–3690, Oktober 1984.
[68] Plimpton, Steve: Fast Parallel Algorithms for Short-Range Molecular
Dynamics.
Journal of Computational Physics, 117(1):1–19, März 1995.
http://lammps.sandia.gov.
[69] Cramer, Christopher J.: Essentials of Computational Chemistry. John Wiley
& Sons Ltd, The Atrium, Southern Gate, Chichester, West Sussex PO19 8SQ,
England, Second Auflage, 2004.
[70] Ferrenberg, Alan M. und Robert H. Swendsen: Optimized Monte Carlo
data analysis. Physical Review Letters, 63(12):1195–1198, September 1989.
[71] Kumar, Shankar, John M. Rosenberg, Djamal Bouzida, Robert H.
Swendsen und Peter A. Kollman: THE weighted histogram analysis method for
free-energy calculations on biomolecules. I. The method. Journal of Computational
Chemistry, 13(8):1011–1021, Oktober 1992.
[72] Grossfield, A.: WHAM: an implementation of the weighted histogram analysis
method. http://membrane.urmc.rochester.edu/content/wham/, version 2.0.4.
[73] Kawska, Agnieszka, Jürgen Brickmann, Rüdiger Kniep, Oliver Hochrein und Dirk Zahn: An atomistic simulation scheme for modeling crystal
formation from solution. The Journal of Chemical Physics, 124(2):024513+, 2006.
183
Literaturverzeichnis
[74] Milek, Theodor, Patrick Duchstein, Gotthard Seifert und Dirk Zahn:
Motif Reconstruction in Clusters and Layers: Benchmarks for the Kawska-Zahn
Approach to Model Crystal Formation. ChemPhysChem, 11(4):847–852, 2010.
[75] Honeycutt, J. Dana und Hans C. Andersen: Molecular dynamics study of
melting and freezing of small Lennard-Jones clusters. J. Phys. Chem., 91(19):4950–
4963, September 1987.
[76] Faken, Daniel und Hannes Jónsson: Systematic analysis of local atomic
structure combined with 3D computer graphics. Computational Materials Science,
2(2):279–286, 1994.
[77] Tsuzuki, Helio, Paulo S. Branicio und José P. Rino: Structural characterization of deformed crystals by analysis of common atomic neighborhood. Computer
Physics Communications, 177(6):518–523, September 2007.
[78] Lee, B. und F. M. Richards: The interpretation of protein structures: Estimation
of static accessibility. Journal of Molecular Biology, 55(3):379–IN4, Februar 1971.
[79] Shrake, A. und J. A. Rupley: Environment and exposure to solvent of protein atoms. Lysozyme and insulin. Journal of Molecular Biology, 79(2):351–371,
September 1973.
[80] Vogel, Helmut: A better way to construct the sunflower head. Mathematical
Biosciences, 44(3-4):179–189, Juni 1979.
[81] Otto, A., I. Mrozek, H. Grabhorn und W. Akemann: Surface-enhanced
Raman scattering. Journal of Physics: Condensed Matter, 4(5):1143–1212, 1992.
[82] Nie, Shuming und Steven R. Emory: Probing Single Molecules and Single
Nanoparticles by Surface-Enhanced Raman Scattering. Science, 275(5303):1102–
1106, 1997.
[83] Futamata, M., Y. Maruyama und M. Ishikawa: Local Electric Field and
Scattering Cross Section of Ag Nanoparticles under Surface Plasmon Resonance
by Finite Difference Time Domain Method. The Journal of Physical Chemistry B,
107(31):7607–7617, August 2003.
184
Literaturverzeichnis
[84] Nair, Lakshmi S. und Cato T. Laurencin: Silver Nanoparticles: Synthesis
and Therapeutic Applications. Journal of Biomedical Nanotechnology, 3(4):301–316,
December 2007.
[85] Panáček, Aleš, Libor Kvítek, Robert Prucek, Milan Kolář, Renata
Večeřová, Naděžda Pizúrová, Virender K. Sharma, Tatjana Nevěčná
und Radek Zbořil: Silver Colloid Nanoparticles: Synthesis, Characterization, and
Their Antibacterial Activity. The Journal of Physical Chemistry B, 110(33):16248–
16253, 2006.
[86] Sun, Raymond W., Rong Chen, Nancy P. Y. Chung, Chi-Ming Ho,
Chen-Lung S. Lin und Chi-Ming Che: Silver nanoparticles fabricated in Hepes buffer exhibit cytoprotective activities toward HIV-1 infected cells. Chemical
Communcations, (40):5059–5061, 2005.
[87] Morones, Jose R., Jose L. Elechiguerra, Alejandra Camacho, Katherine Holt, Juan B. Kouri, Jose T. Ramirez und Miguel J. Yacaman:
The bactericidal effect of silver nanoparticles. Nanotechnology, 16(10):2346–2353,
October 2005.
[88] Mijnendonckx, Kristel, Natalie Leys, Jacques Mahillon, Simon Silver und Rob Van Houdt: Antimicrobial silver: uses, toxicity and potential for
resistance. 26(4):609–621, 2013.
[89] Pal, Sukdeb, Yu K. Tak und Joon M. Song: Does the Antibacterial Activity of
Silver Nanoparticles Depend on the Shape of the Nanoparticle? A Study of the GramNegative Bacterium Escherichia coli. Applied and Environmental Microbiology,
73(6):1712–1720, March 2007.
[90] Tian, Jun, Kenneth K. Y. Wong, Chi-Ming Ho, Chun-Nam Lok, WingYiu Yu, Chi-Ming Che, Jen-Fu Chiu und Paul K. H. Tam: Topical Delivery
of Silver Nanoparticles Promotes Wound Healing. ChemMedChem, 2(1):129–136,
2007.
[91] Aslan, Kadir, Patrick Holley und Chris D. Geddes: Metal-enhanced
fluorescence from silver nanoparticle-deposited polycarbonate substrates. Journal of
Materials Chemistry, 16(27):2846–2852, 2006.
185
Literaturverzeichnis
[92] Krutyakov, Yu A., A. A. Kudrinskiy, A. Yu Olenin und G. V. Lisichkin:
Synthesis and properties of silver nanoparticles: advances and prospects. Russian
Chemical Reviews, 77(3):233–257, 2008.
[93] Wiley, Benjamin, Yugang Sun, Brian Mayers und Younan Xia: ShapeControlled Synthesis of Metal Nanostructures: The Case of Silver. Chemistry - A
European Journal, 11(2):454–463, 2005.
[94] Ducamp-Sanguesa, C.: Synthesis and characterization of fine and monodisperse
silver particles of uniform shape. Journal of Solid State Chemistry, 100(2):272–280,
Oktober 1992.
[95] Silvert, Pierre-Yves, Ronaldo Herrera-Urbina, Nicolas Duvauchelle,
Venugopal Vijayakrishnan und Kamar T. Elhsissen: Preparation of colloidal silver dispersions by the polyol process. Part 1 - Synthesis and characterization.
Journal of Materials Chemistry, 6(4):573–577, 1996.
[96] Silvert, Pierre-Yves, Ronaldo Herrera-Urbina und Kamar TekaiaElhsissen: Preparation of colloidal silver dispersions by the polyol process. Journal
of Materials Chemistry, 7(2):293–299, 1997.
[97] Skrabalak, Sara E., Benjamin J. Wiley, Munho Kim, Eric V. Formo und
Younan Xia: On the Polyol Synthesis of Silver Nanostructures: Glycolaldehyde
as a Reducing Agent. Nano Letters, 8(7):2077–2081, July 2008.
[98] Xiong, Yujie, Isao Washio, Jingyi Chen, Honggang Cai, Zhi-Yuan Li
und Younan Xia: Poly(vinyl pyrrolidone): A Dual Functional Reductant and
Stabilizer for the Facile Synthesis of Noble Metal Nanoplates in Aqueous Solutions.
Langmuir, 22(20):8563–8570, September 2006.
[99] Kan, Cai-Xia, Jie-Jun Zhu und Xiao-Guang Zhu: Silver nanostructures with
well-controlled shapes: synthesis, characterization and growth mechanisms. Journal
of Physics D: Applied Physics, 41(15):155304+, 2008.
[100] Jacob, Jasmine A., Sudhir Kapoor, Nandita Biswas und Tulsi Mukherjee: Size tunable synthesis of silver nanoparticles in water–ethylene glycol
mixtures. Colloids and Surfaces A: Physicochemical and Engineering Aspects,
301(1-3):329–334, July 2007.
186
Literaturverzeichnis
[101] Zhang, Z., Bin Zhao und Liming Hu: PVP Protective Mechanism of Ultrafine
Silver Powder Synthesized by Chemical Reduction Processes. Journal of Solid State
Chemistry, 121(1):105–110, January 1996.
[102] Wang, H., X. Qiao, J. Chen, X. Wang und S. Ding: Mechanisms of PVP
in the preparation of silver nanoparticles. Materials Chemistry and Physics, 94(23):449–453, December 2005.
[103] Zhao, S., K. Zhang, J. An, Y. Sun und C. Sun: Synthesis and layer-by-layer
self-assembly of silver nanoparticles capped by mercaptosulfonic acid. Materials
Letters, 60(9-10):1215–1218, May 2006.
[104] Li, Xiaoling, Weiqing Xu, Junhu Zhang, Huiying Jia, Bai Yang, Bing
Zhao, Bofu Li und Yukihiro Ozaki: Self-assembled Metal Colloid Films: Two
Approaches for Preparing New SERS Active Substrates. Langmuir, 20(4):1298–1304,
2004.
[105] Muthuswamy, Elayaraja, S. Ramadevi, H. N. Vasan, Cécile Garcia,
Laure Noé und Marc Verelst: Highly stable Ag nanoparticles in agar-agar
matrix as inorganic–organic hybrid. Journal of Nanoparticle Research, 9(4):561–567,
August 2007.
[106] Alonso, J. A.: Structure and Properties of Atomic Nanoclusters. Imperial College
Press, 2005.
[107] Knight, W. D., Keith Clemenger, Walt A. de Heer, Winston A. Saunders, M. Y. Chou und Marvin L. Cohen: Electronic Shell Structure and
Abundances of Sodium Clusters. Physical Review Letters, 52(24):2141–2143, Juni
1984.
[108] Baletto, Francesca und Riccardo Ferrando: Structural properties of
nanoclusters: Energetic, thermodynamic, and kinetic effects. Reviews of Modern
Physics, 77(1):371–423, Mai 2005.
[109] Ho, Joe, Kent M. Ervin und W. C. Lineberger: Photoelectron spectroscopy
of metal cluster anions: Cu-n, Ag-n, and Au-n. The Journal of Chemical Physics,
93(10):6987–7002, November 1990.
187
Literaturverzeichnis
[110] Gantefor, G., M. Gausa, K. H. Meiwes-Broer und H. O. Lutz: Photoelectron spectroscopy of silver and palladium cluster anions. Electron delocalization versus, localization. Journal of the Chemical Society, Faraday Transactions,
86(13):2483–2488, 1990.
[111] Jackschath, C., I. Rabin und W. Schulze: Electron impact ionization of silver
clusters Ag ,n≤36. 22(2):517–520, 1992.
[112] Fernández, Eva M., José M. Soler, Ignacio L. Garzón und Luis C.
Balbás: Trends in the structure and bonding of noble metal clusters. Physical
Review B, 70:165403, Oktober 2004.
[113] Zhao, J., Y. Luo und G. Wang: Tight-binding study of structural and electronic
properties of silver clusters. 14(3):309–316, 2001.
[114] Liu, Lingun und William A. Bassett: Compression of Ag and phase transformation of NaCl. Journal of Applied Physics, 44(4):1475–1479, Oktober 2003.
[115] Wulff, G.: Zur Frage der Geschwindigkeit des Wachsthums und der Auflösung
der Krystallflächen. Zeitschrift für Kristallographie - Crystalline Materials, 34:449+,
1901.
[116] Laue, Max: Der Wulffsche Satz für die Gleidigewichtsform von Kristallen. Zeitschrift für Kristallographie - Crystalline Materials, 105:124+, 1943.
[117] Valkealahti, S. und M. Manninen: Instability of cuboctahedral copper clusters.
Physical Review B, 45(16):9459, Apr/JanMay 1992.
[118] Mackay, A. L.: A dense non-crystallographic packing of equal spheres. Acta
Crystallographica, 15(9):916–918, September 1962.
[119] Ino, Shozo: Stability of Multiply-Twinned Particles. Journal of the Physical
Society of Japan, 27(4):941, 1969.
[120] Ino, Shozo: Epitaxial Growth of Metals on Rocksalt Faces Cleaved in Vacuum. II.
Orientation and Structure of Gold Particles Formed in Ultrahigh Vacuum. Journal
of the Physical Society of Japan, 21(2):346, 1966.
[121] Marks, L. D.: Surface structure and energetics of multiply twinned particles.
Philosophical Magazine A, 49(1):81–93, 1984.
188
Literaturverzeichnis
[122] Anwar, Jamshed und Dirk Zahn: Uncovering Molecular Processes in Crystal
Nucleation and Growth by Using Molecular Simulation. Angewandte Chemie
(International ed.), 50(9):1996–2013, 2011.
[123] Baletto, F., R. Ferrando, A. Fortunelli, F. Montalenti und C. Mottet: Crossover among structural motifs in transition and noble-metal clusters. The
Journal of Chemical Physics, 116(9):3856–3863, März 2002.
[124] Reinhard, D., B. D. Hall, D. Ugarte und R. Monot: Size-independent
fcc-to-icosahedral structural transition in unsupported silver clusters: An electron
diffraction study of clusters produced by inert-gas aggregation. Physical Review B,
55:7868–7881, März 1997.
[125] Xia, Younan, Yujie Xiong, Byungkwon Lim und Sara E. Skrabalak:
Shape-controlled synthesis of metal nanocrystals: simple chemistry meets complex
physics? Angewandte Chemie (International ed.), 48(1):60–103, 2009.
[126] Ostwald, W.: Studien über die Bildung und Umwandlung fester Körper: Übersättigung und Überkaltung. Zeitschrift für Physikalische Chemie, 22:289–330, Februar
1897.
[127] Milek, Theodor: Theoretische Untersuchung der Strukturorganisation ausgewählter metallischer Systeme bei der Abscheidung aus der Gasphase. Diplomarbeit,
Technische Universität Dresden, Dresden, 2009.
[128] Baletto, F., C. Mottet und R. Ferrando: Microscopic mechanisms of the
growth of metastable silver icosahedra. Physical Review B, 63(15):155408+, März
2001.
[129] Polte, Jörg, Robert Erler, Andreas F. Thünemann, Sergey Sokolov,
Torsten T. Ahner, Klaus Rademann, Franziska Emmerling und Ralph
Kraehnert: Nucleation and Growth of Gold Nanoparticles Studied via in situ
Small Angle X-ray Scattering at Millisecond Time Resolution. ACS Nano, 4(2):1076–
1082, Januar 2010.
[130] Polte, Jörg, Xenia Tuaev, Maria Wuithschick, Anna Fischer, Andreas F. Thuenemann, Klaus Rademann, Ralph Kraehnert und Franziska
Emmerling: Formation Mechanism of Colloidal Silver Nanoparticles: Analogies
189
Literaturverzeichnis
and Differences to the Growth of Gold Nanoparticles. ACS Nano, 6(7):5791–5802,
Juni 2012.
[131] Wiley, Benjamin, Thurston Herricks, Yugang Sun und Younan Xia:
Polyol Synthesis of Silver Nanoparticles: Use of Chloride and Oxygen to Promote
the Formation of Single-Crystal, Truncated Cubes and Tetrahedrons. Nano Letters,
4(9):1733–1739, August 2004.
[132] Sloufova, Ivana, Karolina Siskova, Blanka Vlckova und Josef Stepanek: SERS-activating effect of chlorides on borate-stabilized silver nanoparticles:
formation of new reduced adsorption sites and induced nanoparticle fusion. Physical
Chemistry Chemical Physics, 10(16):2233–2242, 2008.
[133] Streitz, F. H. und J. W. Mintmire: Electrostatic potentials for metal-oxide
surfaces and interfaces. Physical Review B, 50:11996–12003, 1994.
[134] Zhou, X. W., H. N. G. Wadley, J. S. Filhol und M. N. Neurock: Modified
charge transfer–embedded atom method potential for metal/metal oxide systems.
Physical Review B, 69:035402+, Januar 2004.
[135] Jalkanen, Jukka-Pekka und Francesco Zerbetto: Interaction Model for
the Adsorption of Organic Molecules on the Silver Surface. The Journal of Physical
Chemistry B, 110(11):5595–5601, Februar 2006.
[136] Sändig, Nadja und Francesco Zerbetto: Molecules on gold. Chemical
Communications, 46(5):667–676, 2010.
[137] Heinz, Hendrik, R. A. Vaia, B. L. Farmer und R. R. Naik: Accurate
Simulation of Surfaces and Interfaces of Face-Centered Cubic Metals Using 12-6 and
9-6 Lennard-Jones Potentials. The Journal of Physical Chemistry C, 112(44):17281–
17290, Oktober 2008.
[138] Alexiadis, Orestis, Vagelis A. Harmandaris, Vlasis G. Mavrantzas und
Luigi Delle Site: Atomistic Simulation of Alkanethiol Self-Assembled Monolayers
on Different Metal Surfaces via a Quantum, First-Principles Parametrization of the
Sulfur-Metal Interaction. The Journal of Physical Chemistry C, 111(17):6380–6391,
Mai 2007.
190
Literaturverzeichnis
[139] Longo, R. C. und L. J. Gallego: Structures of 13-atom clusters of fcc transition
metals by ab initio and semiempirical calculations. Physical Review B, 74:193409,
2006.
[140] Milek, Theodor und Dirk Zahn: Molecular Simulation of Ag Nanoparticle
Nucleation from Solution: Redox-Reactions Direct the Evolution of Shape and
Structure. Nano Letters, 14(8):4913–4917, Juli 2014.
[141] Doye, Jonathan P. K., David J. Wales und R. Stephen Berry: The effect
of the range of the potential on the structures of clusters. The Journal of Chemical
Physics, 103(10):4234–4249, September 1995.
[142] Milek, Theodor, Tibor Döpper, Christian Neiss, Andreas Görling und
Dirk Zahn: Charge distribution analysis in Agnm clusters: molecular modeling and
DFT calculations. Journal of Molecular Modeling, (20):2110+, Februar 2014.
[143] Perdew, John P., Kieron Burke und Matthias Ernzerhof: Generalized
Gradient Approximation Made Simple. Physical Review Letters, 77(18):3865–3868,
Oktober 1996.
[144] Weigend, Florian und Reinhart Ahlrichs: Balanced basis sets of split valence,
triple zeta valence and quadruple zeta valence quality for H to Rn: Design and
assessment of accuracy. Physical Chemistry Chemical Physics, 7(18):3297–3305,
2005.
[145] Reed, Alan E., Robert B. Weinstock und Frank Weinhold: Natural
population analysis). The Journal of Chemical Physics, 83(2):735–746, 1985.
[146] Diao, J. J. und Sophie C. Shen: Charge Transfer Directed Growth and Morphology Regulation of Silver Nanoparticles. Journal of Nanoscience and Nanotechnology,
11(5), Mai 2011.
[147] Klingshirn, C.: ZnO: From basics towards applications. physica status solidi (b),
244(9):3027–3073, September 2007.
[148] Klingshirn, Claus, J. Fallert, H. Zhou, J. Sartor, C. Thiele, F. MaierFlaig, D. Schneider und H. Kalt: 65 years of ZnO research - old and very
recent results. physica status solidi (b), 247(6):1424–1447, Juni 2010.
191
Literaturverzeichnis
[149] Schmidt-Mende, Lukas und Judith L. MacManus-Driscoll: ZnO - nanostructures, defects, and devices. Materials Today, 10(5):40–48, Mai 2007.
[150] Wang, Zhong L.: Zinc oxide nanostructures: growth, properties and applications.
Journal of Physics: Condensed Matter, 16(25):R829–R858, Juni 2004.
[151] Ellmer, K.: Resistivity of polycrystalline zinc oxide films: current status and
physical limit. Journal of Physics D: Applied Physics, 34(21):3097+, November
2001.
[152] Arnold, Michael S., Phaedon Avouris, Zheng W. Pan und Zhong L.
Wang: Field-Effect Transistors Based on Single Semiconducting Oxide Nanobelts.
The Journal of Physical Chemistry B, 107(3):659–663, Dezember 2002.
[153] Janotti, Anderson und Chris G. Van de Walle: Fundamentals of zinc oxide
as a semiconductor. Reports on Progress in Physics, 72(12):126501+, Dezember
2009.
[154] Nanto, H., H. Sokooshi, T. Kawai und T. Usuda: Zinc oxide thin-film
trimethylamine sensor with high sensitivity and excellent selectivity. Journal of
Materials Science Letters, 11(4):235–237+, 1992.
[155] Özgür, Ü., Ya, C. Liu, A. Teke, M. A. Reshchikov, S. Doğan, V. Avrutin,
S. J. Cho und H. Morkoç: A comprehensive review of ZnO materials and devices.
Journal of Applied Physics, 98(4):041301+, August 2005.
[156] Lee, Woong, Min-Chang Jeong und Jae-Min Myoung: Fabrication and
application potential of ZnO nanowires grown on GaAs(002) substrates by metalorganic chemical vapour deposition. Nanotechnology, 15(3):254+, März 2004.
[157] Wagner, R. S. und W. C. Ellis: VAPOR-LIQUID-SOLID MECHANISM OF
SINGLE CRYSTAL GROWTH. Applied Physics Letters, 4(5):89–90, Dezember
2004.
[158] Maeda, Katsumi, Mitsuru Sato, Ikuo Niikura und Tsuguo Fukuda:
Growth of 2 inch ZnO bulk single crystal by the hydrothermal method. Semiconductor
Science and Technology, 20(4):S49+, April 2005.
[159] Spanhel, Lubomir: Colloidal ZnO nanostructures and functional coatings: A
survey. Journal of Sol-Gel Science and Technology, 39(1):7–24, Juli 2006.
192
Literaturverzeichnis
[160] Spanhel, Lubomir und Marc A. Anderson: Semiconductor clusters in the
sol-gel process: quantized aggregation, gelation, and crystal growth in concentrated
zinc oxide colloids. Journal of the American Chemical Society, 113(8):2826–2833,
April 1991.
[161] Meulenkamp, Eric A.: Synthesis and Growth of ZnO Nanoparticles. The Journal
of Physical Chemistry B, 102(29):5566–5572, Juni 1998.
[162] Zagorac, Dejan, J. Christian Schön und Martin Jansen: Energy Landscape
Investigations Using the Prescribed Path Method in the ZnO System. The Journal
of Physical Chemistry C, 116(31):16726–16739, Juli 2012.
[163] Zagorac, D., J. C. Schön, J. Zagorac und M. Jansen: Prediction of structure
candidates for zinc oxide as a function of pressure and investigation of their
electronic properties. Physical Review B, 89:075201, Februar 2014.
[164] Wöll, C.: The chemistry and physics of zinc oxide surfaces. Progress in Surface
Science, 82(2-3):55–120, 2007.
[165] Diebold, U.: Atomic-scale properties of low-index ZnO surfaces. Applied Surface
Science, 237(1-4):336–342, Oktober 2004.
[166] Meyer, B.: First-principles study of the polar O-terminated ZnO surface in thermodynamic equilibrium with oxygen and hydrogen. Physical Review B, 69(4):045416+,
Januar 2004.
[167] Kunat, M., St Gil Girol, Th Becker, U. Burghaus und Ch Wöll: Stability
of the polar surfaces of ZnO: A reinvestigation using He-atom scattering. Physical
Review B, 66:081402, 2002.
[168] Meyer, Bernd, Dominik Marx, Olga Dulub, Ulrike Diebold, Martin
Kunat, Deler Langenberg und Christof Wöll: Partial Dissociation of
Water Leads to Stable Superstructures on the Surface of Zinc Oxide. Angewandte
Chemie (International ed.), 43(48):6641–6645, Dezember 2004.
[169] Noei, Heshmat, Hengshan Qiu, Yuemin Wang, Elke Loffler, Christof
Woll und Martin Muhler: The identification of hydroxyl groups on ZnO
nanoparticles by infrared spectroscopy. Physical Chemistry Chemical Physics,
10(47):7092–7097, 2008.
193
Literaturverzeichnis
[170] Zwicker, G. und K. Jacobi: Site-specific interaction of H2O with ZnO singlecrystal surfaces studied by thermal desorption and UV photoelectron spectroscopy.
Surface Science, 131(1):179–194, August 1983.
[171] Raymand, David, Adri C. T. van Duin, Daniel Spångberg, William A.
Goddard und Kersti Hermansson: Water adsorption on stepped ZnO surfaces
from MD simulation. Surface Science, 604(9-10):741–752, Mai 2010.
[172] Yoshio, K., A. Onodera, H. Satoh, N. Sakagami und H. Yamashita:
Crystal structure of ZnO:Li at 293 K and 19 K by x-ray diffraction. Ferroelectrics,
264(1):133–138, Januar 2001.
[173] Kubo, Momoji, Yasunori Oumi, Hiromitsu Takaba, Abhijit Chatterjee,
Akira Miyamoto, Masashi Kawasaki, Mamoru Yoshimoto und Hideomi
Koinuma: Homoepitaxial growth mechanism of ZnO(0001): Molecular-dynamics
simulations. Physical Review B, 61(23):16187–16192, Juni 2000.
[174] Raymand, D., A. Vanduin, M. Baudin und K. Hermansson: A reactive force
field (ReaxFF) for zinc oxide. Surface Science, 602(5):1020–1031, März 2008.
[175] Ostwald, Wilhelm: Über die vermeintliche Isomerie des roten und gelben Quecksilberoxyds und die Oberflächenspannung fester Körper. Zeitschrift für Physikalische
Chemie, 34:495–503, 1900.
[176] Viswanatha, Ranjani, Pralay K. Santra, Chandan Dasgupta und D. D.
Sarma: Growth Mechanism of Nanocrystals in Solution: ZnO, a Case Study.
Physical Review Letters, 98:255501, 2007.
[177] Viswanatha, Ranjani, Heinz Amenitsch und D. D. Sarma: Growth Kinetics
of ZnO Nanocrystals: A few surprises. Journal of the American Chemical Society,
129(14):4470–4475, März 2007.
[178] Segets, Doris, Renata Marczak, Stefan Schäfer, Carolin Paula, JanFrederik Gnichwitz, Andreas Hirsch und Wolfgang Peukert: Experimental and Theoretical Studies of the Colloidal Stability of Nanoparticles - A
General Interpretation Based on Stability Maps. ACS Nano, 5(6):4658–4669, Mai
2011.
194
Literaturverzeichnis
[179] Segets, Doris, Martin A. J. Hartig, Johannes Gradl und Wolfgang
Peukert: A population balance model of quantum dot formation: Oriented growth
and ripening of ZnO. Chemical Engineering Science, 70:4–13, März 2012.
[180] Tokumoto, M. S., V. Briois, C. V. Santilli und S. H. Pulcinelli: Preparation of ZnO Nanoparticles: Structural Study of the Molecular Precursor. Journal
of Sol-Gel Science and Technology, 26(1):547–551, Januar 2003.
[181] Briois, V., Ch Giorgetti, F. Baudelet, S. Blanchandin, M. S. Tokumoto,
S. H. Pulcinelli und C. V. Santilli: Dynamical Study of ZnO Nanocrystal and
Zn-HDS Layered Basic Zinc Acetate Formation from Sol-Gel Route. The Journal
of Physical Chemistry C, 111(8):3253–3258, Februar 2007.
[182] Schmidt, Thomas, Gerd Müller, Lubomir Spanhel, Klaus Kerkel und
Alfred Forchel: Activation of 1.54 µm Er3+ Fluorescence in Concentrated
II-VI Semiconductor Cluster Environments. Chemistry of Materials, 10(1):65–71,
Januar 1998.
[183] Hu, Zeshan, Gerko Oskam, R. Lee Penn, Noshir Pesika und Peter C.
Searson: The Influence of Anion on the Coarsening Kinetics of ZnO Nanoparticles.
The Journal of Physical Chemistry B, 107(14):3124–3130, März 2003.
[184] Oskam, Gerko, Zeshan Hu, R. Lee Penn, Noshir Pesika und Peter C.
Searson: Coarsening of metal oxide nanoparticles. Physical Review E, 66:011403,
2002.
[185] Tian, Zhengrong R., James A. Voigt, Jun Liu, Bonnie Mckenzie, Matthew J. Mcdermott, Mark A. Rodriguez, Hiromi Konishi und Huifang
Xu: Complex and oriented ZnO nanostructures. Nature Materials, 2(12):821–826,
November 2003.
[186] Kawska, Agnieszka, Patrick Duchstein, Oliver Hochrein und Dirk
Zahn: Atomistic Mechanisms of ZnO Aggregation from Ethanolic Solution: Ion
Association, Proton Transfer, and Self-Organization. Nano Letters, 8(8):2336–2340,
August 2008.
[187] Hirschmann, Johannes, Hendrik Faber und Marcus Halik: Concept of a
thin film memory transistor based on ZnO nanoparticles insulated by a ligand shell.
Nanoscale, 4(2):444–447, 2012.
195
Literaturverzeichnis
[188] Catlow, C. R. A.: Point Defect and Electronic Properties of Uranium Dioxide.
Proceedings of the Royal Society of London. A. Mathematical and Physical Sciences,
353(1675):533–561, April 1977.
[189] Nyberg, Mats, Martin A. Nygren, Lars G. M. Pettersson, David H.
Gay und Andrew L. Rohl: Hydrogen Dissociation on Reconstructed ZnO Surfaces. Journal of Physical Chemistry, 100(21):9054–9063, Januar 1996.
[190] Catlow, Samuel A. French, Alexey A. Sokol, Abdullah A. Al-Sunaidi
und Scott M. Woodley: Zinc oxide: A case study in contemporary computational
solid state chemistry. Journal of Computational Chemistry, 29(13):2234–2249,
Oktober 2008.
[191] Gale, Julian D., Catlow und Peter D. Battle: Self-consistent interatomic
potentials for the simulation of binary and ternary oxides. Journal of Materials
Chemistry, 4(6):831–837, 1994.
[192] Binks, David J.: Computational Modelling of Zinc Oxide and Related Oxide
Ceramics. Doktorarbeit, University of Surrey, Januar 1994. Thesis submitted for
the degree of Doctor of Philosophy, Department of Chemistry, University of Surrey.
Copyright remains with the author.
[193] Sun, H.: The COMPASS force field: parameterization and validation for phosphazenes. Computational and Theoretical Polymer Science, 8(1-2):229–246, 1998.
[194] Zhao, Lifeng, Lianchi Liu und Huai Sun: Semi-ionic Model for Metal Oxides
and Their Interfaces with Organic Molecules. The Journal of Physical Chemistry
C, 111(28):10610–10617, Juni 2007.
[195] Kawska, Agnieszka: An atomistic simulation scheme for modelling crystal formation: nucleation mechanism in ion clusters and fluorapatite-collagen composites.
Doktorarbeit, Technische Universität Dresden, 2008.
[196] Hoops, Stephen C., Kenneth W. Anderson und Kenneth M. Merz:
Force field design for metalloproteins. Journal of the American Chemical Society,
113(22):8262–8270, Oktober 1991.
196
Literaturverzeichnis
[197] Wang, Junmei, Romain M. Wolf, James W. Caldwell, Peter A. Kollman und David A. Case: Development and testing of a general amber force field.
Journal of Computational Chemistry, 25(9):1157–1174, Juli 2004.
[198] Frisch, M. J., G. W. Trucks, H. B. Schlegel, G. E. Scuseria, M. A.
Robb, J. R. Cheeseman, J. A. Montgomery, Jr., T. Vreven, K. N.
Kudin, J. C. Burant, J. M. Millam, S. S. Iyengar, J. Tomasi, V. Barone, B. Mennucci, M. Cossi, G. Scalmani, N. Rega, G. A. Petersson,
H. Nakatsuji, M. Hada, M. Ehara, K. Toyota, R. Fukuda, J. Hasegawa, M. Ishida, T. Nakajima, Y. Honda, O. Kitao, H. Nakai, M. Klene,
X. Li, J. E. Knox, H. P. Hratchian, J. B. Cross, V. Bakken, C. Adamo,
J. Jaramillo, R. Gomperts, R. E. Stratmann, O. Yazyev, A. J. Austin,
R. Cammi, C. Pomelli, J. W. Ochterski, P. Y. Ayala, K. Morokuma,
G. A. Voth, P. Salvador, J. J. Dannenberg, V. G. Zakrzewski, S. Dapprich, A. D. Daniels, M. C. Strain, O. Farkas, D. K. Malick, A. D.
Rabuck, K. Raghavachari, J. B. Foresman, J. V. Ortiz, Q. Cui, A. G.
Baboul, S. Clifford, J. Cioslowski, B. B. Stefanov, G. Liu, A. Liashenko, P. Piskorz, I. Komaromi, R. L. Martin, D. J. Fox, T. Keith, M. A.
Al-Laham, C. Y. Peng, A. Nanayakkara, M. Challacombe, P. M. W.
Gill, B. Johnson, W. Chen, M. W. Wong, C. Gonzalez und J. A. Pople:
Gaussian 03, Revision C.02. Gaussian, Inc., Wallingford, CT, 2004.
[199] Milek, Theodor, Bernd Meyer und Dirk Zahn: A first-principles based
force-field for Li+ and OH- in ethanolic solution. The Journal of Chemical Physics,
139(14):144506+, Oktober 2013.
[200] Sun, Xiuquan, Tsun-mei Chang, Yang Cao, Satomi Niwayama, William L.
Hase und Liem X. Dang: Solvation of Dimethyl Succinate in a Sodium Hydroxide
Aqueous Solution. A Computational Study. J. Phys. Chem. B, 113(18):6473–6477,
2009.
[201] Gao, Jiali, Dariush Habibollazadeh und Lei Shao: A Polarizable Intermolecular Potential Function for Simulation of Liquid Alcohols. J. Phys. Chem.,
99(44):16460–16467, 1995.
[202] Goclon, Jakub: Unveröffentliche DFT Rechnung zur Stabilität und Reaktivität
auf (10-10) ZnO Oberflächen. 2014.
197
Literaturverzeichnis
[203] Beutler, Thomas C., Alan E. Mark, René C. van Schaik, Paul R.
Gerber und Wilfred F. van Gunsteren: Avoiding singularities and numerical
instabilities in free energy calculations based on molecular simulations. Chemical
Physics Letters, 222(6):529–539, Juni 1994.
[204] Soler, José M., Emilio Artacho, Julian D. Gale, Alberto García, Javier Junquera, Pablo Ordejón und Daniel Sánchez-Portal: The SIESTA
method for ab initio order-N materials simulation. Journal of Physics: Condensed
Matter, 14(11):2745–2779, März 2002.
[205] Balabanov, Nikolai B. und Kirk A. Peterson: Systematically convergent
basis sets for transition metals. I. All-electron correlation consistent basis sets for
the 3d elements Sc–Zn. The Journal of Chemical Physics, 123(6):064107+, August
2005.
[206] Milek, Theodor, Marc v. Gernler, Doris Segets, Thomas Drewello,
Wolfgang Peukert und Dirk Zahn: On the mechanism of Zn4 O-acetate precursors ripening to ZnO: how dimerization is promoted by hydroxide incorporation.
in preparation.
[207] Meyer, B. und Dominik Marx: Density-functional study of the structure and
stability of ZnO surfaces. Physical Review B, 67:035403, 2003.
[208] Schmitt, Udo W. und Gregory A. Voth: The computer simulation of proton
transport in water. The Journal of Chemical Physics, 111(20):9361–9381, November
1999.
[209] Zhang, Hui, Deren Yang, Shenzhong Li, Xiangyang Ma, Yujie Ji, Jin
Xu und Duanlin Que: Controllable growth of ZnO nanostructures by citric acid
assisted hydrothermal process. Materials Letters, 59(13):1696–1700, Juni 2005.
[210] Brunch, Achim: Molecular modeling of surfactant association on ZnO surfaces.
Bachelorarbeit, FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen, 2014.
[211] Hirschmann, Johannes: Electrical Characteristics of Functionalized Zinc Oxide
Nanoparticles. Doktorarbeit, FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen, 2014.
198
Liste der Veröffentlichungen
[1] Milek, Theodor und Dirk Zahn: Molecular mechanisms of ZnO surface growth
from solution: designing additives for island, edge or surface stabilization. CrystEngComm, doi:10.1039/C5CE00358J, 2015.
[2] Milek, Theodor und Dirk Zahn: Molecular Simulation of Ag Nanoparticle
Nucleation from Solution: Redox-Reactions Direct the Evolution of Shape and Structure. Nano Letters, 14(8):4913–4917, Juli 2014.
[3] Milek, Theodor, Tibor Döpper, Christian Neiss, Andreas Görling und
Dirk Zahn: Charge distribution analysis in Agnm clusters: molecular modeling and
DFT calculations. Journal of Molecular Modeling, (20):2110+, Februar 2014.
[4] Milek, Theodor, Bernd Meyer und Dirk Zahn: A first-principles based forcefield for Li+ and OH− in ethanolic solution. The Journal of Chemical Physics,
139(14):144506+, Oktober 2013.
[5] Milek, Theodor, Patrick Duchstein, Gotthard Seifert und Dirk Zahn:
Motif Reconstruction in Clusters and Layers: Benchmarks for the Kawska-Zahn
Approach to Model Crystal Formation. ChemPhysChem, 11(4):847–852, 2010.
[6] Luschtinetz, Regina, Johannes Frenzel, Theodor Milek und Gotthard
Seifert: Adsorption of Phosphonic Acid at the TiO2 Anatase (101) and Rutile
(110) Surfaces. The Journal of Physical Chemistry C, 113(14):5730–5740, April
2009.
In Vorbereitung/Eingesendet:
[7] Duchstein, Patrick, Theodor Milek und Dirk Zahn: Molecular modeling of
ZnO nanoparticle stabilization in solution: mechanisms of surfactant association,
electrostatic shielding and counter ion dynamics. PLOS ONE, accepted, 2015.
199
Liste der Veröffentlichungen
[8] Milek, Theodor, Marc v. Gernler, Doris Segets, Thomas Drewello,
Wolfgang Peukert und Dirk Zahn: On the mechanism of Zn4 O-acetate precursors ripening to ZnO: how dimerization is promoted by hydroxide incorporation.
The Journal of Chemical Physics, submitted.
[9] Zobel, Mirijam, Simon A. J. Kimber, Theodor Milek, Torben Schindler,
Dirk Zahn und Reinhard B. Neder: Magic Size Cluster Formation during the
Sol-gel Synthesis of ZnO Nanoparticles. in preparation.
Sonstige:
[10] Milek, Theodor, Patrick Duchstein und Dirk Zahn: Mit Simulationen
Nanokristallen und -kompositen auf der Spur. Nachrichten aus der Chemie, 60(9),
2012.
200
Selbständigkeitserklärung
Ich erkläre, dass ich die vorliegende, unter der Betreuung von Prof. Dr. rer. nat. habil.
D. Zahn angefertigte Arbeit selbständig verfasst habe. Andere als die angegebenen
Hilfsmittel wurden von mir nicht benutzt. Alle angeführten Zitate wurden kenntlich
gemacht.
Erlangen, den 4. Mai 2015
201
Herunterladen