Grundlagen der Zellulären Biochemie Enzymkatalyse Vorlesung zum Modul BCB P07 im Bachelor-Studiengang Biochemie Hannover Prof. J. Alves, Institut für Biophysikalische Chemie, MHH Katalysemechanismen Grundsätzlich katalysieren Enzyme Reaktionen mit den gleichen Mechanismen wie sie chemische Katalysatoren auch nutzen. Sie sind durch die Evolution nur häufig effizienter. Typen katalytischer Mechanismen: gezeigtes Beispiel: Säure-Base-Katalyse Spaltung von RNA RNAse A Kovalente Katalyse Spaltung von Proteinen durch Serinproteasen Metallionenkatalyse HCO3--Bildung durch Carboanhydrase Elektrostatische Katalyse Aldolspaltung durch Klasse II-Aldolasen Nähe- und Orientierungseffekte Oxidation von Fettsäuren durch AcylCoA-Dehydrogenase Bindung des Übergangszustands Bildung des Aminoadenylats durch die Tyrosyl-tRNA-Synthetase Es ist durchaus häufig, dass Enzyme gleich mehrere Mechanismen gleichzeitig nutzen. Das liegt schon zum Teil in der Natur der Sache, da zum Beispiel die Bindung umzusetzender Substrate notwendigerweise auch ihre Orientierung bedingt. Stabilität von DNA und RNA in alkalischer Lösung Die Hydrolyse von Phosphodiesterbindungen in alkalischer Lösung verläuft durch einen direkten Angriff von OH- auf das +-Phosphoratom über einen pentakoordinierten Übergangszustand. Dadurch, dass das +-Phosphoratom von vier -Sauerstoffatomen umgeben ist, werden die angreifenden, negativ geladenen Hydroxylionen aber bevorzugt abgestoßen und Phosphodiesterbindungen in DNA und RNA sind stabiler, als es die Hydrolyseenergie erwarten ließe. In der RNA ist dafür aber die 2´-OH-Gruppe so positioniert, dass sie einen intramolekularen Angriff starten kann, wenn sie deprotoniert wird. In alkalischer Lösung leitet also die Abstraktion eines Protons die Selbstspaltung der RNA ein, während die DNA stabil ist. Deshalb hat wohl die DNA die langfristige Speicherung genetischer Information übernommen, als die Genome größer wurden. Animation RNA-Spaltung durch RNAse A Die RNAsen unterstützen die Eigenspaltung der RNA durch Säure-Base-Katalyse. In der RNAse agiert ein deprotoniertes Histidin als Base, die das Proton am 2´-OH abstrahiert, sodass der Angriff am Phosphodiester erfolgen kann. Das 5´-O- der Fluchtgruppe wird durch ein zweites, protoniertes Histidin (Säure) protoniert. Dieses zweite Histidin leitet dann die Spaltung des gebildeten zyklischen Phosphodiesters durch Wasser ein, bei dem beide Histidine in ihren Ausgangszustand zurück versetzt werden. Das pH-Profil der RNAse A passt zu der Beteiligung zweier Histidine an der Reaktion. Serinproteasen Serinproteasen enthalten eine katalytische Triade aus Aspartat, Histidin und Serin, die das Serin für einen nukleophilen Angriff auf eine Peptidbindung aktiviert. Aspartat und Histidin sind in ihren pK-Werten weitgehend angeglichen, sodass sie sich ein Proton gleichwertig teilen. Die resultierende Wasserstoffbrückenbindung ist besonders kurz. So wird das Histidin in die Lage versetzt, das Proton vom Serin zu übernehmen, sodass es mit einem negativ geladenen Sauerstoff nukleophil an Substraten angreifen kann. Diese katalytische Triade ist wohl so gut an die katalytischen Anforderungen angepasst, dass sie sich in der Evolution mehrfach bei verschiedenen Enzymen gebildet hat. So findet man sie in Peptidasen, Lipasen und Thioesterasen. Ablauf der Proteolyse durch Serinproteasen Serinproteasen katalysieren die Spaltung von Proteinen durch kovalente Katalyse. In der katalytischen Triade wird Serin durch Histidin deprotoniert (auch Säure-Base-Katalyse) und bildet durch nukleophilen Angriff auf die Carbonylgruppe eine kovalente Bindung zur Aminosäure vor der zu spaltenden Peptidbindung. Das Histidin protoniert die Aminogruppe, was zur Spaltung der Peptidbindung führt. Das C-terminale Teilpeptid dissoziiert ab und Wasser tritt an seine Stelle. Dieses wird vom Histidin zum Angriff auf die Enzym-PeptidBindung durch Abstraktion eines Protons aktiviert. So kann das Serin wieder freigesetzt und reprotoniert werden und das N-terminale Peptid dissoziiert ab. Spezifität der Serinproteasen Serinproteasen sind spezifisch für Aminosäurereste neben der zu spaltenden Peptidbindung. Das beruht auf entsprechend ausgestatteten Bindungstaschen, die das Substrat für die Katalyse fixieren. Trypsin Tatsächlich wird der tetraedrische Übergangszustand nach dem Angriff des Serins am stärksten gebunden (auch Katalyse durch Stabilisierung des Übergangszustands). Zymogene Es wäre fatal für die Zellen, wenn die im Pankreas produzierten Verdauungsproteasen schon intrazellulär aktiv wären. Deshalb werden sie als inaktive Vorstufen (Zymogene) gebildet, deren Substratbindungstaschen deformiert sind. Sie werden erst im Darm durch limitierte Proteolyse (Spaltung an einzelnen spezifischen Peptidbindungen) aktiviert. Ähnlich laufen die Aktivierungen inaktiver Vorstufen bei der Blutgerinnung und der Komplementaktivierung im Blut sowie der Aktivierung der Caspasen zur Auslösung der Apoptose. Dabei handelt es sich aber um kaskadenartig sich ausbreitende Aktivierungen, bei denen eine Protease die nächste aktiviert und so weiter. Metallionenkatalyse: Carboanhydrase Man unterscheidet Metalloenzyme, in denen meist Übergangsmetallionen (Fe2+, Fe3+, Cu2+, Zn2+, Mn2+ oder Co3+) fest gebunden sind, von Metall-aktivierten Enzymen, die locker Metallionen aus der Lösung (Na+, K+, Mg2+oder Ca2+) anlagern. In Metalloenzymen spielen die Kationen auch eine wichtige strukturelle Rolle, da sie mehrere Aminosäuren als Liganden auf engem Raum zusammen bringen, die sich sonst oft anders anordnen würden. Metallionen können auf unterschiedliche Weise an der Katalyse beteiligt sein. Sie können in Redoxreaktionen reversibel Elektronen aufnehmen / abgeben. Carboanhydrase Sie können Wassermoleküle als Liganden aufnehmen, ihre Deprotonierung unterstützen und als OHfür Reaktionen zur Verfügung stellen. So beschleunigt die Carboanhydrase deutlich die Bildung von Hydrogencarbonat durch den nukleophilen Angriff von OH- aus der Hydrathülle des gebunden Zn2+-Ions. Eine Reihe von Hydrolasen arbeiten so als Metallaktivierte Enzyme. Enzymatische Katalyse in Aldolasen der Klasse II Die katalytischen Zentren von Enzymen sind generell komplementär zu den zu bindenden Substraten aufgebaut. Dabei werden vor allem auch Gegenladungen zu geladenen Teilbereichen der Substrate angeboten. Geschieht dies bevorzugt für sich aufbauende Ladungen im Übergangszustand handelt es sich um eine Elektrostatische Katalyse. Aldolasen katalysieren reversibel die Aldolspaltung bzw. Aldolkondensation, indem sie das intermediär gebildete Enolat stabilisieren. Basenkatalyse Mehrfach geladene Kationen sind natürlich besonders gut geeignet, negative Ladungen zu stabilisieren (auch Metallionenkatalyse). Tatsächlich wird das Enolat des Übergangszustandes am stärksten gebunden (auch Katalyse durch Stabilisierung des Übergangszustands). Oxidation von Fettsäuren durch Acyl-CoA-Dehydrogenasen Gerade in Redoxreaktionen ist es notwendig, die Reaktionspartner in optimaler Weise zueinander zu positionieren, damit Elektronen und evtl. auch H+-Ionen übertragen werden können: Katalyse durch Nähe- und Orientierungseffekte. Als Beispiel ist hier eine Acyl-CoA-DeMittelkettige Acyl-CoA-Dehydrogenase hydrogenase gezeigt, die die erste Reaktion der ß-Oxidation von Fettsäuren im Mitochondrium katalysiert. Dabei werden zwei Elektronen aus der gesättigten Kohlenwasserstoffkette auf ein enzymgebundenes Flavin-Coenzym übertragen. Die beiden Reaktionspartner müssen sich dazu nicht direkt berühren. Für ein „Tunneln“ der Elektronen reicht eine entfernte minimale Überlappung von Orbitalen aus. Tyrosyl-tRNA-Synthetase An der Tyrosyl-tRNA-Synthetase wurde zum ersten Mal etabliert, wie man durch zielgerichtete Mutagenese auf die Bedeutung einzelner Aminosäuren für die Katalyse zurückschließen kann. Die Beladung einer tRNA mit der zugehörigen Aminosäure erfolgt in zwei Schritten. Zuerst wird AMP unter Abspaltung von Pyrophosphat an die Aminosäure in einer Anhydridbindung gebunden. Dann wird sie unter Abspaltung von AMP auf das CCAEnde der tRNA übertragen. Aus der Struktur folgte, dass das Pyrophosphat im Übergangszustand ein Threonin und ein Histidin als neue Bindungspartner gewinnt. Die Mutagenese dieser beiden Aminosäuren veränderte Vmax deutlich aber ließ beide KM-Werte fast unbeeinflusst. Damit war nachgewiesen, dass die Katalyse über die Stabilisierung des Übergangszustands läuft. R.J. Leatherbarrow, A.R. Fersht & G. Winter PNAS USA 82 (1985) 7840-7844