Alles, was wir tun, soll im Namen Jesu geschehen: Was heißt das? Predigt über Kolosser 3, 17 am 17. September 2017 mit goldener Hochzeit von Ehepaar von Klitzing Pfarrer Theo Breisacher, Evangelische Kirche in Spielberg „Im Namen des Volkes“: Damit kommt zum Ausdruck, dass es an dieser Stelle überhaupt nicht darum geht, was der Richter persönlich denkt oder fühlt oder empfindet. Sondern allein um die Anwendung der Gesetze – und sonst nichts! Deshalb trägt er einen Talar, um deutlich zu machen: „Ich handle im Namen des Volkes. Ich urteile allein im Namen des Gesetzes.“ Der Predigt liegt heute nur ein einziger Bibelvers zugrunde: Es ist der letzte Vers aus der Schriftlesung von eben: „Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.“ Lieber Herr Dr. Klitzing, bereits bei Ihrer Hochzeit im August 1967 haben Sie sich genau diesen Vers als Trautext gewünscht. Allerdings hat der Pfarrer damals vor allem über die Verse vorher gepredigt. Diese passen für eine kirchliche Trauung natürlich auch wunderbar; aber für Ihren Vers hatte er am Ende dann keine Zeit mehr. Das hole ich heute gerne nach: „Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.“ Ich erzähle das deshalb so ausführlich, weil in unserem Bibelvers eine ganz ähnliche Formulierung vorkommt: „Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus“. Und im Grunde ist das genauso ausschließlich wie bei einem Richter: Wir tun nicht deshalb Gutes, weil wir uns Punkte im Himmel verdienen wollen. Wir sollen nicht deshalb 500 Euro spenden, um von allen gelobt zu werden. Liebe Gemeinde, wenn ein deutsches Gericht ein Urteil verkündigt, beginnt es stets mit folgenden Worten: „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil“. Dann folgt dann der Urteilsspruch und das Strafmaß – vielleicht so: „Der Angeklagte ist der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort schuldig. Er wird zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.“ Die einzige Begründung nach Paulus: Wir tun es allein im Namen und im Auftrag und in der Vollmacht Jesu! Das wollen wir uns in den nächsten Minuten noch etwas genauer anschauen. Denn was heißt das nun im Einzelnen? Erstens: Wir handeln im Auftrag Jesu. Das oberste Gesetz der modernen Zeit ist bekanntlich das „Lustprinzip“: Da verrate ich sicherlich nichts Neues. Und das wahrlich nicht nur bei der jungen Generation! „Soll ich heute morgen zum Gottesdienst gehen? – Ach, ich hab’ keine Lust. Ich schau mir lieber ‚Ninja Warrior’ bei RTL an oder ‚Immer wieder sonntags’ im SWR-Fernsehen!“ 1 „Soll ich nicht endlich mal meine kranke Nachbarin besuchen? Es soll ihr ziemlich schlecht gehen? – Ach, ich hab’ keine Lust. Die Woche war so anstrengend.“ Schwägerin ständig vorwurfsvolle Mails schreibt. Da ist die Antwort oft wesentlich schwieriger, was ich jetzt sagen oder tun soll. Und ich will auch gar keine Patentrezepte geben. Aber eine Antwort ist immer richtig: Nach dem Maßstab Jesu handeln. Versuchen, in der Liebe Jesu zu reagieren. Vor hundert Jahren hatten viele Menschen noch ein Gefühl dafür, dass es auch Pflichten gibt. Das war damals sicher auch nicht immer das Gelbe vom Ei. Aber dass heute alles nach dem Lustprinzip entschieden wird, kann’s ja auch nicht sein. Und das heißt: Versuchen, besonnen zu reagieren – auch wenn man innerlich auf 180 ist. Nicht mit den gleichen Mitteln zurückschlagen. Nicht seine Rachegefühle ausleben und die Schwägerin oder den Arbeitskollegen auf Facebook bloßstellen oder in anderer Weise hintenrum anschwärzen. Im letzten Herbst brach im Vorraum einer Essener Bankfiliale ein 83-Jähriger Mann zusammen. 20 Minuten lang kümmerte sich kein Mensch um ihn, obwohl mehrere Personen in dieser Zeit zum Geldautomaten kamen. Drei von ihnen müssen sich jetzt vor Gericht wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten: Sie sollen den am Boden liegenden hilflosen Mann ignoriert haben und zum Geldabheben einfach über ihn hinweg gestiegen sein. Der alte Mann starb später im Krankenhaus. Auch als Christ müssen wir uns nicht alles gefallen lassen. Wahrheit und Liebe sind in der Bibel keine Gegensätze. Und doch ist es ein riesengroßen Unterschied, ob wir aus Ärger oder aus verletzten Gefühlen heraus wie wild um uns schlagen. Oder ob wir versuchen, in der Liebe Jesu zu reagieren. Ohne Frage ein extremes Beispiel. Paulus sagt: Es spielt überhaupt keine Rolle, ob ihr gerade Lust habt oder nicht. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob ihr gerade in Eile seid oder nicht. Wenn immer ihr gefordert seid, sollt ihr zupacken – im Auftrag Jesu. Der zweite Punkt, was dieses „im Namen Jesu“ bedeutet: Wir handeln in seinem Auftrag. Drittens: Wir handeln in der Kraft Jesu. Natürlich muss keiner von uns ganz alleine die Welt retten. Auch nicht alles, was andere von uns wollen, ist immer auch der Wille Jesu für uns. Wir müssen es lernen, auch Nein zu sagen. Aber wenn Jesus uns einen Auftrag gibt – uns persönlich und sonst keinem anderen, dann dürfen wir nicht ausweichen, sondern in seinem Namen handeln – in seinem Auftrag. Auch dieses Thema kommt bei Paulus öfter vor: Wenn wir wirklich nach dem Maßstab Jesu leben wollen, wenn wir die Menschen wirklich so lieben wollen, wie Jesus sie liebt, stoßen wir schnell an unsere Grenzen. Ein bisschen Nächstenliebe ist einfach. Einer Oma über die Straße zu helfen, ist keine Meisterleistung. In der Straßenbahn einem alten Mann den Sitzplatz anbieten, das kann jeder. „Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus: Wir handeln im Auftrag Jesu. Zweitens: Doch solche Menschen zu lieben, die einem verletzt haben? Einem Menschen zu verzeihen, der einem hintergangen hat? Der Schwiegermutter zu verzeihen, die einem von Anfang an, als man ins Haus kam, abgelehnt hat? Da ist oft guter Rat teuer. Da kommt auch der beste Christ oft ziemlich schnell an seine Grenzen. Wir handeln nach dem Maßstab Jesu. Wenn einer am Boden liegt, ist die Antwort ziemlich einfach, was jetzt zu tun ist: Zumindest den Notarzt rufen. Doch in anderen Situationen ist das nicht immer so einfach: Wenn mich der Chef im Betrieb ständig übergeht. Wenn mich ein Arbeitskollege ständig vor anderen schlecht macht. Wenn mir die Und was rät der Apostel? Nun, er sagt nicht: „Du musst, du musst, du musst!“ Er sagt nicht: „Du musst dich anstrengend und deine letzten 2 Kräfte mobilisieren!“ Sondern im Sinne unseres Predigttextes ganz schlicht: „Tu’s im Namen Jesu!“ Viertens: Wir handeln aus Dankbarkeit. Über das Lustprinzip haben wir schon gesprochen. Das zweite große Leitmotiv unserer Zeit heißt: „Wenn ich etwas tue, dann will ich auch was dafür. Es soll sich schließlich lohnen.“ Wenn du sagt: „Diesen Menschen kann ich nicht lieben. Diesem Menschen kann ich nicht verzeihen“! – dann gibt Paulus zur Antwort: „Tu’s im Namen Jesu, auch wenn du ihn absolut unsympathisch findest. Tu’s im Namen Jesu, auch wenn er dir vorher eine Menge Unrecht angetan hat. Tu’s im Namen Jesu, auch wenn du überhaupt keine Lust hast und überhaupt keine Liebe für diesen Menschen empfindest. Tu’s im Namen Jesu! Tu’s in seiner Kraft! Tu’s ihm zuliebe!“ Für Geld machen die Leute fast alles – wenn der Betrag hoch genug ist. Aber wenn es mal keine Belohnung gibt? Wenn man es einfach so machen soll: für umme? Da ist die Lust, etwas zu tun, oft ganz schnell verflogen. „Es muss sich lohnen“: Zu Luthers Zeiten wollten sich die Menschen den Himmel verdienen mit guten Werken. Aber auch heute noch steckt das oft ganz tief in unseren Herzen: „Ich habe mich so hingebungsvoll für die Sache Jesu eingesetzt, das wird mir doch sicher eines Tages belohnt werden!“ Es muss sich lohnen! Der Apostel Paulus lenkt unseren Blick auf etwas anderes: Alles, was wir tun, soll aus Dankbarkeit geschehen: aus einer tiefen Dankbarkeit heraus für alles, was Jesus für uns getan hat. Aus Dankbarkeit für Gottes Güte und Treue, die wir jeden Tag aufs Neue erleben dürfen. Liebe Gemeinde, wir müssen nicht warten, bis wir überschwängliche Gefühle in uns spüren für Menschen, die uns nerven. Wir sollen ihnen im Namen Jesu begegnen. Und in seiner Kraft. Auch wenn es in uns brodelt und kocht. Manchmal verändern sich dann auch unsere Gefühle für solche Menschen, weil die Liebe Jesu in uns wirkt. Manchmal allerdings auch nicht. Aber es ist schon viel, wenn wir nicht mit den gleichen Mitteln zurückschlagen, sondern unseren Mitmenschen „im Namen Jesu“ Gutes tun. – „Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn“: Das hört sich an, als wäre das Danken noch eine weitere gute Tat. Das ist sicher nicht falsch. Und zu danken, ist immer gut und richtig. „Im Namen von“ war in der Antike ursprünglich eine Wendung aus dem Finanzwesen: Man handelte auf Rechnung eines anderen. Man hatte Vollmacht für sein Konto und hatte das Recht, von diesem Konto abzuheben. Aber im Grunde ist das Handeln im Namen Jesu bereits ein Zeichen der Dankbarkeit. Indem wir im Namen Jesu handeln und nicht um selber groß rauskommen als ein Superchrist, danken wir Gott damit und stellen ihn in den Mittelpunkt. – Pfarrer Heiko Krimmer, früher Studienleiter im Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen, schreibt zu diesem Vers: „Alles, was ein Christ sagt und tut, kommt nicht aus ihm. Im Bild gesprochen: Er hebt vom Konto des Herrn aller Herren ab. Was ich bin und was ich tue, kommt alles von meinem Herrn. Ich kann auf eigene Rechnung gar nicht mehr leben ... Christus lebt in mir, und das bestimmt alles ... Auch hier setzt Paulus den Imperativ: ... Tut nichts aus euch selbst, nichts aus eigener Kraft. Christus ist eure Kraft, er ist euer Vermögen“. Lassen Sie mich schließen mit einem kurzen Blick an den nächtlichen Sternenhimmel: Jeder kennt sicher den „Großen Wagen“ oder den Orion. Oder das große „Himmels-W“: die Cassiopeia. Das sind alles recht auffällige Sternbilder. Ein nicht so bekanntes Sternbild steht zur Zeit jede Nacht direkt über uns: ein großes Kreuz. Auch „Kreuz des Nordens“ genannt. Das fand ich klasse: Im Namen Jesu handeln, das heißt: Von seinem Konto abheben. Aus seiner Kraft leben. Nächste Woche ist ja Neumond. Wenn die Nacht klar ist, gehen Sie doch mal ins Freie 3 und schauen sich den Sternenhimmel an. Im Nordwesten erkennen Sie den großen Wagen. Gehen Sie dann einfach zum Zenit des Sternenhimmels direkt über uns. Da finden Sie die Wega, einer der hellsten Sterne am Nachthimmel. Und dann direkt daneben ein großes Kreuz. Die alten Griechen haben dieses Sternbild „Schwan“ genannt: Im Grunde ist es eine wunderbare Zusammenfassung unserer Predigt heute Morgen: Alles, was wir sagen und tun, soll von Jesus bestimmt sein und von seiner Liebe. Wir handeln im Auftrag Jesu, nach dem Maßstab Jesu und in seiner Kraft. Und alles zusammen soll in der Dankbarkeit geschehen. Der Stern „Deneb“, der Hauptstern, bildet den Schwanz des fliegenden Schwanes. Dann kommen fünf Sterne, die die Flügel anzeigen. Zwei helle Sterne in Richtung Süden zeigen den Hals und den Kopf des Schwanes, wie er die Milchstraße „hinunter fliegt“. Auch die Milchstraße erkennt man ja in einer klaren Nacht. Das „Kreuz des Nordens“ über uns, mag uns daran erinnern, damit wir das nicht vergessen. Der Hauptstern Deneb ist übrigens 3.000 Lichtjahre von uns entfernt und leuchtet 100.000 Mal heller als unsere Sonne. Sonst würden wir den Stern in dieser Entfernung gar nicht sehen. Auch die Liebe Jesu ist tausendmal größer als unsere Liebe. Aber in seiner Kraft und in seinem Namen können wir Dinge tun, die uns sonst unmöglich scheinen! In der griechischen Mythologie soll dieses Sternbild „Schwan“ den Gott Zeus darstellen: Er soll sich – so erzählten sich die alten Griechen – als Schwan verwandelt haben, um sich unerkannt an schöne Frauen heranzumachen. Keine besonders lobenswerte Eigenschaft für einen „Gott“. Als Christen erkennen wir in dieser Sternformation viel eher ein Kreuz: ein Kreuz, das uns an die Liebe Jesu erinnert und an seine Art, mit den Menschen umzugehen. „Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn“. Ich habe dieses Sternbild erst im Urlaub in Dänemark kennen gelernt. Und es berührt mich jedes Mal, wenn ich nachts an den Himmel schaue: Abends zwischen 22 und 23 Uhr steht das „Kreuz“ senkrecht über Spielberg. Amen. 4