M E D I Z I N Muskelkater Dieter Böning Zusammenfassung Muskelkater – verzögerter Muskelschmerz von etwa einwöchiger Dauer – tritt bevorzugt nach ungewohnten Abbremsbewegungen auf, bei denen der arbeitende Muskel durch äußere Kräfte gedehnt wird (exzentrische Kontraktionen). Diese Kräfte führen zu Sarkomereinrissen bei einem Teil der Fasern vor allem im Bereich der Z-Scheiben. Der Schmerz entsteht sekundär vermutlich durch Autolyse der zerstörten Faserstrukturen und Ödeme. Eine seltenere Form gibt es nach langdauerndem intensiven Stoffwechsel wie zum Beispiel nach Marathonläufen; hierbei lassen sich Entzündungsreaktionen mit Leukozyteneinwanderung nachweisen. Muskelkater ist durch die gleiche Bewegung für mehrere Wochen nicht erneut auslösbar. Er hinterlässt keine bleibenden Schäden. Er wird durch Dehnen und leichte dynamische Arbeit gemildert. Eine sicher wirksame medikamentöse Behandlung gibt es nicht. Schlüsselwörter: Krafttraining, Überlastung, exzentrische Kontraktion, Gewebsschädigung, Koordination Summary Delayed-Onset Muscle Soreness Delayed-onset muscle soreness (DOMS) lasting approximately one week occurs frequently after unaccustomed decelleration-movements while the muscle is stretched by external forces (eccentric contractions). These forces may produce sarcomeric ruptures in part of the fibres, especially in the Z discs. Pain is most likely due to autolysis as well as edema. Less frequently DOMS originates from long lasting metabolic overload (marathon races) and is accompanied by muscle inflammation with leucocyte migration. DOMS cannot be reproduced by the same movement for some weeks. There are no permanent damages. DOMS is attenuated by stretching and light dynamic exercises; a clearly effective medical treatment by drugs does not exist. Key words: strength training, eccentric contraction, overload, tissue damage, coordination J edermann kennt Muskelkater (das Wort ist eine Verballhornung von Katarrh) und glaubt zu wissen, dass er durch Milchsäure verursacht wird. Letzteres ist eine durch nichts belegte Spekulation. Diese Vorstellung hat sich aber auch in der Sportmedizin lange gehalten (47), weil über die Pathophysiologie von Muskelkater bis 1980 nur wenig bekannt war. Intensive Forschungen in den letzten 20 Jahren unterstützen überwiegend die These von Mikrotraumen als Erstursache; dagegen sind die Sekundärreaktionen, die zu den verzögerten Schmerzen führen, noch umstritten (1, 5–8, 15, 22, 27). Ursachen, Prophylaxe und Therapie bei Muskelkater Ursachen ❃ Mikroverletzungen der Sarkomere durch Überdehnung bei hohen Kräften (besonders exzentrische Kontraktionen) ❃ Sarkomerschäden bei erschöpfendem Stoffwechsel durch unbekannte Mechanismen Sekundärreaktionen ❃ Ödem durch Autolyse oder Entzündung, Mangeldurchblutung, Verspannung Prophylaxe ❃ Verbesserung der Koordination, Aufwärmen, Carnitin (?), nichtsteroidale Antiphlogistika (?) Therapie ❃ Vermeiden hoher Kräfte beim Training. Dehnen, leichte konzentrische Arbeit, Wärme, nichtsteroidale Antiphlogistika (?) Symptomatik und Auslösebedingungen Im Gegensatz zu Ermüdungsschmerzen, die während des Sports auftreten, beginnt Muskelkater frühestens einige Stunden nach ungewohnten oder besonders intensiven Belastungen (DOMS, „delayed-onset muscle soreness“). Die Muskeln schwellen, sind steif, hart, kraftlos und druckempfindlich; die Bewegungsradien der beteiligten Gelenke verkleinern sich. Schmerzen bei (vor allem isometrischen) Kontraktionen haben nach ein bis drei Tagen ihren Höhepunkt und dauern etwa eine Woche an. Zu Muskelkater kommt es unter Bedingungen, denen eine unvollkommene intramuskuläre Koordination gemeinsam ist (6, 47): ❃ ungewohnte körperliche Aktivität nach langer Pause, ❃ neue, noch nicht perfekt beherrschte Bewegungen bei sonst gut trainierten Sportlern (zum Beispiel eine neue Turnübung), ❃ besonders starke Belastungen (zum Beispiel im Wettkampf) bei trainierten Sportlern (Ermüdung verschlechtert die Koordination), Institut für Sportmedizin (Direktor: Prof. Dr. med. Dieter Böning) des Universitätsklinikums Benjamin Franklin, Freie Universität Berlin A 372 Textkasten ❃ Gabe depolarisierender Muskelrelaxanzien bei der Narkoseeinleitung mit Auftreten von Fibrillationen, ❃ epileptische (tonisch klonische) Krämpfe. Ursachen Als Ursache des Muskelkaters werden Schäden an Muskelzellen (eventuell zusätzlich auch Bindegewebsstrukturen) durch zu hohe mechanische (Verletzungshypothese) oder metabolische (Stoffwechselhypothese) Belastungen angesehen (Textkasten) (5–8, 27). Diese Anfangsschäden können nur subtil sein, da unmittelbar kein Schmerz verspürt wird. Viel diskutiert, aber als Schädigungsursachen ebenso unbewiesen wie die Wirkungen von Milchsäure sind Radikaleffekte bei intensivem Stoffwechsel (43). Hierbei wie auch bei Verletzungen könnte Calcium eine Rolle spielen, das Proteasen und Lipasen aktiviert, die zum Beispiel das Zytoskelett und die Membranbestandteile angreifen (1, 18). Es ist möglich, dass Ca2+ durch deh- Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 6½ 8. Februar 2002 M E D I Z I N nungsaktivierte Kanäle, wegen ATPMangel (Versagen der Calciumpumpe am sarkoplasmatischen Retikulum) wie auch als Folge von radikalbedingten oder mechanisch verursachten Membranschäden in das Sarkoplasma eindringt. In jedem Fall ist der verspätete Schmerz nur durch Folgereaktionen, die Zeit benötigen, zu erklären. Ob eine Stoffwechselstörung oder eine Verletzung den Muskelkater verursacht, müsste sich eigentlich leicht durch eine Analyse der Muskelkater auslösenden Kontraktionen feststellen lassen. Die Frage ist, ob sie hohe Energieumsätze oder große Kräfte erfordern. Man unterscheidet zwischen konzentrischer, isometrischer und exzentrischer Muskelbeanspruchung. Bei der konzentrischen (auch iso- oder auxotonischen) Kontraktion (zum Beispiel Muskelverkürzung mit Heben eines Gewichts) wird mechanische Arbeit (Kraft ⫻ Weg) mit oft großem Energiebedarf geleistet. Sehr hohe Energieumsätze mit teils anaerobem Stoffwechsel und dadurch massiver Milchsäureazidose finden sich bei intensiven konzentrischen Kontraktionen über einige Minuten (zum Beispiel bei Mittelstreckenläufen); sie sind aber nicht als typische Muskelkaterverursacher bekannt. Dagegen beobachtet man Muskelkater häufig nach ausgesprochenen Ausdauerbelastungen wie Marathonläufen. Hierbei kommt es weder zu starken Kräften noch zu hohen Milchsäurekonzentrationen, jedoch zu einer Erschöpfung der Energievorräte im Muskel. Bei der isometrischen Kontraktion (statische Kraftentwicklung ohne Muskelverkürzung, zum Beispiel Drücken gegen eine Wand) werden hohe Maximalkräfte erreicht bei nur geringen Energieumsätzen, da sie nur wenige Sekunden dauern. Muskelkater kommt vor, wird aber nicht regelmäßig beobachtet. Bei der exzentrischen Kontraktion bremst der Muskel die durch eine äußere Kraft erzwungene Dehnung, zum Beispiel wenn man nach einem Sprung wieder landet. Dabei nehmen die Fasern von außen mechanische Arbeit auf (so genannte negative Arbeit), die sie größtenteils in Wärme verwandeln. Der Bedarf an Adenosintriphosphat und da- mit die Stoffwechselbeanspruchung ist sehr klein; möglicherweise kommt es nicht bei jedem Brückenschlag zur ATP-Spaltung oder das System läuft sogar rückwärts und synthetisiert ATP. Bei maximaler Ausbelastung ist die BlutMilchsäure-Konzentration nach exzentrischen Kontraktionen niedriger als nach konzentrischen (25). Beim Abbremsen kann der Muskel aber die höchsten Kräfte entwickeln, weil elastische Bestandteile von Fasern und Bindegewebe wie Federn wirken und möglicherweise mehr Aktin-Myosin-Brücken als bei anderen Kontraktionsformen gleichzeitig vorhanden sind. Hierbei treten für alle Strukturen besondere Belastungen auf. Genau unter diesen Bedingungen kommt es am häufigsten zu Muskelkater. In fast allen Veröffentlichungen über exzentrische Kontraktionen wird sprechend stärker belastet (11); deshalb besteht auch eine erhöhte Verletzungsgefahr. Das Risiko ist besonders groß, wenn mangelnde zeitliche Koordination zwischen den motorischen Einheiten einzelne Fasergruppen allein den hohen Kräften aussetzt. Histologische Befunde Klare Befunde wurden erstmals von Fridén et al. (14) veröffentlicht. Sie entnahmen sofort, sowie drei und sechs Tage nach exzentrischen Belastungen Muskelproben. In 20 bis 30 Prozent der Fasern fanden sie herdförmige Schäden, insbesondere an den Z-Scheiben (Abbildung 1), die wie Zerreißungen aussehen. Die Z-Scheiben, die beiderseits die Sarkomere begrenzen, sind Haltestrukturen, in denen die dünnen Abbildung 1: Muskelschäden nach exzentrischer Belastung (elektronenmikroskopische Aufnahme) (14). In der linken Faser sind die Sarkomere völlig intakt, rechts sind die Z-Scheiben (dicke schwarze Striche) zum Teil zerstört. er als Begleitphänomen erwähnt. Besonders stark ist er zum Beispiel nach ungewohntem Bergablaufen. Die Kraft ist hierbei bezogen auf die Einzelfaser stets höher als bei absolut gleicher positiver Arbeit (im Beispiel Bergauflaufen): Da die einzelnen Fasern bei exzentrischer Kontraktion mehr Kraft als bei konzentrischer entwickeln, werden weniger Fasern rekrutiert, aber ent- Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 6½ 8. Februar 2002 Aktinfilamente und Filamente des Zytoskeletts (zum Beispiel Desmin) verankert sind. Defekte an Letzteren wurden ebenfalls beobachtet (16, 26). Wenn die Z-Scheiben stark zerstört waren, zeigte die benachbarte Sarkomerstruktur Auflösungserscheinungen. Durch Autolyse geschädigter Strukturen hatten die sichtbaren Defekte in den oben genannten Versuchen (14) A 373 M E D I Z I N nach drei Tagen in der Anzahl zugenommen. In der folgenden Regenerationsphase fanden sich zahlreiche Eiweiß bildende Ribosomen zwischen den Filamenten. Nach sechs Tagen waren die Veränderungen weitgehend abgeheilt. Ähnliche Beobachtungen machten Newham et al. (36). Eine typische Entzündungsreaktion in der geschädigten Muskulatur mit Leukozyteneinwanderung fanden sie, ebenso wie Fridén et al. (16) und Bourgeois et al. (3), nicht. Dazu kommt es anscheinend nur, wenn die exzentrische Belastung sehr lang und extrem war (12, 28), oder erst in der zweiten Woche in einer beschwerdefreien Phase (35). Biopsien nach Marathonläufen ergaben ein deutlich schwereres Schadensbild, das mehr an Stoffwechseleffekte denken lässt: Filamente, Mitochondrien, sarkoplasmatisches Retikulum und Zellmembranen waren zerstört, während viele Z-Scheiben intakt blieben; im Gewebe fanden sich Leukozyten und Erythrozyten (Abbildung 2) (21, 46). Bei beiden Muskelkaterformen sind keine wesentlichen Dauerschäden zu beobachten. Es kommt zu vollständiger Regeneration; selbst gelegentliche Faseratrophien sind reversibel (35). Sekundärreaktionen Die sonstigen pathologischen Veränderungen laufen nicht völlig miteinander parallel (8). Während die Muskelkraft sofort herabgesetzt ist und sich im Laufe der folgenden Woche weitgehend erholt, erscheint Kreatinkinase (CK) als Indikator für Zellschäden mit einer Verspätung von einem bis drei Tagen im Blutplasma. Verschiedentlich werden Leukozytosen (vor allem Granulozyten) in den ersten Stunden (30) oder Zytokinanstiege beschrieben. Letztere scheinen aber weniger ausgeprägt als bei anstrengenden Ausdauerleistungen zu sein (44). Ansonsten beobachtet man einen verstärkten Muskeleiweißabbau (zum Beispiel Myosinkettenfragmente im Blutplasma) sowie eine offensichtlich durch die kleinmolekularen Metabolite verursachte Gewebeschwellung mit erhöhtem Gewebedruck (24). A 374 Aktuelle pathophysiologische Konzepte Schwellung, Bewegungseinschränkung, Kreatinkinaseanstieg) auslösen lassen, wenn die exzentrischen Kontraktionen Da die Schäden bereits unmittelbar an vorgedehnten Muskeln durchgenach den exzentrischen Kontraktionen führt werden (37). beobachtet wurden, sind (intrazelluläVon einigen Autoren wird berichtet, re) Mikroverletzungen für diese Mus- dass die Schäden in schnellen (Typ II) kelkaterform die inzwischen weithin Fasern stärker ausgeprägt sind (14). akzeptierte Ursache. Man spürt unter Man kann sich gut vorstellen, dass bei anderem zunächst nichts, weil die einer starken Bremsung die schnellen Schmerznervenendigungen extrazel- Fasern zunächst allein die Kraft abfanlulär im Bindegewebe liegen. Mögli- gen müssen, da die langsamen Fasern cherweise ist eine hohe Dehnungsge- mehr Zeit zur Kontraktion brauchen. schwindigkeit entscheidender als die Bei einer verbesserten intramuskulären maximale Kraft. Einzelne schwächere Kontraktion werden die langsamen moSarkomere könnten dabei stärker ge- torischen Einheiten früher innerviert, dehnt werden und zerreißen, wenn sie sodass alle Muskelfasern gleichzeitig wegen fehlender Überlappung der Ak- ihren Kontraktionsgipfel erreichen. tin- und Myosinfilamente keine aktive Bei Ausdauerbelastung liegt es nahe, Kraft mehr entwickeln (16, 34). Dafür wegen der Membranauflösung an Radispricht auch, dass sich stärkere Schmer- kalschäden zu denken. Jedoch findet zen und sonstige Schäden (Kraftverlust, man nach einem Marathonlauf weder eine Zunahme von entsprechenden Markern wie Malondialdehyd noch eine deutliche Schutzwirkung des Antioxidans Vitamin E (4), sodass andere der oben genannten Mechanismen (zum Beispiel Energiemangel) entscheidend sein dürften. Der Zeitbedarf für das Anlaufen von Autolyse oder Entzündung erklärt die Verzögerung beim Muskelkater (Textkasten). Sowohl die Zerfallsprodukte wie auch der erhöhte Gewebedruck dürften schmerzauslösend sein. Eine Mangeldurchblutung als Ödemfolge könnte den Schmerz verstärken. Zusätzlich wird eine Verspannung als Schmerzfolge diskutiert. Möglicherweise ist der verletzungsbedingte Muskelkater die pathologische Form häufig auftretender kleiner Einrisse innerhalb der Z-Scheiben, die Voraussetzung einer Kraftsteigerung durch Training sein sollen (19). Man kann sich vorstellen, dass durch Risse in vielen Z-Scheiben hintereinander die Fibrillen längs aufAbbildung 2: Muskelschäden nach Marathonlauf (elektronenmikroskopische Aufnahme; Vergrößerung 1 : 7 000, aus spleißen. Werden bei der Re[21]). Das Sarkolemm ist verschwunden, im Extrazellulär- paratur die Teilstücke jeweils raum liegen Mitochondrien (M) und Erythrozyten (E). zu vollständigen Fibrillen wieDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 6½ 8. Februar 2002 M E D I Z I N der aufgebaut, nimmt deren Zahl in der Muskelfaser zu. Eine solche Hypertrophie mit Fibrillenvermehrung ist das typische Ergebnis eines Krafttrainings. Prophylaxe und Therapie Die beste Prophylaxe (Textkasten) ist ein Muskelkater, der kurze Zeit zurückliegt. Diese Wirkung hält viele Wochen an (2, 13, 29). Erklärungen hierfür sind eine verbesserte Koordination (Einsatz von mehr Fasern, zeitliche Abstimmung), eine verstärkte mechanische Belastbarkeit oder sogar eine Zerstörung besonders empfindlicher Muskelfasern (1, 13). Circa zehn maximale exzentrische Kontraktionen sollen bereits zum Schutz ausreichen, ohne Schmerzen auszulösen (31). Andererseits dürfte es sinnvoll sein, große Kräfte und starke Bewegungsausschläge am Anfang einer neuen sportlichen Aktivität zu vermeiden und die Belastung nur langsam von Mal zu Mal zu steigern, bis die Koordination verbessert ist. Gründliches Aufwärmen (31), Dehnen (23) und Massagen werden vorbeugend eingesetzt, doch nur bei Ersterem gibt es Hinweise auf einen Effekt. Die Einnahme von Antioxidanzien (Vitamin C und E) hat ebenfalls keine eindeutig vorbeugende Wirkung (4, 33, 45). Langfristig gegebenes Carnitin (17) soll aufgrund einer verstärkten Muskeldurchblutung Schmerz und CK-Anstieg verringern. Als Therapie (Textkasten) ist bei einer Verletzung als Ursache Schonung zu empfehlen. Auf jeden Fall sollte man hohe Kraftbelastungen vermeiden. Wiederholung der Muskelkater auslösenden Bewegungen mit geringerer Kraft und Dauer am folgenden Tag verringert die Maximalkraft kurzfristig und verzögert den Anstieg der CK (9); leichtes Hanteltraining über mehrere Tage beschleunigt die Krafterholung (42). Vorübergehend lässt sich der Bewegungsschmerz durch vorsichtiges passives Dehnen oder durch leichte konzentrische Arbeit (41) abschwächen. Möglicherweise beruht dies wie auch die Wirkung der oft empfohlenen Wärmebehandlung auf Krampflockerung oder Ödemausschwemmung. Eine Kryotherapie innerhalb der ersten Stunden (39), hyperbare Oxygenation (32), Infrarotbestrahlung (30) und Massage (10) haben sich als wirkungslos erwiesen. Letztere ist bei einer frischen Verletzung sowieso kontraindiziert. Eindeutig wirksame Medikamente gegen Muskelkater, seien es Muskelrelaxanzien, nichtsteroidale Antiphlogistika, Antioxidanzien oder Aminosäuren, wurden bisher nicht gefunden, wenn man von wochenlanger, bereits 14 Tage vorher beginnender, hochdosierter Diclofenac-Gabe (2 ⫻ 75 mg täglich) mit entsprechenden Nebenwirkungen absieht (38). Die Mitteilung, dass Ibuprofen eine vorbeugende (400 mg 4 h vorher) wie auch eine therapeutische (400 mg 24 h nachher) Wirkung habe (20), blieb nicht unwidersprochen (40). All dies spricht dafür, dass beim „klassischen“ verletzungsbedingten Muskelkater meist weder Entzündungen noch Radikalschäden eine Rolle spielen. Bei der schnellen spontanen Abheilung kann man sich normalerweise Behandlungsmaßnahmen, die über Trainingsumstellung und Wärmeanwendungen in der akuten Phase hinausgehen, ersparen. Vermutlich lindert eine antiphlogistische Therapie den Muskelkater nach Ausdauerbelastungen, doch fehlen hierzu systematische Untersuchungen. Manuskript eingereicht: 28. 5. 2001, revidierte Fassung angenommen: 7. 8. 2001 ❚ Zitierweise dieses Beitrags: Dtsch Arztebl 2002; 99: A 372–375 [Heft 6] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist. Anschrift für die Verfasser: Prof. Dr. med. Dieter Böning Institut für Sportmedizin Universitätsklinikum Benjamin Franklin Freie Universität Berlin Clayallee 225c, 14195 Berlin E-Mail: [email protected] Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 6½ 8. Februar 2002 DISKUSSION zu dem Beitrag Allergische Reaktionen auf Metallimplantate von Priv.-Doz. Dr. med. Peter Thomas Dipl.-Biol. Burkhard Summer Prof. Dr. med. Bernhard Przybilla in Heft 30/2001 Eine mögliche Ursache Allergische Reaktionen auf Metallimplantate können für die praktische, allergologisch operative Tätigkeit nicht isoliert gesehen werden (3). Der wichtigste Grund ist der „angry back“ oder das „excited skin syndrome“. Dem Allergologen ist dieses Phänomen als erstes bei Epikutantests aufgefallen: Der Patient reagiert – ausgelöst durch ein starkes, getestetes Allergen – auf viele weitere Testpflaster. Dieses Phänomen ist nicht auf die Testsituation, auch nicht auf die Haut beschränkt (2). Aber an der Hautwunde in der Nähe einer kontaktallergischen Reaktion ist es am besten zu beobachten. In der allergisch entzündeten Haut ist eine Wundheilungsstörung zu beobachten. Da während einer Operation und postoperativ eine Vielzahl von Medikamenten und Chemikalien angewendet werden, die eine Allergie vom Typ 4 (nach Coombs und Gell) auslösen können, ist eine einseitige Betrachtung der Metalle oder jedes herausgegriffenen potenziellen Allergens nur selten sinnvoll. Besonders ist darauf hinzuweisen, dass der in der Ohrchirurgie häufig verwendete V2A-Stahl zwar nickelhaltig ist, diesen jedoch nicht für eine allergische Reaktion ausreichend in das Gewebe abgibt und damit „nur“ ein lokales „angry back”-Phänomen zeigt (1). Dieses Phänomen kann jedoch bei einem Nickelallergiker durchaus durch A 375 M E D I Z I N Nickel aus anderer Quelle, beispielsweise abgenutzten, chromierten Operationsscheren mit verbindender Nickelschicht – ausgelöst sein. Aber auch eine andere, perioperativ verwendete Substanz, zum Beispiel ein Antibiotikum, kann eine solche Reaktion auslösen. Literatur 1. Enzmann H: „Angry Back“ – Ursache für Ertaubung nach Stapesplastik? Arch klin exp Ohren-Nasen- und Kehlkopfheilk Suppl 1983; 349–353. 2. Enzmann H, Daniel V: Die Diagnose des excited-skinsyndrome aus dem Blut. Laryngol Rhinol Otol 1991; 184–186. 3. Enzmann H, Prinz I: Implantatunverträglichkeiten. In: Heppt W, Bachert C: Praktische Allergologie. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag 1998; 148–151. Prof. Dr. med. Harald Enzmann Allergologisches Zentrum Mehrower Allee 20/22, 12687 Berlin Schlusswort Allergische Reaktionen auf Metallimplantate können mit Hautmanifestationen wie Ekzem oder Urtikaria einhergehen. Sie wurden aber auch unter dem Bild von Wundheilungsstörungen, fehlender Frakturheilung oder „steriler“ Osteomyelitis beschrieben. Zu dem Standardvorgehen im Rahmen einer allergologischen Abklärung gehört der Epikutantest, auch wenn damit vermutlich nur ein Teil der zu periimplantärer Entzündung führenden Metallsensibilisierung identifiziert werden kann. Der Begriff „angry back“ beschreibt eine Situation, bei der unter Epikutantestung am Patientenrücken eine Vielzahl von Testreaktionen und/ oder ein Aufflammen von Ekzemen auftreten. Diese überschießende Reaktionsbereitschaft kann auf einer Sensibilisierung gegenüber vielen der getesteten Kontaktallergene beruhen, aber auch auf einer unspezifisch irritativen Ekzemauslösung. Dies erfordert vorsichtige, fraktionierte Nachtestung. Wenn möglich sollte davon das Aufflammen kontaktallergischer Reaktionen unter Testung des relevanten Allergens abgegrenzt werden, wie zum Beispiel eine Exazerbation von Nickel-induziertem Handekzem unter Nickel-und periimplantäre Spättyp-Überempfindlichkeitsreaktionen nur teilweise gemeinsam auftreten, gilt ein Schwerpunkt un- A 376 serer derzeitigen Untersuchungen der Charakterisierung periimplantärer Immunreaktionen und der metallspezifischen Reaktivität zirkulierender Blutlymphozyten. Zu vermuten ist, dass periimplantäre Überempfindlichkeitsreaktionen nicht immer erkannt werden und teils von kutanen Reaktionen abweichende immunologische/molekulare Pathomechanismen haben. Literatur Thomas P, Meurer M: Immunopathien der Haut. In: Baenkler HW, ed.: Medizinische Immunologie. Landsberg: Ecomed Verlag 1996 Kapitel III: 1–96. Thomas P: Allergologische Aspekte der Verträglichkeit von Biomaterialien. Biomaterialien 2000; 1: 37–42. Priv.-Doz. Dr. med. Peter Thomas Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Ludwig-Maximilians-Universität München Frauenlobstraße 9–11 80337 München DISKUSSION zu dem Beitrag Behandlung der schweren pulmonalen Hypertonie Hypertonie in Deutschland keine Zulassung besitzen. Dieser gewichtige Umstand bedeutet in der Praxis, dass vor Beginn jeder einzelnen Behandlung ein umständlicher Kostenübernahmeantrag gestellt werden muss, der aber leider von den Krankenkassen im Regelfall abgelehnt wird. Hierbei spielen ausgerechnet die beiden größten Ersatzkassen eine besonders unrühmliche Rolle. Die DAK legt den Kostenübernahmeantrag beispielsweise gar nicht mehr dem MDK vor, sondern lehnt ihn bereits auf Sachbearbeiterebene ab. Verzichtet man auf einen Kostenübernahmeantrag, so kommt unweigerlich eine Regressverfahren durch die KV auf den Arzt zu. Mittlerweile sind zahlreiche Verfahren in Deutschland anhängig, in denen entweder Ärzte oder Kliniken belangt werden, oder bei denen Patienten vor Gericht um ihre Therapie kämpfen müssen. Die medikamentöse Behandlung der schweren pulmonalen Hypertonie erfordert große Sachkenntnis und hohes Engagement. Aufgrund der ungünstigen Prognose der Erkrankung ist eine rechtzeitige, intensive Therapie essenziell. Diese kann nur erfolgreich durchgeführt werden, wenn die Krankenkassen zur Kooperation bereit sind und die Prostazyklin-Therapie akzeptieren. Priv.-Doz. Dr. med. Mathias M. Borst Medizinische Universitätsklinik Abteilung Innere Medizin III Bergheimer Straße 58 69115 Heidelberg von Dr. med. Edda Spiekerkoetter Prof. Dr. med. Helmut Fabel Priv.-Doz. Dr. med. Marius M. Hoeper Schlusswort in Heft 33/2001 Kostenübernahme nicht gewährleistet In der ausgezeichneten Übersicht wird ein wichtiger praktischer Aspekt der Therapie mit Prostazyklinen leider nur kurz gestreift. Es wird, ebenso wie im Editorial von Professor Seeger, nur kurz erwähnt, dass Prostazyklinderivate für die Behandlung der pulmonalen Wir danken Herrn Borst für seine ergänzenden Anmerkungen, denen wir nur von ganzem Herzen beipflichten können. In dem Leserbrief wird zu Recht ein praktisches Problem bei der Umsetzung der aktuell anerkannten Therapie der pulmonalen Hypertonie angesprochen. Trotz Beendigung der europa- und deutschlandweit durchgeführten Studie zur Beurteilung der Wirksamkeit von inhalativ, oral und subkutan applizierten Prostaglandinen bei pulmonaler Hypertonie, sind die Zulassungsverfahren noch nicht abge- Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 6½ 8. Februar 2002 M E D I Z I N schlossen. Somit existiert derzeit in Deutschland trotz klinisch breiter Erfahrung mit den Substanzen und nachweisbaren Behandlungserfolgen keine zugelassene Therapie der pulmonalen Hypertonie. Die Patienten sind somit auf eine Kostenübernahme der Krankenkassen nach vorher gestelltem Antrag angewiesen. Erstaunlich ist, dass keine einheitliche Regelung der einzelnen Krankenkassen bei einer Kostenübernahme besteht. Man hat vielmehr den Eindruck, dass eine gewisse Willkür hinsichtlich einer Ablehnung oder Zustimmung je nach zuständigem Sachbearbeiter beziehungsweise MDK vorliegt, die nicht selten entscheidend für den weiteren Krankheitsverlauf der Patienten ist. Leider bekommt man in Gesprächen mit den verantwortlichen Stellen den Eindruck, dass nicht in allen Fällen die medizinische Sachlage soweit durchdrungen wurde, dass eine verantwortungsvolle Entscheidung überhaupt möglich wäre. Dennoch stehen die betroffenen Patienten und ihre behandelnden Ärzte solchen Entscheidungen weitgehend machtlos gegenüber. Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Prostazyklin-Therapie eine entscheidende Säule im Behandlungskonzept der schweren pulmonalen Hypertonie darstellt, die heutzutage aus medizinischer Sicht keinem Patienten verwehrt werden darf. Als Ärzte sind wir verpflichtet, nach bestem Wissen und Gewissen die uns vertrauenden Patienten zu behandeln. Bei der Schwere des Krankheitsbildes mit sehr ungünstiger Prognose ist eine zügige Einleitung der Therapie ohne unnötige Verzögerung durch komplizierte Bewilligungsverfahren notwendig. Glücklicherweise sind viele Kassen weiterhin bereit, die Kosten für die Behandlung der schweren pulmonalen Hypertonie mit Prostaglandinen zu übernehmen, da sie Sinn und Notwendigkeit dieser Maßnahmen nachvollziehen können. Prof. Dr. med. Helmut Fabel Priv.-Doz. Dr. med. Marius Höper Dr. med. Edda Spiekerkötter Medizinische Hochschule Hannover Abteilung Pneumologie Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover DISKUSSION zu dem Beitrag Sportmedizinische Aspekte des Golfsports von Dr. med. Folker Boldt Prof. Dr. med. Roland Wolf in Heft 37/2001 Rückenschonendes Golfspiel In den USA wurde eine Methode entwickelt, wesentlich rückenschonender Golf zu spielen. Die Methode „Natural Golf“ ist in Deutschland bisher noch wenig bekannt, während es in den USA schon Hunderte entsprechender Golfschulen gibt. Die Methode beruht auf einem natürlichen Bewegungsablauf ohne große Rotationskräfte, und Patienten, die sonst nach kurzer Zeit Beschwerden bekommen, können mit der Methode den ganzen Tag ohne Schmerzen spielen. Dr. med. Gerhard Otto Lindenallee 47 45127 Essen Schlusswort Die Resonanz auf den Artikel unterstreicht, wie stark das Interesse an medizinischen Aspekten des Golfspielens in den letzten Jahren angestiegen ist. Der „Golferrücken“ findet hierbei besondere Aufmerksamkeit, da fast jeder zweite Golfer irgendwann Rückenbeschwerden äußert. Hierbei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass die Lebenszeitprävalenz von Rückenbeschwerden zirka 80 Prozent beträgt, wobei Bewegungsmangel mit entsprechenden muskulären Abschwächungen die Hauptursache sein dürfte. Seit langem wird versucht, durch spezielle Techniken, das Risiko von Rückenbeschwerden zu vermindern. Eine Methode, die in den USA von zirka 100 Golflehrern (von insgesamt 22 000) unterrichtet wird, ist die angesprochene Na- Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 6½ 8. Februar 2002 tural-Golf-Methode (www.natural-golf. com). Sie basiert auf dem Schwung der Golflegende Moe Norman, dessen präzises Spiel unerreicht ist. Spezielle Merkmale dieser Methode sind ein spezieller Griff („Palmgriff“), bei dem der Schläger nicht mit den Fingern, sondern mehr mit der ganzen Hand gegriffen wird, wodurch kein Winkel zwischen Arm und Schläger entsteht – und ein breiterer Stand als üblich. Hierdurch soll die Torsion und damit die Belastung der Wirbelsäule vermindert werden. Eine andere „rückenschonende“ Schule ist die von Peter Crocker entwickelte Path-to-better-Golfmethode (www.path-to-bettergolf.com), die sich in Deutschland zunehmend verbreitet. Hier geht man davon aus, dass nicht der Körper die Bewegung bestimmt, sondern alles aus den Händen startet. Auch hierdurch soll die Rumpfdrehung geringer sein. Die Verminderung der Torsion und starken Hyperlordosierung im Finish sind also die vorrangigen Ziele bei der Schwungkorrektur. Oft genügen allerdings schon kleine Veränderungen. Ein Spieler mit einem zu „schwachen“ Griff versucht, die damit verbundene Slicegefahr durch eine verstärkte Rotation des Rumpfes zu kompensieren. Die Umstellung auf einen starken Griff wäre hier die simple „Therapie“. Gut ausgebildete Golflehrer werden bei Rückenbeschwerden immer den ganzen Schwung analysieren unter Berücksichtigung der individuellen biomechanischen Möglichkeiten des Spielers. Das Unterrichtssystem des „biomechanischen Optimierens“ wird von der PGA Deutschland in der Ausbildung angewandt. Hierbei wird auch auf die Notwendigkeit eines ergänzenden spezifischen Kraft- und Dehnungstrainings hingewiesen. Nähere Informationen über Stefan Quirmbach, Präsident der PGA Deutschland: [email protected]. Letztendlich gibt es jedoch weltweit bisher keine Schwungphilosophie, die den tatsächlichen Nachweis erbracht hätte, mehr oder weniger rückenschonend zu sein. Dies wäre ein Feld zukünftiger sportwissenschaftlicher Forschung. Dr. med. Folker Boldt Landesinstitut für Sportmedizin Clayallee 225 C 14195 Berlin A 377