Ausarbeitung zum Hauptseminar Experimentalphysik SS2006

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Ausarbeitung zum
Hauptseminar
Experimentalphysik SS2006
Physikalische Grundlagen der
medizinischen Diagnostik
Thema : Szintigraphie
von
Anne Warland
am 18.05.06
Inhalt :
1. Geschichte der Szintigraphie
2. Prinzip und Ziele der Szintigraphie
3. Verwendete Radionuklide und ihre Anwendung im Körper.
4. Zerfallsreihe von Molybdän
5. Herstellung der Radionuklide
5.1.
5.2.
Der Molybdän- Technetium Generator
Zerfallsketten
6. Detektion der Gammastrahlung
6.1. Aufbau und Funktionsprinzip des Szintillators
6.1.1. Wechselwirkung von Gammastrahlung mit Materie
6.1.2. Absorptions- und Emissionsmechanismus im Kristall
6.1.3. Charakteristika von Natriumiodid
6.2. Photomultiplier
6.2.1. Photokathode
6.2.2 Dynodenkette und Anode
6.2.3. Energie und Zeitauflösung
6.3. Verarbeitung der Spannungsimpulse
6.3.1. Spannungssignal am Ausgang des Photomultipliers
6.4. Gammakamera
6.4.1. Kollimation
6.4.2. Lokalisierung des Emissionsortes
7. Medizinische Verfahren der Szintigraphie
7.1. Sequenzszintigraphie
7.2. Funktionsszintigraphie
7.3. Single Photon Emission Computed Tomographie (SPECT)
8. Anwendungsgebiete der Szintigraphie und SPECT
9. Literaturverzeichnis
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1. Geschichte der Szintigraphie:
Das bekannteste und älteste Szintillationsmaterial ist Zinksulfid mit Silber dotiert (aktiviert) ZnS(Ag). Zum ersten Mal wurde dieser Szintillator von Sir William Crookes im
Jahr 1903 benutzt und von ihm als Spinthariskop bezeichnet. Dabei wird ein Zinksulfidschirm mit α-Teilchen beschossen, wodurch beim Auftreffen Lichtblitze ausgelöst
werden. Diese Lichtblitze konnten in einem abgedunkelten Raum mit einem starken
Mikroskop oder einer Lupe beobachtet und gezählt werden. Dies war allerdings sehr
mühselig und man erhielt keine Information über die Energie der Teilchen.
Bekannter ist das Material durch das Rutherford – Experiment: Geiger und Marsden
schossen α-Teilchen auf eine dünne Goldfolie, hinter der in einiger Entfernung ein
Zinksulfidschirm aufgestellt war. Die nicht oder nur schwach abgelenkten α-Teilchen
konnten durch die auf dem Schirm ausgelösten Szintillationen nachgewiesen werden.
Abb.1: Schematischer Aufbau des Rutherfordexperiments [11]
Diese Methode geriet in Vergessenheit, als die Gasionisationszähler aufkamen, die
elektrische Impulse lieferten, welche genauer und angenehmer aufgenommen werden konnten.
Erst 1944 kehrte man wieder zur Szintillationsdetektion zurück, da in dieser Zeit die
ersten Photomultiplier entwickelt wurden. Curran und Baker koppelten diesen an den
Szintillationszähler. Seit den 50er Jahren sind die Szintillationsdetektoren die am
häufigsten eingesetzten Detektoren.
3
2. Prinzip und Ziele der Szintigraphie
Die Szintigraphie ist ein bildgebendes Verfahren mit dem Funktionsstörungen oder
Funktionsausfälle bestimmter Organe dargestellt werden können. Dazu wird dem
Patienten ein γ-strahlendes Radionuklid in Form eines Tracers verabreicht.
Da die vom Radionuklid ausgehende Strahlung außerhalb des Körpers möglichst
ungeschwächt gemessen werden soll, werden γ-strahlende Radionuklide angewendet. Man verwendet ein Molekül, einen Botenstoff oder ein Protein, dessen Verhalten
man im Zielorgan kennt und markiert dieses mit einem Radionuklid. Diese radioaktiv
markierte chemische Substanz wird auch Tracer genannt.
Dieser lagert sich auf Grund von unterschiedlichen Oberflächenmerkmalen in gesunden und kranken Gewebe verschieden an: Entzündungen und Tumore weisen einen
erhöhten Stoffwechsel auf. Dort hat man eine erhöhte Anreicherung des Radionuklids und demnach auch eine erhöhte Aktivität. Aus den Unterschieden in der Aktivitätsverteilung kann man auf Fehlfunktionen schließen.
Bei der Darstellung der Stärke und Verteilung der Gammastrahlung im Körper unterscheidet man zwischen einer Positiv - und einer Negativdarstellung: Bei der Positivdarstellung lagert sich im kranken Gewebe auf Grund eines erhöhten Stoffwechsels
(z.B. Entzündung, Tumor) vermehrt Aktivität an. Bei der Negativdarstellung erkennt
man Funktionsausfälle daran, dass in diesem Bereich keine Aktivität angereichert
wird.
Bei der Szintigraphie wird die momentane Aktivitätsverteilung des Radionuklids im
Organ in einem so genannten Szintigramm dargestellt. Hier am Beispiel für die
Schilddrüse:
Abb.2: Normalfunktion der Schilddrüse [18]
Abb.3: Morbus Basedow [18]
Bei der Normalfunktion der Schilddrüse sind die Schilddrüsenlappen gleichgroß und
haben annähernd die Form von Ellipsoiden.
Morbus Basedow dagegen ist eine Krankheit, die eine Folge krankhaft erhöhter
Schilddrüsentätigkeit ist und bei der das Hormon Thyroxin vermehrt produziert wird.
Die vermehrte Schilddrüsenaktivität erkennt man an den schwarzen Bereichen in der
Mitte der Schilddrüsenlappen, da sich dort vermehrt das Radionuklid anlagert. Es
liegt eine geringfügige Vergrößerung der Schilddüse vor, die allein aber nicht auf
Morbus Basedow schließen lässt.
4
3. Verwendete Radionuklide und ihre Anwendungsgebiete im
Körper
Häufigstes Anwendungsgebiet der Szintigraphie ist die Schilddrüse. Dort verwendete
man früher radioaktive Isotope von Jod. Am geeignetsten ist hier 123I wegen seiner
relativ geringen Halbwertzeit von 13,3 Tagen und einer Energie der Gammaquanten
von 159 keV. Heute wird meistens Technetium verwendet, da es sich wie Jod in der
Schilddrüse verhält, aber viel kostengünstiger und leichter herzustellen ist.
Für die Detektion der γ - Strahlung sollte das Nuklid eine γ- Energie von 100-300 keV
haben. Mit einer γ- Energie von 141 keV wie im Falle von 99m Technetium befindet
man sich genau in der Mitte dieses Bereichs. Ein weiterer Vorteil des Technetiums ist
die kurze Halbwertzeit von nur 6 Stunden, die eine geringe Strahlenbelastung für den
Patienten bedeutet.
Eigenschaften der medizinisch relevantesten Radionuklide :
Nuklid
123
I
99m
Tc
Halbwertzeit
13,3 Tage
6
Stunden
Energie
159 keV.
141 keV
99m Technetium hat auch den großen praktischen Vorteil, dass man leicht andere
Moleküle (Liganden) anlagern kann, je nach Anwendungsgebiet im Körper. Für Anwendungen in der Niere sollte der Ligand z.B. hydrophil sein, für die Leber dagegen
lipophil.
Aufgrund dieser Eigenschaften wird Technetium in 2/3 der szintigraphischen Untersuchungen verwendet.
Beim 99m Technetium handelt es sich um einen metastabilen Zustand des 99 Technetiums. Dies ist ein angeregter Kernzustand, der durch einen verlangsamten γÜbergang (Dauer des angeregten Zustands 10-7s) in den Kerngrundzustand übergeht.
Bei den angeregten Kernzuständen unterscheidet man zwischen kurzlebigen Zuständen im ps - ns Bereich, langlebigen (µs Bereich) und extrem langlebigen, so genannten metastabilen Zuständen, die vom µs bis in den Sekundenbereich reichen
können.
5
4. Zerfallsreihe von Molybdän:
98
Mo(stabil) + n
99
Mo (66 h)
99m
99
β
-
→
β
Tc
Mo (66 h)
-
→
γ
Tc
99
→
β
99m
Tc + e- + νe
99
Tc ( 2·105 a )
-
→
99
Ru (stabil)
-
+ e + νe
Streng genommen ist es falsch, beim 99mTc
von einer Halbwertzeit von 6 Stunden und
einer Gammaenergie von 140 keV zu sprechen, denn es handelt sich um zwei eng
beieinanderliegende metastabile Zustände.
Zu der Halbwertzeit von 6 Stunden gehört
eine γ-Energie von 142 keV, von dort aus
findet ein verlangsamter γ-Übergang zum
Energieniveau von 140 keV statt. Der dann
folgende Übergang zum Grundzustand des
Technetiums ist ein prompter γ-Übergang.
Abb.4: Energieniveaus des angeregten Tc [4]
5. Herstellung der Radionuklide:
Radionuklide kann man auf drei verschiedene Arten herstellen: Im Kernreaktor
(z.B. 99Mo), im Zyklotron (z.B. 123 I ) oder im Generator wie bei 99mTc.
Im Kernreaktor werden die Ausgangsnuklide mit langsamen Neutronen beschossen.
Dadurch resultiert ein Neutronenüberschuss im Kern, dieser wird instabil und angeregt.
Im Zyklotron werden Protonen beschleunigt und treffen dann auf einen stabilen Kern.
Dadurch kommt es zu einem Protonenüberschuss im Kern und dieser wandelt sich in
einen angeregten, instabilen Kern um. Diese Erzeugungsart wendet man häufig bei
der Herstellung von Radiopharmaka für die PET an. Für die Szintigraphie bedeutender ist der Molybdän –Technetium Generator.
5.1. Der Molybdän – Technetium - Generator :
Völlig anders verläuft die Erzeugung im Generator: dabei wird der langlebige metastabile Zustand des Tc genutzt, um es vom Mutternuklid Molybdän abzutrennen.
6
Wegen der kurzen Halbwertzeit von 99mTc, wird dieses direkt in der Klinik hergestellt.
Am gebräuchlichsten ist der Molybdän- Technetium - Generator:
Dort ist das Mutternuklid Molybdän als Molybdat ( 99MoO42-) auf einer Anionenaustauschersäule (Aluminiumoxidsäule) fixiert. Das Molybdat zerfällt auf der Säule zum
Pertechnetat. Das Abtrennen geschieht durch einen Anionenaustausch.
Im unteren Gefäß befindet sich eine Natriumchlorid –Lösung. Diese wird mit Hilfe
des oben aufgesetzten, evakuierten Injektionsfläschchens durch den gesamten Generator gesaugt. Dabei wird auch die Anionenaustauschersäule umspült: Auf der
Säule befindet sich sowohl das Molybdat
als auch dessen Zerfallsprodukt Pertechnetat. Das Molybdat ist höher geladen und
daher stärker an die Säule gebunden.
Das Cl- -Ion verdrängt nun das Pertechnetation (99mTcO4-) von der Säule und Natriumpertechnetat ( Na99mTcO4- ) geht in Lösung. Diese Lösung kann dem Patienten
direkt gespritzt werden.
Abb.5: Schematischer Aufbau eines
Molybdän-Technetium - Generators [18]
5.2. Zerfallsketten
Ein radioaktiver Zerfall ist oft ein mehrschrittiger Prozess, der in Zerfallsketten dargestellt wird. Das Ausgangsnuklid zerfällt in sein Tochternuklid und dieses geht ebenfalls in einen instabilen Zustand über.
Im Fall von Molybdän findet ein dreistufiger Prozess statt.
99
Mo
A1
→
→
Zerfallsrate des Mutternuklids:
dN A 1
= λ A 1 ⋅ N A1
dt
99m
Tc
A2
→
→
99
Tc
A3
Rate des Aufbaus (Tochternuklid)
dNA2
= - λA2 ⋅ NA2 + λA1 ⋅ NA1
dt
Die Rate des Tochternuklids ist auch durch
die Zerfallsrate des Mutternuklids bestimmt
7
Die Differentialgleichungen haben folgende Lösung:
λA2⋅ NA2
λA2
= λA1 ⋅ NA1
1− e−(λ
(
λA2 − λA1
λA1 ⋅ NA1
)
A2−λA1 ⋅t
)
Die Aktivität ist gegeben durch A= λ· N. Die allgemeine Lösung ist als das Aktivitätsverhältnis zwischen Mutter- und Tochternuklid dargestellt.
Bei dieser allgemeinen Lösung müssen drei Fälle unterschieden werden:
a) λA2 > λA1 transientes Gleichgewicht
b) λA1 > λA2 Nicht - Gleichgewichtszustand
c) λ A2 >> λ A1 langfristiges Gleichgewicht
(liegt beim Mo-Tc Generator vor)
Im Fall a) nähert sich das Verhältnis einer Konstanten c > 1 für große Zeiten.
Im Fall b) wächst das Verhältnis mit der Zeit an.
Im Fall c) wird schon nach kurzer Zeit ein konstanter Wert erreicht.
Abb.6: Aktivitätsverlauf von Mutter A1 und Tochternuklid A2 beim transienten Gleichgewicht [17]
Die Aktivität des Tochternuklids steigt an, und geht sogar über die Aktivität des Mutternuklids hinaus. Nach Erreichen eines Maximums nimmt die Aktivität des Tochternuklids ab und zwar nahezu gleichstark wie die des Mutternuklids: Die Kurven nähern sich immer mehr an. Ab dem Zeitpunkt t = 10 ist der Kurvenverlauf von Mutter und Tochternuklid fast gleich. Das Aktivitätsverhältnis ist dann konstant.
8
Abb.7:Aktivitätsverlauf von Mutter A1 und Tochternuklid A2 beim Nicht -Gleichgewichtszustand [17]
Der Nicht - Gleichgewichtszustand ist gekennzeichnet durch:
λA1 > λA2 bzw. T2 > TA1
Da die Halbwertzeit des Tochternuklids viel größer ist als die des Mutternuklids, kann
kein Gleichgewichtszustand erreicht werden. Es findet demnach kein Annähern der
Aktivitätsverläufe statt.
Im Folgenden ist der Aktivitätsverlauf für das langfristige Gleichgewicht (secular equilibrium) dargestellt, wie es beim Molybdän- Technetium Generator vorliegt:
Abb.8: Aktivitätsverlauf von Mutter A1 und Tochternuklid A2 beim langfristigen Gleichgewicht [17]
Die Aktivität des Mutternuklids (Molybdän) nimmt nur sehr schwach ab, während die
Aktivität des Tochternuklids in kurzer Zeit stark ansteigt, bis die beiden ein Aktivitätsgleichgewicht erreicht haben. Das Erreichen eines Aktivitätsgleichgewichts ist allerdings nur theoretisch möglich, in der Praxis hat man eine Aktivitätsdifferenz von ca.
10%.
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Abb.9 : Zerfall und Aufbau von 99 Mo und 99mTc in Abhängigkeit von der Zeit [13]
In der obigen Graphik ist der Aktivitätsverlauf der Nuklide über einen längeren Zeitraum dargestellt. Innerhalb von 24 Stunden ist die Aktivität des Molybdäns gerade
auf 80% abgefallen, in der gleichen Zeit ist die Aktivität des 99mTc auf 70% angestiegen. Nun wird eluiert, der gesamte Bestand des neu gebildeten 99m Tc wird aus dem
Generator abgeführt.
Das Intervall zwischen Aufbau und Elution beträgt 24 Stunden.
6. Detektion der Gammastrahlung:
Abb.10: Schematischer Aufbau eines Szintillationsdetektors
10
Die Detektion geschieht mit einem Szintillationszähler. Dieser besteht aus einem
Szintillator und einem dahinter angeschlossenen Photomultiplier. Der Szintillator, in
den meisten Fällen ein NaI -Einkristall, wandelt die γ-Quanten in Photonen im sichtbaren Bereich des Spektrums um. An der Kathode des Photomultipliers werden die
Photonen in Elektronen umgewandelt und durch eine Reihe von Dynoden vervielfacht.
Wichtig ist hierbei, dass das am Ende des Photomultipliers abfallende Spannungssignal proportional zu der Energie ist, die das γ-Quant im Szintillationskristall deponiert hat.
6.1. Wechselwirkung von γ - Strahlung mit Materie
Die einfallenden γ-Quanten können mit dem Szintillatormaterial durch Photoeffekt,
Comptoneffekt und Paarbildung wechselwirken.
Photoeffekt:
Beim Photoeffekt wird die gesamte Energie des Quants an ein Hüllenelektron abgegeben. Dieses erhält die kinetische Energie Ekin = hν - A und kann sich frei durch den
Kristall bewegen. Der frei gewordene Platz wird von einem Elektron aus einer höheren Schale aufgefüllt. Die Differenzenergie der Niveaus wird in Form eines Röntgenphotons abgegeben.
Der Wirkungsquerschnitt σ des Photoeffekts beträgt:
Z N
σ =
E3
N≈5
Z : Kernladungszahl
E : Energie des einfallenden γ- Quants
Eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Photoeffekt kann man demnach durch ein
Szintillatormaterial mit einer hohen Kernladungszahl bzw. einem Radionuklid mit einer niedrigen γ -Energie erreichen.
Comptoneffekt:
Es kann aber auch vorkommen, dass das γ-Quant nicht seine gesamte Energie im
Kristall hinterlässt. Das ist der Fall, wenn die Wechselwirkung durch Comptoneffekt
erfolgt. Dabei wird das Photon an einem (quasi) freien Elektron elastisch gestreut,
der Energieübertrag hängt von der Größe des Streuwinkels ab.
11
Hier ist der Streuquerschnitt gegeben durch:
σ =
Z
E
Z = Kernladungszahl
E = Energie des einfallenden γ- Quants
Die Paarbildung, die erst ab 1,02 MeV auftritt, kann hier wegen zu geringer γ
Energien vernachlässigt werden.
Als Nächstes ist der Absorptionskoeffizient in Abhängigkeit von der Energie aufgetragen.
Es gelten folgende Bezeichnungen:
τ : Absorptionskoeffizient des Photoeffekts
σ : Absorptionskoeffizient des Comptoneffekts
χ : Absorptionskoeffizient des Paarbildungseffekts
µ : Gesamtabsorptionskoeffizient
Abb.11: Gesamtabsorptionskoeffizient von NaI [5]
12
Die Skalierung ist doppelt logarithmisch. Bei der für die Medizin relevanten Energie
von 140 keV erhält man: σ ≈ 0,4 cm-1 und τ ≈ 2,0 cm-1
Damit ist die Wahrscheinlichkeit für eine Wechselwirkung durch Photoeffekt bei dieser Energie fünffach größer als für den Comptoneffekt.
6.1.2. Absorptions – und Emissionsmechanismus im
anorganischen Kristall
Zum Verständnis der Anregung der Elektronen im Szintillator wird dem Kristall als
Ganzem ein Bandschema zugeordnet. Valenz - und Leitungsband sind durch eine
verbotene Zone, die für Natriumiodid 7eV beträgt, voneinander getrennt.
Abb.12: Bandschema des reinen Natriumiodidkristalls [24]
Die durch Photo- oder Comptoneffekt erzeugten freien Elektronen geben ihre hohe
kinetische Energie durch Stöße an weitere Elektronen ab. Durch ein einzelnes Quant
bzw. Photon wird eine große Anzahl freier Elektronen erzeugt:
Diese Elektronen thermalisieren zur Leitungsbandunterkante und können mit den
Löchern im Valenzband rekombinieren. Die dabei emittierten Photonen haben eine
Energie von mindestens 7eV. Das reicht aus, um Elektronen aus dem Valenzband in
das Leitungsband zu heben. Der Szintillator ist also für sein Emissionslicht undurchlässig, da Absorptions- und Emissionsspektrum überlappen.
Dies lässt sich durch Dotierung mit Störstellen ändern. Man verwendet beim NaIKristall Thallium-Ionen (Tl+ ), die einzelne Natrium -Ionen ersetzen. Es reicht schon
eine relativ schwache Dotierung von 2,3· 10-3 Mol Thallium pro 1 Mol Natrium aus.
13
Abb.13: Bandschema eines mit Thallium dotierten Natriumjodidkristalls [24]
Durch die Thalliumstörstellen, auch Aktivatoren genannt, werden Energieniveaus
innerhalb der verbotenen Zone. Die in das Leitungsband gehobenen Elektronen können über diese Niveaus mit dem Löchern im Valenzband rekombinieren. Dies kann
durch zwei Prozesse geschehen: Exzitoneneinfang und Locheinfang.
Beim Locheinfang driftet das im Valenzband zurückgelassene Loch zu einem Aktivatoratom und ionisiert es. Das Elektron im Leitungsband bewegt sich frei durch den
Kristall, bis es auf ein solches angeregtes Aktivatoratom trifft. Das Elektron wird eingefangen und es entsteht dadurch ein neutrales Aktivatoratom. Die dabei frei werdende Energie wird als Photon abgegeben.
Der zweite Prozess verläuft analog hat, nur hat man es hier mit gekoppelten Elektronen – Lochpaare sog. Exzitonen zu tun: Das Elektron ist elektrostatisch an das Loch
gebunden, seine Energie liegt unterhalb der Leitungsbandenergie. Elektron und Loch
bewegen sich dann gekoppelt durch den Kristall.
Der Rekombinationsprozess ist gleich: Wenn sie auf ein Tl-Aktivatorzentrum treffen,
geben sie ihre Energie an dieses ab. Das Elektron kehrt in das Valenzband zurück
und das Tl – Ion gibt die Anregungsenergie über erlaubte Zustände unter Emission
von Fluoreszenzlicht oder durch Emission von Phononen ab. Es ist aber auch möglich, dass verbotene Zustände angeregt werden, in diesem Fall liegt Phosphoreszenz
vor.
Die Energiedifferenz zwischen den angeregten Aktivatorniveaus und dem Aktivatorgrundzustand beträgt ca. 3 eV. Die Wellenlänge des emittierten Photons liegt damit im sichtbaren Bereich des Spektrum und beträgt λ = 413 nm.
Für die Rekombination über die 3 eV steht nur ein Bruchteil der Elektronen zur Verfügung. Der größte Anteil der Energie geht durch Erzeugung von Anregungs- und
Schwingungszuständen und Ionisation verloren.
14
Bei dem Szintillationsdetektor wird ausgenutzt, dass die Lichtausbeute L direkt proportional zu der im Kristall deponierten Energie ist. Dies ist genau genommen nur
eine Näherung, denn die Linearität ist für Energien unterhalb von 400 keV nicht mehr
gegeben. Die differentielle Lichtausbeute dL/dx (Lichtausbeute pro Einheitslänge)
ändert sich mit der Energie. Die Abweichungen sind allerdings gering, so dass die
Annahme L~ E eine gute Näherung ist.
6.1.3. Charakteristika von Natriumjodid:
Natriumjodid ist das am weitesten verbreitete Szintillatormaterial und wird bereits seit
den 40er Jahren benutzt. Bisher konnte sich kein anderes Material dauerhaft etablieren.
Nur einige Prozent der Energie, die die γ - Quanten im Kristall deponiert haben, wird
in Energie detektierbarer Photonen umgewandelt. Dieser Anteil wird als Lichtausbeute bezeichnet. Diese ist für Natriumjodid mit 13% am höchsten. Die Dichte (ρ= 3,7g
cm-3) sowie die recht hohe mittlere Ordnungszahl Z =32 sorgen dafür, dass das γQuant viel Energie im Kristall hinterlässt.
Ein relativ neues Szintillatormaterial ist Wismutgermanat (Bi4Ge3O12).Ein großer Vorteil dieses Materials ist die hohe Ordnungszahl von Z = 83.Damit erreicht man eine
hohe Wahrscheinlichkeit für den Photoeffekt. Ein großer Nachteil liegt allerdings in
der sehr geringen Lichtausbeute von nur 8% bezogen auf Natriumjodid.
6.2. Detektion der Photonen mit dem Photomultiplier:
Abb.14: Aufbau eines Photomultipliers [20]
Die erzeugten Photonen treffen auf die Photokathode des angeschlossenen Photomultipliers und lösen dort Elektronen aus. Diese Elektronen werden durch ein Dynodensystem verstärkt. Zwischen Kathode und Anode liegt eine Spannung von 1-2 keV
an. Es werden 10-14 Dynoden verwendet, wobei jede über einen Spannungsteiler
auf ein höheres Potential gebracht wird als die Vorgängerdynode. Die Potentialdifferenz zwischen den einzelnen Dynoden ist konstant und beträgt 100-140 eV.
15
Die aus der Kathode austretenden Elektronen werden durch das angelegte elektrische Feld beschleunigt und schlagen an den Dynoden durch Sekundäremission weitere Elektronen heraus. Dadurch entsteht schließlich eine Elektronenlawine, die an
der Anode ankommt. Das an der Anode abfallende Strom –bzw. Spannungssignal
dient nun zur Energieanalyse.
6.2.1. Die Photokathode:
Die Energie der aus dem Szintillator emittierten Photonen muss größer als die Potentialbarriere (Austrittsarbeit) des Kathodenmaterials sein. Für Metalle beträgt sie 3-4
eV kann aber durch speziell gewählte Verbindungen weiter herabgesetzt werden.
Dazu verwendet man Bialkaliverbindungen: z. B. SbKCs oder Multialkaliverbindungen wie SbKNaCs, welche eine Austrittsarbeit von ca.1,4 eV haben.
Hier ist die Kathodenempfindlichkeit
gegen die Wellenlänge für verschiedene Kathodenmaterialien aufgetragen: Die blaue Kurve stellt die häufig verwendete Multialkaliverbindung
SbKNaCs dar.
Auffällig ist hierbei das breite Maximum bei 400-500 nm. Das Kathodenmaterial SbKNaCs eignet sich
sehr gut bei Verwendung des NaI
Szintillators, da das Maximum der
Empfindlichkeit des Photomultipliers
genau bei der Wellenlänge des
emittierten Lichts λ= 413 nm liegt.
Abb.15 : Kathodenempfindlichkeit verschiedener Kathodenmaterialien [22]
Die Empfindlichkeit ist zu beiden Seiten hin begrenzt. Die Begrenzung zu langen
Wellenlängen kommt dadurch zustande, dass diese Elektronen nicht mehr genügend
kinetische Energie haben, um aus dem Material auszutreten.
Zu kurzen Wellenlängen hin erfährt die Empfindlichkeit durch das Material des Kathodenfensters eine Begrenzung. Bei normalem Glas liegt die Abschneidewellenlänge bei λ = 350 nm. Man kann den Empfindlichkeitsbereich erweitern, indem man
Quarzglas verwendet.
Quantenausbeute
Eine weitere charakteristische Größe und ein Maß für die Empfindlichkeit der Kathode ist die Quantenausbeute:
16
Sie gibt das Verhältnis der Anzahl der ausgelösten Photoelektronen zur Anzahl der
auftreffenden Photonen an.
Quantenausbeute =
Zahl der emittierten Photoelektronen
Zahl der einfallend en Photonen
Die Quantenausbeuten, die man experimentell erreichen kann, liegen bei 30% und
haben ihr Maximum im blauen Bereich des Spektrums.
Diese Größenordnung erreicht man mit Multialkaliverbindungen. Mit Bialkaliverbindungen ist sogar eine noch höhere Effizienz im blauen Bereich erreichbar. Ein weiterer Vorteil gegenüber Multialkaliverbindungen liegt in der geringeren thermischen
Emission.
Thermische Emission:
Bei Raumtemperatur haben die Elektronen des Kathodenmaterials eine durchschnittliche kinetische Energie von 25 meV. Einige Elektronen können jedoch eine viel höhere kinetische Energie haben, wenn sich diese Elektronen sehr nahe an der Oberfläche befinden, können sie austreten. Es resultiert ein so genannter Dunkelstrom.
Die Spannungssignale, die dadurch am Ende des Photomultipliers ankommen, tragen für die Analyse keine verwertbare Information. Dieser Effekt ist durch Kühlen des
Photomultipliers vermeidbar.
6.2.2. Dynodenkette und Anode :
Die Elektronenvervielfältigung im Photomultiplier geschieht durch Sekundäremission:
Die aus der Kathode austretenden Elektronen werden durch das anliegende elektrische Feld beschleunigt und schlagen an jeder Dynode per Sekundäremission
Elektronen heraus.
Um ein Elektron des Dynodenmaterials anzuregen, wäre eine Energie von ca. 2- 3
eV nötig. Die kinetische Energie, die die Elektronen zwischen zwei Dynoden erhalten, beträgt 100 eV. Damit könnte man theoretisch 30 Elektronen zwischen zwei Dynoden per Sekundäremission erzeugen. Allerdings ist die Bewegungsrichtung der
Elektronen zufällig. Nur ein geringer Anteil der Elektronen hat die „richtige“ Bewegungsrichtung, um an die Oberfläche zu kommen. Ein weiteres Problem ist, dass
viele dieser Elektronen kehren wieder in den Grundzustand zurück, bevor sie die Dynode verlassen.
Der Sekundäremissionsfaktor, ist die Anzahl der Elektronen, die ein Elektron an einer
Dynode per Sekundäremission erzeugt
Bei Verwendung von N Dynoden, erhält man insgesamt einen Verstärkungsfaktor
von:
Gesamtverstärkung
=δN
δ : Sekundäremissionsfaktor
17
Mit den üblichen Werten (N = 10-14) erhält man eine Gesamtverstärkung von 106-108
Die Größe der Verstärkung hängt stark von dem Dynoden- bzw. Kathodenmaterial
ab. Damit pro Dynode möglichst viele Elektronen herausgeschlagen werden, sollte
das Material einen hohen Sekundäremissionsfaktor haben. Hierfür verwendet man
z.B. Berylliumoxid (BeO) wegen seiner hohen thermischen Stabilität oder auch
Cs3Sb.
Das Dynodenmaterial sollte so gewählt sein, dass es ein geringes thermisches Rauschen aufweist und der hohe Sekundäremissionsfaktor auch bei hohen Strömen aufrechterhalten wird.
Da der Photomultiplier sehr empfindlich gegenüber Magnetfeldern ist, muss er gegen
eventuell vorhandene magnetische Streufelder mit einem Zylinder aus µ-Metall und
gegen das Erdmagnetfeld durch Weicheisen abgeschirmt werden.
Besonders wichtig ist, es möglichst viele der
aus der Kathode ausgelösten Elektronen auf
die erste Dynode zu fokussieren.
Die Laufzeit des Elektrons zur ersten Dynode
sollte unabhängig vom Emissionspunkt auf
der Kathodenoberfläche sein.
Ein weiteres Problem sind die Raumladungseffekte, die zwischen der letzten
Dynode und der Anode auftreten. Da sich dort
viele Elektronen anhäufen, bildet sich ein
schwaches elektrisches Feld.
Dieses verändert den Bahnverlauf des
Elektronenstroms und so können weniger
Elektronen von der Anode aufgesammelt
werden. Dies lässt sich ändern, indem man
unterschiedliche Spannungsstufen verwendet.
Abb.16: Aufbau eines Szintillationszählers Harshaw 6S8 [5]
18
6.2.3. Energie und Zeitauflösung beim Photomultiplier:
Die Größen, die den Photomultiplier charakterisieren, sind Energie und Zeitauflösung.
Die Energieauflösung ist durch die Halbwertsbreite bestimmt. Schwankungen in der
Lichtausbeute, Streuungen in der Quantenausbeute und eine schlechte Überführung
der Elektronen von der Kathode zur ersten Dynode führen zu einer Linienverbreiterung und dadurch zu einer schlechteren Auflösung.
Die Zeitauflösung wird durch die Ladungsträgersammelzeit im Vorverstärker bestimmt, diese liegt zwischen 0,1µs und 1ns. Auch hier entstehen Verluste, hauptsächlich durch die Streuung in den Laufzeiten der Elektronen von der Kathode zur
Anode. Diese Streuung ist relativ breit und liegt zwischen 10 ns und 100 ns.
Anstelle eines Photomultipliers können auch Mikrokanalplatten verwendet werden.
Dort findet die Elektronenvervielfältigung auf Bleiglasplatten mit Löchern im Mikrometerbereich statt. Wenn zwei bis drei solcher Platten hintereinander geschaltet werden
wird eine Verstärkung von 107 erreicht, die mit dem Photomultiplier vergleichbar ist.
Vorteile der Mikrokanalplatten sind die Unempfindlichkeit gegenüber Magnetfeldern
bis zu 0,2 T sowie eine hohe Zeitauflösung (< 100 ps)
Ein großer Nachteil hingegen ist der hohe Herstellungsaufwand und der hohe Preis.
6.3. Verarbeitung der Spannungsimpulse
Abb.17: Blockschaltbild des Szintillationsdetektors mit angeschlossener Auswerteelektronik [23]
Die aus dem Gewebe emittierten Gammastrahlen treffen, nachdem sie den Kollimator passiert haben, auf den Kristall und Photomultiplier. Das Spannungssignal am
Ende des Photomultipliers wird durch einen Vorverstärker zu einem messbaren Signal verstärkt und durch einen Integrator geglättet.
Der Impulshöhenanalysator sortiert die Signale nach ihrer Amplitude und der Vielkanalanalysator (Multi-Channel Analyser) ordnet die Signale nach ihrer maximalen Höhe in entsprechende Kanäle ein. Am Ausgang des Photomultipliers kommt eine Vielzahl von Signalen unterschiedlicher Signalamplitude und Intensität an.
19
6.3.1. Spannungssignal am Ausgang des Photomultiplers
Das nächste Bild zeigt eine Oszilloskopaufnahme der Spannungsimpulse.
Man erkennt Spannungssignale unterschiedlicher Höhe und Intensität. Das Signal,
dessen maximale Signalhöhe am größten ist und das die größte Intensität hat, gehört
zum Photopeak. Deutlich schwächer, aber noch erkennbar ist der Rückstreupeak.
Dieser entsteht durch Quanten, die außen am Detektormaterial um große Winkel gestreut werden.
Der Szintillationszähler liefert am Ausgang
ein Signal, dessen maximale Höhe proportional zur im Kristall absorbierten Energie ist.
Zählrate N
Die Gesamtabsorptionslinie sagt aus, dass
das γ-Quant seine gesamte Energie an den
Kristall verliert. Dabei ist es unwichtig, ob
dies in einem einzigen Prozess (Photoeffekt)
geschieht oder mehrschrittig, z.B. nach vorheriger Wechselwirkung durch Comptoneffekt.
Gesamtabsorptionslinie
Abb.18a: Spannungssignal am Ausgang des
Photomultiplers [5]
Abb.18b:Zährate in Abhängigkeit des ankommenden Spannungssignals [5]
Comptonkontinuum
Ein Teil der Energie
verlässt den Kristall
Die gesamte Energie bleibt im Kristall
Es scheint zunächst verwunderlich, dass man bei Verwendung von monoenergetischer Gammastrahlung am Ende des Photomultipliers dennoch unterschiedliche
Spannungssignale erhält. Wie schon beschrieben ist die Lichtausbeute L proportional
zur deponierten Energie. Da der Energieübertrag durch Elektron- Elektron - Stöße
konstant ist, hängt die Zahl der angeregten Elektronen von der deponierten Energie
ab. Wenn viele Elektronen an einem bestimmten Übergang beteiligt sind, hat das
dabei emittierte Licht eine entsprechend große Intensität. Diese Intensitätsunterschiede entsprechen unterschiedlichen Stromsignalen an der Anode.
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Da die maximale Spannungshöhe proportional zur deponierten Energie ist, kann das
Impulshöhenspektrum nach geeigneter Kalibrierung, in ein Energiespektrum
(Zählrate über Energie) umgewandelt werden (siehe nächste Abbildung).
Abb.19: γ-Impulshöhenspektren nach einer Schilddrüdsenszintigraphie [28]
Diese Energiespektren sind bei einer Schilddrüsenszintigraphie entstanden. Die erste
Messkurve wurde 2,5 Stunden nach Verabreichung des Technetium -Präparats gemacht. Man erkennt deutlich den Photopeak bei 140 keV und die Rückstreulinie bei
90keV.
Die hohe Zählrate kommt durch Comptoneinfach- und Mehrfachstreuung im Körper
des Patienten zustande. Die zweite Kurve wurde 20 Stunden nach Verabreichung
des Radionuklids aufgenommen, daher ist die Zählrate geringer.
6.4. Die Gammakamera:
Früher wurde das zu untersuchende Organ mit einem Scanner abgetastet. Dieser
Scanner war ein einzelner Szintillationskristall mit einem angeschlossenen
Photomultiplier. Heute hingegen kann mit einer so genannten Gammakamera in einem Schritt das gesamte Organ aufgenommen werden.
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Abb.20 : Querschnitt durch eine Gammakamera [18]
Diese besteht aus einem großflächigen NaI-Einkristall mit einem Durchmesser von
bis zu 55 cm und einer Dicke von 0,5 - 1 cm. Darauf sind mehrere Photomultiplier
(37-100 Stück) in hexagonaler Anordnung angekittet. Hinter den Photomultipliern
befindet sich eine Ortungselektronik, die den Szintillationsort (Emissionsort aus dem
Kristall) lokalisiert.
An der Seite zum Patienten hin, befindet sich eine Bleiplatte mit feinen Löchern, die
schräg einfallende Quanten absorbiert, ein so genannter Kollimator.
Die Lokalisation des Emissionsortes der Quanten geschieht später durch Parallelprojektion, deshalb ist es sehr wichtig nur senkrecht auftreffende Quanten zuzulassen,
denn sonst würde ein falscher Emissionsort zugeordnet.
Die Wände, die die einzelnen Löcher voneinander trennen, werden Septen genannt.
6.4.1. Kollimation:
Für die Kollimation sind Ortsauflösung und
Empfindlichkeit die entscheidenden Größen.
Eine hohe Ortsauflösung erreicht man durch
einen kleinen Lochdurchmesser und eine
große Septenlänge L. Der Kristall sollte also
möglichst dick sein. Dann wird der Radius des
Kreiskegels RG , in den die Quanten einfallen
können, klein.
Dadurch wird allerdings auch die Zahl der eintreffenden Photonen stark eingeschränkt, und
die Empfindlichkeit nimmt ab.
Abb.21 : Geometrische Kenngrößen eines einzelnen Kollimatorschachts [22]
22
Die Parallellochkollimatoren, die auch bei der Gammakamera verwendet werden,
haben bis zu 170.000 Löcher und erzeugen eine Parallelprojektion. Die Löcher sind
mit strahlentransparentem Kunststoff ausgefüllt. Möchte man ein vergrößertes Bild
erstellen, so werden divergierende Kollimatoren verwendet.
Die Septendicke muss der Energie der verwendeten Strahlung angepasst sein. Beim
Nuklid 99mTc werden drei unterschiedliche Kollimatoren mit Durchmessern zwischen
1,4 mm und 1,6 mm verwendet. Die Lochlänge reicht von 25,4 mm bis 35 mm.
6.4.2. Lokalisierung des Emissionsortes:
Abb.22: Signalverteilung der einzelnen Photomultiplier [19]
Die Signalverteilung ist für die einzelnen Photomultiplier unterschiedlich, Photomultiplier, die vom Szintillationsort weiter entfernt sind, haben ein Spannungssignal mit
einer geringeren Amplitude als solche, die sich sehr nah am Szintillationsort befinden. Auf diese Weise lässt sich der Emissionsort grob lokalisieren.
Da die Position der einzelnen Photomultiplier genau festgelegt ist, kann dem jeweiligen Photomultiplier das entsprechende Ausgangssignal zugeordnet und der Absorptionsort auf der Kristallscheibe errechnet werden. Die Position wird als x- y -Signal im
Rechner gespeichert, das dazugehörige z - Signal ist die Häufigkeitsverteilung der
registrierten Ereignisse über einen vorgegebenen Zeitraum.
Aus diesen drei Signalen wird dann ein digitales Bild errechnet. Die Zuordnung der
Grau - oder Farbstufen erfolgt nach der Zahl der Ereignisse pro Pixel.
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7. Medizinische Verfahren der Szintigraphie:
7.1. Sequenzszintigraphie
Bei der Schilddrüsenszintigraphie werden planare Einzelbilder erstellt. Man erhält
also eine Momentaufnahme der Aktivitätsverteilung. Bei manchen Anwendungen
möchte man allerdings Informationen über den Aktivitätsverlauf haben.
Bei der Nierenszintigraphie interessiert man sich beispielsweise für den Geschwindigkeitsverlauf eines Stoffwechselvorgangs. Deshalb wird eine Sequenzszintigraphie
durchgeführt: In bestimmten Zeitintervallen werden Einzelaufnahmen des Organs
gemacht und miteinander verglichen.
Abb.23: Aufnahmefolge einer Sequenzszintigraphie [18]
Auf der ersten Aufnahme (nach 10 -20 s) erkennt man, dass das Radionuklid gerade
die Niere erreicht, nach 2- 3 Minuten hat sich die Aktivität vollständig in der Niere angereichert. Danach verlässt das Radionuklid die Niere und wandert in die Blase.
Anhand der Zeitspanne, in der das Nuklid in der Niere verweilt, kann man erkennen,
ob es sich um einen normalen Stoffwechselvorgang handelt.
7.2. Funktionsszintigraphie:
Eine Quantifizierung der Ergebnisse erhält man mit der Funktionsszintigraphie:
Dabei nutzt man die bei der Sequenzszintigraphie gewonnenen Bilder. Innerhalb dieser Bilder wird ein geschlossener Bereich von Pixeln markiert, so genannte Regions
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of Interest (ROI). Man vergleicht nun innerhalb dieser ROIs die Anzahl der Impulse
pro Pixel. In der unteren Abbildung liegt die maximale Impulszahl im 3.Bild vor. Wenn
man nun den Zeitpunkt kennt, an dem das Bild erstellt worden ist, kann die Zahl der
Impulse pro Pixel gegen die Zeit aufgetragen und Zeitaktivitätskurven erstellt werden.
Abb.24: links: Ausgewählte planare Einzelszintigramme und die markierten ROI s [4]
rechts: Erstellung von Zeitaktivitätskurven nach einer Funktionsszintigraphie [4]
Bei der Auswertung dieser Kurven untersucht man charakteristische Parameter wie
z.B. den Zeitpunkt und die Höhe des Maximums, sowie die Steilheit der Anstiege
bzw. Abfälle der Zeitaktivitätskurven.
Wie man an dem oben abgebildeten Nephogramm erkennt, wird das Maximum der
Impulszahl bei der gestauten Niere zu einem späteren Zeitpunkt als bei einer Normalfunktion der Niere erreicht.
Kontrastverbesserung der Aufnahmen:
Die planaren Einzelbilder werden mit einem Fenster auf dem Photopeak aufgenommen, d.h. die Impulse, die durch Comptonstreuung entstanden sind, werden ausgeblendet. Dennoch liegt meist ein großer Streuanteil vor, der durch Streuung der
Gammastrahlung im Körper entsteht.
Eine Möglichkeit diesen Streuanteil zu verringern ist die Doppelfenstermethode:
Dabei wird ein weiteres Bild mit dem Fenster auf dem Comptonspektrum gemessen.
Dieses wird dann von dem vorher erzeugten Bild mit dem Fenster auf dem Photopeak abgezogen.
Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung des Kontrastes ist der Background-Cutoff:
Hierbei wird eine Untergrundschwelle abgezogen, die die Verteilung der Farbwerte
verfeinert. Nachteilig hierbei ist allerdings die Gefahr durch eine zu hoch gewählte
Untergrundschwelle falsch-positive Ergebnisse zu erhalten
25
7.3. Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT)
Mit dieser Methode kann eine dreidimensionale
Aktivitätsverteilung dargestellt werden.
Dabei kreisen zwei bis drei Gammakameras um
den Patienten und nehmen aus verschiedenen
Winkelpositionen Bilder auf. Je nach Anwendung
werden Aufnahmen aus bis zu 120 verschiedenen
Winkeln angefertigt.
Aus diesen Bildern können Schnittbilder erzeugt
werden. Man erreicht mit der SPECT eine Auflösung von 10 mm. Bei dieser Aufnahme erkennt
man Tumore an der Wirbelsäule, am Becken und
in den Rippenbögen.
Abb.25 SPECT Aufnahme des Skeletts [18]
Die Rückprojektion :
Der Emissionsort des Gammaquants wird mittels Rückprojektion ermittelt, da er in
einer nicht näher bekannten Entfernung vor dem Kollimator liegen muss. Die Projektionsrichtung ist durch die Kollimatorlöcher festgelegt. Diese Rückprojektion, die auch
bei der Computertomographie angewendet wird, weist allerdings einen hohen Anteil
an Artefakten auf, der durch Absorption der γ- Strahlung im Körper sowie einen hohen Comptonstreuanteil entsteht.
Emissionsorte, die vom Detektor weiter entfernt sind, werden beim planaren Projektionsbild unterbewertet. Wenn das Untersuchungsorgan von einem großflächigen Gewebe umgeben ist, führt dies zu einer hohen Selbstabsorption. Im ungünstigsten Fall
gibt es keinen Winkel, unter dem keine Schwächung auftritt. Man erhält also bei der
Rotation eine ungewichtete Rückprojektion.
Um solche Effekte zu minimieren, müsste das Ausmaß der Schwächung bekannt
sein. Dies wird durch einen Vergleichsstrahler mit bekannter Strahlungsleistung, die
mit der aus dem Körper emittierten Strahlung vergleichbar ist, realisiert:
Dieser Vergleichsstrahler rotiert mit und seine Strahlung durchsetzt den Patienten
aus allen Blickwinkeln einmal. Diese Methode wird aber selten angewendet.
Ein Verfahren, das viel häufiger angewandt wird und auch zu einem klareren und
streuärmeren Bild führt, ist die iterative Rekonstruktion.
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Iterative Rekonstruktion:
Zuerst erstellt man durch Rückprojektion ein Bild. Anhand dieses Bildes wird für jedes aus einem bestimmten Winkel aufzunehmende Bild eine geschätzte Aktivitätsverteilung ermittelt. Dabei werden eine mögliche Gewebeabsorption, ein veränderliches Auflösungsvermögen und der Compton-Streuanteil berücksichtigt. Das so rechnerisch ermittelte Projektionsbild wird mit dem gemessenen verglichen. und anhand
der Unterschiede wird eine erneute, verbesserte Näherung an die wahre Aktivitätsverteilung vorgenommen. Die Algorithmen für die Bildberechnung werden danach
bewertet, wann die notwendigen Korrekturen klein werden. Mit diesem Verfahren
erhält man die beste Schwächungskorrektur.
Hier ein Vergleich zwischen einer Wirbelsäulenaufnahme nach einfacher Rückprojektion (links) und nach Anwendung der iterativen Rekonstruktion (rechts) :
Abb.26: Rückprojektion [26]
Abb.27: iterative Rekonstruktion
[26]
Das Bild, das mittels iterativer Rekonstruktion erzeugt wurde, ist deutlich klarer und
nahezu frei von Artefakten. Man erkennt die einzelnen Wirbel deutlich, während bei
dem linken Bild eine Analyse recht schwierig ist
8. Anwendungsbereiche der Szintigraphie und SPECT:
Am häufigsten werden die Szintigraphien der Schilddrüse (in 51% der Fälle) und des
Skeletts ( in 28% der Fälle ) durchgeführt.
Es können aber ebenso gut die Nierenfunktion oder Durchblutungsstörungen des
Herzmuskels dargestellt werden. Das Radiopharmakon kann der jeweiligen Anwendung entsprechend hergestellt werden. Es wird mit dem Blut oder der Atemluft bis an
das Zielorgan mitgespült und kann dort wie in der Schilddrüse direkt am Stoffwechsel
teilnehmen. Es kann auch, wenn es genügend klein ist, in Organe diffundieren
( z.B. in die Lunge ).
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Die Szintigraphie ist aber nie die einzige Untersuchungsmaßnahme, oft wird sie um
die Diagnose abzusichern, zusätzlich nach einer Magnetresonanztomografie (MRT),
einer Computertomographie (CT) oder Röntgenuntersuchung angewandt.
Besonders die Rückenpartie ist mittels Röntgenbestrahlung schlecht darstellbar bzw.
die gewonnenen Bilder sind schwierig auszuwerten. Hier bietet die Szintigraphie Vorteile:
Sie ist vor allem bei Skelettuntersuchungen sensitiver als eine Röntgenuntersuchung:
Während bei einer Röntgen des Skeletts keine Auffälligkeit sichtbar ist, sind bei einer
zum gleichen Zeitpunkt erfolgten Szintigraphie bereits Knochenveränderungen erkennbar.
Allerdings sind sowohl die Szintigraphie als auch SPECT keine hochauflösenden
Verfahren. Dies liegt hauptsächlich an der Einschränkung der Anzahl der einfallenden Photonen durch den Kollimator. Weniger Photonen pro Pixel bedeuten eine
schlechtere Auflösung und ein instabileres Bild.
Die Strahlenbelastung bei einer szintigraphischen Untersuchung beträgt im Falle einer Schilddrüsenszintigraphie 0,5 mSv, bei den Untersuchungen anderer Organe
(Skelett, Niere, Herz etc.) ist man einer durchschnittlichen Strahlenbelastung von 5 10 mSv ausgesetzt.
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9. Literaturverzeichnis:
[1] Glenn F. Knoll:
Radiation Detection and Measurement
[2] W.R.Leo:
Techniques for Nuclear and Particle Physics Experiments
[3] J.B.Birks:
The Theory and Practice of Scintillation Counting
[4] W.Schlegl, J.Bille (Hrg):
Medizinische Physik 2
[5] H.Göhler :
Szintillationszähler für γ- und β-Strahlung
[6] G.Eichholz, John W. Poston:
Principles of Nuclear Radiation Detektion
[7] http://kern.physik.tu-berlin.de
[8] http://www.uni-essen.de
[9] http://wwwhephy.oeaw.ac.at
[10 ] http://www.physik.uni-dortmund.de
[11] http://physikwww.uni-paderborn.de
[12] http://imbie.meb.uni-bonn.de
[13] http://zrw.web.psi.ch
[14] http://james.physik.uni-freiburg.de
[15] http://www.uni-ulm.de
[16] http://webrum.unimannheim.de
[17] http://www.eas.asu.edu/~holbert/eee460/RadioactiveDecay
[18] http://www.med.uni-marburg.de
[19] http://isgnw.cs.uni-magdeburg.de
[20] http://de.wikipedia.org
[21] http://www.pi4.physik.uni-erlangen.de
[22] http://astro.geo.tu-dresden.de
[23] http://www.ikp.uni-koeln.de
[24] http://www-ibt.etec.uni-karlsruhe.de
[25] http://www.e18.physik.tu-muenchen.de
[27] http://www.uniklinikum-giessen.de
[28] Materialsammlung des deutschen Röntgenmuseums Remscheid - Lennep
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