Ausarbeitung zum Hauptseminar Experimentalphysik SS2006 Physikalische Grundlagen der medizinischen Diagnostik Thema : Szintigraphie von Anne Warland am 18.05.06 Inhalt : 1. Geschichte der Szintigraphie 2. Prinzip und Ziele der Szintigraphie 3. Verwendete Radionuklide und ihre Anwendung im Körper. 4. Zerfallsreihe von Molybdän 5. Herstellung der Radionuklide 5.1. 5.2. Der Molybdän- Technetium Generator Zerfallsketten 6. Detektion der Gammastrahlung 6.1. Aufbau und Funktionsprinzip des Szintillators 6.1.1. Wechselwirkung von Gammastrahlung mit Materie 6.1.2. Absorptions- und Emissionsmechanismus im Kristall 6.1.3. Charakteristika von Natriumiodid 6.2. Photomultiplier 6.2.1. Photokathode 6.2.2 Dynodenkette und Anode 6.2.3. Energie und Zeitauflösung 6.3. Verarbeitung der Spannungsimpulse 6.3.1. Spannungssignal am Ausgang des Photomultipliers 6.4. Gammakamera 6.4.1. Kollimation 6.4.2. Lokalisierung des Emissionsortes 7. Medizinische Verfahren der Szintigraphie 7.1. Sequenzszintigraphie 7.2. Funktionsszintigraphie 7.3. Single Photon Emission Computed Tomographie (SPECT) 8. Anwendungsgebiete der Szintigraphie und SPECT 9. Literaturverzeichnis 2 1. Geschichte der Szintigraphie: Das bekannteste und älteste Szintillationsmaterial ist Zinksulfid mit Silber dotiert (aktiviert) ZnS(Ag). Zum ersten Mal wurde dieser Szintillator von Sir William Crookes im Jahr 1903 benutzt und von ihm als Spinthariskop bezeichnet. Dabei wird ein Zinksulfidschirm mit α-Teilchen beschossen, wodurch beim Auftreffen Lichtblitze ausgelöst werden. Diese Lichtblitze konnten in einem abgedunkelten Raum mit einem starken Mikroskop oder einer Lupe beobachtet und gezählt werden. Dies war allerdings sehr mühselig und man erhielt keine Information über die Energie der Teilchen. Bekannter ist das Material durch das Rutherford – Experiment: Geiger und Marsden schossen α-Teilchen auf eine dünne Goldfolie, hinter der in einiger Entfernung ein Zinksulfidschirm aufgestellt war. Die nicht oder nur schwach abgelenkten α-Teilchen konnten durch die auf dem Schirm ausgelösten Szintillationen nachgewiesen werden. Abb.1: Schematischer Aufbau des Rutherfordexperiments [11] Diese Methode geriet in Vergessenheit, als die Gasionisationszähler aufkamen, die elektrische Impulse lieferten, welche genauer und angenehmer aufgenommen werden konnten. Erst 1944 kehrte man wieder zur Szintillationsdetektion zurück, da in dieser Zeit die ersten Photomultiplier entwickelt wurden. Curran und Baker koppelten diesen an den Szintillationszähler. Seit den 50er Jahren sind die Szintillationsdetektoren die am häufigsten eingesetzten Detektoren. 3 2. Prinzip und Ziele der Szintigraphie Die Szintigraphie ist ein bildgebendes Verfahren mit dem Funktionsstörungen oder Funktionsausfälle bestimmter Organe dargestellt werden können. Dazu wird dem Patienten ein γ-strahlendes Radionuklid in Form eines Tracers verabreicht. Da die vom Radionuklid ausgehende Strahlung außerhalb des Körpers möglichst ungeschwächt gemessen werden soll, werden γ-strahlende Radionuklide angewendet. Man verwendet ein Molekül, einen Botenstoff oder ein Protein, dessen Verhalten man im Zielorgan kennt und markiert dieses mit einem Radionuklid. Diese radioaktiv markierte chemische Substanz wird auch Tracer genannt. Dieser lagert sich auf Grund von unterschiedlichen Oberflächenmerkmalen in gesunden und kranken Gewebe verschieden an: Entzündungen und Tumore weisen einen erhöhten Stoffwechsel auf. Dort hat man eine erhöhte Anreicherung des Radionuklids und demnach auch eine erhöhte Aktivität. Aus den Unterschieden in der Aktivitätsverteilung kann man auf Fehlfunktionen schließen. Bei der Darstellung der Stärke und Verteilung der Gammastrahlung im Körper unterscheidet man zwischen einer Positiv - und einer Negativdarstellung: Bei der Positivdarstellung lagert sich im kranken Gewebe auf Grund eines erhöhten Stoffwechsels (z.B. Entzündung, Tumor) vermehrt Aktivität an. Bei der Negativdarstellung erkennt man Funktionsausfälle daran, dass in diesem Bereich keine Aktivität angereichert wird. Bei der Szintigraphie wird die momentane Aktivitätsverteilung des Radionuklids im Organ in einem so genannten Szintigramm dargestellt. Hier am Beispiel für die Schilddrüse: Abb.2: Normalfunktion der Schilddrüse [18] Abb.3: Morbus Basedow [18] Bei der Normalfunktion der Schilddrüse sind die Schilddrüsenlappen gleichgroß und haben annähernd die Form von Ellipsoiden. Morbus Basedow dagegen ist eine Krankheit, die eine Folge krankhaft erhöhter Schilddrüsentätigkeit ist und bei der das Hormon Thyroxin vermehrt produziert wird. Die vermehrte Schilddrüsenaktivität erkennt man an den schwarzen Bereichen in der Mitte der Schilddrüsenlappen, da sich dort vermehrt das Radionuklid anlagert. Es liegt eine geringfügige Vergrößerung der Schilddüse vor, die allein aber nicht auf Morbus Basedow schließen lässt. 4 3. Verwendete Radionuklide und ihre Anwendungsgebiete im Körper Häufigstes Anwendungsgebiet der Szintigraphie ist die Schilddrüse. Dort verwendete man früher radioaktive Isotope von Jod. Am geeignetsten ist hier 123I wegen seiner relativ geringen Halbwertzeit von 13,3 Tagen und einer Energie der Gammaquanten von 159 keV. Heute wird meistens Technetium verwendet, da es sich wie Jod in der Schilddrüse verhält, aber viel kostengünstiger und leichter herzustellen ist. Für die Detektion der γ - Strahlung sollte das Nuklid eine γ- Energie von 100-300 keV haben. Mit einer γ- Energie von 141 keV wie im Falle von 99m Technetium befindet man sich genau in der Mitte dieses Bereichs. Ein weiterer Vorteil des Technetiums ist die kurze Halbwertzeit von nur 6 Stunden, die eine geringe Strahlenbelastung für den Patienten bedeutet. Eigenschaften der medizinisch relevantesten Radionuklide : Nuklid 123 I 99m Tc Halbwertzeit 13,3 Tage 6 Stunden Energie 159 keV. 141 keV 99m Technetium hat auch den großen praktischen Vorteil, dass man leicht andere Moleküle (Liganden) anlagern kann, je nach Anwendungsgebiet im Körper. Für Anwendungen in der Niere sollte der Ligand z.B. hydrophil sein, für die Leber dagegen lipophil. Aufgrund dieser Eigenschaften wird Technetium in 2/3 der szintigraphischen Untersuchungen verwendet. Beim 99m Technetium handelt es sich um einen metastabilen Zustand des 99 Technetiums. Dies ist ein angeregter Kernzustand, der durch einen verlangsamten γÜbergang (Dauer des angeregten Zustands 10-7s) in den Kerngrundzustand übergeht. Bei den angeregten Kernzuständen unterscheidet man zwischen kurzlebigen Zuständen im ps - ns Bereich, langlebigen (µs Bereich) und extrem langlebigen, so genannten metastabilen Zuständen, die vom µs bis in den Sekundenbereich reichen können. 5 4. Zerfallsreihe von Molybdän: 98 Mo(stabil) + n 99 Mo (66 h) 99m 99 β - → β Tc Mo (66 h) - → γ Tc 99 → β 99m Tc + e- + νe 99 Tc ( 2·105 a ) - → 99 Ru (stabil) - + e + νe Streng genommen ist es falsch, beim 99mTc von einer Halbwertzeit von 6 Stunden und einer Gammaenergie von 140 keV zu sprechen, denn es handelt sich um zwei eng beieinanderliegende metastabile Zustände. Zu der Halbwertzeit von 6 Stunden gehört eine γ-Energie von 142 keV, von dort aus findet ein verlangsamter γ-Übergang zum Energieniveau von 140 keV statt. Der dann folgende Übergang zum Grundzustand des Technetiums ist ein prompter γ-Übergang. Abb.4: Energieniveaus des angeregten Tc [4] 5. Herstellung der Radionuklide: Radionuklide kann man auf drei verschiedene Arten herstellen: Im Kernreaktor (z.B. 99Mo), im Zyklotron (z.B. 123 I ) oder im Generator wie bei 99mTc. Im Kernreaktor werden die Ausgangsnuklide mit langsamen Neutronen beschossen. Dadurch resultiert ein Neutronenüberschuss im Kern, dieser wird instabil und angeregt. Im Zyklotron werden Protonen beschleunigt und treffen dann auf einen stabilen Kern. Dadurch kommt es zu einem Protonenüberschuss im Kern und dieser wandelt sich in einen angeregten, instabilen Kern um. Diese Erzeugungsart wendet man häufig bei der Herstellung von Radiopharmaka für die PET an. Für die Szintigraphie bedeutender ist der Molybdän –Technetium Generator. 5.1. Der Molybdän – Technetium - Generator : Völlig anders verläuft die Erzeugung im Generator: dabei wird der langlebige metastabile Zustand des Tc genutzt, um es vom Mutternuklid Molybdän abzutrennen. 6 Wegen der kurzen Halbwertzeit von 99mTc, wird dieses direkt in der Klinik hergestellt. Am gebräuchlichsten ist der Molybdän- Technetium - Generator: Dort ist das Mutternuklid Molybdän als Molybdat ( 99MoO42-) auf einer Anionenaustauschersäule (Aluminiumoxidsäule) fixiert. Das Molybdat zerfällt auf der Säule zum Pertechnetat. Das Abtrennen geschieht durch einen Anionenaustausch. Im unteren Gefäß befindet sich eine Natriumchlorid –Lösung. Diese wird mit Hilfe des oben aufgesetzten, evakuierten Injektionsfläschchens durch den gesamten Generator gesaugt. Dabei wird auch die Anionenaustauschersäule umspült: Auf der Säule befindet sich sowohl das Molybdat als auch dessen Zerfallsprodukt Pertechnetat. Das Molybdat ist höher geladen und daher stärker an die Säule gebunden. Das Cl- -Ion verdrängt nun das Pertechnetation (99mTcO4-) von der Säule und Natriumpertechnetat ( Na99mTcO4- ) geht in Lösung. Diese Lösung kann dem Patienten direkt gespritzt werden. Abb.5: Schematischer Aufbau eines Molybdän-Technetium - Generators [18] 5.2. Zerfallsketten Ein radioaktiver Zerfall ist oft ein mehrschrittiger Prozess, der in Zerfallsketten dargestellt wird. Das Ausgangsnuklid zerfällt in sein Tochternuklid und dieses geht ebenfalls in einen instabilen Zustand über. Im Fall von Molybdän findet ein dreistufiger Prozess statt. 99 Mo A1 → → Zerfallsrate des Mutternuklids: dN A 1 = λ A 1 ⋅ N A1 dt 99m Tc A2 → → 99 Tc A3 Rate des Aufbaus (Tochternuklid) dNA2 = - λA2 ⋅ NA2 + λA1 ⋅ NA1 dt Die Rate des Tochternuklids ist auch durch die Zerfallsrate des Mutternuklids bestimmt 7 Die Differentialgleichungen haben folgende Lösung: λA2⋅ NA2 λA2 = λA1 ⋅ NA1 1− e−(λ ( λA2 − λA1 λA1 ⋅ NA1 ) A2−λA1 ⋅t ) Die Aktivität ist gegeben durch A= λ· N. Die allgemeine Lösung ist als das Aktivitätsverhältnis zwischen Mutter- und Tochternuklid dargestellt. Bei dieser allgemeinen Lösung müssen drei Fälle unterschieden werden: a) λA2 > λA1 transientes Gleichgewicht b) λA1 > λA2 Nicht - Gleichgewichtszustand c) λ A2 >> λ A1 langfristiges Gleichgewicht (liegt beim Mo-Tc Generator vor) Im Fall a) nähert sich das Verhältnis einer Konstanten c > 1 für große Zeiten. Im Fall b) wächst das Verhältnis mit der Zeit an. Im Fall c) wird schon nach kurzer Zeit ein konstanter Wert erreicht. Abb.6: Aktivitätsverlauf von Mutter A1 und Tochternuklid A2 beim transienten Gleichgewicht [17] Die Aktivität des Tochternuklids steigt an, und geht sogar über die Aktivität des Mutternuklids hinaus. Nach Erreichen eines Maximums nimmt die Aktivität des Tochternuklids ab und zwar nahezu gleichstark wie die des Mutternuklids: Die Kurven nähern sich immer mehr an. Ab dem Zeitpunkt t = 10 ist der Kurvenverlauf von Mutter und Tochternuklid fast gleich. Das Aktivitätsverhältnis ist dann konstant. 8 Abb.7:Aktivitätsverlauf von Mutter A1 und Tochternuklid A2 beim Nicht -Gleichgewichtszustand [17] Der Nicht - Gleichgewichtszustand ist gekennzeichnet durch: λA1 > λA2 bzw. T2 > TA1 Da die Halbwertzeit des Tochternuklids viel größer ist als die des Mutternuklids, kann kein Gleichgewichtszustand erreicht werden. Es findet demnach kein Annähern der Aktivitätsverläufe statt. Im Folgenden ist der Aktivitätsverlauf für das langfristige Gleichgewicht (secular equilibrium) dargestellt, wie es beim Molybdän- Technetium Generator vorliegt: Abb.8: Aktivitätsverlauf von Mutter A1 und Tochternuklid A2 beim langfristigen Gleichgewicht [17] Die Aktivität des Mutternuklids (Molybdän) nimmt nur sehr schwach ab, während die Aktivität des Tochternuklids in kurzer Zeit stark ansteigt, bis die beiden ein Aktivitätsgleichgewicht erreicht haben. Das Erreichen eines Aktivitätsgleichgewichts ist allerdings nur theoretisch möglich, in der Praxis hat man eine Aktivitätsdifferenz von ca. 10%. 9 Abb.9 : Zerfall und Aufbau von 99 Mo und 99mTc in Abhängigkeit von der Zeit [13] In der obigen Graphik ist der Aktivitätsverlauf der Nuklide über einen längeren Zeitraum dargestellt. Innerhalb von 24 Stunden ist die Aktivität des Molybdäns gerade auf 80% abgefallen, in der gleichen Zeit ist die Aktivität des 99mTc auf 70% angestiegen. Nun wird eluiert, der gesamte Bestand des neu gebildeten 99m Tc wird aus dem Generator abgeführt. Das Intervall zwischen Aufbau und Elution beträgt 24 Stunden. 6. Detektion der Gammastrahlung: Abb.10: Schematischer Aufbau eines Szintillationsdetektors 10 Die Detektion geschieht mit einem Szintillationszähler. Dieser besteht aus einem Szintillator und einem dahinter angeschlossenen Photomultiplier. Der Szintillator, in den meisten Fällen ein NaI -Einkristall, wandelt die γ-Quanten in Photonen im sichtbaren Bereich des Spektrums um. An der Kathode des Photomultipliers werden die Photonen in Elektronen umgewandelt und durch eine Reihe von Dynoden vervielfacht. Wichtig ist hierbei, dass das am Ende des Photomultipliers abfallende Spannungssignal proportional zu der Energie ist, die das γ-Quant im Szintillationskristall deponiert hat. 6.1. Wechselwirkung von γ - Strahlung mit Materie Die einfallenden γ-Quanten können mit dem Szintillatormaterial durch Photoeffekt, Comptoneffekt und Paarbildung wechselwirken. Photoeffekt: Beim Photoeffekt wird die gesamte Energie des Quants an ein Hüllenelektron abgegeben. Dieses erhält die kinetische Energie Ekin = hν - A und kann sich frei durch den Kristall bewegen. Der frei gewordene Platz wird von einem Elektron aus einer höheren Schale aufgefüllt. Die Differenzenergie der Niveaus wird in Form eines Röntgenphotons abgegeben. Der Wirkungsquerschnitt σ des Photoeffekts beträgt: Z N σ = E3 N≈5 Z : Kernladungszahl E : Energie des einfallenden γ- Quants Eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Photoeffekt kann man demnach durch ein Szintillatormaterial mit einer hohen Kernladungszahl bzw. einem Radionuklid mit einer niedrigen γ -Energie erreichen. Comptoneffekt: Es kann aber auch vorkommen, dass das γ-Quant nicht seine gesamte Energie im Kristall hinterlässt. Das ist der Fall, wenn die Wechselwirkung durch Comptoneffekt erfolgt. Dabei wird das Photon an einem (quasi) freien Elektron elastisch gestreut, der Energieübertrag hängt von der Größe des Streuwinkels ab. 11 Hier ist der Streuquerschnitt gegeben durch: σ = Z E Z = Kernladungszahl E = Energie des einfallenden γ- Quants Die Paarbildung, die erst ab 1,02 MeV auftritt, kann hier wegen zu geringer γ Energien vernachlässigt werden. Als Nächstes ist der Absorptionskoeffizient in Abhängigkeit von der Energie aufgetragen. Es gelten folgende Bezeichnungen: τ : Absorptionskoeffizient des Photoeffekts σ : Absorptionskoeffizient des Comptoneffekts χ : Absorptionskoeffizient des Paarbildungseffekts µ : Gesamtabsorptionskoeffizient Abb.11: Gesamtabsorptionskoeffizient von NaI [5] 12 Die Skalierung ist doppelt logarithmisch. Bei der für die Medizin relevanten Energie von 140 keV erhält man: σ ≈ 0,4 cm-1 und τ ≈ 2,0 cm-1 Damit ist die Wahrscheinlichkeit für eine Wechselwirkung durch Photoeffekt bei dieser Energie fünffach größer als für den Comptoneffekt. 6.1.2. Absorptions – und Emissionsmechanismus im anorganischen Kristall Zum Verständnis der Anregung der Elektronen im Szintillator wird dem Kristall als Ganzem ein Bandschema zugeordnet. Valenz - und Leitungsband sind durch eine verbotene Zone, die für Natriumiodid 7eV beträgt, voneinander getrennt. Abb.12: Bandschema des reinen Natriumiodidkristalls [24] Die durch Photo- oder Comptoneffekt erzeugten freien Elektronen geben ihre hohe kinetische Energie durch Stöße an weitere Elektronen ab. Durch ein einzelnes Quant bzw. Photon wird eine große Anzahl freier Elektronen erzeugt: Diese Elektronen thermalisieren zur Leitungsbandunterkante und können mit den Löchern im Valenzband rekombinieren. Die dabei emittierten Photonen haben eine Energie von mindestens 7eV. Das reicht aus, um Elektronen aus dem Valenzband in das Leitungsband zu heben. Der Szintillator ist also für sein Emissionslicht undurchlässig, da Absorptions- und Emissionsspektrum überlappen. Dies lässt sich durch Dotierung mit Störstellen ändern. Man verwendet beim NaIKristall Thallium-Ionen (Tl+ ), die einzelne Natrium -Ionen ersetzen. Es reicht schon eine relativ schwache Dotierung von 2,3· 10-3 Mol Thallium pro 1 Mol Natrium aus. 13 Abb.13: Bandschema eines mit Thallium dotierten Natriumjodidkristalls [24] Durch die Thalliumstörstellen, auch Aktivatoren genannt, werden Energieniveaus innerhalb der verbotenen Zone. Die in das Leitungsband gehobenen Elektronen können über diese Niveaus mit dem Löchern im Valenzband rekombinieren. Dies kann durch zwei Prozesse geschehen: Exzitoneneinfang und Locheinfang. Beim Locheinfang driftet das im Valenzband zurückgelassene Loch zu einem Aktivatoratom und ionisiert es. Das Elektron im Leitungsband bewegt sich frei durch den Kristall, bis es auf ein solches angeregtes Aktivatoratom trifft. Das Elektron wird eingefangen und es entsteht dadurch ein neutrales Aktivatoratom. Die dabei frei werdende Energie wird als Photon abgegeben. Der zweite Prozess verläuft analog hat, nur hat man es hier mit gekoppelten Elektronen – Lochpaare sog. Exzitonen zu tun: Das Elektron ist elektrostatisch an das Loch gebunden, seine Energie liegt unterhalb der Leitungsbandenergie. Elektron und Loch bewegen sich dann gekoppelt durch den Kristall. Der Rekombinationsprozess ist gleich: Wenn sie auf ein Tl-Aktivatorzentrum treffen, geben sie ihre Energie an dieses ab. Das Elektron kehrt in das Valenzband zurück und das Tl – Ion gibt die Anregungsenergie über erlaubte Zustände unter Emission von Fluoreszenzlicht oder durch Emission von Phononen ab. Es ist aber auch möglich, dass verbotene Zustände angeregt werden, in diesem Fall liegt Phosphoreszenz vor. Die Energiedifferenz zwischen den angeregten Aktivatorniveaus und dem Aktivatorgrundzustand beträgt ca. 3 eV. Die Wellenlänge des emittierten Photons liegt damit im sichtbaren Bereich des Spektrum und beträgt λ = 413 nm. Für die Rekombination über die 3 eV steht nur ein Bruchteil der Elektronen zur Verfügung. Der größte Anteil der Energie geht durch Erzeugung von Anregungs- und Schwingungszuständen und Ionisation verloren. 14 Bei dem Szintillationsdetektor wird ausgenutzt, dass die Lichtausbeute L direkt proportional zu der im Kristall deponierten Energie ist. Dies ist genau genommen nur eine Näherung, denn die Linearität ist für Energien unterhalb von 400 keV nicht mehr gegeben. Die differentielle Lichtausbeute dL/dx (Lichtausbeute pro Einheitslänge) ändert sich mit der Energie. Die Abweichungen sind allerdings gering, so dass die Annahme L~ E eine gute Näherung ist. 6.1.3. Charakteristika von Natriumjodid: Natriumjodid ist das am weitesten verbreitete Szintillatormaterial und wird bereits seit den 40er Jahren benutzt. Bisher konnte sich kein anderes Material dauerhaft etablieren. Nur einige Prozent der Energie, die die γ - Quanten im Kristall deponiert haben, wird in Energie detektierbarer Photonen umgewandelt. Dieser Anteil wird als Lichtausbeute bezeichnet. Diese ist für Natriumjodid mit 13% am höchsten. Die Dichte (ρ= 3,7g cm-3) sowie die recht hohe mittlere Ordnungszahl Z =32 sorgen dafür, dass das γQuant viel Energie im Kristall hinterlässt. Ein relativ neues Szintillatormaterial ist Wismutgermanat (Bi4Ge3O12).Ein großer Vorteil dieses Materials ist die hohe Ordnungszahl von Z = 83.Damit erreicht man eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Photoeffekt. Ein großer Nachteil liegt allerdings in der sehr geringen Lichtausbeute von nur 8% bezogen auf Natriumjodid. 6.2. Detektion der Photonen mit dem Photomultiplier: Abb.14: Aufbau eines Photomultipliers [20] Die erzeugten Photonen treffen auf die Photokathode des angeschlossenen Photomultipliers und lösen dort Elektronen aus. Diese Elektronen werden durch ein Dynodensystem verstärkt. Zwischen Kathode und Anode liegt eine Spannung von 1-2 keV an. Es werden 10-14 Dynoden verwendet, wobei jede über einen Spannungsteiler auf ein höheres Potential gebracht wird als die Vorgängerdynode. Die Potentialdifferenz zwischen den einzelnen Dynoden ist konstant und beträgt 100-140 eV. 15 Die aus der Kathode austretenden Elektronen werden durch das angelegte elektrische Feld beschleunigt und schlagen an den Dynoden durch Sekundäremission weitere Elektronen heraus. Dadurch entsteht schließlich eine Elektronenlawine, die an der Anode ankommt. Das an der Anode abfallende Strom –bzw. Spannungssignal dient nun zur Energieanalyse. 6.2.1. Die Photokathode: Die Energie der aus dem Szintillator emittierten Photonen muss größer als die Potentialbarriere (Austrittsarbeit) des Kathodenmaterials sein. Für Metalle beträgt sie 3-4 eV kann aber durch speziell gewählte Verbindungen weiter herabgesetzt werden. Dazu verwendet man Bialkaliverbindungen: z. B. SbKCs oder Multialkaliverbindungen wie SbKNaCs, welche eine Austrittsarbeit von ca.1,4 eV haben. Hier ist die Kathodenempfindlichkeit gegen die Wellenlänge für verschiedene Kathodenmaterialien aufgetragen: Die blaue Kurve stellt die häufig verwendete Multialkaliverbindung SbKNaCs dar. Auffällig ist hierbei das breite Maximum bei 400-500 nm. Das Kathodenmaterial SbKNaCs eignet sich sehr gut bei Verwendung des NaI Szintillators, da das Maximum der Empfindlichkeit des Photomultipliers genau bei der Wellenlänge des emittierten Lichts λ= 413 nm liegt. Abb.15 : Kathodenempfindlichkeit verschiedener Kathodenmaterialien [22] Die Empfindlichkeit ist zu beiden Seiten hin begrenzt. Die Begrenzung zu langen Wellenlängen kommt dadurch zustande, dass diese Elektronen nicht mehr genügend kinetische Energie haben, um aus dem Material auszutreten. Zu kurzen Wellenlängen hin erfährt die Empfindlichkeit durch das Material des Kathodenfensters eine Begrenzung. Bei normalem Glas liegt die Abschneidewellenlänge bei λ = 350 nm. Man kann den Empfindlichkeitsbereich erweitern, indem man Quarzglas verwendet. Quantenausbeute Eine weitere charakteristische Größe und ein Maß für die Empfindlichkeit der Kathode ist die Quantenausbeute: 16 Sie gibt das Verhältnis der Anzahl der ausgelösten Photoelektronen zur Anzahl der auftreffenden Photonen an. Quantenausbeute = Zahl der emittierten Photoelektronen Zahl der einfallend en Photonen Die Quantenausbeuten, die man experimentell erreichen kann, liegen bei 30% und haben ihr Maximum im blauen Bereich des Spektrums. Diese Größenordnung erreicht man mit Multialkaliverbindungen. Mit Bialkaliverbindungen ist sogar eine noch höhere Effizienz im blauen Bereich erreichbar. Ein weiterer Vorteil gegenüber Multialkaliverbindungen liegt in der geringeren thermischen Emission. Thermische Emission: Bei Raumtemperatur haben die Elektronen des Kathodenmaterials eine durchschnittliche kinetische Energie von 25 meV. Einige Elektronen können jedoch eine viel höhere kinetische Energie haben, wenn sich diese Elektronen sehr nahe an der Oberfläche befinden, können sie austreten. Es resultiert ein so genannter Dunkelstrom. Die Spannungssignale, die dadurch am Ende des Photomultipliers ankommen, tragen für die Analyse keine verwertbare Information. Dieser Effekt ist durch Kühlen des Photomultipliers vermeidbar. 6.2.2. Dynodenkette und Anode : Die Elektronenvervielfältigung im Photomultiplier geschieht durch Sekundäremission: Die aus der Kathode austretenden Elektronen werden durch das anliegende elektrische Feld beschleunigt und schlagen an jeder Dynode per Sekundäremission Elektronen heraus. Um ein Elektron des Dynodenmaterials anzuregen, wäre eine Energie von ca. 2- 3 eV nötig. Die kinetische Energie, die die Elektronen zwischen zwei Dynoden erhalten, beträgt 100 eV. Damit könnte man theoretisch 30 Elektronen zwischen zwei Dynoden per Sekundäremission erzeugen. Allerdings ist die Bewegungsrichtung der Elektronen zufällig. Nur ein geringer Anteil der Elektronen hat die „richtige“ Bewegungsrichtung, um an die Oberfläche zu kommen. Ein weiteres Problem ist, dass viele dieser Elektronen kehren wieder in den Grundzustand zurück, bevor sie die Dynode verlassen. Der Sekundäremissionsfaktor, ist die Anzahl der Elektronen, die ein Elektron an einer Dynode per Sekundäremission erzeugt Bei Verwendung von N Dynoden, erhält man insgesamt einen Verstärkungsfaktor von: Gesamtverstärkung =δN δ : Sekundäremissionsfaktor 17 Mit den üblichen Werten (N = 10-14) erhält man eine Gesamtverstärkung von 106-108 Die Größe der Verstärkung hängt stark von dem Dynoden- bzw. Kathodenmaterial ab. Damit pro Dynode möglichst viele Elektronen herausgeschlagen werden, sollte das Material einen hohen Sekundäremissionsfaktor haben. Hierfür verwendet man z.B. Berylliumoxid (BeO) wegen seiner hohen thermischen Stabilität oder auch Cs3Sb. Das Dynodenmaterial sollte so gewählt sein, dass es ein geringes thermisches Rauschen aufweist und der hohe Sekundäremissionsfaktor auch bei hohen Strömen aufrechterhalten wird. Da der Photomultiplier sehr empfindlich gegenüber Magnetfeldern ist, muss er gegen eventuell vorhandene magnetische Streufelder mit einem Zylinder aus µ-Metall und gegen das Erdmagnetfeld durch Weicheisen abgeschirmt werden. Besonders wichtig ist, es möglichst viele der aus der Kathode ausgelösten Elektronen auf die erste Dynode zu fokussieren. Die Laufzeit des Elektrons zur ersten Dynode sollte unabhängig vom Emissionspunkt auf der Kathodenoberfläche sein. Ein weiteres Problem sind die Raumladungseffekte, die zwischen der letzten Dynode und der Anode auftreten. Da sich dort viele Elektronen anhäufen, bildet sich ein schwaches elektrisches Feld. Dieses verändert den Bahnverlauf des Elektronenstroms und so können weniger Elektronen von der Anode aufgesammelt werden. Dies lässt sich ändern, indem man unterschiedliche Spannungsstufen verwendet. Abb.16: Aufbau eines Szintillationszählers Harshaw 6S8 [5] 18 6.2.3. Energie und Zeitauflösung beim Photomultiplier: Die Größen, die den Photomultiplier charakterisieren, sind Energie und Zeitauflösung. Die Energieauflösung ist durch die Halbwertsbreite bestimmt. Schwankungen in der Lichtausbeute, Streuungen in der Quantenausbeute und eine schlechte Überführung der Elektronen von der Kathode zur ersten Dynode führen zu einer Linienverbreiterung und dadurch zu einer schlechteren Auflösung. Die Zeitauflösung wird durch die Ladungsträgersammelzeit im Vorverstärker bestimmt, diese liegt zwischen 0,1µs und 1ns. Auch hier entstehen Verluste, hauptsächlich durch die Streuung in den Laufzeiten der Elektronen von der Kathode zur Anode. Diese Streuung ist relativ breit und liegt zwischen 10 ns und 100 ns. Anstelle eines Photomultipliers können auch Mikrokanalplatten verwendet werden. Dort findet die Elektronenvervielfältigung auf Bleiglasplatten mit Löchern im Mikrometerbereich statt. Wenn zwei bis drei solcher Platten hintereinander geschaltet werden wird eine Verstärkung von 107 erreicht, die mit dem Photomultiplier vergleichbar ist. Vorteile der Mikrokanalplatten sind die Unempfindlichkeit gegenüber Magnetfeldern bis zu 0,2 T sowie eine hohe Zeitauflösung (< 100 ps) Ein großer Nachteil hingegen ist der hohe Herstellungsaufwand und der hohe Preis. 6.3. Verarbeitung der Spannungsimpulse Abb.17: Blockschaltbild des Szintillationsdetektors mit angeschlossener Auswerteelektronik [23] Die aus dem Gewebe emittierten Gammastrahlen treffen, nachdem sie den Kollimator passiert haben, auf den Kristall und Photomultiplier. Das Spannungssignal am Ende des Photomultipliers wird durch einen Vorverstärker zu einem messbaren Signal verstärkt und durch einen Integrator geglättet. Der Impulshöhenanalysator sortiert die Signale nach ihrer Amplitude und der Vielkanalanalysator (Multi-Channel Analyser) ordnet die Signale nach ihrer maximalen Höhe in entsprechende Kanäle ein. Am Ausgang des Photomultipliers kommt eine Vielzahl von Signalen unterschiedlicher Signalamplitude und Intensität an. 19 6.3.1. Spannungssignal am Ausgang des Photomultiplers Das nächste Bild zeigt eine Oszilloskopaufnahme der Spannungsimpulse. Man erkennt Spannungssignale unterschiedlicher Höhe und Intensität. Das Signal, dessen maximale Signalhöhe am größten ist und das die größte Intensität hat, gehört zum Photopeak. Deutlich schwächer, aber noch erkennbar ist der Rückstreupeak. Dieser entsteht durch Quanten, die außen am Detektormaterial um große Winkel gestreut werden. Der Szintillationszähler liefert am Ausgang ein Signal, dessen maximale Höhe proportional zur im Kristall absorbierten Energie ist. Zählrate N Die Gesamtabsorptionslinie sagt aus, dass das γ-Quant seine gesamte Energie an den Kristall verliert. Dabei ist es unwichtig, ob dies in einem einzigen Prozess (Photoeffekt) geschieht oder mehrschrittig, z.B. nach vorheriger Wechselwirkung durch Comptoneffekt. Gesamtabsorptionslinie Abb.18a: Spannungssignal am Ausgang des Photomultiplers [5] Abb.18b:Zährate in Abhängigkeit des ankommenden Spannungssignals [5] Comptonkontinuum Ein Teil der Energie verlässt den Kristall Die gesamte Energie bleibt im Kristall Es scheint zunächst verwunderlich, dass man bei Verwendung von monoenergetischer Gammastrahlung am Ende des Photomultipliers dennoch unterschiedliche Spannungssignale erhält. Wie schon beschrieben ist die Lichtausbeute L proportional zur deponierten Energie. Da der Energieübertrag durch Elektron- Elektron - Stöße konstant ist, hängt die Zahl der angeregten Elektronen von der deponierten Energie ab. Wenn viele Elektronen an einem bestimmten Übergang beteiligt sind, hat das dabei emittierte Licht eine entsprechend große Intensität. Diese Intensitätsunterschiede entsprechen unterschiedlichen Stromsignalen an der Anode. 20 Da die maximale Spannungshöhe proportional zur deponierten Energie ist, kann das Impulshöhenspektrum nach geeigneter Kalibrierung, in ein Energiespektrum (Zählrate über Energie) umgewandelt werden (siehe nächste Abbildung). Abb.19: γ-Impulshöhenspektren nach einer Schilddrüdsenszintigraphie [28] Diese Energiespektren sind bei einer Schilddrüsenszintigraphie entstanden. Die erste Messkurve wurde 2,5 Stunden nach Verabreichung des Technetium -Präparats gemacht. Man erkennt deutlich den Photopeak bei 140 keV und die Rückstreulinie bei 90keV. Die hohe Zählrate kommt durch Comptoneinfach- und Mehrfachstreuung im Körper des Patienten zustande. Die zweite Kurve wurde 20 Stunden nach Verabreichung des Radionuklids aufgenommen, daher ist die Zählrate geringer. 6.4. Die Gammakamera: Früher wurde das zu untersuchende Organ mit einem Scanner abgetastet. Dieser Scanner war ein einzelner Szintillationskristall mit einem angeschlossenen Photomultiplier. Heute hingegen kann mit einer so genannten Gammakamera in einem Schritt das gesamte Organ aufgenommen werden. 21 Abb.20 : Querschnitt durch eine Gammakamera [18] Diese besteht aus einem großflächigen NaI-Einkristall mit einem Durchmesser von bis zu 55 cm und einer Dicke von 0,5 - 1 cm. Darauf sind mehrere Photomultiplier (37-100 Stück) in hexagonaler Anordnung angekittet. Hinter den Photomultipliern befindet sich eine Ortungselektronik, die den Szintillationsort (Emissionsort aus dem Kristall) lokalisiert. An der Seite zum Patienten hin, befindet sich eine Bleiplatte mit feinen Löchern, die schräg einfallende Quanten absorbiert, ein so genannter Kollimator. Die Lokalisation des Emissionsortes der Quanten geschieht später durch Parallelprojektion, deshalb ist es sehr wichtig nur senkrecht auftreffende Quanten zuzulassen, denn sonst würde ein falscher Emissionsort zugeordnet. Die Wände, die die einzelnen Löcher voneinander trennen, werden Septen genannt. 6.4.1. Kollimation: Für die Kollimation sind Ortsauflösung und Empfindlichkeit die entscheidenden Größen. Eine hohe Ortsauflösung erreicht man durch einen kleinen Lochdurchmesser und eine große Septenlänge L. Der Kristall sollte also möglichst dick sein. Dann wird der Radius des Kreiskegels RG , in den die Quanten einfallen können, klein. Dadurch wird allerdings auch die Zahl der eintreffenden Photonen stark eingeschränkt, und die Empfindlichkeit nimmt ab. Abb.21 : Geometrische Kenngrößen eines einzelnen Kollimatorschachts [22] 22 Die Parallellochkollimatoren, die auch bei der Gammakamera verwendet werden, haben bis zu 170.000 Löcher und erzeugen eine Parallelprojektion. Die Löcher sind mit strahlentransparentem Kunststoff ausgefüllt. Möchte man ein vergrößertes Bild erstellen, so werden divergierende Kollimatoren verwendet. Die Septendicke muss der Energie der verwendeten Strahlung angepasst sein. Beim Nuklid 99mTc werden drei unterschiedliche Kollimatoren mit Durchmessern zwischen 1,4 mm und 1,6 mm verwendet. Die Lochlänge reicht von 25,4 mm bis 35 mm. 6.4.2. Lokalisierung des Emissionsortes: Abb.22: Signalverteilung der einzelnen Photomultiplier [19] Die Signalverteilung ist für die einzelnen Photomultiplier unterschiedlich, Photomultiplier, die vom Szintillationsort weiter entfernt sind, haben ein Spannungssignal mit einer geringeren Amplitude als solche, die sich sehr nah am Szintillationsort befinden. Auf diese Weise lässt sich der Emissionsort grob lokalisieren. Da die Position der einzelnen Photomultiplier genau festgelegt ist, kann dem jeweiligen Photomultiplier das entsprechende Ausgangssignal zugeordnet und der Absorptionsort auf der Kristallscheibe errechnet werden. Die Position wird als x- y -Signal im Rechner gespeichert, das dazugehörige z - Signal ist die Häufigkeitsverteilung der registrierten Ereignisse über einen vorgegebenen Zeitraum. Aus diesen drei Signalen wird dann ein digitales Bild errechnet. Die Zuordnung der Grau - oder Farbstufen erfolgt nach der Zahl der Ereignisse pro Pixel. 23 7. Medizinische Verfahren der Szintigraphie: 7.1. Sequenzszintigraphie Bei der Schilddrüsenszintigraphie werden planare Einzelbilder erstellt. Man erhält also eine Momentaufnahme der Aktivitätsverteilung. Bei manchen Anwendungen möchte man allerdings Informationen über den Aktivitätsverlauf haben. Bei der Nierenszintigraphie interessiert man sich beispielsweise für den Geschwindigkeitsverlauf eines Stoffwechselvorgangs. Deshalb wird eine Sequenzszintigraphie durchgeführt: In bestimmten Zeitintervallen werden Einzelaufnahmen des Organs gemacht und miteinander verglichen. Abb.23: Aufnahmefolge einer Sequenzszintigraphie [18] Auf der ersten Aufnahme (nach 10 -20 s) erkennt man, dass das Radionuklid gerade die Niere erreicht, nach 2- 3 Minuten hat sich die Aktivität vollständig in der Niere angereichert. Danach verlässt das Radionuklid die Niere und wandert in die Blase. Anhand der Zeitspanne, in der das Nuklid in der Niere verweilt, kann man erkennen, ob es sich um einen normalen Stoffwechselvorgang handelt. 7.2. Funktionsszintigraphie: Eine Quantifizierung der Ergebnisse erhält man mit der Funktionsszintigraphie: Dabei nutzt man die bei der Sequenzszintigraphie gewonnenen Bilder. Innerhalb dieser Bilder wird ein geschlossener Bereich von Pixeln markiert, so genannte Regions 24 of Interest (ROI). Man vergleicht nun innerhalb dieser ROIs die Anzahl der Impulse pro Pixel. In der unteren Abbildung liegt die maximale Impulszahl im 3.Bild vor. Wenn man nun den Zeitpunkt kennt, an dem das Bild erstellt worden ist, kann die Zahl der Impulse pro Pixel gegen die Zeit aufgetragen und Zeitaktivitätskurven erstellt werden. Abb.24: links: Ausgewählte planare Einzelszintigramme und die markierten ROI s [4] rechts: Erstellung von Zeitaktivitätskurven nach einer Funktionsszintigraphie [4] Bei der Auswertung dieser Kurven untersucht man charakteristische Parameter wie z.B. den Zeitpunkt und die Höhe des Maximums, sowie die Steilheit der Anstiege bzw. Abfälle der Zeitaktivitätskurven. Wie man an dem oben abgebildeten Nephogramm erkennt, wird das Maximum der Impulszahl bei der gestauten Niere zu einem späteren Zeitpunkt als bei einer Normalfunktion der Niere erreicht. Kontrastverbesserung der Aufnahmen: Die planaren Einzelbilder werden mit einem Fenster auf dem Photopeak aufgenommen, d.h. die Impulse, die durch Comptonstreuung entstanden sind, werden ausgeblendet. Dennoch liegt meist ein großer Streuanteil vor, der durch Streuung der Gammastrahlung im Körper entsteht. Eine Möglichkeit diesen Streuanteil zu verringern ist die Doppelfenstermethode: Dabei wird ein weiteres Bild mit dem Fenster auf dem Comptonspektrum gemessen. Dieses wird dann von dem vorher erzeugten Bild mit dem Fenster auf dem Photopeak abgezogen. Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung des Kontrastes ist der Background-Cutoff: Hierbei wird eine Untergrundschwelle abgezogen, die die Verteilung der Farbwerte verfeinert. Nachteilig hierbei ist allerdings die Gefahr durch eine zu hoch gewählte Untergrundschwelle falsch-positive Ergebnisse zu erhalten 25 7.3. Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT) Mit dieser Methode kann eine dreidimensionale Aktivitätsverteilung dargestellt werden. Dabei kreisen zwei bis drei Gammakameras um den Patienten und nehmen aus verschiedenen Winkelpositionen Bilder auf. Je nach Anwendung werden Aufnahmen aus bis zu 120 verschiedenen Winkeln angefertigt. Aus diesen Bildern können Schnittbilder erzeugt werden. Man erreicht mit der SPECT eine Auflösung von 10 mm. Bei dieser Aufnahme erkennt man Tumore an der Wirbelsäule, am Becken und in den Rippenbögen. Abb.25 SPECT Aufnahme des Skeletts [18] Die Rückprojektion : Der Emissionsort des Gammaquants wird mittels Rückprojektion ermittelt, da er in einer nicht näher bekannten Entfernung vor dem Kollimator liegen muss. Die Projektionsrichtung ist durch die Kollimatorlöcher festgelegt. Diese Rückprojektion, die auch bei der Computertomographie angewendet wird, weist allerdings einen hohen Anteil an Artefakten auf, der durch Absorption der γ- Strahlung im Körper sowie einen hohen Comptonstreuanteil entsteht. Emissionsorte, die vom Detektor weiter entfernt sind, werden beim planaren Projektionsbild unterbewertet. Wenn das Untersuchungsorgan von einem großflächigen Gewebe umgeben ist, führt dies zu einer hohen Selbstabsorption. Im ungünstigsten Fall gibt es keinen Winkel, unter dem keine Schwächung auftritt. Man erhält also bei der Rotation eine ungewichtete Rückprojektion. Um solche Effekte zu minimieren, müsste das Ausmaß der Schwächung bekannt sein. Dies wird durch einen Vergleichsstrahler mit bekannter Strahlungsleistung, die mit der aus dem Körper emittierten Strahlung vergleichbar ist, realisiert: Dieser Vergleichsstrahler rotiert mit und seine Strahlung durchsetzt den Patienten aus allen Blickwinkeln einmal. Diese Methode wird aber selten angewendet. Ein Verfahren, das viel häufiger angewandt wird und auch zu einem klareren und streuärmeren Bild führt, ist die iterative Rekonstruktion. 26 Iterative Rekonstruktion: Zuerst erstellt man durch Rückprojektion ein Bild. Anhand dieses Bildes wird für jedes aus einem bestimmten Winkel aufzunehmende Bild eine geschätzte Aktivitätsverteilung ermittelt. Dabei werden eine mögliche Gewebeabsorption, ein veränderliches Auflösungsvermögen und der Compton-Streuanteil berücksichtigt. Das so rechnerisch ermittelte Projektionsbild wird mit dem gemessenen verglichen. und anhand der Unterschiede wird eine erneute, verbesserte Näherung an die wahre Aktivitätsverteilung vorgenommen. Die Algorithmen für die Bildberechnung werden danach bewertet, wann die notwendigen Korrekturen klein werden. Mit diesem Verfahren erhält man die beste Schwächungskorrektur. Hier ein Vergleich zwischen einer Wirbelsäulenaufnahme nach einfacher Rückprojektion (links) und nach Anwendung der iterativen Rekonstruktion (rechts) : Abb.26: Rückprojektion [26] Abb.27: iterative Rekonstruktion [26] Das Bild, das mittels iterativer Rekonstruktion erzeugt wurde, ist deutlich klarer und nahezu frei von Artefakten. Man erkennt die einzelnen Wirbel deutlich, während bei dem linken Bild eine Analyse recht schwierig ist 8. Anwendungsbereiche der Szintigraphie und SPECT: Am häufigsten werden die Szintigraphien der Schilddrüse (in 51% der Fälle) und des Skeletts ( in 28% der Fälle ) durchgeführt. Es können aber ebenso gut die Nierenfunktion oder Durchblutungsstörungen des Herzmuskels dargestellt werden. Das Radiopharmakon kann der jeweiligen Anwendung entsprechend hergestellt werden. Es wird mit dem Blut oder der Atemluft bis an das Zielorgan mitgespült und kann dort wie in der Schilddrüse direkt am Stoffwechsel teilnehmen. Es kann auch, wenn es genügend klein ist, in Organe diffundieren ( z.B. in die Lunge ). 27 Die Szintigraphie ist aber nie die einzige Untersuchungsmaßnahme, oft wird sie um die Diagnose abzusichern, zusätzlich nach einer Magnetresonanztomografie (MRT), einer Computertomographie (CT) oder Röntgenuntersuchung angewandt. Besonders die Rückenpartie ist mittels Röntgenbestrahlung schlecht darstellbar bzw. die gewonnenen Bilder sind schwierig auszuwerten. Hier bietet die Szintigraphie Vorteile: Sie ist vor allem bei Skelettuntersuchungen sensitiver als eine Röntgenuntersuchung: Während bei einer Röntgen des Skeletts keine Auffälligkeit sichtbar ist, sind bei einer zum gleichen Zeitpunkt erfolgten Szintigraphie bereits Knochenveränderungen erkennbar. Allerdings sind sowohl die Szintigraphie als auch SPECT keine hochauflösenden Verfahren. Dies liegt hauptsächlich an der Einschränkung der Anzahl der einfallenden Photonen durch den Kollimator. Weniger Photonen pro Pixel bedeuten eine schlechtere Auflösung und ein instabileres Bild. Die Strahlenbelastung bei einer szintigraphischen Untersuchung beträgt im Falle einer Schilddrüsenszintigraphie 0,5 mSv, bei den Untersuchungen anderer Organe (Skelett, Niere, Herz etc.) ist man einer durchschnittlichen Strahlenbelastung von 5 10 mSv ausgesetzt. 28 9. Literaturverzeichnis: [1] Glenn F. Knoll: Radiation Detection and Measurement [2] W.R.Leo: Techniques for Nuclear and Particle Physics Experiments [3] J.B.Birks: The Theory and Practice of Scintillation Counting [4] W.Schlegl, J.Bille (Hrg): Medizinische Physik 2 [5] H.Göhler : Szintillationszähler für γ- und β-Strahlung [6] G.Eichholz, John W. 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