Jahrbuch 2007/2008 | Ebner, Natalie; Riediger, Michaela | W as uns Gesichter erzählen können: Zielorientierungen im Lebensverlauf Was uns Gesichter erzählen können: Zielorientierungen im Lebensverlauf Goal Orientations across the Lifespan Ebner, Natalie; Riediger, Michaela Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Jüngere und ältere Menschen unterscheiden sich in der selbst berichteten Orientierung ihrer persönlichen Ziele. Eine Forschergruppe am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung hat untersucht, ob sich diese Altersgruppenunterschiede auch in den generellen Orientierungen junger und älterer Erw achsener über Zielorientierungen im jungen und höheren Erw achsenenalter w iderspiegeln. Summary Normative beliefs about the lifespan influence individuals’ perceptions and actions. In a recent study at the Max Planck Institute for Human Development researchers used a recognition-memory paradigm in w hich participants are presented adult faces of various ages along w ith tw o developmental goal orientations, grow th and loss-prevention, and are later asked to recognize the initially presented faces and the developmental goal orientations w ith w hich they w ere associated. Die Pläne einer Person für die eigene Zukunft w erden auch als persönliche Ziele bezeichnet. Aus früheren, am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung durchgeführten Studien ist bekannt, dass sich jüngere und ältere Personen in der expliziten – also von ihnen selbst berichteten – Orientierung ihrer persönlichen Ziele unterscheiden: Jüngere Erw achsene (18 bis 30 Jahre) geben an, dass ihre persönlichen Ziele primär auf die Verbesserung eines Funktionszustandes ausgerichtet sind, w ohingegen ältere Erw achsene (65 bis 85 Jahre) ihre Ziele stärker auf Erhaltung und Verlustvermeidung orientieren. Erhaltungsorientierung geht bei Älteren mit positivem Wohlbefinden einher, w ährend Verlustvermeidung bei Jüngeren mit negativem Wohlbefinden zusammenhängt. Verbesserung oder Bewahrung Eine Forschergruppe am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung ging nun der Frage nach, ob sich diese Altersgruppenunterschiede in der persönlichen Zielorientierung auch in den generellen Erw artungen junger und älterer Erw achsener über Zielorientierungen im jungen und höheren Erw achsenenalter w iderspiegeln. Werden also Orientierungen © 2008 Max-Planck-Gesellschaft auf Verbesserung vornehmlich w w w .mpg.de mit dem jungen Erw achsenenalter und 1/3 Jahrbuch 2007/2008 | Ebner, Natalie; Riediger, Michaela | W as uns Gesichter erzählen können: Zielorientierungen im Lebensverlauf Orientierungen auf Verlustvermeidung vorw iegend mit dem höheren Erw achsenenalter verknüpft? Zur Beantw ortung dieser Frage entw ickelte die Forschergruppe eine Serie von Aufgaben, bei denen Gesichter zugeordnet und w iedererkannt w erden sollten. In einer ersten Studie w urden 24 jüngeren (20 bis 29 Jahre) und 24 älteren Versuchsteilnehmern (71 bis 85 Jahre) 160 Fotografien von Gesichtern junger und älterer Personen am Computerbildschirm dargeboten. Die Aufgabe der Studienteilnehmer bestand darin, jedes Gesicht einer von zw ei Zielorientierungen (Orientierung auf Verbesserung oder Orientierung auf Verlustvermeidung) selbst zuzuordnen. Es zeigte sich, dass junge und ältere Probanden Zielorientierungen in Richtung auf Verbesserung eher mit Gesichtern junger und Zielorientierungen in Richtung auf Verlustvermeidung eher mit Gesichtern älterer Personen verknüpften. Alterstypische Verknüpfungen In einer nächsten Studie gingen die Forscher dann der Frage nach, ob diese alterstypischen Erw artungen über Zielorientierungen das Verarbeiten neuer Verknüpfungen zw ischen Zielorientierung und Lebensalter beeinflussen. Dazu w urden den Versuchsteilnehmern w iederum Fotografien von Gesichtern junger und älterer Personen am Computerbildschirm gezeigt. Jedes der 32 dargebotenen Gesichter w urde dabei zusammen mit einer Zielorientierung präsentiert: Die dargestellte Person verfolgte entw eder ein Ziel in Richtung auf Verbesserung oder in Richtung auf Verlustvermeidung. In einer zw eiten Testsitzung, die eine Woche später stattfand, w urden die Studienteilnehmer dann gebeten, die in der ersten Testsitzung dargebotenen Personen w iederzuerkennen und sich an die jew eilige Zielorientierung zu erinnern. An dieser Studie nahmen 59 junge Erw achsene (19 bis 31 Jahre) und 60 ältere Erw achsene (69 bis 79 Jahre) teil. W ieder zeigte sich, dass junge und ältere Probanden Zielorientierung in Richtung auf Verbesserung eher mit dem jungen Erw achsenenalter und Zielorientierung in Richtung auf Verlustvermeidung eher mit dem höheren Erw achsenenalter verknüpfen. Darüber hinaus fanden die Forscher heraus, dass dieses „altersstereotype“ Schema die Erinnerungsleistung für neue Verknüpfungen zw ischen Zielorientierung und Lebensalter beeinflusst. Wenn sich die Teilnehmer in der W iedererkennung und Zuordnung irrten, so entsprach der Irrtum alterstypischen Verknüpfungen. Interessanterw eise w ar diese Tendenz bei den Älteren besonders stark ausgeprägt – die Erklärung liegt w ohl darin, dass ältere Menschen sich stärker an Bekanntem orientieren und Schw ierigkeiten haben, bereits vorhandene Assoziationen zu überw inden. Die Ergebnisse beider Studien lassen also vermuten, dass junge und ältere Erw achsene allgemeine Erw artungen über Altersgruppenunterschiede in Zielorientierungen haben, w elche sich auf die Behaltensleistung neuer Informationen zu Lebensalter und Zielorientierung ausw irken, und zw ar besonders bei älteren Erw achsenen. Die Rolle von Emotionen In einer dritten Studie w aren die Forscher schließlich daran interessiert, die Rolle von Emotionen für die Verknüpfung von Zielorientierung und Lebensalter zu untersuchen. Dazu w urden 94 jungen Erw achsenen (18 bis 31 Jahre) und 93 älteren Erw achsenen (68 bis 81 Jahre) nicht w ie bislang neutrale Gesichter gezeigt, sondern 48 fröhliche beziehungsw eise traurige Gesichter junger und älterer Erw achsener, und zw ar erneut in Kombination mit den Zielorientierungen Verbesserung und Verlustvermeidung. In einer zw eiten Testsitzung, eine Woche später, sollten die Studienteilnehmer die gezeigten Personen w iedererkennen und sich sow ohl an die jew eilige Zielorientierung als auch an den jew eiligen Gesichtsaudruck erinnern. In dieser zw eiten Testsitzung w urden die Gesichter nicht mit einem emotionalen, sondern mit einem neutralem Gesichtsausdruck dargeboten. Die Analysen lassen vermuten, dass vor allem ältere Erw achsene dazu neigen, eine Verbesserungsorientierung mit dem fröhlichen Gesichtsausdruck einer jungen Person und eine Orientierung © 2008 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/3 Jahrbuch 2007/2008 | Ebner, Natalie; Riediger, Michaela | W as uns Gesichter erzählen können: Zielorientierungen im Lebensverlauf auf Verlustvermeidung mit dem traurigen Gesichtsausdruck einer älteren Person in Verbindung zu bringen, und zw ar unabhängig von der Zielorientierung und dem Gesichtsausdruck, mit dem die Person ursprünglich dargeboten w urde. Neue Gesichterdatenbank Bevor diese Untersuchung beginnen konnte, musste eine neue Gesichterdatenbank aufgebaut w erden, die neben fröhlichen und traurigen Gesichtern junger Männer und Frauen auch fröhliche und traurige Gesichter älterer Personen umfasst. Zu diesem Zw eck w urden 58 19- bis 31-jährige, 56 39- bis 55-jährige und 57 69- bis 80-jährige Komparsen in das Fotostudio des Instituts eingeladen. Das Forscherteam trainierte sie darin, nacheinander sechs verschiedene Emotionen (neutral, traurig, angeekelt, ärgerlich, ängstlich und fröhlich) mit dem entsprechenden Gesichtsausdruck darzustellen. Ein Berufsfotograf machte zu jedem der sechs Gesichtsausdrücke zahlreiche Aufnahmen. Anhand eines standardisierten Ausw ahlverfahrens w urden die zw ei besten Bilder pro Person und Gesichtsausdruck für die Gesichterdatenbank ausgew ählt. Die Datenbank soll demnächst zusammen mit Angaben zu Attraktivität, Alter, Gesichtsausdruck und w eiteren Normdaten einer Stichprobe von Erw achsenen jungen, mittleren und höheren Alters veröffentlicht w erden, um sie für Forscherinnen und Forscher im In- und Ausland zugänglich zu machen. © 2008 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/3