303_348_BIOsp_0312_303_348_BIOsp_0312 08.05.12 09:20 Seite 336 336 K A R R I E R E , KÖ P F E & KO N Z E P T E Bericht der American Academy of Microbiology Mikroorganismen und Klima RALF CONRAD MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR TERRESTRISCHE MIKROBIOLOGIE, MARBURG ó Mikroorganismen und Klima scheinen zwar nichts miteinander zu tun zu haben, aber dennoch sind mikrobielle Prozesse unabdingbar für die Modellierung des Klimas. Das ist die Auffassung eines Expertengremiums der Amerikanischen Akademie für Mikrobiologie (AAM), veröffentlicht im Bericht „Incorporating microbial processes into climate models“ im Februar 2011 (http://academy. asm.org/images/stories/documents/Incor porating_Microbial_Processes_Into_Climate _Models.pdf). Mikrobielle Prozesse formen die Zusammensetzung der Erdatmosphäre. Das augenfälligste Beispiel ist die Bildung einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre durch Cyanobakterien seit dem Präkambrium, aber auch die mikrobielle Umsetzung von klimarelevanten Treibhausgasen wie Methan und Lachgas. Unsere Erde beherbergt etwa 1030 Mikrobenzellen. Diese Zahl ist größer als alle Sterne im Universum (etwa 1025) und stellt etwa die Hälfte der gesamten Biomasse auf der Erde dar. Damit ist die Ökologie von Mikroorganismen in jedem Fall ein globales Thema, so auch in Hinblick auf das Klima. Gegenwärtig ist es noch nicht möglich, mikrobielle Prozesse in einer Weise zu erfassen, dass sie in Modelle des globalen Klimas auf einfache Weise eingebaut werden können. Die Geschichte der Klimaforschung begann mit rein physikalischen Modellen. Erst später wurde die Luftchemie berücksichtigt. Seit mehr als 30 Jahren ist klar, dass auch die Biosphäre einen wesentlichen Beitrag in Klimamodellen spielen sollte. Die Notwendigkeit, mikrobielle Prozesse zu berücksichtigen, wurde seither immer wieder betont, und auch die Schwierigkeiten (z. B. Skalenprobleme) wurden bereits früh diskutiert [1, 2]. Der AAM-Bericht greift nun erneut dieses Problem auf und empfiehlt einen Aktionsplan: So solle sich die Forschung zunächst auf einige modellhafte Stoffkreisläufe (Methan, Kohlenstoff, Lachgas) konzentrieren und Schlüsseltechnologien auf dem Gebiet der Datensammlung, Modellierung und experimentellen Analyse weiterentwickeln. Tech- nologien zur Kultivierung von Mikroorganismen, mikroskalige Techniken (z. B. NanoSIMS, Sekundärionen-Massenspektrometrie mit einer Auflösung kleiner als 50 Nanometer) und „-omik“-Ansätze (Genomik, Transkriptomik, Proteomik) werden explizit aufgeführt. Auch der disziplinübergreifende Austausch von modellgängigen Daten wird als wünschenswertes Ziel genannt. Besonders In Zukunft werden wir durch die Popularisierung der „-omik“-Ansätze eine Vielzahl von Sequenzdaten erhalten, denen unter anderem auch Funktionen zugeordnet werden, die relevant für die Klimaforschung sind. Die geografische Verbreitung von mikrobiellen Genen und Aktivitäten ist ebenfalls für globale Modelle wichtig. Aber auch reduktionistische Ansätze wie die detaillierte Aufklärung der Biochemie von Stoffwechselprozessen (z. B. Methanbildung, Kohlendioxid-Assimilation, N2-Fixierung, Denitrifikation) werden für das modellhafte Verstehen globaler Prozesse von zentraler Bedeutung sein, auch für die Klimaforschung, auf die der AAMBericht hinweist. Für solche Forschung ist die Mikrobiologie in Deutschland hervorragend aufgestellt. Auch interdisziplinäre Forschung zusammen mit Klimaforschern findet bereits an einigen Instituten der Universitäten, MaxPlanck-Gesellschaft, Helmholtz-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft statt. ó Literatur [1] Andreae MO, Schimel DS (Hrsg) (1989) Exchange of trace gases between terrestrial ecosystems and the atmosphere. Dahlem Konferenzen. Wiley, Chichester [2] Bowman AF (Hrsg) (1998) Approaches to scaling of trace gas fluxes in ecosystems. Elsevier, Amsterdam [3] Montzka S, Dlugokencky E, Butler J (2011) Non-CO2 greenhouse gases and climate change. Nature 476:43–50 wichtig erscheint mir aber der Hinweis auf die Bedeutung prozessorientierter mikrobiologischer Forschung für Klimamodelle [3]. Denn das Verständnis der Prozesse ist letztendlich die Grundlage für jedes mechanistische Modell. In dieser Hinsicht hat die Mikrobiologie in den letzten 30 Jahren bereits einiges geleistet. So wurden Prozesse, die in der Natur beobachtet werden, mit der Entdeckung und Beschreibung entsprechender Mikroorganismen erklärt (z. B. Umsetzung von atmosphärischen Konzentrationen von Methan, Wasserstoff, Kohlenmonoxid; anaerobe Oxidation von Methan und Ammonium; Bildung von Dimethylsulfid); oder für neu entdeckte Mikroorganismen oder mikrobielle Gene wurden Funktionen in der Natur gefunden (z. B. für Schwefel-disproportionierende Bakterien bzw. mesophile Crenarchaeen). Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Ralf Conrad Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie Karl-von-Frisch-Straße 10 D-35043 Marburg Tel.: 06421-178800 Fax: 06421-178809 [email protected] BIOspektrum | 03.12 | 18. Jahrgang