Mikroorganismen und Klima

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K A R R I E R E , KÖ P F E & KO N Z E P T E
Bericht der American Academy of Microbiology
Mikroorganismen und Klima
RALF CONRAD
MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR TERRESTRISCHE MIKROBIOLOGIE, MARBURG
ó Mikroorganismen und Klima scheinen
zwar nichts miteinander zu tun zu haben,
aber dennoch sind mikrobielle Prozesse unabdingbar für die Modellierung des Klimas. Das
ist die Auffassung eines Expertengremiums
der Amerikanischen Akademie für Mikrobiologie (AAM), veröffentlicht im Bericht
„Incorporating microbial processes into climate models“ im Februar 2011 (http://academy.
asm.org/images/stories/documents/Incor
porating_Microbial_Processes_Into_Climate
_Models.pdf). Mikrobielle Prozesse formen
die Zusammensetzung der Erdatmosphäre.
Das augenfälligste Beispiel ist die Bildung
einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre durch
Cyanobakterien seit dem Präkambrium, aber
auch die mikrobielle Umsetzung von klimarelevanten Treibhausgasen wie Methan und
Lachgas.
Unsere Erde beherbergt etwa 1030 Mikrobenzellen. Diese Zahl ist größer als alle Sterne im Universum (etwa 1025) und stellt etwa
die Hälfte der gesamten Biomasse auf der
Erde dar. Damit ist die Ökologie von Mikroorganismen in jedem Fall ein globales Thema, so auch in Hinblick auf das Klima. Gegenwärtig ist es noch nicht möglich, mikrobielle
Prozesse in einer Weise zu erfassen, dass sie
in Modelle des globalen Klimas auf einfache
Weise eingebaut werden können.
Die Geschichte der Klimaforschung begann
mit rein physikalischen Modellen. Erst später wurde die Luftchemie berücksichtigt. Seit
mehr als 30 Jahren ist klar, dass auch die Biosphäre einen wesentlichen Beitrag in Klimamodellen spielen sollte. Die Notwendigkeit,
mikrobielle Prozesse zu berücksichtigen, wurde seither immer wieder betont, und auch die
Schwierigkeiten (z. B. Skalenprobleme) wurden bereits früh diskutiert [1, 2].
Der AAM-Bericht greift nun erneut dieses
Problem auf und empfiehlt einen Aktionsplan: So solle sich die Forschung zunächst
auf einige modellhafte Stoffkreisläufe
(Methan, Kohlenstoff, Lachgas) konzentrieren und Schlüsseltechnologien auf dem Gebiet
der Datensammlung, Modellierung und experimentellen Analyse weiterentwickeln. Tech-
nologien zur Kultivierung von Mikroorganismen, mikroskalige Techniken (z. B. NanoSIMS, Sekundärionen-Massenspektrometrie
mit einer Auflösung kleiner als 50 Nanometer) und „-omik“-Ansätze (Genomik, Transkriptomik, Proteomik) werden explizit aufgeführt. Auch der disziplinübergreifende Austausch von modellgängigen Daten wird als
wünschenswertes Ziel genannt. Besonders
In Zukunft werden wir durch die Popularisierung der „-omik“-Ansätze eine Vielzahl von
Sequenzdaten erhalten, denen unter anderem auch Funktionen zugeordnet werden, die
relevant für die Klimaforschung sind. Die geografische Verbreitung von mikrobiellen
Genen und Aktivitäten ist ebenfalls für globale Modelle wichtig. Aber auch reduktionistische Ansätze wie die detaillierte Aufklärung der Biochemie von Stoffwechselprozessen (z. B. Methanbildung, Kohlendioxid-Assimilation, N2-Fixierung, Denitrifikation) werden für das modellhafte Verstehen globaler
Prozesse von zentraler Bedeutung sein, auch
für die Klimaforschung, auf die der AAMBericht hinweist. Für solche Forschung ist die
Mikrobiologie in Deutschland hervorragend
aufgestellt. Auch interdisziplinäre Forschung
zusammen mit Klimaforschern findet bereits
an einigen Instituten der Universitäten, MaxPlanck-Gesellschaft, Helmholtz-Gesellschaft
und Leibniz-Gemeinschaft statt.
ó
Literatur
[1] Andreae MO, Schimel DS (Hrsg) (1989) Exchange of trace
gases between terrestrial ecosystems and the atmosphere.
Dahlem Konferenzen. Wiley, Chichester
[2] Bowman AF (Hrsg) (1998) Approaches to scaling of trace
gas fluxes in ecosystems. Elsevier, Amsterdam
[3] Montzka S, Dlugokencky E, Butler J (2011) Non-CO2
greenhouse gases and climate change. Nature 476:43–50
wichtig erscheint mir aber der Hinweis auf
die Bedeutung prozessorientierter mikrobiologischer Forschung für Klimamodelle [3].
Denn das Verständnis der Prozesse ist letztendlich die Grundlage für jedes mechanistische Modell. In dieser Hinsicht hat die Mikrobiologie in den letzten 30 Jahren bereits einiges geleistet. So wurden Prozesse, die in der
Natur beobachtet werden, mit der Entdeckung
und Beschreibung entsprechender Mikroorganismen erklärt (z. B. Umsetzung von atmosphärischen Konzentrationen von Methan,
Wasserstoff, Kohlenmonoxid; anaerobe Oxidation von Methan und Ammonium; Bildung
von Dimethylsulfid); oder für neu entdeckte
Mikroorganismen oder mikrobielle Gene wurden Funktionen in der Natur gefunden (z. B.
für Schwefel-disproportionierende Bakterien
bzw. mesophile Crenarchaeen).
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Ralf Conrad
Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie
Karl-von-Frisch-Straße 10
D-35043 Marburg
Tel.: 06421-178800
Fax: 06421-178809
[email protected]
BIOspektrum | 03.12 | 18. Jahrgang
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