Druckversion Was Studien sagen: Glaukom: Was kann eine Früherkennung leisten? Viele Augenarztpraxen bieten eine Untersuchung zur Früherkennung eines Glaukoms (Grüner Star) an. Besteht kein spezielles Risiko oder kein Krankheitsverdacht, muss die Untersuchung selbst gezahlt werden. Ob eine bevölkerungsweite Früherkennung sinnvoll ist, ist bisher nicht gut untersucht. Das Glaukom ist eine Augenkrankheit, die mit einer stetigen Verschlechterung des Sehvermögens einhergeht. Dabei wird das Gesichtsfeld – der Sehbereich, den man wahrnehmen kann, ohne die Augen zu bewegen – zunehmend eingeschränkt. Eine Ursache des Glaukoms kann ein erhöhter Augeninnendruck sein, der mit der Zeit den Sehnerv schädigt. Das häufigste Glaukom ist das primäre Offenwinkelglaukom. Es schreitet langsam voran und führt erst nach einiger Zeit zu Sehstörungen. Wenn man die Krankheit bemerkt, sind die Schäden am Auge meist schon weit fortgeschritten und nicht mehr rückgängig zu machen. Etwa 2 von 100 Menschen über 40 Jahre haben ein Glaukom. Schätzungen zufolge erblinden in Deutschland jährlich rund 1100 Menschen durch die Krankheit. Vor- und Nachteile von Früherkennungsuntersuchungen Bestimmte Behandlungen können dem Verlust des Sehvermögens vorbeugen oder ihn verzögern. Daher ist es grundsätzlich wünschenswert, die Erkrankung möglichst früh zu erkennen. Allerdings ist umstritten, ob eine bevölkerungsweite Früherkennungsuntersuchung (auch Screening genannt) der richtige Weg ist: Manche fordern, allen Menschen ab 40 Jahren eine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung anzubieten. Andere halten es für sinnvoller, nur Menschen mit bestimmten Risiken zu untersuchen. Grundsätzlich können Früherkennungsuntersuchungen, egal für welche Erkrankung, neben Vorteilen auch Nachteile haben. So kann eine Untersuchung falsche Ergebnisse liefern: wenn zum Beispiel bei der Glaukom-Früherkennungsuntersuchung die Diagnose Grüner Star gestellt wird, obwohl das Auge gesund ist. Dies nennt man „falsch positiver Befund“. Er kann zur Folge haben, dass Menschen unnötigerweise Medikamente einnehmen und psychisch belastet werden. Wie läuft die Früherkennung ab? Zur Früherkennung eines Glaukoms werden Untersuchungen eingesetzt, die auch zur Diagnose verwendet werden: Bei der Augenspiegelung (Ophthalmoskopie) schauen Ärztin oder Arzt mit einem speziellen Instrument, dem Ophtalmoskop, von außen in das Auge hinein. Auf diese Weise können sie Schäden am Sehnerv entdecken. Bei der Messung des Augeninnendrucks (Tonometrie) wird das Auge mit einem Tropfen Flüssigkeit betäubt. Anschließend setzt die Ärztin oder der Arzt einen kleinen Messkolben auf die Hornhaut auf und misst damit den Druck im Auge. Mit dem Spaltlampenmikroskop wird der vordere Augenabschnitt untersucht. Damit soll unter anderem festgestellt werden, ob der Abfluss des Kammerwassers behindert ist. Diese Untersuchungen gehen recht schnell, sind risikoarm und schmerzfrei. Besteht ein Verdacht auf ein Glaukom, kann die Ärztin oder der Arzt zusätzlich das Gesichtsfeld ausmessen. Dabei lässt sich feststellen, ob bestimmte Sehbereiche eingeschränkt und bereits blinde Stellen entstanden sind. Kostenübernahme Die Kosten der Untersuchungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen nur aus folgenden Gründen übernommen: dauerhafte Anwendung von Steroiden (zum Beispiel Kortison) im Rahmen einer Behandlung Veränderungen im vorderen Auge, die den Fluss des Kammerwassers behindern typische Symptome eines Glaukoms wie eingeschränktes Gesichtsfeld und Sehstörungen Augenschäden durch einen Diabetes Augenverletzungen, die es erforderlich machen, ein Glaukom auszuschließen eine geplante Augenoperation, bei der zuvor oder danach ein Glaukom ausgeschlossen werden muss ein veränderter Augenhintergrund und / oder ein erhöhter Augeninnendruck Liegt keiner dieser besonderen Gründe vor, muss die Glaukom-Früherkennungsuntersuchung in der Regel als „individuelle Gesundheitsleistung“ ( IGeL) selbst bezahlt werden. Die Untersuchung wird von Augenärztinnen und -ärzten zu Preisen zwischen 15 und 40 Euro angeboten. Nutzen der Früherkennungsuntersuchung Verschiedene Wissenschaftlergruppen haben in den letzten Jahren untersucht, ob es von Nutzen ist, allen Menschen ab einem bestimmten Alter eine Früherkennungsuntersuchung anzubieten. Dazu suchten sie nach Studien, die geprüft haben, ob sich durch eine Früherkennung dem Verlust des Sehvermögens vorbeugen lässt. Zudem wollten sie herausfinden, wie zuverlässig die Untersuchungsmethoden kranke von gesunden Menschen unterscheiden können. Ungenaue Untersuchungen können zur Folge haben, dass manche Erkrankungen nicht erkannt werden (falsch negative Diagnosen) und dann verspätet behandelt würden. Ein anderer Fehler ist, dass eigentlich Gesunde eine falsche Verdachtsdiagnose erhalten und dann unnötig weiter untersucht oder behandelt werden (falsch positive Diagnosen). Das Ergebnis der wissenschaftlichen Untersuchungen war jedoch mager: Es gibt bisher keine Studien, die den Nutzen einer allgemeinen Früherkennung des Glaukoms untersucht haben. Es lässt sich daher nicht beurteilen, welche Vor- und Nachteile es hat, wenn Menschen ohne Beschwerden oder besonderes Risiko eine solche Untersuchung machen lassen. Vielmehr bleiben wichtige Fragen offen: Wer profitiert von einer Früherkennung? Ab welchem Alter könnte sie sinnvoll sein? Werden aufgrund einer möglichen Fehldiagnose unnötigerweise auch Menschen behandelt, die eigentlich kein erhöhtes Glaukom-Risiko haben? Welche Testverfahren sind zur Früherkennung am besten geeignet? In welchen Abständen sollte untersucht werden? Trotz dieser offenen Fragen zählt die Glaukom-Früherkennung mittlerweile zu den häufigsten IGe-Leistungen, die Ärztinnen und Ärzte anbieten. Was ist wichtig, wenn man sich untersuchen lässt? Eine Untersuchung des Augeninnendrucks allein reicht nicht aus, um ein Glaukom oder ein erhöhtes Risiko dafür festzustellen. Manche Menschen entwickeln einen Grünen Star, obwohl sie keinen erhöhten Augeninnendruck haben. Andere haben wiederum einen erhöhten Augeninnendruck, bekommen aber kein Glaukom. Daher ist es wichtig zu wissen, dass sich nur in Verbindung mit weiteren Untersuchungen abschätzen lässt, ob ein erhöhtes Risiko besteht, ein Glaukom zu bekommen oder ein bestehendes Glaukom festgestellt oder ausgeschlossen werden kann. Dazu gehören insbesondere die Untersuchung des Sehnervs, aber auch der Nervenfasern der Netzhaut und gegebenenfalls die Messung des Gesichtsfelds. Eventuell werden weitere Untersuchungen nötig, wenn sich ein Verdacht ergeben hat. Zu einer gründlichen Untersuchung gehört nicht zuletzt, dass Ärztinnen und Ärzte nach der Krankheitsgeschichte, den Lebensumständen und den Beschwerden fragen. Manche Menschen haben ein erhöhtes Risiko, ein Glaukom zu entwickeln. Für sie könnte sich eine Früherkennung eher lohnen als für andere: Ältere Menschen: Mit dem Alter steigt das Glaukom-Risiko. So haben etwa 0,4 % der 40-Jährigen ein Glaukom. Bei den 75-Jährigen sind es etwa 4 %. Menschen, deren Eltern oder Geschwister ein Glaukom haben Menschen mit schwarzer Hautfarbe Menschen, die stark kurzsichtig sind Menschen mit Diabetes Ob Vor- oder Nachteile überwiegen, ist unsicher Warum wird das Screening nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt, wenn es Möglichkeiten gibt, die Krankheit zu behandeln, wenn sie rechtzeitig erkannt wird? Die Antwort ist: Nur weil eine Krankheit behandelt werden kann, ist es nicht automatisch sinnvoll, alle Menschen darauf zu testen. Um beurteilen zu können, ob eine Früherkennung sinnvoll ist, muss man wissen, ob vermutete Vorteile auch tatsächlich nachweisbar sind. Und man muss mögliche Nachteile kennen. Erfahrungen aus anderen Früherkennungsprogrammen zeigen, dass mit Fehldiagnosen zu rechnen ist. Dadurch können Menschen zu Patienten werden, obwohl sie gar nicht erkrankt sind. Sie erhalten dann weitere Untersuchungen, die unnötig oder unangenehm sein können. Oder sie werden behandelt, obwohl sie davon keinen Vorteil haben und möglicherweise Nebenwirkungen auftreten. Es besteht also die Gefahr der „Überdiagnose“ und „Überbehandlung“. Diese grundsätzlichen Bedenken müssen nicht auf die Glaukom-Früherkennung zutreffen. Genau das ist aber das Problem: Die tatsächlichen Vorund Nachteile eines Glaukom-Screenings lassen sich derzeit nicht sicher beurteilen, weil aussagekräftige Studien fehlen. Quellen Ervin AM, Boland MV, Myrowitz EH, Prince J, Hawkins B, Vollenweider D et al. AHRQ Comparative Effectiveness Reviews: Screening for Glaucoma. Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ); 2012. Hatt S, Wormald R, Burr J. Screening for prevention of optic nerve damage due to chronic open angle glaucoma. Cochrane Database Syst Rev 2006; (4): CD006129. Kapetanakis VV, Chan MP, Foster PJ, Cook DG, Owen CG, Rudnicka AR. Global variations and time trends in the prevalence of primary open angle glaucoma (POAG): a systematic review and meta-analysis. Br J Ophthalmol 2016; 100(1): 86-93. Schnell-Inderst P, Hunger T, Hintringer K, Schwarzer R et al. Individuelle Gesundheitsleistungen. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). Schriftenreihe HTA, Bd 113. IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vorund Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen. Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Wir bieten keine individuelle Beratung. Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden. BIG direkt gesund 2017 - 0800 54565456 Kostenloser 24h-Direktservice