Stellungnahme des Deutschen Hebammenverband e. V.

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Stellungnahme
des Deutschen Hebammenverband e. V.
zum Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte
von Patientinnen und Patienten
Drucksache 17/10488
Deutscher Hebammenverband, Gartenstraße 26, 76133 Karlsruhe
www.hebammenverband.de
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Der Deutsche Hebammenverband
Der Deutsche Hebammenverband e.V. (DHV) ist ein Bundesverband und setzt sich aus 16 Landesverbänden zusammen. Mit derzeit 17.7911 Mitgliedern ist der DHV der größte Hebammenberufsverband in Deutschland und vertritt die Interessen aller Hebammen. In ihm sind angestellte und
freiberufliche Hebammen, Lehrerinnen für Hebammenwesen, Hebammenwissenschaftlerinnen,
Familienhebammen, Hebammen geleitete Einrichtungen sowie Hebammenschülerinnen und
Studierende vertreten.
Der Gedanke des Gesetzentwurfs
Der Deutsche Hebammenverband unterstützt seit Jahren aktiv die Bedürfnisse der PatientInnen
nach einer qualitativ hochwertigen und evidenzbasierten medizinischen Versorgung von Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und deren neugeborenen Kinder. Selbstbestimmte und
informierte Entscheidungsprozesse, die durch eine umfassende Aufklärung von fachlicher Seite
unterstützt werden, sind Kernbereich des beruflichen Selbstverständnisses der Hebammen.
So sieht der DHV im Vorhaben des Gesetzgebers, die Patientenrechte zu kodifizieren, einen
wichtigen Ansatz zum Schutz und zur Förderung der Mündigkeit der PatientInnen und damit der
werdenden und jungen Mütter mit ihren Neugeborenen. Grundlage dafür kann nur das Recht auf
Selbstbestimmung und die Stärkung der medizinischen Transparenz der Patienten sein.
Trotz aller Zustimmung zu der gesetzgeberischen Initiative sieht der DHV im vorliegenden Gesetzentwurf weder die Bedürfnisse der werdenden Eltern, noch die Möglichkeiten der Aufklärung im
geburtshilflichen Bereich durch Hebammen adäquat abgebildet. Der Gesetzentwurf kodifiziert
lediglich die judikativen Fehlentwicklungen der vergangenen Jahrzehnte und zementiert damit die
seit Jahren zu beobachtende Entwicklung der Geburtshilfe, die weniger am Verlauf einer normalen
Geburt, sondern an der juristischen Absicherung der geburtshilflichen Professionen orientiert ist. So
wichtig es ist, medizinisch zu definierende Prozesse, mit klaren Aufklärungs- und Einwilligungsregelungen zu belegen, so wichtig ist es auch, die normalen Lebensprozesse und ihre Unwägbarkeit zu akzeptieren und dies entsprechend in der Gesetzesdefinition und ihrer Begründung zu
berücksichtigen.
Die Geburtshilfe hat im medizinischen Kontext einen besonderen Status inne
Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit sind normale Prozesse, deren Begleitung sowohl
fachlich-medizinische, wie auch fachlich-psychosoziale Unterstützungsleistung bedarf. Diese zu
erbringen ist primär originäre Tätigkeit der Hebammen in fachlicher Kooperation mit Geburtshelfern
und Kinderärzten.
Wie sich allerdings dieser Prozess im medizinischen Sinne entwickelt, ist kaum vorauszusehen.
Darauf müssen sich Schwangere, aber auch die geburtshilflichen Professionen einstellen. Eine
ständige Erhöhung von Vorsorgen, Screenings, Test tragen zur Medikalisierung der Geburt bei,
erhöhen die Interventionsraten und verunsichern die Frauen, ohne in vielen Bereichen eine kausal
definierte Verbesserung des Ergebnisses zu erreichen. Dies ist insbesondere bei der Frühgeburtlichkeitsrate zu beobachten. Seit Jahren lässt sich die Zahl der Frühgeburten, trotz aller medizinischen Vorsorge und Therapiemaßnahmen nicht senken. Auch häufige Vorsorgen und intensives
Risikoscreening werden keine 100% Sicherheit für eine normale Geburt, eine gesunde Frau oder
ein gesundes Kind garantieren. Geburtshilfliche Notfälle, wie auch der Gesundheitsstatus des
Kindes sind weder mit sicheren, evidenzbasierten Methoden zu prognostizieren, noch sind Ursachen
einer Schädigung sicher auf die geburtshilfliche Versorgung zurückzuführen.
Entscheidend ist, welches Fazit Medizin oder die Gesellschaft daraus zieht und welches Prinzip im
Vordergrund der Überlegungen steht: Möchte man die Schwangere stärken und ihr persönliche
Sicherheit im Umgang mit der körperlichen und psychischen Veränderung dieses Prozesses
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Stand: 29. September 2012
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vermitteln, oder möchte man an Stelle der Selbstbeurteilung der Frauen Screeningprogramme
einsetzen, die Aussagen über den möglichen Schwangerschafts- und Geburtsverlauf treffen, ohne
dass das eigene Beurteilungsvermögen der Frauen benötigt wird. Das heutige Vorsorgeprozedere
gibt Schwangeren den Eindruck, dass sie nur wissen können, wie es um ihre Gesundheit steht,
wenn die Schwangerschaftsvorsorge diese Aussage getätigt hat. Entsprechend schwer fällt es
Frauen, Entscheidungen zu treffen, die den Behandlungsprozess der Geburt betreffen. Umso
wichtiger ist in diesem Fall eine zielführende Aufklärung. Diese jedoch muss – anders als die
Risikoaufklärung eines medizinischen Prozesses-, den Bedürfnissen und den Wahlmöglichkeiten der
Frau angepasst werden. Das medizinische Serientest-Programm und Aufklärungseinheiten über
Worst-case-Szenarien können hier nicht zielführend sein. Die Anerkennung, dass ein Geburtsverlauf
individuell und dessen Eventualitäten schwer vorhersagbar ist, ist die Voraussetzung darüber wie
das Thema Aufklärung und Haftpflicht in der Geburtshilfe zu behandeln ist. Denn: der Geburtsprozess ist keine Knieoperation, mit Wahlmöglichkeit, mit einen exakt definierten Status vor der OP
und nach der OP. Und: trotz einer Vielzahl an pränataldiagnostischen Test ist eben der exakte
Status eines Embryos oder einer Schwangeren nicht sicher abklärbar.
Daher ist es in den meisten Fällen nicht wissenschaftlich sicher festzustellen, ob ein Fehler der
Hebamme oder des Geburtshelfers einen Schaden verursacht hat, oder ob dieser Schaden eine
andere Ursache hat. Dies gilt es zu berücksichtigen.
Die Aufklärungspflicht:
Frauen und Paare benötigen im geburtshilflichen Bereich zweifelsohne eine umfassende Beratung
und Aufklärung. Diese jedoch an den Maßgaben der medizinischen Aufklärung eines definierten
medizinischen Prozesses, wie beispielsweise einer Knieoperation, zu messen, ist für werdende
Eltern wenig hilfreich. Denn die Geburt ist für schwangere Frauen ein unausweichliches Geschehen,
bei dem sie in jedem Fall ein gesundheitliches Risiko für sich und das Kind auf sich nehmen
müssen, dessen Folgen nicht vorhersehbar sind und dessen statistische Wahrscheinlichkeit keine
befriedigende Entscheidungsgrundlage für den Einzelfall sein kann, geht es doch bei diesem Geschehen um die eigene, wie auch um die Gesundheit des ungeborenen Kindes. Eine uneingeschränkte Aufklärung ohne abzuklären in wie weit diese vollständige Aufklärung aller Eventualitäten überhaupt erforderlich ist, hilft keiner Frau. Im Einzelfall kann sie sogar kontraproduktiv
sein, da psychische Faktoren bei der Geburt eine große Rolle spielen. Was für eine Wahlmöglichkeit
nach der Aufklärung hat die Schwangere . wenn man sie bei der Planung des Geburtsmodus
darüber aufklärt, dass sie bei der normalen Geburt im schlimmsten Falle versterben kann, dies bei
der operativen Entbindung, dem Kaiserschnitt, jedoch ebenso geschehen kann. Wie soll sie sich mit
diesem Wissen in der Situation, in der sie sich grundsätzlich nicht mehr gegen eine Schwangerschaft und damit gegen dieses Risiko entscheiden kann, aufgeklärt verhalten? Im geburtshilflichen
Kontext ist es nicht möglich, eine seriöse Aufklärung über die Erfolgsaussichten der Geburtsart zu
vermitteln, ohne gleichzeitig die Schwangere stark zu verängstigen.
Ziel des Gesetzes muss es deshalb sein, dass eine Unterscheidung zwischen Risiken eines
therapeutischen Prozesses und dem „normalen Lebensrisiko“ einer Geburt definiert wird. Nur so
können das Recht der PatientInnen auf eine umfassende Aufklärung und der Erhalt der fachlichen
Assistenz für Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett langfristig für die Gesellschaft gesichert
werden.
Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler
Die Vermutung des Fehlers:
Der anerkannte medizinische Standard:
Geburtshilfliche Leitlinien in Deutschland haben häufig ein relativ niedriges wissenschaftlich
belegtes Niveau (S1-Leitlinien). Dies ist dadurch begründet, dass in vielen Bereichen die wissenschaftliche Datenlage dürftig und /oder widersprüchlich ist und deshalb keine höhere Evidenz
erreichbar ist. Wie der anerkannte medizinische Standard aussehen soll, der den LeistungsSeite 3 von 6
erbringern ein fehlerfreies Arbeiten ermöglichen soll, ist im geburtshilflichen Bereich nicht oder nur
unzureichend zu belegen.
Dies führte schon in den vergangenen Jahren dazu, dass sich sowohl Ärzte wie auch Hebammen
vermehrt juristisch abgesichert haben und in der Folge sowohl die geburtshilflichen Interventionen
wie auch die Kaiserschnittzahlen massiv gestiegen sind. Denn im gerichtlichen Kontext gilt seit
längerem, dass ein Schaden, der in Begleitung aktiven Intervenierens zu verzeichnen ist, weniger
der Vermutung eines Fehlers unterliegt, als ein Schaden im Zusammenhang mit einer interventionsarmen oder abwartenden fachlichen Betreuung.
Im Hinblick jedoch auf die gravierenden gesundheitlichen Folgeerscheinungen der geburtshilflichen
Interventionen für Frauen und Kinder muss diesem Umstand Rechnung getragen werden. Der Verweis in der Gesetzesbegründung auf die Einhaltung des medizinischen Standards reicht im geburtshilflichen Bereich nicht aus. Eine sichere Geburtshilfe für Frauen und Kinder muss auch eine rechtlich sichere Geburtshilfe für Hebammen und Geburtshelfer sein.
Die Berufsanfängerin/der Berufsanfänger:
Hebammen dürfen mit der staatlichen Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation eigenständig die
Betreuung der physiologischen Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes übernehmen.
Ihnen obliegt die Abgrenzung des normalen Verlaufes von einem krankhaften Geschehen und der
Durchführung des gegebenenfalls erforderlichen Überleitungsmanagements in die ärztliche
Betreuung.
Insbesondere im geburtshilflichen Bereich gilt, wie oben bereits beschrieben, dass Schaden und
Schadensursache nicht zweifelsfrei zu ermitteln ist. Gilt die Vermutung eines Behandlungsfehlers
nur, weil die Betreuung durch eine Berufsanfängerin erfolgte und damit die Beweislastumkehr, so
wird diese gegenüber den berufserfahrenen Kolleginnen massiv benachteiligt. Denn sie wird dies im
medizinischen Kontext ebenso wenig beweisen können, wie die erfahrene Kollegin. Ein schwieriges
Unterfangen voller Gefahr die Haftung auf ungerechtfertigter Weise zu ihren Ungunsten ausgelegt
zu bekommen, zeichnen sich doch besonders Berufsanfängerinnen durch hohes Wissen und
besondere Vorsicht in ihrer Arbeitsweise aus.
Es ist daher zu erwarten, dass die Schadenshäufigkeit der Berufsanfänger massiv steigen wird,
ohne dass diese tatsächlich mehr Fehler verursachen. Die ohnehin schon schwierige Situation eine
Haftpflichtversicherung zu finden, wird sich massiv verschärfen. Ohne berufliche Haftpflichtversicherung dürfen Hebammen jedoch nicht arbeiten. Die schon heute prekäre Versorgungslage
mit Hebammenhilfe – insbesondere in den ländlichen Regionen - wird sich verschlechtern. Diese
Regelung schützt Patientinnen nicht vor Fehlern, sondern entzieht Frauen und Kindern die nötige
fachliche Hilfe durch Hebammen.
Steigende Regresse bedeuten steigende Haftpflichtsummen:
Alle geburtshilflich tätigen Professionen haben das Problem, dass sie nicht kalkulieren können, wie
hoch die Deckungssumme einer „angemessenen“ Haftpflichtsumme sein muss, denn Verjährungsfristen von 30 Jahren implizieren steigende, jedoch undefinierbare Schadensregulationssummen.
Insbesondere Hebammen sind nicht mehr in der Lage, die jährlich steigenden Prämien für ihre
berufliche Haftpflichtsicherung zu bezahlen.
Auch wenn die Thematik des Patientenrechtegesetzes nicht diese Problematik regeln möchte, so
greift es doch elementar in diesen Kreislauf ein. Deshalb bedarf dieses Problems hier doch besonderer Aufmerksamkeit, insbesondere im Hinblick auf die ohnehin schon angespannte Lage im
Bereich der Haftpflichtversicherungen im geburtshilflichen Bereich.
Exkurs zur Haftpflichtversicherung:
Die Haftpflichtproblematik gliedert sich in drei zentrale Probleme, die verschiedene Lösungsansätze
benötigen, jedoch in ihrer Ursache eng zusammen hängen.
Diese sind:
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Es finden sich fast keine Versicherer mehr, die das Risiko Geburt zeichnen.
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Die Angemessenheit der Deckungssumme ist bei steigenden Pflegekosten unkalkulierbar.
Die Haftpflichtprämienhöhe übersteigt bei Weitem das Einkommen, das aus der
versicherten Tätigkeit generiert werden kann.
Die Situation der mangelnden Versicherungsanbieter muss grundsätzlich unterbrochen werden und
zwar durch gesetzgeberischen Eingriff in den privaten Haftpflichtversicherungsmarkt.
Dieses insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber den Hebammen den Abschluss
einer Haftpflichtversicherung vorschreibt und sie damit in einen scheinbar, unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten, funktionierenden Berufshaftpflichtversicherungsmarkt entlässt. In der
Realität stellt gibt es aber nachweislich keinen funktionierenden Haftpflichtversicherungsmarkt . Wir
fordern den Gesetzgeber daher auf, seine Schutzpflichten, insbesondere gegenüber dem Berufsstand der Hebamme, wahrzunehmen, in dem er in den privaten Haftpflichtversicherungsmarkt
regulierend eingreift.
Obwohl wir wissen, dass sich ein derartiger staatlicher Eingriff in den Privatmarkt schwierig
gestaltet, ist er dennoch nicht unmöglich oder gar von der Systematik und vom Prinzip her dem
deutschen Rechtswesen fremd. Vergleichend verweisen wir auf die gesetzlich vorgeschriebene Kfz–
Haftpflichtversicherung. Die privaten Versicherungsanbieter unterliegen einem normativ festgeschriebenen Kontrahierungszwang; die Rahmenbedingungen des Versicherungsvertrages werden
ergänzend durch eine Rechtsverordnung geregelt.
Ein derartiges System kann unseres Erachtens auch auf dem privaten, berufsspezifischen Haftpflichtversicherungsmarkt der Heilberufler Anwendung finden. Dadurch würden alle Versicherungsanbieter in die Pflicht zum Vertragsabschluss genommen, unter gleichzeitiger Regelung durch
Rechtsverordnungen, welche die zwingend zu beachtenden Voraussetzungen des Vertragsinhalts
festlegt, wie zum Beispiel eine Angemessenheitskontrolle der Prämienhöhe, kein Leistungsausschluss der Geburtshilfe oder Verbot der Kündigungsmöglichkeiten im Schadensfall.
Für die in den nächsten Jahren - durch die lange Haftungszeit von 30 Jahren und die bessere,
jedoch teurere Versorgung von Pflegefällen - zwangsläufig steigenden Haftpflichtansprüche, die in
ihrer Höhe weder für die Versicherer noch für die Hebammen kalkulierbar und damit abdeckbar
sind, wird hier eine weitere staatliche Lösung benötigt. Diese könnte ergänzend durch eine
Haftungsbeschränkung auf die ansonsten üblichen 10 Jahre gelöst werden. Dies ist ein Zeitraum,
der keine PatientIn der Geburtshilfe in seinen Haftungsansprüchen einschränkt, jedoch eine
kalkulierbare Zeit für die Haftpflichtversicherer darstellt.
Eine weitere Möglichkeit, um die Unwägbarkeit dieser Problematik einzuschränken, wäre die Gründung eines staatlichen Fonds zur Exzedentendeckung. Fondslösungen für Risiken sind in
Deutschland kein Novum, wurde eine solche doch auch für Schäden in der Landwirtschaft etabliert.
In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass die in diesem Zusammenhang öfter
geforderte Fondslösung zur generellen Patientenentschädigung in bspw. strittigen oder unklaren
Schadenssituationen hier explizit nicht gemeint ist.
Die Exzedentendeckung ist nötig, damit die Leistungserbringer im geburtshilflichen Sektor die
Möglichkeit haben, eine angemessene und bezahlbare Deckungssumme der beruflichen Haftpflichtversicherung abzuschließen und damit für ihre Fehler aufkommen zu können. Andererseits
kann dadurch sichergestellt werden, dass die steigenden Pflegekosten auch künftig eine Finanzierungsmöglichkeit haben. Die aktuelle Regelung sieht vor, dass Kosten, die von der Haftpflichtversicherung nicht getragen werden, da sie die Deckungssumme übersteigen, durch den Schadensverursacher mit seinem privaten Vermögen getragen werden müssen. Da bei Hebammen kein adäquates Vermögen vorhanden ist, bleiben in solchen Fällen nur Verlierer zurück: Die Geschädigten
bekommen mangels Masse ihre Kosten nicht gedeckt und der Hebamme ist, aufgrund der beruflichen Insolvenz, die finanzielle Lebensgrundlage entzogen.
Schadensregulierung ist wichtig und Schadensverursacher sollen und wollen auch für berufliche
Fehler gerade stehen. Es muss jedoch möglich sein, dass diese Kosten aus dem beruflichen Einkommen generierbar sind. Davon sind Hebammen seit Jahren weit entfernt. Das Risiko, dass ein
einziger Fehler die finanzielle Situation einer gesamten Familie zerstört, wird in Zukunft mehr und
mehr Leistungserbringer im geburtshilflichen Bereich davon abhalten, diesen Beruf auszuüben.
Diese Situation ist in einigen Bundesstaaten der USA inzwischen eingetroffen. Laien ersetzen
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Hebammen und Geburtshelfer, da sie für Fehler nicht haftbar gemacht werden können. Der Schutz
des Patienten und eine sichere Geburtshilfe werden durch diese Situation konterkariert .
Fazit
Der vorliegende Gesetzentwurf soll der Patientensicherheit dienen und bezieht sich insbesondere
auf planbare medizinische Behandlungen und die dafür benötigten Maßnahmen; er unterstützt
Patienten bei festgelegten medizinischen Prozessen, wie beispielsweise chirurgischen Eingriffen.
Explizit werden auch Hebammen als betroffene Leistungserbringerinnen erwähnt. Die Besonderheiten der geburtshilflichen Situation bleiben gänzlich außer Acht bzw. die Bestimmungen greifen
im geburtshilflichen Bereich zu kurz. Sie fördern weitere invasive Eingriffe und eine Medikalisierung
der Geburtshilfe - mit all ihren Folgen für die Frauengesundheit und die Kostenentwicklung in
diesem Bereich. Damit schadet die geplante Gesetzesänderung in dieser Form nicht nur den Hebammen bzw. allen in der Geburtshilfe Tätigen in der Ausübung ihres Berufes, sondern auch den
werdenden und jungen Müttern und ihren Kindern. Sie behindert sie in der Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit, ihre Kinder auf normalem Weg zur Welt zu bringen. Die steigenden Mehrausgaben
durch die stetig weiter wachsende Kaiserschnittrate mit ihren Folgekosten schädigen im Ergebnis
die Krankenversicherungen und die gesamte Bevölkerung.
Aktiver Patientenschutz muss die gesetzgeberischen Folgen auf alle Bereiche der medizinischen
Versorgung im Blick bewahren. Ein Schutz bei definierten medizinischen Prozessen ist für die
Patientensicherheit von elementarer Bedeutung. Dieser darf jedoch nicht zu Lasten der geburtshilflichen Versorgung definiert werden. Die Besonderheit der Geburt und die Normalität und
Unwägbarkeit dieses Geschehens muss in der Aufklärungsmöglichkeit Berücksichtigung finden
können. Nur dann ist den Patienten wirklich geholfen.
Wir befürchten, dass durch die im Gesetz beschriebene Aufforderung der Krankenkassen, Patienten
bei der Suche nach Behandlungsfehlern zu unterstützen - in Verbindung mit den ohnehin schon
bestehenden monetären Anreizen für die Krankenkassen, in dem ihnen das durch Regresse
generierte Geld zur freien Verfügung gestellt wird - eine Flut von Klagen und damit eine massive
Steigerung von Haftpflichtfällen folgen wird.
Geburtshilfe in Deutschland ist nur deshalb so sicher, weil gut ausgebildetes Fachpersonal den
Frauen und Paaren zur Seite steht. Geht diese fachliche Kompetenz in Folge des Verlusts einer
Haftpflichtversicherungsmöglichkeit verloren, so geht dies automatisch mit einem Verlust der
Sicherheit in diesem medizinischen Bereich einher. Der Patientensicherheit und dem Patientenschutz wäre damit ein Bärendienst erwiesen.
Aktiver Patientenschutz im Bereich der Geburtshilfe kann also nicht durch die Unterstützung der
Fehlersuche und der Umkehr der Beweislast erreicht werden und mitnichten durch eine überbordende Aufklärungspflicht. Dieser ist nur zu erreichen, in dem sichergestellt wird, dass die hohe
fachliche Qualität in Deutschland durch ausreichendes, gut geschultes und letztlich auch ausreichendes Fachpersonal gehalten werden kann, das sein Tun an evidenzbasiertem Wissen
ausrichten kann und nicht an der Furcht vor Haftpflichtschäden und Regressforderungen!
Karlsruhe, den 12.10.2012
Martina Klenk
Präsidentin DHV e. V.
Katharina Jeschke
Beirätin für den freiberuflichen Bereich DHV e. V.
Mail: [email protected]
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