Esa-Satellit "Lisa Pathfinder" Europa startet Suche nach Einsteins Gravitationswellen 03. Dezember 2015, von Christoph Seidler DPA / Esa / D.Ducros Einstein hat sie vorausgesagt, doch direkt nachgewiesen hat sie noch niemand: Gravitationswellen sollen das ganze All erfüllen - und sind doch schwer zu beobachten. Ein neuer Satellit soll das nun ändern. Es war ein ganz besonderer Geburtstag. Erst vor wenigen Tagen feierte Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie ihr 100. Jubiläum. Es ist ein Gedankengebäude, das unsere Vorstellung vom Universum radikal verändert hat. Unter anderem sagt die Theorie voraus, dass unser All voll von sogenannten Gravitationswellen sein müsste. Sie entstehen jedes Mal, wenn Massen bewegt werden und bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit durch den Kosmos. Einsteins geheimnisvolle Wellen sind allerdings nicht besonders stark ausgeprägt - und konnten vermutlich deswegen bis heute nicht direkt nachgewiesen werden. (Indirekte Nachweise gibt es allerdings sehr wohl, hier erfahren Sie mehr darüber). Ein kleiner europäischer Satellit soll nun dabei mithelfen, dass das doch irgendwann ein direkter Nachweis gelingt - auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass er den Entdeckerruhm für sich wird beanspruchen können. Am Donnerstagmorgen hat eine "Vega"-Rakete der Europäischen Weltraumorgansiation (Esa) den Satelliten "Lisa Pathfinder" ins All gebracht. Nachdem der Start vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana zuvor verschoben werden musste, lief diesmal alles ohne Probleme. Beim Start musste das delikate Innere des Satelliten besonders geschützt werden: Dort schweben in einer hochsensiblen Messanordnung zwei knapp fünf Zentimeter große Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung. Deren Abstand - rund 35 Zentimeter - wird mit einem Laser ständig hochpräzise vermessen. Wenn er sich auch nur um Bruchteile eines Millionstel Millimeters verändert, könnte das ein Hinweis auf eine Gravitationswelle sein. Diese ist nämlich eine Kräuselung der Raumzeit und müsste dafür sorgen, dass sich der Abstand zwischen den beiden Objekten kurzzeitig verkürzt und anschließend verlängert. Je länger der Abstand ist, desto leichter sollten sich Wellen entdecken lassen und 35 Zentimeter sind eben nicht allzu viel. Deswegen ist es eher unwahrscheinlich, dass "Lisa Pathfinder" tatsächlich Gravitationswellen beobachten wird. "Es müsste schon großer Zufall sein", sagt Karsten Danzmann vom Albert-Einstein-Institut Hannover, einer der beiden wissenschaftlichen Leiter der Mission. US-Detektor hat gute Chancen auf Entdeckerruhm Warum gibt es also diesen Satelliten überhaupt? Wie der Name schon sagt, ist er ein Pfadfinder. Oder besser gesagt eine Pfadfinderin - und zwar für eine deutlich größere europäischen Mission namens "eLisa". Sie soll aus drei Satelliten bestehen, die in Form eines riesigen gleichseitigen Dreiecks im All ausgesetzt werden. Das Dreieck soll eine Kantenlänge von einer Million Kilometern haben und ebenfalls per Laser vermessen werden. Die Technik dafür soll "Lisa Pathfinder" in zunächst 90 Tagen Missionsdauer testen. Revolutionäres Gedankengebäude AFP 100 Jahre Allgemeine Relativitätstheorie: Willkommen in Einsteins Universum Allerdings vergeht bis zum geplanten Start von "eLisa" noch einiges an Zeit die Esa kalkuliert aktuell mit dem Jahr 2034. Das bedeutet wohl auch: Bis dahin könnten Gravitationswellen bereits entdeckt sein. Die besten Chancen dafür hat derzeit der US-Detektor "Advanced Ligo" mit seinen zwei Observatorien in Hanford (Bundesstaat Washington) und Livingston (Bundesstaat Louisiana), an dessen Arbeit auch die Max-Planck-Gesellschaft aus Deutschland vertreten ist. Bei "Advanced Ligo" wird seit September mit verbesserten Instrumenten gemessen, zunächst bis Mitte Januar kommenden Jahres. Womöglich findet sich bereits in den dabei gemessenen Daten entscheidende Hinweise. Die Anlage sucht allerdings nach deutlich schwächeren Wellen als es "eLisa" einmal tun soll. Die Wellen könnten von massereichen Neutronen-Doppelstern-Systeme stammen. Das sind extrem kompakte Überreste massereicher Sterne, die sich schnell umkreisen und aufeinander zudriften. Dabei müssten Gravitationswellen entstehen, die sich mit genügend feinen Apparaturen auch hier auf der Erde nachweisen lassen. Gravitationswellen würden einen revolutionären Blick auf unsere Welt bieten. Bisher beobachten wir unser Universum mit Hilfe elektromagnetischer Wellen, vom sichtbaren Licht, über Infrarot- und UV-Strahlung, bis hin zu Radio-, Röntgen- und Gammastrahlung. Gravitationswellen würden einen neuen Zugang liefern zu Dingen, die sich anders nicht beobachten lassen - zum Beispiel die Interaktion von Schwarzen Löchern. Im vergangenen Jahr hatte es schon einmal kurz so ausgesehen, als sei der Nachweis von Gravitationswellen geglückt. Das Teleskop "Bicep 2" hatte am Südpol Signale in der kosmischen Hintergrundstrahlung aufgezeichnet, die Forscher als Nachhall des Urknalls interpretiert hatten. Doch später stellte sich heraus, dass es sich wohl doch nicht um 13,8 Milliarden Jahre alte Gravitationswellen gehandelt hatte. Messungen mit dem "Planck"-Teleskop legten nahe, dass sich die Forscher durch kosmischen Staub hatten täuschen lassen. Zusammengefasst: Esa hat die Raumsonde "Lisa Pathfinder" gestartet. Sie soll beim Nachweis von Gravitationswellen helfen, die Einstein schon vor 100 Jahren vorhergesagt hat. "Lisa Pathfinder" testet Techniken für eine spätere Forschungsmission, die ab dem Jahr 2034 einen direkten Nachweis liefern könnte. Wahrscheinlich gibt es allerdings schon vorher Nachweise mit Messgeräten auf der Erde. Relativitätstheorie im Test: Einstein behalt recht DPA/ Science/ MPIfR Doppelsternsystem (grafische Darstellung): Pulsar (links) und Weißer Zwerg tanzen Mehr als eine Milliarde Tonnen Materie haben hier das Volumen eines Zuckerwürfels: Ein neu entdeckter Neutronenstern ist extrem massereich - und ein spannendes Testobjekt für die Relativitätstheorie. Washington - Die kosmischen Fackeln sind das Überbleibsel einer kosmischen Katastrophe. Neutronensterne, die ausgebrannten Überreste explodierter Riesensterne, stürzen unter der eigenen Schwerkraft zu unvorstellbar kompakten Kugeln zusammen. Und bei vielen von ihnen lassen sich pulsierende Radiosignale nachweisen, die wie ein kosmisches Leuchtfeuer aufflackern. Solche Neutronensterne nennen die Astronomen Pulsare. Ein internationales Forscherteam hat nun den bislang massereichsten Neutronenstern entdeckt - und damit Albert Einsteins Relativitätstheorie einem extremen Härtetest unterzogen. Und Einstein hat - wieder einmal - recht behalten, wie die Gruppe um John Antoniadis vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie im Fachmagazin "Science" berichtet. Der untersuchte Pulsar mit der Katalognummer PSR J0348+0432 hat nur einen Durchmesser von 20 Kilometern, dreht sich 25-mal pro Sekunde um die eigene Achse - und ist ein ziemliches Schwergewicht, wie Antoniadis in einer Mitteilung der Europäischen Südsternwarte Eso erklärt: "Er ist doppelt so schwer wie die Sonne, was ihn zum massereichsten Neutronenstern macht, den wir kennen." Acht Millionstel Sekunden Verzögerung pro Jahr Im Volumen eines Zuckerwürfels stecken auf PSR J0348+0432 mehr als eine Milliarde Tonnen Materie. Sie ist wesentlich dichter gepackt als unsere alltägliche Materie. Der Neutronenstern, er ist 7000 Lichtjahre von der Erde entfernt, hat einen Begleiter, einen sogenannten Weißen Zwerg. Das sind die Kerne ausgebrannter Sonnen, die ihre Atmosphäre ins All geblasen haben. Die beiden umkreisen sich in nur rund 800.000 Kilometern Distanz - das entspricht etwa der doppelten Entfernung von der Erde zum Mond. Wegen der geringen Entfernung dauert ein Umlauf nur rund 2,5 Stunden. Gemäß der Relativitätstheorie strahlt ein solches System sogenannte Gravitationswellen ab und verliert dadurch Energie, was sich in einer Änderung der Umlaufzeit bemerkbar macht. Die Forscher beobachteten das System regelmäßig mit Radioteleskopen und optischen Instrumenten. Tatsächlich konnten sie eine Änderung der Umlaufzeit um acht Millionstel Sekunden pro Jahr messen. "Das ist genau das, was Einsteins Theorie vorhersagt", sagt Antoniadis' Institutskollege Paulo Freire. Bislang konnte die Relativitätstheorie nicht in einem so extremen Umfeld getestet werden - es war unbekannt, ob sie auch dort ihre Gültigkeit behält. Alternative Theorien, deren Vorhersagen deutlich von den Messungen abweichen, könnten nun jedoch ausgeschlossen werden, so die Forscher. Gravitationswellen-Nachweis: "Wir haben hier etwas Großes" Von Thorsten Dambeck Seit Jahrzehnten jagen Astronomen nach Einsteins Gravitationswellen. Nun haben sie am Südpol den bislang besten Beweis für die Existenz der flüchtigen Wellen entdeckt. Die Signale erzählen aus der frühesten Phase des Universums. Astronomen haben Signale aus den ersten Momenten des Universums aufgefangen. Es geht um winzige Sekundenbruchteile unmittelbar nach dem Urknall, der vor 13,8 Milliarden Jahren stattfand. Damals durchlebte das Weltall den Theorien zufolge eine extrem kurze Phase enormer Expansion, Kosmologen nennen sie Inflation. Während sich der Kosmos irrwitzig schnell aufblähte, entstanden Gravitationswellen - bislang waren sie ein experimentell unbestätigtes Konstrukt der theoretischen Physik. Den Wissenschaftlern gelangen nun Messungen, die sowohl die Existenz von Gravitationswellen als auch die Inflation selbst belegen. "Wenn sich das bestätigt, haben wir hier etwas Großes, sogar größer als das Higgs", so Karsten Danzmann, Direktor am Albert Einstein Institut in Potsdam und Hannover, über die Bedeutung der Entdeckung. Danzmann war an dem Fund nicht beteiligt, er ist aber mit dem GEO600-Experiment ebenfalls auf der Suche nach den geheimnisvollen Wellen, die Albert Einstein vor knapp einem Jahrhundert vorhersagte. Ort der bahnbrechenden Messungen war das Radioteleskop Bicep 2 ("Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization"), es fängt am Südpol seit Jahren die Strahlung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds auf. Nun fanden die Wissenschaftler Spuren, die einst von Gravitationswellen in die Hintergrundstrahlung eingeprägt wurden. Das Signal ist überraschend klar. "Wir sehen ein direktes Abbild der Gravitationswellen, die das Licht in bestimmter Weise polarisieren", erläutert US-Forscher John Kovac, vom Harvard-Smithonian Center for Astrophysics in Cambridge (Massachusetts). Überraschend klares Signal Inflation des Universums: Signale vom Urknall Mit Licht meint Kovac die Hintergrundstrahlung, sie entstand 380.000 Jahre nach dem Urknall. Damit entstammt es einer Epoche, in der das Weltall sonst nicht viel zu bieten hatte. Galaxien, Sterne, Planeten - nichts dergleichen war damals schon entstanden. Durch die bis heute andauernde Expansion des Alls wurde das Licht der Hintergrundstrahlung drastisch langwelliger, es liegt nun bei den Mikrowellen - und damit im Empfangsbereich von Radioteleskopen. Selbst Fernseher können die Strahlung empfangen, sie trägt etwa ein Prozent zum "Schnee" bei, mit dem ein schlecht eingestelltes Gerät die Zuschauer nervt. Die Bicep-Messungen bestätigen die Hypothese der kosmischen Inflation. Die Idee einer solchen rasanten Ausdehnungsphase geht auf das Jahr 1981 und den US-Physiker Alan Guth zurück und ist eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Urknallmodells. Guth wollte damit erklären, wieso verschiedene Regionen des Universums gleiche physikalische Eigenschaften besitzen, obwohl sie wegen ihrer viel zu großen gegenseitigen Distanz nur dann miteinander wechselwirken könnten, wenn das Verbot der Überlichtgeschwindigkeit aufgehoben wäre. Mit Inflation ist das nicht nötig. Allerdings mutete Guth der Vorstellungskraft einiges zu: im Vergleich zur Zeitspanne, in der sich die Inflation abspielte, dauert jeder Wimpernschlag Äonen. Es geht um etwa 10-37 Sekunden, ein Dezimalungetüm aus 37 Nullen, einem Komma und am Ende einer 1. In dieser minimalen Spanne soll sich der gesamte Kosmos von subatomaren Dimensionen bis zum Format eines Fußballs aufgebläht haben. Auch Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie wird durch die bisher direkteste Messung von Gravitationswellen untermauert. Über die unsichtbaren Wellen, die von beschleunigten Massen ausgehen, schrieb der Physiker 1916, ihr Effekt sei so klein, "dass man Gravitationswellen wahrscheinlich nie beobachten wird". Trotzdem war er von ihrer Existenz überzeugt. Manchmal werden sie als Kräuselungen der Raumzeit bezeichnet. Anders als Licht sind Gravitationswellen keine elektromagnetischen Wellen, sie breiten sich aber ebenso wie diese mit Lichtgeschwindigkeit aus. Objekte, die von ihnen getroffen werden, erfahren kurzzeitige Dehnungen und Stauchungen, weil der Raum, den diese Objekte einnehmen, quasi durchgeknetet wird. Doch der Effekt ist winzig. Selbst eine Sternexplosion in einer Nachbargalaxie bewirkt nur winzige Längenvariationen. So ändert sich die Distanz Erde-Sonne dadurch nur um den Durchmesser eines Wasserstoffatoms, und das lediglich für Tausendstelsekunden. Nobelpreis am Horizont? Dass nun beide Theoriekonstrukte, Inflation und Gravitationswellen, experimentell bestätigt wurden, beeindruckt die Physiker. Auch Torsten Enßlin vom Max-Planck-Institut für Astrophysik zeigt sich begeistert von den Resultaten der Bicep-Kollegen. "Allerdings auch mit einem weinenden Auge", so Enßlin, der zusammen mit Kollegen mit den Daten des europäischen "Planck"-Satelliten ebenfalls auf der Jagd nach den Gravitationswellen ist. "Bicep war zwar schneller, aber mit den Messungen Plancks werden wir bald schon eine unabhängige Bestätigung vorlegen können - oder auch Widerlegung." Der Vorteil Plancks liege darin, dass er den gesamten Himmel erfasse und nicht nur einen Ausschnitt wie Bicep; hinzu komme eine breitere Frequenzerfassung. Die Datenanalyse werde voraussichtlich noch ein halbes Jahr dauern, so Enßlin. US-Physiker Alan Guth vom Massachusetts Institut of Technology sieht seine Inflation bestätigt und bringt laut "Nature" den Physik-Nobelpreis ins Spiel. Es wird wohl von weiteren unabhängigen Bestätigungen abhängen, ob die BicepWissenschaftler tatsächlich in Stockholm gekrönt werden. Gravitationswellen und Nobelpreis - das gab es bereits 1973. Damals erhielten die US-Forscher Russell Hulse und Joseph Taylor für ihre Untersuchungen des Doppelpulsars PSR 1913+16 die begehrte Trophäe. Denn bei der Erklärung der Spiralbahnen der beiden Pulsare konnte nur die Relativitätstheorie helfen: Das System verliert Energie durch Gravitationswellen, damals immerhin schon ein indirekter Beweis für ihre Existenz. Gedankenexperimente: Wie Einstein die Allgemeine Relativitatstheorie erfand Von Holger Dambeck AP Einstein (im Juli 1936): "Plötzlich hatte ich einen Einfall" Vor 100 Jahren präsentierte Albert Einstein in Berlin die Allgemeine Relativitätstheorie - ein Fundament der modernen Physik. Der Durchbruch gelang auch dank verblüffend einfacher Gedankenexperimente. Was wäre die heutige Welt ohne Albert Einstein? Das Navi im Auto funktioniert dank seiner Relativitätstheorie - und unser Wissen über Urknall, Schwarze Löcher und die rätselhafte dunkle Energie beruht maßgeblich auf Einsteins Ideen. Vor 100 Jahren hielt Albert Einstein in Berlin vier Vorträge, in denen er die Allgemeine Relativitätstheorie vorstellte. Unter anderem war es dem Physikgenie damit gelungen, ein altes Astronomierätsel zu lösen - die sogenannte Periheldrehung des Planeten Merkur. Dabei handelt es sich um eine minimale Lageänderung der Umlaufbahn des Planeten um die Sonne. Einstein gilt als das letzte große Forschergenie - er ist der Popstar der Wissenschaft schlechthin. Was aber hat den eigenwilligen Physiker so erfolgreich gemacht? Sicher seine Begabung, seine Beharrlichkeit, sicher auch das Glück, zur richtigen Zeit die richtigen Ideen gehabt zu haben. Schwerelos im freien Fall? Aber vielleicht war es vor allem seine Lust am Denken, am Spekulieren. Er stellte verrückte Fragen, etwa: Was würde passieren, wenn man hinter einem Lichtstrahl herliefe? Einstein experimentierte im Kopf, anders als viele seiner Forscherkollegen, die sich im Labor abmühten. Es waren Gedankenexperimente, die ihn zur Allgemeinen Relativitätstheorie führten. Und das deutsche Wort Gedankenexperiment ist längst auch im Englischen Usus. Alles relativ Spezielle Relativitätstheorie (1905) Die spezielle Relativitätstheorie, kurz SRT, erklärt die Bewegung von Körpern und Feldern in Raum und Zeit. Zu ihren wichtigsten Annahmen gehört, dass die Lichtgeschwindigkeit konstant ist. Dies hat unter anderem zur Folge, dass für sich sehr schnell, also nahe der Lichtgeschwindigkeit bewegende Objekte, die Zeit langsamer vergeht als für ruhende - auch bekannt als Zwillingsparadoxon. Albert Einsteins Arbeit "Zur Elektrodynamik bewegter Körper" aus dem Jahr 1905 gilt als Basis der SRT. Allgemeine Relativitätstheorie (1915) "Ich saß auf meinem Stuhl im Patentamt in Bern", berichtete der Physiker rückblickend. "Plötzlich hatte ich einen Einfall: Wenn sich eine Person im freien Fall befindet, wird sie ihr eigenes Gewicht nicht spüren. Ich war verblüfft." Dieser Versuch im Kopf von 1907 war der Ausgangspunkt. "Es führte mich zu einer Theorie der Gravitation", sagte Einstein später. Aus den Überlegungen über einen frei fallenden Menschen, heute tatsächlich zu erleben bei den Parabelflügen der Esa, wurde schließlich das Gedankenexperiment vom fensterlosen Fahrstuhl. Damit lassen sich die Grundgedanken der Allgemeinen Relativitätstheorie ganz ohne komplizierte Formeln erklären. Fotostrecke Einsteins Relativitätstheorie: Experimente im Kopf Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem geschlossenen Lift. Der Fahrstuhl hängt still über einer großen Masse, zum Beispiel der Erde. Im Lift spüren Sie die Gravitationskraft, sobald Sie einen Gegenstand loslassen, fällt er zu Boden. Aber woher wissen Sie eigentlich, dass sich unter Ihnen eine große Masse befindet? Sehen können Sie diese schließlich nicht. Täuschung im Lift Es könnte auch sein, dass der Fahrstuhl in einer Rakete steckt, die durch den schwerkraftfreien Raum rast - siehe folgende Zeichnung. Und ein losgelassener Gegenstand fällt nur deshalb zu Boden, weil die Rakete beschleunigt. Die Kraft, die den Gegenstand zum Liftboden zieht, kennen Sie auch vom Autofahren: Diese drückt Sie beim rasanten Anfahren gegen den Sitz. SPIEGEL ONLINE Fahrstuhl ohne Fenster: Im Hochhaus oder in einer beschleunigenden Rakete? Einstein folgerte: Wer sich in dem fensterlosen Lift befindet, kann nicht unterscheiden, ob sich dieser in einem Schwerefeld befindet oder ob der Lift beschleunigt wird. Genauso wenig lässt sich für den Fahrstuhlnutzer unterscheiden, ob ein Fahrstuhl im freien Fall auf eine große Masse zurast oder ob er frei von Kräften im Raum schwebt. Schwerkraft und eine beschleunigende Kraft müssten demnach wesensgleich sein, kombinierte der Physiker. Ein homogenes Schwerefeld lässt sich als beschleunigte Bewegung dieser Masse beschreiben. Doch das war erst die halbe Wahrheit. Das Fahrstuhlexperiment hat nämlich einen kleinen Haken. Freier Fall Stellen wir uns zwei Gewichte vor, die im Abstand von einem Meter zueinander aus derselben Höhe zum Liftboden fallen. Die zwischen den beiden Gewichten wirkende, sehr geringe Gravitationskraft wollen wir dabei vernachlässigen. In einem Fahrstuhl, wie wir ihn aus dem Alltag kennen, würden sich die beiden Gewichte entlang parallel zueinanderliegender Linien zu Boden bewegen. In einem überdimensionalen Fahrstuhl jedoch könnte man sehen, dass die Falllinien keinesfalls parallel zueinander sind, sondern einen spitzen Winkel bilden. Beide Gewichte stürzen in Richtung des Erdmittelpunkts. Und weil sie einen Abstand zueinander haben, kommen sich die beiden Gewichte beim Fallen immer näher - siehe folgende Zeichnung: SPIEGEL ONLINE Schräger Fall: Wegen der Gezeitenkräfte kommen sich beide Gewichte immer näher Einsteins Geniestreich war nun, die Gravitation aus seinem Fahrstuhlexperiment komplett zu eliminieren. Wie aber entledigt man sich der minimal unterschiedlichen Wirkung einer großen Masse auf die beiden Gewichte im Fahrstuhl? Diese sogenannten Gezeitenkräfte sind es schließlich, die zwei scheinbar parallel nebeneinander fallende Körper immer enger zueinanderbringen. Einstein löste dieses Problem geometrisch - mit der sogenannten Krümmung des Raumes, oder präziser formuliert: mit der Krümmung der Raumzeit. Denn in der Relativitätstheorie ist der Raum vierdimensional, neben den Raumkoordinaten x, y, z gibt es noch die Zeit t. Anziehungskraft eliminiert Laut Einstein sind Massen dann nichts anderes als Störungen der Raumzeitgeometrie. Es ist schwer, sich diesen Effekt vorzustellen. Aber es gibt eine anschauliche Entsprechung im zweidimensionalen Raum. Stellen wir uns vor, die beiden punktförmigen Gewichte bewegen sich in einer Ebene. In einer gewissen Entfernung von ihnen befindet sich eine punktförmige, sehr große Masse. Diese zieht die beiden Gewichte an. Anfangs bewegen sich die Gewichte gleich schnell auf scheinbar parallelen Bahnen. Aber wegen der leicht unterschiedlichen Gravitationswirkung der großen Masse rücken sie schließlich immer enger zusammen. Einstein änderte an dieser Stelle quasi die Perspektive: Gravitation beeinflusst nicht die Bahnen der Gewichte, sondern sie krümmt die Raumzeit. Die Gewichte bewegen sich weiterhin auf parallelen Bahnen - aber wegen der Krümmung der zweidimensionalen Ebene verkleinert sich ihr Abstand. Die Krümmung einer zweidimensionalen Ebene können wir uns sehr gut auf der Oberfläche einer Kugel vorstellen. Diese hat andere geometrische Eigenschaften als etwa ein auf dem Tisch liegendes Blatt Papier. Das verdeutlicht die folgende Skizze: Gekrümmter zweidimensionaler Raum: Anfangs parallel, dann nicht mehr Oben, quasi am Nordpol, befindet sich die große Masse als grüner Punkt. Beide am Äquator befindlichen Gewichte (schwarze Punkte) bewegen sich wegen der Gravitation Richtung Nordpol. Anfangs sind ihre Bahnen noch parallel zueinander - so wie Meridiane auf einem Globus am Äquator. Doch wegen der Krümmung der Kugeloberfläche rücken die Linien immer enger zusammen. Diese Veranschaulichung beschreibt das Phänomen der Krümmung des zweidimensionalen Raumes und erfordert die dritte Dimension. Die Krümmung des dreidimensionalen Raumes hingegen können wir uns schon nicht mehr vorstellen, denn dazu bräuchten wir vier Dimensionen. "Bei Isaac Newton bestand Physik aus einer Bühne und dort wirkenden Kräften, insbesondere der Gravitation oder Schwerkraft", erklärt Markus Pössel. Bei Einstein sei die Gravitation dagegen keine Kraft mehr, sondern eine Verformung der Bühne. Gravitation verzerre demnach Raum und Zeit. Mit dieser Krümmung hat Einstein in seinen Gedankenexperimenten die Gravitation quasi weggezaubert. 1915 war das eine überraschende Neuerung in der Physik. Doch bis heute gilt Einsteins Theorie als nahezu perfekte Beschreibung der Welt. Die Handschrift des Physikgenies Used with permission of the Albert Einstein Archive, the Hebrew University of Jerusalem