Renaissance der Infektionserkrankungen (Prof. Dr. Hartwig Klinker) Welche Infektionen sind heute von Bedeutung? Unbestritten große Erfolge in der Entwicklung von Antibiotika und Impfstoffen sowie verbesserte Hygienebedingungen haben in den vergangenen 50 Jahren zum Rückgang vieler Infektionserkrankungen und zur Erhöhung der Lebenserwartung geführt. Zumindest in den Industrienationen war daher häufig die Meinung anzutreffen, daß Infektionserkrankungen im Vergleich zu Krebsleiden und den "Zivilisationskrankheiten" (Hypertonie, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Gicht, periphere und koronare Verschlußerkrankung u.a.) ihre Bedeutung für die Gesundheit der Bevölkerung weitgehend verloren hätten. Das Vertrauen in die Entwicklung immer neuer Medikamente und Impfstoffe war so groß, daß von vielen Ärzten und Gesundheitsdiensten die gänzliche Ausrottung von Infektionen, die früher durch Auftreten großer Epidemien für Schrecken gesorgt hatten, erwartet wurde. Tatsächlich gelten als eine der vormals schlimmsten Seuchen die Pocken seit dem 09. Dezember 1979 als ausgerottet. Die vermeintliche Sicherheit gegenüber Infektionserregern hat vielerorts zu einer gewissen Sorglosigkeit, Nachlässigkeiten in der Umsetzung sinnvoller Schutzmaßnahmen (Beispiel Impfmüdigkeit) und auch unkritischer Anwendung von Antibiotika geführt. Entsprechend überraschend war für viele das Auftreten neuer Infektionskrankheiten in den 80er und 90er Jahren. Krankheitsbilder wie AIDS, die Ebola-Krankheit oder auch die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) der Rinder, haben das Interesse an Infektionserkrankungen wieder sprunghaft steigen lassen. Weltweit entfallen derzeit ca. 1/3 aller Todesfälle auf Infektionserkrankungen. Unter den 10 häufigsten Todesursachen weltweit (Tabelle 1) fanden sich im Jahre 1996 sechs Infektionserkrankungen. Tab. 1: Die 10 häufigsten Todesursachen weltweit im Jahre 1996 (Quelle: WHO) Allein in den 90er Jahren traten weltweit mindestens 15 größere Epidemien mit Erregern wie CholeraVibrionen, Gelbfieber-Viren, Meningokokken, Escherichia coli, Diphterie-Bakterien, Ebola-, Lassaund Hantaviren auf, wobei fast alle Kontinente betroffen waren. Zahlreiche neue Krankheitserreger wurden in den vergangenen 30 Jahren entdeckt, daneben neue Infektionserkrankungen mit noch unbekannten Erregern. Eine Übersicht zeigt Tabelle 2. Borreliose Legionellose Yersiniose Clostridium difficileColitis CampylobacterInfektionen Helicobacter pyloriGastritis Hantaviren Lassaviren Ebolaviren HIV Humane Herpes Viren (HHV 6-8) Hepatitis C, D, E, G Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Tab. 2: Seit 1960 neu erkannte Erreger und Infektionserkrankungen (Auswahl) Für weitere, zum Teil altbekannte Krankheiten wurde neben weiteren Kofaktoren eine infektiöse Ursache aufgedeckt oder zumindest in die Diskussion gebracht. So ist mittlerweile die pathogenetische Rolle von Helicobacter pylori (H.p.) bei der Ulcuskrankheit unumstritten. Dieses spiralartige, Urease-produzierende Bakterium siedelt im gastralen Epithel und in der darüberliegenden Schleimbarriere. Es wurde festgestellt, daß ca. 80-90 % der Gastritiden H.p.-induziert sind, beim Ulcus ventriculi findet sich in 70-80 %, beim Ulcus duodeni in 90 % eine H.p.-Infektion. Die erfolgreiche Behandlung der Infektion - heute üblicherweise als "Tripel-Therapie" mit zwei Antibiotika und einem potenten Säureblocker durchgeführt - führt zur Beschleunigung der Ulcusheilung und zur drastischen Reduktion von früher sehr häufigen Rezidiven. Zwischenzeitlich wird eine ätiologische Bedeutung der H.p.Infektion auch für die Dyspepsie, das Magen-Karzinom, bestimmte intestinale Lymphome und die RiesenfaltenGastritis diskutiert. Neben der Immunschwäche ist die Infektion mit einem 1995 neu entdeckten Humanen Herpesvirus (HHV 8) pathogenetisch bedeutsam für das Kaposi-Sarkom bei der AIDS-Erkrankung (s.u.). Eine HHV-8-Infektion ist unter homosexuellen Männern wesentlich weiter verbreitet als bei anderen HIV-Risikogruppen. Hierdurch erklärt sich die schon lange bekannte Beobachtung, daß Kaposi-Sarkome überwiegend bei männlichen Homosexuellen und nur selten bei z.B. intravenös Drogensüchtigen mit HIV-Infektion vorkommen. Für verschiedene maligne Lymphome wurde mittlerweile eine Assoziation zu einer Epstein-Barr-Virus - (EBV) Infektion, die im akuten Stadium das Pfeiffer'sche Drüsenfieber hervorruft, beschrieben. Bei HIV-infizierten Frauen wurde das Zervix-Karzinom mit in die Kategorie AIDS-definierender Erkrankungen aufgenommen. Neben der Immunschwäche ist eine genitale Papilloma-Virus-Infektion ätiologisch für diese Erkrankung bedeutsam. Derzeit viel beachtet werden Veröffentlichungen über eine mögliche Beziehung zwischen einer Chlamydia pneumoniae-Infektion und Gefäßsklerosen, speziell der koronaren Herzerkrankung. Sollte sich die Infektion als zumindest ätiologischer Kofaktor bestätigen, müßten etablierte pathogenetische Konzepte der KHK revidiert werden. Gleichzeitig ergäben sich völlig neue therapeutische Perspektiven (Antibiotika-Therapie der KHK?). Derzeit sind die Zusammenhänge allerdings noch spekulativ und bedürfen weitergehender wissenschaftlicher Untersuchungen. Die vorstehenden Beispiele machen deutlich, daß durch Forschungsarbeiten der letzten Jahre die Ursache von z.T. altbekannten und weit verbreiteten Erkrankungen weiter aufgeklärt und speziell ein Zusammenhang mit infektiösen Erregern aufgezeigt werden konnte. Was aber hat dazu geführt, daß klassische Infektionserkrankungen wieder in vermehrtem Maße auftreten und sich sogar neue, seuchenartige Infektionen - und dies nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in den Industrienationen - entwickeln konnten? In Anlehnung an den Bericht einer amerikanischen Expertengruppe, die im Auftrag des National Institute of Medicine im Jahre 1992 die weltweite Situation analysierte, können mehrere Faktoren für diese Entwicklung benannt werden: 1. Mängel in der öffentlichen Gesundheitsfürsorge In vielen Ländern lassen es die bestehenden Strukturen des öffentlichen Gesundheitswesens nicht zu, in erforderlichem Maß die epidemieartige Ausbreitung von Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen, Hygienemängel (z.B. verunreinigtes Trinkwasser) aufzudecken und zu beseitigen oder auch die Bevölkerung über die Übertragungswege, Erkennung und Behandlung von Infektionserkrankungen aufzuklären. Vielfach fehlen die finanziellen Mittel für die grundlegendsten Maßnahmen. Gerade in den Ländern der Dritten Welt, wo sie am dringendsten gebraucht werden, sind Impfstoffe kaum verfügbar. Gegen etliche Erreger (z.B. HIV, Hepatitis C, viele Bakterien) sind bislang Impfungen allerdings noch gar nicht möglich. 2. Ökologische Veränderungen In den vergangenen 30 Jahren hat das allgemeine Wirtschaftswachstum zu gravierenden Umweltveränderungen beigetragen. Neulandgewinnung, Rodung großer Waldgebiete, Straßenneubau, Bewässerungsprojekte und Staudammbau sind Beispiele dafür, in welchem Umfang sich nicht nur der Lebensraum der Menschen, sondern auch derjenige von Tieren, Parasiten, Bakterien und Viren verändert hat. Die Technisierung der Landwirtschaft, der Einsatz von Insektiziden und Herbiziden und auch Änderungen der Tierhaltung haben Flora und Fauna nachhaltig beeinflusst. Die Rinder-Enzephalopathie BSE ist wahrscheinlich infolge Änderungen bei der Tierfütterung, nämlich durch das Verfüttern von Tiermehl Scrapie-infizierter Schafe verursacht. Scrapie ist eine BSE-ähnliche, seit längerem bekannte Erkrankung der Schafe. Die Übertragung wiederum von BSE auf den Menschen durch BSE-haltiges Rindfleisch wird momentan öffentlich heftig diskutiert. In der heute vielfach üblichen Massentierhaltung ist der Einsatz von Antibiotika als Futterzusatz weit verbreitet. Dies begünstigt die Entwicklung resistenter Bakterienstämme, z.B. von Salmonellen. 3. Internationaler Handel und weltweite Mobilität des Menschen Allein durch Entfernungen sind aufgrund moderner Transportmittel dem Handel keine Grenzen mehr gesetzt. Früchte aus Afrika, Gemüse aus Australien, Fleisch aus England sind in Deutschland keine Besonderheiten. Auf diese Weise können allerdings auch mögliche Krankheitserreger importiert werden. Ein Beispiel ist wiederum BSE. Rinder- und Futtermitteltransporte aus Großbritannien machten das Auftreten der Erkrankung auch in der Schweiz und in Irland möglich. Inzwischen sind zahlreiche BSE-Fälle auch in Deutschland aufgetreten. Daneben kann natürlich auch die immer größere internationale Reisetätigkeit der Menschen zur Ausbreitung von Infektionserkrankungen beitragen. 4. Demographische Veränderungen Das z.T. explosionsartige Bevölkerungswachstum und die fortschreitende Industrialisierung haben zum gigantischen Anwachsen der Ballungszentren geführt. Neben sozialen Spannungen und der Entstehung immer größerer Slum-Gebiete führt die hohe Bevölkerungsdichte bei gleichzeitig völlig unzureichenden Hygieneeinrichtungen zum gehäuften Auftreten von Epidemien, z.B. mit dem Gelbfieber-Virus in vielen tropischen Großstädten. Ein in vielen Ländern traditionell oder auch erst in den letzten Jahrzehnten gesellschaftlich toleriertes freizügiges Sexualverhalten hat in Verbindung mit der gewachsenen Mobilität der Menschen (s.o.) einen Anstieg sexuell übertragbarer Krankheiten mit sich gebracht. Dies gilt für die klassischen Geschlechtskrankheiten durch Gonokokken, Chlamydien, Treponema pallidum, Herpes simplex- und Papillomviren, aber auch für die HIV-Infektion und die parenteral übertragenen Virushepatitiden (s.u.). 5. Mikrobiologische Anpassungsprozesse Großzügige und z.T. auch unkritische Anwendung von Antibiotika ("breite antibiotische Abdeckung", "Antibiotika als Antipyretika") vor allem in den Industrienationen, haben eine erhebliche Resistenzentwicklung vieler Bakterien bewirkt bzw. beschleunigt. Viele Erreger haben sich, unter permanentem Selektionsdruck vor allem in den Krankenhäusern, als außerordentlich anpassungsfähig erwiesen. So ist ein ständiger Wettlauf zwischen neu entwickelten Antibiotika und resistenten Keimen entstanden. 6. Steigende Zahl von Patienten mit Immunsuppression Gerade durch die moderne Medizin in den westlichen Ländern und neue Therapieverfahren sind viele Patienten anfälliger geworden für Infektionen mit obligat virulenten, aber auch sog. opportunistischen Erregern. So werden im Rahmen der Transplantationsmedizin und Krebstherapie diverse immunsuppressive Behandlungen durchgeführt, daneben schafft umfangreiche invasive Diagnostik und Therapie (Intensivtherapie, Angiographie, -plastie, Endoskopie, Infusionstherapie u.a.) gute Bedingungen für Krankheitserreger, natürliche Barrieren zu überwinden. Zugenommen hat durch die Verbesserung der medizinischen Versorgung die Zahl der multimorbiden und hochbetagten Menschen, eine Patientengruppe mit ebenfalls eingeschränkter körpereigener Abwehr. Im Folgenden soll auf einige derzeit im öffentlichen, wissenschaftlichen und klinisch-praktischen Interesse stehende Infektionserkrankungen näher eingegangen werden. Die Auswahl der dargestellten Erkrankungen ist subjektiv, wohl wissend, daß fast jedes Gebiet der Medizin spezielle infektiologische Krankheitsbilder und Komplikationen aufweist. HIV-Infektion und AIDS Seit dem Beginn der AIDS-Epidemie Anfang der 80er Jahre haben sich bis heute weltweit etwa 35 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert. 90-95 % der Betroffenen leben in Entwicklungsländern. Das HI-Virus wird parenteral übertragen, als wesentliche Übertragungswege gelten Sexualkontakte (Risiko der Ansteckung etwa 0,5-1 %) und infizierte Nadeln (Risiko der Ansteckung ca. 0,3-0,5 %). Während sich zu Beginn der Epidemie auf diesem Wege in den Industrienationen vor allem männliche Homosexuelle und intravenös Drogensüchtige infizierten, gilt mittlerweile heterosexueller Geschlechtsverkehr weltweit als der mit Abstand häufigste Übertragungsweg. Heute erfolgt jede zweite Neuinfektion bei einer Frau, die Zahl der infizierten Kinder steigt immer mehr an. Besonders hohe Infektionsraten werden aus Afrika und Teilen Asiens gemeldet. Das Restrisiko einer Infektion durch Blutprodukte ist in den westlichen Ländern sehr gering (in Deutschland ca. 1:1.000.000), in den Entwicklungsländern mangels geeigneter Testmöglichkeiten vielerorts erheblich höher. Für Deutschland wird mit ca. 50.000-60.000 HIV-Infizierten gerechnet, ca. 22.000 Menschen sind bislang an AIDS erkrankt, davon etwa 18.000 an der Immunschwäche verstorben. Das HI-Virus infiziert nach seinem Eindringen in den Organismus in besonderem Maße CD4-positive TLymphozyten sowie auch Makrophagen. Die CD4-positiven T-Lymphozyten (sog. T-Helferzellen) nehmen in unserem Immunsystem eine zentrale Stellung sowohl für die humorale als auch vor allem für die zelluläre Immunität ein. Die Infektion führt zu einer Schädigung der T-Helferzellen und so im Verlauf von durchschnittlich 8-10 Jahren zu einer Schwächung des Immunsystems, die eine Erkrankung an schweren sog. opportunistischen Infektionen möglich macht. Diese dann AIDS-definierenden Erkrankungen sind nur z.T. auf Neuinfektionen zurückzuführen, vielfach handelt es sich um Reaktivierungen früher bereits durchgemachter, oft inapparent verlaufener Infektionen. Beispiele für diese meist lebensbedrohlichen Erkrankungen sind die Pneumocystis carinii-Pneumonie, die cerebrale Toxoplasmose, die Kryptokokken-Meningitis, die Infektion mit nichttuberkulösen Mykobakterien sowie die Cytomegalie-Virus-Retinitis. Daneben treten neoplastische Erkrankungen wie das Kaposi-Sarkom und auch maligne Lymphome auf. Nachdem man wegen der langen Latenz zwischen Infektion und Auftreten von Krankheitssymptomen lange Zeit glaubte, es handele sich bei der HIV-Erkrankung um eine sehr langsam verlaufende Virusinfektion, haben neue Untersuchungen Mitte der 90er Jahre ein ganz anderes Bild von der Dynamik einer HIV-Infektion ergeben. Durch molekularbiologische Untersuchungsmethoden (PCR = Polymerase-Chain-Reaction) ist eine Virusquantifizierung im Plasma von Infizierten möglich geworden. Hierdurch konnte gezeigt werden, daß täglich etwa 600 Millionen HI-Viren (entsprechend ca. 30 % der gesamten Viruspopulation) neu gebildet werden, die Halbwertzeit der Viren beträgt nur ca. 1,5 Tage. Bei den meisten HIV-Infizierten finden sich einige Tausend bis ca. 2.000.000 Viruspartikel pro ml Plasma. Diese enorme Menge an Viren steht im ständigen Kampf mit täglich etwa 2 Milliarden neu gebildeten T-Helferzellen. Im Verlaufe der Jahre gewinnen schließlich die Viren die Oberhand und die T-Helferzellen werden bedrohlich weniger. Parallel zu erweiterten diagnostischen Möglichkeiten hat sich die Behandlung der HIV-Infektion in der letzten Zeit erheblich verbessert. Derzeit stehen insgesamt 15 verschiedene Medikamente zur Verfügung, die die HIVirusreplikation entscheidend vermindern können. (Tabelle 3). Die Medikamente greifen an unterschiedlicher Stelle in den Vermehrungszyklus des HI-Virus ein und werden üblicherweise in Kombination eingesetzt. Hierdurch ist in vielen Fällen eine Reduktion der Virusmenge auf unter 20 Partikel/ml Plasma (derzeitige Nachweisgrenze der PCR) möglich. In Folge der Virusreduktion kommt es zur Stabilisierung der T-Helferzellzahl, es können die erwähnten HIV-assoziierten Erkrankungen vermieden, eine Verbesserung der Lebensqualität und Verlängerung der Lebenserwartung erzielt werden. NRTI NNRTI Zidovudin (Retrovir®) Nevirapin (Viramune®) Didanosin (Videx®) Delavirdine (Rescriptor®) Zalcitabin (Hivid®) Efavirenz (Sustiva®) Lamivudin (Epivir®) Stavudin (Zerit®) (Agenerase®) Abacavir (Ziagen®) (Kaletra®) PI Saquinavir (Invirase®) Ritonavir (Norvir®) Indinavir (Crixivan®) Nelfinavir (Viracept®) Amprenavir Lopinavir NRTI: nukleosidaler Reverse-Transkriptase-Inhibitor NNRTI: nicht nukleosidaler Reverse-Transkriptase-Inhibitor PI: Protease-Inhibitor Tab. 3: Im Mai 2001 zugelassene Medikamente zur Behandlung der HIV-Infektion Die hohen Therapiekosten (ca. 2000 DM pro Monat) bedeuten, daß die Behandlung aufgrund eingeschränkter finanzieller Möglichkeiten für viele Infizierte, vor allem in Afrika und Asien, nicht möglich ist. Global gesehen kommt daher trotz der verbesserten Therapiemöglichkeiten der Prävention der HIV-Infektion unverändert die größte Bedeutung zu. Virus-Hepatitis Die Anzahl diagnostizierbarer Hepatitisviren hat sich in den letzten Jahren auf insgesamt sechs erhöht. Aus epidemiologischen und klinischen Gründen ist es sinnvoll, zwischen akuten und chronischen sowie enteral und parenteral übertragenen Virushepatitiden zu unterscheiden. Die Hepatitiden A und E kommen ausschließlich als akute Erkrankungen vor. Seit Anfang der 90er Jahre wurden in Deutschland jährlich zwischen 5000 und 7000 Erkrankungen an Hepatitis A gemeldet, die E-Hepatitis ist ein hier sehr seltenes Krankheitsbild und wird überwiegend in Asien, vor allem auf dem Indischen Kontinent, akquiriert. Beide Hepatitisformen werden fäkal-oral, die E-Hepatitis hauptsächlich über verunreinigtes Trinkwasser übertragen. Die Hepatitiden B, C und D werden parenteral übertragen und können chronisch verlaufen. Die Hepatitis B nimmt bei Infektion im Erwachsenenalter in 5-10 % einen chronischen Verlauf. Das Hepatitis DVirus kann für sich allein keine Infektion verursachen, sondern benötigt die Hülle des Hepatitis B-Virus. Die Chronifizierungsrate der Hepatitis C-Infektion ist besonders hoch und beträgt 60-80 %. Weltweit leben ca. 300 Millionen Menschen mit einer chronischen Hepatitis B-Infektion, für Deutschland wird die Zahl der Hepatitis-B-Infizierten auf 300.000 - 500.000 geschätzt, die der Hepatitis C-Infizierten auf 500.000 800.000. In Westeuropa sind die wichtigsten Übertragungswege der Hepatitiden B, C und D Sexualkontakte, Nadelstichverletzungen und die Transfusion von Blutprodukten. Die Kontagiosität der B-Hepatitis ist deutlich höher als die der Hepatitis C, was zum Teil durch das Ausmaß der Virämie bedingt ist (bei der Hepatitis B bis ca. 109-infektiöse Partikel/ml Plasma, bei Hepatitis C bis ca. 106-infektiöse Partikel/ml). Das Restrisiko bei Übertragung von Blutprodukten beträgt in Deutschland ca. 1:100.000 für die Hepatitis B und ca.1:200.000 für die Hepatitis C nach Einführung eines PCR-Screenings. Bei chronischem Verlauf einer Virushepatitis ist nicht nur mit der ständigen Möglichkeit einer weiteren Übertragung der Infektion zu rechnen, es besteht für die Infizierten auch ein beträchtliches Risiko, an schwerwiegenden Folgeerkrankungen zu erkranken. Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die Entwicklung einer Leberzirrhose sowie auch eines Leberzellkarzinoms. Nachdem lange Jahre keinerlei Therapiemaßnahmen bei Virus-Hepatitiden zur Verfügung standen, ist seit einigen Jahren die Behandlung chronischer Verläufe möglich geworden (Interferon alfa, alternativ Lamivudin bei der Hepatitis B, Interferon alfa in Kombination mit Ribavirin bei der Hepatitis C). Mittlerweile können diese Therapien bei günstigen Therapievoraussetzungen in bis zu 80% zu einer Dauerremission führen. Weitere, innovative Substanzen werden derzeit in Studien überprüft. Zur Infektionsprophylaxe stehen für die Hepatitiden A und B sowohl (Hyper-) Immunglobuline zum prä- bzw. post-expositionellen Sofortschutz als auch aktive Impfungen zur Verfügung. Eine aktive Hepatitis BImmunisierung wird von der ständigen Impfkommission seit 1996 für die gesamte Bevölkerung in Deutschland befürwortet. Für die Hepatitis C existiert bislang weder eine aktive noch eine passive Impfung. Neben den genannten Hepatitis-Viren A-E ist inzwischen auch ein Hepatitis G-Virus bekannt und mittels PCR nachweisbar. Die Übertragung erfolgt überwiegend parenteral (häufig Koinfektion mit Hepatitis C), über seine klinische Bedeutung ist allerdings noch sehr wenig bekannt. Tuberkulose Nach Schätzung der WHO lebten 1997 ca. 1,7 Milliarden mit Tuberkelbakterien infizierte Menschen auf der Erde, ca. 20 Millionen hatten eine ansteckungsfähige, offene Tuberkulose. Ca. 8 Millionen erkranken jährlich neu, ca. 3 Millionen sterben an der Infektion (siehe Tabelle 1). Nachdem die Neuerkrankungsraten über viele Jahre rückläufig waren, nimmt die Tuberkulose in einigen Gebieten wieder bedrohlich zu (z.B. in den 90er Jahren in New York um 38 %, in Italien um 39 %, in Dänemark 41 %, in Rußland und Rumänien um ca. 100 % !). Besonders betroffen sind aber Asien und Afrika. Die Entwicklung ist eng verknüpft mit der Ausbreitung von AIDS. Die HIV-Infektion stellt einen bedeutenden Risikofaktor für die Tuberkulose dar. HIV-Infizierte haben ein ca. 80fach, AIDS-Kranke ein ca. 160fach erhöhtes Risiko, an einer Tuberkulose zu erkranken. Meistens handelt es sich um eine Reaktivierung einer früher durchgemachten Erkrankung bei fortgeschrittener Schwächung des Immunsystems. In Deutschland ist die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen im Vergleich zu anderen Ländern (noch) vergleichsweise gering: 1995 erkrankten 12.198 Menschen entsprechend einer Inzidenz von 15 auf 100.000 Einwohner (Westeuropa insgesamt 33 auf 100.000 Einwohner). Die klinische Manifestation betrifft vor allem die Lungen als tuberkulöse Pneumonie, kavernöse Lungentuberkulose oder Miliartuberkulose. Von hustenden Kranken geht auch die größte Gefahr für eine Ansteckung anderer Personen aus. Die adäquate Hygienemaßnahme ist daher neben der Isolation der Kranken das Tragen eines Mundschutzes. Die Behandlung erfolgt als initiale Vierfach-Kombinationstherapie mit Substanzen wie Rifampicin, Isoniazid, Pyrazinamid und Myambutol. In der Regel besteht nach ca. vierwöchiger Therapie kein nennenswertes Ansteckungsrisiko mehr. Zunehmend ist allerdings mit primär resistenten Tuberkulosestämmen (z.Z. 5-8 %) zu rechnen. Bei Kontaktpersonen ist eine Tuberkulinprobe durchzuführen. Ist diese positiv, erfolgt eine RöntgenThoraxaufnahme zum Ausschluß einer aktiven Erkrankung. Ist eine solche ausgeschlossen, soll eine Chemoprophylaxe (meist Isoniazid) durchgeführt werden. Eine BCG-Impfung kommt nur bei Risikogruppen in Betracht, allerdings nicht bei Patienten mit HIV-Infektion. Hier ist diese Impfung kontraindiziert. Malaria Über 2 Millionen Menschen sind weltweit 1995 an den Komplikationen und Folgen einer Malaria verstorben (Tab. 1), die Anzahl der Neuerkrankungen wird auf über 200 Millionen pro Jahr geschätzt. Überwiegend sind die bekannten Endemiegebiete in Afrika, Südamerika und (Südost-) Asien betroffen. Überträger der Infektion ist die Anopheles-Mücke. Durch Zunahme der Reisetätigkeit (s.o.), einen negativen Trend im Prophylaxeverhalten der Reisenden, eine starke Zunahme des Malariaübertragungsrisikos in vielen Ländern (z.B. auch in großen Ballungsräumen) und die rasche Entwicklung von z.T. Multiresistenzen der Erreger gegen Malaria-Chemotherapeutika kann sich die Epidemiologie der Malaria nach Ansicht der Tropenmediziner in den kommenden Jahren erheblich verändern. In Deutschland sind im Jahre 1996 1027 Menschen an Malaria erkrankt. Die benigne Form der Malaria (durch Plasmodium malariae, vivax oder ovale) zeigt meist einen konstanten Fieberrhythmus mit einem Temperaturanstieg alle 2-3 Tage. Bis zu ca. 2/3 aller Malariaerkrankungen werden allerdings durch Plasmodium falciparum verursacht mit maligner, potentiell tödlicher Verlaufsform (Malaria tropica). Das klinische Bild ist zunächst sehr variabel und kann vielen anderen Erkrankungen ähneln. Der Fieberrhythmus ist unregelmäßig. Die Gefahr von Fehldiagnosen ("grippaler Infekt") ist groß. Deshalb ist das "Darandenken" von so großer Bedeutung (Auslandsanamnese !). Unbehandelt können sich im Verlauf Erbrechen und Durchfall, eine Hepatosplenomegalie, eine hämolytische Anämie mit Krisen und Nierenversagen, eine Leuko- und vor allem Thrombozytopenie, zerebrovaskuläre Mikroembolien mit Bewußtseinsstörungen und Verwirrtheit und schließlich ein Multiorganversagen entwickeln. Grundlage der Malariadiagnostik ist der direkte Erregernachweis im Blutausstrich und sogenannten "Dicken Tropfen". Die Therapie muß rasch erfolgen. Die heute wichtigsten Medikamente sind Chloroquin, Chinin, Mefloquin und Halofantrin. Die Wahl des Medikamentes richtet sich nach dem Malariagebiet und der Verlaufsform der Erkrankung. Große Bedeutung hat die Malariaprophylaxe vor, während und noch Wochen nach einem Besuch in Malaria-Gebieten. Wegen der raschen Resistenzentwicklungen sollte eine Beratung durch einen Tropenmediziner erfolgen. Hämorrhagisches Fieber Systemische virale Erkrankungen, die mit Fieber, Exanthem, häufig petechialen Blutungen und einer Mitbeteiligung von Herz, ZNS, Leber oder Nieren einhergehen, werden unter dem Begriff "hämorrhagisches Fieber" zusammengefaßt. Jahr für Jahr werden neue, diese Erkrankung auslösende Viren entdeckt. Die Namen der Viren leiten sich meistens von dem Ort ihres ersten Auftretens ab: Dengue-Fieber, Lassa-Fieber, Rift-ValleyFieber u.a.. In Deutschland kommen hämorrhagische Fieber (noch) selten vor (11 Fälle 1996). Da einzelne Viren durch Reisende aus Seuchengebieten durchaus importiert werden können und die z.T. hochkontagiösen Erkrankungen bereits mehrfach in der öffentlichen Diskussion standen, sollen sie hier kurz erwähnt werden. Gemeinsam ist den Viren, daß sie von verschiedenen Tierspezies (z.B. Affen, Nagetiere) auf den Menschen übergegangen sind. Einige werden durch Vektoren (Stechmücken) übertragen, so z.B. die Gelbfiebererkrankung. Trotz zur Verfügung stehender Impfung ist Gelbfieber in Afrika immer noch weit verbreitet. Eine Hantavirus-Infektion geht häufig mit einem akuten Nierenversagen einher und kommt auch in Mitteleuropa vor. In Deutschland hat es bereits kleinere Epidemien gegeben. Natürliches Reservoir für die Erreger sind die Rötelmaus und die Gelbhalsmaus. Durch Kontakt mit den Nagern, deren Exkrementen oder Inhalation von virenkontaminierten Aerosolen (Waldarbeiter !) erfolgt die Übertragung auf den Menschen. Eine Ebola-Virus-Epidemie trat erstmalig 1976 im Sudan, zuletzt 1995 (unter großem internationalen Aufsehen) in Zaire auf. Die Erkrankung hat eine Mortalität von 50-90 %. Ansteckungsgefahr besteht bei direktem Kontakt mit Körperflüssigkeiten Infizierter. Da eine weitere Ausbreitung der Infektion befürchtet wurde, wurden von vielen Gesundheitsbehörden, so auch vom Robert-Koch-Institut in Berlin, Maßnahmen zur Bekämpfung der Infektion bekanntgemacht: Meldung von Verdachtsfällen, strenge Isolation von Patienten, Desinfektion von Ausscheidungen und Gegenständen, mit denen ein Patient in Kontakt kommt einschließlich der Laborausrüstung, Gesundheitskontrolle von Kontaktpersonen. Prionenerkrankungen Viele Jahre dachte man, daß alle Infektionen durch Erreger wie z.B. Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten verursacht werden. Inzwischen gibt es Hinweise, daß Partikel, die ausschließlich aus Protein bestehen, bei Tieren und auch beim Menschen infektiöse, spontan entstehende und erbliche Erkrankungen hervorrufen können. 1982 wurde von Stanley Prusiner für diese infektiösen Proteine der Begriff Prion (proteinaceous infectious agent) geprägt. Prionen werden als Ursache sog. spongiformer Encephalopathien angesehen. Diese sind charakterisiert durch multifokale zerebrale Läsionen, die insgesamt einen schwammartigen (spongiformen) Aspekt haben. Klinisch kommt es zu einer schweren Demenz. Die häufigste Erkrankung dieser Art ist die Scrapie-Krankheit der Schafe und Ziegen. Inzwischen sind insgesamt 4 Prionenerkrankungen beim Menschen - darunter die Creutzfeldt-JakobKrankheit (CJD) - und 6 im Tierreich bekannt. Die spongiforme Enzephalopathie der Rinder (Rinderwahnsinn, BSE) ist derzeit die am meisten diskutierte und auch beunruhigendste Krankheit unter ihnen. Seit Mitte der 80er Jahre sind in Großbritannien mehr als 160.000 Rinder daran erkrankt. Alle bislang bekannten PrionenErkrankungen verlaufen tödlich. Wirkungsvolle Therapien sind bislang nicht bekannt, eine sichere Diagnose ist immer erst post mortem zu stellen. Nachdem vor wenigen Jahren eine neue Variante von CJD beim Menschen (jüngeres Erkrankungsalter, anderer klinischer Verlauf) auftrat, befürchtete man eine BSE-Übertragung vom Rind (über verschiedenste Rinderprodukte) auf den Menschen. Bislang konnte dieser Verdacht nicht gesichert werden. Infektiöse Enteritis Erregerbedingte Durchfallerkrankungen kommen nicht nur in Entwicklungsländern mit ihren besonderen Hygieneproblemen (z.B. Trinkwasser), sondern auch in Westeuropa häufig vor. In Deutschland wurden allein im 1. Halbjahr 1997 ca. 90.000 Erkrankungen gemeldet. Bei einer geschätzten Dunkelziffer von etwa 10 nicht entdeckten auf 1 gemeldeten Fall kann also von ca. 1,5 - 2 Millionen Erkrankungen ausgegangen werden. Überwiegend sind infektiöse Enteritiden selbstlimitierende Erkrankungen, die nur selten einer spezifischen antibiotischen Therapie bedürfen. Es häufen sich allerdings schwere, septische Verläufe mit lebensbedrohlichen Komplikationen (wie z.B. akutem, prärenalem Nierenversagen), die eine Krankenhausbehandlung erforderlich machen. Besonders gefährdet sind Kinder und alte Menschen. Die klassischen Durchfallerreger wie Cholera-Vibrionen oder Shigellen haben in Westeuropa keine Bedeutung mehr. Die häufigsten Keime sind Salmonella enteritidis, Campy-lobacter jejuni, enteropathogene und enterohämorrhagische Eschericha coli und Yersinien. In der Epidemiologie der Salmonellen-Infektion steht der Übertragungsweg Tier-Lebensmittel-Mensch ganz im Vordergrund. Besondere Bedeutung haben Geflügel und Hühnereier vor allem bei unerhitzter Verwendung. Nur sehr selten kommt es zur direkten Übertragung von Mensch zu Mensch, meistens bei unzureichender Hygiene (Händewaschen !). In ca. 0,1 % aller Infektionen muß allerdings mit einer Dauerausscheidung der Erreger gerechnet werden. Von Dauerausscheidern können durchaus Infektionsketten ausgehen, z.B. wenn diese Personen in Lebensmittelbetrieben arbeiten. Deshalb erfolgen Kontrollen durch die Gesundheitsämter. Infektiöse Enteritiden sind meldepflichtige Erkrankungen. Nach überstandener Infektion müssen 3 negative Stuhlproben zeigen, daß keine Erreger mehr ausgeschieden werden. Yersinien werden überwiegend durch rohes Schweine-, Rinder- oder Geflügelfleisch und auch nicht pasteurisierter Milch aufgenommen. Dies sind auch die Übertragungswege für sog. entero-hämorrhagische Eschericha coli (EHEC), die seit Anfang der 80er Jahre ständig an Bedeutung gewinnen (1995 ca. 10.000 Infektionen in Deutschland) und z.T. regelrechte Epidemien verursachen. Gefürchtet ist vor allem bei Kleinkindern das durch EHEC-Toxine ausgelöste hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) , welches zur passageren, aber auch lebenslangen dialysepflichtigen Niereninsuffizienz führen kann. Nosokomiale Infektionen In deutschen Krankenhäusern werden jährlich ca. 16 Millionen Patienten behandelt. Trotz des sehr hohen Hygienestandards in den Kliniken erleiden ca. 3-6 % der Patienten eine nosokomiale Infektion, also etwa 500.000 - 1 Million Patienten. Die häufigsten Infektionen sind Harnwegsinfekte (ca. 375.000), Wundinfektionen (ca. 230.000), Atemwegsinfektionen (ca. 230.000) und die Sepsis (ca. 45.000). Auch wenn die öffentliche Diskussion bisweilen recht einseitig geführt wird, spielen nosokomiale Infektionen in unserem hochentwickelten Gesundheitssystem ohne Zweifel eine immer größere Rolle. Hier ist vor allem von Bedeutung, daß die Patienten, die in die Krankenhäuser aufgenommen werden, zunehmend älter und multimorbide sind, gleichzeitig in hohem Maße invasive Diagnostik und Therapie sowie immunsuppressive medikamentöse Behandlungen erfolgen. Hinzu kommt, daß speziell in den Krankenhäusern eine Keimselektion oft unvermeidlich ist und so Antibiotikaresistenzen zum Problem werden. Jede Pflegekraft und jeder Arzt weiß, wie leicht diese Erreger (z.B. Staphylokokkus aureus) in andere Abteilungen gelangen können. Die Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) untersucht daher regelmäßig die Antibiotikaresistenz der klinisch wichtigen Infektionserreger in Mitteleuropa. Besondere Beachtung verdienen derzeit Pseudomonas aeruginosa und Oxacillin-resistente Staphylokokken (ORSA). Die Untersuchungen ermöglichen eine bessere Beratung bei notwendigen antibiotischen Behandlungen und Hygienemaßnahmen (z.B. Isolierung von ORSA-Patienten, ORSA-Diagnostik bei betreuendem Personal etc.). Das seit Januar 2001 in Kraft getretene Infektionsschutzgesetz, das das Bundesseuchengesetz abgelöst hat, spiegelt in verschiedenen Abschnitten die besondere Bedeutung von nosokomialen Infektionen wider. Die Erfahrung zeigt, daß nur Maßnahmen, die aufgrund gewonnener Erkenntnisse plausibel sind, entsprechend umgesetzt werden. Kommunikation, z. B. zwischen Mikrobiologen/Virologen/Krankenhausärzten/Pflegepersonal, führt wie in anderen Bereichen auch hier zu mehr Kooperation und besseren Ergebnissen für die Patienten. Diese ausgewählten, weltweit und überwiegend auch in Deutschland bedeutsamen spezifischen Infektionserkrankungen verdeutlichen auch die unterschiedliche Bedeutung einzelner Bekämpfungsstrategien gegen Infektionserkrankungen. Für einige Erkrankungen stellen Aufklärung über Infektionsrisiken und Prävention durch Verhalten (z.B. HIVInfektion -"safer sex", Kondomgebrauch) die wichtigste Maßnahme dar, für andere Infektionen Impfungen (Beispiel Pocken, Kinderkrankheiten, Hepatitis B), Chemoprophylaxe (Beispiel Malaria) oder Isolierungsmaßnahmen (Beispiel hämorrhagisches Fieber, auch Pest und Diphterie), für wieder andere die antibiotische Therapie (Beispiel Tuberkulose, viele andere bakterielle Erkrankungen) oder die Kombination aus verschiedenen o.g. Maßnahmen. Bei Kontakt mit infektiös Kranken spielen natürlich Desinfektion/Sterilisation, Schutz vor Kontamination und Barrieremaßnahmen (Handschuhe, Mundschutz, Schutzkittel, Brille etc.) eine besondere Rolle. Diese Maßnahmen dürfen allerdings nicht uniform, sondern müssen entsprechend der Kontagiosität und dem Übertragungsweg der jeweiligen Infektion durchgeführt werden. Dies setzt ein hohes Maß an Kenntnis und ständige Schulung des pflegerischen und ärztlichen Personals voraus. Z.B. ist ein Mundschutz dann sinnvoll, wenn mit aerogener Tröpfcheninfektion zu rechnen ist. Kittel, Handschuhe etc. und Händedesinfektion werden besonders gebraucht bei möglicher Schmierinfektion (also vielen bakteriellen Erkrankungen, Kontamination!), Handschuhe bei parenteral übertragbaren Erkrankungen (z.B. HIV, Hepatitis B und C) dann, wenn mit Austritt von Blut oder blutigen Sekreten zu rechnen ist (bei üblichen sozialen Kontakten wie dem Händeschütteln ist dies bei den erwähnten parenteralen Infektionen natürlich nicht notwendig). Unter Hygiene im weiteren Sinne sollen, wie oben erwähnt, außer Isolierung von Kranken und Desinfektion auch noch eine Reihe nicht minder wichtiger Maßnahmen zur Verhinderung einer Infektionsübertragung verstanden werden. Sicherer Probenversand und sichere Abfallentsorgung durch Kennzeichnung infektiösen Materials, Transport in geschlossenen und bruchsicheren Behältnissen. Information bei Verlegung von Patienten mit Infektionserkrankungen. Impfungen In der dritten Welt sind es vor allem die eingeschränkten finanziellen Mittel, die eine umfassende Impfung der Bevölkerung mit durchaus vorhandenen Impfstoffen (z.B. gegen Diphterie, Masern, Hepatitis B) nicht ermöglichen. Hierzulande ist eine zunehmende Impfmüdigkeit vielleicht dafür verantwortlich, daß Erkrankungen wie Diphterie, Tetanus, Masern oder Polio, um nur einige zu nennen, wieder zunehmen können. Restriktion bei Transfusion von Blutprodukten Restrisiken bei Transfusion von Blutprodukten lassen sich nie ausschließen. Deshalb kann eine verantwortungsvolle ärztliche Indikationsstellung zur Verminderung der Ausbreitung von Virusinfektionen beitragen. Antivirale Therapie Sowohl zur Behandlung chronischer Virushepatitiden als auch der HIV-Infektion (siehe Tab. 3) stehen mittlerweile wirksame Virostatika zur Verfügung. Durch eine erfolgreiche Therapie können somit Infektionsquellen ausgeschaltet oder durch Verminderung der Viruslast (auch bei HIV bis zu 99,9 %) das Infektionsrisiko zumindest deutlich vermindert werden. Pflegepersonal und Ärzte tragen bei der Betreuung von Patienten mit Infektionserkrankungen ein hohes Maß an Verantwortung nicht nur gegenüber dem Kranken, sondern auch gegenüber (nicht an einer Infektion leidenden) Mitpatienten. Nur durch ständige Fortbildung kann dieser Verantwortung Rechnung getragen werden. Es ist durchaus möglich, daß in Deutschland in den kommenden Jahren vermehrt Patienten mit hochkontagiösen Infektionserkrankungen, die z.Z. eher die Ausnahme sind, behandelt werden müssen. Reisetätigkeit, Impfmüdigkeit und andere bereits erwähnte Faktoren lassen an hämorrhagisches Fieber, Diphterie (zwischen 1990 und 1996 erkrankten in der ehemaligen UDSSR ca. 150.000 Menschen !) oder auch Pest denken. Wer von den derzeit tätigen Pflegekräften und Ärzten hat Erfahrung mit derartigen Erkrankungen? Wohl die wenigsten. Wenn weltweit jährlich ca. 17 Millionen Menschen an Infektionserkrankungen sterben, sollte dies Grund genug sein, die Anstrengungen für die Erforschung, Prävention und Therapie dieser Erkrankungen einschließlich der Ausbildung speziell geschulten Personals zu vergrößern.