HERZLICH WILLKOMMEN ZUR CME-EINHEIT AKUTE VERWIRRTHEITSZUSTÄNDE Diese Einheit ist Teil des Notfallkoffers Palliativmedizin, der insgesamt vier CME-Einheiten umfasst: • Schmerz • Atemnot • Gastrointestinale Symptome • Akute Verwirrtheitszustände Tipps zur Bedienung Die Einheit besteht aus vertonten Folien, bitte aktivieren Sie Ihre Lautsprecher oder Kopfhörer. Klicken Sie am Ende jeder Folie unten links auf den Weiter-Button, um mit der nächsten Folie fortzusetzen. Notfallkoffer Palliativmedizin – Akute Verwirrtheitszustände 1 Lernziele für diesen Kurs • Sie kennen die Risikofaktoren für das Auftreten eines akuten Verwirrtheitszustandes. • Sie können ein akutes Delir als solches erkennen und differentialdiagnostisch abgrenzen. • Sie können nicht-medikamentöse und medikamentöse Therapien für die Behandlung des Delirs einsetzen und Angehörige der betroffenen Patienten beratend unterstützen. Was Sie in dieser E-Lecture erwartet: • Definition des Delirs und dessen Diagnosestellung • Differentialdiagnostische Abgrenzungen • Vorkommenshäufigkeit und Unterscheidung verschiedener Delirformen • zugrundeliegende Ursachen • Nicht-medikamentöse und medikamentöse Therapiemöglichkeiten © R. Jaroslawski 2 Akutes Delir lat. delirium von: lira = Furche, Spur de-lira = „aus der Furche / Spur sein“ Sprachverwirrung und Delirium Durchgangssyndrom Encephalopathie Akute Verwirrtheit Akuter exogener Reaktionstyp Hirnorganisches Psychosyndrom Pieter Brueghel d. Ä. - Der Turmbau zu Babel 3 Akutes Delir: Definition nach ICD10 Das Delir oder der akute Verwirrtheitszustand ist ein komplexes neuropsychiatrisches Syndrom mit unterschiedlichen zugrundeliegenden Ursachen 1. Bewusstseinsstörung 4. Störung des Schlaf/Wach-Rhythmus - Wahrnehmungsstörung (Verkennung, Halluzination) - gestörte Aufmerksamkeit - 2. Störung der Kognition - Beeinträchtigung Kurzzeitgedächtnis - Desorientierung zu Zeit, Ort und Person 3. Psychomotorischen Störungen - rascher, nicht vorhersehbarer Wechsel zwischen Hypo- und Hyperreaktivität - verlängerte Reaktionszeiten - vermehrter oder verminderter Redefluss - verstärkte Schreckreaktion Schlafstörungen Umkehr des Schlaf/Wach-Rhythmus nächtliche Verschlimmerung unangenehme Träume oder Alpträume nach dem Erwachen Halluzinationen 5. Plötzlicher Beginn und Änderung der Symptomausprägung im Tagesverlauf 6. Nachweis einer zugrundeliegenden zerebralen oder systemischen Krankheit, die für die klinischen Symptome 1-5 verantwortlich gemacht werden kann Diagnosestellung: Confusion assessment method (CAM) 1 plötzlicher Beginn, fluktuierender Verlauf 2 Aufmerksamkeitsstörung 3 veränderte Bewusstseinslage oder 4 Denkstörung 1 + 2 + 3 oder 4 = Delir 4 Das könnte so aussehen.... • sieht, hört oder riecht Dinge, die nicht vorhanden sind • zieht an Infusion, an Sonde oder an Katheter usw. • reagiert unerwartet emotional • erkennt die Tageszeit • erinnert sich an kürzliche Ereignisse • nestelt, ist ruhelos, unordentlich und nachlässig • nickt während des Gesprächs ein • wird durch Reize der Umgebung schnell abgelenkt • bleibt aufmerksam im Gespräch oder in der Handlung • beendet begonnene Fragen oder Antworten nicht • gibt unpassende Antworten auf Fragen • reagiert verlangsamt auf Aufträge • denkt irgendwo anders zu sein Differenzierung Demenz - Delir Merkmal Demenz Delir Beginn unterschiedlich, über Jahre über Stunden bis Tage, Verschlechterung nachts Verlauf kontinuierlich fluktuierend Dauer > 6 Monate Tage bis Monate Schlafrhythmus kann erhalten bleiben gestört Bewußtsein klar fluktuierend, getrübt Aufmerksamkeit normal beeinträchtigt, wechselhaft Orientierung zeitliche Orientierung geht früher verloren, als die zu Ort und Person in aller Regel beeinträchtigt Halluzinationen keine häufig optisch 5 Differenzierung akute schizophrene Psychose - Delir Merkmal Schizophrene Psychose Delir Beginn über Tage bis Monate über Stunden bis Tage, Verschlechterung nachts Verlauf kontinuierlich fluktuierend Dauer chronisch rezidivierend (Jahre) Tage bis Monate Schlafrhythmus gestört gestört Bewußtsein klar fluktuierend, getrübt Aufmerksamkeit beeinträchtigt beeinträchtigt, wechselhaft Orientierung erhalten in aller Regel beeinträchtigt Halluzinationen häufig akustisch häufig optisch Differenzierung Depression - Delir Merkmal Depression Delir Beginn über Wochen oder Monate über Stunden bis Tage, Verschlechterung nachts Verlauf kontinuierlich fluktuierend Dauer als Einzelepisode oder rezidivierend über Monate / Jahre Tage bis Monate Schlafrhythmus gestört: Einschlafstörung, Morgentief gestört Bewußtsein klar fluktuierend, getrübt Aufmerksamkeit Normal oder reduziert beeinträchtigt, wechselhaft Orientierung meist erhalten in aller Regel beeinträchtigt Halluzinationen selten häufig optisch 6 Akutes Delir bei Palliativpatienten • 30-50% aller Palliativpatienten • in den letzten Lebenswochen bis 85% • 50% reversibel • multifaktoriell: Durchschnitt 4,7 Ursachen • häufig nicht erkannt Akutes Delir - verschiedene Formen • hypoaktive Form (29%) - reduzierte motorische Aktivität - bis hin zur Lethargie • hyperaktive Form (21%) - gesteigerte motorische Aktivität - Unruhe, Agitation (Stürze) - Halluzinationen, Verhaltensprobleme • Mischform (43%) • keine psychomotorischen Veränderungen (7%) Zwangsstuhl, 1824 7 Akutes Delir: Begünstigende Faktoren bei Palliativpatienten Begünstigende Faktoren für ein Delir bei Palliativpatienten metabolisch Infektionen, Dehydrierung, Hypoxämie, Hyperkapnie, Hyper-, Hypoglykämie, Hypercalciämie, Hyponatriämie, Leberfunktionsstörung, Nierenfunktionsstörung, schlechter Ernährungsstatus medikamentös Überdosierung, Nebenwirkung, Entzug, Narkose physisch Schmerz, Müdigkeit, Trauma, Operation, cerebraler Insult, Sehschwäche, Hörschwäche, Immobilität, Blasenkatheter psychosozial Umgebungswechsel, Angst, Depression, andere psychiatrische Erkrankungen spirituell Todesangst terminal Organversagen, ZNS-Auswirkungen der Grunderkrankung sonstige Alkoholentzug, Nikotinentzug, vorbestehende kognitive Einschränkung Medikamente mit hohem delirogenem Potential • Opioide • Barbiturate • Benzodiazepine • Herzmittel (Digitalis, Diuretika) • Steroide • Zytostatika (z.B. MTX) • Anticholinergika • H2-Blocker • trizyklische Antidepressiva • Parkinsonmittel • Antikonvulsiva • Spasmolytika • Antibiotika • ... • Neuroleptika 8 Ein akutes Delir ist ein Notfall! • Hohe Mortalität! • Hohes Selbstgefährdungspotential • Schlechteres Behandlungsergebnis • Längerer Klinikaufenthalt • Dauerhafte kognitive Verschlechterung Akutes Delir: Behandlung • Ursachenbehebung • ruhige Umgebung schaffen • Konstanz in der Betreuung • möglichst menschlicher Beistand durch vertraute Personen • keine Fixierung, Mobilität fördern • festen Tag-Nacht-Rhythmus schaffen 9 Akutes Delir: Medikamentöse Behandlung • Haloperidol - 1-2-(5)mg per os - Beurteilung und Wiederholung nach 30-60min., ggf. dann Dosis verdoppeln usw. bis Effekt eintritt • wenn Haloperidol nicht ausreichend wirksam ist: Risperidon, Quetiapin, Olanzapin • zusätzlich Benzodiazepine (wenn extreme Agitation) Zusammenfassung der Lerneinheit • Ein akutes Delir zeichnet sich aus durch den akuten Beginn mit fluktuierendem Verlauf von Bewußtseins- und Aufmerksamkeitsstörung in Verbindung mit formaler Denkstörung. Die Psychomotorik und der Schlaf-Wach-Rhythmus sind in aller Regel ebenfalls gestört. • Es werden verschiedene Delirformen unterschieden, wobei vor allem die hypoaktive Form häufig verkannt wird. • Ursächlich ist zumeist das Zusammentreffen mehrerer verschiedener ein Delir begünstigender Faktoren. • Ein Standpfeiler der Therapie sind nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Schaffung eines ruhigen Raumes und zur Reizabschirmung. Auf Fixierung sollte möglichst verzichtet werden. • Mittel der ersten Wahl zur Therapie des Delirs sind Neuroleptika mit Haloperidol als einem Hauptvertreter. 10 VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! Bearbeiten Sie zum Abschluss den CME-Wissenstest. Bei erfolgreicher Teilnahme erhalten Sie 2 CME-Punkte. Bewerten Sie diese CME-Einheit und nehmen Sie an der Online-Evaluation (5 Minuten) teil. Damit helfen Sie uns, das Angebot besser auf Ihren Bedarf auszurichten. Literatur Bausewein, C., Roller, S. & Voltz, R. (2010). Delirantes Syndrom. In C. Bausewein, S. Roller & R. Voltz (Hrsg.) Leitfaden Palliative Care (4. Aufl., S. 326-329). München: Elsevier. Bush, S. H. & Bruera, E. (2009). The assessment and management of delirium in cancer patients. Oncologist 14, 1039–49. Kojer, M. (2012). Symptomkontrolle in der Geriatrie. In E. Aulbert, F. Nauck & L. Radbruch, (Hrsg.) Lehrbuch der Palliativmedizin (3. Aufl., S. 821-830). Stuttgart: Schattauer. Lonergan, E., Britton, A. M., Luxenberg, J. & Wyller, T. (2007) Antipsychotics for delirium. Cochrane Database Syst Rev 18(2). Lorenzl, S., Füsgen, I.,& Noachtar, S. (2012). Verwirrtheitszustände im Alter – Diagnostik und Therapie. Dtsch Arztebl Int 109(21), 391-400. 11