Versuche über den Strahlengang im Insektenauge

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H. AUTRUM UND J. W IEDEM ANN
genaue Ü bereinstim m ung der W erte der beiden V er­
suchsreihen gegen diese A nnahm e. H ält m an an der
obigen H ypothese fest, erg ib t sich, daß die S innes­
h aare an d er Coxa nicht die einzigen Cosinus-Geber
sein können. M öglicherw eise sind w eitere CosinusG eber in den S inneshaarpolstern an der V orderseite
der C oxa-Pleural-G elenke zu suchen, vielleicht aber
auch an anderen K örperstellen. D ie V orhersage w ei­
te re r Cosinus-G eber bei d er Stabheuschrecke ist so­
m it eine n ach p rü fb are K onsequenz aus obiger H ypo­
these.
D am it sind auch fü r die Stabheuschrecken m inde­
stens zwei verschiedene T ypen von Schw eresinnes­
org an en nachgew iesen w orden. Die W ahrscheinlich­
keit, daß dies bei den m eisten L andinsekten der Fall
ist, ist dam it gestiegen.
Versuche über den Strahlengang im Insektenauge (Appositionsauge)
Von
H
a n sjo c h em
A
utrum
* und
I n g r id
W
ie d e m a n n
Aus dem Zoologischen Institut der U niversität München
(Z. Naturforschg. 17
b, 480— 482
[1962] ; eingegangen am 1. Februar 1962)
Bei Insekten ist der anatomische Divergenzwinkel der Om m atidien stets kleiner als das Sehfeld
des Einzelommatidiums. Die Sehfelder benachbarter Om m atidien überlappen sich also. Punktförm ige
Gegenstände werden also niemals in einem, sondern stets in m ehreren Om m atidien abgebildet. Im
Auge von C alliphora werden kleine Gegenstände nicht auf allen Sehstäben (Rhabdom eren) eines
Om m atidium s abgebildet. Im Ommatidium von D ixip p u s und L o cu sta entw irft der dioptrische A p­
p arat ein aufrechtes Bild des Gegenstandes. Im Auge von A p is und L o cu sta treten 6 regelmäßig
um das zentrale Bild angeordnete N ebenbilder auf.
Das übliche Schema von der W irkungsw eise des
A ppositionsauges der Insekten fußt auf der A n­
nahm e, daß jedes der nebeneinanderliegenden kegel­
förm igen O m m atidien Licht aus einem Bereich w ah r­
nim m t, der durch die V erlängerung seines K egel­
m antels gegeben ist. Bezeichnet m an den W inkel,
den die Achsen zw eier benachbarter O m m atidien
m iteinander einschließen, als anatomischen D iver­
genzw inkel der Ommatidienachsen, den A usschnitt
des Gesichtsfeldes, von dem aus Licht in ein O m m a­
tidium gelangt, als Sehfeld des Om m atidium s, so ist
dieses A ugenm odell durch die Gleichsetzung der
G röße des Sehfeldes und des anatom ischen D iver­
genzw inkels der O m m atidienachsen gekennzeichnet.
Im folgenden w ird untersucht, inwieweit diese
beiden G rößen übereinstim m en.
Lampe
—
Blende
Mikroskop­
tisch
Deckglas mit
Augenstück
M ethode
Für die Messungen der Sehfelder der Ommatidien
wurde ein Mikroskop (Spiegel und Kondensator ent­
fernt) drehbar über einem Winkelmesser horizontal
montiert. Die Drehachse lag vor der Mitte der Ebene
des Mikroskoptisches und zwar um die Dicke des ver­
wendeten Objektträgers, auf dem das Auge befestigt
war. An Zeigern konnte der Winkel abgelesen werden,
um den das Mikroskop gedreht wurde (Abb. 1).
Die Augenschnitte wurden nach der von E x n e r 1 be­
schriebenen Methode hergestellt und montiert. Von dem
mit Kohlensäureschnee eingefrorenen Kopf des Insekts
* Mit U nterstützung der D e u t s c h e n
Gemeinschaft.
1 S. E x n e r , Physiologie der fazettirten Augen von Krebsen
und Insekten, Deuticke-Verlag, Leipzig und W ien 1891.
Forschungs-
Winkelmesser
Abb. 1. Versuchsanordnung (s. T ext).
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STRAHLENGANG IM INSEKTENAUGE
wurde mit einer Rasierklinge ein Auge abgekappt.
Der Schnitt wurde möglichst gleichmäßig, nicht zu
tief, zwischen dioptrischem Apparat und Lamina fenestrata durch die Sinneszellen geführt. Das abgekappte
Augenstück wurde in einen Tropfen Wasser auf ein
Deckglas gebracht, Schnittseite zum Glas. Ein geringer
Glycerinzusatz hat keinen Einfluß auf die Bildqualität,
ebenso kann Paraffinöl statt Wasser verwendet werden.
Das Deckglas wurde mit Klebwachs auf einem Ob­
jektträger befestigt, der in der Mitte eine Bohrung
enthielt, in welche die Wölbung des Auges ragte. Der
Objektträger wurde auf dem Mikroskoptisch befestigt;
die Cornea des Auges war zur Lichtquelle, die Schnitt­
fläche zum Objektiv gewendet. Als Gegenstand diente
die Blendenöffnung einer Mikroskopierlampe, deren
Mitte sich in der optischen Achse des Mikroskopes in
meist 10 bis 20 cm Abstand vor dem Auge befand. Der
Blendendurchmesser betrug etwa 0,25 und 0,5 cm.
Blickt man durch das Mikroskop, so sieht man im
dunklen Auge einen hellen „Bildfleck“, der aus den
aufleuchtenden Sehstäben der Ommatidien besteht, die
von der Lampe Licht erhalten. Beim Drehen des Mikro­
skops wandert die Gruppe der aufleuchtenden Sehstäbe.
Das Sehfeld eines Ommatidiums wurde bestimmt durch
Messen des Winkels, um den das zentriert montierte
Augenstück gedreht werden mußte, bis ein Ommatidium von der gerade-noch-dunkel-Stellung über die
Hellstellung wieder die Dunkelstellung erreichte.
Da das Auge nicht auf eine punktförmige Licht­
quelle blickte, mußten der Durchmesser der Blende und
ihre Entfernung vom Auge berücksichtigt werden: Der
Winkel, unter dem die Lichtquelle (Blende) vom In­
sektenauge aus erscheint, wurde von dem unter dem
Mikroskop für das einzelne Ommatidium gemessenen
Winkel abgezogen.
Die Ausdehnung des Sehfeldes eines Ommati­
diums wurde bestimmt: 1. Indem das montierte
Augenstück um die dorso-ventrale Achse gedreht
wurde (bezogen auf die Lage des Auges am Kopf
des Tieres) : horizontale A usdehnung des Sehfeldes.
2 . Das montierte Auge wurde um die antero-posteriore Achse gedreht: vertikale A usdehnung des S eh ­
feldes. 3. In einer Reihe von Fällen wurde das Auge
beliebig montiert (ohne Beziehung zur Lage des
Auges am Kopf des T ieres).
Untersucht wurden die folgenden Arten: Apis mellifica, Arbeiterinnen; Locusta migratoria migratorioides,
Männchen und Weibchen; Dixippus morosus, Weib­
chen; Calliphora erythrocephala, Männchen und Weib­
chen. Alle Versuchstiere stammten aus den Zuchten
des Zoologischen Instituts der Universität München.
Ergebnisse
Im folgenden sind die Mittelwerte der Einzel­
messungen zahlreicher Ommatidien angegeben.
* Diese Werte weichen wesentlich von den von B u r tt und
C atton gefundenen ab. B u r tt und C a tton bestimmten das
Sehfeld eines Einzelommatidiums bei L ocusta in der Hori­
zontalen und Vertikalen zu 2 0 ° im Mittel -.
** Stimmt überein mit einem von d e V r ie s angegebenen Wert3.
2 E. T. B u r t t u. W. T. C a t t o n , J. Physiol. 125, 566 [1954],
3 H. d e V , Progress in Biophysics 6, 208 [1956].
4 J. d e l P o r t i l l o , Z. vgl. Physiol. 23, 100 [1936]
5 H. K a l m u s , Z. vgl. Physiol. 24, 644 [1937].
0 W. D i e t r i c h , Z. Zool. 92, 465 [1909].
Ausdehnung A natom ischer
des Sehfeldes Divergenz­
des Einzel­ winkel der
om m ati­ Om m atidien­
achsen
diums
A p is
Locusta
D ixippus
Calliphora
2,8° 4
1,4° 4
2,4° 2
7,2° ± 1°
in der
Horizontalen
6,7° ± 1°
in der
Vertikalen
in der
4,o° ± r*
Horizontalen
3,9° ± 1 ° *
in der
Vertikalen
9,8° ± 2°
7,6° ± 1°**
1,1° 2
7,5° 5
2,5° 3
Beim Vergleich fällt auf, daß die Sehfelder der
Ommatidien sämtlich größer sind als die anatom i­
schen Divergenzwinkel der Ommatidienachsen. Die
Sehfelder benachbarter Ommatidien überlappen sich
also; die Überlappung kann mehr oder weniger aus­
geprägt sein, sie ergibt sich aus dem Verhältnis der
Größe des Sehfeldes des Einzelommatidiums (ge­
messen als Winkel) zum anatomischen Divergenz­
winkel der Ommatidienachsen. Bei Apis und Locusta
sind die Sehfelder der Ommatidien in der Horizon­
talen und Vertikalen praktisch gleich groß, obwohl
im Gegensatz zu ihnen die anatomischen Divergenz­
winkel der Ommatidienachsen in der horizontalen
Richtung doppelt so groß wie in der vertikalen sind.
Die Überlappung der Sehfelder ist also in der Ver­
tikalen stärker als in der Horizontalen.
Aus der weitgehenden Überlappung der Sehfelder
benachbarter Ommatidien ergibt sich eine V ergröße­
rung des Reizareals; dies macht sich besonders bei
kleinen Gegenstandsgrößen bem erkbar: Ein Punkt
wird z. B. im Auge von Calliphora in etwa neun
Ommatidien abgebildet. Dabei sind die am Bild­
fleck beteiligten Ommatidien nur teilweise ausge­
leuchtet. Bei Calliphora besteht jede Retinula aus
sieben Sehzellen, deren Rhabdomere nicht zu einem
Sehstab verwachsen sind, sondern in einer charak­
teristischen Anordnung nebeneinander liegen6. Bei
kleiner Gegenstandsgröße leuchten in den am Bildr ie s
.
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STRAHLENGANG IM INSEKTENAUGE
Abb. 2 a. Calliphora, Bildfleck einer hellen, runden Fläche,
die vom Auge unter einem Blickwinkel von 1,5° gesehen wird.
In den sechseckigen Facetten die sieben Rhabdomere; be­
leuchtete • , nicht beleuchtete O.
fleck beteiligten Ommatidien jeweils nur einige Seh­
stäbchen auf, einige bleiben dunkel (Abb. 2 a ) .
Zwischen dem Teil der Retinula, welcher beleuchtet
wird, und dem Bildzentrum herrscht eine feste Be­
ziehung: In der Peripherie des Bildflecks werden die
vom Bildzentrum am weitesten entfernten Sehstäb­
chen der Retinula beleuchtet, eine Folge des verkehr­
ten Bildchens, das vom dioptrischen Apparat des
Ommatidiums (hier vorwiegend von der Cornea­
facette) entworfen wird (Abb. 2 b ). Diese Cornea-
Einzelretinula, jenseits des Bildrandes neben die
vom Bildzentrum am weitesten entfernte Seite der
Retinula; sie scheinen hier nur noch rot durchs
Pigment, die Sehstäbchengruppen selbst bleiben
dunkel (Abb. 3 ). Der Bereich, aus dem durch die
Cornealinse Licht ins Ommatidium hereingebrochen
wird, ist also sehr groß. N ur ein kleiner Teil davon
gelangt in die Sehstäbchen.
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Abb. 3. Calliphora, Auge sehr flach gekappt, gegen eine
runde, helle Fläche (Ausdehnung etwa 8°) gerichtet. Anord­
nung der Corneafacetten-Bildchen. Corneafacetten-Bildchen
fallen in Rhabdomerengruppe o ; Corneafacetten-Bildchen
fallen ins Pigment €«, Rhabdomerengruppe unbeleuchtet • .
Die leeren bzw. schwarzen Kreise stellen hier nicht einzelne
Rhabdomere, sondern die Rhabdomerengruppe je eines
Ommatidiums dar.
Abb. 2 b. Calliphora, Bildfleck eines hellen Streifens, vier
senkrecht zum Streifen liegende Ommatidienreihen heraus­
gezeichnet. Beleuchtete Rhabdomere • , nicht beleuchtete o.
Der Streifen erscheint unter einem Blickwinkel von 6°.
facetten-Bildchen kann man bei sehr flach abgekapp­
ten Augen durch das rote Pigment hindurchscheinen
sehen; beim Offnen und Schließen der als Gegen­
stand dienenden Blendenöffnung werden die Bild­
chen größer und kleiner (ebenso wie die Anzahl der
durchleuchteten Sehstäbchengruppen). Im Bildzen­
trum fallen sie ungefähr in die optische Achse der
Ommatidien; die Sehstäbchen leuchten hell auf. Am
Bildrand fallen sie an die periphere Grenze der
Bei D ixippus und Locusta entwirft der dioptrische
A pparat jedes Ommatidiums ein aufrechtes Bildchen
(bei Apis wegen des geringen Durchmessers des Seh­
stabes nicht zu bestim m en). Diese aufrechten Bild­
chen sind nur am frisch gekappten Auge zu sehen,
wenige Minuten nach dem M ontieren verschwinden
sie, man sieht dann nur noch verkehrte Bilddien;
unbekannte Eigenschaften des dioptrischen A ppara­
tes haben sich geändert. Bei Apis und Locusta treten
sechs Nebenbilder auf, regelmäßig um das zentrale
Bild angeordnet. Sie sind lichtschwächer als das
H auptbild und liegen in der Richtung von Senkrech­
ten auf die Sechseckseiten des zentralen Ommati­
diums des Hauptbildes.
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