88 Kristallographie I Inhalt von Kapitel 5 5 Untersuchung von Kristallen............................................................................................ 89 5.1 Lichtoptik ..................................................................................................................... 89 5.2 Röntgenographische Untersuchung von Kristallen...................................................... 93 5.2.1 Beugung von Röntgenstrahlung am Kristallgitter................................................ 94 5.2.2 Laue Methode....................................................................................................... 97 5.2.3 Drehkristallmethoden ........................................................................................... 98 5.2.4 Pulvermethoden.................................................................................................. 100 A. N. Danilewsky 5 89 Untersuchung von Kristallen Die physikalischen Eigenschaften von Kristallen, die sich aus ihrer chemischen Zusammensetzung und Struktur ergeben, werden in vielfältiger Weise zur Analyse und Charakterisierung verwendet: 5.1 Lichtoptik Wird ausführlich im Zusammenhang mit der Polarisationsmikroskopie in der Mineralogie besprochen. Hier wird nur auf die Eigenschaften der elektromagnetischen Wellen eingegangen, die auch zum Verständnis der Röntgenbeugung benötigt werden. Licht: nach Maxwell elektromagnetische Wellen, Abb. 5.1.1 Transversalwellen, bei denen die elektrischen und magnetischen Feldvektoren im gleichen Rhythmus senkrecht zur Fortpflanzungsrichtung schwingen. D.h. harmonische Schwingungen, Sinusschwingungen, charakterisierende Größen sind: Lichtquelle L Wellenlänge λ Amplitude A Elektrischer Feldvektor E Magnetischer Feldvektor H Abb. 5.1 1: Sinusschwingung Intensität: proportional zum Quadrat der Schwingungsamplitude Wellenlänge: Entfernung zweier nächsten Punkte, die sich im gleichen Schwingungszustand (gleicher Phase) befinden, λ Frequenz: Schwingungszahl pro Sekunde, ν Licht entsteht als Kugelwelle durch angeregte pulsierende Elektronen auf äußeren Schalen der Atome (harmonischer Oszillator L in Abb. 5.1.1). Die Ausbreitungsgeschwindigkeit im Vakuum ist die Lichtgeschwindigkeit: c = 300.000 km/s 90 Kristallographie I zwischen Wellenlänge λ und Energie E besteht folgender Zusammenhang: λ = h⋅c E mit h = Plancksches Wirkungsquantum, c = Lichtgeschwindigkeit Beim Durchgang durch Materie (fest, flüssig, gasförmig) ist diese Geschwindigkeit geringer ("spezifischer optischer Widerstand n = Brechungsindex"): cn = c/n c=λ⋅ν mit Beim Übergang eines Lichtstrahls in ein anderes optisches Medium ändert er dadurch i.A. die Richtung : Lichtbrechung Der Brechungsindex n ist eine Materialkonstante transparenter Medien und wird zur Analyse von Phasen verwendet. Beim Durchgang von Licht durch ein optisch dichteres Medium bleibt ν unverändert, λ ändert sich in Abhängigkeit des Brechungsindex. Dies gilt für elektromagnetische Wellen aller Wellenlängen. Ein geringer Ausschnitt aus dem gesamten Spektrum von Wellenlängen wird durch das menschliche Auge wahrgenommen: Sichtbares Licht: rot 686 nm gelb 589 nm blau 430 nm violett 397 nm Absorption: Werden aus dem weißen Licht bevorzugt Wellenlängen absorbiert erscheint das betreffende Medium farbig. Beobachtet wird die Komplementärfarbe: Absorption rot gelb grün blau-violett Sinneseindruck grün blau rot gelb Schwingungsebene In der Regel schwingt Licht in beliebigen Schwingungsebenen. Durch Brechung oder Filter kann polarisiertes Licht erzeugt werden, bei dem nur noch eine Schwingungsebene auftritt. A. N. Danilewsky 91 Experimente: 1. Laserlicht + 2 gekreuzte Polarisationsfolien => Auslöschung 2. Laserlicht nach Durchgang durch Kalzit-Rhomboeder => ordentliche nω + außerordentliche Welle nε , senkrecht zueinander polarisiert => Doppelbrechung (Abb. 5.1.2) Abb. 5.1 2: Doppelbrechung und Polarisation bei Kalzit für Kalzit: nε = 1,486 und nω = 1,658 => d = 1,486 – 1,658 = - 0,172 3. Laserlicht beim Durchgang durch Fluorit-Würfel: keine Aufspaltung => kubische Minerale sind optisch isotrop ebenso: amorphe Materialien z.B. Glas Die Untersuchung von Licht nach dem Durchgang durch Materie erlaubt also Aussagen über optische Dichte, und Symmetrie und wird zur Analyse speziell von Mineralien herangezogen. 4. Laserlicht durch Dia mit verschiedenen Lochmustern => Beugung, vergl. Abb. 5.1.3 92 Kristallographie I a) Beugung bei kleiner Lochblende b) Beugung bei mittlerer Lochblende c) Beugung bei großer Lochblende d) Beugungsmuster für geringe Anzahl Punkte e) Beugungsmuster für größere Anzahl Punkte Abb. 5.1 3: Beugungsmuster bei Laser-Experiment A. N. Danilewsky 93 Erklärung über Huygensches Elementarwellen Prinzip (Abb. 5.1.4): • Trifft eine ebene Wellenfront (=kohärente Welle) auf ein Gitter, wird jeder Punkt des Gitters zum Ausgangspunkt einer neuen, kugelförmigen Elementarwelle • Die resultierenden Wellenfronten ergeben sich als Tangenten an die einzelnen kugelförmigen Wellen • Die Wechselwirkung benachbarter Punkte führt zu Interferenzerscheinungen: bei ganzzahligem Wegunterschied nλ tritt vollkommene Verstärkung (=Addition) ein, bei allen Zwischenwerten Subtraktion (=Auslöschung) • Eine Wellenfront verläuft parallel zur einfallenden Welle: 0. Ordnung • Weitere Wellenfronten besitzen bestimmte, definierte Winkel zum Primärstrahl => Beugung in verschiedenen Ordnungen (=konstruktive Interferenz): n. – Ordnung Abb. 5.1 4: Beugung, Prinzip der Elementarwellen nach Huygens Beugung tritt immer dann auf, wenn Muster und Wellenlänge in derselben Größenordnung liegen => Überleitung zur Röntgenbeugung 5.2 Röntgenographische Untersuchung von Kristallen Aufgrund der kurzen Wellenlänge (z.B. 0,154 nm für Cu Kα-Strahlung) und der damit verbundenen geringen Geschwindigkeitsänderung beim Durchgang durch Materie spielt die Brechung von Röntgenstrahlung nur eine untergeordnete Rolle. Die Ablenkwinkel sind meist kleiner als die Divergenz der Röntgenquelle. Von großer Bedeutung für die Strukturuntersuchung ist jedoch die Beugung. 94 Kristallographie I 5.2.1 Beugung von Röntgenstrahlung am Kristallgitter Die dreidimensional periodische Anordnung von Gitterpunkten des Raumgitters führt wie in Abb. 5.1.4 dargestellt bei der Wechselwirkung der sekundären Wellen zu positiven Interferenzen, deren Anordnung Rückschlüsse auf die geometrische Lage der ursprünglichen Punkte erlaubt => Bestimmung der Metrik eines Kristalls Max von Laue 1912: Da Wellenlänge von Röntgenstrahlung und Gitterkonstanten von Kristallen in derselben Größenordnung liegen, findet Beugung statt. Der experimentelle Nachweis des Beugungseffekts von Röntgenstrahlung am Kristallgitter erbrachte einen doppelten Beweis: 1. Wellennatur von Röntgenstrahlung und 2. Raumgitteraufbau von Kristallen Formal kann die Beugung von Röntgenstrahlen am Raumgitter auch als Reflexion an Netzbenenscharen betrachtet werden und führt auf die Braggsche Gleichung(Abb5.2.1): nλ = 2d sin θ mit: d = Netzebenabstand, λ = Wellenlänge, n = Ordnung, θ = Glanzwinkel Abb. 5.2. 1: Braggsche "Reflexions"-Bedingung A. N. Danilewsky 95 Damit ergibt jede Netzebenenschar mit einem Gitterabstand d • einen Röntgenreflex 1. Ordnung und • n – Reflexe höherer Ordnung (für die ganzzahligen Vielfache von λ) Dreidimensional betrachtet bilden diese Reflexe also wiederum ein Punktgitter. Dieses Punktgitter geht durch a) experimentell durch Beugung b) mathematisch durch eine Transformation aus dem realen Kristallgitter hervor => Konzept des reziproken Gitters (Nach Ewald) Definition: Zwischen realem und reziproken Gitter besteht folgender Zusammenhang Metrik der Elementarzelle des direkten Gitters: r r r r r r a b c und α, β, γ, Volumen V = a ⋅ [ b ⋅ c ] Metrik der Elementarzelle des reziproken Gitters: r r r a * b * c * und α*, β*, γ*, Volumen V ⋅ V* = 1 und es gelten die Zusammenhänge: r r r a * = 1/V [ b c ], r r r b * = 1/V [ a c ], r r r c * = 1/V [ a b ], r r r d. h. a * ist senkrecht b und c r r r d. h. b * ist senkrecht a und c r r r d. h. c * ist senkrecht a und b 96 Kristallographie I Aus der Braggschen Gleichung wird ersichtlich, daß für eine für die Analyse ausreichende Zahl von konstruktiven Interferenzen an einem Kristall mit gegebenen Gitterkonstanten (= Beugungsreflexen) prinzipiell die Wellenlänge λ oder der Einfallswinkel θ variiert werden müssen. Man unterscheidet prinzipiell folgende röntgenographische Methoden: 1. Einkristallmethoden a) weißes Röntgenlicht: fest orientierter Kristall => λ variabel => θ konstant => Laue-Methode b) monochromatisches Röntgenlicht: => λ konstant => θ variabel Kristalldrehung => Drehkristallmethoden 2. Pulvermethoden Statistische Erhöhung der Anzahl der Netzebenen in Reflexionsstellung monochromatisches Röntgenlicht => λ konstant + zusätzlich Kristallitdrehung => θ variabel geeignet für geringe Substanzmengen Eine weitere Einteilung der röntgenographischen Methoden kann nach Art der Detektion erfolgen: Röntgenfilm: Abbildung der Röntgenreflexe auf Röntgenfilm (Laue, Debeye-Scherrer, ...) Detektor: Zählen der Röntgenquanten in der Diffraktometer, Pulver – Diffraktometer ...) Reflexionsstellung (Vierkreis- A. N. Danilewsky 5.2.2 97 Laue Methode Charakteristika: • Einkristall – Methode, fester Kristall (Abb. 5.2.2) • Weißes Röntgenlicht • Röntgenfilm fest • Muster der Reflexe bei Einfall entlang einer Symmetrieachse spiegelt die Symmetrie wieder • Ebene und Gegenebene verhalten sich gegenüber Röntgenstrahlen immer gleich: keine Unterscheidung von polaren und nicht-polaren Drehachsen, Strukturen mit und ohne Inversionszentrum • Unterscheidung 11 Laue-Gruppen (11 Symmetriegruppen aus den 32 Kristallklassen mit Inversionszentrum): triklin: monoklin: orthorhombisch: tetragonal: trigonal: hexagonal: kubisch: • 1 2/m mmm 4/m, 4/mmm 3, 3m 6/m, 6/mmm, m3, m 3 m Anwendung zur Kristallorientierung Abb. 5.2. 2: Laue Methode schematisch (Transmisssion) 98 Kristallographie I 5.2.3 Drehkristallmethoden Charakteristika: • Einkristall – Methoden, dreh- bzw. schwenkbarer Kristall (Abb. 5.2.3) • Monochromatisches Röntgenlicht, z. B. Cu Kα = 1,54 Å a) Drehkristall - Methode Abb. 5.2. 3: Prinzip der Drehkristall-Methode • Zylindrischer Film, Beispiel Abb. 5.2.4 3. Schichtlinie 2. Schichtlinie 1. Schichtlinie Äquatorlinie Abb. 5.2. 4: Drehkristallaufnahme von Turmalin, Drehung um [0001] ähnlich: Weissenberg - Verfahren • Zylindrischer Film, beweglich, um Überlagerung von Reflexen zu vermeiden • Verzerrte Aufnahme des Reziproken Gitters A. N. Danilewsky 99 b) Präzessionsverfahren nach Burger • Einkristallverfahren ähnlich Weissenberg aber • gekoppelte Kristall- und Filmbewegung (Präzession), die zu einer unverzerrten Darstellung des reziproken Gitters führt (Vorsicht: Fehler im Borchardt-Ott ..) Anwendung: • Aus der Lage der Reflexe der Einkristallaufnahmen läßt sich die Metrik der Elementarzelle berechnen • Die Intensität der Reflexe (Grad der Schwärzung bei Filmaufnahmen, absolute Zahl der Röntgenquanten bei Detektormethoden) beinhaltet Information über die Lage der Atome in der Elementarzelle => Strukturbestimmung Strukturanalyse: Heute wird zur Röntgenfeinstrukturanalyse meist das Vierkreis-Diffraktometer (Abb. 5.2.5) verwendet: • Einkristall, auf 3 Achsen drehbar • Monochromatischer Röntgenstrahl • Detektor, der auf 4. Achse, in jede beliebige Reflexionsstellung fahrbar • Computersteuerung: Berechnung eines Strukturvorschlages und Messung der Reflexe, iterative Verfeinerung Abb. 5.2. 5: 4-Kreis-Diffraktometer schematisch 100 5.2.4 Kristallographie I Pulvermethoden Charakteristika: • Drehbare Probenaufnahme für Kristallpulver (statistische Erhöhung der Zahl der Netzebenen in Reflexionsstellung) • Monochromatisches Röntgenlicht • Debeye-Scherrer: zylindrischer Röntgenfilm, fest (es entstehen Beugungslinien auf dem Film, Abb. 5.2.6) • Pulverdiffraktometer: in der Ebene von einfallendem und gebeugtem Strahl fahrbarer Detektor Abb. 5.2. 6: Debeye –Scherrer schematisch Anwendung: • Meist zur Phasenanlyse (Vermessen charakteristischer d-Werte) • Strukturverfeinerung mit Hilfe sogenannter Rietveld – Methoden