Vortrag von Herrn Professor Christof Baitsch vom IAP Zürich

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[ 29.3.2001 ]
Vortrag von Herrn Professor Christof Baitsch
vom IAP Zürich
anlässlich der GV der AGGP
Im Anschluss an die ordentlich Generalversammlung hat uns Herr
Baitsch einige sehr interessante Gedanken zum Thema
Leistungslohn vorgetragen.
Ich möchte im Folgenden versuchen, diesen Vortrag kurz zusammen
zu fassen.
Zum Einstieg stellte Hr. Baitsch den Leistungslohn als ein logisches
Element unseres Wirtschaftssystems vor. In Anlehnung an das
vorherrschende Tauschprinzip Arbeitsleistung gegen Lohn sei es nur
logisch, dass der Lohn auch von der Leistung abhängig gemacht
wird. Aus dieser Sicht und Aus-gehend davon, dass das
Wirtschaftssystem auch die Macht habe, seine Gesetze wie in
diesem Falle den Leistungslohn durchzusetzen rät Herr Baitsch
davon ab, sich fundamental gegen den Leistungslohn zu wehren. Mit
dem Bild des Zuges, der im Lokführerstand mitgesteuert werden
kann, schlug er uns vor, zu versuchen die Bedingungen des
Leistungslohnes, die ja noch nicht ausgehandelt seien,
mitzubestimmen. Weshalb die Bedingungen noch nicht festgelegt
sind und wo sich Schwierigkeiten gerade auch in Bezug auf die
Gleichbehandlung von Männern und Frauen ergeben, zeigte er im
folgenden Teil auf.
Leistung als Begriff
Der Leistungsbegriff ist in Praxis und Theorie noch nicht wirklich
fassbar festgelegt worden. Damit Leistung von Individuen gerecht
verglichen werden kann, muss von einer Vielzahl von Annahmen
ausgegangen werden. So muss eine erbracht Leistung, individuell
zurechenbar, nur von der erbringenden Person abhängig und
eindeutig beschreibbar sein. Sie sollte von verschiedenen
Beobachtern gleich festgestellt werden können und weiteren
Kriterien entsprechen, damit sie gerecht einem einzelnen Individuum
zugeteilt und beurteilt werden kann. Allgemein gesagt, sollte
Leistung erfassbar, bewertbar und beeinflussbar sein und die
entsprechende Leistungsbeurteilung sollte objektiv, genau und
zuverlässig sein.
Bevor also eine Leistung beurteilt werden kann, muss festgelegt
werden, was in einem Betrieb als Leistung angesehen wird. Ist die
Leistung mit der Anzahl der gewaschenen Patientinnen oder mit der
im Gespräch mit dem Patienten verbrachten Zeit wiedergegeben?
Diese Kriterien müssen erst noch aus-gehandelt werden.
Leistungsbeurteilung als Kommunikation zweier Menschen.
Wenn Leistung in einem Bereich definiert und festgelegt worden ist,
geht es darum, wie denn diese Leitung beurteilt wird. Damit treten
wir in einen zwischenmenschlichen Prozess ein, an dem immer
mindestens zwei Personen beteiligt sind. Diese Begegnung ist von
einer Vielzahl von Werten und Normen, Konventionen und
Annahmen, sowie gegenseitigen Erwartungen geprägt. Wir verhalten
uns immer in Abhängigkeit von unserem Gegenüber sowohl als
Beurteilende wie auch als Beurteilte.Das Beurteilungsgespräch ist
eine persönliche Situation. Dies macht es schwierig jemandem
einfach so eine Beurteilung abzugeben. Was gesagt wird, hat
Auswirkungen auf die Beziehung zwischen den Beteiligten. Um diese
Situation etwas abzuschwächen und die Persönlichkeit der
Begegnung zu versachlichen, wurden Beurteilungssysteme
geschaffen.
Abhängigkeit vom Geschlecht
Eine der wichtigsten Kategorien der gegenseitigen Wahrnehmung
von Menschen ist das Geschlecht. Wir verhalten uns anders je
nachdem ob wir einem Mann oder einer Frau gegenüberstehen.Dies
führt nun zu einigen schwierigen Implikationen und Komplikationen
in der Beurteilungssituation.Herr Baitsch zählte einige Beispiel aus
der Forschungspraxis auf, die sehr eindrücklich zeigen, dass eine
Leistungsbeurteilung immer auch vom Geschlecht der beteiligten
Personen abhängt.
Dabei gibt es verschieden Einflussfaktoren.
Einerseits die Ebene der beurteilenden Person, die Vorstellungen und
Erwartungen gegenüber der beurteilten Person hat. Andererseits
kommt es auch darauf an, wie sich eine beurteilte Person selbst
darstellt und verhält.
Selbstabwertung von Frauen
In einer Studie, in der sich Versuchspersonen einerseits mündlich
gegenüber einer anderen Person einschätzen mussten und
andererseits schriftlich anonym ihre erwarteten Leistungen
beschrieben, zeigte sich, wie Frauen bei mündlicher Einschätzung im
Vergleich zur schriftlichen Einschätzung und auch im Vergleich zur
erbrachten Leitung sich selbst zu schlecht einstuften.
Durchsetzungsstrategien
Schon als Kinder geben Mädchen und Jungen völlig unterschiedliche
Strategien an wie sie sich in einer Gruppe behaupten. Die Mädchen
verhalten sich kooperativ und definieren sich über das Wohl der
Gruppe, währenddem sich die Jungen in gegenseitiger Konkurrenz
behaupten und mittels Befehlen und Kampf um die Führung zu
Akzeptanz kommen.Dies hat dann im Berufsleben, nach einigen
zusätzlichen Jahren geschlechtspezifischer Sozialisation, wichtige
Konsequenzen.
Selbstdarstellung
Bei Interviews zur Arbeitsplatzbewertung konnte Herr Baitsch immer
wieder feststellen, wie Frauen ihre Tätigkeit abwertend und
vereinfachend darstellen, während Männer dazu neigen, ihr Arbeit
eher überbewertend zu beschreiben. Überspitzt gesagt, würden
Krankenschwestern ihre Tätigkeit mit Händchenhalten und
Essenbringen umschreiben, hingegen Rettungssanitäter ihre Arbeit
als ständiges ums Bellevue Kurven in Blaulichtfahrt mit
HerzinfarktspatientInnen.In ähnlicher Weise neigen Frauen dazu,
ihre Erfolge als Ursache von äusseren Umständen zu beurteilen,
währenddem Männer sie als Folge ihrer eigenen Leistungen sehen
und darstellen.
Die Folgen dieser Mechanismen
In einem Experiment von Studenten und Studentinnen der
wirtschaftlichen Hochschule St. Gallen zeigte sich, dass bei
simulierten Lohnverhandlungen unterschiedliche Lohnsummen
ausgehandelt wurden, je nachdem wie sich Männer und Frauen in
den jeweiligen Rollen gegenübergestanden sind. Die kleinsten
Lohnverbesserungen ergaben sich dabei für Frauen, die sich
gegenüber männlichen Vorgesetzten durchsetzen mussten.In einem
anderen Versuch konnte gezeigt werden, dass selbst Gerüche
Einfluss auf die Bewertung von FührungsanwärterInnen haben. Je
nachdem ob die Versuchspersonen ein Männerparfüm oder ein
Frauenparfüm verwendeten, hinterliessen sie unterschiedliche
Vorstellungen ihrer Kompetenzen. Mit der Verwendung eines
Männerparfüms steigt die Zuschreibung von Führungskompetenz.
Der Hallo – Effekt
In einer Beurteilungssituation werden erwartete Eigenschaften eher
überbewertet und unerwartete Eigenschaften werden unterbewertet.
Unter dem Einfluss von Geschlechterstereotypen und Rollenbildern,
wird also eine Abweichung von der Rollennorm sanktioniert.
Konkurrenzierendes Verhalten wird bei Frauen sanktioniert und bei
Männern positiv bewertet.In der Diskussion im Anschluss an der
Vortrag zeigte Herr Baitsch auch mögliche Auswege auf:
▪ Eine gute Schulung im Hinblick auf die auftretenden Mechanismen.
▪ Eine gezielte Sensibilisierung für die Thematik auf
Institutionsebene.
▪ Das Benennen von Stereotypen in der konkreten Situation, um so
die Mechanismen offen zu legen.
Die Bemerkung: „Ich bewerbe mich für diese Weiterbildung, auch
wenn ich weiss, dass dies von mir als Frau nicht erwartet wird“,
schafft zwar die Stereotypen und ihre Wirkung noch nicht aus der
Welt, doch so offengelegt, muss anders damit umgegangen
werden...
Zusammenfassung: René Schaffert
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