Rheuma bei Jugendlichen

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Gesundheitsgespräch
Rheuma bei Kindern und Jugendlichen
Sendedatum: 01.07.2017
Expertin:
Dr. med. Susanne Schalm, internistische Rheumatologin, verantwortlich für
die rheumatologischen Jugend- und Transitionssprechstunde im iSPZ am Dr.
von Haunerschen Kinderspital LMU München und im Endokrinologikum
München
Autor: Johannes von Creytz
Dass in Deutschland derzeit mindestens 20.000 Kinder und Jugendliche an
Rheuma leiden, ist den Wenigsten bewusst. Rheuma wird meistens immer
noch als Leiden von Rentnern wahrgenommen. Einige der über 100
verschiedenen Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis treffen aber
auch junge Patienten.
Früher glaubte man, kalter Schleim, der vom Gehirn in den Körper fließt, würde
die Schmerzen auslösen, die Rheumapatienten plagen. Daher die Ableitung
des Namens, vom griechischen „Rheuma“ für Strömung oder Fluss. Heute weiß
man, dass die Beschwerden von einer Autoimmunreaktion ausgelöst werden.
Das Immunsystem sieht körpereigene Stoffe oder Gewebe als fremd an und
bekämpft sie mit einer Entzündungsreaktion. So wandern z.B. bei der
rheumatoiden Arthritis Immunzellen an die inneren Gelenkhäute und
produzieren dort entzündungsfördernde Stoffe. Schwellungen und Schmerzen
sind die Folge. Früher oder später können auch Knorpel, Knochen
und Bänder am Gelenk befallen und zerstört werden. Rheumatische
Entzündungen können sich außerdem über den Bewegungsapparat hinaus im
ganzen Körper ausbreiten und andere Organe befallen.
So gibt es rheumatische Entzündungen der Augen, der Haut, des Herzmuskels,
sowie von inneren Organen, wie den Nieren, des Darms, oder
von Gefäßen und Nerven.
Dem Text liegt ein Interview mit Dr. med. Susanne Schalm, internistische
Rheumatologin, verantwortlich für die rheumatologischen Jugend- und
Transitionssprechstunde im iSPZ am Dr. von Haunerschen Kinderspital LMU
München und im Endokrinologikum München, zugrunde.
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Kindliches Rheuma - Grundsätzliches
Rheuma kann, muss aber nicht den Bewegungsapparat betreffen.
Grundsätzlich kann der ganze Körper von einer der Rheumatischen
Erkrankungen befallen werden. Das gilt für Erwachsene genauso wie für Kinder
und Jugendliche.
Begriffserklärungen:
Arthritis:
Entzündungen an den Gelenken, die nicht auf Überbeanspruchung zurück zu
führen sind.
Kollagenose:
Entzündungen von Bindegewebenstrukturen wie den inneren Organen oder der
Haut. Beispiele hierfür sind SLE, Dermatomyositis und Systemsklerose.
Vaskulitis:
Chronische Entzündungen der Venen und Arterien.
Fiebersyndrome:
Wiederkehrende Fieberschübe, wie zum Beispiel beim familiären
Mittelmeerfieber.
Kindliches Rheuma: Weitere mögliche Entzündungsherde
Bei Kindern mit Rheuma sollten wegen der Gefahr von bleibenden Schäden
regelmäßig Kiefergelenk und Augen untersucht werden. Rheumatische
Entzündungen an den Augen verlaufen schmerzfrei, eine Erblindung kann
auftreten, wenn sie zu spät erkannt werden. Sind Kiefergelenke betroffen, kann
sich langsam aber stetig das ganze Gesicht verschieben. Auch das fällt Eltern,
die ihr Kind jeden Tag sehen, oft lange nicht auf.
Arthritis im Kindesalter wird Juvenile idiopahische Arthritis (JiA) genannt.
„Juvenile“ steht für einen Beginn vor dem 16. Lebensjahr. „Idiopathisch“
steht dafür, dass keine andere Ursache gefunden wurde, und „Arthritis“ für die
Entzündung eines Gelenks.
Statistisch erkranken jährlich zehn von 100.000 Kindern neu. Von der JiA sind
in Deutschland insgesamt ca. 14.000 Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren
betroffen.
Die Arthritis bei Kindern wird unterschieden, je nachdem, wann die Erkrankung
zum ersten Mal aufgetreten ist, welche und wie viele Gelenke befallen sind,
welche Autoantiköper vorliegen und mit welchen Komplikationen zu rechnen ist
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– z.B. Augenbeteiligung. So bedeutet die Bezeichnung „Oligoarthritis“, dass bis
zu vier Gelenke betroffen sind.
„RF positiv Polyarthritis“ steht dafür, dass mehr als vier Gelenke betroffen sind
und dass der Rheumafaktor (Zahl der Antikörper) im Blut nachgewiesen werden
können. Weil dieser Nachweis im Kindesalter nicht immer möglich ist, gibt es
auch die Bezeichnung „RF negativ“ Polyarthritis.
Juvenile Arthritis mit Enthesitis bedeutet, dass auch die Sehnenscheiden in
Mittleidenschaft gezogen sind.
Oligoarthritis
Oligoarthritis tritt meist im zweiten bis dritten Lebensjahr auf. Mädchen
erkranken deutlich häufiger als Jungen. RF neg. Polyarthritis tritt meistens mit
ca. sechs bis acht Jahren auf, und JiA Enthesitis/Arthritis ca. ab dem zehnten
Lebensjahr. Der RF pos. Polyarthritis tritt in der späten Kindheit und mit dem
Beginn der Pubertät auf. Auch hier erkranken Mädchen deutlich häufiger als
Jungen.
Rheumadiagnose bei Kindern – wenn Schmerzen den Bewegungsdrang
bezwingen
Beschwerden werden häufig lange als Wachstumsschmerzen oder Blessuren
vom Spielen fehlgedeutet. Außerdem werden Schmerzen von kleinen Kindern
oft nicht als solche angegeben und führen zu Schonhaltungen. Die
Beweglichkeit der Gelenke kann so abnehmen, ohne dass Eltern es bemerken.
Die ersten Anzeichen für eine JIA können auch allgemeine Symptome
wie Erschöpfung, Appetitlosigkeit oder Fieber sein. Erst nach einiger Zeit
kommt es zu sichtbaren Schwellungen an Gelenken. Die Haut kann über dem
betroffenen Gelenk gerötet und deutlich wärmer als am restlichen Körper sein.
Je nach Untergruppe können die kleinen Gelenke, wie Finger- und Zehen,
betroffen sein. Andere Formen betreffen auch die großen Gelenke, wie Knie,
Hüfte oder Schulter.
Wachsam sollten Eltern werden, deren Kinder plötzlich sportliche Aktivitäten
meiden und nicht mehr mit Freunden raus zum Spielen gehen. Auch, wenn ein
Kind eine Hand nicht richtig benützt oder nur auf einer Seite kaut, sollte man
genauer beobachten. Hat ein Kind länger als sechs Wochen unerklärliche
Gelenk-Beschwerden, sollte nicht gezögert werden. Eine Blutuntersuchung auf
rheumatypische Antikörper kann Klarheit schaffen, damit frühzeitig zur
Diagnose führen und bleibende Gesundheitsschäden verhindern.
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Rheumatherapie bei Kindern – Je früher desto besser!
Neben der medikamentösen Therapie spielen für Kinder und Jugendliche mit
Rheuma vor allem auch die Physiotherapie und Ergotherapie eine große Rolle.
Sogenannte Biologika können medikamentös entzündungsfördernde
Botenstoffe des Immunsystems unterdrücken. Aber auch Bewegung ist bei
Rheuma ein wichtiges Heilmittel. Wer als Kind seine Finger nicht richtig bewegt,
nicht richtig rennt, klettert oder stürzen lernt, der wird wichtige
Bewegungsmuster nicht erlernen und als Erwachsener motorische Probleme
haben. Deshalb sind Übungen, die die Funktion und Koordination der
Gliedmaßen trainieren, besonders für Kinder wichtig.
Kortison kann Kindern bei ständigen Schmerzen und Funktionseinbußen eine
wertvolle Hilfe sein, sollte aber wenn möglich sparsam und direkt in die
betroffenen Gelenke gespritzt werden. So können mögliche Nebenwirkungen
klein gehalten werden.
Rheuma und Ernährung
Bei rheumakranken Kindern ist ein Vorteil von Diäten nicht bewiesen, es sei
denn, sie sind aus anderen Gründen sinnvoll. Die richtige Ernährung kann aber
die Therapie von Erwachsenen positiv unterstützen. Empfohlen wird eine
mediterrane Küche, mit Olivenöl, Fisch und Gemüse.
Bei erwachsenen Patienten mit chronisch entzündlichem Rheuma ist eine
fleischarme Kost zu überlegen. Besonders Schweinefleisch sollten Rheumatiker
nur sparsam zu sich nehmen, weil darin viel der entzündungsfördernden
Arachidonsäure steckt. Ganz auf Fleisch verzichten müssen Rheumatiker nicht.
Im Gegenteil, mageres Rind- oder Lammfleisch kann ein schmackhafter und
wichtiger Eisenlieferant für den Körper sein.
Doch geheilt? Wenn Rheuma plötzlich verschwindet.
Manchmal verschwindet Rheuma plötzlich. Laut internationaler Studien ist die
Krankheit bei etwas weniger als der Hälfte der Betroffenen im
Erwachsenenalter nicht mehr aktiv.
So unterschiedlich rheumatische Erkrankungsformen und Patienten sind, so
unterschiedlich können die Gründe für ein ausbleiben der Beschwerden sein.
Eine einheitliche wissenschaftliche Aussage dazu gibt es nicht. Hoffnungen
können sich aber am ehesten diejenigen Rheumatiker machen, bei denen nur
wenige Körperstellen betroffen sind und die schon im Frühstadium eine
erfolgreiche Therapie genossen haben. In jedem Fall ist aber auch für
ehemalige Rheumatiker eine regelmäßige, fachärztliche Untersuchung bei
einem internistischen Rheumatologen sinnvoll.
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Transition und Pubertät – Wenn Rheuma erwachsen wird
Partys, Rauchen, Alkohol- oder Drogenkonsum, auch jugendliche Rheumatiker
wollen oft einfach dazu gehören. Auch wenn es wegen ihrer Medikamente zu
erheblich größeren Problemen kommen kann als bei gesunden Gleichaltrigen.
Der Beginn der Pubertät ist häufig auch der Anfang vom Ende einer
verlässlichen Rheumatherapie. Jugendliche Patienten wollen oftmals von ihrer
Erkrankung nichts mehr wissen. Haben naturgemäß andere Interessen, als
regelmäßige Arztbesuche und Medikamenteneinnahme. Mit der Ablehnung der
Krankheit, nimmt auch die Bereitschaft ab, sich zu informieren und an
besondere Risiken zu denken.
Das bedeutet Eltern und Ärzte sollten früh anfangen, die Kinder zu mündigen
Patienten zu erziehen.
Untersuchungen zeigen, dass sich mehr als ein Drittel aller Jugendlichen nur
ein Jahr nach ihrem „Transfer“ in die Erwachsenen-Rheumatologie, nicht mehr
regelmäßig in einer rheumatologischen Praxis untersuchen lassen. Das liegt
zum einen daran, dass sie sich in der Erwachsenen Medizin oft nicht gut
betreut fühlen, zum anderen hat sich aber auch gezeigt, dass die Patienten zu
wenig über Vorsorge wissen und schlecht auf den Wechsel vom Kinderarzt in
die Erwachsenenmedizin vorbereitet wurden.
Transitionsprogramme
In speziellen Transitionsprogrammen mit Jugend-Camps oder speziellen
Übergangssprechstunden wie im iSPZ am Dr. von Haunerschen Kinderspital
der LMU in München , können jugendliche Rheumapatienten früh geschult
werden. Auch Eltern finden dort Beratung, wie und wann sie die Kinder mit ihrer
Krankheit loslassen und eine neue Rolle akzeptieren können.
Wichtig für eine erfolgreiche Transition ist außerdem, dass Kinder- und
zukünftige Erwachsenenrheumatologen eng vernetzt werden und während
einer Übergangszeit gemeinsam behandeln.
Informationen über Transitionsprogramme für Kinder und jugendliche
Rheumatiker gibt es bei der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie,
der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. oder bei der Deutschen
Gesellschaft für Transitionsmedizin.
Linktipps:
Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V.:
http://dgrh.de/9401.html
Am 17. und 18. November 2017 findet in München ein Kongress zum Thema
des Übergang vom Kinderarzt in die Erwachsenenmedizin statt.
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Informationen unter:
http://www.transitionsmedizin.de/
Speziell für Jugendliche mit Rheuma:
https://mein-rheuma-wird-erwachsen.de/
Für Jugendliche mit chronischen Krankheiten:
http://www.between-kompas.de/
Rheuma – richtig behandelt kein Schreckgespenst mehr
Experte:
Prof. Dr. med. Hendrik Schulze-Koops, Schwerpunktprofessor für
Rheumatologie und Klinische Immunologie am Klinikum der Universität
München (LMU) und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für
Rheumatologie e.V.
Autorin: Katharina Hübel
Bei Rheuma handelt es sich im engeren Sinne um Entzündungserkrankungen,
ausgelöst durch das Immunsystem, das den eigenen Körper angreift.
Schmerzen in den Gelenken sind eines der häufigsten Symptome. Doch auch
Gefäße, innere Organe, die Augen oder die Wirbelsäule können betroffen sein.
Insgesamt gibt es über 400 Arten von Rheuma – und nicht immer gelingt die
Diagnose zeitnah. Das kann verheerend sein, denn bereits nach sechs bis
zwölf Wochen kann die Krankheit chronisch sein und beispielsweise Gelenke
oder Organe zerstört haben. Ein zerstörtes Gelenk kann selbst die moderne
Medizin nicht wieder herstellen. Doch inzwischen gibt es zumindest gute
Möglichkeiten, die Krankheit selbst lebenslang gut in den Griff zu bekommen,
dadurch die Lebenserwartung und vor allem die Lebensqualität der Patienten
zu verlängern beziehungsweise zu verbessern.
Der Text beruht auf einem Interview von Katharina Hübel mit Prof. Dr. med.
Hendrik Schulze-Koops, Inhaber der Schwerpunktprofessur Rheumatologie und
Klinische Immunologie am Klinikum der Universität München (LMU) und
Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V.
„Wilhelm Busch hat gesagt: Was man sich nicht erklären kann, sieht man als
Rheumatismus an. Das ist leider die Wahrheit, auch für viele Fachkollegen, die
nicht weiter wissen, wenn bei Patienten bestimmte Konstellationen vorliegen.
Rheuma an sich ist ein weiter Begriff. Er bezeichnet erstmal, dass es ein so
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genannter fließender Schmerz im ganzen Körper ist.“ Prof. Hendrik SchulzeKoops
Abgrenzung: Rheuma – Arthrose – Gicht
„Arthrose“ ist die geläufige Bezeichnung für die so genannten degenerativen
rheumatischen Erkrankungen. Sie betrifft jeden Fünften. Arthrose kommt durch
Abnutzung zustande und nicht durch eine Entzündung, die Voraussetzung ist
für Rheuma in dem Sinne, wie die Innere Medizin es definiert.
Zwar schmerzen auch bei der Arthrose die Gelenke und lassen sich nur noch
schwer beugen, doch selten ist die Arthrose von einer Schwellung begleitet. Vor
allem unter Belastung schmerzen bei Arthrose die Gelenke. Ein warmes
Wasserbad lässt die Schmerzen im arthrotische Gelenk zurückgehen, ein
rheumatisches, arthritisches Gelenk, das entzündet ist, schmerzt hingegen
weniger in kaltem Eiswasser. Denn das arthritische Gelenk ist sehr erhitzt, stark
durchblutet, geschwollen und gerötet.
Auch Gicht kann zu rheumatischen Beschwerden führen, ist allerdings eine
Ablagerungserkrankung und hat somit andere Ursachen als Rheuma im
engeren Sinne.
„Rheuma, wie wir es in der Inneren Medizin definieren, umfasst die
Erkrankungen, die durch ein fehlgeleitetes Immunsystem dazu führen, dass
sich Entzündungen am Bewegungsapparat entwickeln, die zu Schmerzen
führen.“ Prof. Hendrik Schulze-Koops, Vizepräsident Deutsche Gesellschaft für
Rheumatologie
Rheuma ist also keine Erkrankung der Gelenke, sondern eine
Autoimmunerkrankung.
Rheuma erkennen - Die richtige Diagnose
Grundvoraussetzung für die Diagnose „Rheuma“ ist, dass man eine
Entzündung im Körper nachweisen kann. Bei Rheuma ist das Grundproblem
das Immunsystem, das körpereigene Strukturen, in dem Fall Knorpel, Knochen
und Sehnen oder auch Gefäßinnenwände, angreift. Wenn das Immunsystem
selbstzerstörend tätig wird, dann ist das allerdings nicht nur beispielsweise an
den Gelenken, sondern überall im Körper nachweisbar.
Symptome:
• Arthritis-Patienten fühlen sich leistungsschwach, sie haben
Nachtschweiß, haben Fieber, erheblichen Gewichtsverlust, den sie sich
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nicht erklären können; die Patienten fühlen sich insgesamt so, als hätten
sie eine Grippe, das jedoch über Wochen und Monate
je nach Rheuma-Art Schmerzen in den Gelenken,
Funktionseinschränkung der Gelenke (siehe
Gelenkerkrankungen/Rheumatoide Arthritis/Polyarthritis), aber auch
beispielsweise eingeschränkte Sehkraft, Hautnekrose oder auch
Niereninsuffizienz (siehe Gefäßerkrankungen/Vaskulitis)
Entzündungswerte kann man im Blut nachweisen
Checkliste: Die fünf Kardinalsymptome einer Entzündung
• Entzündetes Gewebe ist rot.
• Es ist warm.
• Es ist geschwollen.
• Es tut weh.
• Es hat eine Funktionseinschränkung, man kann das Gelenk nicht mehr
beugen.
Fazit:
Eine entzündlich-rheumatische Erkrankung an den Gelenken kann der Internist
sehr klar und einfach abgrenzen zu einer nicht-entzündlichen Krankheit, die mit
Gelenkschmerzen einhergeht.
Das Problem ist allerdings, dass oft sehr viel Zeit vergeht, bis ein Patient beim
richtigen Facharzt angekommen ist, der diese Diagnose stellen kann. Die
grippeähnlichen Symptome, die anfangs kommen und dann auch wieder
gehen, erregen meist zunächst weder beim Patienten noch beim Hausarzt
einen Verdacht. Selbst wenn eine Entzündung im Blut festgestellt wird,
verschreibt der Hausarzt meist erstmal Antibiotikum und Schmerzmittel. Erst
wenn die Symptome chronisch werden, dämmert es Arzt und Patient, dass
etwas anderes dahinterstecken könnte. Für Ärzte, die nicht so häufig
Rheumapatienten betreuen, durchaus eine Herausforderung, dann auf die Idee
Rheuma zu kommen. Daher vergehen oft Wochen bis Monate, manchmal
sogar Jahre, bis Rheumapatienten in die Betreuung von Rheumatologen
kommen.
Rheuma rechtzeitig behandeln - Frühe Diagnose ist wichtig
Die Empfehlung der Rheumatologen ist, dass sich der Patient innerhalb von
sechs Wochen nach Beginn der Symptome einer Arthritis bei einem
Rheumatologen vorstellt, spätestens zwölf Wochen nach Beginn sollte die
Therapie beginnen, damit man die Entzündungsreaktion stoppen kann, die
körpereigenes Gewebe, Gelenke, sogar Organe kaputt machen kann.
„Die Realität in Deutschland ist, dass ein Jahr vergeht, bis der Patient bei einem
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Rheumatologen ist, die Hälfte der Patienten erst innerhalb der ersten zwei
Jahre. Für bestimmte entzündliche Erkrankungen, vor allem im Bereich des
Rückens, ist die durchschnittliche Dauer von Beginn der Symptome bis zur
Vorstellung beim Rheumatologen fünf bis acht Jahre.“ Prof. Hendrik SchulzeKoops, Vizepräsident Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie
Wer das Glück einer frühen Diagnose und dementsprechend frühen Therapie
hat, kann unter Umständen sogar vollständig geheilt werden, und die
Autoimmunreaktion kann gestoppt werden.
Daher bieten immer mehr Rheumatologen so genannte „FrüharthritisTelefone“ an, wo die primär den Patienten versorgenden Ärzte bei
ausreichendem Verdacht Rat holen und Termine vereinbaren können.
„Wir haben bis zu 500 Anrufe am Tag, was uns einerseits zeitlich sehr
herausfordert, andererseits aber auch freut. Um Patienten in einer frühen
Phase einer Arthritis helfen zu können, müssen wir aus Kapazitätsgründen das
Gespräch mit dem primär versorgenden Arzt der Patienten, dem Internisten,
Hausarzt oder Allgemeinmediziner, suchen. Dann können wir mit den Kollegen
das weitere Vorgehen besprechen und Empfehlungen direkt über den
Primärversorger an den Patienten weitergeben. Die Möglichkeit, über das
Früharthritistelefon mit Patienten zu sprechen oder Patienten am Telefon zu
beraten, würde allerdings die Kapazitäten der Früharthritisambulanz sprengen.
Wenn Sie als Primärversorger einen Patienten haben, der nicht länger als drei
Wochen eine Gelenkschwellung hat und zusätzlich einen Laborwert, der auf
eine systemische Entzündung hinweist, dann sind Sie herzlichen eingeladen,
uns – und viele der niedergelassenen Kollegen – über eines der
Früharthritistelefone zu kontaktieren und einen Termin für Ihren Patienten zu
vereinbaren. Bei uns soll ein Patient mit einem hinreichenden Verdacht auf das
Vorliegen einer Früharthritis innerhalb von zwei bis drei Tagen einen Termin zur
Vorstellung erhalten.“ Prof. Hendrik Schulze-Koops, Vizepräsident Deutsche
Gesellschaft für Rheumatologie
Varianten von Rheuma - Einige Ausprägungen von Arthritis
Rheumatoide Arthritis
Bei den entzündlichen Immunerkrankungen ist die rheumatoide Arthritis, früher
primär chronische Polyarthritis genannt, die häufigste Erkrankung. Sie betrifft
ein Prozent der Bundesbürger. Bei der rheumatoiden Arthritis werden unter
anderem Knorpel, Knochen und Sehnen angegriffen.
Es handelt sich dabei um eine Entzündungserkrankung des Bindegewebes, die
sich vor allem an den Gelenken manifestiert. Es können daher auch Weichteile,
Schleimbeutel, innere Organe oder Augen mitbetroffen sein.
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Anfangs zeigt sich die Krankheit in leichter Ermüdbarkeit, flüchtigen
Gelenkschmerzen und -schwellungen, erhöhter Temperatur und Schwäche in
den Händen beim Anheben von Gegenständen. Typisch für die rheumatoide
Arthritis ist die Morgensteife in den Gelenken, die im Laufe des Tages langsam
nachlässt.
Die Symptome kommen in Schüben, steigern sich, meist beginnt es in den
Händen, die Gelenke können im Verlauf der Zeit zerstört, auch deformiert
werden. Die Funktion der Gelenke wird bis zur Unbeweglichkeit hin
eingeschränkt, oft sind Sehnenscheiden mit betroffen.
Vaskultis
0,1 Prozent der deutschen Bevölkerung haben eine Vaskulitis: Das sind
entzündliche Gefäßerkrankungen, die auch zu Rheuma zählen, weil die
Grundursache der Erkrankung genau dasselbe ist wie bei den Arthritiden, also
den entzündlichen Gelenkerkrankungen: das Immunsystem, das die falsche
Information bekommen hat, körpereigene Strukturen zu zerstören.
Bei dieser Gefäßerkrankung wird die Innenhaut der Gefäße angegriffen. Die
Schwellung der Gefäßinnenwand bedeutet, dass der Blutfluss extrem langsam
wird und das Blut nur noch als Rinnsal weiterfließt. Das Resultat ist, dass das
Organ, das hinter der Entzündung steckt, minder versorgt wird.
Mögliche Symptome bei Vaskulitis zusätzlich zu den oben beschriebenen
generellen Symptomen bei Rheuma:
• Befall innerer Organe (Herz, Lunge, Niere)
• Befall der Augen (Verlust der Sehschärfe)
• Befall der Nerven
• Befall der Haut (Absterben der Haut)
Dass es sich um eine Vaskulitis handelt, kann der Arzt mittels Biopsie
beweisen, indem er ein Stück des Gefäßes entnimmt und unter dem Mikroskop
anschaut. Bei einigen Vaskulitiden kann auch ein radioaktives
Nachweisverfahren angewandt werden, welches hyperaktive, entzündete Zellen
markiert und deren Lage optisch nachvollziehbar macht.
Axiale Spondyloarthritis/Morbus Bechterew
0,5 Prozent der Menschen in Deutschland leiden an Morbus Bechterew – das
sind fünf Prozent aller Menschen mit chronischem Rückenschmerz. Bei Morbus
Bechterew handelt es sich um einen entzündlichen Rückenschmerz, der meist
in der Kreuz-Darmbein-Gegend beginnt. In Einzelfällen bilden sich
schmerzhafte Knochenwucherungen bis hinauf in die Wirbelsäule.
Die Wirbelgelenke entzünden sich, können sich versteifen und dadurch den
Rücken unbeweglich machen. Manchmal verkrümmt auch die Wirbelsäule, so
dass nur noch ein gebeugter Gang möglich ist. Bei manchen Betroffenen wird
die Beweglichkeit des Brustkorbs und damit die Atmung beeinträchtigt.
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Im Gegensatz zum häufiger vorkommenden so genannten mechanischen
Rückenschmerz zeichnet sich der entzündliche Rückenschmerz durch das
nächtliche Aufwachen in der zweiten Nachthälfte aus, auch liegt eine
Morgensteife vor. Wenn sich der Patient bewegt, werden die Rückenschmerzen
weniger.
Begleitet sind die Rückenschmerzen oft auch von Arthritis in den Hand- und
Fußgelenken, manchmal sind auch Augen, Haut und Darm mit betroffen.
Kollagenosen
Der Begriff „Kollagenosen“ (entzündliche Erkrankungen des Bindegewebes)
umfasst eine Gruppe von ähnlich seltenen rheumatischen Erkrankungen wie
die primären Vaskulitiden. Ihr Name ist irreführend, da er den Schein erweckt,
die Krankheiten hätten ihre Ursache primär im Bindegewebe. Doch heute ist
bekannt, dass ihnen Autoimmunprozesse zu Grunde liegen, wie bei allen
entzündlichen Rheumaformen. Charakteristisch ist, dass Rheuma bei den
Kollagenosen sprichwörtlich „unter die Haut“ geht. Frauen sind häufiger
betroffen, ohne dass dafür der Grund bekannt ist. Da das Immunsystem auch
bei den Kollagenosen aktiviert ist, sind die Patienten häufig schlapp, müde,
erschöpft, ohne dass spezifische Organbeteiligungen vorliegen müssen.
Zu Kollagenosen gehören:
• Systemischer lupus erythematodes (SLE):
Betrifft vor allem junge Frauen, beginnt häufig zwischen dem 25. und 35.
Lebensjahr. Gelenke, Haut und häufig auch innere Organe sind in
Mitleidenschaft gezogen.
• Sjögren-Syndrom:
Beim Sjörgen-Syndrom sind die Drüsen, die Sekret nach außen
abgeben, entzündet und die Entzündung zerstört diese Drüsen im
Verlauf der Erkrankung. Der Mund wird sehr trocken, da kaum noch
Speichel gebildet wird. Auch brennen die Augen, da zu wenig
Tränenflüssigkeit produziert werden kann. Wenn die Drüsen des
Urogenitaltraktes betroffen sind, kommt es zum Brennen der trockenen
Schleimhäute im Vaginalbereich. Das Brennen und Jucken ist nicht nur
sehr störend sondern zeigt auch an, dass die üblicherweise durch den
Schleim geschützten Schleimhäute anfällig sind für bakterielle
Infektionen.
• Systemische Sklerose (SSc):
Bei der systemischen Sklerose (früher auch Sklerodermie genannt)
verhärtet sich vor allem die Haut der Patienten, aber es können
beispielsweise auch Lunge und Herz betroffen sein können.
• Dermatomyositis/Polymyositis:
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Betrifft vor allem Frauen zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Die
Patienten leiden an Muskelschwäche, weniger an Muskelschmerzen.
Auch bei diesen Erkrankungen können innere Organe befallen sein.
• Antiphospholipid-Syndrom (APS):
Kann ohne Vorliegen einer anderen Kollagenose auftreten (primäres
APS) oder in Begleitung eines SLE (sekundäres APS). Die Betroffenen
bekommen Thrombosen und Embolien, weil die Blutgefäße sich
verschließen, und haben das Risiko, Fehlgeburten zu erleiden, wenn
sich die Thrombosen im Mutterkuchen entwickeln und damit die
Blutversorgung des Embryos behindern.
• zahlreiche Mischformen
Warum greift sich der Körper an? Ursachen für Arthritis
Was ist die Ursache dafür, dass das Immunsystem den eigenen Körper angreift
und Arthritis bewirkt?
„Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage. Das weiß man nicht genau. Es gibt eine
ganze Reihe von Ideen, warum das so sein könnte, bewiesen ist jedoch mit
wenigen Ausnahmen nichts.“ Prof. Hendrik Schulze-Koops, Vizepräsident
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie
These 1: Umweltfaktoren
Zwei Umweltfaktoren sind tatsächlich bekannt, die eine Rolle bei Rheuma
spielen: Ungeschütztes Sonnenlicht und Sonnenbrand sowie, Tabakrauchen.
„Die Noxen des Rauchens (Anm.: Noxen sind Stoffe, die eine
krankheitserzeugende Wirkung auf einen Organismus haben) aktivieren
tatsächlich molekular das Immunsystem in der Lunge. Dadurch erhöht sich die
Wahrscheinlichkeit, dass sich das Immunsystem dann als nächstes gegen
körpereigene Strukturen wendet, weil es denkt, die Lunge sei geschädigt. So
kann die Autoimmunerkrankung, das Rheuma, starten.“ Prof. Hendrik SchulzeKoops, Vizepräsident Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie
Möglicherweise schaden auch eine zu hohe Salzkonzentration in der Nahrung
und ein zu hoher Fleischkonsum.
„Autoimmunreaktionen passieren in jedem Körper, wahrscheinlich sogar ein
Mal pro Sekunde: Das Immunsystem startet in guter Absicht eine Reaktion
gegen körpereigenes Gewebe, korrigiert sich aber genauso oft und bremst sich
wieder ein. Das heißt aber tatsächlich: Autoimmunreaktionen sind in jedem von
uns angelegt, aber die meisten werden nicht krank. Wenn jedoch die
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Regulationsphänomene schwächer werden, beispielsweise durch einen
Sonnenbrand, durch Zigarettenrauch, durch Kochsalz, durch einen Virusinfekt,
dann kann es zu Autoimmunphänomenen kommen, die man klinisch messen
kann. Wenn davon zu viele zusammen kommen, kommt es auch irgendwann
zu Autoimmunerkrankungen.“ Prof. Hendrik Schulze-Koops, Vizepräsident
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie
These 2: Die Gene
Bislang gibt es keinen Nachweis, dass ein einzelnes Gen an der Entstehung
von Rheuma beteiligt ist. Es besteht aber eine genetische Veranlagung zu
Rheuma, was sich dadurch äußert, dass Rheuma in manchen Familien gehäuft
vorkommt und bei rheumatischen Erkrankungen bestimmte Genvarianten
überzufällig häufig nachgewiesen werden können.
These 3: Viren und Infektionen
Bestimmte Viren und Infektionen stehen unter dem Verdacht, Rheuma zu
verursachen, bislang fehlen jedoch die eindeutigen Beweise.
These 4: Hormone
Frauen sind von den allermeisten Autoimmunerkrankungen häufiger betroffen.
Allerdings fehlt bislang der Beweis, dass Hormone dafür unmittelbar
verantwortlich sind. Auch spricht gegen die Idee, dass die weiblichen Hormone
ursächlich für Rheuma verantwortlich seien, die Beobachtung, dass junge
Mädchen und Frauen nach der Menopause ebenfalls häufiger betroffen sind,
als junge Knaben bzw. Männer im höheren Lebensalter
Allerdings gibt es die Vermutung, dass die Sexualhormone eine Auswirkung
darauf haben, wie sich der weibliche Organismus - anders als der männliche mit den Bakterien des Darmes auseinandersetzt. Und das wiederum könnte die
Wahrscheinlichkeit einer Autoimmunerkrankung beeinflussen.
Rheuma behandeln - Therapiemöglichkeiten
„Es gibt heutzutage einige Medikamente, die sehr gut wirken gegen die
Entzündung im Körper und damit auch gegen die Symptome einer
entzündlichen Rheumaerkrankung, wie z.B. die Arthritis. Leider weiß man nicht
vorher, bei welchem Patienten welche Medikamente helfen. Die Chance, dass
ein Medikament wirkt, ist in der Regel bei 60 bis 70 Prozent gegeben. Bei
manchen Patienten muss man einige Medikamente durchprobieren. Doch
letzten Endes können wir heutzutage das realistische Ziel ausgeben, dass wir
die Entzündungsreaktion beim Patienten vollständig ausschalten wollen.“ Prof.
Hendrik Schulze-Koops, Vizepräsident Deutsche Gesellschaft für
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Rheumatologie
Viele Patienten können mit einer gut eingestellten Medikamententherapie
Rheuma in den Griff bekommen. Die Frage ist, ob sie ein Leben lang die
Medikamente weiter nehmen müssen, wenn die Entzündung vollständig
verschwunden ist. Derzeit werden weltweit Kriterien dafür entwickelt, bei
welchen Patienten es vorstellbar wäre, die Medikamente wieder abzusetzen,
und bei welchen es eher riskant wäre, die medikamentöse Therapie zu
beenden. Noch herrscht darüber keine Klarheit. Allerdings zeigt die Statistik,
dass nach zwei Jahren fünfzig Prozent der Patienten, bei denen die
Medikamente abgesetzt wurden, wieder Arthritis-Symptome hatten.
„Ehrlicherweise sollte man davon ausgehen, dass die meisten Patienten die
Medikamente lebenslang nehmen müssen. Allerdings kann man wohl
zumindest Phasen ausprobieren, in denen die Medikamente nicht genommen
werden müssen.“ Prof. Hendrik Schulze-Koops, Vizepräsident Deutsche
Gesellschaft für Rheumatologie
Kortison
Als erste Maßnahme, um die Entzündungsreaktionen zu blockieren, wird in der
Regel niedrig dosiertes Kortison für wenige Wochen Dauer verschrieben. Meist
ist die maximale Dosis 20 bis 30 mg am Tag über drei bis sechs Wochen.
„Kortison ist das beste Medikament gegen Entzündungen. Ohne geht es nicht.
Es ist wie das Wasser der Feuerwehr: Da können Sie noch so viel Angst
haben, dass durch Wasser letztendlich ganz viele Kollateralschäden in dem zu
löschenden Haus entstehen. Erstmal muss das Feuer gelöscht werden, und
das können wir in der Medizin mit nichts besser machen, als mit Kortison. Aber
wir sind heutzutage niemals mehr gut beraten, Kortison langfristig einzusetzen,
das dürfen wir auch gar nicht. Zum einen, weil wir die Nebenwirkungen des
Kortisons genauso fürchten, wie die Patienten das auch tun, und wir wissen
auch, dass der Einsatz einer Kortisontherapie über mehr als sechs Monate bei
ganz, ganz wenigen Erkrankungen überhaupt noch sinnvoll ist. Aber Kortison
ist für uns kein Teufelswerk, sondern eine Wundersubstanz, die wir dann
einsetzen, wenn es wirklich brennt im Patienten.“ Prof. Hendrik Schulze-Koops,
Vizepräsident Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie
Wenn der Patient binnen der ersten drei Wochen nach erstmaligem Auftreten
der Symptome Kortison bekommt, kann es sogar sein, dass die Arthritis gar
nicht erst chronisch wird.
Basistherapeutika
Der schnelle und kurze Einsatz von Kortison ist auch deshalb notwendig, weil
die so genannten Basistherapeutika für Rheuma erst nach vier bis sechs
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Wochen überhaupt wirken. Beginnen sie zu wirken, kann das Kortison
ausgeschlichen werden. Seit vielen Jahrzenten werden die Basistherapeutika
eingesetzt. Seit 1988 ist das am häufigsten verwendete Medikament, das
Methotrexat, für die Behandlung rheumatischer Erkrankungen zugelassen.
Neben dem Methotrexat gibt es eine ganze Reihe anderer Medikamente, die
das Ziel haben, die Aktivität des Immunsystems einzudämmen.
Methotrexat ist auch aus der Tumortherapie bekannt. Dort wird das
Medikament allerdings in der fünfhundertfach erhöhten Dosis eingesetzt. Bei
Rheuma werden in der Regel 15 bis 25 mg pro Woche in einmaliger Dosierung
gegeben. Damit kann man die Erkrankung bei 40 bis 60 Prozent der Patienten
soweit beruhigen, dass die spontane Entzündung nicht mehr stattfindet, bei
vielen sogar überhaupt nicht mehr im Blut nachweisbar ist.
Biologika/Biologicals
Seit Anfang des Jahrtausends gibt es einige Medikamente, die gezielt in das
Immunsystem eingreifen. Diese so genannten „Biologika“ sind biologisch
hergestellte Eiweiße. Sie funktionieren ähnlich wie Antikörper gegen Viren, nur,
dass sie sich speziell gegen Bestandteile aus dem Immunsystem richten.
Dadurch wird das Immunsystem heruntergefahren, die Immunantwort wird
blockiert, die gegen körpereigene Strukturen abläuft.
„Die Biologika haben die Therapie der Immunreaktionen revolutioniert, damit
kann man die falsch ablaufenden Immunreaktionen sehr gut in den Griff
kriegen.“ Prof. Hendrik Schulze-Koops, Vizepräsident Deutsche Gesellschaft für
Rheumatologie
Signaltransaktionsemittoren/Januskinase-Inhibitoren
Seit März 2017 ist eine ganz neue Generation von chemischen RheumaMedikamenten in Deutschland zugelassen worden. Sie greifen gezielt in die
immunologische Signalübertragung ein.
„Die Zellen müssen immer miteinander kommunizieren, damit eine
Immunreaktion stattfindet. Diese Kommunikation muss vermittelt werden, und
da greifen diese neuen Medikamente ein, sie stören diese Kommunikation.“
Prof. Hendrik Schulze-Koops, Vizepräsident Deutsche Gesellschaft für
Rheumatologie
Physikalische Therapie
Zusätzlich zur medikamentösen Therapie schaffen auch physikalische
Maßnahmen Erleichterung:
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Bei entzündlichem Rheuma mit überwärmten und manchmal geröteten
Gelenken ist Kältetherapie sehr hilfreich. Kältetherapien können
Umschläge oder Kaltluft sein.
Bei Verschleißerscheinungen hilft Wärme: Hier ist es gut, die Muskeln
durch Wärme zu entspannen.
Ergänzende Maßnahmen: Was der Patient selbst tun kann
Lebenswandel
• Nicht rauchen!
• Richtig ernähren
Zurückhaltung bei tierischen Fetten: Tierische Fette sind proinflammatorisch, also entzündungsfördernd. Daher sollten
Rheumapatienten beispielsweise lieber Olivenöl und Margarine statt
Butter nehmen. Eine rein vegetarische Ernährung ist aber auch nicht
empfehlenswert. Professor Schulze-Koops rät zu einer sehr
ausgewogenen, eher mediterranen Kost mit allen Spurenelementen und
Vitaminen: frisches Obst und Gemüse, Fisch und leicht zubereitetes
Fleisch.
• Angemessene Bewegung und Physiotherapie:
Die Gelenke müssen bewegt werden, die richtige Bewegung ist wichtig,
rät Professor Schulze-Koops. Eine übertriebene Schonung der Gelenke
schwächt die Gelenke nur.
• Stress reduzieren
Auf Immunzellen befinden sich tatsächlich Stressrezeptoren. Zwar
erschließt sich rein von der Evolution her gedacht der Sinn dieses
Phänomens nicht, denn eigentlich gibt es keinen ersichtlichen
Zusammenhang zwischen Stress-Situationen wie „Achtung, ein Tiger!“
oder „Wie bekomme ich Nahrung?“ und dem Immunsystem, das für die
Abwehr von Viren und Bakterien verantwortlich ist. Dennoch ist es
nachweislich so. Die Neuro-Immunologie beschäftigt sich derzeit damit
herauszufinden, was das mit der Ursache von
Entzündungserkrankungen zu tun hat. Aber bereits zum jetzigen
Zeitpunkt lässt sich sicher sagen:
„Jemand, der die ganze Zeit gestresst ist, wird größere Probleme haben,
das Immunsystem zu beruhigen, als jemand, der keinen Stress hat.“
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Naturheilkunde/Chinesische Medizin
Ergänzend zu den Medikamenten der Schulmedizin ist die so genannten PhytoDieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
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Medizin, die pflanzliche Medizin, eine sinnvolle Ergänzung, findet Professor
Hendrik Schulze-Koops.
„In vielen der naturheilkundlichen Pflanzen sind durchaus Wirkstoffe drin, die
entzündungsmediierend eingreifen und sie können unterstützend zur
Schulmedizin wirken. Brennnessel beispielsweise enthält Substanzen, die sehr
ähnlich sind wie Aspirin. Auch die chinesische Medizin kann helfen,
Entzündungen zu hemmen. Allerdings würde ich keine Empfehlung für
Homöopathie aussprechen. Noch habe ich keinen wissenschaftlichen Beweis
gesehen, dass damit irgendein Effekt auf Entzündungen erreicht worden ist.“
Prof. Hendrik Schulze-Koops, Vizepräsident Deutsche Gesellschaft für
Rheumatologie
Fazit: Die großen Schrecken des Rheuma gehören der Vergangenheit an
„Die großen Schrecken der Erkrankung sind mit der richtigen Behandlung
Vergangenheit. Früher hat Rheuma gut zehn Jahre Lebenswartung geklaut.“
Prof. Hendrik Schulze-Koops, Vizepräsident Deutsche Gesellschaft für
Rheumatologie
Rheuma hat durch die moderne Medizin seinen Schrecken weitestgehend
verloren. Auch wenn die Patienten trotz Medikamenten vermutlich ein Leben
lang krank sein werden, erleben sie heutzutage deutlich weniger
krankheitsbedingte Funktionseinschränkungen und können die Symptome
meist sehr gut zurückfahren.
Ohne die Schulmedizin, so die Auffassung von Professor Hendrik SchulzeKoops, kann es schwerlich gelingen, die Entzündungsreaktion auszuschalten,
und die stiehlt Lebenszeit:
„Das Immunsystem kann bis zu 30 Prozent der Energie nehmen, die man
täglich zu sich nimmt. Man kann sich gar nicht so viel Energie zuführen, wie die
Erkrankung einen erschöpft. Wenn das über Jahre geht, dann sind einfach die
Energiereserven aus dem Körper erschöpft. Die Entzündung durch
Medikamente zu hemmen bedeutet, die Lebenszeit, aber vor allem natürlich die
tägliche Lebensqualität der Patienten zu verlängern und zu verbessern.“ Prof.
Hendrik Schulze-Koops, Vizepräsident Deutsche Gesellschaft für
Rheumatologie
Rheumapatienten hatten früher ein deutlich höheres Risiko für bösartige
Tumoren, für schwere Infektionserkrankungen oder für frühe kardiovaskuläre
Verkalkungen. Das muss heutzutage mit der richtigen Behandlung nicht mehr
sein.
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