Qualität im Katastrophenfall Die Klassifizierung der Johanniter als Emergency Medical Team (EMT) Als erste deutsche Organisation legt die Johanniter-Auslandshilfe am 12. Juni eine Prüfung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ab, um eine Klassifizierung als Emergency Medical Team (EMT) zu erhalten. Diese Klassifizierung soll in Zukunft den Zugang zu Katastrophengebieten regeln. Die Johanniter bewerben sich als EMT 1 mobil, also als mobiles medizinisches Nothilfeteam, welches sich im Einsatzland frei bewegen kann, um verletzte Menschen zu versorgen. Bestehen die Johanniter die Prüfung der WHO, sind sie die erste Organisation weltweit in dieser EMT-Kategorie. Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Wirbelstürme sowie Epidemien sind in vielen Regionen der Welt eine reale Bedrohung. Im Katastrophenfall entscheiden nur wenige Stunden oder Tage über das Schicksal hunderter, manchmal sogar tausender Menschen. Die Regierungen der betroffenen Länder haben meist große Schwierigkeiten, gezielt Hilfe anzufordern. Angesichts der Vielzahl internationaler Teams ist es praktisch unmöglich, deren Kompetenzen im Einzelnen zu kennen und sie koordiniert einzusetzen. Um diesem Problem Abhilfe zu schaffen, hat die WHO einheitliche Standards zur Klassifizierung von Hilfsteams erarbeitet, die zukünftig die Organisation und Koordination internationaler Hilfe im Katastrophenfall, schneller und effektiver machen sollen. Die Johanniter sind die erste deutsche Organisation, die nach diesen Standards klassifiziert wird. Hintergrund Als im Januar 2010 der Inselstaat Haiti von einem Erdbeben erschüttert wurde, war die internationale Solidarität groß. Spenden in Millionenhöhe wurden gesammelt und hunderte Hilfsorganisationen brachen auf, um den Menschen in dem teils völlig zerstörten Land Unterstützung zu geben. Dies brachte jedoch mehr Probleme als Lösungen mit sich. Viele der Organisationen verfügten nicht über ausreichend Hilfsgüter, das Personal war nicht qualifiziert und Maßnahmen zur Selbstversorgung waren nicht getroffen worden. Erschwerend kam hinzu, dass sich mehrere Organisationen weigerten, das Koordinierungssystem der Vereinten Nationen anzuerkennen. Im Ergebnis wurden die Plätze in Flugzeugen knapp, Logistik- und Zollkapazitäten reichten nicht aus, um alle Hilfsorganisationen schnell genug abfertigen zu können. Dolmetscher und Fahrzeuge waren nicht in ausreichend großer Zahl vorhanden, um schnell und koordiniert Hilfe in allen betroffenen Teilen des Landes leisten zu können. Die Lage nach dem Erdbeben in Haiti, welche sich bei weiteren Katastrophen in Japan und Nepal wiederholte, war für die WHO Anlass, solch unkoordinierte Hilfe zu beenden und zukünftig nur noch jenen Organisationen Zugang zu Katastrophengebieten zu gewähren, die von ihr als kompetent klassifiziert sind. Ziel ist es, Standards festzulegen und so auch im Katastrophenfall die Qualität der medizinischen Versorgung gewährleisten zu können. 1 Die Klassifizierung Die EMT-Klassifizierung dient dazu, im Falle von Naturkatastrophen oder Epidemien der betroffenen Bevölkerung direkte medizinische Hilfe zu leisten und das lokale Gesundheitssystem bei der Bewältigung seiner Aufgaben zu unterstützen. Das Klassifizierungssystem der WHO sieht drei Stufen vor. Teams, die den EMT 1-Standard erfüllen, bestehen aus rund 25 bis 30 Mitgliedern – darunter mindestens drei Ärzte, neun Rettungsassistenten und eine Hebamme – und können täglich mindestens 50 Patienten ambulant versorgen. Ein EMT 1 mobil ist dafür nicht auf einen festen Standort angewiesen. Der Vorteil: Die Patienten müssen keine langen Wege auf sich nehmen, um Zugang zu medizinischer Versorgung zu erhalten, sondern Ärzte und medizinisches Personal kommen dorthin, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Wer nach EMT 2-Standard klassifiziert ist, bringt einen mobilen Operationssaal mit und hat außerdem 20 Betten für die stationäre Aufnahme. Der EMT 3-Standard entspricht einem mobilen Referenz-Krankenhaus mit mehreren Operationssälen und einer Intensivstation. Für alle drei Klassifizierungsstufen ist der Anspruch, die Teams dazu zu befähigen, schnell, koordiniert und effektiv Hilfe vor Ort zu leisten. Der Klassifizierungsprozess dauert etwa zwei Jahre. Der Fokus liegt dabei auf der Ausbildung und den Zusatzqualifikationen der Helferinnen und Helfern, den medizinischen Standards, der Logistik und dem etwaigen Schließen von Fähigkeits- und Ausbildungslücken. So spielt z. B. die mobile Trinkwasseraufbereitung eine zentrale Rolle – nicht zuletzt, damit die Soforthilfe-Teams ihre Eigenversorgung sicherstellen können. Im Idealfall arbeiten die internationalen Teams während ihres Einsatzes im Katastrophengebiet Hand in Hand mit nationalen Teams. Nationale Teams kennen das Land, sprechen die Sprache und sind mit den kulturellen Gepflogenheiten vertraut. Internationale Teams schließen Versorgungslücken, die hinsichtlich der Kompetenzen oder der Materialausstattung bestehen. Die Klassifizierung der Johanniter-Auslandshilfe Die Johanniter werden ihre Klassifizierung als mobiles EMT 1-Team voraussichtlich am 13. Juni 2017 erhalten und damit als erstes deutsches Team überhaupt bei der WHO registriert sein. Aufgrund von jahrelanger Erfahrung in der weltweiten Soforthilfe verfügen die Johanniter bereits über sehr ausgereifte Einsatzkompetenzen, doch die EMT 1Klassifizierung hat die Standards noch einmal deutlich erhöht. Wenigstens sechs Tonnen Material werden nun in einem eigenen Logistikzentrum in Frankfurt/Main ständig vorgehalten, je nach Einsatzfall und -dauer auch mehr. Innerhalb von 24 Stunden können Team und Material in praktisch jedes Land der Erde ausgeflogen werden. Vor Ort sind die mobilen Einsatzzentren in ca. 90 Minuten einsatzbereit. Mit diesen mobilen Einheiten sind die Teams in der Lage, bis zu 50 Patienten pro Tag zu registrieren und ambulant zu behandeln. Um diesen hohen Grad an Einsatzbereitschaft zu erreichen und auch halten zu können, haben die Johanniter sogenannte „Standing Operation Procedures“ erarbeitet – einen Leitfaden, der vom Selbstbild über die Logistik bis hin zu detaillierten Einsatzvorschriften alles regelt, was im Katastrophengebiet relevant ist. 2