Institut für Therapieforschung IFT, München Heinrich Küfner Optimierung der Behandlung: Folgerungen aus Wirksamkeitsstudien über die Behandlung von Drogenabhängigen IFT 1 Generell geringere Wirksamkeit der Behandlung von Drogenabhängigen im Vergleich zu Alkoholabhängigen Therapieerfolg hinsichtlich Abstinenz (Hauptsuchtmittel, nach 1 Jahr): Stationäre Alkoholismusbehandlung: (Berechnet aus Sonntag & Künzel, 2000) 49% Stationäre Behandlung von Drogenabhängigen (med. Rehabilitation): - basierend auf 3 Studien mit 12-Monatkatamnese 26,7%) - in 11 Studien (Sonntag & Künzel, 2000) 10 – 37% - Stat. Reha-Behandlung (3 Studien, 1- Jahreskat., 34,8% DGSS-3, Küfner, 2012) (20,0 – 47,2%) Vorzeitige Beendigung bei Drogenabhängigen in Reha (Fischer et al 2007) : 68,9% Bei Alkohol/Medikamentenabhängigen (Bachmeier et al 2010) 34,4% (vs. 74,5%) • • Die Grundannahme der ungünstigeren Ergebnisse bei Drogenabhängigen ist in der internationalen Literatur nicht unumstritten: Berglund (2005): Sieht auf Grund einer Schwedischen Meta-Analyse (Berglund & Johansson, 2003, nur RCT Studien) keine größeren Unterschiede des Behandlungserfolgs bei Alkohol- und Drogenabhängigen (bei Pharmakolog. Studien nachvollziehbar, nicht aber bei psychosozialen Therapien) 2 Folgerung und Abgrenzung der Fragestellung: Psychosoziale Therapie bei Drogenabhängigen Folgerung: •In der Reha-Behandlung von Alkohol- und Drogenabhängigen gibt es deutlichere Unterschiede als in den Meta-Analysen, in die bevorzugt RCT Studien und Studien mit einer Kontrollgruppe eingehen. •Verbesserung der Wirksamkeit bei Drogenabhängigen erscheint zwar generell vordringlich, ist aber noch hinsichtlich verschiedener Substanzgruppen zu differenzieren. Zur Fragestellung •Der Schwerpunkt liegt auf der psychosozialen Therapie, auch wenn bei Opiatabhängigen die Kombination mit einer Substitutionsbehandlung wie Methadon eine große Rolle spielt. •Die Rahmenbedingungen Therapiedauer oder das Setting ambulant/stationär stehen nicht im Zentrum der weiteren Darstellung. IFT 3 Hinweise zur Optimierung aus Studien in folgenden Bereichen: 1. Allgemeine Psychotherapieforschung: Insbesondere der Wirkfaktor Therapeut 2. Die Remission von Substanzabhängigen ohne professionelle Hilfe: Welche Faktoren werden hier als bedeutsam für den Ausstieg angesehen? 3. Behandlungsbedarf und Behandlungserfolg: Gibt es eine Teilgruppe von Patienten, für die eine intensivere psychosoziale Therapie nicht erforderlich ist? 4. Verbesserung der Haltequote: Welche Faktoren der Behandlung sind hauptsächlich für hohe Abbruchquoten verantwortlich? 5. Aussagen von Patienten über Zufriedenheit bzw. Nützlichkeit einzelner Therapiekomponenten: Lassen sich daraus Folgerungen für eine Therapieverbesserung ableiten? 6. Verschiedene psychosoziale Interventionsformen in der substitutionsgestützten Therapie: Sind hier zusätzliche Effekte nachweisbar? 7. Eignen sich die Wirkfaktoren von Grawe als Beurteilungsraster zur Therapieoptimierung? IFT 4 Meta-Analyse über psychosoziale Interventionen bei Drogenabhängigen (Dutra et al., 2008) Störungsgruppen: Opiate; Kokain; Cannabis, multipler Substanzmissbrauch Selektion von Studien: gut kontrollierte Studien, aber nicht nur RCT Studien, keine Studien mit sehr kurzer Therapiedauer unter 4 Wo (d.h. ohne MI Studien) Kontrollgruppe: keine andere effektive Therapieform (aber z.B. Kurztherapien.) 34 Studien (mit 2340 Patienten) Cannabis 5 Studien Kokain 9 Studien Opiate 7 Studien Multipl. Subst.missbrauch 13 Studien Folgende Psychosoziale Therapien: -Kontingenzmanagement 14 Studien -Rückfallprävention 5 Studien -Allg. kognitive Therapie 13 Studien -Kogn. Therapie+Kontingenz. 2 Studien -Durchschnittl. Behandlungsdauer: 21 Wochen (4-52 Wochen) - Therapiesitzungen pro Woche: 1,8 (1-3) Erfolgskriterien: a) Therapieabbruch bzw. Haltequote b) Reduzierter Konsum der Hauptsubstanz oder Abstinenz erfasst mit Urin-Kontrollen oder per Selbstaussage Ergebnisse der Meta-Analyse von Dutra et al (2008) Abbruchquoten BG: 35,4% Kokain: 42% Opiate: 37,0% KG: 44,6% Multipler Substanzmissbrau ch: 31,3% Cannabis: 27,8% Abbruchquoten in den untersuchten Therapieformen Kontingenzmanagement Allg. kognitive Therapie (KT) Rückfallprävention KT + KM 29,4% 35,3% 57,0% 44,5% Bemerkungen: •Niedrige Abbruchquote im Vergleich zu deutschen Reha-Studien •Rückfallprävention mit der höchsten Abbruchquote Ergebnisse der Meta-Analyse von Dutra et al 2008: Aggregierte Effektgrößen (Stand. Mittelwertsdifferenzen SMD bzw. d) Nach Selbstbeurt.: 0,61 (0,35-1,2) Nach Urin-Kontrollen: 0,33 (0,17 – 0,49) Gruppe1 Durchschnittl. Gesamteffektstärke: d=0,45 (95%KI: 0,27 – 0,63) (entspricht r=0,22) Effektgröße d (stand. M.diff.)/ r 95%- Konfidenzintervall Abstinenzrate Cannabis 0,81 0,38 0,25 – 1,36 26,0 Kokain 0,62 0,30 0,16 - 1,08 31,7 Opiate 0,39 0,19 0,18 – 0,60 36,2 Multipler Substanzmissbrauch 0,24 0,12 0,03 – 0,44 Kontingenzm. 0,58 0,28 0,25 – 0,90 Kogn. Therapie 0,28 0,14 0,06 – 0,51 Rückfallprävention 0,32 0,15 0,06 – 0,56 KM + Kogn. Therapie (n=2) 1,02 0,51 1 Die Effektgrößen d wurden in Korrelationen umgerechnet (Umrechnung nach Schulze, 2004, S 31) Ergänzende Überblicksarbeiten oder Meta-Analysen Smedslund et al (2011) zum Motivational Interviewing (MI): Effekt von MI über alle Substanzgruppen bezüglich verschiedener Erfolgskriterien Fragestellung: MI vs. Keine Therapie, MI vs. Therapie wie üblich, MI vs. Diagnostik u. Feedback, MI vs. Andere aktive Therapie 59 RCT Studien mit N=13.342 Patienten Ergebnisse: MI vs keine Therapie: Prä-Post: SMD =0,79, kurze Kat.: 0,17, mittlere Kat.: 0,15, lange Kat.: 0,06 n.s. MI vs. Therapie wie üblich: keinerlei sign. Unterschiede MI vs. Diagnostik & Feedback: SMD=0,38 für mittl. Kat. MI vs. Andere aktive Therapie: keine sign. Unterschiede Vergleich mit Meta-Analysen über Effekte von Psychotherapie: Smith, Glass & Miller (1980): d=0,68 r= 0,33 Shapiro & Shapiro (1982): d=0,9 r= 0,41 Cuijpers et al, (2010): bei Depressiven d=0,74, r=0,34 Bei strenger Studienauswahl d=0,22, r=0,11 IFT 8 Bezug zur allg. Psychotherapieforschung: Allgemeine oder spezifische Wirkfaktoren? Hypothese, dass alle Psychotherapieformen etwa gleich effektiv sind und relativ ähnliche Effektstärken aufweisen (vgl. Wampold 2001,2010). Als Erklärung werden allg. Wirkfaktoren verantwortlich gemacht. Unterschiedliche allg. Wirkfaktoren: Welche Rolle spielen Therapiefaktoren im Vergleich zu Patientenund Umfeldmerkmalen? Gibt es Hinweise, dass Therapiefaktoren überhaupt ausreichend Einfluss auf das Therapieergebnis ausüben können? Streit zwischen der Rolle allgemeiner und spezifischer Wirkfaktoren und dieser hält bis heute an. Z.T. auch Argument gegen störungsspezifische Therapieansätze. Zur Klärung der Effekte wird empirisch der Ansatz der Varianzaufklärung eingeführt, um die Bedeutung der einzelnen Faktorengruppen abzuschätzen. IFT 9 Einflussfaktoren und Varianzanteile am Behandlungserfolg in Psychotherapie und Suchttherapie Lambert, 1992, zit in Wampold, 2001 S. 208) Keine stringente statistische Ableitung Allgemeine Therapiefaktoren 30% Therapietechniken/ Verfahren 15% Patienten- u. Umgebungsfaktoren 40% Spezifische Effekte Wampold, 2001 S. 209: 8% Bezogen auf 13% Therapieeffekte Allgemeine Therapieeffekte (etwa 70%) Ungeklärte Varianzanteile (aber nicht spez. Effekte) z.B. Pat.merk22% male Erwartungen (Placebo) 15% Nach Küfner et al 1994: N=40 Krisenberaterprojekt RahmenAbh. Var.: Beding. Therapie12,8% Abbruch 48,8% 2 R =0,79 24,3% Pat.merkm. Aufnahme Therapieangebot 14,5% KontrollMerkm. Küfner & Feuerlein (1989): MEATStudie (N=1410) Abh. Var. Abstinenz R2=0,17 (=100%) 37,1% Therapiefaktoren 57,1% Pat. Merkmale Aufnahme 5,9% Kat.zeit (SHG, StressScore) Folgerungen zur Varianzaufklärung verschiedener Einflussbereiche • Die Varianzaufklärung ist abhängig vom Erfolgskriterium (Abbruch, Abstinenz u.a.), von der Analyseebene (Patienten oder Einrichtungen) und der Analysemethode (Regressionsmethode). • Den Behandlungsmerkmalen kommt wahrscheinlich ein beträchtlicher Varianzanteil zu. • Auch in der Suchttherapie dürften die generellen Aussagen über die größere Bedeutung von unspezifischen gegenüber den spezifischen Therapiefaktoren Gültigkeit haben. • Man kann global die Einflussbereiche Therapeut-Patient Beziehung (einschließl. der therapeutischen Kompetenzen), die Patientenmerkmale, die spezifischen Interventionen (Techniken, Übungen) und soziale Umfeldfaktoren unterscheiden. • Die Therapieentwicklung fokussiert i.w. die störungsspezifischen Interventionen (s. Therapiemanuale) und weniger die allgemeinen Wirkfaktoren. Beide Ansätze escheinen jedoch kompatibel. • Im folgenden werden pragmatisch einzelne Einflussbereiche nach ihrer Evidenz unter dem Gesichtspunkt ihrer Brauchbarkeit für eine Therapieoptimierung untersucht. Ergebnisse zum allgemeinen Therapiefaktor Therapeut bzw. Therapeut-Patient Beziehung • • • • • • • Der Zusammenhang zw. Therapeut-Patient Beziehung und Therapieerfolg ist gut belegt: z.B. Meta-Analysen von Martin et al 2000, Del Re et al, 2012: Effektgröße der Therapeut-Patient Beziehung in der Einzeltherapie: Meta-Analyse Horvath et al 2011: r=.275 Wahrscheinlich ist eher die Arbeitsbeziehung (working alliance) als die emotionale Bindung wichtig für den Therapieerfolg (Webb et al, 2011, bei Depressiven) Auch im Bereich Substanzabhängigkeit große Unterschiede zw. Therapeuten (Najavits et al 2000) Gesichert erscheint der Zusammenhang zw. Therapeut-Patient Beziehung und Haltequote sowie für den Therapieerfolg während der Behandlung von Drogenabhängigen, aber nicht katamnestisch (Meier et al 2005). Bislang unklarer Zusammenhang zw. Manualtreue des Therapeuten und dem Therapierfolg: positiv Adis et al 20006; kein Zus.:Webb et al (2010, Weck et al (2011). Therapeutische Kompetenzen und Therapieerfolg nur teilweise nachweisbar: kein Zusammenhang Webb et al 2010, Weck et al 2011: in 8 von 9 Studien ein Zusammenhang von r=0,14 bis 0,32,) IFT 12 Folgerungen zum Wirkfaktor Therapeut Der allg. Wirkfaktor Therapeut kann am ehesten über Supervision und Intervision erreicht und beeinflusst werden. Einen theoretischen, z.T. auch praktischen Bezugsrahmen dazu könnten die Basisvariablen der Gesprächspsychotherapie (Empathie, Wärme und Echtheit) bzw. die Prinzipien der Motivierenden Gesprächsführung (Miller & Rollnick, 2004) geben. Fokussiert und bearbeitet werden sollte die Arbeitsbeziehung i.S. der Übereinstimmung hinsichtlich Ziele und Wege der Veränderung. Eine direkte Vermittlung von therapeutischer Kompetenz durch Trainings oder die Forderung nach Adhärenz erscheint nicht evidenzbasiert. Ein paarweise Zuordnung von Therapeut und Patient ist bislang evidenz-basiert nicht begründbar. IFT 13 Therapieabbruch als Erfolgskriterium In einer älteren Meta-Analyse über den Zusammenhang von vorzeitiger Therapiebeendigung und Therapieerfolg : r=0,36 (Roch et al 1992) Was sind die Bedingungsfaktoren des Therapieabbruchs? Auf den Einfluss der Therapeut-Patient Beziehung wurde schon hingewiesen (Meier et al 2005). Wie ist der Einfluss von Behandlungsmerkmalen auf den Therapieabbruch? Dazu die Ergebnisse einer älteren eigenen Studie (Krisenberaterprojekt) in 40 Therapieeinrichtungen, die mit Hilfe von Regressionsanalysen untersucht wurden. Quoten vorzeitiger Therapiebeendigung: zw. 43% und 91% IFT 14 Regressionsanalytisches Modell (n = 40) (Krisenberaterprojekt, Küfner et al. 1994) – Drogenfrei bei Aufnahme – Mitentscheidung Team – Sperrfrist bei Wiederaufnahme (ja) – Erlebn.päd. Maßnahmen – Gruppen mit Angehörigen – Sport Varianzaufklärung (-) (+) (+) Aufnahmekriterien R2 = .3813 p = .0006 + (+) (-) Behandlungsangebot R2 = .1919 p = .0060 + R2 = .1168 p = .0232 (-) + – Sanktionen bei Verstoß gegen Rauchbeschränk. – Briefverkehr (beschränkt) R2 = .1099 p = .0576 (-) Kontrollsystem R2 = .1140 p = .0081 + R2 = .0953 p = .0066 (-) Rahmenbedingungen -Teil einer Therapiekette (+) -Therapeut-Pat. Schlüssel (-) -Mit Nachsorge teilstat. (+) Abbruchquoten Gesamtvarianz: R2=.79 + R2=.1013 p=.0272 + R2=.4665 p=.0002 Gründe für Abbruchgedanken und Verbleib (Krisenberater-Projekt Gründe für Abbruchgedanken: 1.Unzufriedenheit mit der Einrichtung 2.Verzweiflung und Unbehagen 3.Probleme im Therapieprozess 4.Mitklienten und deren Abbruch Gründe zum Verbleib: 1.Hoffnung und Nachdenken 2.Bindung an die Einrichtung 3.Schutzfunktion der Therapie IFT 16 Interpretation und Folgerungen für die Reduktion des Therapieabbruchs Abbruchgedanken sind so häufig, dass dieses Thema präventiv angesprochen werden sollte. Die Arbeitsbeziehung zw. Therapeut und Patient ist von Bedeutung, aber schwierig zu beeinflussen. Erlebnispäd. Maßnahmen stärken die Bindung an die Einrichtung. Strenge Regeln und Sanktionen führen zu einem häufigeren Therapieabbruch (zeigte sich auch in der OSTD- Studie über Substitutionsbehandlung). Bei Maßnahmen mit Angehörigen ist besonders auf eine Tendenz zum Therapieabbruch zu achten. Offen ist die Frage eines negativen Einflusses eines günstigeren Therapeut/Patient Schlüssels. IFT 17 Bedingungsfaktoren des Ausstiegs aus Studien zur Remission ohne professionelle Hilfe • Die in der Literatur genannten hohen Spontanremissionsraten von 60-70% und mehr ( Klingemann & Sobell, 2007) werden m.E. aus methodischen Gründen überschätzt. • Historisch sehr förderlich für die Entwicklung dieses Feld waren Erfahrungen aus dem Vietnam Krieg in den Jahren 1965 bis 1973: 43% der Soldaten nahmen Narkotika, 20% wurden als abhängig beurteilt und nur 5% von den Abhängigen blieben nach Rückkehr in die USA weiterhin abhängig (Robins et al 1993). Es stellt sich die Frage, ob sich aus den zahlreichen Studien Hinweise für eine Optimierung der Therapie ergeben: Zwei Punkte werden hier fokussiert: 1. Die von den Betroffenen angegebenen Gründe für einen Ausstieg aus dem Drogenkonsum. 2. Die Bedeutung von sozialen Beziehungen zu anderen ohne Dogenkonsum (s. auch Scherbaum & Specka, 2008). IFT 18 Gründe für Änderung (natürliche Remission) und für die Aufrechterhaltung einer Änderung ohne Behandlung (N=62 Studien, nach Carballo et al 2007) Gründe für eine Änderung (Ausstieg) Faktoren der Aufrechterhaltung Variable N % Variable Gesundheitsbez. Gründe 28 45,2 Finanzielle Gründe 23 37,1 Neg. persönl. Auswirkungen Soziale Gründe 22 35,5 N % Soz. Unterstützung/ andere soz. Bezugsgr. 25 40,3 21 33,9 18 29,0 Bedeutsame Bezugsperson Vermeidung von Konsumsituationen Selbstkontrolle, Wille Gesetzl. Probleme 17 27,4 Arbeitsbezog. Gründe 13 21,0 Religiöse Gründe 16 25,8 Pos. Pers. Eigenschaften 12 19,4 Arbeitsbez. Gründe 13 21,0 Lebensstil-änderungen 12 19,4 Angst vor Folgen LebensstilÄnderungen Änderung von Lebensverhält. Ander Sicht des Subst.konsums Sehen negativer Effekte auf andere 10 10 16,1 16,1 Finanz. Gründe Gesundheit 10 16,1 10 16,1 9 14,5 Änderung der äuß. Lebenssituat. 9 14,5 9 14,5 7 11,3 IFT 15 24,2 13 21,0 19 Hindernisse für eine Therapie von Substanzabhängigen (zusammengefasst nach Carballo et al 2007) Merkmal Anzahl der Studien n Anzahl der Studien in % Stigma durch das Label Drogenabh. 10 16,1 Therapie nicht erforderlich 9 14,5 Neg. Einstellungen bzw. Erfahrungen mit Therapien 8 12,9 Nicht bereit mit anderen über sich zu sprechen 6 9,7 Kosten 4 6,5 Unbequemlichkeit 4 6,5 IFT 20 Verschiedene Erklärungshypothesen zur Spontanremission bei Drogenabhängigen • Hypothese des Herauswachsens aus der Sucht (Maturing out, Winick, 1962 ) war ursprünglich empirisch nicht überzeugend zu begründen. • Unterschiedliche Verfügbarkeit von Drogen (s. US-Soldaten im Vietnam Krieg) • Änderung des Lebensstils, • Äußere Ereignisse (Job-Wechsel u.a.), die unverträglich mit Drogenkonsum sind, • Soziale Unterstützung • Soziale Beziehungen mit Personen ohne Drogenkonsum (z.B retrospektiv Waldorf, 1983), prospektive Studie von Latkin et al (1999): Die Ausstiegsgruppe (7% der Gesamtgruppe) hatte deutlich weniger Personen mit Drogenkonsum zur Baseline Erhebung. IFT 21 Interpretation und Folgerungen für die Optimierung der Therapie • • • • • Die genannten Gründe dürften auch bei den Drogenabhängigen, die eine Behandlung suchen, eine ähnliche Rolle spielen. Es bestätigt sich einmal die Wichtigkeit negativer Folgen des Drogenkonsums und dies ist vor allem für psychoedukative Ansätze, z.B. bei einer Entzugsbehandlung wichtig. Für die Aufrechterhaltung, aber evtl auch schon für den Ausstieg sind soziale Beziehungen zu Personen ohne Drogenkonsum von erheblicher Bedeutung. Die Frage ist, ob hier von Seiten der Therapie alles unternommen wird, um solche Beziehungen zu fördern (Einbeziehung von Bezugspersonen in die Therapie, Einbindung in neue soziale Gruppen ohne Drogenbezug) Auch der Abbau von Barrieren in der Vorbereitung auf psychosoziale Interventionen bedarf einer systematischen Verbesserung: Besprechen der Stigmatisierung, der negativen Therapieerfahrungen und generellen Vorbehalten gegenüber psychosozialen Therapien (Misstrauen, Befürchtung, die eigene Autonomie zu verlieren, Verlust des eigenen Lebensstils und der bisherigen Freunde) Die subjektive Belastung durch andere Drogenabhängige sollte ernst genommen werden. Daher Verstärkung von Einzeltherapien. IFT 22 Erfassung des Hilfebedarfs Hypothese: Gemessen am Hilfebedarf ist die geringe Akzeptanz psychosozialer Hilfe und die geringe Therapiebereitschaft (gemessen an Abbruchquoten) schwer nachvollziehbar. Zur Erfassung des Hilfebedarfs gibt es unterschiedliche Ansätze: Erfassung der Komorbidität Schweregrad Belastung durch Symptome wie SCL-90 oder BSI Subjektiver Hilfebedarf Therapiebereitschaft IFT 23 Komorbidität bei Drogenabhängigen (nach Merikangas et al 1998, zit in Lieb & Isensee, 2007): Affektive Störung 35% (Darunter am häufigsten Major Depression mit 34,5%) Angststörung 45% (Darunter am stärksten die soziale Phobie mit 26,4%) Zusätzlich Persönlichkeitsstörung 50% (Darunter antisoziale PS mit 30%) IFT 24 Zeitlicher Zusammenhang von komorbiden Angst- und Depressionsstörungen und Drogenabhängigkeit (DSM-IV Diagnosen) (Kessler et al., 2003, zitiert in Lieb & Isensee, 2007) IFT Kontrast zur Therapiebereitschaft für psychosoziale Maßnahmen Ein Teil der Patienten in Substitution möchte keine psychosoziale Hilfe in Anspruch, obwohl es Ihnen angeboten wird. In der Deutschen Heroinstudie haben ca 20% das Angebot MOCA (Motivational Interviewing + Casemanagement, Schu et al 2006, Vogt et al 2007) abgelehnt, im Fall der Psychoedukation waren es 23% (Farnbacher et al. 2007). Nachfolgend der Hiflebedarf in der OSTD-Studie (Optimierung substitutionsgestützter Therapie von Opioidabhängigen) gemessen an Daten des EuropASI Hilfebedarf (Schweregrad-Rating) beurteilt durch Interviewer mit dem EuropASI (OSTD-Studie N=179) 90 Schweregradrating: 0-1 kein echtes Problem, keine Beh. Erforderlich, 2-3 leichtes Problem, Beh. möglicherweise nicht erforderlich, 4-5 Behandlung empfohlen, 6-9 Behandlung notwendig 80 77,1 70 60 50 Behandlung em pfohlen 40 30 20 Behandlung notw endig 33,8 24,3 25,7 23,9 21 21,7 18,6 18,6 13,3 12,1 10 0 21,9 21,9 6,5 Körp. Sit. Arbeit/Unterhalt Alkohol Drogen IFT Rechtl. Sit. Fam . Sit. Psych. Sit Patienteneinschätzung: Subjektive Belastung und Hilfebedarf im EuropASI (erheblich und extrem einer 4-stufigen Ratingskala, OSTD-Studie) 70 65,2 61,6 60 50 40 35,8 36,5 Belastung (erheblich, extrem) 34,8 31 30 34,2 33,1 25 31 Hilfebdarf (erheblich, extrem) 24,3 20,3 20 10 1,5 1,5 0 Körp. Sit. Arbeit/Unterhalt Alkohol Drogen IFT Rechtl. Sit. Fam . Sit. Psych. Sit Folgerungen aus der Beurteilung des Behandlungsbedarfs •Etwa 60 bis 70% der Opioidabhängigen und der substituierten Drogenabhängigen weisen eine komorbide Störung auf. •Besonders häufig sind Angststörungen und affektive Störungen. Unter den Persönlichkeitsstörungen ist die Häufigkeit antisozialer PS bemerkenswert. •Ein beträchtlicher Teil der komorbiden Störungen ist zeitlich vor der Suchtstörung entstanden. Dies kann als Hinweis auf die notwendige Behandlung sowohl der Sucht als auch der komorbiden Störung betrachtet werden (Forderung nach gleichzeitiger Behandlung?) . •Neben der Klassifikationsebene I und II (Persönlichkeitsstörungen) müssen die sozialen und psychosozialen Problembereiche mit betrachtet werden. •Der Behandlungsbedarf gilt auch für die substitutionsgestützte Therapie (durch die Substitution allein geht der Behandlungsbedarf, vor allem bez. Psychischer Störungen kaum zurück. (s. Ergebnisse der PREMOS Studie, Wittchen et al, 2007). OSTD Studie: Vergleich von Einzelveränderungen in den Gruppen mit und ohne Behandlungsbedarf (mind. 1 erhöhter T-Wert versus ohne erhöhten T-Werte (> 60) in einer der 9 Subskalen des SCL-90) Indiv. SCLVeränderungen Gruppe ohne erhöhte TWerte N=16 (=25,8%) n % Mind. 1 pos. Veränderung in den SCL-Skalen (Prä- Kat. Nach 6 Mon.) 212,5 Mind. 1 negative Veränderung 3 18,8 Gruppe mit mind. 1 erhöhtem TWert N=46 n % 3576,1 20 43,5 Chi-Quadr. Test P-Wert P= .000 P = .078 Folgerung: Man sollte das Therapieangebot speziell an jene mit einem entsprechenden Behandlungsbedarf richten. IFT 30 Ansatz Beurteilung der Zufriedenheit und Nützlichkeit einzelner Therapiekomponenten • Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensbereichen wird meist als subjektives Erfolgskriterium in Evaluationsstudien betrachtet. • In Bezug auf Therapiekomponenten können solche Ratings auch zur Therapieverbesserung beitragen (Feedback durch Patienten). • Relativ leicht durchführbar am Ende der Therapie oder auch später. Beispiel: Ergebnisse aus einer 1 Jahreskatamnese einer Suchtfachklinik (N=88) und einem Adaptionshaus (N=62) für die Adaptionsbehandlung Allgemeine Ergebnisse: Reguläre Entlassung: 46,4% (Fachklinik) bzw. 61% (Adaptionshaus) Disziplin. entlassen: 25% 34,1% Kein Subst.konsum: 25% 48,8% IFT 31 Auswahl überwiegend kritische Ratings (Stimmt überwiegend, dichotomisiert nach einer 6-stufigen Skala) Suchtfachklinik N=54 (Küfner, 2008): Stimmt überwiegend: Regeln wurden stur gehandhabt Wurde unfreiwillig zu Sachen gedrängt War für mich nicht die richtige Einrichtung Kann nicht profitieren von Therapie Belastung durch Probleme anderer Pat. 72,2% 57,4% 40,7% 35,2% 33,3% Eher unzufrieden mit: Großgruppe Ansonsten nur zw. 14,8% und 27,8% eher unzufrieden 48,1% Interpretation, Folgerungen: Die Handhabung von Regeln ist ein wichtiger Faktor für Therapieabbruch. Gründe im Einzelnen können sehr unterschiedlich sein, daher Diskussion mit Therapeuten, evtl. auch mit Patienten. Einzelarbeit wird im Vergleich zur Gruppenarbeit unterschätzt. IFT 32 Beurteilung der Zufriedenheit bzw. Nützlichkeit (Adaptionshaus N=40, Küfner 2008) Eher unzufrieden (mehr als ein Drittel) waren Durchführung von Blitzlichtrunden Freizeitangeboten Durchführung des Psychodramas Durchführung der Psychotherapiegruppe Hausgruppe 53,7% 46,3% 39,0% 39,0% 36,6% Eher nicht hilfreich waren (über 50%): Psychotherapie in der Blitzlichtrunde Ärztliche Betreuung oder Beratung Therapeutische Betreuung der Ausgänge Die Teilnahme an den Hausaktivitäten Psychotherapie in der Montagsgruppe 73,2% 65,9% 61,0% 58,5% 56,1% Interpretation, Folgerungen Die Unzufriedenheit mit wesentlichen Therapiekomponenten erscheint beträchtlich. Gründe dafür können unterschiedlich sein Entspricht dies auch der klinischen Erfahrung der Therapeuten? IFT 33 Nicht ausreichend thematisierte Themenbereiche (Suchtfachklinik, Küfner 2008) Sexualität (überwiegend nicht ausreichend1) 77,8% Hafterfahrungen 55,6% Spiritualität (s, auch Yeung et al 2009) 55,6% Verlust durch Tod oder Trennung 50,0% Vertretung für Bezugstherapeut 40,7% Interpretation, Folgerungen: Die oben genannten Themen können in verschiedener Weise angesprochen werden, zum Teil vielleicht besser zuerst im Einzelgespräch (Verlust durch Tod oder Trennung, Sexualität), Spiritualität und Hafterfahrung vielleicht eher in einer themenorientierten Gruppe. 1Rating 1-6 dichotomisiert (1-3) IFT 34 Psychosoziale Interventionen in der substitutionsgestützten Therapie von Opiatabhängigen Die substitutionsgestützte Therapie ist bei Opiatabhängigen am weitesten verbreitet. Die generelle Wirksamkeit der substitutionsgestützten Therapie von Opiatabhängigen ist in fast allen Studien belegt. Die Effekte der psychosozialen Therapie in Kombination mit der Substitution sind dagegen weniger klar und weniger reproduzierbar. Die empirische Evidenz erscheint dazu sehr gemischt. Deshalb nachfolgend ein Überblick zu Ergebnissen von Evaluationsstudien über Effekte psychosozialer Interventionen: IFT 35 Ergebnisse von Meta-Analysen über die Wirksamkeit psychosozialer Interventionen in der Substitution Meta-Analyse Fragestellung, Studien Ergebnisse Mayet et al 2005 Psychosoz. Therapie (PST) allein vs. Substitution,5 Studien vs. Substitution wie üblich PST+Substitution vs. Substitution allein 12 RCT Studien, N= 981 Nur im Prä-Post Vergleich, im Follow-up kein Effekt, tendenziell schlechter Amato et al., 2004 Amato et al, 2008 PST+ Substitution vs. Substitution wie üblich 28 Studien , N= 2945 Amato et al., 2010 Entzugsbehandlung mit u. ohne PST Amato et al, 2011 PST+Substitut. vs. Substitution wie üblich 35 Studien, 4319 Pat., 13 verschiedene psychosoz.. IFT Interventionen Kombi-Therapie mit weniger Heroinkonsum auf , aber nur während der Therapie(RR=.69), Haltequote nicht sign. Höher, nur Konting.therapie mit sign. Effekt . Jetzt Effekt auf Abstinenz (RR=1,15), aber keine der 12 psychosozialen Interventionen erreicht Signifikanz PST mit sign. pos. Effekt auf Haltequote, geringerer Heroinkonsum. Keinerlei sign. Effekte nachweisbar im Vergleich zu Therapiewie üblich (einschränkende Erklärung siehe nächste Folie) 36 Ergebnisse von Meta-Analysen über die Wirksamkeit psychosozialer Interventionen in der Substitution II Wichtige Beschränkung in der Studie von Amato et al 2011: Kontrollgruppen sind routinemäßig auch mit dem Angebot von Beratungssitzungen verbunden. Deshalb beziehen sich die Aussagen mehr auf die Frage eines zusätzlichen Effekts eines spezifischen, stärker strukturierten psychosozialen Therapieprogramms im Vergleich zum üblichen Angebot einer psychosozialen Beratung. Interpretation und mögliche Folgerungen: •Die Ergebnisse stehen in Diskrepanz zu dem hohen Behandlungsbedarf. •Sinnvoll erscheint, eine Teilgruppen der Substituierten abzugrenzen, die keine psychosoziale Intervention braucht. •Die bisherigen psychosozialen Programme sind zu wenig intensiv und sollten eher einer tagesklinischen Behandlung entsprechen oder stationär erfolgen.. IFT 37 Weitere Bemerkungen zu den Meta-Analysen über die Wirksamkeit psychosozialer Therapie in der Substitution • Die RCT-Studien haben meist nur kurze Therapiezeiten, kurze Follow-up Zeiten und kaum Breitbandtherapien, so dass generalisierende Folgerungen nur für den Bereich der erfassten Therapieformen gelten. • Psychosoziale Therapie allein ist tendenziell schlechter als standardmäßige Substitutionstherapie. • Zusätzliche Effekte psychosozialer Therapie hinsichtlich Reduzierung des Heroinkonsums lassen sich offenbar nicht als stabil nachweisen. • Zur Zeit erscheinen Effekte psychosozialer Therapie bei der Entzugsbehandlung eindeutiger nachweisbar als bei der Aufrechterhaltungstherapie. • Die Effektstärken sind insgesamt gering. • Bezüglich einzelner Methoden oder Formen von psychosoz. Ther. lässt sich jetzt nicht einmal mehr das Kontingenzmanagement als effektiv nachweisen. • Die Ergebnisse signalisieren komplexe Zusammenhänge und oft wenig stabile, möglicherweise auch zeitlich verschobene Wirkungen. • Die bisherigen psychosozialen Programme sind zu wenig intensiv und sollten eher einer tagesklinischen oder stationären Behandlung entsprechen. IFT Überblick: Beschreibung von Therapieprogrammen nach den Wirkfaktoren von Grawe (1995) Problemfokussierung/ perspektive 1. Wie werden Probleme und Kann sich auf Motivationen und Defizite aktualisiert? Kompetenzen beziehen Übungen Motivationsförderung/perspektive 2. Wie werden TherapieMotivationen gefördert? Kann sich auf Ressourcen und Probleme beziehen Fördern positiver Erwartungen prozesse Intrapersonal und interpersonell 4. Wie wird konkrete Hilfe geleistet? 3. Wie werden Ressourcen aktiviert? Kann sich auf Motivationen und Kompetenzen beziehen 5. Wie wirkt die Therapeut/ Klient Beziehung? Aktive Hilfe: Kompetenzperspektive Problembewältigung Lösungsorientierung Lernen von Kompetenzen Ressourcenaktivierung/perspektive Beziehungsperspektive i.w.S. Störungsspezifische Faktoren Evidenz und Grenzen des Modells der allgemeinen Wirkfaktoren nach Grawe • • • • Ableitung auf dem Hintergrund von zahlreichen Evaluationsstudien Hohe klinische Plausibilität Außer dem Faktor Therapeut-Patient Beziehung gibt es nur vereinzelt Belege für die anderen Faktoren: Z.B. Sander et al 2012 bei Depressiven Im Suchtbereich m.W. bislang gar nicht untersucht. Grenzen des Modells: Es fehlen: • Der Körperbezug bzw. neurobiologische Konzepte, z.B. die Einbeziehung der Stress-Achsen (z.T. im Konzept der Neuropsychotherapie integriert, Grawe, 2004) • Die Unterscheidung verschiedener Lebensbereiche • Die Inhaltliche Bestimmung von Motivationen und Antrieb (z.B. Bindungsbedürfnisse, s. Grawe, 2004) • Die Berücksichtigung der Komplexität nicht linearer Prozesse in der Psychotherapie (s. Schiepek, 2012) Fazit: Trotz dieser fehlenden Aspekte wäre es von Vorteil mit einem überschaubaren und klinisch plausiblen Beurteilungsrater an Fragen einer Therapieoptimierung heranzugehen. IFT 40 IFT 41