Veranstaltungsunterlagen Rechtliche Aspekte des Personalmanagements bei Erkrankung von Beschäftigten 04.07. bis 05.07.2016 Brühl Dozentin: Dr. Beatrix Jansen Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung Fachbereich Bundeswehrverwaltung Bundesakademie für öffentliche Verwaltung Lehrgruppe 2 1 A. Der Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall I. Einleitung Die Krankheit gehört zu jenen Schicksalsschlägen des Lebens, denen jeder Mensch ohne Rücksicht auf Person und soziale Stellung ausgesetzt ist. Die Auswirkungen einer Krankheit auf die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Menschen sind daher auch von besonders einschneidender Bedeutung für den Arbeitnehmer, dessen Versorgung in der Regel ausschließlich auf seinem Arbeitsverhältnis beruht, weshalb es der sozialen Absicherung im Krankheitsfall bedarf. Nicht verwunderlich ist daher, dass es kaum einen Bereich des Arbeitsverhältnisses gibt, der so viel Konfliktstoff liefert, wie die interessengerechte Bewältigung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit: Die Arbeitgeber sehen in der Entgeltfortzahlung einen Treibsatz für den beschäftigungsgefährdenden Anstieg der Lohnnebenkosten; für die Gewerkschaften ist diese zum Symbol ihres Kampfes um den sozialen Fortschritt geworden. Dieses Spannungsverhältnis von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen gilt es durch das Recht der Entgeltfortzahlung in ein ausgeglichenes Verhältnis zueinander zu bringen. II. Historische Entwicklung des Rechts der Entgeltfortzahlung Bis in das beginnende 19. Jahrhundert gab es keine Arbeitnehmer im heutigen Sinne. Stattdessen wurde der Lebensunterhalt in der haus- und Produktionsgemeinschaft erworben. Mit der von England einsetzenden Industrialisierung, dem verstärkten Wachstum der Bevölkerung und der Konzentration von Arbeit und Kapital in den Industrielandschaften der Städte setzte jedoch ein grundlegender gesellschaftlicher Wandel ein, der zu einer Verarmung und Entwurzelung der Massen führte. Fortan bestimmte die Fabrikarbeit das Leben vieler Menschen, und der darauf resultierende Arbeitslohn stellte die alleinige Existenzgrundlage dar. Der Lohnanspruch wurde nach den Grundsätzen des Vertragsrechts 2 gewährt: Der Arbeitnehmer hatte seine vertraglichen Pflichten in Person zu erbringen, um seinen Arbeitslohn beanspruchen zu können. War er daran gehindert, war seine Lage ungesichert, da die Gegenleistungspflicht nach dem Äquivalenzprinzip, wonach die Leistung alleine um der gleichwertigen Gegenleistung willen erfüllt wird, entfiel: Ohne Arbeit kein Lohn, was polemisch in die Form gebracht wurde: „Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen, jedenfalls keinen Lohn erhalten.“1 Zwar bestand bereits im älteren deutschen Dienstrecht eine Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Kap. 78 § 1 der preußischen Bergordnung für Schlesien vom 05.06.1769 im Krankheitsfall. Im Deutschen Reich wurde jedoch erstmalig die Lohnfortzahlung bei Krankheit für Handlungsgehilfen im Deutschen Handelsgesetzbuch von 1861 anerkannt und 1897 in § 63 Handelsgesetzbuch (HGB) übernommen; eine entsprechende Regelung folgte 1891 für technische Angestellte in § 133c Gewerbeordnung (GewO). Für alle Arbeitnehmer wurde sie schließlich 1896 in der dispositiven Norm des § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eingeführt. Dies hatte zur Folge, dass die Entgeltfortzahlungspflicht regelmäßig abbedungen und nur die tatsächlich geleistete Arbeit bezahlt wurde, woraus sich die Abhängigkeit im Krankheitsfall von den Leistungen der gesetzlichen Kranken-, Unfall-, Alters- sowie Invaliditätsversicherung ergab. Erst infolge Notverordnung vom 05.06.1931 wurde die Vorschrift zwingendes Recht, wobei der Anspruch auf Angestellte beschränkt war. Veranlasst durch die sozialpolitische Forderung nach arbeitsrechtlicher Gleichbehandlung erkämpften sich die Arbeiter mit Hilfe des längsten Streiks in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 2 1957 das Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle (ArbKrankhG). Ersetzt wurde dieses – zur weiteren Angleichung der überlebten Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten - 1970 durch das Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG). Eine einheitliche Regelung für Arbeiter und Angestellte wurde aufgrund europarechtlicher Vorgaben indes erst mit dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) 1994 verwirklicht. Geändert wurde dieses bereits am 25. April 1996 in Ausführung eines Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung der Bundesregierung 1 Keil, Beweisfragen zur Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, S. 40, unter Bezugnahme auf: BAG vom 17.07.1970, AP Nr.3 zu § 11 MuSchG 1968. 2 In einem sechzehnwöchigen Streik erwirkten 34.000 Arbeiter der Metallindustrie Schleswig-Holstein eine tarifliche Regelung, die Modell für die Normierung stand. 3 (CDU/CSU/FDP-Koalition), um durch Sparmaßnahmen mehr Wachstumsdynamik zu ermöglichen und zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen 3: So wurde eine Wartezeit in § 3 Abs. 3 EFZG eingeführt, wonach der Anspruch erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses entstehen soll. Die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs wurde auf 80 % des Arbeitsentgelts reduziert. Lediglich bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten blieb der volle Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 4 EFZG erhalten. Der neu geschaffene § 4a EFZG eröffnete dem Arbeitnehmer die Option, einzelne Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Erholungsurlaub anrechnen zu lassen, um so für die verbleibenden Tage der Arbeitsunfähigkeit die Zahlung des vollen Entgelts aufrechtzuerhalten. Dem Arbeitgeber wurde das Recht zugebilligt, die ersten zwei Tage einer stationären Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation auf den Erholungsurlaub anzurechnen, § 10 BUrlG a.F. Schließlich schaffte § 4b EFZG dem Arbeitgeber die Möglichkeit, Sondervergütungen für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zu kürzen. In Teilen zurückgenommen wurden die Änderungen des EFZG am 19.12.1998. Die Entgeltfortzahlung wurde wieder auf 100 % des Arbeitsentgelts erhöht, § 4 EFZG. Die Anrechnung von Erholungsurlaub wurde zurückgenommen, § 4a EFZG, wie auch die Anrechnung im Falle einer medizinischen Vorsorge oder Rehabilitationsmaßnahme, § 10 BUrlG. Nach § 4 EFZG werden hinsichtlich der Bemessung des Entgeltfortzahlungsanspruchs Überstundenvergütungen nicht berücksichtigt. Mit dem Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes haben die Änderungen des Entgeltfortzahlungsrechts derzeit ihren Abschluss gefunden. Zur Umsetzung der Richtlinie 2010/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe wurde das EFZG um § 3a erweitert, um eine bessere Absicherung des Lebendspenders von Organen und Geweben zu erreichen. Im öffentlichen Dienst regelten § 37 Bundesangestelltentarifvertrag/-Ost (BAT/BAT-O) bzw. § 42 Manteltarifvertrag (MTV)/§ 34 3 BT-Drucks. 13/4612. 4 Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe (BMT-G) die Entgeltfortzahlungspflicht im Krankheitsfall. § 71 BAT enthielt eine Übergangsregelung für die Zahlung von Krankenbezügen. Im Rahmen der großen Tarifreform im öffentlichen Dienst vom 09. Februar 2005 haben die Tarifvertragsparteien die Ansprüche auf Entgelt im Krankheitsfall im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) den gesetzlichen Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes angenähert und hierauf Bezug genommen, was im Folgenden näher dargestellt wird. III. Der Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz 1. Anwendungsbereich gem. § 1 EFZG Nach § 1 EFZG regelt dieses Gesetz „(…) die Zahlung des Arbeitsentgelts an gesetzlichen Feiertagen und die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall an Arbeitnehmer sowie die wirtschaftliche Sicherung der Heimarbeit für gesetzliche Feiertage und im Krankheitsfall. Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.“ Von der Regelung erfasst werden folglich ausschließlich Arbeitnehmer und Auszubildende. Die Vorschrift kann nicht – auch nicht analog – auf Beamte auf Lebenszeit, auf Zeit, auf Probe oder auf Widerruf angewandt werden. 4 Neben dem Beamtenstatus kann allerdings eine weitere (Neben-)Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden, die dann die entsprechenden Regelungen des EFZG auszulösen vermag. Kein Arbeitsverhältnis besteht zudem bei Entwicklungshelfern, Teilnehmern eines freiwilligen sozialen Jahres, Freiwilligen i.S.d. 4 BAG vom 28.03.2001, AP Nr.5 zu § 7 BetrVG 1972. 5 Bundesfreiwilligendienstgesetzes, Strafgefangenen, die in einem privaten Betrieb arbeiten, im Gegensatz zu sog. Freigängern, die außerhalb der Strafanstalt ein Arbeitsverhältnis eingehen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gem. § 260 SGB III sowie Behinderten in anerkannten Werkstätten nach § 136 SGB IX. Voraussetzung ist der Beginn des Arbeitsverhältnisses. Auf die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages kommt es insoweit nicht an. Auch ein nicht rechtswirksamer Arbeitsvertrag vermag einen Entgeltfortzahlungsanspruch aufgrund eines sog. faktischen Arbeitsverhältnisses auszulösen, so etwa wenn der Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB verstößt, sittenwidrig i.S.d. § 138 BGB ist oder rückwirkend wirksam nach § 119 BGB bzw. § 123 BGB angefochten wird. Für die Dauer des tatsächlichen Vollzugs bestehen die wechselseitigen Rechte und Pflichten eines wirksamen Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung wird daher jedem in einem Arbeitsverhältnis stehenden Beschäftigten gewährt. Gleichgültig ist dabei, ob es sich um ein Vollzeitarbeitsverhältnis oder ein Teilzeitarbeitsverhältnis handelt. Unerheblich ist ebenso, ob das Arbeitsverhältnis befristet, unbefristet oder auflösend bedingt abgeschlossen worden ist. Wichtig: Häufig missachtet wird dabei, dass auch im Rahmen eines umgangssprachlich als Minijob bzw. 450,-€ Job bezeichneten geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 8 SGB IV ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. Anderes kann nur gelten bei unregelmäßig Beschäftigten, bei denen stets für einzelne Tage ein jeweils neues Arbeitsverhältnis abgeschlossen wird. Sie erwerben keinen Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn nicht von einem einheitlichen Arbeitsvertrag wie bei einem Abrufarbeitsverhältnis gem. § 12 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) ausgegangen werden kann. 6 Hat der Beschäftigte zwei Arbeitsverhältnisse mit verschiedenen Arbeitgebern (sog. Doppelarbeitsverhältnisse) abgeschlossen, entstehen aus beiden Arbeitsverhältnissen unabhängig voneinander Entgeltfortzahlungsansprüche. Dass gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer mit dem Abschluss des zweiten Arbeitsvertrages einen Pflichtverstoß gegenüber dem ersten Arbeitgeber begangen hat, und er gegen die Schutzvorschriften des Arbeitszeitgesetzes verstoßen sollte. Nimmt ein Beschäftigter Altersteilzeit im Blockmodell in Anspruch, wird er während der Freistellungsphase von der Arbeitspflicht befreit. Demzufolge ist auch die Gewährung von Entgeltfortzahlung in dieser Zeit nicht möglich. Der Tarifvertrag zur Regelung flexibler Arbeitszeiten für ältere Beschäftigte (TVFlexAZ) regelt indes in § 7 Abs. 5 die Auswirkungen von Arbeitsunfähigkeit auf den Umfang der Arbeitsphase: Sind Beschäftigte bei Altersteilzeit im Blockmodell während der Arbeitsphase über den Zeitraum der Entgeltfortzahlung hinaus arbeitsunfähig erkrankt, verlängert sich die Arbeitsphase um die Hälfte des den Entgeltfortzahlungszeitraum übersteigenden Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit. Die Dauer der Freistellungsphase verkürzt sich entsprechend. Die Beschäftigung zur beruflichen Wiedereingliederung i.S.d. § 74 SGB V stellt ein Rechtsverhältnis eigener Art gem. § 305 BGB dar. Insoweit wird kein Arbeitsverhältnis begründet. Maßgeblich ist nicht die Arbeitsleistung, sondern die Rehabilitation5. 5 Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 1, Rn.22. 7 2. Der Krankheitsfall gem. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz § 3 EFZG enthält folgende Regelung: „Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.“ 3. Der Krankheitsfall gem. § 22 TVöD Demgegenüber ist § 22 Abs. 1 Satz 1 TVöD wie folgt gefasst: „Werden Beschäftigte durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert, ohne dass sie ein Verschulden trifft, erhalten sie bis zur Dauer von sechs Wochen das Entgelt nach § 21.“ Der tarifrechtliche Entheltfortzahlungsanspruch nach § 22 TVöD besteht nur, soweit der Arbeitnehmer unter den Anwendungsbereich des TVöD nach § 1 TVöD fällt. Entweder wirkt der TVöD auf Grund beidseitiger Tarifbindung normativ. Oder die Anwendung des TVöD beruht auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Verweisung, was der gängigen Praxis im öffentlichen Dienst entspricht. Fällt ein Beschäftigter nicht unter den Geltungsbereich des TVöD, weil er als leitender Angestellter i.S.d. § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) die Arbeitsbedingungen einzelvertraglich ausgehandelt hat oder aber ein über das Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 15 hinausgehendes regelmäßiges Entgelt enthält, § 1 Abs. 2 TVöD, richtet sich der 8 Entgeltfortzahlungsanspruch ausschließlich nach dem EFZG und der einzelvertraglichen Vereinbarung. 4. Der Krankheitsfall gem. § 12 TVAöD Handelt es sich um einen zu seiner Berufsbildung Beschäftigten findet hingegen der Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) Anwendung. Dieser normiert in § 12 einen eigenständigen Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall, der inhaltlich hinter dem der Tarifbeschäftigten zurückbleibt, indem gerade kein Krankengeldzuschuss – mit Ausnahme von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten - gewährt wird. Nach § 12 TVAöD-BT-BBiG Krankheitsfall: erhalten Auszubildende Entgelt im „(1) Werden Auszubildende durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ohne ihr Verschulden verhindert, ihre Verpflichtungen aus dem Ausbildungsvertrag zu erfüllen, erhalten sie für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von bis zu sechs Wochen sowie nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen bei Wiederholungserkrankungen das Ausbildungsentgelt (§ 8) in entsprechender Anwendung der für die Beschäftigten des Ausbildenden geltenden Regelungen fortgezahlt. (2) Im Übrigen gilt das Entgeltfortzahlungsgesetz. (3) Bei der jeweils ersten Arbeitsunfähigkeit, die durch einen bei dem Ausbildenden erlittenen Arbeitsunfall oder durch eine bei dem Ausbildenden zugezogene Berufskrankheit verursacht ist, erhalten Auszubildende nach Ablauf des nach Absatz 1 maßgebenden Zeitraums bis zum Ende der 26. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Bruttokrankengeld und dem sich nach Absatz 1 ergebenden Nettoausbildungsentgelt, wenn der zuständige 9 Unfallversicherungsträger den Berufskrankheit anerkennt.“ Arbeitsunfall oder die 5. Der Krankheitsfall nach der Praktikantenrichtlinie des Bundes Handelt es sich schließlich um einen Praktikanten, so findet der TVöD aufgrund § 1 Abs. 2 Buchst. h) TVöD ebenfalls keine Anwendung. Stattdessen greift die Praktikantenrichtlinie des Bundes. Danach haben Praktikanten, die ein freiwilliges Praktikum absolvieren, nach § 26 i.V.m. § 19 BBiG Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn sie aufgrund einer unverschuldeten Krankheit, eines unverschuldeten Unfalls oder sonstiger notwendiger medizinischer Maßnahmen das Praktikum nicht durchführen können. Als unverschuldete Krankheit gilt auch eine rechtmäßig durchgeführte Sterilisation oder ein rechtmäßig durchgeführter Schwangerschaftsabbruch. Der Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall entsteht entsprechend § 3 Abs. 3 EGFZ erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Praktikumsverhältnisses, sog. Wartezeit. Für die Anzeige- und Nachweispflichten gilt § 5 EGFZ entsprechend. Der Praktikant ist verpflichtet, eine Erkrankung und deren voraussichtliche Dauer der Dienststelle unverzüglich anzuzeigen. Dauert die Erkrankung länger als drei Kalendertage, hat der Praktikant eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens am darauffolgenden Tag vorzulegen. Die genannten Regelungen setzen allesamt Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit voraus. 10 6. Krankheit Der Begriff der Krankheit ist weder im EFZG noch im TVöD definiert. Auch die Präambel der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation, wonach „Gesundheit ein Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“ 6 darstellt, hilft nicht weiter. Denn bei diesem utopischen Krankheitsbegriff wäre nahezu jedermann krank und Arbeitgeber und Sozialversicherungsträger einer nicht zu bewältigenden Flut von Ansprüchen auf Entgelt ausgesetzt, die das bestehende System zum kollabieren führen würde. Die arbeits- und sozialrechtliche Rechtsprechung haben indes den Krankheitsbegriff dahingehend definiert, dass hierunter „jeder regelwidrige Körper- oder Geisteszustand fällt, der einer Heilbehandlung bedarf.“7 Unerheblich für den Begriff der Krankheit ist deren Ursache und Art. Keine Rolle spielt es daher, ob die Krankheit auf einer genetischen Veranlagung, einem Geburtsfehler, Unfall oder etwa einer Abhängigkeit, wie Alkoholismus, Glücksspielsucht, Drogen- oder Nikotinabhängigkeit, beruht, wie auch die Dauer der Beschwerden ohne Bedeutung ist. Gegenwärtig noch nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, ob Internetabhängigkeit als eine psychiatrische Krankheit zu qualifizieren ist. 8 Kommt es zum Kontrollverlust, deutlichen Entzugserscheinungen sowie gravierendem sozialem Rückzug, wird dies wohl zu bejahen sein, da sich die Folgen ähnlich auswirken wie bei anderen Suchterkrankungen. Im Einzelfall kann eine Abgrenzung der Krankheit zu bloß unbeachtlichen Schönheitsfehlern schwierig sein. Zwar ist grundsätzlich allein auf objektive medizinische Kriterien abzustellen, so dass ein allein subjektiv empfundener Mangel, der durch eine Schönheitsoperation behoben werden kann, noch keine Krankheit darstellt, so etwa bei einer krummen Nase, die nicht zu Atemproblemen führt. 6 S.: BGBl. I, 1974, S. 45. BAG vom 07.08.1991, NZA 1992, 69. 8 Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 3, Rn.18i. 77 11 Kommt dem subjektiven Empfinden demgegenüber ein eigener Krankheitswert zu, weil zum Beispiel eine Frau unter der tatsächlich krummen Nase leidet, kann im Einzelfall ein zwar nicht regelwidriger Körper-, aber ein regelwidriger psychischer Zustand vorliegen. Treten indes infolge von Schönheitsoperationen, Tätowierungen oder Piercing Komplikationen auf, unterfallen diese zwar dem Krankheitsbegriff. Gleichwohl kann ein Entgeltfortzahlungsanspruch versagt werden. So enthält bereits § 52 Abs. 2 SGB V eine Leistungsbeschränkung der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber dem Versicherten, mit der Folge, dass dieser an den Kosten der Leistungen in angemessener Höhe beteiligt und Krankengeld ganz oder teilweise versagt wird. Dieser Gedanke trifft denn auch den Entgeltfortzahlungsanspruch des Beschäftigten und führt regelmäßig wegen Verschuldens zu einem Anspruchsausschluss, da dem Arbeitgeber nur aufgebürdet werden kann, das normale Krankheitsrisiko zu tragen. Einer Schwangerschaft an sich kommt kein Krankheitswert zu, da es sich nicht um einen regelwidrigen Zustand handelt. Wie sich aus § 3 Abs. 2 EFZG ergibt, sind Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch keine Krankheit, dieser jedoch gleichzustellen: „Als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Absatzes 1 gilt auch eine Arbeitsverhinderung, die infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft eintritt. Dasselbe gilt für einen Abbruch der Schwangerschaft, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle hat beraten lassen.“ 12 Um keine Krankheit handelt es sich indes bei dem normalen altersbedingten Nachlassen der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Es handelt sich vielmehr um einen natürlichen Entwicklungsprozess, der nicht zur Arbeitsunfähigkeit führt, soweit nicht das Maß des Üblichen deutlich überschritten wird. Ein regelwidriger Krankheitszustand entsteht hingegen durch oder in Folge einer Organspende. Aufgrund gegenwärtiger wissenschaftlicher Auffassung soll 9 Das Transsexualität eine nicht heilbare Krankheit darstellen. Bundessozialgericht (BSG) fordert indes darüber hinaus, um einen pathologischen Zustand anzuerkennen, einen nicht unerheblichen Leidensdruck. 10 7. Arbeitsunfähigkeit Vielfach von den Ärzten ignoriert, jedoch vom EFZG sowie § 22 Abs. 1 Satz 1 TVöD vorgeschrieben, setzt der Entgeltfortzahlungsanspruch als zweite materielle Voraussetzung neben der Krankheit die der Arbeitsunfähigkeit voraus. Krankheit und Arbeitsunfähigkeit bilden somit zwei korrelierende Begriffe; der Arbeitnehmer muss nicht nur krank, sondern arbeitsunfähig krank sein. Nicht jede Krankheit macht daher arbeitsunfähig. Vielmehr ist stets auf die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder des jeweiligen Beschäftigten abzustellen, so dass die zur Arbeitsunfähigkeit führende Krankheit eines Arbeitnehmers bei einem anderen Arbeitnehmer nicht gleichfalls zwingend dessen Arbeitsunfähigkeit verursacht. Arbeitsunfähig krank ist daher nur, wer infolge einer Krankheit seiner vertraglichen Arbeitspflicht nicht mehr, und sei es, weil ihm dies nicht 9 Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 3, Rn.18g. BSG, NJW 1988, 1550. 10 13 zumutbar ist – so auch um eine Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes auszuschließen - nachzukommen vermag.11 Beispiel 1: Hat sich ein Dachdecker eine Zerrung des Fußgelenks zugezogen, wird ihm regelmäßig die nicht ungefährliche Arbeit auf dem Dach aufgrund der Schmerzen nicht möglich oder unzumutbar sein. Hat eine Schreibkraft dieselbe Verletzung, so kann sie im Regelfall ihre Arbeit am Schreibtisch noch vollständig ausüben. Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn der Beschäftigte seine Arbeitsleistung infolge eines Defekts seiner technischen Hilfsmittel nicht erbringen kann, so etwa bei einer Armprothese, einer Seh- oder Hörhilfe. Das LAG Düsseldorf 12 hatte der Frage nachzugehen, ob bei einem Zahnvollprothesenträger Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vorliege, in welchem die Prothesen zur Reparatur in der Zahnarztpraxis verbleiben müssten. Das Gericht bejahte diese. Lediglich bei keinen Sozialkontakten am Arbeitsplatz könne die Arbeitsunfähigkeit verneint werden. Ein weiterer von der Rechtsprechung anerkannter Fall der Arbeitsunfähigkeit besteht bei einem Beschäftigungsverbot, dessen Voraussetzungen bei unter das Infektionsschutzgesetz (IfSG) fallenden Erkrankungen vorliegen.13 Fällt ein Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des IfSG, kann dies ein berufliches Tätigkeitsverbot zur Folge haben, so wenn er als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern in Betracht kommt. Insoweit steht dem Arbeitnehmer, der seiner Arbeit nicht nachkommt, ein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG zu. Nach Absatz 2 bemisst sich dieser über einen Zeitraum von sechs Wochen nach der Höhe des 11 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 98 II.4. vom 10.01.1977, 10 Sa 162/76, BB 1977, S. 1652. 13 BAG vom 26.04.1978, AP Nr.6 zu § 6 LFZG, zu Altregelung in § 17 BSeuchG. 12 14 Verdienstausfalls. Vom Beginn der siebten Woche an wird die Entschädigung in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 SGB V gewährt, begrenzt durch die Jahresarbeitsentgeltgrenze. Ausgezahlt wird der auf sechs Wochen begrenzte Verdienstausfall vom Arbeitgeber, der seinerseits einen Erstattungsanspruch gegenüber der zuständigen Behörde hat. Hierzu hat der Arbeitgeber innerhalb einer Frist von drei Monaten einen Antrag zu stellen, Abs. 5. Wird der Arbeitnehmer zudem arbeitsunfähig, so bleibt der Entschädigungsanspruch nach Abs. 7 bestehen. Ansprüche, die Berechtigten auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften oder eines privaten Versicherungsverhältnisses zustehen, gehen insoweit auf das entschädigungspflichtige Land über. Ebenfalls auf die Entschädigung anzurechnen sind etwaige Zuschüsse des Arbeitgebers oder Einkommen aus einer Ersatztätigkeit, soweit ansonsten der tatsächliche Verdienstausfall überschritten würde, Abs. 8. Arbeitsunfähigkeit wird zudem bejaht, wenn der Beschäftigte unter einer ansteckenden Krankheit leidet, die diesen zwar nicht an der Erbringung seiner Arbeitspflicht hindert, es ihm jedoch objektiv unzumutbar macht, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen, weil er dort Kollegen anstecken könnte. Es muss folglich nicht zu einem Beschäftigungsverbot – etwa nach IfSG aufgrund einer Salmonelleninfektion gekommen sein. 14 Wird eine Krankheit in einem Krankenhaus stationär behandelt, liegt Arbeitsunfähigkeit selbst dann vor, wenn der Beschäftigte an sich an seiner Arbeitsleistung nicht gehindert wäre. Insoweit ist auf den Kausalzusammenhang zwischen Krankheit und zur Arbeitsunfähigkeit führender Behandlung abzustellen. So ist auch eine Beschäftigte arbeitsunfähig, die sich zur Beseitigung einer Unfruchtbarkeit einem medizinischen Eingriff unterzieht und deshalb arbeitsabwesend ist. 15 14 15 Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, TVöD, § 22 Rn.4 Erfurter Kommentar/Dörner, EFZG § 3, Rn.21 15 Darauf hinzuweisen ist, dass ambulante Arztbesuche per se nicht zur Arbeitsunfähigkeit führen. 16 Vielmehr ist anhand des Einzelfalles zu entscheiden, welche Art der medizinischen Behandlung erfolgt. Handelt es sich um eine reine Vorsorgeuntersuchung, besteht keine Arbeitsunfähigkeit. Bedarf es hingegen der Behandlung eines Grundleidens, kann diese sehr wohl gegeben sein. Allerdings ist auch hier auf die causa abzustellen und auf den Zeitpunkt der Behandlungsbedürftigkeit. Ist dem Beschäftigten ein Abwarten zumutbar, hat der Beschäftigte den Behandlungstermin außerhalb der Arbeitszeit zu wählen. Kann er auf die Termingestaltung Einfluss nehmen, ist die Arbeitsunfähigkeit auch dann zu verneinen. 17 So kann zum Beispiel bei einem aus einem Backenzahn herausgefallenen Inlay dem Beschäftigten grundsätzlich zugemutet werden, die zahnärztliche Behandlung außerhalb der Arbeitszeit durchführen zu lassen, wohingegen von einem Beschäftigten, der einen Metallsplitter im Auge hat, aufgrund der erheblich gravierenderen gesundheitlichen Beeinträchtigung eine schnellstmögliche Behandlung wahrgenommen werden darf. 18 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass insoweit nach § 29 Abs. 1 f) TVöD ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung aufgrund ärztlicher Behandlung einschließlich der erforderlichen Wegezeiten während der Arbeitszeit bestehen kann. Dieser Freistellungsanspruch besteht allerdings nur dann, wenn die ärztliche Behandlung während der Arbeitszeit erfolgen muss. Davon soll dabei auszugehen sein, wenn der Arzt den Beschäftigten während der Kernarbeitszeit zur Untersuchung oder Behandlung in seine Praxis bestellt und der Beschäftigte auf die Termingestaltung keinen Einfluss nehmen kann. 19 Grundsätzlich hat jedoch eine Behandlung außerhalb der Arbeitszeit, bei Gleitzeit folglich außerhalb der Kernzeit, zu erfolgen. Eine Zeitgutschrift kann der Beschäftigte insoweit nicht verlangen. Das Erfordernis der ärztlichen Behandlung während der Arbeitszeit ist durch entsprechende ärztliche Bescheinigung zu belegen. Diese enthält regelmäßig auch die Dauer der Abwesenheitszeit. 16 ArbG Halle vom 09.07.2009, 1 Ca 1024/08. Feichtinger/Malkmus, Entgeltfortzahlungsrecht, § 3 Rn.51. 18 Jansen, Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, S. 66 f. 19 BAG vom 29.2.1984, 5 AZR 92/82 - AP TVG § 1 Tarifverträge – Metallindustrie. 17 16 Eine dauerhafte Krankheit mit Erwerbsunfähigkeit steht 20 Arbeitsunfähigkeit nach der Auffassung des BAG nicht entgegen. der Kann der Beschäftigte zwar seine Arbeit erbringen, kann er jedoch den Arbeitsweg nicht zurücklegen, so trifft den Beschäftigten, nicht jedoch den Arbeitgeber das sog. Wegerisiko.21 8. Arbeitsunfähigkeit infolge Organspende Der mit Wirkung vom 01.08.2012 neu eingefügte § 3a EFZG regelt den Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Spende von Organen oder Geweben: „Ist ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge der Spende von Organen oder Geweben, die nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgt, an seiner Arbeitsleistung verhindert, hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. § 3 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Dem Arbeitgeber sind von der gesetzlichen Krankenkasse des Empfängers von Organen oder Geweben das an den Arbeitnehmer nach Absatz 1 fortgezahlte Arbeitsentgelt sowie die hierauf entfallenden vom Arbeitgeber zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur betrieblichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung auf Antrag zu erstatten. Ist der Empfänger von Organen oder Geweben gemäß § 193 Absatz 3 Versicherungsvertragsgesetz bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert, erstattet dieses dem Arbeitgeber auf Antrag die Kosten nach Satz 1 in Höhe des tariflichen Erstattungssatzes. Ist der Empfänger von Organen oder Geweben bei einem Beihilfeträger des Bundes beihilfeberechtigt oder berücksichtigungsfähiger Angehöriger, erstattet der zuständige Beihilfeträger dem Arbeitgeber auf 20 21 vom 29.09.2004, 5 AZR 558/03, NZA 2005, S. 226. So bereits: BAG vom 07.08.1970, AP Nr.4 zu § 11 MuSchG 1968. 17 Antrag die Kosten nach Satz 1 zum jeweiligen Bemessungssatz des Empfängers von Organen oder Geweben; dies gilt entsprechend für sonstige öffentlich-rechtliche Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Bundesebene. Unterliegt der Empfänger von Organen oder Geweben der Heilfürsorge im Bereich des Bundes oder der truppenärztlichen Versorgung, erstatten die zuständigen Träger auf Antrag die Kosten nach Satz 1. Mehrere Erstattungspflichtige haben die Kosten nach Satz 1 anteilig zu tragen. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber unverzüglich die zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs erforderlichen Angaben zu machen.“ § 3a EFZG gewährt damit dem Arbeitnehmer einen Entgeltfortzahlungsanspruch, soweit er Organ- bzw. Gewebespender ist. Dem Arbeitgeber steht hingegen ein Erstattungsanspruch gegenüber der gesetzlichen bzw. privaten Krankenversicherung zu. Ist der Spender zudem beihilfeberechtigt, verteilt sich entsprechend der Höhe des Beihilfesatzes der Anspruch anteilig gegenüber der Krankenversicherung sowie der Beihilfestelle. Überschreitet die Arbeitsunfähigkeit den Fortzahlungszeitraum, ist der darüber hinausgehende Verdienstausfall des Spenders von der Krankenkasse des Empfängers bzw. dessen Berufsgenossenschaft zu tragen. 9. Teilarbeitsunfähigkeit Kann der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Tätigkeit nur teilweise verrichten, entweder hinsichtlich des Ausmaßes der Arbeitsleistung oder der Arbeitszeit bzw. der Art der Arbeit, spricht man von Teilarbeitsunfähigkeit oder Restarbeitsfähigkeit. Die Rechtsprechung erkennt, da das EFZG und ihm folgend die tarifliche Regelung die Terminologie der Teilarbeitsunfähigkeit nicht enthält, die Teilarbeitsunfähigkeit als Variante nicht an. Entsprechend dem „Alles-oder18 nichts-Prinzip“ wird die Teilarbeitsfähigkeit vielmehr der Arbeitsunfähigkeit im Ganzen gleichgestellt. Arbeitsrechtlich soll kein Unterschied bestehen, ob der Arbeitnehmer durch die Krankheit ganz oder teilweise arbeitsunfähig werde. 22 Sowohl die tätigkeitsbezogene als auch Teilarbeitsfähigkeit sollen hiervon umfasst werden. 23 die zeitbezogene Beispiel 2 einer tätigkeitbezogenen Teilarbeitsfähigkeit: Eine Sekretärin, welche den linken Finger der linken Hand gebrochen hat und deshalb die von ihr verlangte Schreibtätigkeit nicht mehr bewältigen kann, immer noch während ihrer gesamten Arbeitszeit organisatorische Aufgaben, Auskünfte und Ablagen etc. verrichten. Beispiel 3 einer zeitbezogenen Teilarbeitsfähigkeit: Ein Gärtner kann nach erfolgter Behandlung eines Bandscheibenleidens seine Arbeit nur vier statt acht Stunden verrichten. Es ist jedoch kritisch zu hinterfragen, ob diese Auffassung aufrechterhalten werden kann. Bereits dogmatische Gründe sprechen für eine Anerkennung der Teilarbeitsfähigkeit: Im Schuldrecht ist die teilweise Unmöglichkeit der Leistungspflicht allgemein anerkannt, so dass dieser Grundsatz auf die Teilarbeitsfähigkeit angewandt werden müsste. Allenfalls wenn dem Arbeitnehmer die Leistung der verbliebenen Arbeitsfähigkeit insgesamt nicht mehr zumutbar ist, sollte die Arbeitspflicht in Gänze entfallen. 22 BAG vom 29.01.1992, AP Nr.1 zu § 74 SGB V. Hiervon zu unterscheiden ist die auch als „Hamburger Modell“ bezeichnete Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung nach § 74 SGB V, innerhalb derer der Arbeitnehmer weiterhin als arbeitsunfähig gilt, jedoch zur Wiedereingliederung in den Arbeitsablauf seine Arbeit teilweise wieder aufnimmt. Hierbei handelt es sich indes um eine für den Arbeitnehmer freiwillige Maßnahme. 23 19 10. Stufenweise Wiedereingliederung Ist der Arbeitnehmer nicht voll arbeitsfähig, kann er jedoch sukzessive wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden, kann eine Wiedereingliederung sinnvoll sein. Der Arbeitnehmer hat allerdings keinen Rechtsanspruch hierauf, wie auch der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hierzu nicht gegen dessen Willen anweisen kann. Aus Fürsorgegesichtspunkten wird dem Wunsch des Arbeitnehmers nach Wiedereingliederung in der Praxis regelmäßig entsprochen und der Therapieplan umgesetzt werden. Nimmt der Beschäftigte eine stufenweise Wiedereingliederung i.S.d. § 74 SGB V wahr - auch als Hamburger Modell bezeichnet - steht dem Beschäftigten kein Vergütungsanspruch zu, da er weiterhin arbeitsunfähig erkrankt ist. Denn bei der erbrachten Leistung handelt es sich um eine Maßnahme der Rehabilitation, die darauf gerichtet ist, die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Der Arbeitnehmer erhält während der Wiedereingliederungsmaßnahme: Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung u.U. ergänzt um Krankengeldzuschuss durch den Arbeitgeber, § 44 SGB V, § 22 Abs. 2 TVöD; Übergangsgeld von der gesetzlichen Rentenversicherung, § 45 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB IX oder Arbeitslosengeld, § 146 SGB III Erhält der Arbeitnehmer kein Krankengeld mehr, weil der Bezugszeitraum von 78 Wochen abgelaufen ist, hat dieser sodann einen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dessen Bezug ist nach 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III auch ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich, weil danach arbeitslos ist, wer „nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit)“. Beschäftigungslosigkeit ist hierbei leistungsrechtlich zu verstehen und nicht in Bezug auf das Arbeitsverhältnis. Die arbeitsvertraglichen Pflichten ruhen währenddessen. Es entsteht ein Rechtsverhältnis eigener Art, bei dem die Rehabilitation und nicht die Arbeitsleistung im Vordergrund steht. 20 Während der Wiedereingliederung kann daher auch kein Urlaub gewährt werden. 24 Gleichwohl hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, nach Absprache mit dem behandelnden Arzt, die Wiedereingliederung zu unterbrechen und quasi „Urlaub“ zu nehmen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Urlaub i.S.d. Bundesurlaubsgesetzes bzw. § 26 TVöD. Handelt es sich um einen schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer, kann dieser Personenkreis aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr.1 SGB IX einen Anspruch auf stufenweise Wiedereingliederung ableiten, soweit eine ärztliche Bescheinigung dies und eine Prognose hierzu entsprechend ausweist. 25 Die entsprechende Bescheinigung muss die Art und Weise der empfohlenen Beschäftigung, die Beschäftigungsbeschränkungen, den Umfang der Arbeitszeit sowie Beginn und Dauer der Maßnahme enthalten. 11. Kausalität Die Arbeitsunfähigkeit, die den Arbeitnehmer hindert, seine Arbeit zu verrichten, muss nach § 3 Abs. 1 Satz1 EFZG sowie nach § 22 Abs. 1 Satz 1 TVöD „infolge“ Krankheit eingetreten sein. Zwischen Krankheit - als Ursache – und Arbeitsunfähigkeit - als Folge – muss ein Kausalzusammenhang bestehen. 26 Dieser ist unterbrochen, soweit die Krankheit nicht die wesentliche Ursache der Arbeitsverhinderung ist bzw. der Arbeitnehmer auch im Falle der Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt hätte geltend machen können, so etwa im Falle eines Streiks oder einer Aussperrung, wo die Krankheit keine Ursache für die Arbeitsunfähigkeit setzt, da die Arbeitspflicht bereits entfallen ist, so dass sie nicht nochmals krankheitsbedingt entfallen kann. Entfällt der weitere Grund – etwa der Streik bzw. die Aussperrung -, der der Arbeitsfähigkeit entgegensteht, besteht ab diesem Zeitpunkt der ausschließlichen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein Entgeltfortzahlungsanspruch. Erkrankt der Beschäftigte während des Streiks, hat er keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen der streikbedingt suspendierten Hauptleistungspflichten. 24 BAG, NZA 1995, 123 BAG vom 13.06.2006 – 9 AZR 229/05 26 Jansen, Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, S. 102. 25 21 Erkrankt der Beschäftigte jedoch vor Streikbeginn, verliert er nicht den Anspruch auf Entgeltfortzahlung (dies führt denn auch regelmäßig dazu, dass vor Beginn einer Arbeitskampfmaßnahme gerade bei nicht gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten, die kein Geld aus der Streikkasse erhalten, der Krankenstand drastisch ansteigt), soweit er sich nicht an dem Arbeitskampf beteiligt oder beteiligt hätte, wofür den Arbeitgeber die Beweislast trifft. Darauf aufbauend hat das BAG 27 entschieden, dass der Beschäftigte seinen Urlaubsanspruch behält, der während eines vor Streikbeginn gewährten Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt. Der Nachgewährungsanspruch des § 9 BUrlG besteht daher, wenn der Beschäftigte seinen Urlaub angetreten hat, dann in dem Betrieb ein rechtmäßiger Streik geführt wurde und der Beschäftigte sodann arbeitsunfähig erkrankt. Solange der Beschäftigte sich nicht am Streik beteiligt, behält er seinen Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem EFZG. Dadurch kann der Nachgewährungsanspruch nach § 9 BUrlG greifen. Nimmt der Beschäftigte Sonderurlaub nach § 28 TVöD und erkrankt er arbeitsunfähig während dieses Zeitraums, steht ihm kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu. Eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG soll jedoch geboten sein, wenn sich unbezahlter Urlaub an einen bezahlten Urlaub anschließt und beide unverkennbar dem Erholungszweck dienen, so etwa wenn der Sonderurlaub dazu dient, den Zeitverlust des Beschäftigten wegen langer Hin-und Rückreise zum und vom Heimatort auszugleichen.28 Erstreckt sich die Krankheit über den Zeitraum des Sonderurlaubs hinaus, so erhält der Beschäftigte nach Ablauf des Sonderurlaubs Entgeltfortzahlung. Die sechswöchige Frist beginnt insoweit nicht mit der Erkrankung, sondern mit Einsetzen des Entgeltfortzahlungsanspruchs zu laufen.29 27 vom 01.10.1991, 1 AZR 147/91, AP Nr. 121 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 3, Rn.60, was insbesondere bei ausländischen Arbeitnehmern von Bedeutung sein kann. 29 Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, TVöD, § 22, Rn.10, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BAG und der gegenteiligen Auffassung von ErfK/Dörner, EFZG, § 3, Rn.31 28 22 Wird ein Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht freigestellt, um einem Anspruch auf Arbeitszeitausgleich nachzukommen, entfällt die Arbeitspflicht des Beschäftigten. Der Arbeitnehmer kann über diesen Freistellungsfreiraum frei verfügen, ohne dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der entsprechenden Verfügung entfällt. Eine nachträglich eintretende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit im Freistellungszeitraum macht die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs nicht hinfällig. Demnach soll der Arbeitnehmer das Risiko tragen, die durch Arbeitsbefreiung als Arbeitszeitausgleich gewonnene Freizeit auch tatsächlich nach seinen Vorstellungen nutzen zu können. Der Arbeitgeber ist nicht zur Nachgewährung der durch Arbeitsunfähigkeit verlorenen Überstunden verpflichtet30. Erbringt der Beschäftigte seine Arbeit im Altersteilzeitmodells ist wie folgt zu differenzieren: Rahmen eines Arbeitet der Beschäftigte im Teilzeitmodell durchgängig, so erhält er einen Entgeltfortzahlungsanspruch, sofern er arbeitsunfähig erkrankt. Arbeitet der Beschäftigte hingegen im sog. Blockmodell, ist zwischen der Arbeitsphase und der Freistellungsphase zu unterscheiden. In der Arbeitsphase kann ein Entgeltfortzahlungsanspruch entstehen, in der Freistellungsphase hingegen nicht. Denn bei letzterer wird der Beschäftigte bereits von der Arbeitspflicht entbunden, so dass die Krankheit keine alleinige Ursache für den Arbeitsausfall mehr bilden kann. Nutzt der Beschäftigte die Möglichkeit Bildungsurlaub in Anspruch zu nehmen und erkrankt er arbeitsunfähig in diesem Zeitraum, ist die Phase der Krankheit nicht auf den Bildungsurlaub anzurechnen. Es entsteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Während der Elternzeit, in der der Beschäftigte auch keiner Teilzeittätigkeit nachkommt, ruht das Arbeitsverhältnis mit der Folge, dass kein Entgeltfortzahlungsanspruch entstehen kann. 30 LAG Rheinland-Pfalz vom 19.11.2015, 5 Sa 342/15. 23 Ist der Beschäftigte an einem Feiertag arbeitsunfähig erkrankt, greift § 2 EFZG ein, mit der Folge, dass das Arbeitsentgelt in Höhe der Feiertagsbezahlung fortzuzahlen ist. Gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug, steht dem Beschäftigten Annahmeverzugslohn, im Krankheitsfall Entgeltfortzahlung zu. Wird einem Beschäftigten gekündigt, der sodann arbeitsunfähig erkrankt und sich mittels Kündigungsschutzklage hiergegen wendet, steht diesem ein Entgeltfortzahlungsanspruch zu. Einer weitergehenden Anzeige der Leistungsbereitschaft bedarf es sodann nicht mehr. Will der Beschäftigte nicht arbeiten und erklärt er dies auch dem Arbeitgeber, so schließt die fehlende Arbeitswilligkeit einen Anspruch nach § 3 EFZG aus. Besteht für eine schwangere Beschäftigte ein Beschäftigungsverbot, so erhält diese Mutterschaftsgeld nach §§ 13 MuSchG; 200 RVO und Arbeitsgeberzuschuss nach § 14 MuSchG. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch entfällt. Die Abgrenzung, ob eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit besteht oder ob eine aktuelle Arbeitsunfähigkeit das Leben oder die Gesundheit von Mutter und Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet, hat der behandelnde Arzt zu treffen. 31 Je nachdem, ob eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder nicht, hat die Schwangere entweder einen auf sechs Wochen beschränkten Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder einen Anspruch nach § 11 Abs. 1, Satz 1 MuSchG, der sich auf den gesamten Zeitraum des Beschäftigungsverbotes erstreckt. Auswirkungen hat diese Unterscheidung zudem für den Fall, dass die Schwangere für den fraglichen Zeitraum Urlaub genehmigt erhalten hat. Denn § 9 BUrlG, der der Anrechnung des Urlaubsanspruchs bei Krankheit entgegensteht, gilt nicht - auch nicht analog – für Beschäftigungsverbote. Macht die Beschäftigte von ihrem Recht Gebrauch, vor der Entbindung auf den Mutterschutz zu verzichten und erkrankt sodann, besteht hingegen ein Entgeltfortzahlungsanspruch. 31 BAG vom 09.10.2002, 5 AZR 443/01 24 Liegt ein berufliches Tätigkeitsverbot vor, besteht nach § 56 IfSG ein Entschädigungsanspruch des Beschäftigten. Tritt neben das Tätigkeitsverbot eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit hinzu, bleibt der Entschädigungsanspruch aufgrund § 56 Abs. 7 IfSG bestehen. Der Entgeltfortzahlungsanspruch ist insoweit nicht einschlägig, da die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht die wesentliche Ursache der Arbeitsverhinderung ist. Kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht schließlich, wenn aufgrund der Witterungsverhältnisse der Beschäftigte ohnehin nicht hätte arbeiten können. 32 12. Verschulden Nach § 3 Abs. I Satz 1 EFZG sowie § 22 Abs. 1 Satz 1 TVöD steht dem Arbeitnehmer der Entgeltfortzahlungsanspruch nur zu, soweit ihn an der auf krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit beruhenden Arbeitsverhinderung kein Verschulden trifft. Der Verschuldensbegriff ist jedoch nicht nach § 276 BGB zu ermitteln, wonach bereits jede Fahrlässigkeit als schuldhaft anzusehen ist. Vielmehr wird der Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann ausgeschlossen, wenn von einem gröblichen Verschulden gegen sich selbst ausgegangen werden kann. 33 Mithin bedarf es für die Annahme des Selbstverschuldens eines zumindest unverständlichen, besonders leichtfertigen, mutwilligen oder gar gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens, dessen Folgen auf den abzuwälzen unbillig wäre. 32 33 BAG vom 30.08.1973, 5 AZR 202/73 Jansen, Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, S. 108 f. 25 Die Protokollerklärung zu § 22 Absatz 1 Satz 1 erläutert den Verschuldensbegriff indes wie folgt: „Ein Verschulden liegt nur dann vor, wenn die Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde.“ Die Rechtsprechung geht bei Arbeitsunfällen davon aus, dass diese auf einen groben Verstoß gegen dem Beschäftigten bekannte Schutz- und Unfallverhütungsvorschriften bzw. privaten Sicherheitsanweisungen zurückzuführen sein müssen, um das Verschulden zu bejahen. So etwa, wenn Sicherheitskleidung, wie Sicherheitshandschuhe, Schutzbrille, Schutzhelm, Knieschutz oder Sicherheitsschuhe nicht genutzt werden und deshalb ein Arbeitsunfall eintritt. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz begründen ein Verschulden, soweit dieses auf den Beschäftigten und nicht den Arbeitgeber zurückzuführen ist, so im Falle einer jungen Assistenzärztin, die den Arbeitgeber mehrfach darauf hingewiesen hat, dass die Überschreitung der Arbeitszeiten zu einer gesundheitlichen Überbelastung ihrerseits führten. Übernächtigt verunglückte die Ärztin auf der Heimfahrt vom Dienst aus schwer. Gesundheitsschädigendes Verhalten kann ebenfalls ein Verschulden des Beschäftigten begründen. Während der Krankheit hat sich der Beschäftigte so zu verhalten, dass er wieder gesund wird. Insbesondere hat er alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögert, wie z.B. die Ausübung einer an sich zulässigen Nebentätigkeit. So hat das LAG Nürnberg 34 gesundheitsschädigendes Verhalten und in der Folge einen Kündigungsgrund darin gesehen, dass ein im Bauhof mit gleichen Tätigkeiten betrauter Arbeitnehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit umfangreiche Garten- und Baumfällarbeiten verrichtet hat. Auch der Hinweis des Arbeitnehmers, seine Arbeitsunfähigkeit sei auf Mobbing seiner Kollegen zurückzuführen gewesen, vermochte die Auffassung des Gerichts nicht zu entkräften. 34 vom 07.09.2004, 6 Sa 116/04 26 Als gesundheitswidrig wurde auch das Rauchen eines schwer herzkranken Arbeitnehmers angesehen, der insoweit gegen den ausdrücklichen ärztlichen Rat handelte. 35 Probleme ergeben sich insoweit in der Praxis regelmäßig bei dem Nachweis der Kausalität. Bei auf übermäßigem Alkoholkonsum oder aktiver Teilnahme an einer Schlägerei verursachter Arbeitsunfähigkeit liegt das Verschulden regelmäßig vor. Liegt eine Suchterkrankung (Alkoholismus, Drogenabhängigkeit) vor, kann dem Beschäftigten nicht pauschal Verschulden vorgeworfen werden, da die Ursachen (Milieuschädigung, erbliche Belastung, frühkindliche Fehlentwicklung oder eben Eigenverschulden) regelmäßig multikausal sind und sich gegenseitig bedingen 36 . Maßgeblicher Zeitpunkt für die Verschuldensfeststellung ist der unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, dem des Kontrollverlustes oder der Unfähigkeit zur Abstinenz. Auch im Falle eines Rückfalls in die Sucht, bedarf es einer Einzelfallfeststellung, ob dieser verschuldet ist. So hat denn auch das BAG 37 jüngst entschieden, dass es bei einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer suchtbedingt auch im Falle eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig an einem solchen Verschulden fehlt. Der Arbeitnehmer war zuletzt mit einer Alkoholvergiftung (4,9 Promille) in ein Krankenhaus eingeliefert worden und in der Folge für über zehn Monate arbeitsunfähig erkrankt. Zuvor hatte er zwei stationäre Entzugstherapien durchgeführt. Im Hinblick auf eine Abstinenzrate von 40 bis 50 % könne nach einer durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall zwar nicht generell ausgeschlossen werden. Es sei vielmehr anhand eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu klären, ob den Arbeitnehmer ein Verschulden treffe. Lässt sich das Verschulden nicht eindeutig feststellen, weil ein Ursachenbündel vorliegt, geht dies zulasten des Arbeitgebers. 35 BAG vom 17.04.1985, 5 AZR 497/83. BAG vom 01.06.1983, DB 1983, S. 2420. 37 vom 18.03.2015 – 10 AZR 99/14 36 27 Ein Suizidversuch wird als unverschuldet betrachtet. Denn dieser weicht so grundlegend von der Vorstellung der Allgemeinheit ab, dass davon auszugehen ist, dass sich der Beschäftigte in einem nicht mehr zurechnungsfähigen Zustand befindet. Der Entgeltfortzahlungsanspruch wird daher von der Rechtsprechung anerkannt. 38 Verletzt ein Arbeitnehmer grob fahrlässig Verkehrsvorschriften im Straßenverkehr – wie etwa die Angurtpflicht, Nutzung des Mobiltelefons ohne Freisprecheinrichtung oder das Tragen eines Sicherheitshelms bei Kraftradfahrern - so kann dies aufgrund des Eigenverschuldens zu einem Ausschluss der Entgeltfortzahlung führen. Leichte Fahrlässigkeit genügt nicht bereits, vielmehr muss der Beschäftigte Leib oder Gesundheit leichtfertig aufs Spiel gesetzt haben, wobei trunkenheitsbedingte Verkehrsunfälle als verschuldet betrachtet werden. 39 Ist der Verkehrsunfall auf eine durch Medikamente herbeigeführte Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit zurückzuführen, auf die im Beipackzettel hingewiesen ist, liegt gleichfalls ein Verschulden vor. Auch den Beifahrer kann ein Verschulden treffen, soweit dieser sich von einem erkennbar nicht fahrtauglichen Fahrzeugführer befördern lässt. Während der Freizeit eingetretene Fälle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit werden bei Sportunfällen regelmäßig als unverschuldetes Unglück eingeordnet. Lediglich bei besonders gefährlichen Sportarten, bei denen die eigene Leistungsfähigkeit überschätzt wird, soll ein Verschulden möglich sein. Die Rechtsprechung hat dies indes für die Sportarten Motorradrennen, Inline-Skating, Drachenfliegen, Fallschirmspringen, Amateurboxen und Skisport abgelehnt 40 und konkret noch keine Sportart benannt, die sie als besonders gefährlich anerkennt 41. Insoweit sollte überdacht werden, ob Risiken des einzelnen Arbeitnehmers, die dieser im Rahmen seiner Selbstverwirklichung während seiner freien Zeit eingeht, gegenwärtig nicht über Gebühr auf den Arbeitgeber bzw. die 38 BAG vom 28.02.1978, DB 1979, S. 1803. BAG vom 11.03.1987, DB 1987, S. 1495. 40 BAG vom 07.10.1981, AP Nr.45 zu § 1 LFZG; LAG Berlin, DB 1970, 1838;BAG vom 01.12.1976, 5 AZR 601/75, AP Nr.42 zu § 1 LFZG; LAG Bremen, BB 1964, 220. 41 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 14. Aufl. 2011, § 98, Rn.41, unter Hinweis auf: LAG Köln vom 02.03.1994, LAGE 33 zu § 1 LohnFG; zu Motorradrennen LAG Rheinland-Pfalz vom 29.10.1998, LAGE 2 zu § 3 EFZG. 39 28 Allgemeinheit abgewälzt werden. Eine angemessenere Risikoverteilung könnte es gebieten, bei auf Extremsportarten beruhenden Sportunfällen die Folgen nicht dem Arbeitgeber aufzuerlegen. Vielmehr sollte der Arbeitnehmer eine private Vorsorge zur Absicherung krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit treffen müssen. Dass die Anforderungen an die Begründung eines Verschuldens gegen sich selbst auch den sittlich-moralischen Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft unterfallen, ergibt ein Blick auf ältere Entscheidungen des RAG42 sowie des LAG Saarland43. Ist die Arbeitsunfähigkeit infolge einer ausgeübten Nebentätigkeit eingetreten, so ist nur dann von einem Verschulden auszugehen, wenn gegen die Vorschriften des Arbeitszeitrechts verstoßen worden ist und die Überarbeitung für die Arbeitsunfähigkeit kausal war. 44 Ob die Nebentätigkeit nach § 3 Abs. 2 TVöD angezeigt war, ist insoweit unerheblich für die Frage des Verschuldens. Anders muss der Sachverhalt wohl beurteilt werden, wenn der Beschäftigte sich während einer Nebentätigkeit verletzt hat, weil er gegen die Unfallverhütungsvorschriften verstoßen hat. Hinzuweisen bleibt schließlich darauf, dass den Arbeitgeber die Beweislast des Verschuldens trifft. Sprechen allerdings Umstände nach den allgemeinen Lebenserfahrungen für ein Verschulden des Beschäftigten, so wird der Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass der Beschäftigte schuldhaft gehandelt hat, z.B. bei einer Trunkenheitsfahrt. Hier 42 So hat das RAG 4/73 ff bei einer durch außerordentlichen Geschlechtsverkehr herbeigeführten Hodenentzündung festgestellt, dass „jeder unverheiratete Mann, der mit einer geschlechtlich nicht unbescholtenen weiblichen Person sich auf Geschlechtsverkehr einlasse, mit der Gefahr rechnen müsse, dass er sich eine geschlechtliche Erkrankung zuziehe, es erscheine daher nur billig, dass ihm das Risiko, das er bei einem solchen außerehelichen Verkehr eingeht, zur Last falle; eine Ausnahme könne nur in dem Fall gemacht werden, wenn der Arbeitnehmer den Nachweis erbringen könne, dass er mit einer geschlechtlich noch unberührten weiblichen Person verkehrt habe, oder dass er alle Vorsichtmaßnahmen getroffen habe, die eine Ansteckung an einer Geschlechtskrankheit nach menschlicher Voraussicht ausschlössen.“ 43 LAG Saarland, EEK I/152 hat noch 1971 entschieden, dass ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers vorliegt, wenn sich dieser im Verlauf „einer offenbar äußerst stürmischen Liebesnacht“ durch die Sexualpraktiken seiner Partnerin derart verletzt, dass er arbeitsunfähig erkrankt. 44 BAG vom 21.04.1982, 5 AZR 1019/79 29 muss der Beschäftigte sodann Umstände darlegen und beweisen, dass ihn entgegen des ersten Anscheins kein Verschulden trifft. Hat hingehen der Arbeitgeber die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit verursacht, steht dem Beschäftigten ein zeitlich unbegrenzter Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 326 Abs. 2 BGB zu. Allerdings muss sich der Beschäftigte dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart. Ein darüber hinaus gehender Schadensersatzanspruch unterliegt jedoch regelmäßig dem Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII. Hat ein Dritter die Arbeitsunfähigkeit zu vertreten, besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch. Insoweit geht die Forderung nach § 6 EFZG auf den Arbeitgeber über. Darüber hinaus stellt § 22 Abs. 1 Satz 2 TVöD klar, dass „als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit (…) auch die Arbeitsverhinderung in Folge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation im Sinne von § 9 EFZG (gilt).“ Maßnahmen der medizinischen Vorsorge sind präventiv und sollen eine Schwächung der Gesundheit des Beschäftigten beseitigen, um die Entstehung einer Krankheit zu vermeiden. Hierzu zählen nach § 23 Abs. 2 SGB V die ambulante Vorsorgekur, nach § 23 Abs. 4 SGBV die stationäre Vorsorgekur und nach § 24 Abs. 1 SGB V die Vorsorgekur, letztere auch als „Mutter bzw. Vater-Kind-Kur“ bezeichnet. Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation sind Teil der Krankenbehandlung und erfolgen als stationäre Maßnahme, soweit ambulante Maßnahmen nicht ausreichen. 30 Voraussetzung beider Maßnahmen ist die Bewilligung durch den zuständigen Sozialversicherungsträger. Bei dem Bewilligungsbescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der zugleich anspruchsbegründende Voraussetzung für den Entgeltfortzahlungsanspruch ist. Führt der Beschäftigte eine der genannten Maßnahmen ohne Bescheid durch, muss er dafür unbezahlten Sonderurlaub oder Erholungsurlaub nehmen, so er denn nicht in Leistungsverzug geraten will. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch scheidet dann freilich aus. Dieser kann auch nicht durch eine nachträgliche Bewilligung mehr entstehen. 45 13. Wartezeit Im Gegensatz zu § 3 Abs. 3 EFZG enthält § 22 TVöD keine Wartezeit, so dass nicht erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses der Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht, sondern bereits ab dem ersten Tag des Beschäftigungsverhältnis gewährt wird. Lediglich bei Praktikanten entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Praktikumsverhältnisses. IV. Zeitpunkt der Anzeige –und Nachweispflichten § 22 TVöD enthält keine eigenständige Regelung, wie und wann der Arbeitnehmer seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber anzuzeigen und nachzuweisen hat. Insoweit gilt § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 EFZG: „Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche 45 ErfK/Dörner, EFZG, § 3 Rn.15 31 Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens am darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen.“ 1. Anzeigepflicht Den Arbeitnehmer trifft zunächst die Pflicht, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen. Bei der Anzeigepflicht handelt es sich um eine unselbständige Nebenpflicht, deren Einhaltung nicht einklagbar, deren Nichtbeachtung jedoch mit einer Abmahnung, im Wiederholungsfall mit einer Kündigung sanktioniert werden kann. Ohne schuldhaftes Zögern i.S.v. § 121 BGB hat der Arbeitnehmer seiner Pflicht nachzukommen. Bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitnehmer daher grds. den Arbeitgeber von dieser in Kenntnis setzen. Steht für den Arbeitnehmer bereits vor einem Arztbesuch fest, dass er die Arbeit nicht antreten wird – so etwa bei einem heftigen Magen-undDarm-Infekt -, so ist der Arbeitgeber bereits vor der Konsultation des Arztes zu informieren. Nach der ärztlichen Untersuchung hat der Arbeitnehmer ergänzend die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen. Wie der Arbeitnehmer seiner Anzeigepflicht nachkommt, bleibt ihm überlassen, wenn dies nur unverzüglich geschieht, etwa per E-Mail, Telefonat oder Fax. Auch muss er die Mitteilung nicht höchstpersönlich vornehmen; er kann sich etwa eines Familienangehörigen hierzu bedienen. Die Anzeige hat dem Arbeitgeber bzw. einer hierzu befugten Person gegenüber zu erfolgen. Teilt der erkrankte Arbeitnehmer einem anderen Beschäftigten die Arbeitsunfähigkeit mit, so wird dieser als Bote tätig. Das Übermittlungsrisiko trifft insoweit den Arbeitnehmer. 2. Anzeigepflicht im Ausland § 5 Abs. 2 EFZG enthält eine Sonderregelung, soweit sich der arbeitsunfähig erkrankte Beschäftigte im Ausland aufhält: 32 „Hält sich der Arbeitnehmer bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland auf, so ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitzuteilen. Die durch die Mitteilung entstehenden Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen. Darüber hinaus ist der Arbeitnehmer, wenn er Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, verpflichtet, auch dieser die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als angezeigt, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet, der gesetzlichen Krankenkasse die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen. Die gesetzlichen Krankenkassen können festlegen, dass der Arbeitnehmer Anzeige- und Mitteilungspflichten nach den Sätzen 3 und 4 auch gegenüber einem ausländischen Sozialversicherungsträger erfüllen kann. Absatz 1 Satz 5 gilt nicht. Kehrt ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer in das Inland zurück, so ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber und der Krankenkasse seine Rückkehr unverzüglich anzuzeigen.“ Soweit der erkrankte Arbeitnehmer sich im Ausland aufhält, besteht für diesen die zusätzliche Pflicht, seine Adresse schnellstmöglich dem Arbeitgeber mitzuteilen, wie er auch den Arbeitgeber über seine Rückkehr ins Inland zu informieren hat. Damit geht diese Regelung über die in § 5 Abs. 1 EFZG hinaus. Gedacht war damit dem Arbeitgeber die Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit zu erleichtern. Die Realität gestaltet sich indes anders, da es dem Arbeitgeber gerade bei im Ausland erkrankten Arbeitnehmern kaum gelingen mag, die missbräuchliche Inanspruchnahme eines Entgeltfortzahlungsanspruchs zu beweisen bzw. Indizien beizubringen, die den hohen Beweiswert auch einer ausländischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu entkräften vermögen. Im Gegensatz zu der im Inland bestehenden Anzeigepflicht, führt ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht eines sich im Ausland aufhaltenden Arbeitnehmers dazu, dass dem Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht zusteht. 33 3. Nachweispflicht Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage an, so hat der Arbeitnehmer am darauffolgenden Arbeitstag der Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Als Verpflichtung des Arbeitnehmers hat diese auch für die mit der Ausstellung der Bescheinigung entstehenden Kosten aufzukommen. 46 Nimmt der versicherte Arbeitnehmer einen Vertragsarzt in Anspruch, ist nach § 73 Abs. 2 Nr.9 SGB V die Ausstellung der Bescheinigung gleichwohl kostenfrei. Erkrankt der Arbeitnehmer beispielsweise freitags, so trifft ihn spätesten montags die Vorlagepflicht. Dabei ist es unerheblich, ob samstags oder sonntags eine Arbeitspflicht besteht, da das Gesetz insoweit auf Kalendertage, nicht Arbeitstage abstellt. Lediglich der Montag muss im vorliegenden Beispiel ein regulärer Arbeitstag sein. Hält sich der Arbeitnehmer im Ausland auf und wird dort arbeitsunfähig, so ist er nicht von der Nachweispflicht entbunden. Er hat vielmehr auch im Ausland einen Arzt aufzusuchen, von dem er sich eine entsprechende Bescheinigung auszustellen zu lassen hat. Wie dem Wortlaut des § 5 EFZG zu entnehmen ist, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen bzw. zu übersenden. Hieraus ergibt sich, dass die Bescheinigung als sog. Privaturkunde schriftlich i.S.d. § 126 BGB abgefasst sein muss. 47 Zu enthalten hat sie den Namen des Arbeitnehmers, die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer. Bei bestehender Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung muss die Bescheinigung ferner einen Vermerk beinhalten, dass der Krankenkasse eine Bescheinigung über die Dauer mit Angabe des Befundes unverzüglich übersandt wird. Handelt es sich um eine Folgeerkrankung, bei der die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Erstbescheinigung angegeben andauert, und bei der der Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 Satz 4 EFZG verpflichtet ist, eine neue ärztliche 46 47 Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 5, Rn.27. Jansen, Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, S. 126 ff. 34 Bescheinigung vorzulegen, so ist diese als Folgebescheinigung zu bezeichnen. Aufgrund des Arbeitsnehmerpersönlichkeitsrechts ist der Grund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht auf der für den Arbeitgeber bestimmten Bescheinigung anzugeben. Eine Ausnahme hiervon kann nur gelten, wenn hierzu ein herausragendes Interesse des Arbeitgebers besteht, so ggf. bei ansteckenden Krankheiten, die Schutzmaßnahmen gegenüber den Mitarbeitern erforderlich machen. Soweit arbeitsunfähig Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten können und durch eine stufenweise Wiedereingliederung ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden können, soll der behandelnde Arzt auf der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit Art und Umfang der möglichen Tätigkeiten angeben. Hierzu soll er die Stellungnahme des Betriebsarztes oder mit Zustimmung der Krankenkasse die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einholen. Allerdings setzt dies in jedem Fall die Zustimmung von Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber voraus. Lehnt der Arbeitnehmer eine stufenweise Wiedereingliederung ab, so können hieran keinerlei Sanktionen geknüpft werden. Der Arbeitnehmer ist dann weiterhin arbeitsunfähig. 4. Verkürzung des Vorlagezeitraums § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG berechtigt den Arbeitgeber „die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen.“ Dem Arbeitgeber wurde mit dieser Regelung eine flexible Nachweispflicht an die Hand gegeben, um in Fällen häufiger Kurzzeitkrankmeldungen bzw. solchen vor oder nach Brückentagen die Nachweispflicht bereits ab dem 35 ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit einfordern zu können. Die verkürzte Vorlagepflicht kann auf bestimmte Zeitabschnitte eines Jahres begrenzt werden. Sie kann sich auch auf bestimmte Arbeitnehmergruppen oder Dienstbereiche beschränken. Zu beachten ist jedoch, dass der Arbeitgeber mit der gezielten Einforderung seines Rechts keine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz begehen darf, so beispielsweise, wenn lediglich von Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit früher eingefordert würde. 5. Fortdauernde Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Ist der Arbeitnehmer über den in der Erstbescheinigung genannten Zeitraum arbeitsunfähig, hat er eine Folgebescheinigung vorzulegen. Nicht explizit gesetzlich geregelt ist hingegen der Vorlagezeitpunkt derselben. Aus der ratio legis ergibt sich jedoch, dass sich diese unmittelbar an die in der Erstbescheinigung angegebene Dauer der Arbeitsunfähigkeit anzuschließen hat. 48 Spätestens an dem zunächst vorgesehenen Tag der Wiederaufnahme der Arbeit ist die Bescheinigung daher vorzulegen. Ist die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit bereits früher abzusehen, ist der Arbeitnehmer bereits zu diesem Zeitpunkt zur Sicherung eines reibungslosen Betriebsablaufs vorlagepflichtig. V. Erkrankung während des Urlaubs Indem § 26 Abs. 2 TVöD auf das BUrlG Bezug nimmt, findet insbesondere § 9 BUrlG Anwendung, der die Frage beantwortet, welche Auswirkungen eine Erkrankung auf den Urlaub hat: „Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.“ 48 Jansen, Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, S. 159 f. 36 Dem Beschäftigten werden demzufolge die Urlaubstage nicht angerechnet, soweit er durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen vermag. Eine mündliche Krankmeldung, wie grds. für die Entstehung des Entgeltfortzahlungsanspruchs ausreichend, genügt gerade nicht. Nimmt der Beschäftigte eine medizinische Vorsorgeoder Rehabilitationsmaßnahme i.S.d. § 10 BUrlG in Anspruch, so dürfen diese Maßnahmen nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Nicht von dieser Vorschrift erfasst werden hingegen Beschäftigungsverbote nach § 3 Abs. 1, § 4, § 6 Absätze 2 und 3 MuSchG. Denn die werdende Mutter ist nicht krank, da die Schwangerschaft als solche kein regelwidriger Zustand ist. Dies hat zur Folge, dass die werdende Mutter keine Nachgewährung der Urlaubstage verlangen kann, wenn in die Zeit des bereits gewährten Erholungsurlaubs ein Beschäftigungsverbot fällt. Dies ist auf § 11 MuSchG zurückzuführen, der verlangt, dass die werdende Mutter aufgrund des Beschäftigungsverbots völlig oder teilweise mit der Arbeit aussetzt. Die Kausalität hat ausschließlich auf dem Beschäftigungsverbot zu beruhen. Auch eine analoge Anwendung schließt die Rechtsprechung insoweit aus (BAG vom 09.08.1994, 9 AZR 384/92, AP Nr. 19 zu § 7 BUrlG). Ein schwangerschaftsbedingtes Beschäftigungsverbot ginge typischerweise nicht mit einer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbaren Beeinträchtigung einher. Weiterhin wird dem Beschäftigten auch eine Nachgewährung des Urlaubs nicht versagt, soweit dieser an einer Wiedereingliederungsmaßnahme teilnimmt. Zwar ruhen die Hauptleistungspflichten während einer solchen Maßnahme aufgrund der Arbeitsunfähigkeit. Es handelt sich insoweit um ein sozialrechtliches Rechtsverhältnis eigener Art, das der stufenweisen Rehabilitation des Beschäftigten dient und nicht um eine Arbeitsleistung nach dem Arbeitsvertrag. Gleichwohl besteht die Arbeitsunfähigkeit während der Wiedereingliederung fort; der Urlaub ist soweit nicht erfüllbar. 37 Ob im Falle einer Arbeitskampfmaßnahme eine Nachgewährung des Urlaubs erfolgt, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab: Wird nach bewilligtem Urlaub ein rechtmäßiger Streik im Betrieb/ Dienststelle durchgeführt, gewährt das BAG (vom 09.02.1982, 1 ARZ 567/79, AP Nr. 16 zu § 11 BUrlG) keine Nachgewährung; der Urlaub wird durch den Streik nicht unterbrochen. Tritt der Beschäftigte seinen Urlaub an, hat er Anspruch auf Urlaubsentgelt – der Streik führt zu keiner Unterbrechung des Urlaubs. Entscheidet sich der Beschäftigte hingegen dazu, an dem Streik mitzuwirken, kann er während der Arbeitskampfmaßnahme keinen Urlaub beanspruchen; denn während des Streiks besteht keine Arbeitspflicht, so dass der Beschäftigte von dieser auch nicht urlaubsbedingt freigestellt werden kann. Anderes kann nur gelten, wenn er vor Urlaubsbeginn ausdrücklich gegenüber dem Arbeitgeber erklärt hat, seine Streikteilnahme vorübergehend beenden zu wollen. Aus Gründen der Kampfparität kann der Arbeitgeber allerdings in einem solchen Fall die Urlaubsgewährung verweigern. Erkrankt der Beschäftigte während des Streiks, hat er keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen der streikbedingt suspendierten Hauptleistungspflichten. Denn die Krankheit muss die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall sein. Erkrankt der Beschäftigte jedoch vor Streikbeginn, verliert er nicht den Anspruch auf Entgeltfortzahlung (dies führt denn auch regelmäßig dazu, dass vor Beginn einer Arbeitskampfmaßnahme gerade bei nicht gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten, die kein Geld aus der Streikkasse erhalten, der Krankenstand drastisch ansteigt), soweit er sich nicht an dem Arbeitskampf beteiligt oder beteiligt hätte, wofür den Arbeitgeber die Beweislast trifft. Darauf aufbauend hat das BAG (vom 01.10.1991, 1 AZR 147/91, AP Nr. 121 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) entschieden, dass der Beschäftigte seinen 38 Urlaubsanspruch behält, der während eines vor Streikbeginn gewährten Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt. Der Nachgewährungsanspruch des § 9 BUrlG besteht daher, wenn der Beschäftigte seinen Urlaub angetreten hat, dann in dem Betrieb ein rechtmäßiger Streik geführt wurde und der Beschäftigte sodann arbeitsunfähig erkrankt. Solange der Beschäftigte sich nicht am Streik beteiligt, behält er seinen Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem EFZG. Dadurch kann der Nachgewährungsanspruch nach § 9 BUrlG greifen. VI. Beendigung des Arbeitsverhältnisses § 22 Abs. 1 Satz 2 TVöD verweist auf § 8 EFZG für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses: „Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts wird nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund kündigt, der den Arbeitnehmer zur 39 Kündigung aus wichtigem Kündigungsfrist berechtigt. Grund ohne Einhaltung einer Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in § 3 Abs. 1 oder in § 3a Absatz 1 bezeichneten Zeit nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, ohne dass es einer Kündigung bedarf, oder infolge einer Kündigung aus anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Gründen, so endet der Anspruch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.“ Nach dieser Regelung kann sich der Arbeitgeber nicht des Entgeltfortzahlungsanspruchs entziehen, indem er das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt. Kündigt der Arbeitnehmer selbst aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenen Grund bleibt ebenfalls der Anspruch trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten. VII. Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Den Arbeitnehmer trifft die Beweislast, arbeitsunfähig erkrankt zu sein. Hierzu bedient sich der Arbeitnehmer regelmäßig der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die Bedeutung der Bescheinigung hängt maßgeblich davon ab, welcher Beweiswert dieser – insbesondere in einem Entgeltfortzahlungsprozess – zukommt. Hält der Arbeitgeber das vom Arbeitnehmer eingereichte Attest für unberechtigt ausgestellt, so stehen und fallen die Erfolgsaussichten des 40 arbeitsgerichtlichen Verfahrens Bescheinigung auf den Prozess. mit dem Einfluss der ärztlichen Die Rechtsprechung gesteht hierbei der Bescheinigung einen hohen Beweiswert zu, der nur durch tatsächliche Umstände, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen, entkräftet werden kann. Da der Arbeitgeber keinen Anspruch auf Mitteilung des Krankheitsgrundes - aus Rücksicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten - hat, wird dem Arbeitgeber auch regelmäßig nicht der Gegenbeweis glücken. Der Arbeitgeber ist folglich – auf Gedeih und Verderb – der erdrückenden Beweislast des Attestes ausgeliefert. In der ganz überwiegenden Zahl der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen werden diese berechtigt ausgestellt und zutreffend sein. Legt es ein Arbeitnehmer, insbesondere wenn er sich im Ausland (urlaubsbedingt) aufhält, darauf an, sich eine ärztliche Bescheinigung zu erschleichen, hat der Arbeitgeber jedoch kaum eine Chance den Beweiswert derselben zu erschüttern, 49 ein für die Praxis durchaus nicht immer zufriedenstellendes Ergebnis.50 Hegt der Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten, so hat er die Möglichkeit nach § 275 Abs. 1 Nr. 3 SGB V die Überprüfung derselben durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen zu verlangen. Diesem Begehren ist nach § 275 Abs. 1a Satz 2 SGB V unverzüglich Rechnung zu tragen. Die Praxis zeigt jedoch, dass insbesondere bei Kurzzeiterkrankungen nicht unmittelbar nach Vorlage der ärztlichen Bescheinigung die Begutachtung auch erfolgt, so dass die Überprüfung tatsächlich nicht immer möglich ist. Ist eine Begutachtung durchgeführt worden, so wird der Krankenkasse des Beschäftigten das Ergebnis mitgeteilt. Diese informiert sodann den Arbeitgeber, soweit keine Übereinstimmung zwischen ärztlichem Attest und Gutachten vorliegt. Wie auch bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst wird der Krankheitsgrund aufgrund des Arbeitnehmerpersönlichkeitsrecht dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt. Hilft auch die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst nicht weiter, so steht dem Arbeitgeber noch die Möglichkeit offen, soweit ein konkreter 49 EuGH vom 03.06.1992, NJW 1992, 2687 (Paletta I); EuGH vom 02.05.1996, NZA 1996, 635; BAG vom 19.02.1997, NZA 1997, 705; LAG Baden-Württemberg vom 09.05.2000, NZA-RR 2000, 515. 50 Kritisch daher: Jansen, Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, S. 295 ff. 41 Verdacht im Raume steht, einen Detektiv mit der Überwachung des Beschäftigten zu beauftragen. Bestätigt sich der Verdacht und wird der Beschäftigte einer vorsätzlichen Vertragsverletzung überführt, kann der Arbeitgeber die entstandenen Kosten erstattet verlangen 51. Das BAG 52 hat allerdings jüngst entschieden, dass ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, rechtswidrig handelt, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Dies könne zu Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führen. Faktisch kaum möglich wird es dem Arbeitgeber sein, Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit erheben zu können, soweit sich der Arbeitnehmer im Ausland aufhält. Denn auch einem im Ausland ausgestellten Attest soll nach der Rechtsprechung des EuGH ein hoher Beweiswert zukommen 53. Dieser kann zwar durch den Nachweis des Missbrauchs entkräftet werden. Wie soll der Arbeitgeber jedoch nachweisen, dass z.B. das kalabrische Attest unberechtigterweise dem Arbeitnehmer ausgestellt worden ist? In dem von dem EuGH zu entscheidenden Fall war die vierköpfige Familie Paletta, die allesamt bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war, über drei Jahre hinweg in die kalabrische Heimat in Urlaub gefahren, um sich nach Ablauf des Urlaubs jeweils für weitere sechs Wochen krankschreiben zu lassen. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit durch die Instanzen hat das BAG aufgrund der Besonderheiten dieses Einzelfalls im Rahmen der Beweiswürdigung schließlich ernsthafte Zweifel an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gehegt. Handelt es sich jedoch nicht um eine so offensichtlich betrügerische Vorgehensweise, hat der Arbeitgeber regelmäßig keine Möglichkeit den Beweiswert des Attestes zu entkräften. 51 BAG vom 17.09.1998, AZR 5/97, AP Nr.113 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. Vom 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13, wonach der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weder dadurch erschüttert sei, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden sei. 53 Vom 03.06.1992, Rs C-45/90, DB 1992, S. 1577 (Paletta I); vom 02.05.1996, Rs. C-206/94, DB 1996, S. 1039 (Paletta II). 52 42 VIII. Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers § 7 EFZG gewährt dem Arbeitgeber ein Leistungsverweigerungsrecht wie folgt: „Der Arbeitgeber ist berechtigt, Arbeitsentgelts zu verweigern, 43 die Fortzahlung des 1. solange der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt oder den ihm nach § 5 Abs. 2 obliegenden Verpflichtungen nicht nachkommt; 2. wenn der Arbeitnehmer Schadensersatzanspruchs gegen Arbeitgeber (§ 6) verhindert. den einen Übergang eines Dritten auf den Absatz 1 gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer die Verletzung dieser ihm obliegenden Verpflichtungen nicht zu vertreten hat.“ Kommt der Arbeitnehmer seiner Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nicht nach, steht dem Arbeitgeber ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG zu. Sobald der Arbeitnehmer die Bescheinigung indes nachreicht, ist der Arbeitgeber nicht mehr berechtigt, die Entgeltfortzahlung zu verweigern. Das Leistungsverweigerungsrecht greift zudem, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger andauert und die Folgebescheinigung nicht rechtzeitig vorgelegt wird. Der Arbeitgeber kann sich auch auf das Leistungsverweigerungsrecht berufen, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unvollständig ist. Gleichwohl hat das BAG 54 darauf verwiesen, dass der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit auch mittels anderer Beweise erbracht werden kann. Im Einzelfall kann deshalb die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts rechtsmissbräuchlich sein. Verstößt der Arbeitnehmer ausschließlich gegen die ihn nach § 5 EFZG treffende Anzeigepflicht, ergibt sich hieraus kein Leistungsverweigerungsrecht. Wird der Arbeitnehmer im Ausland arbeitsunfähig krank, hat er den Arbeitgeber zudem unverzüglich hierüber in Kenntnis zu setzen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung (vorübergehend) verweigern. Letztere erhöhten Anforderungen sind dem Umstand geschuldet, dass es dem Arbeitgeber bei einer Erkrankung eines 54 vom 01.10.1997, 5 AZR 726/96. 44 Arbeitnehmers umso schwerer fällt, Bedenken an der Arbeitsunfähigkeit leistungsverweigernd einbringen zu können. Ist der Arbeitnehmer seinen ihm obliegenden Pflichten nicht nachgekommen, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, steht nach § 7 Abs. 2 EGFZ dem Arbeitgeber kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Hierbei ist auf die Besonderheiten des Einzelfalles einzugehen und zu prüfen, ob der Arbeitnehmer etwa aufgrund Art und Schwere der Erkrankung nicht in der Lage war seinen Informationspflichten gegenüber dem Arbeitgeber nachzukommen. Ist beispielsweise ein Arbeitnehmer aufgrund eines fieberhaften Infekts ans Bett gefesselt, so wird ihm regelmäßig ein Telefonat mit dem Arbeitgeber zumutbar sein.55 Verhindert der Arbeitnehmer den Forderungsübergang auf den Arbeitgeber, steht dem Arbeitgeber ein endgültiges Leistungsverweigerungsrecht zu, so z.B. bei einem Verzichts- oder Abfindungsvergleich, einem Erlassvertrag oder einer Abtretung. Ein über § 7 EFZG hinausgehendes Leistungsverweigerungsrecht besteht nicht; die Vorschrift ist abschließend. Nur die dort genannten Fälle berechtigen den Arbeitgeber, die Entgeltfortzahlung zu verweigern. IX. Dauer des fortzuzahlenden Entgelts Wie eingangs erwähnt, erhalten nach § 3 EFZG sowie § 22 Abs. 1 Satz 1 TVöD die Beschäftigten bis zur Dauer von sechs Wochen das Entgelt nach § 21 TVöD. 55 Eine erfahrende Beschäftigte im öffentlichen Dienst schlug in diesem Zusammenhang während einer Schulungsveranstaltung vor, zwischen Männern und Frauen zu differenzieren, da sie nicht selten die Erfahrung gemacht habe, dass Männer bereits bei leichteren Infekten - im Gegensatz zu weiblichen Beschäftigten – sich nicht mehr in der Lage fühlten, selbständig entsprechende Informationen an den Arbeitgeber weiterzuleiten. 45 Erbringt der Beschäftigte trotz krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit seine Arbeit, besteht ein Entgeltanspruch. Der Rückgriff auf den Entgeltfortzahlungsanspruch ist nicht erforderlich. Der Entgeltfortzahlungsanspruch beginnt mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Aufgrund § 22 TVöD ist die vierwöchige Wartezeit eines ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses des § 3 Abs. 3 EFZG nicht Voraussetzung. Die Fristberechnung erfolgt nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 1. Hs. BGB: § 187 Abs. 1 BGB: „Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis fällt.“ § 188 Abs. 2, Hs. 2 BGB: „Eine Frist, die nach Wochen (…) bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche (…), welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt (…).“ Erkrankt der Beschäftigte abends nach Arbeitsschluss, beginnt die Frist am folgenden Tag zu laufen, folglich an dem ersten Tag, an dem der Beschäftigte aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit nicht zur Arbeit kommt. Erkrankt der Beschäftigte morgens vor Arbeitsbeginn und damit vor Beginn der täglichen Arbeitszeit, soll nach Auffassung des BAG 56 und 56 vom 21.09.1971, 1 AZR 65/71 46 damit entgegen des Wortlauts des § 187 Abs. 1 BGB bereits dieser Tag bei der Berechnung der Sechs-Wochen-Frist mitzählen. Grund seien die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses, die nicht den gesamten Arbeitstag der Arbeitspflicht unterzögen, sondern nur Anteile hiervon. Daher sei es angezeigt, auf denjenigen Zeitpunkt am Tag abzustellen, an dem Arbeitsunfähigkeit erst rechtliche Bedeutung erlange. Hat der Beschäftigte Nachtdienst zu verrichten, so beginnt die SechsWochen-Frist zu laufen, wenn der Beschäftigte vor Beginn der Nachtschicht arbeitsunfähig erkrankt. Fällt der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit auf einen arbeitsfreien Samstag, Sonntag oder Feiertag, beginnt die Frist hingegen erst am darauffolgenden Tag zu laufen.57 Erkrankt der Beschäftigte während der Arbeit, so wird der angebrochene Arbeitstag nicht mitgerechnet. Gleichwohl erhält der Beschäftigte nach der Rechtsprechung 58 das volle Arbeitsentgelt. Am darauffolgenden Tag schließt sich sodann die Entgeltfortzahlung an. Ruht das Arbeitsverhältnis und tritt vorher oder während dessen die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ein, so wird der Sechs-WochenZeitraum nicht unterbrochen, sondern gehemmt. Dies hat zur Folge, dass der Zeitraum des ruhenden Arbeitsverhältnisses nicht berücksichtigt wird. Zu den Fällen des ruhenden Arbeitsverhältnisses zählen die Mutterschutzfristen nach §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchGG, Beschäftigungsverbote nach § 3 Abs. 1, § 4 MuschG, Elternzeit nach §§ 15 ff BEEG, Sonderurlaub nach § 28 TVöD und die Freistellungsphase im Blockmodell. Im Falle des Streiks ist noch nicht abschließend deutlich, ob von einem ruhenden Arbeitsverhältnis auszugehen ist. 59 57 § 193 BGB findet keine Anwendung. BAG vom 16.02.1971, 1 AZR 315/70. 59 So hat das BAG, vom 01.10.1991, 1 AZR 147/91, AP Nr. 121 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, entschieden, dass der Beschäftigte seinen Urlaubsanspruch behält, der während eines vor Streikbeginn gewährten Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt. Der Nachgewährungsanspruch des § 9 BUrlG besteht, wenn der Beschäftigte seinen Urlaub angetreten hat, dann in dem Betrieb ein rechtmäßiger Streik geführt wurde und der Beschäftigte sodann arbeitsunfähig erkrankt. Solange der Beschäftigte sich nicht am Streik beteiligt, behält er seinen Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem EFZG. Dadurch kann der Nachgewährungsanspruch nach § 9 BUrlG greifen. 58 47 Beispiel 4: Eine schwangere Beschäftigte erkrankt vom 01. April bis zum 31. August (eine Krankheit). Vom 01. Mai bis zum 06. August bestand ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG von 14 Wochen im Rahmen der sog. Mutterschutzfristen. Ihr steht ein Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 22 Abs.1 Satz 1 TVöD vom 01. April bis zum 30. April (30 Kalendertage) sowie vom 07. August bis zum 18. August (12 Kalendertage) zu. Damit ist der 42 Kalendertage umfassende sechswöchige Entgeltfortzahlungsanspruch erfüllt. Erkrankt eine Beschäftigte nach Beantragung der Elternzeit, jedoch vor Beginn derselben, entfällt der Entgeltfortzahlungsanspruch mit Beginn der Elternzeit. Sofern die Arbeitsunfähigkeit über die Dauer der Elternzeit hinausgeht, besteht der Anspruch für bis zu insgesamt sechs Wochen. Der Sechs-Wochen-Zeitraum findet pro Krankheit Anwendung. Bei jeder neuen Erkrankung erhält der Arbeitnehmer einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch. Um als neue Krankheit anerkannt zu werden, muss es sich um einen anderen Ursprung handeln, selbst wenn es sich um die gleiche Krankheitsart handelt, wie etwa im Falle von Erkältungserkrankungen. Tritt während einer Krankheit eine weitere hinzu, die den Zeitraum von sechs Wochen überschreiten lässt, endet die Entgeltfortzahlungspflicht mit Ablauf der sechs Wochen. Der sog. Grundsatz von der Einheit des Versicherungsfalls steht einem weiteren eigenständigen Anspruch entgegen. 60 Beispiel 5: Ein Arbeitnehmer erkrankt am 01. Juni an einer Lungenentzündung, die am 25. Juni ausgeheilt ist. Am 23. Juni stürzt der Arbeitnehmer schwer und 60 LAG Rheinland-Pfalz vom 04.03.2010, 11 Sa 547/09 48 zieht sich eine Oberschenkelhalsfraktur zu, infolgedessen er bis zum 03. August arbeitsunfähig ist. Der Entgeltfortzahlungsanspruch besteht für die Dauer vom 01. Juni bis 12. Juli. Beispiel 6: Eine Arbeitnehmerin erkrankt ebenfalls am 01. Juni aufgrund eines Hörsturzes an einem Tinitus, infolgedessen sie bis zum 11. Juli arbeitsunfähig ist. Am 13. Juli erkrankt sie bis zum 24. Juli an einer Blutvergiftung. Der Arbeitnehmerin steht zunächst ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 01. Juni bis 11. Juli und sodann vom 13. Juli bis 24. Juli zu. Tritt zu einer Ersterkrankung eine weitere hinzu, ist die Entgeltfortzahlung fortzusetzen, wenn die Ersterkrankung vor Ablauf der Sechs-Wochen-Frist ausgeheilt ist, die weitere Erkrankung jedoch noch andauert. Erst mit Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums von sechs Wochen endet der Anspruch des Arbeitnehmers, selbst wenn die Krankheit noch andauert. Die SechsWochen-Frist darf insoweit nicht erst ab Beginn der zweiten Erkrankung gerechnet werden. Dieser Grundsatz soll selbst dann Anwendung finden, soweit der Arbeitnehmer die Ersterkrankung verschuldet hat und infolgedessen keinen Entgeltfortzahlungsanspruch geltend machen kann. 61 Der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum kann allerdings erneut in Anspruch genommen werden, wenn die erste Arbeitsunfähigkeit bereits beendet ist bevor die neue Erkrankung eintritt. Bei einer zeitlichen Aufeinanderfolge kann ein neuer Anspruch entstehen. Schließen sich zwei verschiedene Erkrankungen nahtlos aneinander und handelt es sich bei der zweiten Krankheit um eine Fortsetzungserkrankung einer früheren Erkrankung, so geht dem Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalls § 3 Abs. 1, Satz 2 EFZG vor, wonach ein 61 LAG Frankfurt a.M., NZA 1986, 432 49 Entgeltfortzahlungsanspruch bei einer Wiederholungserkrankung entstehen kann.62 Hat der Arbeitnehmer seinen behandelnden Arzt aufgesucht und hat dieser ihn arbeitsfähig geschrieben, verunglückt der Arbeitnehmer jedoch sodann auf der Heimfahrt, entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch. 63 Ein Entgeltfortzahlungsanspruch liegt auch vor, wenn der Arbeitnehmer am Morgen vor Wiederantritt der Arbeit erneut erkrankt. 64 Der Anspruch entsteht weiterhin, sofern der Arbeitnehmer die Arbeit wieder angetreten hat oder er hätte arbeiten wollen, die Dienstschicht jedoch ungünstig lag. Die Wiederaufnahme der Arbeit ist damit keine Wirksamkeitsvoraussetzung für einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch.65 Kein Anspruch wird hingegen zugebilligt, soweit der Arbeitnehmer einen misslungenen Wiederaufnahmeversuch durchführt. Hierbei besteht die Krankheit fort, da der Arbeitnehmer, ohne tatsächlich arbeitsfähig zu sein, zwischenzeitlich Dienst geleistet hat. Unerheblich ist, ob dieser Arbeitsversuch unternommen wurde, um den Entgeltfortzahlungsanspruch erneut gelten zu machen oder um den Versuch einer Arbeitsaufnahme durchzuführen, die jedoch keine brauchbare Arbeitsleistung erbracht hat. Die Fristberechnung nach § 3 EFZG erfolgt nicht nach Wochen. Vielmehr sind 42 Kalendertage zu Grunde zu legen, was bei Wiederholungserkrankungen mit unterbrochenen Arbeitsunfähigkeitszeiträumen von Bedeutung sein kann. Insoweit sind alle Fehltage zusammen zu addieren, ergänzt um die jeweiligen arbeitsfreien Tage, in denen gleichfalls Arbeitsunfähigkeit bestand. Bei Teilzeitkräften, die einzelne Tage nicht arbeiten, sind diese zudem in die Berechnung mit einzubeziehen. Nicht zu berücksichtigen sich krankheitsbedingte Fehltage bei einem früheren Arbeitgeber. Ausschließlich das aktuelle Arbeitsverhältnis ist maßgebend. 62 BAG vom 27.07.1977, DB 1977, 2238 Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 3, Rn.219 64 Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 3, Rn.219 65 LAG Rheinland-Pfalz vom 09.01.2012, 5 Sa 528/11 63 50 Der Entgeltfortzahlungsanspruch endet, sobald die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorliegt mit dem letzten auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung attestierten Tag. Die Rechtsprechung66 hält eine Gesundschreibung des Beschäftigten nicht für erforderlich, da diese im Entgeltfortzahlungsgesetz nicht vorgesehen ist. Eine dahingehende tarifrechtliche Regelung besteht ebenfalls nicht. Dem Arbeitgeber soll insoweit die Zurückweisung eines leistungsbereiten Arbeitnehmers versagt sein. Mit Ausnahme der Regelung des § 8 EFZG – der Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit bzw. der arbeitgeberseitig zu vertretenden außerordentlichen Kündigung – endet der Entgeltfortzahlungsanspruch auch, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Hierunter fallen beispielsweise Auflösungsverträgen und nachträgliche Befristungen. X. Wiederholungserkrankung Liegt eine Wiederholungserkrankung vor, bei welcher eine erneute Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eintritt, verweist § 22 Abs. 1 Satz 2 TVöD auf die gesetzlichen Regelungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 TVöD: 66 LAG Berlin, NZA-RR 2002, 23, LAG Düsseldorf, NZA-RR 2004,65 51 „Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen, wenn 1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder 2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.“ Eine Wiederholungserkrankung liegt danach vor, wenn die Krankheit auf demselben Grundleiden beruht; dieselbe chronische Veranlagung des Patienten muss betroffen sein. 67 Soweit ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden erneut zu einer Erkrankung führt, liegt auch eine Wiederholungserkrankung vor. Eine Wiederholungserkrankung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Grundleiden verschiedene Krankheitssymptome zur Folge hat. Als Beispielsfälle werden in der Literatur folgende Krankheitsbilder genannt: 68 Geisteskrankheit mit der Folge wiederkehrenden Alkoholmissbrauchs, Unfällen und Verletzungen; Epilepsie mit entsprechenden Verletzungen durch Brüche, Bisswunden an der Zunge; gravitätsbedingte, außergewöhnliche Schwangerschaftsbeschwerden, Allergien, Diabetes Mellitus, HIV, Hepatitis, Wirbelsäulenerkrankung, nicht ausgeheilte Lungenentzündung, die zu einem Rückfall führt, mehrfache akute Erkrankungen rheumatischer Ursache oder aufgrund eines lang anhaltenden Leber- oder Magenleidens, wie auch eine in bestimmten Schüben auftretende Psychose. Nimmt der Beschäftigte eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme zur Ausheilung einer Krankheit in Anspruch, so tritt diese an die Stelle der Fortsetzungskrankheit. 69 67 BAG vom 04.12.1985, 5 AZR 656/84, DB 1986, 600; LAG Hamm vom 18.01.2006, 18 Sa 1418/05 Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 3, Rn.198 ff 69 Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 3, Rn.201 68 52 Die Begrifflichkeit der Wiederholungserkrankung ist streng von dergleichen Krankheit zu unterscheiden, bei der ein Arbeitnehmer etwa mehrfach an einer Grippe erkrankt. Beruht die Arbeitsunfähigkeit auf mehreren Ursachen, liegt keine Fortsetzungserkrankung vor. Leidet der Beschäftigte hingegen an zwei Krankheiten, die nur aufgrund des kumulierten Auftretens zur Arbeitsunfähigkeit führen, kann später eine Wiederholungserkrankung vorliegen, wenn eine der beiden erneut auftritt. 70 Indem der behandelnde Arzt auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu vermerken hat, ob es sich um eine Folgeerkrankung handelt, wird von diesem im medizinischen Sinne die Krankheit nach Ursache und Erscheinungsform unterschieden. Der Sechsmonatszeitraum nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EFZG verlangt bei einer Wiederholungserkrankung alleine, dass der Arbeitnehmer für den genannten Zeitraum nicht aufgrund derselben Krankheit arbeitsunfähig geworden ist. Ob das Grundleiden zwischenzeitlich völlig ausgeheilt ist, spielt dabei keine Rolle. Unerheblich ist hingegen, ob er in diesem Zeitraum überhaupt gearbeitet hat. Hat er innerhalb dieses Zeitraumes Erholungsurlaub in Anspruch genommen oder war er aufgrund einer anderen Krankheit arbeitsunfähig, führt dies nicht zu einer Unterbrechung oder Verlängerung des sechsmonatigen Zeitraums. Beispiel 7: Ein Arbeitnehmer war wegen einer Depression zunächst vom 11.10. bis 14.11. für 35 Tage arbeitsunfähig. Im Anschluss nahm er seinen Vorjahresurlaub bis zum 31.12. Nach Arbeitsantritt zum 02.01. des 70 BAG vom 13.07.2005, DB 2005, 2359 53 Folgejahres erkrankt der Arbeitnehmer erneut an der Depression bis zum 14.02. Ihm steht lediglich noch ein Anspruch von sieben Tagen Entgeltfortzahlung zu. Beispiel 8: Ein Arbeitnehmer war wegen einer Hausstauballergie vom 01.04. bis 20.04. und vom 01.06. bis zum 07.06. arbeitsunfähig erkrankt. In der Zeit vom 01.05. bis zum 21.05. ist er aufgrund eines Muskelfaserrisses arbeitsunfähig. Ausschließlich die durch die Hausstauballergie bedingten Zeiten der Arbeitsunfähigkeit stehen in einem Fortsetzungszusammenhang. Ambulante Behandlungen, die zur Arbeitsverhinderung führen, unterbrechen die 6-Monats-Frist nicht, werden folglich nicht berücksichtigt. Dies soll selbst dann sein, wenn die ambulante Behandlung auf derselben Krankheit beruht. 71 Erkrankt der Arbeitnehmer während einer Ersterkrankung zusätzlich an einer weiteren Erkrankung, geht diese jedoch nicht über den Zeitraum der Ersterkrankung hinaus, entsteht hinsichtlich der Zweiterkrankung kein Fortsetzungszusammenhang, wenn innerhalb der Sechs-Monats-Frist die Zweiterkrankung erneut auftritt. 72 Zurückzuführen ist dies darauf, dass für die hinzutretende Zweiterkrankung zunächst kein eigener Entgeltfortzahlungsanspruch begründet worden ist. Die Fristberechnung des 6-Monats-Zeitraums bemisst sich nach § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, 1. Hs. BGB. Nach Auffassung von Teilen der Literatur beginnt die Frist danach am Tage nach Ablauf derjenigen Arbeitsunfähigkeitsperiode infolge derselben Krankheit zu laufen, in deren Verlauf der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum abgelaufen ist, und bei allen innerhalb von weniger als sechs Monaten folgenden Arbeitsunfähigkeitsperioden infolge derselben Krankheit jeweils am Tage nach deren Ablauf. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch kann folglich 71 72 Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 3, Rn.204 BAG vom 02.02.1994, DB 1994, 1039; LAG Rheinland-Pfalz vom 28.06.2007, 2 Sa 109/07 54 erst entstehen, wenn dieselbe Erkrankung erst nach sechs Monaten erneut eintritt. 73 Demgegenüber berechnet die Rechtsprechung die Frist unter Berufung auf den Wortlaut des Entgeltfortzahlungsanspruchs rückwärts gewandt 74 . Danach ist auf das Ende der vorhergehenden Arbeitsunfähigkeit abzustellen. Es ist vom Beginn der erneuten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit zurückzurechnen. Das Ergebnis ist bei beiden Methoden gleich. Handelt es sich um eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation, setzt dieselbe Erkrankung am Tag des Beginns der Maßnahme ein. Der Zeitpunkt der Antragstellung bzw. Bewilligung ist unerheblich, wie auch wenn sich aufgrund der Krankenversicherung die Maßnahme verzögert. Beispiel 9: Der Arbeitnehmer ist aufgrund eines Wirbelsäulenleidens im Februar vier Wochen arbeitsunfähig. Im April ist er erneut wegen derselben Krankheit für vier Wochen arbeitsunfähig. Insoweit erhält er noch zwei Wochen Entgeltfortzahlung – insgesamt 42 Kalendertage - der sich der Krankengeldanspruch anschließt, da seit dem Ende der ersten Arbeitsunfähigkeit noch keine sechs Monate vergangen sind. Würde er erst im Oktober arbeitsunfähig aufgrund des Wirbelsäulenleidens erkranken, stünde ihm ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch zu. Beispiel 10: Ein Arbeitnehmer ist aufgrund einer Bauchspeicheldrüsenentzündung vom 03. bis 11.03, vom 06.04. bis 03.06. und vom 05. bis 23.12. arbeitsunfähig erkrankt. 73 74 Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 3, Rn.205 BAG vom 30.08.1973, 5 AZR 202/73 55 Der Arbeitnehmer erhält zunächst für neun Tage (03. bis 10.02) Entgeltfortzahlung. Sodann erhält er vom 06.04. bis zum 08.05. für weitere 33 Tage Entgeltfortzahlung. Obschon er ab dem 09.05. keine Entgeltfortzahlung mehr erhält, ist er noch weiter arbeitsunfähig, bis zum 03.06. Daher kann die 6-Monats-Frist erst mit dem 04.06. zu laufen beginnen und endet am 03.12. Für die erneute Arbeitsunfähigkeit ab dem 05.12. entsteht daher ein neuer Anspruch. Alternative: Der Arbeitnehmer ist zudem vom 11.06. bis 15.06. aufgrund der Bauchspeicheldrüsenentzündung arbeitsunfähig erkrankt. Dann beginnt die Frist erst mit dem 16.06. zu laufen. Dem Arbeitnehmer stünde dann am 05.12. noch nicht bereits wieder ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch zu, da die 6-Monats-Frist noch nicht verstrichen ist. Eine neue Frist würde erst ab dem 24.12. beginnen. Demgegenüber ist für § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EFZG ein Zwölfmonatszeitraum maßgeblich, der seit der ersten Arbeitsunfähigkeit abgelaufen sein muss. Die Vorschrift stellt nicht auf das Kalenderjahr, sondern auf einen Zeitraum von zwölf Monaten ab. Auch bei dieser Variante zur Begründung eines erneuten sechswöchigen Entgeltfortzahlungsanspruchs muss lediglich ein bestehendes Arbeitsverhältnis vorliegen, während dessen nicht gearbeitet worden sein muss. Im Unterschied zu Nr. 1 ist hierbei an Fallkonstellationen gedacht, bei denen der Beschäftigte gerade innerhalb der letzten sechs Monate bereits aufgrund derselben Krankheit arbeitsunfähig war, gleichgültig wie oft, jedoch nunmehr der Zwölf-Monats-Zeitraum abgelaufen ist. Zwischen dem Ende der ersten und dem Beginn der zweiten oder weiteren Arbeitsunfähigkeit liegen keine sechs Monate, aber zwischen dem Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit und der Fortsetzungserkrankung liegen zwölf Monate. Der Zwölf-Monats-Zeitraum beginnt mit der ersten Arbeitsunfähigkeit zu laufen.75 Vom Ausnahmefall des § 3 Abs. 1, Satz 2 Nr. 1 EFZG abgesehen, 75 BAG vom vom 14.03.2007, 5 AZR 514/06 56 soll der Arbeitgeber nur einmal in zwölf Monaten hinsichtlich einer Krankheit für den Sechs-Wochen-Zeitraum Entgeltfortzahlung in Anspruch genommen werden können. Ist dieser Zeitraum abgelaufen, kann der Arbeitnehmer wegen derselben Krankheit erneut Entgeltfortzahlung beanspruchen. Zugleich beginnt an diesem Tag der nächste Zwölf-Monats-Zeitraum zu laufen. Beispiel 11: Eine Arbeitnehmerin ist wegen eines Nierenleidens von März bis zum Ende November neun Monate arbeitsunfähig. Anfang Mai des Folgejahres tritt das Nierenleiden als Fortsetzungserkrankung auf. Die Arbeitnehmerin hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen, da zwischen dem Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit und dem der Fortsetzungserkrankung mehr als zwölf Monate liegen. Beispiel 12: Eine Arbeitnehmerin erkrankt zunächst für neun Monate vom 01.04. bis 31.12. an Leukämie, sodann erneut hieran im Folgejahr für vier Wochen vom 15.04. bis 12.05. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 EFZG wird der Anspruch nicht gewährt, da die Arbeitnehmerin innerhalb des Zeitraums von sechs Monate vor dem erneuten Ausbruch der Leukämie bereits aufgrund dieser Krankheit arbeitsunfähig war. Aufgrund § 3 Abs. 1 Nr. 2 EFZG kann der Anspruch dennoch gewährt werden, da zu Beginn des zweiten Erkrankungszeitraums der Zwölfmonatszeitraum abgelaufen war. Überdauert eine Arbeitsunfähigkeit die Rahmenfrist von zwölf Monaten, so stellt sich die Frage, ob ein neuer Entgeltfortzahlungszeitraum entstehen hat hierzu entschieden, dass die kann. Das BAG 76 Wiederholungserkrankung erst nach dem Ablauf der Frist begonnen haben darf. Eine am Tag des Ablaufs der Zwölf-Monats-Frist eintretende Arbeitsunfähigkeit steht dem Anspruch folglich entgegen. Denn der Wortlaut verlange eine erneute Erkrankung, keine Dauererkrankung, bei der es sich noch um eine Ersterkrankung handelt. 76 vom 14.03.2007, 5 AZR 514/06 57 Beispiel 13: Ein Arbeitnehmer ist infolge eines Leberleidens ab dem 05.02, 04.06. und 12.11. jeweils drei Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Im Folgejahr erkrankt er vom 03.bis 17.01. sowie ab dem 07.02. Zunächst erhält der Arbeitnehmer mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit – dem 05.02. – für insgesamt 42 Kalendertage Entgeltfortzahlung. Bereits zum 12.11. ist der Entgeltfortzahlungszeitraum für die Ersterkrankung erschöpft. Die Zwölf-Monats-Frist endet am 05.02. Fristbeginn ist nach § 187 Abs. 1 BGB, der 06.02., Fristende nach § 188 Abs. 1, 1.Hs. der 05.02. des Folgejahres. Daher kann der Arbeitnehmer ab seiner Wiederholungserkrankung am 07.02. einen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung geltend machen. Schließlich bleibt das Verhältnis zwischen § 3 Abs. 1, Satz 2, Nr. 1 und 2 EFZG zu klären. Die Sechs-Monats-Frist hemmt die Zwölf-Monats-Frist. 77 Tritt nach Ablauf der 6-Monats-Frist eine Wiederholungserkrankung ein, mit der Folge, dass der Arbeitnehmer einen erneuten Entgeltfortzahlungsanspruch geltend machen kann, beginnt auch die Zwölf-Monats-Frist mit Beginn der Wiederholungserkrankung neu zu laufen. Beispiel 14: Ein Arbeitnehmer erkrankt aufgrund eines Bronchialleidens ab dem 05.02., 04.04. sowie ab dem 12.11. und im Folgejahr ab dem 03.01. und 13.02. Er ist jeweils drei Wochen arbeitsunfähig. Zunächst schöpft der Arbeitnehmer den 42-tägigen Entgeltfortzahlungsanspruch in den Krankheitszeiträumen ab dem 05.02 sowie 04.04. aus. Sodann erhält er erneut ab dem 12.11. Entgeltfortzahlung, da die 77 Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 3, Rn.209 58 Sechs-Monats-Frist zwischenzeitlich abgelaufen ist. Auch für die Wiederholungserkrankung ab dem 03.01. des Folgejahres kann der Beschäftigte noch Entgeltfortzahlung beanspruchen, da der neue SechsWochen-Zeitraum noch nicht vollständig in Anspruch genommen war. Erst ab der Arbeitsunfähigkeit ab dem 13.02. besteht kein Anspruch mehr. Die zunächst mit der Ersterkrankung am 05.02. angelaufene 12-MonatsFrist beginnt erneut ab dem 12.11. zu laufen. Fristbeginn nach § 187 Abs. 1 BGB ist der 13.11., Fristende nach § 188 Abs. 2, Hs. 1 BGB der 12.11. Tritt im Folgejahr eine Wiederholungserkrankung ab dem 13.11. ein, besteht ein neuer Entgeltfortzahlungszeitraum. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass keine neue Zwölf-Monats-Frist anläuft, wenn die Ersterkrankung zur Zeit des Fristablaufs noch andauert. Wechselt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz, schließt die sechswöchige Inanspruchnahme des Entgeltfortzahlungsanspruchs einen erneuten Anspruch beim neuen Arbeitgeber nicht aus. Denn § 3 EFZG stellt ausschließlich auf das bestehende Arbeitsverhältnis ab. Bei der Frage nach einer Wiederholungserkrankung ist daher ausschließlich auf das aktuelle Arbeitsverhältnis abzustellen. Eine § 6 BUrlG vergleichbare Vorschrift zwischen früheren und aktuellen Urlaubsansprüche sieht das EFZG gerade nicht vor. Ein neues Arbeitsverhältnis liegt indes nicht bei einem Betriebsübergang nach § 613 a BGB vor. Gleiches soll gelten, wenn sich an ein Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis anschließt. 78 Gleiches gilt auch bei einer nahtlosen Anschlussbefristung. Bestehen mit einem Arbeitgeber zwei rechtlich selbständige Arbeitsverhältnisse, soll eine einheitliche Betrachtungsweise gerechtfertigt sein, wenn zwischen diesen Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht79. Zu den sachlichen Zusammenhängen kann z.B. ein saisonaler vorübergehender Arbeitsmangel zählen oder eine kurze zeitliche Unterbrechung von ein bis zwei Monaten. 78 79 Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, § 3, Rn.211 BAG vom 02.03.1983, DB 1983, S. 1445 59 XI. Beweislast der Wiederholungserkrankung Den Arbeitnehmer soll die Beweislast treffen, dass es sich um eine Folgeerkrankung handel. 80 Zwar hat der behandelnde Arzt auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die entsprechende Angabe zu machen. Hegt der Arbeitgeber hieran Zweifel, so wird ihm in der Praxis ganz regelmäßig der Gegenbeweis nicht gelingen, da der Arbeitgeber aufgrund des Arbeitnehmerpersönlichkeitsrechts den Krankheitsgrund nicht erfahren wird. Zwar trifft nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB den Arbeitnehmer 80 BAG vom 13.07.2005, 5 AZR 389/04 60 eine Offenbarungspflicht, wenn er eindeutig erkennt, dass es sich um eine Fortsetzungserkrankung handelt. Jedoch auch hierüber wird der Arbeitgeber keine Kenntnis erlangen. Der Arbeitgeber kann über den Weg der gesetzlichen Krankenversicherung versuchen, entsprechende Informationen zu erlangen. Denn nach § 69 Abs. 4 SGB X „(sind) die Krankenkassen (…) befugt, einem Arbeitgeber mitzuteilen, ob die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit oder eine erneute Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers auf derselben Krankheit beruht; die Übermittlung von Diagnosedaten an den Arbeitgeber ist nicht zulässig.“ Dem Arbeitgeber wird sogar eine Erkundigungspflicht auferlegt, wenn objektive Umstände auf eine Fortsetzungserkrankung hindeuten, so etwa im Falle häufiger Kurzerkrankungen. Ist dem Arbeitnehmer ein Gefälligkeitsattest ausgestellt worden, bei dem zur Erweiterung des Entgeltfortzahlungsanspruchs – ein anderer Krankheitsgrund zu Grund gelegt worden ist, so wird auch nach der Information durch die gesetzliche Krankenversicherung dem Arbeitgeber der Beweis des Missbrauchs nicht gelingen. Zwar ist der Arbeitnehmer insoweit verpflichtet, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht dahingehend zu entbinden, ob eine Fortsetzungserkrankung besteht. Jedoch auch hier ist davon auszugehen, dass der behandelnde Arzt seinem Patienten regelmäßig näher stehen wird, als dem Auskunft einfordernden Arbeitgeber. 61 XII. Anspruch auf Krankengeld Nach § 44 SGB V haben Versicherte „Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden.“ 62 Die Voraussetzungen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sind dabei identisch mit denen des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Insbesondere ist auch dem Sozialrecht die Teilarbeitsunfähigkeit fremd. Dass die Arbeitsunfähigkeit ohne Verschulden eingetreten ist, ist hingegen kein Tatbestandsmerkmal. Nach § 52 SGB V kann die gesetzliche Krankenversicherung jedoch den Versicherten bei Verschulden an den Kosten der Leistung in angemessener Höhe beteiligen und das Krankengeld ganz oder teilweise für die Dauer dieser Krankheit versagen und zurückfordern. Im Gegensatz zu dem vertraglichen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber, handelt es sich bei der Entscheidung über die Bewilligung des Krankengeldes um einen Verwaltungsakt. Beide Ansprüche bestehen dem Grunde nach nebeneinander. Sie haben beide die Funktion, das wegen Arbeitsunfähigkeit nicht erzielte Arbeitsentgelt zu ersetzen. Um jedoch eine doppelte Inanspruchnahme zu verhindern, ruht der Anspruch auf Krankengeld, soweit Entgeltfortzahlung entrichtet wird nach § 49 Abs. 1 Nr.1 SGB V: „Der Anspruch auf Krankengeld ruht, 1. soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhalten; dies gilt nicht für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt,“ Kommt der Arbeitgeber der Entgeltfortzahlung hingegen nicht nach, obschon er hierzu verpflichtet ist, muss die gesetzliche Krankenversicherung dem Versicherten Krankengeld zahlen. Die Krankenkasse erwirbt zum Ausgleich für die Leistung an den versicherten Arbeitnehmer dessen Anspruch gegen den Arbeitgeber durch Übergang der Forderung nach § 115 SGB X. Neu eingefügt ist der aufgrund von Organ- oder Gewebespende bestehende Krankengeldanspruch nach § 44a SGBV: 63 „Spender von Organen oder Geweben nach § 27 Abs. 1a haben Anspruch auf Krankengeld, wenn eine im Rahmen des Transplantationsgesetzes erfolgende Spende von Organen oder Geweben an Versicherte sie arbeitsunfähig macht. Das Krankengeld wird den Spendern von der Krankenkasse der Empfänger in Höhe des vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig erzielten Nettoarbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens bis zur Höhe des Betrages der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze geleistet.“ Nicht erfasst werden Blutspender, was auch sachgerecht ist, da es sich gegenüber der Spende von Organen oder Geweben um keinen vergleichbar intensiven Eingriff in die körperliche Unversehrtheit handelt. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 SGB V „1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) von ihrem Beginn an, 2. im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.“ Bei stationärer Behandlung entsteht ab dem Tag der Aufnahme in die Einrichtung der Krankengeldanspruch, unabhängig von einer ärztlichen Bescheinigung oder Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit. Ansonsten entsteht der Anspruch erst am Folgetag der ärztlichen Feststellung. Da der Krankengeldzuschuss an das Krankengeld gekoppelt ist, steht auch dieser Arbeitgeberzuschuss dem Beschäftigten erst am Folgetag zu. Wichtig: Daher ist bei Folgebescheinigungen darauf zu achten, dass der Beschäftigte sich diese einen Tag vor Ablauf der vorherigen Bescheinigung vom Arzt ausstellen lässt. Denn eine Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeit nach ärztlicher Feststellung ist nicht zulässig. Zwar sieht § 5 Abs. 3 der 64 Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien ausnahmsweise bis zu zwei Tagen eine Rückdatierung vor. Das BSG81 hat diese Richtlinie jedoch für unvereinbar mit § 46 SGB V erklärt. Ausnahmen hat die Rechtsprechung nur dann anerkannt, wenn eine verspätete ärztlichen Feststellung erfolgt, die dem Verantwortungsbereich des Versicherten entzogen sind, wie Organisationsmängel der Krankenkasse, Fehldiagnosen oder 82 geschäftsunfähige Vertreter. Die Höhe des Krankengeldanspruchs bemisst sich nach § 47 SGB V: „Das Krankengeld beträgt 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf 90 vom Hundert des bei entsprechender Anwendung des Absatzes 2 berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen.“ Die Dauer des Krankengeldbezugs ergibt sich aus § 48 SGB V: „Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert. 81 82 vom 26.06.2007, B 1 KR 8/07R BSD vom 28.10.1981, BSGE 52, 254; vom 17.08.1982, BSGR 54, 62; vom 22.06.1966, 3 RK 14/64 65 Für Versicherte, die im letzten Dreijahreszeitraum wegen derselben Krankheit für achtundsiebzig Wochen Krankengeld bezogen haben, besteht nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit, wenn sie bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate 1. nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig waren und 2. erwerbstätig waren oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen. Bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes werden Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht oder für die das Krankengeld versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt. Zeiten, für die kein Anspruch auf Krankengeld besteht, bleiben unberücksichtigt.“ Für höchstens 78 Wochen erhalten demnach Versicherte wegen derselben Krankheit einen Anspruch auf Krankengeld. Aufgrund des Grundsatzes der Einheit vom Versicherungsfall werden hinzutretende Krankheiten in den Bezugszeitraum eingerechnet und führen zu keiner Verlängerung der Dauer des Bezugs. Die Höchstgrenze ist dem Umstand geschuldet, dass bei dauerhaft eingetretener Erwerbsminderung des Versicherten Entgeltersatzleistungen durch die gesetzliche Rentenversicherung zur Verfügung zu stellen sind. Der Berechnung der 78 Wochen werden pro Woche je sieben Tage zugrunde gelegt, so dass der Bezugszeitraum auf 546 Tage begrenzt ist. Nicht nur die Tage sind dabei zu berücksichtigen, an denen Krankengeld auch tatsächlich gezahlt wird, sondern auch diejenigen, an denen der Anspruch ruht oder versagt wird, so etwa wenn ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber besteht. Die Zeiten müssen nicht zusammenhängend vorliegen. Stattdessen sind die einzelnen Bezugszeiträume zusammen zu zählen. Die auch als Blockfrist bezeichnete Rahmenfrist beträgt drei Jahre. Der Anspruch auf 78 Wochen ist demnach auf einen Zeitraum von drei Jahren 66 begrenzt. Die Frist berechnet sich dabei nach § 26 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 2 BGB, § 188 Abs. 2, 2. Hs. BGB, da bei der Fristberechnung der Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit mitzurechnen ist. Demzufolge ist nicht auf Kalenderjahre abzustellen, sondern auf Jahreszeiträume vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit an. An die erste Blockfrist schließt sich die folgende unmittelbar an, die dazu führt, dass das Anspruchsrecht wieder auflebt. Dieses wird unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 SGB V gewährt. Insbesondere muss der Versicherte in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate wegen dieser Krankheit arbeitsfähig gewesen sein. Die sechs Monate sind eine Zeitspanne, keine Kalendermonate; es muss keine zusammenhängende Arbeitsphase vorliegen, so dass es sich auch um mehrere Teilabschnitte handeln kann. Der Monat wird hierbei nach § 191 BGB mit 30 Tagen berechnet. Die Zwischenzeit von sechs Monaten beginnt mit dem Ende der letzten Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit. In dieser muss der Versicherte erwerbstätig gewesen sein oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden haben. Regelmäßig handelt es sich um eine Arbeitnehmertätigkeit, es kann sich aber auch um eine selbständige Erwerbstätigkeit handeln. XIII. Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung des Kindes Ist der Anwendungsbereich des SGB V gegeben, umfasst der sozialrechtliche Anspruch des § 44 SGB V neben dem Krankengeldanspruch für die Erkrankung des Versicherten selbst nach § 45 SGB V einen eigenständigen Krankengeldanspruch bei Erkrankung des Kindes: 67 „(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, eine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. § 10 Abs. 4 und § 44 Absatz 2 gelten. Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 besteht in jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für längstens 20 Arbeitstage. Der Anspruch nach Satz 1 besteht für Versicherte für nicht mehr als 25 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 50 Arbeitstage je Kalenderjahr. Das Krankengeld nach Absatz 1 beträgt 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts aus beitragspflichtigem Arbeitsentgelt der Versicherten, bei Bezug von beitragspflichtigem einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (§ 23a SGB IV) in den der Freistellung von Arbeitsleistung nach Absatz 3 vorangegangenen zwölf Kalendermonaten 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts aus beitragspflichtigem Arbeitsentgelt; es darf 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze nach § 223 Absatz 3 nicht überschreiten. Erfolgt die Berechnung des Krankengeldes nach Absatz 1 aus Arbeitseinkommen, beträgt dies 70 Prozent des erzielten regelmäßigen Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt. § 47 Absatz 1 Satz 6 bis 8 und Absatz 4 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.“ Für jedes unter zwölfjährige Kind besteht bei dessen Erkrankung ein Anspruch auf Krankengeld von längstens 10 Arbeitstagen, für Alleinerziehende längstens 20 Arbeitstage je Kalenderjahr. Begrenzt ist der Anspruch nach § 45 Abs. 3 SGB V, soweit der Beschäftigte mehr als ein Kind hat, auf 25 Tage bzw. 50 Tage für Alleinerziehende je Kalenderjahr. Unerheblich ist es nach Auffassung des BSG vom 26.6.2007 - B 1 KR 33/06 R, ob die Alleinerziehende das gemeinsame Sorgerecht über das Kind hat; maßgeblich ist, dass sie in häuslicher Gemeinschaft allein mit dem Kind lebt. 68 Als Kinder gelten auch Stiefkinder und Enkel, die der gesetzlich Versicherte überwiegend unterhält, sowie Pflegekinder. Kinder, die mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen sind und für die die zur Annahme erforderliche Einwilligung der Eltern erteilt ist, gelten als Kinder des Annehmenden und nicht mehr als Kinder der leiblichen Eltern. Stiefkinder sind auch die Kinder des Lebenspartners eines Versicherten. Für nicht gesetzlich versicherte Beschäftigte oder gesetzlich versicherte Beschäftigte mit einem nicht gesetzlich versicherten Kind kommt der tarifliche Anspruch hingegen zur Anwendung. Hat das erkrankte Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, besteht ein Befreiungsanspruch auf bis zu vier Arbeitstage, § 29 Abs. 1 e) bb) TVöD. Laut BMI-Rundschreiben vom 25.8.2008 wird dieser Anspruch für jedes Kind gewährt. Sind die vier Tage nicht ausreichend, besteht ein Freistellungsanspruch bis zur Gesamthöhe nach § 45 Abs. 5 SGB V, da diese Vorschrift einen unbezahlten Freistellungsanspruch unabhängig vom Versichertenstatus gewährt. Eine Aufteilung des Anspruchs auf halbe Tage wird seit dem 1.9.2008 anerkannt (BMI-Rundschreiben vom 25.8.2008). Dem Anspruch steht nicht entgegen, wenn sich das Kind in stationärer Behandlung befindet. Nach dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin (vom 12.3.1986, L 9 Kr 29/85) ist der Anspruch auf Krankengeld auch zu gewähren, wenn es medizinisch erforderlich ist, dass der Versicherte zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege seines erkrankten Kindes im Krankenhaus (Mitaufnahme als Begleitperson) der Arbeit fernbleibt. 69 XIV. Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs 1. Entgeltfortzahung gem. § 21 TVöD Die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs bemisst sich nach § 21 TVöD. Danach werden das Tabellenentgelt sowie die sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile weitergezahlt (Satz 1). 70 Entgelte für Bereitschaftsdienste und Zeiten der Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft sind folglich im Rahmen der Durchschnittsberechnung mit einzubeziehen. Erhöht sich während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit das Entgelt, weil eine höhere Entgeltstufe erreicht wird, so ist von diesem Monat an das höhere Tabellenentgelt dem Beschäftigten zu zahlen. Entfällt demgegenüber nach § 14 TVöD eine Zulage, so mindert sich entsprechend das Entgelt. Zu Grunde zu legen ist folglich das Entgelt, das der Beschäftigte erhalten hätte, soweit er seiner Arbeitspflicht nachgekommen wäre. Die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile werden als Durchschnitt auf Basis der dem maßgebenden Ereignis für die Entgeltfortzahlung vorhergehenden letzten drei vollen Kalendermonate (Berechnungszeitraum) gezahlt (Satz 2). Satz 3 weist darauf hin, dass für Überstunden und Mehrarbeit, wie auch Leistungsentgelte, Jahressonderzahlungen sowie besondere Zahlungen nach § 23 Abs. 2 und 3 TVöD gezahlte Entgelte jedoch ausgenommen sind. Sind die Überstunden und Mehrarbeit demgegenüber im Dienstplan vorgesehen, so sind sie dennoch einzubeziehen. Übersteigt die Dauer der Arbeitsunfähigkeit einen Monate, so erfolgt keine Neuberechnung; die Ausgangsberechnung wird für den Entgeltfortzahlungsanspruch beibehalten. Wie sich aus der Protokollerklärung zu § 21 TVöD ergibt, gelten als volle Kalendermonate diejenigen, an welchen das Arbeitsverhältnis an allen Arbeitstagen bestanden hat. Fehlt es an dieser Voraussetzung – hat das Arbeitsverhältnis weniger als drei Kalendermonate bestanden – sind nur die vollen Kalendermonate zur Berechnung heranzuziehen. Verändert sich die individuelle Arbeitszeit des Beschäftigten, so ist auf die neue Arbeitszeit abzustellen und insoweit die vollen Kalendermonate heranzuziehen. Liegt hingegen noch gar kein voller Kalendermonat mit der geänderten Arbeitszeit vor, ist hat sich das Entgelt am tatsächlichen Ausfall zu bemessen. 2. Krankengeldzuschuss 71 § 22 Abs. 2 TVöD Entgeltfortzahlung: trifft folgende ergänzende Regelung zur „Nach Ablauf des Zeitraums gemäß Absatz 1 erhalten die Beschäftigten für die Zeit, für die ihnen Krankengeld oder entsprechende gesetzliche Leistungen gezahlt werden, einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den tatsächlichen Barleistungen des Sozialversicherungsträgers und dem Nettoentgelt. Nettoentgelt ist das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Entgelt im Sinne des § 21 (mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 1); bei freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Beschäftigten ist dabei deren Gesamtkrankenund Pflegeversicherungsbeitrag abzüglich Arbeitgeberzuschuss zu berücksichtigen. Für Beschäftigte, die nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, ist bei der Berechnung des Krankengeldzuschusses der Krankengeldhöchstsatz, der bei Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung zustünde, zugrunde zu legen. Bei Teilzeitbeschäftigten ist das nach Satz 3 bestimmte fiktive Krankengeld entsprechend § 24 Abs. 2 zeitanteilig umzurechnen.“ Hat der Beschäftigte bereits sechs Wochen Entgeltfortzahlung bezogen, so erhält er im Anschluss hieran zum einen, soweit er gesetzlich krankenversichert ist, nach § 45 SGB V, einen Anspruch auf Krankengeld. Dieses bemisst sich nach § 47 SGB V in Höhe von 70 % des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens und ist der Höhe nach auf maximal 90 % des Nettoarbeitsentgelts begrenzt. Gewährt wird der Anspruch auf Krankengeld längstens für die Dauer von 78 Wochen innerhalb von drei Jahren gem. § 48 SGB V, wobei der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum hiervon in Abzug zu bringen ist, mit der Folge, dass das Krankengeld 72 Wochen gewährt wird. 72 Ergänzt wird der sozialrechtliche Anspruch um den tariflichen Anspruch auf Krankengeldzuschuss nach § 22 Abs. 2 TVöD bis zur Höhe des Nettoentgelts. Dieser Anspruch wird gleichfalls gewährt, soweit eine entsprechende gesetzliche Leistung erfolgt. Hierunter werden solche aus der gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung erfasst, wie auch Übergangsgeld nach §§ 20 ff SGB VI, Verletztengeld nach §§ 45 ff SGB VII und Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Die Dauer des Anspruchs auf Krankengeldzuschuss wird durch § 22 Abs. 3 TVöD begrenzt: „Der Krankengeldzuschuss wird bei einer Beschäftigungszeit (§ 34 Abs. 3) von mehr als einem Jahr längstens bis zum Ende der 13. Woche und von mehr als drei Jahren längstens bis zum Ende der 39. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit gezahlt. Maßgeblich für die Berechnung der Fristen nach Satz 1 ist die Beschäftigungszeit, die im Laufe der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vollendet wird.“ Ist ein Arbeitnehmer hingegen lediglich bis zu einem Jahr beschäftigt, erhält er überhaupt keinen Krankengeldzuschuss. Es verbleibt bei dem Entgeltfortzahlungsanspruch, dem sich der Krankengeldanspruch anschließt. Erkrankt der Beschäftigte bevor er den Beschäftigungszeitraum von mehr als einem bzw. drei Jahren erreicht hat und überschreitet er im Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen den Ein- bzw. Dreijahreszeitraum, so erhält er sodann bis zur 13. Woche bzw. bis zur 39. Woche den Krankengeldzuschuss. 73 Denn maßgeblich für die zur Feststellung der Fristen zu berechnende Beschäftigungszeit ist die Zeit, die während der Dauer der bestehenden Arbeitsunfähigkeit erreicht wird. Der Anspruch auf den tariflichen Krankengeldzuschuss kann auch während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit entstehen. Insoweit wird der Krankengeldzuschuss so gezahlt, als hätte der Beschäftigte bereits zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit die erforderliche Beschäftigungszeit erreicht. Ob also ein Anspruch für 13 oder 39 Wochen Krankengeldzuschuss besteht, kann in Einzelfällen erst während einer Arbeitsunfähigkeit ermittelt werden, wenn während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigungszeitraum von einem bzw. drei Jahren überschritten wird. Es sollte grundlegend überdacht werden, ob hierdurch nicht ein falsches Anreizsystem geschaffen worden ist, sich über den jeweiligen Zeitraum hinaus „krank schreiben zu lassen“. Beispiel 15: Eine Beschäftigte wird zum 01.10.2014 im öffentlichen Dienst eingestellt. Am 30.08.2015 wird sie arbeitsunfähig krank bis zum 31.10.2015. Nach Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungsanspruchs dem 10.10.2015, erhält die Beschäftigte, da sie nunmehr mehr als ein Jahr Beschäftigungszeit vorweisen kann, einen Krankengeldzuschuss zum Krankengeld bis zum 31.10.2015. Beispiel 16: Eine zum 01.01.2014 im öffentlichen Dienst eingestellte Beschäftigte ist durchgehend seit dem 01.11.2014 arbeitsunfähig. Nach Ablauf der mit dem 01.11.2014 laufenden sechswöchigen Entgeltfortzahlung nach § 22 Abs.1 TVöD erhält sie zum einen Krankengeld. Da sie mit Ablauf des 01.01.2015 eine Beschäftigungszeit von einem Jahr vollendet, steht ihr nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung (12.12.2014) ab dem 13.12.2014 bis 74 zum 30.01.2015 Krankengeldzuschuss zu (Wortlaut: mehr als einem Jahr). 83 Beispiel 17: Ein Beschäftigter mit einer Beschäftigungszeit von vier Jahren ist seit dem 01.03. aufgrund einer Lungenentzündung arbeitsunfähig erkrankt bis zum 28.03. Während dieser krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verbrennt sich der Beschäftigte am 23.03. und ist infolgedessen bis zum 25.04. arbeitsunfähig. In der Zeit vom 01.03. bis zum 11.04. (42 Kalendertage) erhält er zunächst Entgeltfortzahlung. Nach dem Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalls löst die Brandverletzung keinen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch von sechs Wochen aus. Ab dem 12.04. erhält der Beschäftigte daher Krankengeldzuschuss. Darauf zu achten ist, dass sich die Bezugsfrist von 13 bzw. 39 Wochen vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit an berechnet, so dass die ersten sechs Wochen, für die das Entgelt fortgezahlt wird, in den Bezugszeitraum mit einzurechnen sind. Das hat - wie auch beim Krankengeldanspruch vergleichbar, auf den der Entgeltfortzahlungsanspruch auch angerechnet wird – zu Folge, dass der Krankengeldzuschuss für höchstens bis zu 33 Wochen gewährt wird. 84 Die Bezugsfrist berechnet sich folglich auch dann vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit, wenn die Entgeltfortzahlung nicht vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit an geleistet wird, sondern erst später einsetzt. Beispiel 18: Eine Beschäftigte mit einer Beschäftigungszeit von fünf Jahren nahm Elternzeit ohne Inanspruchnahme von Teilzeit bis zum 31.03. Seit dem 01.03. ist sie arbeitsunfähig erkrankt bis zum 15.12. Infolgedessen nimmt die Beschäftigte die Arbeit nicht am 01.04., sondern erst am 16.12. wieder auf. Die Beschäftigte erhält zunächst vom 01.04. bis zum 12.05 83 A.A.: Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, TVöD, § 22, Rn.25.1, die den 02.01. als maßgeblichen Beginn der Zuschusszahlung ansehen. 84 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22, Rn.169 75 Entgeltfortzahlung (und nicht nur bis zum 11.04., dem Ablauf von 42 Kalendertagen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit). Ab dem 13.05. hat die Beschäftigte einen Anspruch auf Krankengeldzuschuss bis zum 28.11. Denn die Bezugsfrist für den Krankengeldzuschuss beginnt bereits am 01.03. und nicht erst am 01.04. 3. Krankengeldzuschuss bei Wiederholungserkrankungen Liegt eine Wiederholungserkrankung vor, so hat dies auch Auswirkungen auf die Dauer des Krankengeldzuschusses. Dem Beschäftigten steht der Krankengeldzuschuss nur einmal für bis zu 39 Wochen zu. Im Gegensatz zu der Regelung des § 3 Abs. 1, Satz 2 EFZG, der bei Wiederholungserkrankungen einen neuen Anspruch gewährt, sieht die tarifvertragliche Regelung eine solche erneute Leistung nicht vor. Der Anspruch auf Krankengeldzuschuss lebt gerade nicht wieder auf, wenn der Beschäftigte seine Tätigkeit wieder aufgenommen hat und ein halbes Jahr ununterbrochen gearbeitet hat. Beispiel 19: Ein Beschäftigter mit einer Beschäftigungszeit von neun Jahren erkrankt an Diabetes. Die Krankheit wird erstmalig am 1.12.2011 attestiert und besteht bis zum 26.07.2012 fort. Am 27.07.2012 nimmt der Beschäftigte seine Arbeit wieder auf, um am 01.10.2012 erneut an ihr bis zum 20.01.2013 zu erkranken. Am 21.01.2013 nimmt der Beschäftigte die Arbeit wieder auf. Am 01.05.2013 ist er wieder arbeitsunfähig infolge der Diabetes. Der Arbeitgeber hat vom 01.12.2011 bis zum 11.01.2012 Entgeltfortzahlung (42 Kalendertage) zu zahlen. Ab dem 12.01.2012 bis zum 26.07.2012 (Ende der 33. Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit) erhält er Krankengeldzuschuss. Vom 01.10.2012 bis zum 04.11.2012 (fünf Wochen) wird noch Krankengeldzuschuss gezahlt. Ein weiterer Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht nicht, weil zwischen dem Ende der ersten Krankheitsperiode und dem Beginn der zweiten keine sechs Monate verstrichen sind. Auch sind bei Beginn der erneuten Arbeitsunfähigkeit seit dem Beginn der ersten Krankheit nicht zwölf Monate vergangen. Ab dem 76 05.11.2012 besteht kein Anspruch auf Krankengeldzuschuss mehr bis zum 20.01.2013. Denn insgesamt sind für diese Krankheit 39 Wochen Entgeltfortzahlung und Krankengeld entrichtet worden. Am 01.05.2013, der dritten Krankheitsperiode besteht ein erneuter Anspruch auf Entgeltfortzahlung, da seit Beginn der Ersterkrankung mehr als ein Jahr vergangen ist, der Anspruch auf Krankengeldzuschuss lebt aber nicht wieder auf. Erhält der Beschäftigte nur noch einen Anspruch auf Krankengeldzuschuss, weil der Entgeltfortzahlungszeitraum bereits abgelaufen ist, so ist es wichtig, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit dem Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit und nicht erst später vorgelegt wird. Denn der Krankengeldzuschuss ist an den des Krankengeldes gekoppelt. Nach § 46 Abs. 1, Satz 1 SGB V wird – abgesehen von stationärer Aufnahme – das Krankengeld erst von dem Tag an geleistet, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Beispiel 20: Ein Beschäftigter, der den Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen bereits ausgeschöpft hat, erkrankt erneut an einem Donnerstag. Er ist zwar regelmäßig erst verpflichtet, ab dem darauffolgenden Montag eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Jedoch erhält er bei Vorlage am Montag auch erst am Dienstag Krankengeld und damit Krankengeldzuschuss. 4. Höchstgrenzen des Krankengeldzuschusses im Kalenderjahr Der in § 22 TVöD normierte Krankengeldzuschuss stellt eine Höchstgrenze pro Kalenderjahr von 13 bzw. 39 Wochen insgesamt dar. Die Höchstgrenze gilt dabei nicht nur für Ersterkrankungen, sondern auch für Wiederholungserkrankungen oder neue Arbeitsunfähigkeit auslösende Ursachen.85 85 Breiser/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22, Rn.172.1 77 Beispiel 21: Ein Beschäftigter mit einer Beschäftigungszeit von 2 Jahren stürzt vom Pferd und zieht sich eine Fraktur des linken Beines zu. Vom 14.01 bis zum 24.03. ist er zehn Wochen arbeitsunfähig. Nach Rückkehr zur Arbeit beginnt er am 31.03. eine Reha-Maßnahme, die vier Wochen bis zum 27.04. dauert. Am 28.04. nimmt er die Arbeit wieder auf. Im Juli erleidet der Beschäftigte eine Bauchspeicheldrüsenerkrankung. Er ist für fünf Wochen, vom 17.07. bis zum 20.08., arbeitsunfähig. Im November des gleichen Jahres wird ihm eine Zyste im linken Bein entfernt, die sich aufgrund der Fraktur gebildet hat und zu einer siebenwöchigen Arbeitsunfähigkeit führt, vom 05.11. bis 23.12. Der Beschäftigte erhält zunächst für die ersten sechs Wochen - der Fraktur – Entgeltfortzahlung (14.01. bis 24.02.). Sodann folgt der vierwöchige Krankengeldzuschuss (25.02. bis 24.03.). Da die Reha-Maßnahme eine Wiederholungserkrankung ist, steht dem Beschäftigten keine Entgeltfortzahlung mehr zu. Er erhält Krankengeldzuschuss für drei Wochen, vom 31.03. bis 20.04. Ab dem 21.04. besteht auch kein Krankengeldzuschuss mehr, da die 13 Wochen Bezugshöchstfrist ausgeschöpft ist. Für die Bauchspeicheldrüsenerkrankung im Juli erhält der Beschäftigte Entgeltzahlung, da es sich um eine neue Krankheit handelt. Hinsichtlich der Entfernung der Zyste im November handelt es sich um eine Wiederholungserkrankung, da sie in unmittelbarem Zusammenhang zur Fraktur steht. Der Beschäftigte ist sechs Monate nach dem Ende der Ersterkrankung am 24.03. nicht wegen dieser arbeitsunfähig erkrankt. Daher hat er einen Anspruch auf weitere sechs Wochen Entgeltfortzahlung. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Krankenkassenzuschuss besteht nicht, da der Beschäftigte bereits 13 Wochen im laufenden Kalenderjahr erhalten hat. Alternative: Der Beschäftigte ist aufgrund seiner Fraktur vier Wochen arbeitsunfähig. Die zweite Arbeitsunfähigkeit aufgrund anderer Ursache dauert von Juli bis September elf Wochen. Eine Kur von vier Wochen schließt sich unmittelbar 78 an. Die dritte Arbeitsunfähigkeit stellt ebenfalls Wiederholungserkrankung dar und dauert sieben Wochen. keine Für die Ersterkrankung erhält der Beschäftigte vier Wochen Entgeltfortzahlung. Sechs Wochen erhält er für die Zweiterkrankung. Anschließend hat er einen Anspruch auf Krankengeldzuschuss für drei Wochen, weil der Arbeitgeber bereits für zehn Wochen Entgeltfortzahlung geleistet hat. Danach verbleiben nur noch drei Wochen Anspruch auf Krankengeldzuschuss. Hinsichtlich der Dritterkrankung erhält der Beschäftigte sechs Wochen Entgeltfortzahlung. Variante: Wie der Ausgangsfall, jedoch umfasst die Ersterkrankung mit sich anschließender Kur 16 Wochen. Hier erhält der Beschäftigte nach der Entgeltfortzahlung über sechs Wochen noch sieben Wochen Krankenkassenzuschuss. Da die Bezugsfrist überschritten ist, erhält der Beschäftigte ab der 14. Woche keine Leistung mehr vom Arbeitgeber. Für die zweite und dritte Erkrankung erhält der Beschäftigte Entgeltfortzahlung. Geht eine Erkrankung von einem Kalenderjahr ins Folgejahr über, lebt der Anspruch auf Krankengeldzuschuss wieder auf. Beispiel 22: Wie Variante Fall 21, jedoch beginnt die dritte Krankheit am 14.11.2013 und dauert bis 26.02.2014, 15 Wochen. Der Beschäftigte hat für die dritte Erkrankung im November zunächst einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung über sechs Wochen bis zum 25.12.2013. Ab dem 26.12.2013 besteht kein Anspruch auf Krankengeldzuschuss, da der Bezugszeitraum für das Kalenderjahr 2013 bereits erschöpft ist. Ab dem 01.01.2014 lebt der Krankenkassenzuschuss wieder auf, so dass der Beschäftigte bis zum 26.02.2014 die Leistung erhält. 79 XIV. Forderungsübergang bei Dritthaftung Der TVöD enthält keine Regelung, wie der Forderungsübergang auf den Arbeitgeber zu erfolgen hat, soweit die Arbeitsunfähigkeit auf einen Dritten zurückzuführen ist. Hilfe zur Behandlung entsprechender Fälle bietet indes § 6 EFZG, wonach der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen einen Dritten wegen Verdienstausfalls auf den Arbeitgeber übergeht, soweit dieser dem Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung geleistet und Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt hat. Hierzu hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich die zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlichen Angaben zu machen. Sind allerdings Arbeitskollegen Schädiger des Arbeitnehmers, finden die gesetzlichen Haftungsbeschränkungen der §§ 104 und 105 SGB VII Anwendung. Zur Aufrechterhaltung des Betriebsfriedens soll die Haftung von Beschäftigten innerhalb desselben Betriebes gegeneinander ausgeschlossen sein. Hinzuweisen bleibt jedoch, dass die Haftungsbeschränkung nicht für Leiharbeitnehmer gilt, die einen Arbeitnehmer des entleihenden Betriebes schädigen. XV. Betriebliches Eingliederungsmanagement 80 § 84 Abs. 2 SGB IX regelt als Maßnahme der Prävention das betriebliche Eingliederungsmanagement – BEM: „Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeit, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich wird der Werk- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung , können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.“ Hinter der Vorschrift steht der Ansatz des Arbeitgebers, ob er ein Arbeitsverhältnis bei länger andauernder Krankheit aufrecht erhalten oder aber dessen Beendigung verfolgen will. Gleichwohl ist die Intention des Gesetzgebers auf die Vermeidung von krankheitsbedingten Kündigungen gerichtet. Vielmehr soll unter Einbeziehung der Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis derart gestaltet werden, dass die Arbeitskraft durch 81 Präventionsmaßnahmen derart gestärkt wird, um das Aussteuern von Beschäftigten zu vermeiden. Denn gegenwärtig werden jährlich ca. 400.000 Arbeitsverhältnisse aus gesundheitlichen Gründen beendet. Weitere 200.000 Arbeitnehmer scheiden gesundheitsbedingt vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus 86 . Insbesondere psychische Erkrankungen sind in den vergangenen Jahren nochmals deutlich angestiegen, mit der Folge, dass nach dem DAKGesundheitsreport 2014 dieser Krankheitsgruppe 14,6 % des Krankenstandes zuzuordnen war 87. Mit dem sog. BEM sollen gesundheitliche Einschränkungen zunächst ermittelt werden, die zur krankheitsbedingten Abwesenheit am Arbeitsplatz geführt haben, um sodann zu ermitteln, wie zukünftig weitere Arbeitsausfälle verhindert werden können. Das BEM – als Ausdruck der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers – findet Anwendung auf länger als 42 Kalendertage pro Krankheitsjahr (nicht Kalenderjahr!) erkrankte Arbeitnehmer, gleichgültig, ob schwerbehindert oder nicht, vollzeit- oder teilzeitbeschäftigt. D.h., obschon im SGB IX geregelt, werden vom persönlichen Anwendungsbereich alle Beschäftigten – auch die Statusgruppe der Beamten - erfasst. Vom sachlichen Anwendungsbereich werden nicht Kleinbetriebe i.S.d. KSchG erfasst, wie auch der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist das BEM durchzuführen, soweit die sechsmonatige Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt ist. Ab dem 43. Krankheitstag besteht die Pflicht das BEM durchzuführen. Ist der Beschäftigte dauerhaft arbeitsunfähig, scheidet die Anwendung des BEM aus. Geklärt werden soll, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden, mit welchen Hilfen und Leistungen eine erneute Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie der Arbeitsplatz für den Beschäftigten weiter erhalten werden kann. Demzufolge kann Ergebnis auch die Umsetzung oder Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz sein. Der Grundsatz SMART – spezifisch, messbar, akzeptabel, realistisch und terminiert – liegen dem BEM zugrunde, wobei es sich um einen 86 87 Schmidt, Gestaltung und Durchführung des BEM, Rn.7. Ebenda: S. VI und S. 19 ff 82 ergebnisoffenen Suchprozess handelt, der auf die individuellen Bedürfnisse abzustimmen ist. Daher sollten alle Beteiligten dazu aufgefordert sein, ihre Vorstellungen einzubringen. Wird dem nicht entsprochen, hat dies zur Folge, dass das BEM im ganzen nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Den Arbeitgeber trifft eine Initiativpflicht, mit der zuständigen Interessenvertretung zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann. Dennoch können auch der Arbeitnehmer sowie die Interessenvertretung die Durchführung des BEM einfordern. Der Arbeitnehmer kann jedoch auch diese Präventionsmaßnahme ablehnen. Er darf sich ausdrücklich weigern, die Maßnahme durchzuführen, hat jedoch seinerseits einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Durchführung des BEM. Soweit der Arbeitgeber das BEM tatsächlich dazu nutzen will, der gesetzgeberischen Intention und den Erhalt des Arbeitsplatzes sicherzustellen, sollte er dies auch deutlich gegenüber dem Beschäftigten zum Ausdruck bringen. Hierzu ist es unerlässlich den Beschäftigten darauf hinzuweisen, dass er den Grund seiner Krankheit nicht zu nennen hat. Lediglich diejenigen medizinischen Daten sollten mitgeteilt werden, die erforderlich sind, um die betriebsbezogenen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit zu ermitteln und unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkung die Einsatzmöglichkeiten des Beschäftigten prüfen zu können. Dem Beschäftigten muss ganz deutlich vermittelt werden, dass er darauf vertrauen kann, dass er alle personenbezogenen Daten ausschließlich freiwillig mitteilt und dass alle mitgeteilten Gesundheitsdaten streng vertraulich behandelt werden. Nicht nur die Schweigepflicht von Arbeitgeber und Interessenvertretung sind streng einzuhalten, auch die betriebsärztliche Schweigepflicht ist zu beachten, sofern Werks- oder Betriebsarzt beteiligt sind, § 10 BPerVG; §§ 96 Abs. 7, 97 Abs. 7 SGB IX, § 35 SGB I i.V.m. §§ 67 ff SGB X. Für jede (weitere) einzelne Information bedarf es der erneuten Zustimmung des Beschäftigten. Auch ist eine gesonderte Datenschutzerklärung des Beschäftigten erforderlich. Eine pauschale Zustimmung genügt diesen Anforderungen nicht und ist unwirksam. Weiß hingegen der Beschäftigte, 83 dass der Abbau von Personal angestrebt wird, ist es nur schwer möglich, das erforderliche Vertrauen aufzubauen. Beispiel: Hat der Beschäftigte ein schweres Bandscheibenleiden, ist diese Diagnose dem Arbeitgeber gerade nicht mitzuteilen. Entscheidend ist vielmehr, wie viel der Beschäftigte – soweit für seine Tätigkeit erforderlich – heben darf oder ob er etwa zur Entlastung ein Stehpult benötigt. Für die Praxis bietet es sich an, eine Verfahrensordnung festzulegen, wer welche Rahmenbedingungen durchzuführen berechtigt ist, um in einem ggfs. folgenden Kündigungsprozess das BEM auch nutzen zu können. Verweigert der Beschäftigte die Zustimmung und unterbleibt infolgedessen das BEM ist dies nach Auffassung des BAG 88 kündigungsneutral. In jedem Fall sind sowohl die Verweigerung wie auch die Zustimmung schriftlich festzuhalten. Hat der Arbeitnehmer das BEM abgelehnt, kann er sich allerdings in einem evtl. späteren Kündigungsprozess nicht auf die fehlende Durchführung desselben berufen. In die Personalakte dürfen lediglich das Angebot des BEM und die Stellungnahme des Arbeitnehmers aufgenommen werden; ergänzt um die Benennung der Maßnahmen, die zur Überwindung bzw. Prävention von Arbeitsunfähigkeit angeboten und umgesetzt werden sowie eine Abschlussdokumentation; alle darüber hinausgehenden Gesundheitsdaten unterliegen dem Arbeitnehmerpersönlichkeitsrecht und sind gesondert in einer BEM-Akte zu führen. Weitergehende Informationen können in einer Nebenakte gesondert geführt werden, zu der jedoch nur derjenige Personenkreis Zugriff nehmen können darf, der mit dem Vorgang zwingend betraut sein muss. Es ist darauf zu achten, dass die Nebenakte - soweit noch in Papierform bestehend - in einem verschlossenen Schrank mit eingeschränkten Zugangsrechten 88 vom 24.03.2011 – 2 AZR 170/10 84 aufbewahrt wird. Spätestens drei Jahre nach Beendigung des BEM ist die Akte zu vernichten oder dem betroffenen Beschäftigten auszuhändigen. Spricht der Arbeitgeber eine personenbedingte Kündigung aufgrund der Krankheit in der Folge aus, so ist ein ordnungsgemäß durchgeführtes BEM entscheidend für den Verlauf der Kündigungsschutzklage. Denn den Arbeitgeber trifft die Darlegungs- und Beweislast, alle Maßnahmen unternommen zu haben, die zu einem dauerhaften Einsatz des Arbeitnehmers führen können. Das BEM ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer Kündigung. Eine ohne BEM ausgesprochene Kündigung ist jedoch regelmäßig sozialwidrig, da der ultima-ratio-Grundsatz nicht beachtet wurde, wonach die Kündigung das letzte Mittel sein muss, nachdem alle möglichen anderen Versuche gescheitert sind, von einer krankheitsbedingten Kündigung abzusehen. Auf die Sozialwidrigkeit mangels ordnungsgemäßem BEM kann sich der Arbeitnehmer indes nur berufen, wenn überhaupt Alternativen in Betracht hätten kommen können unter denen der Beschäftigte hätte weiterarbeiten können. Ist die körperliche Beeinträchtigung derart gravierend, dass keine Tätigkeit mehr möglich, diese unzumutbar oder völlig ungewiss ist, steht das Unterlassen eines BEM der Kündigung nicht entgegen. Das BEM wird jedoch noch nicht entbehrlich, wenn die medizinische Untersuchung ergibt, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht auf der Arbeit beruht. Denn auch hier kann im Rahmen des BEM erarbeitet werden, wie die private Lebensweise dergestalt verändert werden kann, dass sich der gesundheitliche Zustand des Beschäftigten bessert. Zwar gibt es keine generelle Gesunderhaltungspflicht des Beschäftigten, jedoch soll der Beschäftigte einer innerhalb des BEM erarbeitetes Konzept umsetzen müssen 89. 89 Schmidt, Gestaltung und Durchführung des BEM, Rn. 93, unter Bezugnahme auf: BAG vom 10.12.2009 – 2 AZR 400/08 85 XVI. Fazit Tritt eine Störung im Arbeitsverhältnis auf, weil der Arbeitnehmer krankheitsbedingt seiner Hauptleistungspflicht – der Arbeit – nicht nachzukommen vermag, hat er gleichwohl regelmäßig einen Anspruch auf Entgelt. Insoweit handelt es sich zweifellos um eine der bedeutendsten sozialen Errungenschaft der modernen Arbeitswelt. Mit diesem hohen Schutz des Arbeitnehmers sind jedoch auch in Einzelfällen kritisch zu betrachtende Belastungen des Arbeitgebers verbunden, soweit berechtigte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen, diese jedoch vom Arbeitgeber nicht hinreichend dargelegt werden können. Gleichwohl verdient die wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers insoweit Vorrang mit der Folge, dass Ausnahmen von einer rechtmäßigen Entgeltfortzahlung – so bitter dies im Einzelfall auch erscheinen mag schichtweg in Kauf zu nehmen sind. 86 B. Der Krankheitsfall bei Beamten I. Einleitung Mit dem Eintritt in das Beamtenverhältnis stellt sich der Beamte mit seiner Person in den Dienst der Allgemeinheit. Ausfluss dessen ist es, dass der Dienstherr auch die persönliche Rechtstellung des Beamten zu schützen hat. Denn die Fürsorge- und Schutzpflicht des Dienstherrn gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, die vom Gesetz- und Verordnungsgeber zu beachten sind, wie Art. 33 Abs. 5 GG zu entnehmen ist. Daher hat der Dienstherr insbesondere für die Erhaltung der Gesundheit und der Arbeitskraft des Beamten Sorge zu leisten. Der Schutz von Leben und Gesundheit bezieht sich nicht zuletzt auf die Beeinträchtigung dieser Schutzgüter durch die Arbeitsbedingungen und die Kollegen, wie durch rauchende Mitarbeiter, für die zum Nichtraucherschutz entweder Raucherräume zu schaffen sind oder die die Möglichkeit des Rauchens außerhalb der Diensträume erhalten. Auch Mobbing oder Bossing sind vom Dienstherrn zu unterbinden. Im ersteren geht es um einen Konflikt unter Kollegen, im zweiten Fall um einen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. Wird die Situation nicht behoben, führt diese regelmäßig zu stressbedingten Krankheitssymptomen, Arbeitsausfall und letztlich zum Verlust des Arbeitsplatzes. Schreitet der Dienstherr gegen eine Mobbingbzw. Bossing-Situation nicht ein, kann sich für das Opfer ein Schadensersatzanspruch ergeben, der auf die Verletzung der Fürsorgepflicht, des Persönlichkeitsrechts sowie den Gesundheitsschaden und den Arbeitsausfall gestützt werden kann. Ausfluss dessen ist es auch, dass der Beamte im Falle der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit vom Dienst fernbleiben darf und gleichwohl weiter amtsangemessen alimentiert wird. Denn der Dienstherr hat wegen seiner Fürsorgepflicht „Vorkehrungen zu treffen, dass der 87 amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Geburts- oder Todesfälle nicht gefährdet wird“. 90 Bereits das Reichsgericht 91 hat darauf hingewiesen, dass der Dienstherr den Beamten nicht in einer Weise belasten dürfe, die seine Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit deutlich übersteige und ihn geistig und körperlich lähme. Sei der Beamte infolge Krankheit geschwächt, ohne dienstunfähig zu sein, müsse er den Einschränkungen seiner Dienstfähigkeit entsprechend geschont werden. II. Krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit Wann ein Beamter krank und infolgedessen dienstunfähig ist, unterliegt denselben Kriterien wie bei der Gruppe der Arbeitnehmer. Auch hier bedarf es eines regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustands, der eine Heilbehandlung erforderlich macht und sei es nur die Zur-Ruhe-Stellung des Betroffenen. Kann der Beamte infolge der Krankheit seinen Dienst nicht verrichten, spricht man von Dienstunfähigkeit. Tritt die krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit des Beamten ein, so bedarf es keiner Freistellung vom Dienst durch den Dienstvorgesetzten. Wann Dienstunfähigkeit im Einzelfall vorliegt, hängt von der dem Beamten konkret übertragenen dienstlichen Aufgabe ab. Zutreffend der BadenWürttembergische Verwaltungsgerichtshof 92 entschieden, dass dem Beamten der Nachweis der aus gesundheitlichen Gründen geltend gemachten Unmöglichkeit der Teilnahme an einem ungewünschten Lehrgang nicht deshalb erspart bleibt, weil er gleichzeitig seine Dienstleistung in seinem „normalen“ Wirkungsbereich anbietet. 90 BVerfGE 43, 154 RGZ 126, 362 92 DÖD 1976, 38 91 88 III. Gesunderhaltungspflicht Den Beamten trifft die Pflicht zur Erhaltung der Gesundheit, zurückzuführen auf den Verfassungsauftrag der Verwaltung, im Interesse des Gemeinwohls eine funktionstüchtige, stabile und vertrauensvolle Diensterfüllung zu garantieren. 93 Das Beamtenrecht selbst präzisiert diese Pflicht wie auch den Begriff der Gesundheit nicht. Auszulegen ist daher, welches Verhalten – Tun wie auch Unterlassen – der Beamte seinem Dienstherrn schuldet, um nicht den objektiven Tatbestand der ihm obliegenden Gesunderhaltungspflicht zu verletzen.94 Differenziert wird dabei zwischen einer allgemeinen Gesunderhaltungspflicht und einer besonderen Gesunderhaltungspflicht für bestimmte Beamte(ngruppen). Die allgemeine Gesunderhaltungspflicht hat zur Folge, dass der Beamte sich so zu verhalten hat, wie dies die „soziale Gemeinschaft“ allgemein billigt. Insoweit kann etwa hinsichtlich der Risikosportarten, des Konsums von Alkohol, Tabak und Medikamenten sowie der Teilnahme am Straßenverkehr auf die im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze verwiesen werden. Selbst hinsichtlich des Genusses von Haschisch hat das BVerwG 95 darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung des Beamten sich gesund zu verhalten, nicht so weit geht, dass bereits die abstrakte Gefahr, durch eine auf die eigene Lebensführung zurückzuführende Erkrankung in seiner Dienstfähigkeit gemindert oder gar dienstunfähig zu werden, gemieden werden müsse. Eine Grenze soll jedoch erreicht sein, soweit der Beamte infolge des Suchtmittelgebrauchs nicht mehr voll oder überhaupt nicht mehr einsetzbar ist. 93 Ebert, Das gesamte öffentliche Dienstrecht, 260, 8 b) Weiß, ZBR 1982, 6 95 vom 10.12.1985, DÖV 1986, 658 94 89 Ist der Krankheitsfall eingetreten, so hat der Beamte alles ihm zumutbar Mögliche zu tun, was der Wiedererlangung seiner vollen Dienstfähigkeit nützt, und zu unterlassen, was dieser schadet. So hat er den ärztlichen Anordnungen Folge zu leisten und ggf. verordnete Arzneien einzunehmen. Gleichwohl kann der Beamte unter Berufung auf Art. 4 GG aus anzuerkennender Glaubensüberzeugung eine bestimmte Heilmethode ablehnen. 96 Ebert97 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich der erkrankte Beamte beispielsweise nicht bis nach Mitternacht in Gastwirtschaften aufhalten dürfe. Die Rekonvaleszenzzeit darf nicht mit echter Freizeit verwechselt werden. Hinzuweisen ist darauf, dass ein Beamter im Krankheitsfall nicht generell dazu verpflichtet ist, Bett und Haus zu hüten. Soweit nicht medizinisch indiziert, darf er den Wohnort auch verlassen. Hierüber hat er allerdings den Dienstherrn zu informieren, um sicherzustellen, dass ihn Mitteilungen seiner Dienststelle unverzüglich erreichen können.98 Beantragt der Beamte während der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit Erholungsurlaub, soll ihm dieser nach Wichmann/Langer 99 gewährt werden können. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht München 100 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Gewährung von Erholungsurlaub die Dienstfähigkeit des Beamten voraussetzt. Leidet der Beamte an einer Suchterkrankung, hat dieser angebotene zumutbare Möglichkeiten zu nutzen, um die Sucht in den Griff zu bekommen. Ist eine Operation medizinisch indiziert, soll ein Beamter die Einwilligung zu dem medizinischen Eingriff nur dann verweigern dürfen, wenn die Dienstfähigkeit auch ohne Operation in verhältnismäßig kurzer Zeit wiederhergestellt werden kann und die Operation mit einer Gefahr für Leib 96 Weiß, ZBR 1982, 6 Das gesamte öffentliche Dienstrecht, 260, 8 b) 98 BVerwG, NVwZ-RR 2006, 47 99 Öffentliches Dienstrecht, S. 394 f 100 Vom 30.01.2013, 5 E 12.5819, Juris 97 90 und Leben des Beamten verbunden ist. 101 Freilich bedarf es insoweit stets einer Einzelfallbetrachtung, die zu berücksichtigen hat, wie gefährlich der ärztliche Eingriff ist, das Maß der hinzunehmenden Schmerzen, die Erfolgsaussicht und auch die psychische Verfassung des Beamten. Besteht ein besonderes dienstliches Bedürfnis auf bestimmten Dienstposten bestimmte Anordnungen einzuhalten, handelt es sich um eine besondere Gesunderhaltungspflicht. Beamtenrechtlich bedarf es besonderer, aus der Art des Dienstes herleitbarer Notwendigkeiten, spezielle Anordnungen zur Gesunderhaltung oder Gesundheitswiederherstellung treffen zu dürfen, z. B. kaserniert lebenden Beamten zur Krankheitsvorbeugung gewisse Regeln der Körperpflege vorzuschreiben oder kraftfahrenden bzw. Beamten im Bahnbetriebsdienst einem Alkoholverbot zu unterwerfen. Hierzu zählen weiterhin die in §§ 13 Abs. 5, 27 der „Allgemeinen Dienstanweisung für die Bundesbeamten“ enthaltenen Verpflichtungen, wonach Betriebsbeamte die Ruhezeit so zu nutzen haben, dass sie ausgeruht den Dienst antreten.102 Selbst Eingriffe in die körperliche Integrität, etwa eine Schutzimpfung oder das Dulden einer Röntgenuntersuchung, können ggf. eingefordert werden. Die Rechtmäßigkeit solcher oft einschneidender Weisungen bemisst sich auch hier nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Gleichgültig, ob es sich um eine allgemeine oder besondere Gesunderhaltungspflicht handelt, ist beiden gemeinsam, dass diese nicht mittels Zwang durchgesetzt werden können. Denn Anordnungen zur Gesunderhaltung sind nicht vollstreckbar. 101 102 Ebert, Das gesamte öffentliche Dienstrecht, 260, 8 b) Ebert, Das gesamte öffentliche Dienstrecht, 260, 8 b) 91 IV. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht Verhält sich der Beamte gesundheitsabträglich, kann dies ein Dienstvergehen darstellen, was disziplinarische Folgen auszulösen vermag. Hierzu bedarf es der sorgfältigen, einzelfallorientierten Prüfung, ob der objektive und subjektive Tatbestand der Verletzung einer Dienstpflicht vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit soll bereits genügen. 103 Bei übermäßigem Alkoholkonsum mag der Pflichtverstoß einfacher nachzuweisen sein. Denn dann wirkt „der Schnaps pflichtwidrig in den Dienst hinein“ 104 , so wenn der Beamte sich am Vorabend betrinkt und deswegen am darauffolgenden Tag außerstande ist, seinen Dienst zu leisten. Jedoch hat das BVerwG 105 dazu festgestellt, dass soweit das gesundheitsabträgliche, die Gesunderhaltungspflicht verletzende Verhalten die Dienstunfähigkeit des Beamten zur Folge hat, die Dienstleistungspflicht zum Ruhen bringt. Damit sei ein Fernbleiben vom Dienst nicht mehr möglich und damit der Anwendungsbereich des § 96 BBG ausgeschlossen, es sei denn, es läge ein Fall von Treuwidrigkeit vor. Davon erfasst werden sollen jene Fälle, in denen beispielsweise der Beamte am Vorabend nur deshalb dem Alkohol in starkem Maße zuspricht, um am darauffolgenden Morgen dienstunfähig zu sein, sei es wegen mangelnder Dienstleistungsbereitschaft, sei es, um einem ihm unangenehmen Dienst zu entgehen. Bei Suchterkrankungen hingegen wird der Nachweis mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden sein, da die Einsichtsfähigkeit des Beamten zur Beurteilung seines Fehlverhaltens nachweisbar vorhanden gewesen sein muss. Auch wird bei Prüfung des Verschuldens die Suchterkrankung regelmäßig zum Ausschluss der Einsichtsfähigkeit führen. Zwar kann im Anfangsstadium der Suchterkrankung noch ein steuerbares Verhalten vorliegen, der Übergang zur nicht mehr steuerbaren Sucht ist indessen fließend und damit der Vorwurf eines Dienstvergehens nicht mehr durchsetzbar. 103 Ebert, Das gesamte öffentliche Dienstrecht, 260, 8 b) Weiß, ZBR 1982, 6 105 vom 15.07.1980, RiA 1980, 238 104 92 Verschulden kann dem Beamten jedoch dann vorgeworfen werden, wenn er im Anschluss an eine Entziehungskur wiederum dem Alkoholmissbrauch verfällt und er eindringliche Belehrungen seines Dienstherrn missachtet. Fehlende Therapierbarkeit eines bei Wiederaufnahme der Arbeit möglichen Wiederauflebens depressiver Symptome, die primär auf geringe Arbeitsmotivation nicht für einen konkreten Arbeitsplatz, sondern auch allgemein für jeden anderen amtsgemäßen und laufbahntypischen Einsatz zurück zu führen ist, kann bei amtsärztlich festgestellter allgemeiner Dienstunfähigkeit als Arbeitsverweigerung und schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst gewertet werden.106 Kein Verschulden wird dem Beamten fehlgeschlagenen Suizid unternommen hat. 107 vorgeworfen, der einen V. Fernbleiben vom Dienst § 96 Bundesbeamtengesetz (BBG) regelt das Fernbleiben des Beamten vom Dienst wie folgt: „Beamtinnen und Beamte dürfen dem Dienst nicht ohne Genehmigung ihrer Dienstvorgesetzten fernbleiben. Dienstunfähigkeit infolge von Krankheit ist auf Verlangen nachzuweisen. Verliert die Beamtin oder der Beamte wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst nach dem Bundesbesoldungsgesetz den Anspruch auf Besoldung, wird dadurch die Durchführung eines Disziplinarverfahrens nicht ausgeschlossen.“ 106 107 BVerwG, NVwZ 2003, 660 Weiß, ZBR 1982, 6 93 Damit entspricht § 96 BBG vollinhaltlich der bis 2009 hierzu geltenden Altregelung des § 73 BBG. Ein Fernbleiben vom Dienst setzt zunächst eine vom Beamten zu erfüllende Dienstobliegenheit voraus, der er nicht nachkommt. Besteht hingegen keine Pflicht zur Dienstleistung, ist ein Fernbleiben ausgeschlossen, wie beim Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG. § 96 BBG enthält einen Rechtfertigungsgrund, wonach der Beamte der bestehenden Dienstpflicht bei Krankheit entbunden wird, da niemand zu einer Dienstleistung verpflichtet sein kann, die er objektiv nicht erbringen kann.108 1. Anzeigepflicht Bereits aus dem für Beamte geltenden gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnis nach Art. 33 Abs. 4 GG bzw. dem Weisungsrecht des Dienstherrn ergibt sich, dass der Beamte im Falle des auf Krankheit beruhenden Fernbleibens vom Dienst dazu verpflichtet ist, seinem Dienstherrn die Dienstunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Den Beamten treffen insoweit 109 Mitwirkungspflichten. Einer bestimmten Form bedarf die Anzeigepflicht nicht, sie kann folglich telefonisch, der Fax, E-Mail oder auch SMS erfolgen. Nach der gem. § 199 Abs. 2 DBG fortgeltenden DV Nr. 2 zu § 17 Deutsches Beamtengesetz 1937 ist der Beamte verpflichtet, die Erkrankung und ihre voraussichtliche Dauer spätestens am folgenden Tag anzuzeigen.110 108 GKÖD-Summer, K § 73 Rn.12 OVG Lüneburg, RiA 2006, 87 110 Plog/Wiedow, BBG, § 73 alte Fassung, Rn.4 109 94 Die DV zu § 17 DBG lautet wie folgt: „Nr. 2: Bleibt der Beamte wegen Krankheit dem Dienst fern, so hat er die Erkrankung und ihre voraussichtliche Dauer spätestens am folgenden Tage anzuzeigen. Auf Anfordern des Dienstvorgesetzten hat er eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Bei längerer Dauer der Krankheit ist die Vorlegung einer ärztlichen Bescheinigung auf jedesmaliges Verlangen des Dienstvorgesetzten zu wiederholen. Der Beamte ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Dienstvorgesetzten von einem beamteten Arzt untersuchen zu lassen. Die Kosten der Untersuchung trägt die Dienststelle.“ 2. Nachweispflicht § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG legt fest, dass auf Verlangen des Dienstherrn die Krankheit nachzuweisen ist. Wann der Nachweis zu erfolgen hat, entscheidet der Dienstherr. Regelmäßig verlangt der Dienstherr wie auch bei der Gruppe der Arbeitnehmer, dass der Beamte bei einer länger als drei Kalendertage andauernden Dienstunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über den Nachweis der Erkrankung beizubringen hat. Spätestens am vierten Tag ist die Bescheinigung dem Dienstherrn vorzulegen. Die voraussichtliche Dauer des Fernbleibens hat die Bescheinigung ebenfalls zu enthalten. Damit soll dem Dienstvorgesetzten die Möglichkeit eröffnet werden, sich über die Dienstunfähigkeit des Beamten und deren Dauer Gewissheit zu verschaffen, um so eventuell notwendig werdende Personaldispositionen vornehmen zu können. 111 Die Vorlage des Attestes kann bei besonderen Umständen auch sofort verlangt werden. 112 Fällt der Beamte etwa durch häufige Kurzzeiterkrankungen auf, kann der Dienstherr bereits ab dem ersten Tag 111 112 BaWüVGH, DÖD 1976, 38 BDiG vom 29.04.1975, DÖD 1975, 187; OVG Koblenz, ZBR 1985, 153 95 der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit die Vorlage einer 113 Die mit dem Nachweis entsprechenden Bescheinigung verlangen. verbundenen Unannehmlichkeiten können dazu führen, dass die Abwesenheitsquote manches Beamten zurückgeht. Der Schuss kann allerdings auch nach hinten losgehen, indem der Beamte sich direkt für eine ganze Woche dienstunfähig schreiben lässt. Dauert die Erkrankung länger an als auf der ärztlichen Bescheinigung vermerkt, ist der Beamte verpflichtet, eine Folgebescheinigung beizubringen. Die die ärztliche Bescheinigung verursachenden Kosten hat der Beamte selbst zu tragen. 114 Wie auch bei den Arbeitnehmern steht das Arbeitnehmerpersönlichkeitsrecht dem Interesse des Dienstherrn entgegen, den Krankheitsgrund zu erfahren. Allenfalls, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte vorhanden sind, dass die Krankheit von dienstlichem Interesse sein könnte, kann sich eine dahingehende Pflicht ergeben, wenn die Krankheit für die Verwendung des Beamten entscheidend ist. Eine Informationspflicht des Beamten soll sogar bestehen, wenn er Dritte während der Dienstleistungspflicht anstecken könnte.115 Mit der Bescheinigung hat der Beamte zunächst seiner Nachweispflicht entsprochen. Hat der Dienstherr Zweifel an der Dienstunfähigkeit des Beamten, hat er das Recht, eine amtsärztliche Bescheinigung einzuholen. Wie stark die Zweifel sind, ist dabei unerheblich. Auch ist es nicht von Bedeutung, ob der betroffene Beamte nach allgemeinen mit ihm gemachten dienstlichen Erfahrungen als glaubwürdig anzusehen ist oder nicht, wenn dies an den Zweifeln des Dienstvorgesetzten nichts zu ändern vermag. 116 Diesen 113 Lenders/Peters/Weber/Grunewald/Lösch, Das Dienstrecht des Bundes, § 96 BBG, Rn.853 BVerwGE 21,15; Battis, BBG § 96, Rn.4 115 Plog/Wiedow, BBG, § 73 alte Fassung, Rn.4 116 BVerwGE 21, 15 114 96 Zweifeln müssen ausschließlich Tatsachen zugrundeliegen, die bei verständiger Würdigung berechtigt erscheinen. Nicht ausreichend ist die Tatsache, dass der Beamte Dienstunfähigkeit geltend macht. Weitere Umstände müssen hinzutreten, wie z.B. die Dauer der Fehlzeiten, die Häufigkeit von Ausfällen oder die Lage von Fehltagen 117 („Montagskrankheiten“). Zweifel können sich auch daraus ergeben, dass der Beamte beim Sport, in einer Diskothek oder beim Bau seines Eigenheimes angetroffen wird. Bevor der Beamte dazu aufgefordert wird, eine entsprechende amtsärztliche Untersuchung durchführen zu lassen, ist ihm Gelegenheit zur Stellungnahme - als Ausdruck rechtlichen Gehörs – zu geben. Dies ist auf den § 25 VwVfG gründenden Untersuchungsgrundsatz wie auch auf den Anhörungsgrundsatz nach § 28 VwVfG zurückzuführen. Zu hören ist der Beamte nicht nur zu allen Tatsachen, welche die Zweifel des Dienstvorgesetzten hervorgerufen haben, sondern auch zu den Schlüssen, die der Dienstvorgesetzte daraus zieht. Zudem ist er hinsichtlich der in Aussicht genommenen Konsequenzen - der amtsärztlichen Untersuchung – anzuhören. Kann der Beamte die Zweifel seines Dienstvorgesetzten nicht entkräften, kann der Dienstvorgesetzte eine amtsärztliche Untersuchung verlangen. Der Dienstherr muss bei der beanspruchten amtsärztlichen Überprüfung den Gleichheitsgrundsatz beachten. Er darf also nicht bei einer bestimmten Beamtengruppe vergleichbare Sachverhalte, wie etwa Fehlzeiten, ungleich behandeln. Der amtsärztlichen Untersuchung kann sich der Beamte nicht mit dem Hinweis entziehen, er sei so krank, dass er keinen Amtsarzt aufsuchen könne. 118 Denn die Anforderung eines amtsärztlichen Nachweises der Dienstunfähigkeit beinhaltet nicht die Verpflichtung, sich persönlich bei einem Arzt zur Untersuchung einzufinden. Vielmehr bleibt es dem Arzt überlassen, ob er den Beamten zur Klärung seines Gesundheitszustandes aufsucht oder sich mit fernmündlichen Angaben des Beamten über seinen 117 118 VG Ansbach, vom 27.10.1981, AN 1 K 81 A. 774 Köhler, DÖD 1987, 145 97 Gesundheitszustand begnügt, wobei ganz regelmäßig die persönliche Untersuchung zu erfolgen hat. Hat der Beamte längere Fehlzeiten, so ist es auch zulässig, dass der Beamte sich in regelmäßigen Abständen erneut amtsärztlichen Untersuchungen zu unterziehen hat. Denn es handelt sich um das legitime Interesse des Dienstherrn, sich weiterhin über die Verfügbarkeit des Beamten unterrichten zu lassen. Der Dienstherr kann schließlich auch, soweit der Beamte seinen Dienst wieder angetreten hat, den Nachweis der Dienst(un)fähigkeit durch amtsärztliche Bescheinigung verlangen. Das Nachweisverlangen Personalrats.119 unterliegt nicht der Mitbestimmung des Die durch die amtsärztliche Untersuchung entstehenden Kosten hat der Dienstherr zu tragen. 120 Da bei einem amtsärztlichen Gutachten von einer größeren Objektivität auszugehen ist, wird auch der Beweiswert entsprechend anders bewertet werden können als dies bei einem privatärztlichen Gutachten der Fall ist.121 Der Vorrang des amtsärztlichen Gutachtens wird damit begründet, dass der Amtsarzt mit der öffentlichen Verwaltung besser vertraut ist und damit die an den Beamten gestellten Anforderungen besser kennt; dem Amtsarzt wird eine größere Erfahrung bei der Beurteilung der Dienstunfähigkeit zugesprochen als dem Privatmediziner. Zudem kann die Objektivität des Privatmediziners durchaus darunter leiden, dass er zu „seinem“ Patienten ein für die Behandlung ja auch erforderliches Vertrauen gewonnen hat und von seinem Patienten finanziert wird. Letzteres Argument ist insbesondere bei Privatpatienten nicht zu vernachlässigen, da diese in manchen Praxen 119 BVerwG, DVBl. 1986, 893 Plog/Wiedow, BBG, § 73 alte Fassung, Rn.4 121 Wichmann/Langer, Öffentliches Dienstrecht, S. 393 f unter Berufung auf BVerwG, NVwZ-RR 2003,289 120 98 erst dazu beitragen, dass die Praxis erfolgreich wirtschaften kann. Demzufolge kommt der medizinischen Beurteilung eines Amtsarztes grundsätzlich Vorrang vor der medizinischen Beurteilung eines Privatarztes zu (VG Düsseldorf vom 31.01.2014 – 13 K 2412/13). Dieser Grundsatz des Vorrangs amtsärztlicher Beurteilungen soll nur dann nicht greifen, wenn keine Aussage eines Amtsarztes zu einer von einem Privatarzt bescheinigten Erkrankung vorliegt, wenn folglich sich die Dienstunfähigkeitsbescheinigung eines Privatarztes entweder auf eine Erkrankung bezieht, die nicht Gegenstand der amtsärztlichen Untersuchung gewesen ist, oder auf eine Neuerkrankung bezieht, die in der Zeit nach dieser Untersuchung aufgetreten ist. Nach § 44 Abs. 6 BBG kann neben der Untersuchungspflicht auch die Pflicht bestehen, sich ärztlich beobachten zu lassen. Der Beamte hat nicht das Recht, den Amtsarzt zum Schweigen zu verpflichten. Vielmehr wird der Amtsarzt in Ausübung einer hoheitlichen Aufgabe tätig, so dass er eine bestehende Dienstfähigkeit auch zu melden verpflichtet ist. Dementsprechend hat der Beamte, sobald er weiß, dass keine Dienstunfähigkeit vorliegt, den Dienst unverzüglich wieder anzutreten; einer speziellen Aufforderung bedarf es nicht.122 Kommt der Beamte seiner Pflicht nicht nach, soll es sich nicht um „unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst handeln“, welches disziplinarrechtliche Maßnahmen zur Folge hat und nach § 9 BBesG zum Verlust der Besoldung für die Dauer der Abwesenheit führen kann. 123 Anderes soll nur gelten, soweit der Beamte darüber hinaus treuwidrig gehandelt hat. Begründet wird dies mit dem Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Besoldung, der ihm nur dann gekürzt werden können darf, wenn es hierzu eine entsprechende rechtliche Grundlage gibt. Im Gegensatz zum Arbeitsrecht stehen im Beamtenrecht Leistung und Gegenleistung nicht im synallagmatischen Verhältnis zueinander. Bleibt der Beamte dem Dienst fern, so sind ihm – soweit keine entsprechende Grundlage besteht – die Bezüge gleichwohl weiterzuzahlen. Grundsätzlich behält daher auch der pflichtwidrig handelnde Beamte, selbst wenn sein 122 123 BVerwG, NVwZ-RR 2003,289. Battis, BBG § 96, Rn.4 99 Fehlverhalten bei entsprechendem Verschulden ein Dienstvergehen darstellt, seinen Alimentationsanspruch. Hat der Beamte – ohne ausnahmsweise treuwidrig gehandelt zu haben – durch Verletzung seiner Gesunderhaltungspflicht ein Dienstvergehen begangen, zieht das die besoldungsrechtliche Folge des Verlustes der Bezüge nicht nach sich, selbst wenn er wegen Verschuldens an der Dienstunfähigkeit dem Dienst fernbleiben muss. Für das Ruhen der Dienstleistungspflicht trägt vielmehr der Dienstherr das volle Gehaltsrisiko, dem dann allerdings die disziplinarische Verantwortlichkeit des Beamten korrespondiert. Ausschließlich in den seltenen Fällen von Treuwidrigkeit schlägt das Fehlverhalten auch besoldungsrechtlich durch. Die Aufforderung, einer amtsärztlichen Untersuchung Folge zu leisten, stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, gegen den der Beamte seinerseits vorgehen kann. Daher wird, um einer aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage entgegenzuwirken, empfohlen, die Aufforderung schriftlich zu formulieren und mit einer Anordnung nach § 80 Abs. 2 Nr.4 VwGO zu verbinden. 124 Weigert sich der Beamte der Untersuchung nachzukommen, so kann dieses Verhalten disziplinarische Maßnahmen zur Folge haben. Demgegenüber handelt es sich um eine behördeninterne Weisung und keinen Verwaltungsakt, wenn die Behörde den Beamten auffordert, seinen Dienst anzutreten, 125 mit der Folge, dass sich der vorläufige Rechtsschutz nach § 123 VwGO richtet.126 124 Baßlsperger, Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) und Beendigung von Arbeits- und Beamtenverhältnissen wegen Krankheit, S. 4 125 BVerwG, ZBR 1999, 424 126 OVG Koblenz, NVwZ-RR 2003, 223 100 VI. Erkrankung während des Urlaubs § 9 EUrlV enthält folgende Regelung: „ (1) Werden Beamtinnen oder Beamte während ihres Urlaubs durch Krankheit dienstunfähig und zeigen dies unverzüglich an, wird ihnen die Zeit der Dienstunfähigkeit nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet. Die Dienstunfähigkeit ist durch ein ärztliches, auf Verlangen durch ein amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis nachzuweisen. (2) Für die Inanspruchnahme von Urlaub wegen der Erkrankung über die bewilligte Zeit hinaus bedarf es einer neuen Bewilligung.“ Da sich der Zweck des Urlaubs – die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit – nicht erreichen lässt, soweit bei dem Beamten eine Erkrankung besteht, gewährleistet § 9 EUrlV, dass dem Beamten infolge Krankheit nicht das Ziel des Urlaubs entgeht. Wie Abs. 1 Satz 1 verlangt, hat der Beamte seiner Dienststelle die Erkrankung unverzüglich anzuzeigen, d.h. nach § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern. Nur so kann er erreichen, dass ihm der Urlaub nicht angerechnet wird. Und nur so wird der Dienststelle die Möglichkeit eröffnet, sich zu entscheiden, ein amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis einzufordern. Eine Mitteilung nach Genesung bzw. Rückkehr an die Dienststelle steht somit einer Anrechnung des Urlaubs nicht entgegen. Wie der Beamte der Dienststelle seine Erkrankung mitteilt, steht ihm grds. frei, ob telefonisch, per Telefax, E-Mail oder SMS, wobei der fernmündlichen Anzeige regelmäßig als zweckmäßigste, zuverlässigste und regelmäßig zumutbare Anzeige der Vorzug gegeben werden soll (Bayer. VG München, Urteil vom 16. Mai 1989 – M 12 K 88.5833). 101 Die Umstände des Einzelfalls können indes eine andere Kommunikationsform als notwendig erscheinen lassen, je nach Schwere der Erkrankung oder Gegebenheit am Urlaubsort. Neben der unverzüglichen Anzeige hat der Beamte zudem nach Abs. 1 Satz 2 den Nachweis der Dienstunfähigkeit mittels ärztlichem Attest zu erbringen. Hinzuweisen bleibt, dass Schwangerschaft und Entbindung keine Krankheit darstellen und nicht von § 9 EUrlV erfasst werden. Fällt in den Erholungsurlaub eine Frühgeburt, tritt ein sofortiges Beschäftigungsverbot ein. Der Erholungsurlaub wird hierdurch abgebrochen und ein Verlust von Urlaubstagen tritt nicht ein. Begehrt der dienstunfähig erkrankte Beamte den Urlaub nach seiner Genesung in Anspruch zu nehmen bzw. fortzusetzen, so bedarf es für diesen neuen Urlaub nach Abs. 2 eines gesonderten Antrags. Zu prüfen bleibt, ob dieser Wunsch der Erledigung der Dienstgeschäfte nach § 2 Abs. 1 EUrlV nicht entgegen steht bzw. mit Urlaubswünschen Dritter in Einklang zu bringen ist. VII. Dienstunfähigkeit Um Frühpensionierungen entgegenzuwirken, wurde mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz 2009 das Verfahren zur Dienstunfähigkeit nach §§ 44 – 49 BBG verschärft. Vor Einleitung eines Dienstunfähigkeitsverfahrens (DU-Verfahren) hat die zuständige Dienststelle mehrere Maßnahmen durchzuführen, um zu klären, ob ein Beamter dauerhaft dienstunfähig ist. 102 1. Einbeziehung eines Betriebsarztes Ist ein Beamter länger erkrankt, weist BMI mit Rundschreiben vom 05.11.2012 darauf hin, dass der Betriebsarzt einzubeziehen ist. Ihm obliegt die Beratung der Dienststellenleitung wie auch der Beschäftigten zur Beanspruchung durch die Arbeit, zu Integration und Rehabilitation. Der Betriebsarzt kann beraten zur Eignung für bestimmte Tätigkeiten, zum BEM, Wiedereingliederung, Umsetzung und Prognose. Nicht zu den Aufgaben des Betriebsarztes gehört die Überprüfung von Krankmeldungen. Hierzu ist der Amtsarzt heranzuziehen. Der Betriebsarzt kann jedoch als Gutachter nach § 48 Abs. 1 S. 2 BBG zugelassen werden. 2. Vorlage einer privatärztlichen Bescheinigung nach drei Monaten Bei einer dreimonatigen ununterbrochenen Erkrankung kann zur Verfahrensbeschleunigung von dem betroffenen Beamten eine ärztliche Bescheinigung verlangt werden, aus der sich eine Prognose ergibt, wann mit der Rückkehr des Beamten zu rechnen ist. VIII. Begrenzte Dienstfähigkeit Neben der dauerhaften Dienstfähigkeit wurde die begrenzte Dienstfähigkeit mit dem Versorgungsreformgesetz 1998 zunächst nur zeitlich befristet in § 45 BBG eingeführt: „Von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist abzusehen, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit). Von der begrenzten Dienstfähigkeit soll abgesehen werden, wenn der Beamtin oder 103 dem Beamten nach § 44 Abs. 2 oder 3 ein anderes Amt oder eine geringerwertige Tätigkeit übertragen werden kann. Die Arbeitszeit ist entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit zu verkürzen. Mit Zustimmung der Beamtin oder des Beamten ist auch eine Verwendung in einer nicht dem Amt entsprechenden Tätigkeit möglich. Die für die Ernennung zuständige Behörde entscheidet über die Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit. Für das Verfahren gelten die Vorschriften über die Dienstunfähigkeit entsprechend.“ Ist demnach auf absehbare Zeit eine Tätigkeit zwar nicht voll, gleichwohl aber zumindest hälftig von dem Beamten leistbar, besteht die Möglichkeit der begrenzten Dienstfähigkeit, auch Teildienstfähigkeit genannt. 127 Vorrangig ist allerdings zu prüfen, ob dem Beamten nicht ein anderes Amt oder eine geringwertigere Tätigkeit übertragen werden kann, wozu die volle Dienstfähigkeit vorhanden zu sein hat. Vor der Versetzung in den Ruhestand sind demnach zunächst alle anderen Möglichkeiten zu prüfen, unter denen der Beamte beschäftigt werden kann. Hierdurch sollte dem Ansatz „Rehabilitation vor Versorgung“ Rechnung getragen werden. Der Umfang ist mittels eines amtsärztlichen Gutachtens oder durch einen als Gutachter beauftragten Mediziner zu ermitteln. Die Beauftragung eines externen Gutachters hat den Vorteil, dass der Dienstherr auf besonderes Fachwissen einzelner Ärzte Rückgriff nehmen kann, die über besondere Erfahrungen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinsichtlich Arbeitsfähigkeit und Arbeitseinsatz verfügen, so die Ärzte des Sozialmedizinischen Dienstes der Bundesknappschaft. Im Gegensatz zu der Statusgruppe der Arbeitnehmer können Beamte infolgedessen im Rahmen ihrer gesundheitlichen Fähigkeiten berufstätig sein und werden nicht mehr ohne weiteres in den Ruhestand versetzt. 127 Lenders/Peters/Weber/Grunewald/Lösch, Das Dienstrecht des Bundes, Vorbemerkung § 45 BBG, Rn.618 104 Wird die Option der Teildienstfähigkeit genutzt, so kann diese auch gegen den Willen des Betroffenen umgesetzt werden. Nur bei einer dem bisherigen Amt nicht entsprechenden Tätigkeit bedarf es der Zustimmung des Beamten. Die begrenzte Dienstfähigkeit hat nicht zuletzt Auswirkungen auf die Alimentation: So werden die Dienstbezüge entsprechend dem Verhältnis der regelmäßigen zur reduzierten Arbeitszeit ermittelt und gewährt. Mindestens sind sie so hoch wie das Ruhegehalt betragen würde. § 72a Abs. 2 BBesG hat die Bundesregierung darüber hinaus ermächtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, die die Gewährung eines nicht ruhegehaltsfähigen Zuschlags regelt. 2008 hat der Bund die entsprechende Begrenzte Dienstunfähigkeit Zuschlagsverordnung (BDZV) 128 beschlossen. Die Verordnung sieht bei einer eingeschränkten Dienstfähigkeit von wenigstens 20 % einen Zuschlag vor, der aus einem Festbetrag von 150,- € und einem variablen Anteil besteht. Er beträgt 10 % der Differenz aus den nach § 72a BBesG arbeitszeitanteilig zustehenden Dienstbezügen und den Dienstbezügen, die ohne eine verkürzte Arbeitszeit zu zahlen wären, § 2 Abs. 1 BDZV. Nach § 3 BDZV ist dieser Zuschlag jedoch ausgeschlossen, wenn ein Anspruch auf den Zuschlag bei Altersteilzeit besteht. Anzumerken bleibt jedoch, dass von der Möglichkeit der begrenzten Dienstfähigkeit nur sehr sparsam Gebrauch gemacht wird – ebenso von der der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nach § 46 BBG. 129 IX. Betriebliches Eingliederungsmanagement Im Beamtenrecht lehnt die Rechtsprechung 130 teilweise ein BEM unter Berufung auf den Grundsatz „Rehabilitation vor Versorgung“ ab. Aufgrund 128 BGBl. I, S. 1751, geändert 2009: BGBl. I, S. 160 Lenders/Peters/Weber/Grunewald/Lösch, Das Dienstrecht des Bundes, Vorbemerkung §§ 44-49 BBG, wonach im Bundesbereich von 2001 bis 2003 lediglich 130 Fälle erfasst wurden, in 2004 nur 40 und 20 in 2007. 130 VG Berlin vom 26.02.2008, 28 A 13405 - juris 129 105 des ohnehin geltenden Fürsorgegedankens sei ein BEM nicht von Nöten. Aufgrund des Alimentationsprinzips sei der Beamte besser gesichert als der Arbeitnehmer. Demgegenüber wird von der gegenteiligen Rechtsprechung 131 auch im Beamtenrecht - gleichfalls unter Berufung auf die Fürsorgepflicht - ein BEM für erforderlich gehalten, um eine dauernde Dienstunfähigkeit zu verhindern. Handelt es sich um einen Beamten auf Probe, so hat das VG Saarland132 entschieden, dass kein BEM durchzuführen sei, wenn der Beamte auf absehbare Zeit den Anforderungen seines Amtes in gesundheitlicher Hinsicht nicht genügen werde. Gleiches gilt, soweit der Beamte aufgrund eines Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist. 133 Lehnt der Beamte das BEM ab, so darf auch kein solches stattfinden. Keine Auswirkungen hat das BEM auf eine amtsärztliche Untersuchung, die unabhängig hiervon durchgeführt werden kann; das BEM ist nicht Voraussetzung.134 Wurde das BEM nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt, hat der Dienstherr sein Ermessen, das ihm bei der Prüfung der Übertragung eines anderen Dienstpostens vor der Ruhestandsversetzung obliegt, nicht ordnungsgemäß gebraucht. X. Stufenweise Wiedereingliederung Für das in §§ 74, 275 SGB V geregelte Verfahren zur stufenweisen Wiedereingliederung – auch als Hamburger Modell bezeichnet – gibt es für Beamte keine vergleichbare gesetzliche Grundlage. Da sich dieses in der 131 VG Gelsenkirchen vom 25.06.2008, 1 K 3679/07 – juris vom 15.02.2009, 2 K 814/08 - juris 133 VG Saarland vom 09.01.2009, 7 K 2080/07 - juris 134 OVG NRW, DÖD 2010, 249 132 106 Praxis jedoch bewährt hat, hat BMI mit Datum vom 01.08.2005 ein Rundschreiben zu der Anwendung im Beamtenverhältnis erarbeitet. Wie auch bei der Statusgruppe der Tarifbeschäftigten erstellt der behandelnde Arzt dem Beamten einen Wiedereingliederungsplan, der mindestens die voraussichtliche Dauer der Wiedereingliederung, die wöchentliche Arbeitszeit und die vom Beamten wahrzunehmende Aufgabe enthält. Die personalbearbeitende Wiedereingliederungsplan zu. Dienststelle stimmt sodann dem Status und Fortzahlung der Besoldung werden auch hier nicht berührt. Wie auch bei den Arbeitnehmern ist die Tätigkeit des Beamten freiwillig, so dass der Beamte ohne besondere rechtliche Regelung dem Dienst auch fernbleiben kann. Insoweit wird die Freiwilligkeit für die Zeit der Abwesenheit zurückgezogen und der Wiedereingliederungsplan unterbrochen. Die bloße Anzeige der Abwesenheit genügt nicht. BMI führt weiter aus: „Ein „Urlaubsverbot“ steht der Abwesenheit nicht entgegen, sofern der Heilungserfolg nicht gefährdet wird. Dieses Kriterium dürfte auch maßgebend für die Dauer der Abwesenheit sein. Diese sollte den für die endgültige Wiederherstellung der Gesundheit angesetzten Zeitraum der Wiedereingliederung nicht hinausschieben, sondern nur unterbrechen. Hat der Dienstherr Zweifel an Art und Umfang des Wiedereingliederungsplans, gebietet die Fürsorgepflicht, den Beamten zur Beendigung des Dienstes und zum Aufsuchen eines Arztes aufzufordern oder eine amtsärztliche Untersuchung anzuordnen. Da der Beamte aufgrund seiner Dienstunfähigkeit nicht zur Dienstleistung verpflichtet ist, hat die Wiedereingliederung keine Rechtswirkungen hinsichtlich der zu erbringenden Arbeitszeit und –leistung. Die erbrachte Arbeitszeit ist nicht auf ein Arbeitszeitkonto, vielmehr als Krankheit zu buchen. Der Umfang der Wiedereingliederung ist nicht zeitlich begrenzt, kann sich also über Monate erstrecken. Auffällig ist indes, dass sich der Zeitraum der Inanspruchnahme der Wiederaufnahme zwischen der Gruppe der Arbeitnehmer und der der Beamten deutlich unterscheidet, da letztere über 107 einen längeren Zeitraum die Wiedereingliederung in Anspruch nehmen. Es mag dahingestellt bleiben, ob dies auf der Alimentation beruht, im Gegensatz zu der zeitliche begrenzten Entgeltfortzahlung bzw. dem finanziell geringeren Anspruch auf Krankengeld. Wie auch der Arbeitnehmer kann der Beamte Erholungsurlaub nicht in Anspruch nehmen. Eine förmliche Inanspruchnahme von Urlaub ist daher mit einem laufenden Hamburger Modell unvereinbar. XI. Fazit Festzuhalten bleibt folglich für die Statusgruppe der Beamten, dass zwar die Voraussetzungen der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit – die Erkrankung, die es dem Beamten unmöglich oder unzumutbar macht, seinen Dienst zu leisten – identisch sind mit der Statusgruppe der Tarifbeschäftigten. Indem der Beamte jedoch aufgrund des Fürsorgegedankens zunächst einmal ohne zeitliche Grenze besoldet wird, ergeben sich viele, die Tarifbeschäftigten betreffende Einzelprobleme erst gar nicht mehr. Dies lässt die rechtliche Auseinandersetzung mit der Frage der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit des Beamten deutlich klarer erscheinen und Einzelfragen einfacher lösen. 108